neunerNEWS 02/10

Page 1

neunerNEWS Nr. 16, Dezember 2010


neunerNEWS 16/2010

2 / 3

In dieser Ausgabe der neunerNEWS informieren wir Sie über zwei wichtige Projekte, die der Verein neunerHAUS in den letzten Monaten umgesetzt hat: Unsere so genannten Startwohnungen und die Tierärztliche Versorgungsstelle. Mit den Startwohnungen gehen wir vom Verein neunerHAUS – unterstützt von conwertImmobilien – einen ganz neuen Weg, um zu verhindern, dass Menschen in Obdachlosigkeit geraten. Wir unterbrechen die Abwärtspirale und sorgen dafür, dass von Delogierung betroffene Menschen nicht in ein Nächtigerquartier oder gar auf die Straße müssen, sondern gleich wieder eine leistbare Wohnung in einem

»wir unterbrechen die abwärtsspirale!«

?

?

?

?

wussten sie, dass… ...am 1. September 2010 die bedarfsorientierte Mindestsicherung in Höhe von EUR 744 in Kraft getreten ist und damit die Sozialhilfe österreichweit vereinheitlicht wurde? Dieser Betrag stellt allerdings keine Sicherheit für die BezieherInnen dar, aus der Armutsgefährdung zu kommen.

Markus Reiter

…die neue rot-grüne Wiener Stadtregierung plant, die bedarfsorientierte Mindestsicherung für Kinder auf EUR 200 pro Kind zu erhöhen?

Mietshaus bekommen. Eine erste Bilanz zeigt, dass der Bedarf groß ist. Daher suchen wir weitere Partner aus der Immobilienbranche, die mit uns gemeinsam Verantwortung übernehmen wollen, indem sie Wohnraum zur Verfügung stellen. Auch die neue rot-grüne Stadtregierung ist gefordert, in den nächsten Jahren für von Armut bedrohte WienerInnen leistbaren Wohnraum zu schaffen! Dass Obdachlose als letzten Freund oftmals ein Tier haben, wird Ihnen aus dem Stadtbild bekannt sein. Wer aber versorgt die vierbeinigen Begleiter im Krankheitsfall, wer impft und chipt sie? Gemeinsam mit der Österreichischen Tierärztekammer haben wir vom neunerHAUS ein neues Angebot geschaffen: Ein Team von ehrenamtlichen TierärztInnen behandelt kostenlos die Tiere von wohnungs- und obdachlosen Menschen in Wien. Auch hier bieten wir Hilfe ganz gezielt an, wo sie gebraucht wird. Um auch in Zukunft die bedarfsgerechte Versorgung obdachloser Menschen garantieren zu können – sei es in Form von Wohnraum, allgemein- und zahnmedizinischer Versorgung oder tierärztlicher Betreuung – sind wir auf Ihre Spende angewiesen. Sie können dazu beitragen, die Lebenssituation obdachloser Menschen zu verbessern.

...im Juni 2010 im Wiener Landtag eine Novellierung des Landes-Sicherheitsgesetzes – bekannt als Bettelverbot – beschlossen wurde? De facto ist Betteln jetzt strafbar und schränkt massiv die Persönlichkeitsrechte jener Menschen ein, die betteln müssen oder wollen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Dafür danke ich Ihnen sehr herzlich!

...2,5 Millionen Menschen in Österreich (mehr als 30%) keine Steuern zahlen müssen? Der Grund ist kein erfreulicher: sie haben monatlich weniger als EUR 1.100 brutto zur Verfügung. …das Team neunerHAUSARZT mit zehn ÄrztInnen bereits in 16 Einrichtungen der Wiener Wohnungslosenhilfe aufsuchend tätig ist?

Impressum: Herausgeber: Verein neunerHAUS, Margaretenstraße 166/1. Stock, 1050 Wien Tel.: +43/1/990 09 09, Email: verein@neunerhaus.at, www.neunerhaus.at ZVR-Zahl: 701846883, DVR-Nr.: 2110290 Spendenkonto: RLB NOE-Wien, BLZ: 32.000, Konto-Nr.: 5.929.922 Redaktion: Ruth Gotthardt Mitarbeit: Julia Emprechtinger, Hanna Esezobor Gestaltung: BÜRO Markus/Zahradnik Fotos: Klaus Pichler, Johannes Hloch, u.a. Druck: Donau Forum Druck Fotos und Gestaltung wurden kostenlos zur Verfügung gestellt. Das neunerHAUS dankt sehr herzlich!

