Neunernews 24 Dezember 2014

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NEUNERNEWS NR. 24 / Dezember 2014

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EDITORIAL

vor 15 Jahren entschieden sich engagierte BewohnerInnen des 9. Bezirks in Wien am Franz-Josefs-Bahnhof, nicht mehr wegzuschauen, wenn sie an obdachlosen Menschen vorbeigehen. Sondern sie fragten nach, wie sie sinnvoll und nachhaltig helfen können. Das war der Startschuss für das neunerhaus, das mehr als ein Dach über dem Kopf sein sollte: körperliche Gesundheit, Kommunikation auf Augenhöhe, soziale Inklusion – ein selbstbestimmtes Leben für die BewohnerInnen ist seither das Ziel. Heute ist aus der engagierten Initiative eine professionelle Sozialorganisation geworden, die hunderten obdachlosen Menschen ein Zuhause gibt und jährlich tausende Menschen medizinisch versorgt. Nicht mehr wegsehen: Das können auch Sie mit dieser Ausgabe der neunernews, in der Ihnen wieder neunerhaus BewohnerInnen Einblick in ihr Leben geben. Helfen auch Sie: mit Ihrer Spende und Ihrem Engagement für das neunerhaus. Vielen Dank! Ihre Redaktion

IMPRESSUM HERAUSGEBER: neunerhaus – Hilfe für obdachlose Menschen, Margaretenstraße 166/1. Stock, 1050 Wien Tel.: +43/1/990 09 09-900, E-Mail: verein@neunerhaus.at, www.neunerhaus.at ZVR-Zahl: 701846883, DVR-Nr.: 2110290 FÜR DEN INHALT VERANTWORTLICH: Markus Reiter, Monika Pfeffer CHEFREDAKTION: Flora Eder TEXT: Flora Eder, Eva Winroither, Sandra Wobrazek FOTOS: Archiv, Barbara Kumer, Krebshilfe, Christoph Liebentritt, Johanna Rauch, Johannes Zinner GESTALTUNG: Schrägstrich Kommunika­ tions­design e.U.; DESIGN: Büro X DRUCK: Donau Forum Druck Fotos und Gestaltung wurden kostenlos zur Verfügung gestellt. Das neunerhaus dankt sehr herzlich. Spendenkonto RLB NÖ-Wien: IBAN: AT25 3200 0000 0592 9922; BIC RLNWATWW Spendenkonto Erste Bank: IBAN: AT38 2011 1284 3049 1706; BIC: GIBAATWWXXX

WIEDEREINSTIEG

Warum leistbares Wohnen Wohnungslosigkeit verhindern und beenden kann. ANTEIL DER Ø WOHNKOSTEN AM HAUSHALTSEINKOMMEN

41 %

Über 25 % des Einkommens

16 % 8%

8%

> 3.271 €/mtl. Einkommen

< 3.271 Einkommen

< 1.090 Einkommen

< 950 Einkommen

10.000 WOHNUNGSLOSE MENSCHEN IN WIEN IN BETREUUNG.

43

Frauen sind Ø jünger als Männer.

Jahre

Durchschnittliches Alter

Sieben von zehn KlientInnen sind Männer

davor obdachlos

74 %

14 %

Von fixer Wohnform in die Wohnungslosigkeit

56%

lebten vor der Wohnungslosigkeit „lange Zeit in großer materieller Armut“

7% davor prekär

39%

hatten davor viele Wohnungswechsel

WOHNUNGSLOSIGKEIT VERHINDERN HEISST WOHNUNGEN SCHAFFEN.

1.200 - 700 500

leistbare Wohungen pro Jahr werden benötigt

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54 %

Je höher die Wohnkostenbelastung, umso höher das Risiko, wohnungslos zu werden. Mehr als 25 % gelten als „unzumutbar“.

