[ke:onda] 19 1/2018

Page 1

Die Jugendzeitschrift der Naturfreundejugend Deutschlands

Facebook Naturfreundejugend . Deutschlands Instagram @Naturfreundejugend Twitter naturfreundeju

www.keonda.de [Ke:onda] 01 / 2018

W IR kauf en e u c h n ic h t alles ab!


Seite 2

Juni 2018

Vorwort Inhaltsverzeichnis Liebe Leser*innen, Medien, Politik und Gesellschaft sind im Konsumwahn. Immer wieder heißt es „kaufen macht glücklich“, „die Wirtschaft muss wachsen“ oder „ich will das neueste Smartphone“. Bei unserem deutsch-senegalesischen Austausch ist uns immer wieder klar geworden, dass Konsum nicht alles ist. Im Gegenteil: Die vorherrschenden Konsumgewohnheiten führen zur Ausnutzung von Mensch und Natur (S. 4 bis 7), zu offenen und versteckten Müllbergen (S. 8 bis 10) sowie zu einer ständiger Konkurrenz (S. 11). Als junge Naturfreund*innen aus dem Senegal und aus Deutschland waren wir gemeinsam je zwei Wochen in beiden Ländern unterwegs. Unsere Begegnung wurde dabei im Rahmen der Deutsch-Afrikanischen Jugendinitiative durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert. Unterwegs haben wir eines der Ziele der Vereinten Nationen besonders in den Blick genommen: „Nachhaltiger Konsum“. Nicht nur als Theorie, sondern durch Besuche spannender Orte und beeindruckender Menschen. Aus den vielen Gesprächen zwischendurch sowie aus Gedanken und Erfahrungen, die wir mitgenommen haben, ist diese Zeitschrift entstanden. [ke:onda] steht ja für das spanische „¿Qué onda?“ und heißt „Was geht?“. Im Senegal sagt man dazu „Naka Waar“, das ist Wolof, eine der größten Sprachen in Westafrika. Auf den nächsten Seiten seht ihr in Texten und Bildern an welche spannenden Orte uns unsere Reise geführt hat. Es wird sicher nicht die letzte gewesen sein… Berg frei, Kellé und bis zum nächsten Mal! Eure [ke:onda] - Redaktion

Impressum [ke:onda] – Die Jugendzeitschrift der Naturfreundejugend Deutschlands KidsPower – Die Kinderzeitschrift der Naturfreundejugend Deutschlands Herausgegeben durch das Kinder- und Jugendwerk der Naturfreunde, Verein zur Förderung der Naturfreundejugend Deutschlands e.V., Adresse siehe unten Redaktionsanschrift und Verlag: Naturfreundejugend Deutschlands || Warschauer Straße 59a || 10243 Berlin || Telefon 030-297732-70 || Telefax 030-297732-80 keonda@naturfreundejugend.de || www.keonda.de Mitglieder der Naturfreundejugend Deutschlands erhalten KidsPower/[ke:onda] kostenlos. KidsPower/[ke:onda] kann auch als Abo für 5 € pro Jahr inkl. Versandkosten bestellt werden.

Nachhaltiger Konsum Später wird es zu spät sein 04 Tach ALWO und Kellé Gabriele 05 Der verantwortungsvolle Konsument 06 Was hat das mit mir zu tun Die Deponie Mbeubeuss

Eine Impression mit Nachklang

06

08

Der versteckte Müll

09

10

Kapitalismus vs. Nachhaltigkeit 11

Unsere Begegnung 2 Flüge, 2 Wochen

Herausforderungen und Beziehungen Unterschiede und Besonderheiten

Landschaften atemberaubender Schönheit

12

13

14 15

Der politische Aspekt der Naturfreunde-Bewegung

16

Zwei Jahre für eine Idee

16

Engagement für eine nachhaltige Welt

17

Feuilleton German-Wolof-Dictionary 18 Flying in the wind 19

Das Gendersternchen * - Wir sind überzeugt, dass Frauen und Männer das Recht auf Gleichberechtigung haben. Aber es gibt weit mehr als nur „männlich“ und „weiblich“. Wir sind der Meinung, dass alle Menschen ihr Geschlecht selbst bestimmen dürfen. Um dies auszudrücken und ALLE einzubeziehen, nutzen wir das sogenannte Gendersternchen *. Redaktion [ke:onda]: Fatou Diouf, Ndeye Khady Diame, Penda Mbow, Aïssatou Ndiaye, Youssoupha Traore, Mamadou Sylla, Makha Traore, Mouhamed Abdoullahi LY, Mamadou Diop, Assane Diop, Sandra Lindenmann, Frauke Gehrau, Marc Sebastian Eils, Tilo Podstatny-Scharf, Alice Reitz, Jannis Pfendtner, Janinka Lutze, Dennis Meier, Tanja Kelm, Kristian Schaffner, Fenja Wegner, Miriam Wolters, Steffen Filz, Lina Mombauer, Tobias Thiele, Dennis Melsa (V.i.S.d.P)

Fotos KidsPower: www.pixabay.com (S. 1, 3, 5, 10, UWD-Brief), Flickr Creative Commons (S. 5), Naturfreundejugend Deutschlands (S. 2, 3, 4, 7, 11), Naturfreundejugend Niedersachsen (S. 6, 7), Naturfreundejugend Württemberg (S. 7), Geschichte KidsPower (S. 8, 9): Jasper Nicolaisen

Redaktion KidsPower: Sine Schnitzer, Michèle Guyot,

Druck: Druckerei Lokay e.K. Klimaneutral gedruckt auf 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel und dem EU Eco-Label.

Dennis Melsa (V.i.S.d.P.) Fotos [ke:onda]: Naturfreundejugend Deutschlands (S. 1, 4, 5, 7, 19, 20, 21), Janinka Lutze (S. 1, 5, 6, 9, 12, 14, 15), Marc Sebastian Eils (S. 1, 13,14), Jannis Pfendtner (S. 1), Steffen Wiegard (S. 8, 9), pixabay.com (S. 10, 11), Assane Diop (S. 13), Mamadou Diop (S. 15), Uwe Hiksch/NaturFreunde Deutschlands (S. 17), NaturFreunde Eberswalde (S. 17)

Illustrationen und Gestaltung: Sabrina Gröschke || Formgefüge || www.formgefuege.de

© Naturfreundejugend Deutschlands 2018 KidsPower/[ke:onda] wird gefördert vom


Handel zwischen Senegal und Deutschland: Exporte nach Deutschland 7,9 Mio. € Importe in den Senegal 128,9 Mio. €

Stromverbrauch pro Person: Deutschland 7.035,49 kWh Senegal 223,5 kWh

Senegal exportiert

7,9 Mio. €

Senegal importiert

128,9 Mio. €

Kohlendioxid-Emissionen pro Person in Tonnen: Deutschland 8,89

Senegal 0,61

Im Senegal gibt es ein Gesetz zur Geschlechtergerechtigkeit im Parlament. Aktuell sind 69 der 165 Abgeordneten im Senegal Frauen, was fast 41,8 % entspricht. In Deutschland sind es nur 30,9 %.

