THERME VALS EINE INTERPRETATION VON NELLI MAIER
BEARBEITET VON MATRIKELNUMMER ART DER ARBEIT THEMA BETREUT VON LEHRSTUHL
Nelli Maier 03632617 Studienarbeit Therme Vals Prof. Dr. phil. Dietrich Erben Lehrstuhl f端rTheorie und Geschichte von Architektur, Kunst und Design
BEARBEITUNGSZEITRAUM
06.Februar 2011 - 27. Februar 2011
VORWORT WAHRNEHMUNG
KONTEXT, BAUTYPUS, FASSADE ..
WEGE, RAUME, LICHT MATERIAL.. UND KONSTRUKTION
GEFUHL UND ZEIT A R C H I T E K T
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„Good buildings would produce marvellous ruins“
Louis Kahn
VORWORT Der Richter der Zeit ist gleich der Richter der guten Architektur. Zeitlose Architektur ist heute ein wichtiger Bestandteil der Architekturtheorie. Viele Bauten, die in den letzten Jahrhunderten errichtet wurden und bis heute Bestand haben, gelten als Fragmente der Baukunst. Doch sollte nicht die Dauer des Erhaltenen ein Maßstab für gute Architektur sein, sondern die ständige Gegenwärtigkeit, eines Gebäudes, die fortwährende Aktualität. Ein wörtlicher Ausdruck dessen legte Louis Kahn mit dem Satz „Good buildings would produce marvellous ruins“ 1 fest. Benötigt demnach gute Architektur Zeit, um als gut beurteilt zu werden, oder können wir bereits nach Fertigstellung eines Gebäudes festlegen, ob es für die kommenden Jahre, Jahrzehnte bestand haben wird? Welche Eigenschaften verlangt ein Bauwerk, ein Objekt, ein Raum, um zeitlos zu erscheinen? Fragen, die sich durch die Thematik ergeben, die jedoch nicht anhand von Theorien beantwortet werden können, sondern durch konkrete Beispiele aktueller Architektur. 1 Lessan, Alberto: La materia del costruireTerme di Vals / Centro di Biotecnologie di Torino. 2011. URL:http://issuu.com/plinto/docs/_centro_di_biotecnologie_torino#download. Stand 26.02.2011.
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Peter Zumthors Therme von Vals ist ein architektonisches Meisterwerk, in dem sich künstlerische Erzählungen in der Ausführung widerspiegeln. Das tiefe Verständnis von Materialität und dessen Wirkung macht dieses Bad zu einem Erlebnis durch die eigene Wahrnehmung. Eine intime Atmosphäre, die starke Einbindung in die lokale Topografie und das Zelebrieren des Badens sind prägnante Merkmale des Bauwerks. Das Nachahmen eines Steinbruchs wird durch das Versenken der schweren Masse Stein in den Hang bzw. Berg erzeugt. Durch dessen Aushöhlung und Entleerung entsteht das Innere des Gebäudes. Ein Netz aus Höhlen und Schluchten entsteht, welches sich mit dem Element Wasser füllt. Die einfache Darstellung des Gebäudes dient als Ausgangspunkt für die innere Atmosphäre, in der sich Wasser, Stein, Haut und subtiles Licht wiederfinden. 2 Der künstlerische Einsatz von Materialien und der schwach beleuchteten Oberflächen sorgt für eine intime Atmosphäre und verleiht dem Akt des Badens eine mystische Stimmung. Ein Aspekt, der die Therme einzigartig macht und die Interessen der Gäste berücksichtigt. Der Eindruck eines einzig ausgebildeten Steinblocks wird durch die monolithische Erscheinung der Oberflächen erzeugt. 2
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Hauser, Sigrid/ Zumthor, Peter: Peter Zumthor Therme Vals. London 2007, S. 23-27.
Die Verwendung von dünnen Steinplatten und Stahlbeton helfen der Metapher Ausdruck zu finden. Die monolithische Erscheinung wird durch das SteinSchicht-Schema, das eigens für das Projekt entwickelte System, verstärkt. Die dadurch entstehende visuelle Ruhe, frei von störenden Elementen, wirkt sich auf das Gemüt des Gastes aus und hinterlässt ein angenehmes Wohlbefinden für Seele und Körper. Das Auslassen aller unwesentlichen Funktionen ist Beweis für die Sensibilität Zumthors im Umgang mit Material und Form.3 Darüber hinaus sind Elemente, welche die Kontinuität der Steinschichten unterbrechen, wie zum Beispiel Fensteröffnungen, meisterhaft in die Masse des Gebäudes integriert. Die notwendige technische Ausrüstung kommt nur selten durch diskrete Risse und kleineren Öffnungen zum Vorschein. Der gestalterische Einfallsreichtum wird in der Verschleierung der technischen Komplexität deutlich, die den ganzen Baukörper unsichtbar umschließt, um den meditativen Zustand der Räume beizubehalten. Letztlich ist die Qualität der Ausführung, die Komposition von Stein und Wasser und zugleich die Einbindung der technischen Infrastruktur der Grund für die gelungene Einbindung in die Natur. 3
Zumthor, Peter: Thinking Architecture, Basel ² 2006, S. 15.