stehen derzeit zur Verfügung

zusätzlicher Bedarf an leistbaren Wohnungen

Quellen: AK Wien, BMASK, EU-SILC, MA 24/Evaluierung WWLH, Statistik Austria

Liebe LeserInnen,


INTERVIEW

VERANTWORTUNG ÜBERNEHMEN neunerhaus Geschäftsführer Markus Reiter im Gespräch mit Europapolitiker Hannes Swoboda über obdachlose EU-BürgerInnen in Wien. 14 Millionen EU-BürgerInnen leben in einem anderen EU-Staat, für 56 Prozent der EU-BürgerInnen ist diese sogenannte „Freizügigkeit“ die größte Errungenschaft der Union. In einem anderen Mitgliedsstaat Sozialleistungen zu erhalten, ist aber an Konditionen geknüpft. Wer diese nicht erfüllt, befindet sich in einem Graubereich: Viele obdachlose EU-BürgerInnen befinden sich in diesem sozialen Niemandsland. Die Stadt Wien hilft im Winter mit Notunterkünften – bereits 1.000 obdachlose EU-BürgerInnen waren es im vergangenen Jahr. Auch die neunerhaus medizinische Versorgung ist in dieser prekären Situation für sie da. Markus Reiter: Wien wächst. Ist es auch diesen Herausforderungen gewachsen? Hannes Swoboda: Wer Wohlstand genießt, sollte nicht vergessen, dass dieser leider nicht alle betrifft – und versuchen, jenen zu helfen, denen es nicht so gut geht. Viele aber sagen stattdessen: Wir haben`s geschafft, was gehen uns jetzt die anderen an? Solidarität wird dann durch Angst ersetzt. Denn obdachlose Menschen rufen uns letztlich in Erinnerung, dass der eigene Wohlstand so fragil ist. Auch obdachlose EU-BürgerInnen benötigen unsere Hilfe. Welches Sozialsystem ist dann zuständig? Wo liegt die Verantwortung? Bei den nationalen Regierungen. Denn sie entscheiden mit dem Europäischen Parlament über das europäische Budget. Und die nationalen Regierungen haben die Budgets gekürzt – inklusive der Töpfe für soziale Integration in den ärmeren EU-Ländern. Doch idealerweise sollten wir vor Ort helfen. Wenn man hier spart, muss man damit rechnen, dass die Menschen ihr Glück woanders suchen. Dann muss man die Städte unterstützen, die die Menschen aufnehmen. Das betrifft vor allem Orte

» NUR AUS DER KOOPERATION KÖNNEN WIR ETWAS MACHEN. « in Frankreich und Deutschland – in geringerem Maße aber auch Wien. In Wien werden immer mehr Elendsquartiere publik. Menschen leben unter schlimmsten Bedingungen – mitten in Wien. Was müssen wir hier tun? Gegen organisierte BettlerInnen könnte man schon etwas machen. Aber in Wien ist das in Wirklichkeit das kleinere Problem. Denn Roma zum Beispiel flüchten ja nicht nur vor Armut. Sondern auch vor Diskriminierung. Da muss Wien auch einen gewissen Anteil übernehmen. Wie sollte man vorgehen – sollen wir öffentlich finanzierte Heime als Alternative zu Elendsquartieren schaffen? Es sollte eine Alternative geben, aber man muss darauf achten, dass eine gewisse Qualität gewährleistet ist. Wir

dürfen keine Ghettos schaffen, sondern ernste Möglichkeiten zur Integration. So wie auch das neunerhaus Qualität aufweist. Qualität, die die Integration individuell und auch gesellschaftlich möglich macht. Was sollte die EU tun? Wir müssen auf die Probleme bei der Inklusion sozialer Randgruppen aufmerksam machen. Um sie zu lösen, muss Europa genauso Verantwortung übernehmen wie Länder, Städte und Gemeinden. Nur aus der Kooperation können wir hier etwas machen.

Zur Person: Hannes Swoboda war von 1996 bis Juni 2014 Abgeordneter im Europäischen Parlament. Heute ist er in europa- und außenpolitischen Institutionen als Berater tätig.

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15 JAHRE NEUNERHAUS

15 JAHRE FRISCHER WIND Seit 15 Jahren geht das neunerhaus neue Wege in der Hilfe für obdachlose Menschen. Und hat hunderten geholfen, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Text: FLORA EDER / Foto: JOHANNA RAUCH

Wenn Michelle Gerstl über das neunerhaus spricht, spricht sie über mehr als ihren Arbeitsplatz. Seit vielen Jahren begleitet sie die Wiener Sozialorganisation. Und umgekehrt. Es ist über zehn Jahre her, da stand Michelle selbst auf der Straße. Hilfe erhielt sie im städtischen Notquartier „Meldemannstraße“ – das damals in ganz Wien für seine schlechten Bedingungen bekannt war. Ungern erinnert sie sich an diese Zeit zurück. Bergauf

ging es erst mit dem Wechsel in das neu eröffnete neunerhaus Hagenmüllergasse 2001. Michelle packte an, half bei Arbeiten im Haus und übernahm Fuhren mit dem Umzugsauto. „Das neunerhaus war damals noch ganz anders als heute“, erinnert sie sich, „etwas chaotisch, mit Büro am Gang und nur wenigen angestellten MitarbeiterInnen.“ Bald sollte sie eine von ihnen werden: Denn nach ihrem Auszug in eine Gemeindewohnung wurde aus der

Michelle Gerstl, Hausbetreuerin im neunerhaus, stand bereits selbst auf der Straße. Seit zehn Jahren öffnet sie nun Türen zum Wiedereinstieg ins eigenständige Leben.

