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„Eine ganz besondere Behandlung erfahren unter den städtischen Wohngebäuden die Eckhäuser.“ Hans Issel in: Die Wohnungs-Baukunde, 1910
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Bücher zur Stadtbaukunst 2
Georg Ebbing · Christoph Mäckler (Hg.)
Der Eckgrundriss
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Bücher zur Stadtbaukunst Herausgeber Christoph Mäckler · Wolfgang Sonne [Deutsches Institut für Stadtbaukunst] Band 2 Der Eckgrundriss Herausgeber Georg Ebbing · Christoph Mäckler Zeichnungen Paul Dominik Bednorz, Monika Krawczyk, Manuel Müller Redaktion Christine Kämmerer Grafische Gestaltung Miriam Bussmann, Berlin Lektorat Kerstin Forster Lithografie Licht & Tiefe, Berlin Druck und Bindearbeit freiburger graphische betriebe
© 2013 by Niggli Verlag, Sulgen, www.niggli.ch, sowie den Herausgebern ISBN 978-3-7212-0824-5
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
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Weglassen!
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Christoph Mäckler · Wolfgang Sonne
Christoph Mäckler
Zu einigen Merkmalen des Eckgrundrisses bei Wohnhäusern
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Quellentexte – eine Auswahl
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Zum Gebrauch
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Georg Ebbing
Zu Anlass, Auswahl, Ordnung und Darstellung der Grundrisse Georg Ebbing
Eckgrundrisse Die rechtwinklige Ecke Die Treppe an der Brandwand Die Treppe in der Diagonalen Die Treppe neben der Diagonalen
52 58 74
Die spitzwinklige Ecke Die Treppe an der Brandwand Die Treppe in der Diagonalen Die Treppe neben der Diagonalen
80 88 128
Die stumpfwinklige Ecke Die Treppe an der Brandwand Die Treppe in der Diagonalen Die Treppe neben der Diagonalen
142 152 170
Literatur Bildnachweis Index
195 196 197
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Vorwort
Mit den Büchern zur Stadtbaukunst legt das Deutsche Institut für Stadtbaukunst eine Publikationsreihe vor, in der grundlegende Materialien zur Architektur der Stadt veröffentlicht werden. Dies sind zum einen Texte, die sich mit der Geschichte, Theorie und Praxis der Stadtbaukunst auseinander setzen. Nicht selten sind es Klassiker des Faches, die heute eine besondere Aufmerksamkeit verdienen. Manchmal sind es aber auch weniger bekannte Texte, die von der Geschichtsschreibung vergessen wurden, die aber gerade für aktuelle Herausforderungen prägnante Ansichten präsentieren. Dies sind zum anderen Entwurfserfahrungen, die bei der Arbeit an grundlegenden städtebaulichen Problemen gewonnen wurden und vom Deutschen Institut für Stadtbaukunst in Form von Mustersammlungen präsentiert werden. Auch hier sollen erprobte und erfolgreiche Lösungen die heutige Städtebaupraxis bereichern und verbessern. Am Beispiel des Eckgrundrisses zeigt sich die unauflösliche Verbindung von Städtebau und Architektur: Entstanden aus dem architektonischen Problem, auch an den Ecken des städtischen Blocks nutzbare Räume anzuordnen, haben Architekten über Jahrhunderte vielfältigste Formen entwickelt, um eben diesen Räumen eine zusätzliche Qualität zu geben. Eckhäuser mit guten Eckgrundrissen bilden heute einen Dreh- und Angelpunkt für guten Städtebau, hat doch der Funktionalismus im 20. Jahrhundert den Eckhäusern in doppelter Weise zugesetzt. Zum einen wurden sie von innen heraus aus hygienischen Gründen wegrationalisiert: Offene Ecken wie bei Berlage sollten die schwer zu belichtenden, zum Blockinneren liegenden Räume vermeiden; der Zeilenbau eines Gropius schaffte die Ecke gar ab – nurmehr blanke Wände wendeten sich zum Straßenraum. Zum anderen wurden sie von außen aus verkehrstechnischen Gründen angefressen: Die flüssige Führung des Autoverkehrs erforderte vermehrt Abbiegespuren, die zu aufgeweiteten Kreuzungsbereichen führten und die Eckbebauung in den Block zurückdrängten. Der Städtebau war damit an seiner empfindlichsten Stelle getroffen: an der Blockecke, die die Kanten des Stadtraums definiert und die Kontinuität der Straßenwände über die Straßeneinmündungen hinweg sichert.