30,9 %

41,8 %

Der ökologische Fußabdruck ... zeigt an, wie viel produktive Land- und Wasserflächen für die Aufrechterhaltung eines Lebensstils benötigt werden. Darunter fallen die Produktion der konsumierten Ressourcen sowie die Fläche, die nötig ist um die entstehenden Abfälle und Emissionen aufzunehmen. In Deutschland betrug er 2012 pro Kopf 5,3 gha (globale Hektar), im Senegal 1,2 gha. Der weltweite Durchschnitt liegt bei 2,8 gha.

1,2 gha

5,3 gha

Mobilfunkverträge je 100 Personen:

Öffentliche Gesamtausgaben für Bildung in % des BIP:

Deutschland: 114,5 Senegal 98,7

Deutschland 5,0 Senegal 7,4

Die Daten stammen von den Seiten des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, des Statistischen Bundesamtes, des Auswärtigen Amtes und der Bundeszentrale für politische Bildung.


“Nachhaltiger Konsum” Seite 4

Juni 2018

Später wird es zu spät sein In einer Welt, die sich in ihrem eigenen Tempo verändert, steht die Menschheit vor immer größeren Herausforderungen. Es geht darum, Milliarden von Menschen einen sicheren Zugang zu Ressourcen zu ermöglichen und ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Die Industrialisierung vieler Länder schreitet fort, die Weltbevölkerung nimmt zu und Flora und Fauna sind immer stärker bedroht. Unsere Lebensgrundlagen schrumpfen. Obwohl vermeintlich große Fortschritte in der Wissenschaft gemacht werden, reichen diese nicht aus, und die Ressourcen auf unserem Planeten erschöpfen sich. Wir werden unsere Lebensstile, unser Verhalten und unsere Art zu denken und zu handeln radikal ändern müssen. Unsere Lebensbedingungen und die künftiger Generationen sind durch unser eigenes Handeln bedroht. Die Probleme, vor denen wir stehen, sind offensichtlich. Deshalb stellt sich die Frage, wie eine Welt von morgen aussehen wird. Können wir akzeptieren, Gefangene eines solchen Lebensstils zu sein? Wir werden unsere Lebensstile, unser Verhalten und unsere Art zu denken und zu handeln radikal ändern müssen. Nachhaltige Produktion und nachhaltiger Konsum dürfen nicht nur leere Worte bleiben. Wir müssen übergehen zum Handeln.

Da sich junge Naturfreund*innen der Dringlichkeit bewusst sind, haben sie sich aufgemacht, für eine nachhaltigere Welt zu kämpfen. In der Symbiose von Managergeist und unendlicher Hingabe könnte eine bessere Welt entstehen. Dieser Wille, etwas zu verändern, war der Grundstein für unser Treffen. Als junge Naturfreund*innen aus Deutschland und dem Senegal sind wir in Deutschland und im Senegal für je zwei Wochen zusammen gekommen, um uns auszutauschen und gemeinsam aktiv zu werden. Im Fokus stand dabei das Ziel 12 der Sustainable Development Goals: der nachhaltige Konsum. Aus unseren Eindrücken und Gesprächen ist dieses gemeinsame Heft entstanden. Viel Spaß beim Lesen. Revolution ist ein Kampf, der im Denken beginnt, bevor er durch Taten unterstützt wird.

Was sind die Sustainable Development Goals? Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) sollen die Welt zu einem besseren Ort machen. Darauf haben sich die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen geeinigt und ein Programm bis 2030 entwickelt. In allen Ländern sollen die Bildungsangebote verbessert, Ungleichheiten abgebaut und Geschlechtergerechtigkeit erreicht werden. Eine zentrale Rolle spielen auch die Beseitigung von Hunger und Armut sowie der Schutz von Klima, Wasser- und Landökosystemen.

von Mouhamed Abdoullahi Ly


“Nachhaltiger Konsum” Seite 5

Juni 2018

Tach ALWO und Kellé Gabriele! Regionales Handwerk verschwindet mehr und mehr aus unserem Alltag. In Deutschland und im Senegal haben wir uns dennoch kleine Betriebe angeschaut. Sind sie relevant für einen nachhaltigen Konsum? Oder steht nur die Bewahrung eines alten Handwerks im Fokus? „ALWO“ in Hannover ist ein regionales Familienunternehmen. Hier entwirft Udo Wolters Schuhe und stellt mit nur wenigen Maschinen „Miniserien“, also Serien mit kleinen Stückzahlen, her. Wir sind uns einig, dass regionale Unternehmen wichtig sind für nachhaltigen Konsum - egal ob im Senegal oder in Deutschland. Seit der Gründung vor 90 Jahren will das Unternehmen Schuhe herstellen, die lange haltbar sind und sich gut tragen lassen. Für eine möglichst umweltschonende Produktion nutzt der Betrieb mehrfach verwertbare, faltbare Schuhkartons, arbeitet nur mit Zulieferern aus Deutschland und nahen EU-Ländern und verzichtet auf lösemittelhaltige Produkte. www.alwo-schuh.de

Der Weber Gabriele in Dakar gehört zu den Webern der Mandigos. Die Mandigos sind ein ehemaliges Wandervolk aus Guinea-Bissau, die es wegen ihrer Herkunft oft schwer haben, im Senegal eine Arbeit zu finden. In der Weberei können sie jedoch ihren traditionellen Beruf ausüben und beeinflussen damit auch den Kleidungsstil der Menschen im Senegal. Abgesehen von den phantasievollen, künstlerischen Mustern sind die Stoffe vor allem wegen ihrer Haltbarkeit bei den Kund*innen beliebt. Zurück zu unserer Frage vom Anfang. Wir sind uns einig, dass regionale Unternehmen wichtig sind für nachhaltigen Konsum - egal ob im Senegal oder in Deutschland. Denn sie stellen einen wichtigen Gegenpol zur globalen Massenproduktion dar, deren

Beeindruckend schnell saust das „Schiffchen“ des Webers im Webstuhl durch die gespannten Baumwollfäden. Zur Hand geht ihm ein Helfer mit einem Trennholz, der darauf achtet, dass die Fäden sich nicht verknoten und das wunderschöne Muster

Arbeitsbedingungen schrecklich sind und die mit ihren schnell vergänglichen Moden und kurzlebigen Produkten viel Müll produzieren. von Miriam Wolters

eingehalten wird. Doch so einfach wie es aussieht, ist es leider nicht. Als sich Einige von uns an der Webarbeit probierten, mussten sie feststellen, dass die scheinbar leichte Arbeit ziemlich viel Kraft und Konzentration benötigt.