Bewohnerin im Jahr 2004 eine angestellte neunerhaus Mitarbeiterin. Rollentausch. Bis heute ist Michelle Gerstl Hausbetreuerin im neunerhaus Kudlichgasse. Sie kennt die BewohnerInnen gut; weiß aus eigener Lebenserfahrung, wie sie am besten mit ihnen spricht – und „wie der Schmäh rennt“. Durch einen weiteren Rollenwechsel schloss sie das neunerhaus noch fester ins Herz: Von Geburt an bis Dezember 2012 war sie für alle „Erich“. Sie wollte aber „immer schon als Frau leben“. Groß war die Angst, wie das Umfeld reagieren würde. „Im neunerhaus haben mich aber alle so sehr unterstützt“, strahlt sie heute. „Ich weiß, dass das leider keine Selbstverständlichkeit ist.“ Nicht nur Michelle Gerstls Leben hat sich durch das neunerhaus verändert. 1999 im 9. Bezirk in Wien gegründet, begleitet das neunerhaus seit 15 Jahren hunderte Menschen auf dem Weg aus der Obdachlosigkeit. Geschäftsführer Markus Reiter erinnert sich an die Anfangszeit: „Am 1. Jänner 2001 hatten wir 2.000 Euro am Vereinskonto. Schritt für Schritt haben wir, trotz anhaltender Geldnot, das erste neunerhaus aufgebaut: ‚unsere‘ Hagenmüllergasse. Wir hätten uns nicht träumen lassen, was daraus alles werden würde.“ Individuelle Hilfe in drei Häusern, der medizinischen Versorgung und im Erfolgsprojekt Housing First. „Obdachlose Menschen sind nicht Menschen zwei-

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AUF EINEN BLICK

Herbst 1999 neunerhaus – der Verein ist gegründet, unsere Ideen werden Wirklichkeit! Unter den Gründungsmitgliedern: Geschäftsführer Markus Reiter

Zukunft. Wohin es in den nächsten Jahren geht? Dafür hat Elisabeth Hammer, fachliche Leiterin der neunerhaus Angebote, schon viele Ideen. „Wir wollen rein ins Wohnen, raus aus den Heimen – weg von der Verwaltung von Wohnungslosigkeit hinein ins gewöhnliche Wohnen: ohne Stigmatisierung, mit Unterstützung“, sagt sie. Das Ziel sei ein inklusiver Sozialstaat, der nicht durch seine Hilfsangebote Menschen in starre Systeme zuweise und dort verwalte, sondern sie dabei unterstützt, wieder in der Mitte der Gesellschaft anzudocken. Damit gehe das neunerhaus zwar schon wieder einen neuen Weg, sagt Hammer. „Aber“, fügt Reiter zwinkernd hinzu, „das sind wir ja schon gewöhnt. Und: Genau dafür sind wir da.“

Jänner 2001

August 2003 Auszeichnung der Stadt Wien gegen­ über dem Europarat als eines ihrer innovativsten und erfolgreichsten Projekte zur Armutsbekämpfung Februar 2004 Unterschriftenaktion: Wir fordern ein Sozialticket für die Wiener Öffis! August 2004 Erstmals Verleihung des Spendengütesiegels

ter Klasse“, sagt Reiter. „Aber es gibt das Bild, dass sie gerade einmal Suppe und ein Bett für eine Nacht benötigen. Doch gerade in so schwierigen Lebensphasen benötigen wir ein fixes Zuhause, eine gute Gesundheit und Vertrauen anderer umso mehr. Um Kraft zu sammeln, wieder nach vorne schauen und den Alltag wieder anzupacken“, erklärt Reiter. „Daher setzen wir seit 15 Jahren erfolgreich auf Kommunikation auf Augenhöhe, Empowerment und orientieren die Betreuung an den individuellen Bedürfnissen“, sagt er. Und hinter jedem Angebot stecke deswegen eine Idee, die den Sozialstaat weiterentwickeln will.

November 1998 Sozialpolitisch engagierte Bürge­ rInnen des neunten Wiener Bezirks gründen mit obdachlosen Menschen eine BürgerInneninitiative

September 2005

Erstbezug neunerhaus Hagen­ müllergasse. Bis Mai sind über 60 BewohnerInnen eingezogen, drei ehrenamtliche MitarbeiterInnen arbeiten etwa einmal in der Woche im Haus. Im Juni 2002 findet die offizielle Eröffnung mit einem Grätzlfest statt.

März 2006 Start Team neunerhausarzt Februar 2007

Eröffnung neunerhaus Billrothstraße Dezember 2007 Eröffnung neunerhaus Kudlichgasse Team neunerhausarzt gewinnt den Gesundheitspreis der Stadt Wien März 2009

„Haare ab, Herr Sozialminister“ Sozialminister Dr. Erwin Buchinger lässt sich gegen eine Spende von 12.500 Euro für das neunerhaus Haare und Bart abschneiden. September 2010 Eröffnung neunerhaus Tierärztliche Versorgungsstelle

Eröffnung neunerhaus Zahnarztpraxis 2013 Start neunerhaus Arztpraxis September 2014 Dachgleiche Neubau neunerhaus Hagenmüllergasse

August 2012 Startschuss Pilotprojekt „Housing First“: ein international erfolgreicher Ansatz, den das neunerhaus nach Wien gebracht hat. Damit wird eine Reform der Wohnungslosenhilfe eingeläutet: Wir unterstützen beim direkten Wiedereinstieg ins Wohnen in den eigenen vier Wänden!