WAHRNEHMUNG 11
KONTEXT, BAUTYPUS, FASSADE
Tief in den Schweizer Alpen zwischen Tälern und Bergen befindet sich die Gemeinde Vals. Mit 153 km² ist sie eine der größten Gemeinden des Kanton Graubünden. 60 Prozent des Volkseinkommens werden durch Tourismusangebote eingenommen und bilden somit das wirtschaftliche Rückgrat. Um dieses nachhaltig zu stärken, erstellten bzw. erarbeiteten Mitarbeiter des Gemeinderates in Zusammenarbeit mit Peter Zumthor und der Denkmalpflege in Graubünden Mitte der 80 Jahre einen Kurund Sanierungsplan, der mitunter den Bau eines Viersternehotels mit Wellnesstempel beinhaltete.4 Aufgrund finanzieller Bedenken entschloss sich die Gemeinde für ein redimensioniertes Badprojekt, das aus einem eingelassenen Bautypus besteht, um den Blick der Hotelzimmer auf die Berge nicht zu stören. Somit wurde sichergestellt, dass sich das Gebäude in der Höhe nicht allzu sehr von den anderen in der Umgebung auftretenden Bauwerken unterscheidet. 1994 erhielt Peter Zumthor den Auftrag für den Bau der Therme, die schließlich 1996 eröffnet wurde. In seinem Entwurfsgedanken spielte die Umgebung, der Ort Vals, eine wesentliche Rolle. Die Analogie zwischen Ort und Bauwerk wird durch die Bestimmung des Materials erzeugt. Zumthor wählte als Baumaterial Granit in gesägter und geschnittener Form aus. Dieser wird seit Jahren per Baugesetz als Dachdeckung im Ort in Form von roh gespaltenen Platten eingesetzt.5 Entscheidend sei „Das Neue mit Eigenschaften auszustatten, die in ein sinnstiftendes Spannungsverhältnis mit dem schon Dagewesenen treten“. 6 4
Wikipedia, Stichwort: Therme Vals, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Therme_Vals. Stand 26.02.2011. 5 6
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Copans, Richard/ Neumann Stan: Filmreihe Baukunst 2. Frankreich 1995-2007, [Video].
Hartmann Schweizer, Rahel: Baumeister karger Preziosen. In: Der Bund vom 29.05.2009. URL: http://www.derbund.ch/zeitungen/thema/Baumeister-karger-Preziosen/story/16539066. Stand 26.02.2011.
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.. WEGE, RAUME, LICHT Ein langer Korridor führt die Besucher symbolisch in die Tiefen des Gesteins. Der Eingang wird durch fließendes Wasser, das aus den Betonwänden tritt und eine rostige Färbung aufweist, unterstütz. Die entstandenen Zeichnungen an den Wänden hinterlassen eine frühzeitliche und ursprüngliche Atmosphäre. Durch den einzigen Zugang vom Hotelkomplex hinweg durch das Zahnrad gelangt man links zu den in edlem Mahagoni eingefassten Umkleidekabinen. Diese bilden einen angenehmen Kontrast zu den grauen Steinen und dem Beton. Schwarze Ledervorhänge verleihen den Übergängen der Umkleidekabinen eine transparente Form. Weder offen noch geschlossen verhindern sie nicht das Durchdringen von Temperatur, Licht und Ton. Trotz der nicht vorhandenen Türen wird die Intimität nicht gestört. Nach Ablegen der Kleidung und dem Verlassen der Umkleidekabinen blickt man von einem erhöhten Standpunkt auf das Bad. Über die Zeremoniellen Treppe, die von einem röhrenförmigen Handlauf aus Messing umschlossen wird, gelangt man zu den Wasserbecken, dem Hauptniveau der Therme. 15 blockartige Einheiten unterteilen durch ihre Anordnung die Badeanlage in ein Wegesystem, das zu dem Warmwasserbad, dem Ausenbasin, den Liegeplätzen und den Aufenthaltsräumen führt. 15