Seite 6 “Nachhaltiger Konsum”

Juni 2018

Der verantwortungsvolle Konsument Seit Jahrzehnten sind wir uns der Auswirkungen unseres Konsums sowohl auf den Planeten, als auch auf die Wirtschaft, die Gesellschaft und unsere Gesundheit zunehmend bewusst. Dennoch gehören Produktion und Konsum von Gütern und Dienstleistungen weiterhin zu den Hauptursachen für Umweltzerstörung und Klimawandel. Wir erschöpfen auf der einen Seite unsere natürlichen Ressourcen und häufen auf der anderen Seite massiv Abfälle und Abgase an. Was wir brauchen sind Veränderungen, ohne unsere Lebensqualität zu beeinträchtigen. Wir müssen nachhaltiger konsumieren. Nachhaltiger Konsum bedeutet, sozial und ökologisch Waren und Dienstleistungen zu nutzen sowie Alternativen auszuprobieren. Persönliche und kollektive Bedürfnisse werden erfüllt. Der Konsum ist sowohl umweltfreundlich, wirtschaftlich (vor allem lokal), gut für die Gesundheit als auch positiv für die Gesellschaft. Er basiert auf den drei Dimensionen besser Einkaufen (z.B. weniger und umweltfreundliche Produkte), besser Verbrauchen (z.B. weniger Abfall, Sparsamkeit) und besser Entsorgen (z.B. Recycling, Wiederverwendung). Ein Beispiel: Wenn es um Lebensmittel geht, wird ein “verantwortungsbewusster Konsument” versuchen, Lebensmittelabfälle so weit wie möglich zu vermeiden, ökologische Produkte zu wählen und solche, die nur kurze Transportwege haben. von Fatou Diouf und Ndeye Khady Diame

Was hat das mit mir zu tun? Wir konsumieren - also sind wir. Ganz oft geht es uns nur ums „Haben wollen!“ - denn Besitz allein macht glücklich?! Oder etwa doch nicht? Wir haben verschiedene Initiativen in Deutschland und im Senegal besucht, die sich für nachhaltigen Konsum einsetzen. Diese kleinen Schritte für den Alltag haben wir dabei entdeckt, die einen großen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten können und dir vielleicht sogar helfen, ein kleines Stück glücklicher und selbstzufriedener zu werden.

1.

Schau, was du isst Woher kommen deine Lebensmittel? Ist dein Fleisch aus Massentierhaltung oder dein Kaffee aus unökologischen Plantagen aus Übersee? Einfach manchmal etwas weniger oder andere Produkte konsumieren, dann kannst du die auch umso mehr genießen.

2. Umsonstladen Systemfehler in Berlin

Teilen ist mehr Du benutzt etwas nicht mehr? Du brauchst etwas? Dann kaufe es nicht neu, sondern gebraucht oder frage Freunde. Social Media Gruppen helfen beim Suchen und Verschenken. Eine „Give Box“ ist ebenfalls eine gute Idee.


Klein-Fischerei in Dakar

3.

Regional statt global Den Händler um die Ecke zu unterstützen und dabei noch ein nettes Gespräch führen, ist für dich und deine Region besser, als die großen Supermärkte und Global Player auf deiner Einkaufsliste zu haben.

Gemeinschaftsgarten in Hannover

4.

Vermeide Müll Nimm Stoffbeutel oder eigene Behälter zum Einkauf mit, dann musst du zuhause auch weniger oft zum Mülleimer rennen und die Natur bleibt sauber.

Original-Unverpackt-Laden in Berlin

5.

Dinge kreativ nutzen Plastiktüten, Flaschen oder Gläser können mehrmals genutzt werden oder eine neue Verwendung finden. Benutzte kleine Gläser werden zu Gewürzbehältern und (Konserven-)Dosen zu Blumentöpfen. Durch Upcycling entstehen Portemonnaies oder Kunstwerke.

Upcycling in Dakar

6. Ökologischer Gemüseanbau bei Dakar und Louga Naturfreundehaus Brombacher Hütte in der Natur

Konsumiere bewusst Klar darfst du dir schöne Dinge kaufen, aber frag dich doch einfach jedes Mal: brauch ich das wirklich? Oder kauf dir eher Dinge, die langlebiger sind, damit du länger Freude an ihnen hast.

Schuhladen in Hannover

7.

Energie sparen Beim (Wasser-)Kochen den Deckel auf dem Topf lassen, Wasser nicht laufen lassen und das Licht ausschalten, wenn es nicht gebraucht wird. Du benutzt deinen Computer oder das Handy nicht? Dann raus mit dem Stecker.

von Miriam Wolters


„Nachhaltiger Konsum“ Seite 8

Juni 2018

Die Deponie M beubeuss Am Rande von Dakar liegt die Mülldeponie Mbeubeuss. Sammelfahrzeuge fahren im Durchschnitt pro Tag zweimal zwischen den Sammelgebieten und der Deponie hin und her. Das entspricht etwa 334 Lieferungen von je 14 Tonnen Abfall pro Fahrzeug, also insgesamt 4676 Tonnen Abfall pro Tag. Die Abfallwirtschaft von Dakar ist breit gefächert und involviert viele Akteure: Staat, Kommunen, private Anbieter und nachgelagerte Personen, die den Müll sammeln und weiter verwerten. Industrieanlagen und Krankenhäuser verfügen zudem über

Doch hier ist der Weg nicht zu Ende. Denn auf der Deponie arbeiten und leben viele Menschen, die die Abfälle weiter verwerten. Das System der Rückgewinnung besteht dabei aus folgenden Schritten: 1. Sortierung: Bei der Sammlung werden Abfälle nicht sortiert. Dies erfolgt nun manuell mit einem Metallhaken. Die Trennung erfolgt nach den Kategorien Kunststoffe, Metalle und organische Materialien. 2. Recycling: Kunststoffmaterialien (z.B. Schuhe, Eimer, wasserdichte Leinwand) werden am häufig-

eigene Transportmittel zur Deponie. All dies geschieht unter der Kontrolle von vom Staat beauftragter Personen. Sie messen die Abfallmengen, die über eine Brückenwaage am Eingang der Deponie eintreffen.

Kunststoffabfälle: Taschen, Flaschen, Stühle, Kabel, Schuhe, Reifen....

Industrieanlagen und Krankenhäuser verfügen zudem über eigene Transportmittel zur Deponie.

Elektronikschrott: Radios, Fernseher, Telefone, Computer....

Mbeubeuss erhält ausschließlich feste Abfälle, meist von Haushalten in der Hauptstadt, Industrieanlagen, Krankenhäusern, Märkten und anderen Dienstleistungen. Sie können wie folgt kategorisiert werden:

sten recycelt. Teils packen Frauen aber auch Lebensmittelrückstände wie Reis um und verkaufen diese weiter an Schweinezüchter. 3. Der Verkauf: Die meisten der zurückgewonnenen Produkte werden vor Ort verkauft. Jede Person hat einen kleinen Laden, in dem sie die Produkte ihrer Arbeit verkauft. Einige Branchen, wie der Glassektor, exportieren sogar in die Subregion. Die Käufer reichen von Privatpersonen bis hin zu Unternehmen, die in großen Mengen einkaufen. von Penda Mbow

Metallabfälle: Eisen, Aluminium, Kupfer, Blei, Bronze, mechanische Teile

organische Abfälle: Reis, Fisch, Speisereste....