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MEINE NEUE WOHNUNG

DIE KLEINIGKEITEN MACHEN ES AUS Gerhard H. war zehn Jahre lang obdachlos. Seit kurzem wohnt er wieder in einer Gemeindewohnung in Wien-Meidling. Text: EVA WINROITHER, DIE PRESSE / Foto: CHRISTOPH LIEBENTRITT

Manch traurige Geschichte endet mitten im Gemeindebau. Kurz gemähter Rasen, Frauen, die mit Kinderwägen umherfahren, nur wenige Minuten von der U-Bahn-Station Tscherttegasse entfernt. Eine Reihenhaus-Idylle. Für Gerhard H. ist es das Paradies. Zehn Jahre ist es her, seit sein Leben aus dem Lot geraten ist. Und zwar gewaltig. Ein „Blödsinn“ in der Arbeit war der Auslöser. Gerhard wollte sich innerhalb seines Jobs verändern, bekam aber die angestrebte Position nicht. Da blieb er aus Protest längere Zeit zu

Hause und wurde deswegen gekündigt. Danach arbeitete er eine Zeitlang im Lokal seiner Frau. Lösung sei das auch keine gewesen. Am Ende standen die Trennung und der Verlust der Wohnung. Gerhard ist knapp über 40 Jahre alt, als er auf der Straße landet. Danach legt er eine typische „Obdachlosenkarriere“ hin. Notschlafstellen, betreutes Wohnen, kurzes Unterschlüpfen bei Freunden, so geht es jahrelang dahin. Schließlich bekommt er eine Unterkunft in einem Obdachlosenheim. „Massentierhaltung“, nennt er

Blickt wieder positiv in die Zukunft: Gerhard H. hat sich mit neunerhausHilfe von der Straße in die eigene Wohnung zurückgearbeitet.

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das Leben in diesem Heim rückblickend. Privatsphäre null, jeder weiß, was der andere tut. Es gibt kaum Unterstützung. Wenige SozialarbeiterInnen betreuen über 100 Menschen. Einen Tritt in den Hintern habe er damals gebraucht und eine Anleitung, wie Dinge zu erledigen sind: AMS-Geld anfordern, Ansuchen um eine Gemeindebauwohnung, das Schuldenregulierungsverfahren. Blick nach vorne. Schließlich wird ihm über die Stadt Wien ein Platz im neunerhaus Billrothstraße zugeteilt. „Schon der Einzug war ganz herzlich“, erzählt er. Als er den Schlüssel zu seinem kleinen Apartment erhält, ist das Bett schon bezogen und auf dem Polster liegen zwei kleine Stücke Schokolade. Gerhard hat zum ersten Mal das Gefühl, willkommen zu sein. „Es sind Kleinigkeiten, aber die machen es aus. Das gibt einem das Gefühl, jetzt geht es weiter“, sagt er heute. Es folgen keine einfachen Monate, aber gute. Weil Gerhard im neunerhaus auch an seinem Leben arbeiten muss. Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Sozialarbeiterin im neunerhaus. „Sie war dahinter, dass ich Dinge erledige und hat mir auch gesagt, wie das geht. Das hat mir im anderen Heim gefehlt.“ Das Übergangswohnen im neunerhaus Billrothstraße bietet Platz für 44 Personen, sie können schon länger oder erst seit kurzem von Obdachlosigkeit betroffen sein. Alle sollen hier die Möglichkeit bekommen, ihr Leben neu zu ordnen. Mit eigenem Apartment,


KURZBERICHTE Die Wohnung ist liebevoll eingerichtet: Nichts erinnert an die Jahre auf der Straße.

Dusche, Kochnische und einer Tür, die man zusperren kann. Stück um Stück arbeitet sich auch Gerhard hier wieder in sein Leben zurück. „In der Billrothstraße habe ich in vier Monaten geschafft, was ich in sechs Jahren davor nicht geschafft habe.“ Das Zuhause einrichten. Anfang Mai 2014 gibt die Stadt Wien Gerhard eine Gemeindewohnung. Glücklicher könnte der Über-50-Jährige nicht sein. Es sei „einfach herrlich“, wieder ein eigenes Heim zu haben. Er klingt noch immer gerührt. Seine eigenen vier Wände hat er, obwohl er nach wie vor von der Mindestsicherung lebt, liebevoll eingerichtet. Die helle Holzgarderobe hat er von Bekannten geschenkt bekommen. Die Küche und große Teile des Wohnzimmers hat er sich über die

Plattform „Willhaben“ günstig besorgt. An der Wand hängt ein Bild von New York, im Regal steht eine ArchäologieBuchserie. Nichts erinnert an die Jahre auf der Straße. Gerhard serviert Kaffee und Kuchen. Und erzählt, wie er in Zukunft sein

Heim noch schöner einrichten wird. Derzeit sucht er einen Job. Die Betreuung durch das neunerhaus ist mit seinem Umzug abgeschlossen. Er kann jetzt wieder auf eigenen Füßen stehen. In seiner kleinen Wohnung mitten im Gemeindebau.