Mag. Markus Reiter, Geschäftsführer

Und dann endlich: angekommen Es sind eingespielte Bewegungen, die immer gleichen Abläufe mit ähnlich sich einstellenden Empfindungen. Schlüssel ins Schloss. Mit der linken Schulter drücke ich gegen die schwere Eingangstür, rechts an der Wand taste ich nach dem Lichtschalter. Der Gang zum Lift ist automatisiert, die wenigen Sekunden des Hinauffahrens in den vierten Stock ein Moment der Ortslosigkeit. Wieder stehe ich vor einer Tür, wieder drehe ich den Schlüssel im Schloss. Und dann endlich: angekommen. Es riecht nach mir, alles, was mein Auge sieht, gehört mir. Mantel in den Garderobenschrank, Schuhe ins Regal. Erst mal schauen, wie es den Blumen geht. Das Sofa lächelt mich an. „Komm“, sagt es, „leg Dich kurz her“. Mach ich dann auch. Geschützter Raum, Ruhe, fremdes Eindringen quasi unmöglich. Meines. Mein Zuhause. Nach offiziellen Schätzungen sind ungefähr 2.000 Menschen in Österreich wohnungs- oder obdachlos und 19.000 Menschen leben in sozialen Einrichtungen, Obdachlosenheimen. Das macht also insgesamt 21.000 Menschen aus. Wie ist das, wenn man kein Zuhause hat? Wie ist das, wenn man in so einer „Einrichtung“ untergebracht ist, in der man keine Rechte, im besten Fall nur Pflichten hat und behandelt wird, als sei der Zustand der Obdachlosigkeit, in dem man sich befindet, kriminell – auf jeden Fall selbstverschuldet? Infantilisierung wird es wohl sein. Verlust jedes Selbstwertgefühles. Und vielleicht auch Wut verursachen. Die zu zeigen man sich aber wohl nicht leisten kann. Dann ist man „auffällig“. Arme Menschen dürfen nicht auffällig sein. „Die sollen doch froh sein, dass…“ Man hat auch keine Nachbarn. Kann keine FreundInnen einladen. Nie den Stolz der Gastgeberin fühlen. Nichts gestalten. Da ist es doch besser, nicht hin zu schauen. Hinschauen tut nämlich weh und macht Angst. Angst, eines Tages selbst davon betroffen sein zu können. Erinnert außerdem daran, wie fragil das klein- und bürgerliche Leben der meisten von uns ist. Nach offiziellen Schätzungen sind 83.000 Menschen in Österreich von Delogierung bedroht. Delogierung ist meist die Vorstufe zur Obdach- und Wohnungslosigkeit. Die häufigsten Ursachen von Obdach- und Wohnungslosigkeit sind: Scheidung, Langzeitarbeitslosigkeit, Armut und Verschuldung sowie prekäre Familiensituationen und psychische Probleme. Ja, das ist es, was Menschen passieren kann. Die wenigsten der Obdachlosen haben ihren Zustand selbst gewählt. Die wenigsten hängen einer romantischen Vorstellung vom „freien Leben“ auf der Straße an. Die Leute vom Verein neunerHAUS haben das ver-

Foto: ORF, Ali Schafler

editorial

standen. Und zwar von Anfang an. Das hat mir immer schon gefallen. Z.B. die Tatsache, dass die Bewohner­ Innen der mittlerweile 3 neunerHÄUSER und der 10 Startwohnungen in die Gestaltung ihrer Wohnungen einbezogen werden. Sie bestimmen, wie’s aussieht. Sie leben ja auch drin. Armut ist kein Grund für Entmündigung. Und sie werden auch nicht wie BittstellerInnen behandelt, sondern wie ernst zu nehmende Menschen, die – aus welchen Gründen auch immer – in eine Notsituation geraten sind. Respekt zu bekommen ist eine Erfahrung, die oft am Beginn einer Selbstheilung oder auch Selbsthilfe steht. Dass dann auch noch medizinische Versorgung und jede Art von anderer Unterstützung dazu kommt, macht den Respektraum nur noch größer. In dem haben dann sogar Haustiere Platz. „Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Gott?“ Damit kann ich nichts anfangen. Niemandem ist damit geholfen. Das Schönste an Weihnachten (beeindruckt auch, wenn man nicht religiös ist): Gott ist Mensch geworden, damit wir menschlich werden. Er hat’s uns quasi vorgetanzt! Damit wir unter anderem anderen helfen, den Respekt vor sich selber wieder zu finden. Damit jene so ihr Leben wieder in den Griff bekommen. Kol ha kawod fürs Team vom neunerHAUS! Und schöne Weihnachten für alle! Renata Schmidtkunz, Redakteurin, Filmemacherin und Moderatorin


neunerNEWS 16/2010

4 / 5

In den Startwohnungen finden auch Familien ein neues Zuhause.

NEUE WOHNUNG, NEUES LEBEN neunerHAUS begründet mit Unterstützung von conwert ein neues Projekt: In vorerst zehn Startwohnungen finden Menschen, die von Delogierung akut betroffen oder bedroht sind, ein neues Zuhause.