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Die Einheiten verbergen die notwendigen Badeeinrichtungen, wie die Duschen und Massageräume aber auch die Themenbäder wie das Kaltbad, das Blütenbad, das Klangbad, das Feuerbad, der Trinkbrunnen und die Quellgrotte. Das Düstere einer Grotte wird durch die Reduzierung von künstlichem Licht in den Einheiten geschickt nachgeahmt und durch schmale Eingänge unterstützt. Lediglich das Wasser wird beleuchtet.7 Die Vielfältigkeit der Räume verursacht eine individuelle Empfindung in jeder der einzelnen Blöcke. Die Lichtschlitze an der Decke des Zentralbads suggerieren die Risse einer Felswand und zugleich trennen sie die Dachplatten voneinander. Das Licht streift an einigen Stellen die Wände und verleiht den massiven Mauern aus Quarzit einen lebendigen und textilen Charakter. Einschnitte in die Fassade bilden Terrassen und Glasfronten aus, welche die Liegeplätze und Ruheräume mit Tageslicht durchfluten. Große Fensteröffnungen sorgen für einen Ausblick auf die Topografie aus Tal und Bergen, Weite und Besinnung. 4
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Copans, Richard/ Neumann Stan: Filmreihe Baukunst 2. Frankreich 1995-2007, [Video].
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MATERIAL UND KONSTRUKTION Die Verwendung von Stein als primärer Baustoff wirkt als Komponente für die Abstraktion der Umgebung in den Innenraum wie selbstverständlich. Der Architekt ging von massiven Steinblöcken aus, die zugleich als Tragkonstruktion des Daches dienten. Aufgrund der technischen Undurchführbarkeit der Herstellung solch massiver Steinblöcke kam ein alternatives System aus geschichteten Steinplatten zur Verwendung. Deren Aufschichtung erzielt den optischen Effekt einer massiven Wand aus Stein. Der Valser Gneis stammt aus dem nahegelegenen Steinbruch. Durch die Anordnung der Steinplatten entsteht eine nathlose visuelle Kontinuität. Die Mauern wirken wie riesige Felswände, die uns Menschen überragen, dennoch wird durch die Aufschichtung die Bedrohlichkeit aufgehoben. Das nicht erkennbare Muster scheint willkürlich zu sein, doch die Schichtung wird durch ein bestimmtes Maß von Steinplatten, die eine Dicke von 63 mm, 47 mm und 31 mm aufweisen, kontrolliert. Das horizontale modulare System wird auch auf die Treppen angewandt, um ein Gesamtbild des Gebäudes zu erzeugen.8 Der Wechsel zwischen den massiven Blöcken und den Hohlräumen offenbaren die Bauweise des gesamten Bauwerks. Es setzt sich aus den 15 verschiedenen Steinblöcken zusammen, die jeweils ein überstehendes Dach tragen. Die überhängende Betondecke wird von sogenannten Metallkabeln gehalten, die durch eine weitere Betondecke verdeckt werden und somit unsichtbar bleiben. Die Steinblöcke fügen sich wie ein Puzzle zusammen und ergeben eine geschlossene Dachkonstruktion, die durch Lichtschlitze durchstoßen wird. Das mit Gras bedeckte Flachdach vollendet die Verschmelzung mit der Landschaft. 9 8 9
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Copans, Richard/ Neumann Stan: Filmreihe Baukunst 2. Frankreich 1995-2007, Vdeo. Hauser, Sigrid/ Zumthor, Peter: Peter Zumthor Therme Vals. London 2007, S. 95-108.