OHNE NEUNERHAUS WÄRE ICH NICHT DA

Frau Fidler trank früher bis zu zwei Flaschen Wodka am Tag. Jetzt fängt sie noch einmal von vorne an. Der Alkohol hatte ihren Körper aufgeschwemmt. Ihr nichts gelassen, was früher einmal war. Den Job, die FreundInnen, eine gute Beziehung zu ihren Kindern. Sie hatte stattdes­ sen einen Lebensgefährten, der ebenfalls soff und dem öfter die Hand ausrutschte. Zum Frühstück trank sie einen Viertelliter Wodka, insgesamt waren es etwa zwei Fla­ schen am Tag. Sie war auf der Flucht. Vor den plötzlichen Todesfällen ihrer Mutter, Großtante und Großmutter, ihren Schulden und den chronischen Schmerzen, die sie seit dem Unfall mit gebrochener Wirbelsäule hatte. Frau Fidler hatte keine Kraft mehr, sich ihrem Leben zu stellen. Schon gar nicht der Delogierung, die ihr bevorstand. „Ich musste wohl einmal ganz unten sein, um wieder aufstehen zu können“, sagt die 48-Jährige rückblickend. Heute lebt sie in ihrer neu bezogenen Genossenschafts­ wohnung im 23. Bezirk. Sie hat den Frühstückstisch gedeckt, ihre Hündin streicht um ihre Füße. Seit einem Jahr wird Frau Fidler als Klientin im neunerhaus Pilotprojekt „Housing First“ betreut. Obdachlose Menschen können hier anstatt in ein Wohnheim gleich in eine eigene Mietwohnung ziehen und werden von SozialarbeiterInnen begleitet. Für Frau Fidler sind die Treffen mit der Sozialarbeite­ rin ein wichtiger Fixpunkt. Durch sie lernte sie, über ihre

Probleme zu reden. Aufzuarbeiten gibt es viel. Schon seit gut einem Jahr ist Frau Fidler trocken. Nachdem sie delo­ giert wurde, haben ihr Sohn und die Ex-Schwiegermutter sie ins Spital und später in eine Entzugsklinik gebracht. Von dort kommt sie vor einem Jahr über eine Sozial­ arbeiterin zum neunerhaus. Stück für Stück ordnet sie in dieser Zeit mit Unterstützung durch Sozialarbeit ihr Leben neu. Papiere, Schulden, Notstandshilfe. Fidler hat durch die Delogierung alles verloren. Manchmal liegt sie noch heute heulend in der Nacht da: „Ich bin 48 Jahre alt und fange komplett von vorne an“, sagt sie. Dem neunerhaus ist sie dankbar, weil „es dir eine zwei­ te Chance gibt. Eine, die Hand und Fuß hat“. Die Wohnung, die sie im Frühjahr bezogen hat, ist für sie ein „Traum“. Am meisten freut sie sich über die Ruhe. Außerdem bietet die Wohnung Platz für ihre 13-jährige Tochter, mit der sie wie­ der ihr Leben teilt. Fidler läuft jetzt nicht mehr davon, sie hat wieder Kraft. Sie kümmert sich um andere, ihre Kinder sind ihr wichtig, zu ihren NachbarInnen hat sie eine gute Beziehung. Kaum ein Jahr ist seit ihrem Entzug vergangen. „Ohne neunerhaus“, sagt sie, „wäre ich nicht da.“

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KURZBERICHTE

STARKE LACH­ MUSKELN FÜR DEN GUTEN ZWECK Susanne Pöchaker (ORF – „Was gibt es Neues?“) und das TAG (Theater an der Gumpendorfer Straße) luden am 13. November 2014 zur Galanacht des Kaba­ retts. Mit Witz und Charme führte Initiatorin Susanne Pöchacker im ausverkauften TAG durch einen einzigartigen Abend. Polly Adler, Gerald Fleischhacker, Herr Hermes, Bernhard Ludwig, Thomas Maurer, Gebrüder Moped, Joesi Proko­ petz, Christof Spörk und Andreas Steppan begeisterten das Publikum – die Lachmuskeln wurden für den guten Zweck kräftig trainiert. Der Kartenerlös des Abends kam dem neunerhaus zugute. Danke! An Susanne Pöchacker, die KünstlerInnen, Ferdinand Urbach, das TAG-Team sowie an alle Beteiligten, die diesen Abend ermöglicht haben.

KÜNSTLERISCH GUTES TUN 15 Jahre neunerhaus bedeuten 14 Jahre Kunstauktion: Anfang November fand die bereits 14. neunerhaus Kunstauktion im MAK statt. Durch den Abend führten Moderatorin Susanne Pöchacker und Auktionator Michael Kovacek vom Auktionshaus „im Kinsky“. 170 Kunstwerke namhafter KünstlerInnen wurden für die Auktion gespendet, der Erlös kommt dem neunerhaus zugute. „Die Kunstauktion ist ein wichtiges finanzielles Standbein für uns“, sagt neunerhaus Geschäftsführer Markus Reiter: „Jahr für Jahr leisten hier KünstlerInnen, SammlerInnen und Kunstinteressierte einen unverzichtbaren Beitrag für obdachlose Menschen.“ Nutzen Sie die Gelegenheit, im Nachverkauf Bilder zum Rufpreis zu erstehen! www.neunerhaus.at/nachverkauf