Kein Geld, keine Wohnung In Österreich, einem der reichsten Länder der Welt, gilt mehr als eine Million Menschen als armutsgefährdet. Sie kommen finanziell kaum über die Runden. Wenn die Miete steigt, droht nicht selten der Wohnungsverlust. Für AlleinerzieherInnen, Konventionsflüchtlinge und andere sozial benachteiligte Gruppen, die über ein sehr geringes Erwerbseinkommen, Arbeitslosengeld oder Bedarfsorientierte Mindestsicherung verfügen, ist es besonders schwierig, im Falle einer Delogierung rasch wieder eine Mietwohnung zu finden. Provision, Kaution, Umzugskosten können sie nicht aufbringen. Allzu oft bleibt nur der Weg in eine Obdachloseneinrichtung. Und genau das soll mit dem neuen Angebot verhindert werden. Innovatives Konzept zur Prävention Jährlich verlieren über 3.000 Menschen in Wien ihre Wohnung durch gerichtliche Räumung. Bei Delogierung oder wenn Menschen erst sehr kurz auf der Straße leben, können sie in einer Startwohnung sofort wieder eigenständig wohnen und sind nicht auf Unterbringung in Obdachloseneinrichtungen angewiesen. Betreut werden die BewohnerInnen der Startwohungen durch Sozi-

alarbeiterInnen des Vereins neunerHAUS. Diese arbeiten aufsuchend, klären bedarfsorientiert die sozialen Probleme und schaffen neue Wohnperspektiven. Ein Abdriften in längerfristige Obdach- bzw. Wohnungslosigkeit kann damit verhindert werden. Da das Projekt über private Fördermittel finanziert wird, können die Wohnungen besonders schnell und unbürokratisch vergeben werden. Einzelschicksal oder „typischer Fall“? Der Bedarf ist hoch. Die ersten zehn Startwohnungen waren in kürzester Zeit vergeben und wurden in den

»Mit den neunerHAUS Startwohnungen gehen wir wieder einen neuen Weg in der Bekämpfung von Obdachlosigkeit. Mit Hilfe von conwert Immobilien und dem persönlichen Engagement von Vorstand und MitarbeiterInnen können wir Menschen, die ansonsten auf der Straße gelandet wären, ohne bürokratische Hürden eine passende betreute Wohnung anbieten.« erläutert Markus Reiter, Geschäftsführer des Vereins neunerHAUS, den innovativen Ansatz des Projektes.

Sommermonaten bezogen. Von Menschen, die sonst buchstäblich auf der Straße gelandet wären: 30 Jahre lang hat Herr P. zusammen mit seiner Frau in einer Hausmeisterwohnung im achten Bezirk gelebt. Ob Beziehungsprobleme zum Alkohol geführt haben oder umgekehrt lässt sich heute schwer nachvollziehen und spielt auch keine Rolle. Was folgte waren psychische Probleme, Arbeitsunfähigkeit, Wegweisung, ein Scheidungsverfahren. Und Wohnungslosigkeit – denn für eine eigene Wohnung reichte das Geld nicht. Frau M. kam in den frühen 90-erJahren aus Brasilien nach Österreich. Sie wohnte mit ihren beiden Kleinkindern auf 25m2, ein drittes Kind unterwegs, der Mietvertrag würde in wenigen Monaten auslaufen. Frau M. galt als „wohnversorgt“ und daher nach den öffentlichen Richtlinien als nicht förderungswürdig. Sie konnte sich aussuchen, ob sie hochschwanger oder lieber mit einem Neugeborenen und den beiden „Großen“ auf Herbergssuche geht. Die drohende Obdachlosigkeit war eine enorme Belastung. Zwei Frauen Ende 50: Beide sind aus Tschetschenien geflohen, die eine ist mit Tochter und Enkelkindern nach Wien gekommen, die andere alleine, ihre Söhne gelten als verschollen, der Aufenthaltsort der Enkelkinder ist unbekannt. Beiden wurde Asyl in Österreich genehmigt, da sie aber kürzer als zwei Jahre in Wien sind, besteht noch kein Anspruch auf eine Gemeindewohnung. Eine Mietwohnung auf dem freien Markt ist für sie nicht leistbar. Das sind die Schicksale einiger Menschen, die in den ersten zehn neunerHAUS-Startwohnungen untergekommen sind. Insgesamt 15 Menschen – sieben Männer, fünf Frauen und drei Kleinkinder – denen ein Leben auf der Straße erspart werden konnte. Conwert – ein starker Partner Ermöglicht wird das innovative Wohnprojekt durch die Unterstützung des Immobilienunternehmens conwert, das die Wohnungen dem Verein neunerHAUS zur Verfügung stellt. Die neuen BewohnerInnen zahlen einen Betreuungsbeitrag inkl. Betriebs- und Heizkosten und die Stromkosten, die Mietverträge werden vorerst befristet abgeschlossen. In dieser Zeit werden die BewohnerInnen von einer Sozialarbeiterin des Vereins neunerHAUS betreut, gemeinsam wird die Zukunft geplant. Ziel ist die Rückkehr in eine leistbare und unbefristete Mietwohnung. Bis dahin sollen die MieterInnen soweit gefestigt sein, dass eine weitere sozialarbeiterische Betreuung nicht mehr erforderlich ist. Die Unterstützung von conwert beschränkt sich keineswegs auf die Bereitstellung von Wohnraum. Es ist conwert und neunerHAUS ein besonderes Anliegen, die conwert-Angestellten mit einzubinden und gemeinsam

