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Anthropozentrismus

1. Schwacher ( im Gegensatz zu starkem) Anthropozentrismus

Welch ein Meisterwerk ist der Mensch ! Wie edel durch Vernunft ! Wie unbegrenzt an Fähigkeiten ! In Gestalt und Bewegung wie bedeutend und wunderwürdig ! Im Handeln wie ähnlich einem Engel ! Im Begreifen wie ähnlich einem Gott ! Die Zierde der Welt ! Das Vorbild der Lebendigen!

William Shakespeare, Hamlet, 2. Akt, 2. Szene

Bevor ich auf die grundlegenden Mängel des herrschenden Paradigmas des schwachen Anthropozentrismus eingehen werde – der Hauptursache für tödliche zoonotische Pandemien und die Vernichtung freilebender Arten –, möchte ich zunächst aufzeigen, wieso dieses Paradigma für viele Umweltschützer, Wildtierfarmer, die meisten Regierungen und internationale zwischenstaatliche und nicht staatliche Organisationen wie die Vereinten Nationen, IUCN, CITES und WWF so attraktiv ist.

Wie in der Einführung bereits erwähnt, beruht die Definition des schwach anthropozentrischen Konzepts der « nachhaltigen Entwicklung» auf den Erkenntnissen der Brundtland-Kommission der Vereinten Nationen von 1987. Diese definiert « dauerhafte Entwicklung» in ihrem Bericht als das Bestreben, « menschliche Grundbedürfnisse zu befriedigen, ohne die natürliche Umwelt zu zerstören oder zu beeinträchtigen, so dass künftige Generationen von Menschen ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen können». 1 Unter « natürlicher Umwelt» versteht der Bericht die freilebenden Tier- und Pflanzenarten. Dieses Leitprinzip ist explizit anthropozentrisch, da es die gegenwärtigen und zukünftigen Bedürfnisse der Menschheit in den Mittelpunkt stellt. Die natürliche Umgebung und die freilebenden Arten werden nur deshalb vor der Vernichtung bewahrt, weil sie Nahrung, Wasser, Befriedigung und Kapital zum Wohl des Menschen liefern.

In Anlehnung an dieses anthropozentrische Leitprinzip vertritt die IUCN na-

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hezu dieselbe offizielle Position.2 Die IUCN ist eine Organisation, die sich mit der Sammlung und Analyse globaler Umweltdaten sowie mit Forschung, Feldprojekten, Interessenvertretung und Bildung befasst. Ihre Aufgabe besteht darin, « die Gesellschaften auf der ganzen Welt zu beeinflussen, dazu anzuhalten und dabei zu unterstützen, die Natur zu erhalten und die gerechte und ökologisch nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen sicherzustellen».3 Bezüglich der freilebenden Arten wird im Artenschutzprogramm der IUCN gemeinsam mit der Species Survival Commission ( Kommission zum Überleben der Arten, SSC) erklärt, dass die IUCN « den Kampf zur Rettung der Arten für die Menschen und die Natur» führt.4 Man beachte, dass zuerst die « Menschen» und dann die « Natur» genannt werden und dass die Rettung der Arten gemäss diesem Wortlaut nicht den Arten selbst dienen soll, sondern dem Menschen. Dass die Interessen der freilebenden Arten ignoriert werden, ist ein gravierendes Versäumnis, wie im nächsten Kapitel zu sehen sein wird.

Mit der folgenden Aussage untermauert die IUCN ein anthropozentrisches Modell:

« Arten sind die Bausteine des Lebens, die natürlichen Ressourcen, auf die sich der Mensch jeden Tag verlässt. Sie versorgen uns mit Nahrung, Treibstoff, Kleidung und Medizin. Sie reinigen Wasser und Luft, verhindern Bodenerosion, regulieren das Klima und bestäuben Nutzpflanzen. Sie sind auch eine wichtige Ressource für wirtschaftliche Aktivitäten – wie Tourismus, Fischerei und Forstwirtschaft.»5

Auch hier weist alles auf das zentrale Thema hin: Eine durch die nachhaltige Nutzung der Wildtiere intakte Umwelt bringt einen greifbaren Nutzen für die menschliche Gesundheit und das wirtschaftliche Wohlergehen des Menschen.