WENN ZÄHNE HERZENSSACHE SIND

SPENDEN STATT GESCHENKE Eine ganz besondere Möglichkeit, zu Weihnachten „Danke“ zu sagen: Verzichten Sie auf teure Weihnachtsgeschenke für KundInnen oder LieferantInnen und spenden Sie den Betrag für ein soziales Miteinander – für den guten Zweck. Unterstützen Sie damit die vielfältige Arbeit für obdach- und wohnungslose Menschen in Wien. Das neunerhaus Dankeschön an Sie: Das „Spenden-statt-Schenken“ Logo für Ihre Website, Ihre Weihnachtskarten und vieles mehr. Setzen Sie mit Ihrem sozialen Engagement ein wichtiges und positives Signal. Innerhalb und außerhalb Ihres Unternehmens. www.neunerhaus.at/spenden

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170 Kunstwerke namhafter KünstlerInnen wurden bei der 14. neunerhaus Kunstauktion für den guten Zweck gespendet.

Spielte im ausverkauften Wiener Stadtsaal für das neunerhaus: Kabarettist Klaus Eckel.

Am 9.9. spielte Klaus Eckel im Stadtsaal in Wien für das neunerhaus aus seinem aktuellen Programm „Weltwundern“. Dem erfolgreichen Kabarettisten ist insbesondere die zahnmedizinische Versorgung für obdachlose Menschen durch das neunerhaus ein Herzensanliegen: „Die neunerhaus ZahnärztInnen geben obdachlosen Menschen ihr Lächeln zurück. Gerade als Kabarettist weiß ich, wie wichtig ein Lächeln und Lachen sind.“

DER GUTE PUNSCH Auch heuer betreiben engagierte StudentInnen des technischen Vertriebsmanagements an der FH bfi Wien einen Punschstand. Einen Tag lang Punschen gegen die Obdachlosigkeit: Die StudentInnen freuen sich über Ihr zahlreiches Erscheinen und viele Spenden für das neunerhaus. Samstag, 20. Dezember 2014 ab 10:00 Uhr 1070 Wien, Mariahilfer Straße 110 (Apotheke zur Kaiserkrone)


KURZBERICHTE

Dr.in Herta Bayer ist eine von zehn neunerhaus ÄrztInnen, die in 16 Ordinationen in Wien für obdachlose Menschen da sind.

VERTRAUEN ALS WICHTIGSTES MEDIKAMENT Lange Jahre auf der Straße hatten tiefe Spuren in der Gesundheit von F. (61) hinterlassen. Trotzdem wollte er nicht zum Arzt. Es dauerte ein Jahr, bis ihn eine Sozialarbeiterin überzeugt hatte, dass es ihm dann besser gehen würde. „Als er das erste Mal in meiner Ordination war, hatte er zahlreiche gesundheitliche Probleme“, erinnert sich Dr.in Herta Bayer. „Doch ich musste ihm versprechen, dass ich mich ausschließlich um seine offenen Wunden an den Beinen kümmern würde.“ Bayer ist eine von zehn neunerhaus ÄrztInnen, die in 16 Ordinationen in ganz Wien für obdachlose Menschen vor Ort in den Einrichtungen tätig sind. Von Termin zu Termin ist der Vertrauensaufbau das Wichtigste. Denn viele behalten ihre Atemnot, ihre Wunden und Schmerzen jahrelang für sich. „Daher ist Zuhören und Einfach-daSein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit, damit unsere PatientInnen ihre Krankheiten in den Griff bekommen“, erklärt Bayer. So auch bei F. Zu Behandlungsstart litt er bereits jahrelang an Alkoholsucht. „In der Ordination war er oft derart betrunken, dass eine Kontaktaufnahme kaum möglich war“, erinnert sich die neunerhaus Ärztin. Nach einigen Wochen, als die Wunden an den Beinen abgeheilt waren und F. sich etwas besser fühlte, war er aber bereit, auch Blutdruck und Blutzucker messen zu lassen. Beide Werte waren deutlich erhöht, und Bayer erklärte ihm immer wieder die Zusammenhänge mit seinem Allgemeinbefinden. Mit der Zeit kam er regelmäßig zu ihr. „Manchmal auch nur, um zu sehen, wie es mir geht“, sagt Bayer. Allmählich war F. bereit, Medikamente einzunehmen und mit den messbaren Veränderungen sehr zufrieden. „F. kam zunehmend nüchtern zu mir“, erzählt die Allgemeinmedizinerin. Nach einigen Monaten, der Blutdruck und Blutzucker waren gut eingestellt, äußerte F. den Wunsch, mit dem Alkohol aufzuhören. Er schaffte das, erzählt Bayer stolz: „Mittlerweile ist er seit über drei Jahren trocken.“

WERTVOLLER PUZZLESTEIN Wie muss eine Wohnung ausgestattet, wie hoch darf der Mietzins sein? Fragen wie diese können die ExpertInnen der Mietervereinigung Wien beantworten. Erstmalig in der Wiener Wohnungslosenhilfe beraten sie nun kostenfrei und einmal im Monat neunerhaus BewohnerInnen. „Das sehen wir als unseren sozialen Auftrag“, sagt Geschäftsführerin Elke Hanel-Torsch. Für Markus Reiter vom neunerhaus „ein wertvoller Puzzlestein beim Em­ powerment auf dem Sprung in die Eigenständigkeit“.