»Als Wohnimmobilienunternehmen bieten wir unseren Mietern und Eigentümern Wohnungen, die ihren ganz persönlichen Wünschen entsprechen und den Mittelpunkt ihres Lebens darstellen. Leider verlieren immer wieder Menschen ihre Wohnung und damit auch die Chance auf ein normales Leben. Dieses wollen wir ihnen zurückgeben und Menschen, die von Obdachlosigkeit bedroht sind, einen Neustart ermöglichen. Wir sehen es als unsere Pflicht, uns nicht nur um unsere Immobilien, sondern auch um unsere Mitmenschen zu kümmern. Daher freut es uns, gemeinsam mit dem Verein neunerHAUS und mit unseren Mitarbeitern unseren Teil dazu beizutragen, dass Menschen wieder ein Zuhause finden und hoffnungsfroh in die Zukunft schauen können«, so Thomas Rohr, Geschäftsführender Direktor der conwert Immobilien Invest SE.

das Projekt auch ideell zu tragen. conwert-MitarbeiterInnen engagieren sich als „WohnungspatInnen“, die in kleinen Teams den neuen MieterInnen nicht nur beim Umzug tatkräftig unter die Arme griffen. Möbel wurden vermittelt, Transporte organisiert, Vorhänge genäht, Teller, Tassen und Geschirr bereitgestellt. Sogar einige Kühlschränke wurden zum Einstand gefüllt. Ein erstes Resumee Alle Wohnungen sind bezogen, die neuen MieterInnen laut DSA Claudia Halbartschlager sehr zufrieden. Sie sieht ihre sozialarbeiterische Aufgabe nun darin, die KlientInnen bei allen Agenden zu begleiten: von Schuldenregulierung über Vermittlung zu Deutschkursen, Arbeitssuche bis hin zu psychosozialer Begleitung. Das oben erwähnte, beim Einzug noch ungeborene Baby, ist inzwischen ebenfalls „angekommen“. Seine Mutter hat ihm einen besonderen Namen gegeben, der in der Übersetzung „Glück“ bedeutet. Damit noch viele Betroffene in ihrer schwierigen Situation ein wenig Glück haben, soll das Projekt rasch ausgebaut werden. Weitere Partner aus der Immobilienbranche werden gesucht! Ruth Gotthardt, neunerHAUS

In Kooperation mit


neunerNEWS 16/2010

6 / 7

Kostenlose tierärztliche Versorgung für Haustiere wohnungsund obdachloser Menschen

Gesunder Rückhalt auf vier Beinen Es ist zehn Uhr vormittags an einem Montag – in der Hagenmüllergasse 34 herrscht im wahrsten Sinne des Wortes tierischer Andrang. Im Warteraum der neuen neunerHAUS-TierärztInnen tummeln sich vier Hunde und fünf Katzen mit ihren Herrchen und Frauchen und warten, bis sie von Frau Doktor aufgerufen werden. Tierärztin Eva Wistrela-Lacek hat heute Dienst – für Rocky, Sultan, Goliath und Co bedeutet das Impfen, Chippen oder einfach Gesundheitskontrolle. Ein ehrenamtliches Team von TierärztInnen sorgt seit diesem Herbst regelmäßig dafür, dass die Tiere wohnungs- und obdachloser Menschen aus ganz Wien die Gesundheitsversorgung bekommen, die ihnen und ihren menschlichen Haltern gut tut. Die manchmal unreflektiert gestellte Frage, warum Menschen mit wenig oder keinem Einkommen auch noch Tiere halten müssen, beantwortet Wistrela-Lacek sehr bestimmt: „Diese Menschen hatten zuvor ein anderes Leben – ihr Haustier ist häufig das Einzige, was ihnen geblieben ist.“ An vier, bald schon fünf Tagen in der Woche stellt das neunerHAUS gemeinsam mit der Österreichischen Tierärztekammer die Behandlungsräume für das Projekt zur Verfügung. Dr. Maurizio Colcuc, Präsident der Österreichischen Tierärztekammer Landestelle Wien, erklärt das Engagement der TierärztInnen bei der Verwirklichung des Projektes: „Eine tierärztliche Betreuung der Haustiere verringert unser aller Risiko der Verbreitung von Tierkrankheiten und ermöglicht Obdach- und Wohnungs-