Bleiben wir bei den internationalen Organisationen. Das UNEP, bei dem das CITES-Sekretariat angesiedelt ist, folgt ähnlichen anthropozentrischen Richtlinien. Im CITES-Mandat liegt der Fokus auf freilebenden Tier- und Pflanzenarten und nicht auf der Umwelt im Allgemeinen. Gefährdete freilebende Arten sind im CITES-Abkommen entweder als « vom Aussterben bedrohte» Arten definiert oder als Arten, die « zur Zeit noch nicht unbedingt vom Aussterben bedroht sind, die aber aussterben könnten, wenn der Handel nicht streng geregelt wird».6 In Form und Aufbau agiert die CITES-Organisation innerhalb des Vertragssystems der Vereinten Nationen, einem nicht bindenden Übereinkommen zwischen Nationen. Dank ihrer übergreifenden internationalen Stellung fungiert die CITESOrganisation als maßgebliche Fürsprecherin einer global verstandenen Arten-

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schutzpolitik – da sie jedoch den Handel mit gefährdeten Arten regelt, verfolgt sie genauso ein anthropozentrisches Verständnis der nachhaltigen Entwicklung.

Übereinstimmend mit der Auffassung dieser globalen Institutionen wurde das Konzept der nachhaltigen Entwicklung von der südafrikanischen Politik übernommen und in der Bill of Rights der südafrikanischen Verfassung (1996) verankert, die Folgendes besagt:

« Jeder hat das Recht – ( a) auf eine Umwelt, die weder für seine Gesundheit noch für sein Wohlbefinden schädlich ist; und ( b ) auf den Schutz der Umwelt zum Nutzen heutiger und künftiger Generationen durch angemessene gesetzgeberische und andere Massnahmen zur – ( i ) Verhinderung von Umweltverschmutzung und ökologischer Verschlechterung; (ii) Förderung des Artenschutzes und ( iii) Sicherstellung einer ökologisch nachhaltigen Entwicklung und Nutzung der natürlichen Ressourcen bei gleichzeitiger Förderung einer vertretbaren wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung.»7

Auch hier handelt es sich um einen anthropozentrischen Text, demzufolge die Umwelt für die menschliche Gesundheit und das menschliche Wohlbefinden nicht schädlich sein darf; die Umwelt für gegenwärtige und zukünftige menschliche Generationen geschützt wird und angestrebt wird, eine ökologisch nachhaltige Entwicklung und Nutzung der natürlichen Ressourcen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Menschen sicherzustellen.

Es ist ohne jeglichen Zweifel ersichtlich, dass die internationale und nationale Gesetzgebung einen anthropozentrischen Ansatz zur nachhaltigen Entwicklung begünstigt. Der Schutz freilebender Arten ist lediglich ein Mittel zur Erhaltung und Sicherung menschlichen Nutzens und daher ein rein instrumentell ( im Gegensatz zu intrinsisch ) bewertetes Konstrukt.

Der Anthropozentrismus interessiert sich nicht für das Überleben freilebender Arten um ihrer selbst willen, sondern er will die Arten erhalten, um menschliche Bedürfnisse unter Verwendung einfacher ökonomischer Modelle zu befriedigen, die auf einem Nutzwert oder kommerziellen Wert beruhen. Das einfachste Modell in der Ökonomie ist die Kosten-Nutzen-Analyse. Sie wird auf der Grundlage von Kosten- und Nutzenberechnungen durchgeführt, die ausschließlich den Nutzen für den Menschen berücksichtigen. Bei einer Kosten-NutzenAnalyse wird davon ausgegangen, dass Wildtiere einen Wert besitzen – allerdings speziell einen kommerziellen Wert, wenn sie gehandelt oder genutzt werden, um die menschliche Existenz materiell angenehmer zu gestalten.