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Wollen wir heute wieder klar gefasste und schöne Stadträume bauen, so müssen wir auch wieder Häuser mit guten Eckgrundrissen entwerfen können. Hierfür legt dieser Band eine Sammlung reichhaltiger Lösungen dieses städtebaulichen Grundproblems vor – erprobte und vorbildliche Lösungen, die für die Zukunft als Anregung und Messlatte zugleich dienen sollen. Dortmund, im September 2012 Christoph Mäckler, Wolfgang Sonne
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E. May: Schema zur Veranschaulichung der Entwicklung des städtischen Wohnblocks (Das neue Frankfurt 1930)
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Weglassen!
Christoph Mäckler
Städtischer Raum lebt vom Verhältnis seiner Geschlossenheit und der dazugehörigen Öffnung – vom Verhältnis der Enge der Straße zur Öffnung des sich anschließenden Platzes. Wird dieses Verhältnis gestört, nimmt man der Raumfolge die bewusst oder unbewusst empfundene Spannung . Da der städtische Raum von Bauwerken gebildet wird, deren Fassaden mit ihrer Höhe, Proportion, vor allem aber auch Materialität dem Raum seinen Charakter geben, kommt der Qualität der Architektur des einzelnen Hauses besondere Bedeutung zu. „Es ist ein Irrtum, dass architektonische Qualitätsarbeit nun auch stets vorteilhaft an jedem Ort erscheinen würde. Das Entscheidende ist, ob sie nach ihrer Einfügung in eine festgelegte Straße, einen bestehenden Platz mit ihrer Umgebung sich zusammenzuschließen vermag, Straße und Platz in ihrer Wirkung steigert und für sich selbst die notwendigen Lebensenergien aus diesem Zusammenschluss ziehen kann“, schreibt Albert Erich Brinckmann schon 1921.1 Dass das Eckhaus seine „Lebensenergien“ aus dem städtischen Raum gewinnt, ist aus der Tatsache zu erkennen, dass dieser Bautypus auf dem Immobilienmarkt noch heute als die wertvollste Gebäudefläche angesehen wird. Die höchsten Mieten werden in Eckwohnungen oder Eckläden erzielt. Und auch in den Belegungsplänen von Büroetagen bleibt das Eckbüro den Führungskräften vorbehalten. Während aber der Eckladen und das Eckbüro im städtischen Raum noch immer präsent sind und sich bei Bauherrn aus den genannten Gründen besonderer Beliebtheit erfreuen, ist die Eckwohnung in der Wohnimmobilie seit mehr als einem halben Jahrhundert kaum mehr anzutreffen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass an Eckgrundstücken funktionale Schwierigkeiten in der Grundrissgestaltung der Häuser auftreten können, weil die Ausrichtung zur Sonne als eines der wichtigsten Kriterien für den Entwurf des Hauses angesehen wird. Die Moderne hat für diesen vermeintlichen Mangel nur eine Antwort gefunden, nämlich das Eckgrundstück nicht zu bebauen und das Eckhaus damit für die Formung des städtischen Raumes aufzugeben. Damit wurde das wichtigste Element der Raumbildung im Städtebau eliminiert. 1889 weist Camillo Sitte noch auf den Zusammenhang der Lage von Straßeneinmündungen und Platz geschlossenheit hin und kritisiert deren Zerstörung durch die „modernen Systeme“, die er in