DIE ERSTE GEIGE Musikalisch hohes Niveau für den guten Zweck: Das ist das Motto der „Sinfonia Academica“, einem engagierten Sym­ phonieorchester mit Klosterneuburger Wurzeln. Aus einer kleinen Runde musikalischer ÄrztInnen ist in wenigen Jahren ein 50-köpfiges Symphonie­ orchester entstanden, das sich mit Begeisterung der Klassik von Beetho­ ven über Schubert bis Mendelssohn widmet. Der Benefiz-Gedanke spielt dabei die erste Geige: „Wir nutzen jede Gelegenheit, mit unserer Musik auch einem guten Zweck dienen zu können.“ So auch kommenden März, wenn für das neunerhaus aufgegeigt wird: Beim Benefizkonzert im Mozartsaal des Wiener Konzerthauses. Dann wird das Symphonieor­ chester zugunsten der medizinischen neunerhaus Ange­ bote spielen. Sichern Sie sich Ihre Karten: Alle Informati­ onen finden Sie unter www.neunerhaus.at sowie in der Beilage dieser neunernews. Mittwoch, 18. März 2015, 19:30 Uhr Benefizkonzert für das neunerhaus Sinfonia Academica, Wiener Konzerthaus www.konzerthaus.at

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KURZBERICHTE

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IM RAMPENLICHT

SO KÖNNEN WIR MEHR BEWIRKEN Ehrenamt ist ein zentrales Standbein für das neunerhaus. Auch die neunernews werden kostenfrei von AutorInnen, FotografInnen und der Wiener Agentur Schrägstrich unterstützt. Text: FLORA EDER / Foto: JOHANNA RAUCH Suppe kochen, alte Kleidung zusammenlegen, Schlafsäcke verteilen – ehrenamtliche Arbeit ist jedoch vielfältiger als wichtige Tätigkeiten wie diese, an die man im ersten Moment denkt. Tag für Tag beweisen das engagierte Menschen und Unternehmen, die das neunerhaus auf unterschiedliche Art in ihrer Profession unterstützen: von der Zahnmedizin über Malerei, Moderation, Kabarett, IT oder Werbung und Grafik. Auch die neunernews, die Sie in Händen halten, wurde tatkräftig mit ehrenamtlichen Leistungen unterstützt. Kreativität. „Als Gestalterin ist es doppelt toll, mit der eigenen Arbeit eine soziale Organisation wie das neunerhaus unterstützen zu können – weil das eigentlich kein helfender Beruf ist“, sagt Margit Dechat, Grafikdesignerin bei der jungen Wiener Agentur Schrägstrich. Zwei Mal im Jahr gestaltet sie die neunernews und ist für das Layout verantwortlich. „Wir betreuen unterschiedliche Kunden und haben auch sehr große Projekte. Da hat dieser ehrenamtliche Auftrag eine wichtige zusätzliche Funktion: Kleinere Projekte wie dieses machen den Kopf frei. Man stellt sich auf ein neues Thema ein, lernt etwas dazu – bleibt kreativ. Davon zehren wir dann wiederum bei Großprojekten“, erklärt sie. Das mittlerweile vierköpfige Schrägstrich-Team begleitet das neunerhaus bereits seit 2007. Begonnen hat alles mit einer Broschüre über das neunerhaus Kudlichgasse, erinnert sich Schrägstrich Geschäftsführer Markus Zahradnik. „Die Zusammenarbeit war von Beginn

an harmonisch, es hat einfach gepasst. Und so ist mittlerweile eine jahrelange Kooperation entstanden“, sagt er. Den Begriff „CSR“, also Corporate Social Responsability, würde er dafür nicht verwenden. „Ich setze schlicht das fort, was viele von uns auch privat machen: soziale Initiativen unterstützen. Ich habe aber festgestellt, dass das in meinem Unternehmen mit Arbeitsleistungen und Know-how nachhaltiger wirkt als mit einer einmaligen Spende: So können wir mehr bewirken“, sagt er. Inspiration. Mit dem Rückgriff auf den Bauhaus-Stil steht die inhaltliche Aussage der Texte bei den SchrägstrichLayouts im Vordergrund. „Kurz gesagt: Form follows function“, erklärt Zahradnik. „Mit dem Layout wollen wir die Geschichte der Artikel ein zweites Mal erzählen“, sagt Dechat. Zusätzlicher Effekt: Seit der Unterstützung für das neunerhaus sei ihr Blick für soziale

Themen geschärft worden. Was die Wohnungslosenhilfe mache, habe auch er davor nicht im Detail gewusst, sagt Zahradnik: „Hilfe für obdachlose Menschen war für mich ein Bett für eine Nacht – von langfristiger und nachhaltiger Hilfe wusste ich de facto nichts. Es freut mich, gerade diese sonst weniger sichtbare Unterstützung mit der neunernews sichtbar zu machen.“