Eine Kosten-Nutzen-Analyse gibt sich nicht mit nebulösen und komplexen

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Konzepten wie intrinsischem Wert, Tierrechten oder moralischer Berücksichtigung von Wildtieren ab. Sie ist so schlicht, dass jede ethische Betrachtung des Schutzes von Wildtieren außen vor bleibt. Gleichwohl gesteht man ihr bis heute zu, durch eine grundlegende wirtschaftliche Bewertung von Wildtieren den Artenschutz sicherstellen zu können. Sie ist ein zugängliches und verständliches Konstrukt, das sich zudem leicht in die Praxis umsetzen lässt, insbesondere für Regierungen. Im Wesentlichen muss eine Regierung nur die wirtschaftlichen Kosten gegen den Nutzen des Schutzes von Wildtieren abwägen und die entsprechenden Maßnahmen daraus ableiten.

Ein konkretes Beispiel ist die Kosten-Nutzen-Abwägung bei der Erhaltung der Afrikanischen Elefanten. Das Beispiel ist auf zahlreiche Regionen Afrikas anwendbar, in denen die Elefanten frei umherstreifen. Der Bestand der afrikanischen Elefantenpopulationen ist in den letzten zehn Jahren um etwa ein Drittel gesunken.8 Es ist dringend nötig, sie vor dem Aussterben zu bewahren. Doch Elefanten vertragen sich nicht gut mit Menschen. Sie benötigen viel Platz und reichlich Nahrung. Da die menschliche Bevölkerung immer tiefer in die noch verbliebenen afrikanischen Wildnisregionen vordringt und sich dort ausbreitet, gerät sie unweigerlich in Konflikt mit den Elefanten. In diesen Gebieten zerstören Elefanten die Ernte und die Wasserreservoire, zertrümmern Hütten und Häuser und töten in einigen Fällen sogar Menschen, die es den Elefanten in gleicher Weise heimzahlen. Die Rote Liste gefährdeter Arten der IUCN hält fest: Während «die Elfenbein- und Fleischwilderei traditionell die Hauptursache für den Rückgang der Art war, stellt gegenwärtig der Verlust und die Zerstückelung von Lebensräumen durch die fortschreitende Expansion des Menschen und die schnelle Umwandlung von Land die grösste Bedrohung dar. Dieser Trend zeigt sich insbesondere darin, dass immer mehr Konflikte zwischen Menschen und Elefanten gemeldet werden, wodurch die Elefantenpopulationen noch stärker bedroht sind.»9

Wird also zur Befriedigung menschlicher Interessen mehr Land zur Bebauung und landwirtschaftlichen Nutzung benötigt, verliert die Erhaltung von Elefanten und ihres natürlichen Lebensraums an Bedeutung. In der Kosten-NutzenAnalyse ist der Schutz der Elefanten, wie auch jeder anderen gefährdeten Art, ein Balanceakt – zwischen den Kosten für den Menschen ( begrenzter Raum für Landwirtschaft und Entwicklung, Verlust von Einkommen und Nahrung und das Hinnehmen des Todes eines Familienmitglieds durch einen Elefanten ) und dem greifbaren Nutzen für den Menschen ( die Erhaltung von Elefanten, um aus einem

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geregelten Elfenbeinhandel ein Einkommen zu beziehen, Einnahmen aus nachhaltiger Trophäenjagd oder Einnahmen aus Wildtier-Beobachtungstourismus). Wendet man eine reine Kosten-Nutzen-Analyse an, werden die Elefanten aller Wahrscheinlichkeit nach nur dann als Art erhalten, wenn ihr Nutzen für den Menschen ( höhere finanzielle Einnahmen) kontinuierlich die Kosten ( niedergetrampelte Felder) überwiegt. Solche Abwägungen werden in ganz Afrika immer wieder getroffen. Elefanten werden geschützt, wenn und nur wenn ihr langfristiger Nutzen für den Menschen die potenziellen Kosten übersteigt.