losen eine starke emotionale Erfahrung im Zusammenleben mit Tieren. One health – eine Gesundheit: TierärztInnen sehen ihre Arbeit als Beitrag für die Gesundheit von Mensch und Tier“. Übrigens ist Dr. Colcuc selbst regelmäßig als ehrenamtlicher Tierarzt hier im Einsatz! Allen wohnungs- und obdachlosen Menschen und ihren Vierbeinern steht die Einrichtung offen. Einerseits soll so die einmal im Jahr vorgeschriebene Kontrolle der vierbeinigen Begleiter sichergestellt werden – dann wird entwurmt oder geimpft und im Sinne des Wiener Hundehaltergesetzes werden die Hunde auch gechipt. Andererseits behandeln und kurieren die TierärztInnen im Rahmen der Sprechstunden kleine Wehwehchen und gröbere Probleme wie Durchfall oder Verletzungen. Im Notfall ist die Praxis sogar für kleinere Operationen gerüstet. Auch das Kastrieren ist notwendig, denn ungewollte Vermehrung ist neben einem Platz- auch ein Kostenproblem. Letzter Halt Für die Tiere bedeutet die Initiative die Sicherstellung eines gesunden, artgerechten Lebens, für ihre Halter eine große finanzielle Erleichterung, denn Tierarztrechnungen sind naturgemäß hoch. Und auch therapeutisch machen die Haustiere Sinn: „Es ist wichtig, dass die Menschen ihre Tiere behalten können, denn Verantwortung ist eine bedeutende Komponente. Können sie Verantwortung für ein Tier übernehmen, gelingt es ihnen vielleicht später auch für sich selber“, ist die Tierärz-

tin überzeugt. Ein Hund habe außerdem kein Problem damit, wenn sein Besitzer psychisch krank ist, er urteilt auch nicht nach der Optik. Was die Mitmenschen oft nicht schaffen, gelingt den Tieren – nämlich soziale Wertschätzung. Das gibt den Menschen, die nicht so viel Glück im Leben hatten, ein Stück Geborgenheit und andererseits das Gefühl, gebraucht zu werden. Als Ersatz für Familie oder Freunde sind die Tiere oft die einzigen treuen Begleiter im Alltag. In den neunerHÄUSERN waren Tiere daher schon immer willkommen – bereits vor zehn Jahren konnten Menschen ins neunerHAUS als erste Einrichtung in Wien ihre tierischen Freunde mitbringen. „Eine sichere veterinärmedizinische Versorgung für die Tiere aller Obdachlosen in Wien ist Voraussetzung dafür, dass künftig noch mehr Einrichtungen obdachlose TierhalterInnen aufnehmen – dazu wollen wir gerne beitragen“, so Markus Reiter, Geschäftsführer des Vereins neunerHAUS. Bevor die neue Tierärztliche Versorgungsstelle zur fixen Institution wurde, haben TierärztInnen und SozialbetreuerInnen gelegentlich mit Hausbesuchen ausgeholfen. „Tiere tun den BewohnerInnen einfach gut“, weiß Reiter aus Gesprächen mit den Menschen. Gesunde Tiere – gesunde Menschen Für Eva Wistrela-Lacek und ihre KollegInnen sind gesunde Tiere die Voraussetzung für gesunde Menschen. Milben oder andere Parasiten können beispielsweise von Tieren auf Menschen übertragen werden. Ihre Mo-

tivation für die ehrenamtliche Sprechstunde beschreibt sie so: „Als Tierärztin übernehme ich so einerseits soziale Aufgaben und ich will andererseits natürlich auch den Tieren helfen.“ Verwahrloste Tiere sind ihr in den neunerHAUS-Sprechstunden bisher noch nie untergekommen – den Menschen ist es wichtig, dass es ihren Tieren gut geht. Die Ärztin sieht sich als ganz normale Dienstleisterin für ihre KlientInnen, manchen ist es auch unangenehm, dass sie finanziell nichts zur Behandlung beitragen können. Für sie selbst bedeutet die offiziell eine Stunde dauernde ehrenamtliche Sprechstunde alle zwei Wochen tatsächlich fast zweieinhalb Stunden Arbeit – denn in einer richtigen Praxis muss auch Bürokratie erledigt werden, damit alles rechtens funktioniert. Offener Zugang Anmelden müssen sich die TierhalterInnen für die Sprechstunden nicht, der Zugang ist offen. Beim ersten Besuch ist eine Überweisung einer betreuenden Organisation in Wien notwendig – das kann auch eine Notschlafstelle, die Gruft, etc. sein. Im Moment wohnen allein in den neunerHÄUSERN 15 Hunde, 28 Katzen, unzählige Fische, zwei Papageien und einige Meerschweinchen, Mäuse und andere Kleintiere. Zehn TierärztInnen kümmern sich um die Schützlinge – aufgrund der großen Nachfrage sind weitere ehrenamtliche tierärztliche MitarbeiterInnen und Spenden gerne willkommen. So werden Bello und Co auch in Zukunft ihre Besitzer munter begleiten können. Marietta Türk, Journalistin