Persönlich aktiv werden Neugierig geworden? Möchten auch Sie sich persönlich für das neuner­ haus engagieren? Wir freuen uns auf Unterstützung von A bis Z, von ArchitektIn über Gra­ fikerIn, PraktikantIn bis zu ZahnärztIn. Alle Informationen finden Sie auf unserer Website! www.neunerhaus.at/aktiv

Mehr über Schrägstrich gibt‘s hier: www.schraegstrich.com

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DAS BIN ICH

23 QUADRATMETER GLÜCK Text: SANDRA WOBRAZEK, NEWS / Foto: JOHANNA RAUCH

Der 18. Jänner 2006, ein Datum, das sich bei Ilse F. für immer eingebrannt hat: Minus 16 Grad Celsius zeigte das Thermometer damals, für die Wienerin war es ein eiskalter Schicksalstag.

gut: Ilse F. zog aus, wohnte tageweise bei Bekannten, zog von Wohnung zu Wohnung, von Couch zu Couch. Mit Gelegenheitsjobs verdiente die ehemalige Gastgewerbe-Mitarbeiterin zumindest so

» ALLEIN KONNTE ICH DIE MIETE NICHT MEHR ZAHLEN. « Ilse F., 58 Jahre, Bewohnerin des neunerhaus Kudlichgasse Denn an jenem 18. Jänner wurde sie delogiert, in der Hand nichts als zwei Plastiksäcke – ihr ganzes Hab und Gut. „Ich wollte“, erinnert sich die 58-Jährige, „an diesem Tag nicht mehr leben. Nach 30 Jahren Ehe hat sich mein Mann von mir getrennt. Er hatte eine Freundin, die zwei Jahre jünger ist als unsere Tochter.“ Nachdem er ausgezogen war, konnte Ilse F. die Miete von 370 Euro allein nicht aufbringen. „Aber da ich keinen Unterhalt von ihm wollte, wurden die Mietrückstände immer größer – und plötzlich bin ich auf der Straße gestanden.“ Neuen Lebensmut spendete ihr die Liebe zum Wiener Fußballverein Rapid, dessen Fan sie seit dem siebten Lebensjahr ist. „Freunde aus dem Fanclub haben mir immer wieder ein bisschen Geld zugesteckt, damit ich mir etwas zu essen kaufen konnte. Sie haben mir die Kraft zum Weitermachen gegeben.“ Anfangs wohnte die zweifache Mutter bei einer ihrer Töchter und deren Mann. Doch das Zusammenleben zu dritt in der kleinen Wohnung ging nicht

viel Geld, um nicht hungern zu müssen. Um sich aufzuwärmen saß sie stundenlang in einem Casino im Wiener Prater, sah anderen Menschen beim Verlieren und Gewinnen zu – und träumte von einem besseren, einem normalen Leben, mit eigener kleiner Wohnung. Als es wärmer wurde, übernachtete sie auf der Straße, schlief an der Alten Donau, zog stundenlang durch die Straßen. „Angst habe ich eigentlich nie gehabt, wenn ich auf der Straße unterwegs war und dort geschlafen habe. Ich bin 14 Jahre lang Taxifahrerin gewesen und habe immer nachts gearbeitet – da kennt man keine Angst“, erzählt Ilse F. Tageweise fand sie wieder Arbeit im böhmischen Prater. Ihr Chef erlaubte ihr, in einem Toilettencontainer am Parkplatz der Firma zu „wohnen“: „So hatte ich zumindest wieder ein Dach über dem Kopf. Es war in dieser Situation besser als nichts.“ Sechs Monate verbrachte Ilse F. in dem Container. Nicht einmal eine kleine Kochplatte hatte sie. Doch so wollte sie nicht weiter machen. Ilse F. nahm

Hilfe an und lebte sieben Jahre lang in einem Zimmer in einem Übergangswohnheim. Vergangenen April wurde ihr eine Wohnung im neunerhaus Kudlichgasse vermittelt – und damit auch ein neues Leben. Jetzt hat sie ein kleines Apartment mit Kochnische und Bad. 23 Quadratmeter Glück, ein Neuanfang. „Am schönsten ist, dass ich hier wieder ein selbstbestimmtes Leben führen kann“, sagt die neunerhaus-Bewohnerin. Und sie erinnert sich an jenen Spruch ihrer Mutter, der ihr in der bislang schwersten Zeit ihres Lebens Kraft gegeben hat: „Wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.“

IHRE SPENDE VERÄNDERT LEBEN! Obdach- oder wohnungslos zu sein bedeutet, gezeichnet am Rande der Gesellschaft zu leben. Nicht nur ein schützendes Dach fehlt, sondern auch medizinische Versorgung. Mit Ihrer Spende mittels beiliegendem Zahlschein oder online helfen Sie uns, obdachlosen Menschen ein Dach über dem Kopf und dringend notwendige medizinische Betreuung zu geben. Vielen Dank! www.neunerhaus.at


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