Das Problem dabei ist, dass mit dem zunehmenden Verlust von Lebensräumen und der fortschreitenden menschlichen Besiedlung der Wildnis scheinbar immer häufiger Konflikte zwischen Menschen und Elefanten auftreten. Bei den Regierungen, für die nun die Kosten den Nutzen übersteigen, ziehen die Elefanten den Kürzeren. Ein Beispiel dafür ist die Regierung von Botswana. Letztes Jahr kündigte sie an, das Jagdverbot für Elefanten aufzuheben und drohte sogar damit, sie vorsätzlich zu keulen. Es war Wahlkampf und die Regierung und ihr neuer Präsident wollten sich so die Stimmen der Landbevölkerung sichern, die ständig mit den Elefanten in Konflikt geriet. Der Trick war erfolgreich: Die Regierung wurde gewählt und der Präsident gewann mit diesem Teil der Wählerschaft ein Vertrauensvotum. Die einzigen echten Verlierer waren die Elefanten, die nun mal nicht wählen können.

Während eine Kosten-Nutzen-Analyse offensichtlich ein einfach zu handhabendes Instrument für den Schutz von Wildtieren ist, weist die Methode jedoch eine gravierende Schwachstelle auf: Die Kosten der Elefanten, insbesondere wie es heute in Botswana wahrgenommen wird, überwiegen inzwischen deren Nutzen. Und so sind die Elefanten potenziell dem Untergang geweiht. Es muss also noch eine andere Größe in dieses Grundmodell integriert werden, um sowohl die Existenz der Elefanten als auch das Wohlergehen der Menschen sicherzustellen. Der schwache Anthropozentrismus bietet hier eine weitere mögliche Lösung.

Starker Anthropozentrismus bedeutet, dass « gefühlte Präferenzen» menschlicher Individuen maßgeblich sind, im Gegensatz zu « überlegten Präferenzen», die den schwachen Anthropozentrismus kennzeichnen. Eine gefühlte Präferenz ist jedes Verlangen oder jedes Bedürfnis eines menschlichen Individuums, das mindestens vorübergehend befriedigt werden kann. In seiner grundlegenden Form beruht das, was einen Menschen zum Handeln veranlasst, auf einem von Sinnesreizen ausgelösten oder gefühlten Verlangen nach etwas. Entscheidungsprozesse, die zu Handlungen führen, sind schlicht die Reaktion auf solche Verlangen. Sie sind

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in der Regel subjektiv und werden vom Ausmaß bestimmt, mit dem sie die meisten – oder die dringendsten – Präferenzen befriedigen.

Ein Beispiel für eine gefühlte Präferenz ist die aktuelle Nachfrage nach Nashorn-Horn in Asien. Sie entspringt dem Wunsch nach einem tierischen Produkt, dem ästhetische und kulturelle Eigenschaften sowie eine starke Heilkraft zugeschrieben werden. Letzteres gilt insbesondere für Verbraucher in Vietnam. In China ist die gefühlte Präferenz eine andere. Dort wird Nashorn-Horn – ebenso wie Elfenbein – als Material für geschnitzte Gegenstände, häufig Schmuck oder Figuren, geschätzt. Im Jemen ist es für die Griffe traditioneller Dolche, «Jambias» genannt, begehrt, die von jemenitischen Männern als Kleidungsaccessoire getragen werden.