“Nachhaltiger Konsum” Seite 9

Juni 2018

Eine Impression mit Nachklang Es ist ein kühler und verregneter Herbstmorgen im September. Fünfundzwanzig noch leicht verschlafene Gestalten bahnen sich ihren Weg von der U-Bahnhaltestelle Heddernheim in Frankfurt zu einem etwas ungewöhnlichen Ausflugsziel. Schon jetzt beschleichen mich Zweifel, ob der Besuch einer Müllverbrennungsanlage das Schönste ist, was wir unseren senegalesischen Besucher*innen zeigen. Doch unser Wunsch als Teilnehmende war es, bei unserem Austausch genauso Raum für die weniger schönen Aspekte und für Kritik zu lassen. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber das, was ich als erstes erblicke, schockt mich zutiefst. Der Guide zeigt uns eine Grube, die so breit und tief ist, dass ich ihre Maße kaum abstecken kann. Es müssen Tonnen und Tonnen

von Müll sein, die sich vor uns erstrecken. Kühlschränke, Matratzen, Kleidung, Kisten und Teile von Möbelstücken sind nur einzelne identifizierbare Gegenstände in einem schäumenden Meer aus Weggeworfenem. Eine große Metallkralle trägt immer wieder Teile der oberen Schichten ab, um diese zur Verbrennung zu transportieren. Dabei legt sie stetig neue tieferliegende Schichten von Müll frei. Der Gestank nimmt mir den Atem, und selbst der Versuch ihn in Duftöl getränkten Taschentüchern zu ersticken, welche sich bereits zweidrittel der Gruppe auf Mund und Nase pressen, scheitert. Mir wird schlecht und leicht schwindelig. Dass der Müll dabei so bunt gemischt sei, liege daran, dass die Einwohner*innen ihren Abfall nicht konsequent trennen. Diese Aufgabe könne in der Müllverbrennungsanlage nicht mehr geleistet werden. Nachdem wir ein paar Meter zwischen uns und diesen schrecklichen Ort gebracht haben, dringt langsam die Stimme unseres Guides zurück in mein Bewusstsein. Die Frankfurter Müllverbrennungsanlage laufe 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag, erklärt er sachlich. Alles was wir eben zu Gesicht bekommen hatten, sei der Abfall der schwarzen Tonne, die hier den Restmüll fasst. Dass der Müll dabei so bunt gemischt sei, liege daran, dass die Einwohner*innen ihren Abfall nicht konsequent trennen. Diese Aufgabe könne in der Müllverbrennungsanlage nicht mehr geleistet werden. Deshalb verbrenne man eben alles, was von den großen Lastwagen geliefert werde, die im Minutentakt auf das Gelände der Anlage rollen. Ich fange an, darüber nachzudenken,

was ich so in den letzten Tagen und Wochen in die schwarze Tonne vor meiner Haustür geworfen habe. Erst später konnten Spuren von menschlichen Knochen in der Asche nachgewiesen werden. Dieses „Chaos“ gehe sogar soweit, führt der fachkundige Mitarbeiter weiter aus, dass die Polizei, die vor einem Jahr in dem Müll der Anlage nach einer Leiche suchte, kläglich scheiterte. Erst später konnten Spuren von menschlichen Knochen in der Asche nachgewiesen werden. Erneut läuft mir ein Schauer die Wirbelsäule hinunter, und obwohl wir mittlerweile im hochtemperierten Teil des Werkes angekommen sind, in dem wir durch eine kleine Luke in den Verbrennungskessel schauen können, ist mir kalt. Erst lange nach dem Verlassen der Müllverbrennungsanlage fällt die Anspannung von mir ab, die den ganzen Besuch über meinen Körper beherrschte. Doch was bleibt, sind viele Gedanken darüber, wie unglaublich viel Müll alleine im Frankfurter Großraum produziert wird. Es kann niemals eine nachhaltige Lösung sein, diese Massen von Abfall tagtäglich zu verbrennen. Wie muss sich unser Konsumverhalten verändern, um weniger Abfallprodukte zu hinterlassen? Hat die Zivilgesellschaft überhaupt die Macht, Einfluss auf diesen Prozess zu nehmen? Wie können Industrie und Großmärkte dazu bewegt werden, Produkte nicht unnötig zu verpacken und mehr recycelte Stoffe zu verwenden? von Alice Reitz


“Nachhaltiger Konsum” Seite 10

Juni 2018

Der verste ckt e Mül l Dreckiger Senegal, sauberes Deutschland. Das sind die Bilder, die sicherlich einige vor dem Austausch im Kopf hatten. Was bleibt davon nach zwei zweiwöchigen Aufenthalten in beiden Ländern?

Industrie lagert die Produktion in Länder des globalen Südens aus und damit auch den anfallenden Müll. In einer Ökobilanz, die diesen unsichtbaren Müll einbezieht, würde Deutschland noch viel schlechter abschneiden als der Senegal.

Bei unserem Besuch in der Müllverbrennungsanlage in Frankfurt wurde uns erklärt, wie die verschiedenen Wertstoffe getrennt werden. Gleichzeitig kamen im Minutentakt Müllautos an und luden Tonnen an Müll ab. Als Alternative besuchten wir den Unverpackt-Laden in Berlin-Kreuzberg, der zu hohen Preisen Waren ohne Verpackung verkauft. In den Naturfreundehäusern, in denen wir während des Austauschs gewohnt haben, wurde streng auf Mülltrennung geachtet. Gleichzeitig ließen wir uns Bio-Lebensmittel per Online-Versand liefern und mussten Plastikverpackungen und Wegwerf-Kühlpacks entsorgen. Gibt es einen richtigen, naturfreundlichen Austausch im Falschen?

In einer Ökobilanz, die diesen unsichtbaren Müll einbezieht, würde Deutschland noch viel schlechter abschneiden als der Senegal.

Gibt es einen richtigen, naturfreundlichen Austausch im Falschen?

Ortswechsel. Petit-Mbao in der Nähe von Dakar. Müll liegt sichtbar am Straßenrand, im Naturfreundehaus stehen Mülleimer. Wir machen einen Spaziergang zum Strand und auch dort fällt der angeschwemmte Müll sofort ins Auge. Auf dem Rückweg kommt uns ein Müllauto entgegen. Die Müllmänner kippen die Müllbeutel der Anwohner*innen in das Auto und lassen die leeren Müllbeutel auf der Straße zurück, sodass sie wiederverwendet werden können – eigentlich sehr nachhaltig, oder? Dennoch bleibt das Gefühl des dreckigen Senegals bestehen. Während unserer Fahrt in den Norden des Landes erhaschen wir einen Blick auf ein paar Müllberge. Und vor allem immer wieder diese kleinen Plastiktüten, die die Straße säumen. Das Pro-Kopf-Aufkommen von Plastikmüll im Senegal liegt bei 13 Kilogramm. In Deutschland sind es 37 Kilogramm, also fast dreimal so viel. Deutschland ist nur sehr gut darin, den Müll zu verstecken. Jedes Jahr exportieren wir rund 760.000 Tonnen Plastikmüll nach China. Gerade hat China bekanntgegeben, dass das Land keine Lust mehr hat, die Ökobilanz Deutschlands zu verschönern und will den Müll nicht mehr aufnehmen. Die deutsche