neunerHAUS Tierärztliche Versorgungsstelle 1030 Wien, Ecklokal Hagenmüllergasse 34 Aktuelle Öffnungszeiten: jederzeit abfragbar unter tierarzt@neunerhaus.at oder 0650 21 00 158 Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln: U3 Kardinal-Nagl-Platz, Bus 77A Haltestelle Lechnerstraße


neunerNEWS 16/2010

8 / 9

neunerHAUS Benefizkonzert: Musik, die wärmt und Obdach gibt! Samstag, 18. Dezember 2010 Beginn: 20.30 – Einlass ab 19.30 Uhr

Foto: Dorit Winkler

Es ist kalt. Und es wird kälter. Was tun, wenn man kein eigenes Zuhause hat? Was tun, wenn die Kälte auch das Herz frieren lässt? Das neunerHAUS Benefizkonzert im PORGY & BESS bietet ein Musikvergnügen der besonderen Art – das wärmt und Obdach gibt! Verbringen Sie mit uns einen unvergesslichen Abend, dessen Reinerlös hilft, Menschen ein Obdach zu geben. Höhepunkte des Konzertes werden die Auftritte von Eric Papilaya und der stimmgewaltigen Dorretta Carter and Friends sein. Chill-out mit DJ Thomas Vavrovsky (Ich Liebe Dich | Wien). Durch den Abend führt Susanne Pöchacker.

Der Reinerlös des Abends geht an das neunerHAUS. Mindestspende: EUR 25,- Sitzplatz, EUR 18,- Stehplatz Ort: PORGY & BESS Riemergasse 11, 1010 Wien Vorverkauf: In der VVK-Stelle des PORGY & BESS, 1., Riemergasse 11, Tel.: 01/512 88 11, täglich ab 16 Uhr; mit Kreditkarte auf www.porgy.at und in allen Wiener Filialen der Bank Austria. Dank Dieser Abend im Porgy&Bess wird gesponsert von:

Haubenküche zum Beisl-Preis In den fünf neunerHAUS-Kochbüchern stellen TopKöchInnen des Landes, wie Johanna Maier, Walter Eselböck, Heinz Reitbauer, Lisl Wagner-Bacher, die Gebrüder Obauer u.v.m. ihre besten Rezepte für günstige Gerichte zur Verfügung. Mit jedem Kauf unterstützen Sie die Arbeit des Vereins neunerHAUS für obdachlose Menschen in Wien. Sie können die Kochbücher direkt bestellen unter www.neunerhaus.at oder Tel.: 05 7801-1114

Preise :

Haubenküche 1-4 Haubenmenüs

EUR 14,90 EUR 19,90

InformatIon. KontAKt. UMFASSEnd. •  Über die Arbeit der Bundesregierung •  Alles zum Thema Europäische Union •  Unterstützung und Beratung bei Amtswegen

Anrufen Servicetelefon 0800 222 666 Montag bis Freitag 8-18 Uhr (gebührenfrei)

Schreiben Bundeskanzleramt, Bürgerinnen- und Bürgerservice Ballhausplatz 1, 1014 Wien Fax: +43 1 531 15 - 4274 E-Mail: service@bka.gv.at

Hingehen Servicezentrum: HELP.gv.at Informationen, Beratung und Unterstützung zu E-Government und Bürgerkarte Montag bis Freitag 9-17 Uhr Ballhausplatz 1 (Eingang Schauflergasse), 1014 Wien