Ob für medizinische oder andere Zwecke, das weitverbreitete Verlangen nach Nashorn-Horn beruht auf gefühlten Präferenzen. Dabei wird weder berücksichtigt, dass die Ressource womöglich übernutzt und gänzlich erschöpft wird, noch ein Gedanke an ihren Nutzen in der Zukunft verschwendet. Diese gefühlte Präferenz wird so ausgiebig befriedigt, dass die Nachfrage eine Gefahr sowohl für das zukünftige Überleben der Nashörner als auch für ihren Wert als zukünftige Ressource für spätere menschliche Generationen darstellt. Bereits heute sind alle drei asiatischen Nashornarten – Panzer-, Sumatra- und Java-Nashorn – in freier Wildbahn vom Aussterben bedroht. 10 Begleitet von einem gewaltigen Medienrummel, starb im März 2018 das letzte männliche nördliche Breitmaulnashorn Afrikas, sodass die Art nun funktionell ausgestorben ist. Seit 2008 haben die Händler von Nashorn-Horn als direkte Folge des Zusammenbruchs der Nashornpopulationen in Asien die zwei heute noch lebenden afrikanischen Nashornarten stark im Visier.

Raubbau als Resultat kollektiver, ungezügelter gefühlter Präferenzen ist ein hervorragendes Beispiel für starken Anthropozentrismus. Dieser Ansatz – einem kollektiven elementaren Verlangen nachzugehen – hat verheerende Auswirkungen auf das zukünftige Überleben der meisten Wildtierarten, angefangen beim Fisch bis hin zum Elefanten. Regierungspolitiker in Verbraucherländern, insbesondere in demokratischen Staaten, tendierten früher dazu, diesem auf einer gefühlten Präferenz beruhenden kollektiven Wunsch zu entsprechen, vor allem deshalb, weil es politisch vorteilhaft war und die Gunst der Wählerschaft versprach. Da jedoch die Zukunft der Ressource auf dem Spiel steht, haben diese Regierungen mit Verspätung begonnen, einem überlegteren Ansatz den Vorzug vor reinen gefühlten Präferenzen zu geben.

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Eine überlegte Präferenz ist jedes Verlangen oder jedes Bedürfnis, das ein menschliches Individuum nach sorgfältigem Nachdenken über die Zukunft der Ressource äußern würde. Anstatt lediglich auf ein subjektiv empfundenes Verlangen zu reagieren, ermöglicht die sorgfältige Untersuchung der eigenen gefühlten Präferenzen eine überlegtere Herangehensweise.

Sind Ressourcen, wie beispielsweise der Vorrat an Nashorn-Horn, erschöpft, bringen sie keinen Nutzen mehr. Eine überlegte Präferenz ließe uns nach einer Möglichkeit suchen, maximalen Nutzen für möglichst viele Menschen bei maximaler Dauer dieses Nutzens zu erzielen. Im Fall von Nashorn-Horn ergeben sich daraus im schwach anthropozentrischen Modell zwei mögliche Szenarien.

Erstes Szenario: Die Tatsache, dass die meisten Nashornarten vom Aussterben bedroht sind, führt zu der Einsicht, dass sich das Überleben der Tiere für die zukünftige Nutzung durch den Menschen nur mithilfe drastischer Maßnahmen – nämlich einen überlegteren Handel – sicherstellen lässt.

Das ist die Herangehensweise der CITES-Organisation. Im Jahr 1977 stimmten die Mitgliedsländer für ein Verbot des internationalen Handels mit Nashorn-Horn.11 Auf der Grundlage von Empfehlungen einer Reihe von wissenschaftlichen Naturschutzgremien, wie der Kommission zum Überleben der Arten ( SSC) der IUCN, kam das CITES-Sekretariat 2016 zum Schluss, dass sich die Nashornbestände erst wieder so weit erholen müssten, dass internationaler Handel erneut erlaubt werden könne. Dies bedeutet allerdings in keiner Weise, dass der Handel mit Nashorn-Horn für alle Zeiten verboten ist. Wenn sich die Nashorn-Populationen infolge eines Handelsverbots wieder ausreichend erholt haben, so die Argumentation des CITES-Sekretariats, kann der Handel wieder gestattet werden.12 Die moralischen Bedenken gelten also weniger dem Wohlergehen der Nashörner selbst als vielmehr dem der Menschen in der Zukunft, die sonst auf Nashorn-Horn verzichten müssten.