Bevor wir uns also über die Plastiktüte auf der Straße in Dakar beschweren, sollten wir zunächst die Anzahl der Müllsäcke vor unserem eigenen Haus reduzieren, die sich dort statistisch gesehen anhäufen. von Marc Eils

Was kann die Politik tun? In Ruanda herrscht seit Jahren ein strenges Plastiktütenverbot und das Gepäck wird am Flughafen nach geschmuggelten Plastiktüten durchsucht. Einmal im Monat gibt es einen Aufräumtag im ganzen Land, an dem für die Kameras auch der Präsident mal anpackt. In Kenia wurde im letzten Jahr innerhalb weniger Monate ein Gesetz verabschiedet, dass den Besitz und Verkauf von Plastiktüten unter hohe Geld- oder Gefängnisstrafen stellt. In kürzester Zeit wurden Plastiktüten durch Körbe ersetzt. Könnte Deutschland davon lernen, anstatt auf unkonkrete Selbstverpflichtungen der Supermarktketten zu setzen?


“Nachhaltiger Konsum” Seite 11

Kapitalismus vs. Nachhaltigkeit Profitmaximierung ist die oberste Devise von Unternehmen im Kapitalismus. Dies hat Folgen. Schon im letzten Jahrhundert wurde als “Tragedy of the commons” beschrieben, dass Allgemeingüter wie sauberes Wasser, saubere Luft oder Fischbestände unter den Kapitalinteressen einzelner zugrunde gehen. Für das einzelne Unternehmen ist es profitabel, zu viel Fisch zu fangen, auch wenn langfristig alle darunter leiden. Die negativen Kosten werden nämlich externalisiert, also auf die Gemeinschaft abgewälzt. Die Frage ist nicht nur, wie wir unsere Gesellschaft oder Wirtschaft organisieren möchten. Entscheidend ist die Frage nach Besitz und dessen Verteilung. Die Frage ist nicht nur, wie wir unsere Gesellschaft oder Wirtschaft organisieren möchten. Entscheidend ist die Frage nach Besitz und dessen Verteilung. Eine kleine Gruppe von Menschen verfügt über so viel, dass ihr Besitz anfängt, sich in Macht darzustellen. Diese Macht nutzen sie, um ihren Besitz weiter zu vermehren. Alle anderen Gruppen werden gegeneinander ausgespielt. Wir leben in einer ständigen Konkurrenz: Angestellte gegen Zeitarbeitende, prekär Beschäftigte gegen Arbeitslose, Arbeitslose gegen Geflüchtete. Selbst die vermeintlichen Gewinner werden gegeneinander ausgespielt: CEOs haben Aufsichtsräte, und außer den wenigen Superreichen haben 99 % aller Menschen Chefs über sich. Alle Menschen suchen nach einem guten Leben, doch für viele geht es ums nackte Überleben. Im Globalen Norden bedeutet dies “shitty jobs”, in anderen Ländern Hunger. Wir brauchen eine Politik der Solidarität in den Nationalstaaten und darüber hinaus. Wir müssen versuchen, den Menschen klar zu machen, dass linke Politik nicht heißt, dass mensch seine Zahnbürste teilen muss. Es geht darum, nicht jedes Jahr ein neues Smartphone zu kaufen und Menschen vor die Interessen der Konzerne (und denen, die die Konzerne besitzen) zu stellen. Unsere Wirtschaft ist weder effizient noch nachhaltig. Das Paradoxe daran ist, dass viele es sich anders wünschen. Die Lösung ist eine demokratische und nachhaltige Wirtschaft. Doch dazu brauchen wir Regulierungen und einen starken Staat,

der diese durchsetzen kann. Beispielsweise einen Mindestlohn, der zum guten Leben reicht, oder einen europaweiten Kohle- und Atomausstieg. Wir brauchen Subventionen, nicht für Dinosaurier-Technologien, sondern für neue emissionsfreie Innovationen. Damit wir die Luft in unseren Städten wieder atmen können und nicht an unserem eigenen Wohlstand ersticken. Kurz gesagt: wenn wir zuhause klar Schiff machen und demokratischere Verhältnisse schaffen, ist auch anderen Ländern und der Umwelt geholfen. Freihandelsabkommen (wie z.B. EPA , dem Economic Partnership Agreement zwischen der EU und 78 Staaten der Gruppe der afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten AKP) sollten durch bedingungslose Investitionen ersetzt werden, die nicht einen modernen Kolonialismus hervorbringen. Wir sollten in das investieren, was vor Ort gebraucht wird. Dies können Brunnen, Schulen und Müllabfuhren sein. Wichtig ist dabei, nicht eine vermeintliche Lösung aufzudrücken, sondern nachhaltig zu helfen, anstatt die Länder wirtschaftlich von Entwicklungshilfe abhängig zu machen. Damit würden vielleicht auch Gründe verschwinden, ein gutes Leben an einem anderen Ort zu suchen. Kurz gesagt: Wenn wir zuhause klar Schiff machen und demokratischere Verhältnisse schaffen, ist auch anderen Ländern und der Umwelt geholfen. Dann löst sich vielleicht die „tradgedy of the commens“ auf und die, die auf Kosten der Allgemeinheit leben, erkennen ihre Fehler und fangen an, die Verhältnisse auszugleichen.

von Tilo Podstatny-Scharf

Juni 2018


Verbandskasten Seite 12 Unsere Begegnung

Juni 2018

2 Flüge, 2 Wochen Sind internationale Begegnungen Klimasünden? Vor gut 1 ½ Jahren stieß ich auf die Ausschreibung für diese Deutsch-Senegalesische Begegnung. Senegal, das Thema nachhaltiger Konsum – das klang spannend. Doch dann kamen mir Zweifel: Ist es in Ordnung, für eine zweiwöchige Begegnung so weit zu fliegen?

Teilnehmenden beider Länder das eigene Verhalten hinterfragen und half uns, andere Verhaltensweisen besser zu verstehen. Wir haben vertieft gelernt, Vorurteile zu reflektieren und offener auf Menschen zuzugehen.