bundeskanzleramt.at


neunerNEWS 16/2010

10 / 11

kurzmeldungen Kussfester Punschstand für das neunerHAUS Seit nunmehr vier Jahren unterstützen StudentInnen des FH-Studiengangs Technisches Vertriebsmanagement das neunerHAUS. Am Samstag, 18. Dezember, wird wieder auf der Mariahilfer Straße – vor der Apotheke zur Kaiserkrone – zu unseren Gunsten Punsch ausgeschenkt. Alle, die es romantisch mögen, können bei der Aktion „Kissing for neunerHAUS“ einmal anders spenden: Lassen Sie sich beim Küssen unterm Mistelzweig ablichten. Gegen eine kleine Spende nehmen Sie Ihr Kussfoto gleich mit. Neue Geschäftsführerin Christa Weißmayer ist seit Mitte 2010 zweite Geschäftsführerin des Vereins neunerHAUS. Sie bringt langjährige betriebswirtschaftliche Erfahrung aus der Privatwirtschaft und dem NonProfit Bereich mit und zeichnet für die Bereiche Finanzen, ContNeue Geschäftsführerin rolling, Personal, Christa Weißmayer interne Kommunikation und Infrastruktur verantwortlich. Es ist ihr Anliegen, die organisatorischen Rahmenbedingungen innerhalb des Vereins auszubauen, damit die Arbeit mit und für obdachlose Menschen weiterhin professionell umgesetzt werden kann: „Das Besondere am neunerHAUS sind für mich die Menschen, die mit großem Engagement und Begeisterung die Idee neunerHAUS mittragen.“ Wie kommt man kostenlos zu den Vampiren? Das wird sich so mancher Leser oder manche Leserin fragen, wenn er/sie diese Überschrift liest. Gemeint ist das Musical „Tanz der Vampire“ im Theater Ronacher. Dazu stellt man sich circa eine Stunde vor Kassenöffnung beim Theater – mit dem Kulturpass in der Hand – an und erhält die beste Karte. Dieser Kulturpass ist für einkommensschwache Kunst- und Kulturinteressierte ein sehr großer Vorteil in Wien. Er öffnet kostenlos Türen, die normalerweise sehr teuer sind. Einige Beispiele davon: Kunsthistorisches Museum, Naturhistorisches Museum, Albertina, Kunsthaus, das Essl Museum in Klosterneuburg, Architekturzentrum Wien, Leopold/Museum und vieles mehr. Wenn man in

einem der drei neunerHÄUSER wohnt, bekommt man diesen Pass bei seinem Betreuer. Der Schreiber dieser Zeilen – als großer Kunst- und Kulturfreak – ist immer wieder erstaunt, wie viele Vorteile dieser Kulturpass bringt. Nicht nur, dass er mir in fast allen Museen von Wien die Möglichkeit gibt, diese kostenlos zu besichtigen, sondern auch, dass man in einigen Theatern ihre Produktionen ohne Bezahlung zu genießen vermag. Dieser Kulturpass – der den offiziellen Titel „Hunger auf Kunst und Kultur“ hat – ist die kostengünstigste Form, Kunst und Kultur in Wien zu konsumieren. Rudolf Truhlar, Bewohner neunerHAUS Billrothstraße

Zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten Am 2. November fand die 10. Kunstauktion zugunsten des Vereins neunerHAUS statt und brachte ein höchst erfreuliches Ergebnis. 174 Werke der bedeutendsten österreichischen KünstlerInnen kamen unter den Hammer von Auktionator Otto Hans Ressler – viele äußerst ertragreich: so wurde etwa eine Arbeit von Arnulf Rainer (Rufpreis 6.000 Euro) bei 11.000 Euro zugeschlagen, zwei Werke von Drago Prelog fanden für 7.000 bzw. 6.000 Euro Käufer, eine großformatige Ar-

10. Kunstauktion zugunsten des Vereins neunerHAUS

beit von Prachensky wurde für 7.500 Euro versteigert. Der Verein neunerHAUS bedankt sich sehr herzlich bei allen KünstlerInnen, die Werke zur Verfügung gestellt haben und bei allen, die zum großen Erfolg der Auktion beigetragen haben.

neunerHAUSARZT, ist auch die Zahl unserer MitarbeiterInnen gewachsen. In den letzten Jahren ist es daher in unserem Vereinsbüro in der Stumpergasse im 6. Bezirk sehr eng geworden. Ende November sind wir umgezogen:

Wir sind umgezogen Mit der Schaffung von neuen Wohnplätzen und Betreuungsangeboten, wie etwa der neunerHAUS Zahnarztpraxis für Obdachlose oder dem Ausbau des Teams

Ab Dezember finden Sie das Vereinsbüro und unsere neunerHAUS Zahnarztpraxis in der Margaretenstraße 166/1. Stock, 1050 Wien. Wir freuen uns auf einen Besuch.

Gold in New York, Silber in Cannes Nach Gold in New York und Silber in Cannes haben wir mit unserem „Pflückplakat“ nun auch den heimischen Fundraising Award in der Kategorie Innovation des Jahres gewonnen. Das Plakat zeigt einen obdachlosen Mann – zusammengesetzt aus einzelnen Erlagscheinen. Die PassantInnen sind eingeladen, diesen Menschen durch das Herabnehmen der Erlagscheine buchstäblich von der Straße zu holen. Unter den Erlagscheinen erscheint derselbe Mann rasiert und sauber gekleidet. Idee und Umsetzung stammen von der Werbeagentur Euro RSCG. Die Plakate werden 2011 an ausgewählten Standorten in Wien gehängt. Vielen Dank an die Euro RSCG für die Unterstützung, die wir seit Jahren erfahren.