Eine solche Aufhebung des Handelsverbots geschah den Afrikanischen Elefanten. Als Folge der nicht länger hinnehmbaren Wilderei untersagte die CITESOrganisation 1989 den internationalen Handel mit Elfenbein. Dieses Verbot wurde 1997 teilweise aufgehoben, als die Elefantenbestände in einigen Ländern als ausreichend für einen geregelten Handel angesehen wurden. Es wurde drei afrikanischen Ländern – Botswana, Namibia und Simbabwe – gestattet, den internationalen Elfenbeinhandel wieder aufzunehmen. Bezeichnet wurde dies damals als « einmaliger Verkauf».13 Das Elfenbein – mit einem Gewicht von fast 50 Tonnen und 5446 Stoßzähnen – wurde 1999 nach Japan verkauft und

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brachte den Ländern rund 5 Millionen US-Dollar ein. Die Gelder wurden vorgeblich wieder in den Schutz der Elefanten investiert.14 2007 wurde ein weiterer einmaliger Verkauf genehmigt. Diesmal wurden mehr als 100 Tonnen Elfenbein verkauft, wobei nun noch Südafrika als Verkäufer und China als Käufer hinzukamen. Derzeit setzt sich die Regierung von Botswana bei der CITES-Organisation für einen weiteren Verkauf ihrer nationalen Bestände ein und behauptet, mehr als genug Elefanten (130 000) zu haben, um einen solchen Verkauf durchzuführen. Das zukünftige Überleben der Art, so die Regierung, werde durch den Verkauf nicht gefährdet, die Konflikte zwischen Mensch und Elefant würden hingegen sogar abnehmen.

Im zweiten Szenario untersagt eine Regierung den Handel mit einem tierischen Produkt nicht vollständig, sondern stellt sicher, dass das Produkt für den Handel verfügbar bleibt, um sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft einen ständigen Nutzenfluss zu generieren. Der Handel wird also nicht verboten, sondern reguliert – ein Konzept, das im Fall von Nashorn-Horn der Auffassung vieler Wildtierfarmer in Südafrika ebenso wie der südafrikanischen Regierung entspricht. Anders als Elefanten müssen Nashörner nicht getötet werden, um ihr Horn zu gewinnen. Die Hörner können schmerzlos abgesägt werden und dann nachwachsen, sodass sie eine kontinuierliche Handelsressource darstellen. Außerdem lassen sich Nashörner, ähnlich wie Rinder, leicht züchten. Nashornzüchter züchten die Tiere daher intensiv, horten ihre Hörner und beantragen die Herabstufung der Nashörner im CITES-Abkommen, damit sie – wenigstens von Südafrika aus, das noch über solide Nashornbestände verfügt – mit den Hörnern Handel treiben können.15 Sie hoffen darauf, irgendwann eine stabile Lieferkette nach Asien aufbauen zu können.

Aus einem schwach anthropozentrischen Ansatz ergibt sich also entweder das Szenario eines vorläufigen Handelsverbots, durch das der langfristige Nutzen für Generationen von Menschen sichergestellt ist, oder das Szenario eines kontinuierlichen, aber regulierten Absatzes, von dem die Menschen in der Gegenwart profitieren. Schwacher Anthropozentrismus schafft daher eine Grundlage für die Beschränkung menschlicher Konsumbedürfnisse mit dem Ziel, die Nutzung der Wildtierressourcen über einen längeren Zeitraum zu erhalten, zu verwalten und zu regulieren.

Regierungen und Gesetzgebern, die vor der Frage stehen, ob sie Wildtiere schützen sollen, fällt es schwer, Wählerpräferenzen einerseits und subjektive ethische Auffassungen im Hinblick auf Tierrechte sowie eine gleichwertige Berück-

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