Ich bin seit mehreren Jahren bei der Naturfreundejugend. Reisen und internationale Begegnungen gehören für mich fest zur Naturfreundebewegung, ebenso wie das Thema Nachhaltigkeit. Doch jetzt frage ich mich: Passt das überhaupt zusammen? Ich bin zum Schluss gekommen: Ja, das tut es. Denn für mich überwiegen die positiven Effekte. Jugendbegegnungen sind wertvoll. Sie tragen zu einem globalen Verständnis und Ideenaustausch bei, helfen Vorurteile abzubauen und fördern dadurch eine nachhaltigere Entwicklung weltweit. Mir ermöglichte der Austausch einen Einblick in das Leben im Senegal. Er ließ die

Dies führte auch dazu, dass wir anfingen unser Konsumverhalten zu reflektieren und über Dinge nachzudenken, die für einen selbstverständlich sind, für andere aber nicht. Inhaltlich ging es zum großen Teil um die Sustainable Development Goals (SDGs). Auch hier glaube ich, dass man Lösungen für globale Probleme nur findet, wenn man die komplexen Bedingungen und Verknüpfungen kennt und gemeinsam und partizipativ an der

Lösungsfindung arbeitet. Durch den Austausch konnten wir Ideen und nachhaltige Lebensweisen teilen. Dies führte auch dazu, dass wir anfingen unser Konsumverhalten zu reflektieren und über Dinge nachzudenken, die für einen selbstverständlich sind, für andere aber nicht. Ich werde nie vergessen, wie glücklich die senegalesischen Naturfreund*innen waren, als sie zum ersten Mal einen Apfel selbst von einem Baum pflückten. Die Jugend ist die Zukunft unserer Erde und sie sollte sie global gemeinsam gestalten!

von Janinka Lutze


Unsere Begegnung Seite 13

Juni 2018

Herausforderungen und Beziehungen Interview mit Youssoupha (23 Jahre alt und Mitglied der Hochschulgruppe an der Universität Gaston Berger in Saint Louis im Senegal) Wie bewertest du den ersten Teil des Austausches? Hey. Alles in allem war er ein Erfolg, denn er startete an einem sehr glücklichen Punkt und endete an einem sehr glücklichen Punkt. Gab es Schwierigkeiten? Wenn ja, welche? Ja, definitiv. Es ist immer schwer, wenn zwei Gruppen mit unterschiedlichen Hintergründen sich zum ersten Mal begegnen. Jede Gruppe kommt mit ihren eigenen Einstellungen und Vorstellungen von der anderen Gruppe. Deswegen kommt es selbstverständlich auch zu Missverständnissen oder Fehlinterpretationen, die zu Spannungen und Konflikten führen können. Einige Schwierigkeiten erlebten wir in Frankfurt. Aber es war normal, weil es das erste Mal war, dass wir in Deutschland waren und das erste Mal für die Deutschen, dass sie mit Personen aus dem Senegal zusammen lebten. Die Spannungen und Konlikte verschwanden, als wir uns besser kennenlernten und lernten, uns zu verstehen. Habt ihr es geschafft, diese zu überwinden? Ja. Die Spannungen und Konflikte verschwanden, als wir uns besser kennenlernten und lernten, uns zu verstehen. Das hat dann zur Bildung einer gemeinsamen, unteilbaren Gruppe geführt. Es ist wie meine Interpretation der beiden Karten, die ich bei der Auswertung im Naturfreundehaus gewählt habe: Wir sind glückliche „VIP“ in Hannover, denn „we got the shit done“!

Youssoupha

Interview mit Sandra (21 Jahre alt und Mitglied der NaturFreunde aus Pforzheim in Deutschland) Wie war dein Aufenthalt im Senegal? Ich habe die Reise wirklich genossen, für mich war es ein großes Abenteuer, bei dem ich viel gelernt habe. Welches Erlebnis ist dir am meisten in Erinnerung geblieben? Am meisten geprägt hat mich unser Besuch im Dorf Diadieum. Ich liebe diesen Ort, weil alle dort so einladend und freundlich sind. Es war schön, abseits von den großen Städten zu sein und so ein anderes Leben sehen zu können. Besonders geschätzt habe ich die Momente, in denen wir gemeinsam um eine große Platte saßen und das gleiche Gericht aßen, sowie die Hochzeit, an der wir teilnehmen durften.

Ich habe viele Ähnlichkeiten zwischen dem Senegal und Deutschland gesehen.

Sandra

Welche Erkenntnis nimmst du mit? Ich habe viele Ähnlichkeiten zwischen dem Senegal und Deutschland gesehen. Und ich habe sehr geschätzt, wie offen die Senegales*innen waren und wie einfach wir uns kennenlernten. Kannst du die Reise in wenigen Worten zusammenfassen? “Lep diam”. Das ist Wolof (eine der Hauptsprachen im Senegal) und bedeutet “alles ist gut”.

Das Interview mit Youssoupha führte Makha Traore Das Interview mit Sandra führte Assane Diop


Unsere Begegnung Seite 14

Juni 2018

Unterschiede und Besonderheiten Da ist Zucker im Kaffee. Was bedeutet Pünktlichkeit? Zeitmanagement und Pünktlichkeit sind in Deutschland sehr wichtig. Im öffentlichen Nahverkehr wird die Distanz sogar in Zeit berechnet. An den Stationen geben Anzeigetafeln immer an, wann der nächste Zug eintrifft. Dieses Rennen um die Zeit führt dazu, dass alles geplant wird. Diese Auffassung von Zeit passt nicht zum Leben im Senegal, weshalb uns der straffe Zeitplan in Deutschland stresste. Wir planen unseren Alltag nach unserer Stimmung und legten auch bei unserer Reise im Senegal alle Zeiten erst kurz vorher fest. Doch eine Gemeinsamkeit gibt es: Student*innen und Schüler*innen hassen es, früh aufzustehen.

Senegales*innen konsumieren viel Zucker. Getränke wie Kaffee, Tee oder Milch werden im Senegal mit Zucker serviert, weil es einfach so üblich ist. Beim Einkauf wirst du nie gefragt, ob du Zucker in deinem Getränk haben willst oder nicht. Dies gilt auch für den speziellen, lokalen Kaffee, der überall im Senegal auf der Straße verkauft wird. Die deutschen Naturfreund*innen konnten diesen „Café Touba“ probieren – mit Zucker. Hey! Du läufst auf dem Fahrradweg.

Vegan versus Fleisch

Teilen! Teilen! Teilen! Senegal ist üblicherweise bekannt als „das Land des Teranga“, was so viel heißt wie „das Land der Gastfreundschaft“ oder des „Willkommen-Seins“. Als Gast kannst du sehr leicht mit Menschen quatschen und z.B. beim Essen von ihrer Gastfreundschaft profitieren. Um die Toilette zu benutzen musst du nie bezahlen. Klopfe einfach an einem beliebigen Haus an und frage nach der Toilette. Diese Gemeinschaft wird auch beim Essen deutlich, denn Familien im Senegal essen alle zusammen von einer gemeinsamen Platte. In einem Dorf wie Diadieum, wo wir waren, gibt es noch nicht einmal Haustüren.

Veganismus ist eine Ernährungsweise, bei der weder Fleisch, Fisch noch andere tierische Produkte konsumiert werden. Einige tun dies aus gesundheitlichen Gründen, andere zum Schutz der Umwelt oder aus ideologischen Gründen. In Deutschland, vor allem in Berlin, gibt es immer mehr Veganer*innen. Viele deutsche Naturfreund*innen sind Teil dieser Bewegung. Wir Senegales*innen hatten beim Essen eine größere Auswahl: wir probierten vegane Würstchen, aßen aber auch mal einen leckeren Döner. In senegalesischen Gerichten wird man fast immer Fleisch oder Fisch finden, wie z.B. im „Ceebu jen“ (Reis und Fisch) oder im „Yassa Guinar“ (Reis und Hühnchen mit einer Zwiebelsoße und Gemüse). Viel Fleisch gibt es jedoch nur zu speziellen Anlässen, z.B. wenn Gäste zu Besuch sind.