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seinem viel beachteten Buch Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen anprangert.2 Wenige Jahrzehnte später wird der städtische Raum, der städtische Platzraum – als Versammlungsort der Bürger und öffentliches Gegenstück zum Wohnraum in Jahrhunderten gewachsen und weiterentwickelt – endgültig aufgegeben. Kein Schema zeigt deutlicher als das 1930 von Ernst May in der Zeitschrift Das Neue Frankfurt 3 veröffentlichte, wie die geschlossenen Räume der Stadt, die Straßen- und Hofräume Stück für Stück zum Zeilenbau mutieren und sich in nichts auflösen. Der städtische Raum wird der Ausrichtung des Wohnhauses zur Sonne geopfert. In der Berliner Bauausstellung von 1957 werden die starren Siedlungszeilen, wie sie vor dem Krieg in Frankfurt-Westhausen und anderswo entstanden waren, zu einer „aufgelockerten“ Bebauung mit architektonisch vielfältigen Punkthäusern und gestaffelten Hauszeilen weiterentwickelt. Die „Stadtlandschaft“, ein Begriff, der schon in seiner begrifflichen Zusammensetzung nicht widersprüchlicher sein könnte, war das Schlüsselwort des neuen Städtebaus der Zeit nach 1945. Wenn diese Entwicklung heute auch mit anderen Schlagworten benannt wird, die „aufgelockerten“ Bebauungen haben sich landauf, landab bis auf wenige Ausnahmen in unseren Städten gehalten und werden durch unsere Gesetzgebung festgeschrieben. Der Städtebau, so wie er um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert noch beschrieben und in aller Köpfe war, ein Städtebau, der das Einzelhaus in die Gemeinschaft der Stadt aufnimmt und es nicht als Solitär zum Kunstobjekt verkommen lässt, ein Städtebau, der die architektonische Gestalt des Straßen- und Platzraumes als Aufgabe begreift, scheint derzeit nur noch im Rückblick auf die Städte vergangener Zeiten vorhanden. Der Städtebau der Moderne hat in seiner einhundertjährigen Geschichte keinen Platz hervorgebracht, der sich auch nur annähernd mit den Qualitäten von Plätzen vergangener Jahrhunderte vergleichen ließe. Und obwohl die Gesellschaft nach solchen Orten verlangt, was sich derzeit beispielsweise in dem Wunsch der Wiedererrichtung alter Stadtteile in Dresden oder Frankfurt ausdrückt, fehlen uns offenbar die Instrumente und das Wissen für ein solches Tun. Sie sind uns im einhundert Jahre andauernden Weglassen während der Moderne abhanden gekommen. Der Straßenraum, der Platzraum und der Hofraum als planungsrelevante Elemente der Stadt und ihre funktionalen und gestalterischen Voraussetzungen sind Planern und Architekten kaum noch zugänglich. Leichter noch lässt sich dieser Mangel am offenbaren Verlust stadträumlich wirksamer Elemente des Hauses nachvollziehen. So ist der Erker einer der wirkungsvollsten Verknüpfer von Straßenraum und Wohnraum. Man tritt geschützt im Inneren des Erkers auf den Platz oder auf die Straße hinaus, um diese zu überblicken und an ihrem Leben teilzunehmen. Ein fantastisches Element, das die Moderne als „unmodern“ aus der Fassade des Hauses und damit aus dem Stadtraum eliminiert hat. Weggelassen hat man auch das Dach als verbindendes Ordnungselement der Aneinanderreihung von Hauskörpern, die sich in der Gemeinsamkeit einer Ordnung zum Straßenraum zusammenfügen. Von besonderer Bedeutung aber ist der Entfall des Eckhauses im Übergang von Straße zu Straße, von Straße zu Platz oder von Platz zu Straße. Als Ordnungselement, das den Schlussstein der Hausreihe am Ende des Straßenraumes und den Auftakt und Beginn des sich anschließenden Raumes bildet, ist es unersetzlich.