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.. GEFUHL UND ZEIT Die meisterhafte Integration in die Landschaft, die Abstraktion des Umfeldes und die Verlagerung dessen in den Innenraum, sowie die detaillierte Ausführung der Idee machen die Therme Vals zu einem Gesamtkunstwerk der zeitgenössischen Architektur. Das Zusammenspiel von Licht, Wasser, Stein und Haut bietet eine Vielzahl von erlebbaren Erfahrungen und Fantasien. Unwesentliche Details, die zum Verlust von fantasievollen Betrachtungen und Träumen führen könnten, werden durch die sensible Ausführung gekonnt versteckt. Die Gesamtheit des Gebäudes steht im Vordergrund. Nichts soll von der Natürlichkeit der Räume ablenken. Die Zurückhaltung der Architektur fördert das Erlebnis des Badenden enorm. Wie ein Entdecker zeigt Zumthor sein Bauwerk und seine darin enthaltenen neu geschaffenen Universen, die alle Sinne des Menschen ansprechen. Hinsichtlich dessen tritt nicht die sportliche Ertüchtigung in den Vordergrund. Es ist der Akt des Badens, die Reinigung, die Ruhe und die Erholung, die zum Besuch der Valser Therme verleitet. Eigenschaften, die sich in orientalischen Badekulturen wiederfinden. Die Verwendung von Stein und Gras spiegeln die Präsens des Berges wieder. Durch die Beziehung zur Landschaft wirkt der Körper unbeweglich und zeitlos, als sei er schon immer da gewesen. Die Zeit im Innenraum wird lediglich durch zwei eingelassene Messingstäbe aufgezeigt. Das Vergessen der Zeit sowie die zeitlose Architektur machen die Therme von Vals zu einem Kunstwerk eines Meisters, der zu wissen vermag Anspruch und Wirklichkeit zu verbinden. 23
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ARCHITEKT „Peter Zumthor wurde 1943 in Basel geboren. Er absolvierte eine Lehre als Möbelschreiner bei seinem Vater, studierte Innenarchitektur und Design an der Kunstgewerbeschule Basel sowie Architektur und Industrial Design am Pratt Institute in New York. Zehn Jahre lang arbeitete er als Denkmalpfleger des Kantons Graubünden. 1979 eröffnete er sein eigenes Büro im bündnerischen Haldenstein bei Chur. Zu seinen wichtigsten Werken gehören: Schutzbauten für römische Funde in Chur (1986), Kapelle Sogn Benedetg, Sumvitg (1988), Betagtenzentrum, Chur (1993), Therme Vals (1996), Kunsthaus Bregenz (1997), Schweizer Pavillon Expo Hannover (2000), Projekt für Topographie des Terros (1993–2004), Zumthor Wohnhaus und Atelier, Haldenstein (2005), Bruder-KlausKapelle, Wachendorf (2007), Diözesanmuseum Kolumba, Köln (2007).“10 10
Hartmann Schweizer, Rahel: Baumeister karger Preziosen. In: Der Bund vom 29.05.2009. URL: http://www.derbund.ch/zeitungen/thema/Baumeister-karger-Preziosen/story/16539066. Stand 26.02.2011.
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BILDQUELLEN Abb. S. 1: http://spaceinvading.com/bookmarklet/Images/11020912343673451721170689_outdoorpool2.jpg Abb. S. 5: http://img.fotocommunity.com/images/Profanbauten/Innenaufnahmen/Therme-Vals-II-oder-schau-genau-hin-a22687384.jpg Abb. S. 6-7: http://mimoa.eu/images/1774_l.jpg Abb. S. 9: http://zhangweiysyn.blog.163.com/blog/static/711644162011721731121/ Abb. S. 10-11: http://zhangweiysyn.blog.163.com/blog/static/711644162011721731121/ Abb. S. 13: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2e/ Therme_Vals_roof%2C_Vals%2C_Graub%C3%BCnden%2C_Switzerland_-_20090809.jpg Abb. S. 14: http://zhangweiysyn.blog.163.com/blog/static/711644162011721731121/ Abb. S. 15: http://spaceinvading.com/bookmarklet/Images/11020912343673401995876804_changeroom.jpg Abb. S. 16-17: http://nagyitas.net/wp-content/uploads/2010/12/Therme_Vals_6.jpg Abb. S. 18: http://ad009cdnb.archdaily.net/wp-content/uploads/2010/10/1288298107-therme-vals-plan-01.jpg Abb. S. 19: http://zhangweiysyn.blog.163.com/blog/static/711644162011721731121/ Abb. S. 21: http://www.archnow.com/uploads/2010/04/The-Therme-Vals-by-Peter-Zumthor-11.jpg Abb. S. 22: http://zhangweiysyn.blog.163.com/blog/static/711644162011721731121/ Abb. S. 23: Copans, Richard/ Neumann Stan: Filmreihe Baukunst 2. Frankreich 1995-2007, [Video]. Abb. S. 24-25: http://zhangweiysyn.blog.163.com/blog/static/711644162011721731121/ Abb. S. 27: http://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/microsites/Kunst-Kulturpreis/2011/2011-Anl_6-Bild-Peter-Zumthor.jpg Abb. S. 30: http://zhangweiysyn.blog.163.com/blog/static/711644162011721731121/
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