Kannst du dir eine Straße vorstellen, die einzig und allein für Fahrräder da ist? Fahrräder spielen eine essenzielle Rolle im deutschen Nahverkehr. Es gibt sogar Menschen, die mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Außerdem haben Fahrräder oft eine eigene Spur, auf der man sicher fahren kann. Im Senegal ist die allgemeine Leidenschaft für das Fahrradfahren nicht so ausgeprägt. Ich selbst kann kein Fahrrad fahren.

Der Zahnbürstenbaum Neben der modernen Zahnbürste benutzen Menschen im Senegal seit langer Zeit Zweige der Salvadora Persica, des Zahnbürstenbaumes, um ihre Zähne zu putzen. Die Zweige haben denselben Nutzen wie Zahnbürsten. Zusätzlich dazu, dass die Zähne gesäubert und weißer werden, sollen die Zahnputzzweige auch noch therapeutische Heilkräfte besitzen. Die Zweige werden an einem Ende so lange mit den Zähnen gekaut bis die faserige Struktur des Zweiges etwas aufgelockert ist und aussieht wie eine ganz normale Zahnbürste.

Leere Teller Sei nicht überrascht, wenn du kein Essen mehr auf dem Teller deines Gegenübers findest. Deutsche essen üblicherweise ihren Teller leer. Im Senegal werden sich deine Freund*innen hingegen über dich lustig machen, wenn du deinen Teller leer isst.

von Mamadou Sylla


Seite 15 Unsere Begegnung

Juni 2018

Landschaften atemberaubender Schönheit Die Landschaften in Deutschland und Senegal sind sehr unterschiedlich. In der Regenzeit von Juli bis Oktober lassen sich jedoch kleine Ähnlichkeiten feststellen, denn es ist die einzige Zeit im Senegal, in der sich die Bäume regenerieren und die krautigen Matten entstehen. Diese atemberaubende Schönheit ist jedoch abhängig von einem Überfluss an Wasser.

Während unseres Aufenthaltes zum Ende des Sommers bot sich uns eine Landschaft mit einer einzigartigen Vielfalt. Dies rief bei uns Senegales*innen teils große Emotionen hervor und war für viele ein phänomenales und unvergessliches Erlebnis. In allen drei von uns besuchten Städten Berlin, Frankfurt und Hannover fanden wir dabei ähnliche Systeme. Es gibt Parks und Grünanlagen, öffentliche Plätze und viel Grün entlang von Autobahnen. Die Vegetation ist nicht nur auf die Wälder beschränkt. Frankfurt ist aufgrund der vielen grünen Vegetation sogar bekannt als “grüne Stadt“.

In den dichten Wäldern um die Städte erkannten wir dann eine gute, flächendeckende Bewirtschaftung. Die Hauptarten an Bäumen sind Kiefer, Eiche, Fichte und Buche. Die reiche Vegetationsdecke lässt sich durch ein pflanzenfreundliches, eher feuchtes Klima erklären. Zudem kündigte sich der Herbst mit dem ersten Auftreten braunroter Blätter an. Eine prachtvolle Besonderheit.

Deutschland Im Süden Senegals hingegen gibt es ein subtropisches (nasses) Klima, das mit den großen dichten Wäldern und Kräuterteppichen an die Vegetation in Deutschland erinnert.

Senegal Im Gegensatz zu Deutschland bietet der Senegal ein mehr oder weniger trockenes Klima mit einer Temperatur, die je nach Zone und Jahreszeit 40 Grad und mehr betragen kann. Dies wirkt sich auf die Landschaft aus und führt teilweise zu einer nur geringen Vegetationsbedeckung. Dennoch gibt es eine große Vielfalt an Pflanzenarten, die die Landschaften so unterschiedlich und bewundernswert zugleich machen. Zu diesen Arten gehören zum Beispiel die Baobabs (Gouye, das nationale Emblem), die Fedherbias (kad), die Balaniten (Soumpe) und die Kokospalmen (coco). In der Mitte bis in den Norden des Landes finden wir eher trockene und halbtrockene Zonen mit bewaldeten Savannen. Im Süden hingegen gibt es ein subtropisches (nasses) Klima, das mit den großen dichten Wäldern und Kräuterteppichen an die Vegetation in Deutschland erinnert.

von Mamadou Diop


Unsere Begegnung Seite 16

Juni 2018

Der politische Aspekt der Naturfreunde-Bewegung

Aktion bei der Konferenz der Naturfreunde Internationale in Brighton 1987

Die Naturfreunde-Bewegung kämpft seit ihren Anfängen 1895 in Wien für Gerechtigkeit und eine Verbesserung der Lebensbedingungen. Ihr Ziel war es zunächst, dass Arbeiter*innen, ebenso wie andere Bevölkerungsschichten, freien Zugang zur Natur haben. Dies war zur damaligen Zeit keine Selbstverständlichkeit. Der typische Ausdruck „Berg Frei” stammt aus dieser Zeit und steht für die Forderung nach einem freien Zugang zu den Bergen. Was ist davon nach 123 Jahren geblieben? Heute ist die Naturfreunde-Bewegung weltweit verbreitet und dass mit recht unterschiedlichen Ausprägungen. Eine Organisation, die aus meiner Sicht sowohl den umwelt- als auch gesellschaftspolitischen Anspruch der Gründerjahre geerbt hat, sind die NaturFreunde in Deutschland. Die erste Gruppe in Deutschland gründete sich 1905, nur zehn Jahre nach den Naturfreunden in Wien. Seit über 90 Jahren gibt es zudem eine eigenständige Jugendorganisation. In enger Verbundenheit mit der Sozialdemokratie durchlebten die deutschen NaturFreunde beide Weltkriege. Sie lehnten die menschenverachtende Ideologie des Faschismus im zweiten Weltkrieg ab und zahlreiche Mitglieder leisteten auch aktiven Widerstand. Als Organisation waren sie bereits ab 1933 verboten und ihre Naturfreundehäuser wurden enteignet. Unzählige NaturFreunde überlebten diese Jahre nicht. 1945 wurde der Verband jedoch wiedergegründet und hatte Personen