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Richtig formuliert stellt das Eckhaus die Spannung im Übergang von einem in den anderen städtischen Raum her – eine Spannung, die sich durch Vortreten aus der Reihe, Verengung oder Überhöhung entfalten kann. Der damit einhergehende Richtungswechsel steigert diese städtebauliche Besonderheit zusätzlich und gibt dem Eckhaus seinen einmaligen Charakter. Als Bauwerk mit zwei Straßenfassaden hat es gleichzeitig zwischen den zwei mit ihm beginnenden Straßenräumen zu vermitteln. Im Inneren aber erhält die Wohnung des Eckhauses durch diese Zweiseitigkeit einen enorm großzügigen und repräsentativen Charakter, was dazu führt, dass dieser Wohnungstyp bis heute der begehrteste auf dem Immobilienmarkt ist. Die Attraktivität wird aber auch durch die Orientierung der Wohnräume und ihren Ausblick in zwei unterschiedliche städtische Räume gefördert; die Wohnung erhält ihre „Lebensenergie“ aus der Stadt. Nicht zu vergessen ist auch die Durchflutung des Eckraumes mit Tageslicht aus unterschiedlichen Himmelsrichtungen. Die Wohnung des Eckhauses scheint auch dann noch begehrt, wenn Schwierigkeiten in der Organisation des Grundrisses auftreten. In der europäischen Stadt gibt es jedoch so viele Beispiele von gelungenen Ecklösungen, dass es sinnvoll erscheint, das Weglassen der Ecke durch intelligente Lösungen, die unseren Ansprüchen an städtisches Wohnen entsprechen, zu ersetzen. Dass in diesem Buch vor allem Beispiele des 19. und frühen 20. Jahrhunderts gezeigt werden, liegt ausschließlich an der der Moderne geschuldeten einhundertjährigen Praxis des Weglassens. Auch wenn die veröffentlichten Beispiele dadurch also nicht in jedem Fall in ihrer Großzügigkeit den markttypischen Erfordernissen entsprechen mögen, so ist die Grundrissstruktur mit der unterschiedlichen Lage der Treppenräume und den jeweiligen Zuordnungen der Wohnräume doch wertvoll und beispielhaft für den Entwurf zeitgemäßer Eckhäuser in der europäischen Stadt.
Fußnoten 1 Albert Erich Brinckmann, Deutsche Stadtbaukunst in der Vergangenheit, Frankfurt am Main 1921, S. 15. 2 Camillo Sitte, Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen, Wien 1889. 3 Die Zeitschrift Das neue Frankfurt. Internationale Monatszeitschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung wurde von 1926 bis 1931 herausgegeben.
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Eckgrundrisse
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Die rechtwinklige Ecke Die Treppe in der Diagonalen
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Bautyp:
Mietwohnanlage
Baujahr:
1898
Ort:
Proskauer Straße, Berlin
Architekt:
Alfred Messel
Geschoss:
4. OG
Wohnungsgrößen:
1. 63 m²
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2. 55 m² 3. 57 m² Maßstab:
1:200
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Bautyp:
Wohnhaus
Baujahr:
1904
Ort:
Rue de Luynes, Paris
Architekt:
Georges Pradelle
Geschoss:
2. – 4. OG
Wohnungsgrößen:
1. 253 m²
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2. 155 m² Maßstab:
1:300
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Bautyp:
Wohnhaus
Baujahr:
1906
Ort:
„Kaiserecke“, Spandauer Damm / Nithackstraße, Berlin
Architekt:
Hermann Meier
Geschoss:
3. / 4. OG
Wohnungsgrößen:
1. 256 m²
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2. 145 m² 3. 180 m² Maßstab:
1:300
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Bautyp:
Wohnhaus
Baujahr:
um 1907
Ort:
Nürnberger Straße, Dresden
Architekten:
Linke & Leukert
Geschoss:
1. OG
Wohnungsgrößen:
1. 119 m²
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2. 151 m² Maßstab:
1:200
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Bismarckstraße / Marie-Lüders-Straße, Berlin 1909, Architekten: Heinz Lassen, Bruno Taut, Arthur Vogdt
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Die spitzwinklige Ecke  Die Treppe an der Brandwand
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Bautyp:
Wohnhaus
Baujahr:
1875
Ort:
Bauernmarkt, Wien
Architekt:
Otto Wagner
Geschoss:
2. / 3. OG
Wohnungsgröße:
115 m²
Maßstab:
1:200
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Bautyp:
Wohnhaus
Baujahr:
1912
Ort:
Square Delambre, Paris
Architekt:
M. Azière
Geschoss:
Normalgeschoss
Wohnungsgrößen:
1. 379 m²
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2. 150 m² Maßstab:
1:300
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Bautyp:
Wohnanlage
Baujahr:
1913
Ort:
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Soorstraße / Haeselerstraße, Berlin
Architekt:
Paul Kolb
Geschoss:
1. – 3. OG
Wohnungsgrößen:
1. 108 m² 2. 145 m²
Maßstab:
1:200
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