Nur eine Bank

M_1C_Archi85x120ssp.indd 1

ist meine Bank.

FIT - Fernsehen, Internet, Telefon.

www.raiffeisenbank.at

www.upc.at 04.05.2009 15:27:13 Uhr

FIT_STREIFEN_NEUNERHAUS_1C.indd 1

16.11.10 17:51


Karl C., 42, Bewohner neunerHAUS Startwohnungen

»Am Anfang war … alles normal« Herr C. schlägt vor, sich am Christkindlmarkt zu treffen. Am Stand 49, dem mit dem patentierten Beerenpunsch, wie er stolz berichtet. Aber nicht zum Punschtrinken. Hier arbeitet er. Der „Koarl“ ist neu im Team. Keiner seiner Arbeitskollegen kennt seine Vorgeschichte. Und dass er einmal obdachlos war, ist dem schlanken Anfang 40er nicht anzusehen. Herr C. ist ein „waschechter Wiener“, hier geboren und aufgewachsen. Als gelernter Spengler – „den Abschluss mit Auszeichnung“, darauf ist er stolz – war er viel im Osten auf Montage. Gutes Geld hat er verdient und auch gut davon gelebt. Bis 2006. Da kam dann alles anders. Krankheit, Arbeitslosigkeit, Trennung, Obdachlosigkeit „Eine Thrombose ist mir gschossen,“ berichtet er sachlich, „die ist vererbt.“ Eine Operation half. Die unmittelbare Lebensgefahr war gebannt, aber seinen Beruf konnte er nicht mehr ausüben. Krankheit und Arbeitslosigkeit belasteten seine langjährige Beziehung schwer. Dennoch kam die Trennung überraschend. „Von heut auf morgen wollt sie mich nicht mehr.“ Er glaubt, dass es am Geld gelegen hat. Bei ihr war er mit Nebenwohnsitz gemeldet, hatte daher keinen Anspruch auf eine Gemeindewohnung. Eine andere Wohnung konnte er sich nicht leisten. Die erste Nacht nach dem Rauswurf kam er bei seiner Mutter unter, aber auf Dauer wollte er ihr nicht zur Last fallen. Genauso wenig wie seinen Geschwistern. „Die haben alle ihre eigene Familie, das wollte ich denen nicht antun.“ Herr

C. fand Unterschlupf im Haus Hermes, einer Notschlafstelle für Männer. Danach zog er in das neunerHAUS Billrothstraße und seit kurzem darf er eine neunerHAUS Startwohnung sein „eigen“ nennen. Hoffnung für die Zukunft Herr C. ist glücklich. Nicht nur über die Wohnung. Seit kurzem ist er wieder verliebt. Und alles könnte wunderbar sein, wäre da nicht seine Krankheit. Im Sommer sollte sein Fuß abgenommen werden, aber er wechselte das Krankenhaus und wurde erneut operiert. Die Ärzte geben seinem Bein maximal fünf Jahre. Er selbst gibt sich 10. Herr C. hadert nicht mit seinem Schicksal. Zum einen glaubt er, es nicht ändern zu können. Zum anderen ist er sich bewusst, wie viel er dazu beigetragen hat, dass es so ist, wie es ist. Könnte er die Zeit zurückdrehen, würde er eines ändern. Geld zur Seite legen, als er genug davon hatte. Jetzt geht das nicht mehr. Seine Krankheit macht jeden Job schwierig. Arbeit als Krankenpfleger oder als Hausarbeiter würde ihm gefallen. Zurzeit macht er sich keine großen Gedanken. Denn die neue Liebe stellt alles andere in den Schatten.

Hanna Esezobor, neunerHAUS

Ihre Spende hilft Menschen und Tieren Oft sind Tiere die einzigen Begleiter obdachloser Menschen – sie sind Ersatz für Familie und Freunde, geben Geborgenheit und Halt. Darum sind im neunerHAUS seit jeher auch Tiere willkommen: Bei uns finden obdachlose Menschen mit ihren besten Freunden ein neues Zuhause. Unsere AllgemeinmedizinerInnen und die neunerHAUS Zahnarztpraxis sorgen für obdachlose Menschen, ihre Vierbeiner finden Hilfe bei den neunerHAUS TierärztInnen Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit für obdachlose Menschen mit Ihrer Spende mittels beiliegenden Erlagschein oder online auf www.neunerhaus.at Spenden an den Verein neunerHAUS sind steuerlich absetzbar.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.