wie Herbert Frahm als Mitglied, der später unter dem Namen Willy Brandt Vorsitzender der SPD und Bundeskanzler wurde. Auch heute gibt es viele NaturFreund*innen als Parlamentarier im Bundestag. Während meines Besuches erlebte ich diese Vertretung in der Politik als eine Quelle der politischen Kraft. Sie führt dazu, dass die deutschen NaturFreunde noch immer viele Regierungsentscheidungen in Frage stellen, die schädlich für Umwelt und Gesellschaft sind. Sehr bedeutsam für politische Entscheidungen in Deutschland ist zudem das zivilgesellschaftliche Engagement. Durch Demonstrationen und Aktionen setzen sich die NaturFreunde konstant für mehr Umweltschutz und soziale Belange ein. Nach dem Reaktorunglück in Fukushima im Jahre 2011 spielten sie zum Beispiel eine wichtige Rolle im Kampf gegen die weitere Nutzung der Kernenergie. Die damalige Bundesregierung entschied noch im selben Jahr, dass alle Atommeiler bis 2022 schrittweise abgeschaltet werden sollen. Im Gegensatz dazu sind wir als Naturfreunde im Senegal, auch genannt Association Sénégalaise des Amis de la Nature (ASAN), wenig politisch. Diese apolitische Ausrichtung, welche die Logik der Bewegung in Wien und Deutschland durchbricht, lässt sich meiner Meinung nach mit der fast 80 Jahre späteren Gründung, im Jahr 1983, erklären. Auch der Entstehungskontext war ein ganz anderer. Im Mittelpunkt stand nicht der Klassenkampf in einer Gesellschaft, in der der Zugang zur Natur nur einer bürgerlichen Minderheit vorbehalten

war, sondern der Schutz der Natur gegen den gänzlich freien Zugang. Dieser führte nämlich zu Raubbau und zur Zerstörung der Natur. Die Aktivitäten im Senegal entstanden dabei vollkommen unabhängig von der Bewegung in Europa. Erst einige Jahre später, im Jahr 1996, begannen ein Kontakt und eine Integration von ASAN in die Naturfreunde Internationale. Im Mittelpunkt steht ein partizipativer Ansatz, der sich durch Aktionen und ein großes ehrenamtliches Engagement auszeichnet. Trotz dieses Anschlusses an die internationale Naturfreunde-Bewegung und der Veränderungen, die dadurch bei ASAN entstanden, erlebe ich ASAN noch immer unpolitisch. Im Mittelpunkt steht ein partizipativer Ansatz, der sich durch Aktionen und ein großes ehrenamtliches Engagement auszeichnet. In unseren Hochschulgruppen engagieren sich beispielsweise zahlreiche junge Menschen und organisieren unter anderem Bildungsangebote, Baumpflanzungen oder Müllaufräumaktionen. Bewusstseinsbildung, Ausbildung, ein nachhaltiger Tourismus sowie die Erhaltung der biologischen Vielfalt und der lokalen Arten stehen im Vordergrund. Zusätzlich streben wir starke nationale und internationale Partnerschaften an. von Youssoupha Traore


Engagement für eine nachhaltige Welt Während unseres Austausches in Deutschland hat mich eine Sache am meisten beeindruckt und erfreut: das Engagement und der Einsatz vieler Menschen, Gerechtigkeit, Gleichheit und Fairness für alle zu fördern. So etwas gibt es wohl nur in Deutschland: der Name einer Straße sorgt für Streitereien und sogar Vandalismus, weil er eine rassistische Beleidigung ausdrückt. Gemeint ist die Mohrenstraße in Berlin, die auf das französische Wort nègre anspielt. Diese rassistische Beleidigung ruft Widerstand hervor, der sich sogar in einem witzigen Wortspiel widerspiegelt. Angelehnt an eine Aktion der Naturfreundejugend in Berlin fügen immer wieder Menschen auf den Straßenschildern zwei Punkte auf den Buchstaben „o“ hinzu. Dadurch entsteht das Wort Möhrenstraße, also Karotte. Ähnliche außergewöhnliche Aktionen des Protestes findet man auch an anderen Orten in Deutschland. Einige Szenen die ich

gesehen habe, hätten einen Oscar verdient. Beispielsweise ein Trauermarsch für gefällte Bäume, bei dem alle in schwarzer Kleidung und mit ins Gesicht gemalten Tränen mitgingen. Oder als wilde Tiere verkleidete Naturfreund*innen, die Kindern die Natur nahe bringen sowie ein Flashmob, bei dem die Gruppe aus Protest gegen Geheimverhandlungen zum transatlantischen Freihandesabkommen TTIP zwischen der EU und den USA mit Augenbinden durch die Gegend irrte. Denn obwohl nicht immer aller Aktionen effektiv sind, setzen sich viele Menschen mit Hingabe und Engagement für das Wohlbefinden aller ein. Durch all diese Aktivitäten zeigen engagierte Menschen Missstände bei unterschiedlichsten Themen auf: Seien es unfaire Handelsabkommen, der Umgang mit Migranten, die Zerstörung der Natur oder eben Rassismus.

Hinzu kommt eine ausgeprägte Kultur der nachhaltigen Entwicklung, die sich an vielen Stellen und auch im Alltag widerspiegelt. Das Land ist weit bekannt für seine grünen Initiativen. Im Jahr 2015 belegte die Stadt Frankfurt den ersten Platz im Ranking für die nachhaltigsten Städte der Welt. Die Stadt hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, ihre CO2-Emissionen bis 2050 um 95 % zu reduzieren und ermutigt auch die Industrie, diesem Vorbild zu folgen. Meine Zeit in Deutschland hat es mir trotz der grausamen historischen Vergangenheit mit zwei Weltkriegen und dem Kolonialismus ermöglicht, ein vielfältigeres Bild dieses Landes zu bekommen. Denn obwohl nicht immer aller Aktionen effektiv sind, setzen sich viele Menschen mit Hingabe und Engagement für das Wohlbefinden aller ein. Sowohl in Deutschland als auch weltweit. von Aïssatou Ndiaye


Feuilleton Seite 18

Juni 2018

German-Wolof-Dictionary r NWahakt´sagoinwg oan?a

Nanga deff = How are you? = Wie geht’s dir?

= ht ab? s?/ Was ge lo t is s a W =

Jeureujeuf = Thank you = Danke

Fanane jaam = Good night = Gute Nacht

Ñata = How much does it cost? = Wieviel kostet das?

Neexneu = It tastes delicious = Es schmeckt lecker

Dafa sede = It is cold = Es ist kalt

Alleu bi = The forest = Der Wald

Ba souba = See you tomorrow = Bis morgen

Ñou dém = Let´s go = Los gehts

Yay sama xarite = You are my friend = Du bist mein*e Freund*in

Dafa tang = It is hot = Es ist heiss

Kaay = Come = Komm

Douma lékk yapeu = I don’t eat meat = Ich esse kein Fleisch

Mbaalit mi = The waste = Der Müll

Gawlën = Hurry up = Beeil Dich!

Maaïma ma naane = Give me some water to drink = Gib mir etwas Wasser zu Trinken

von Sandra Lindenmann & Youssoupha Traore


Fly

n g i

in

the

w i nd

Flying in the wind like loose leaves in fall falling across the world we are feeling so small in a life where money makes you big the borders make us sick coming from the same seed different is the appearance of our trees common is our fight for freedom and peace Mother Nature is getting angry ‘cause of the lifestyle of majority people put value in consumption producing waste is so badly so find a solution that everyone’s happy walk through the nature, friend counting the stars in our dreams together we are much stronger than it seems flying in the wind yes, like leaves which are getting free forward to the future we are wanting to see

Tanja Kelm und Kristian Schaffner




Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.