2 minute read
Teil 1: Was ist ein Grundeinkommen?
Teil 5: New Deal für das 21. Jahrhundert
»Der Kapitalismus hat uns unfassbare Erfolge beschert. Auf der Welt lebt es sich insgesamt gesehen heute besser und sicherer, reicher und satter, gesünder und länger, als es jemals für eine Menschheitsgeneration auf diesem Planeten galt.«202 Es ist nicht ein fanatischer (Neo-) Liberaler, der diesen Lobgesang auf die Segnungen des Kapitalismus erklingen lässt. Nein, es ist Robert Habeck, Parteivorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. In Gedenken an »die protestantische Ethik und den Geist des Kapitalismus« des Soziologen Max Weber erkennt er in der Zeit nach der Coronapandemie die Chance »für einen anderen Kapitalismus, vielleicht für etwas ganz anderes, das heute noch keinen Namen hat«.203 Und er hat recht: Soll der Kapitalismus erfolgreich überleben, darf er nicht bei Max Weber vor 100 Jahren stehen bleiben. Wer die Marktwirtwirtschaft vor dem Absturz oder gar Untergang retten will, muss sie den Umständen des 21. Jahrhunderts anpassen.
Den vom Grünen-Chef angemahnten Erneuerungsbedarf erkennt auch der liberale Vordenker Timothy Garton Ash, Professor der University of Oxford: »Wir sind in unserem Liberalismus eindimensional geworden. Natürlich muss man auf das Ökonomische achten. Ohne Privateigentum und freien Markt gibt es keinen Liberalismus. Aber wir haben das Politische, Soziale und Kulturelle sträflich vernachlässigt.«204 Dieses Manko gilt es zu korrigieren. Sonst verliert der Liberalismus nicht nur die Unterstützung der Wählenden. Er verliert auch das Rennen gegen autokratische, dirigistische Wirtschaftssysteme.
Warum werden Liberale nicht geliebt? Die Marktwirtschaft verfügt zwar in der Theorie über kluge wirksame Konzepte – beispielsweise eine verursachergerechte Bepreisung negativer externer Effekte zur Durchsetzung einer ökologischen Kostenwahrheit. Und meistens ist sie nicht die Ursache von Problemen. Vielmehr liefert sie in der Regel gute Lösungskonzepte. Aber in der Praxis findet sie wenig Unterstützung dafür. Parteien, die sich für die Marktwirtschaft stark machen, werden nicht gewählt. Dafür gewinnen Bewegungen starken Zulauf, die Verzicht und Verbote fordern. Die Grünen sind attraktiv für Junge und Frauen. Die Liberalen hingegen finden eher bei älteren Männern Zustimmung. Weder muss noch darf das so sein. »Der Erfolg hat aus Liberalen eine selbstgefällige Elite gemacht.«205 Es sind nicht die Gegner, sondern die liberale britische Wochenzeitschrift The Economist, die mit den Liberalen so hart ins Gericht geht. In den Augen vieler haben gesellschaftliche Eliten und deren kapitalistische Marktideologien hochtrabende Versprechungen zu oft gebrochen. Zu häufig blieben geweckte Erwartungen unerfüllt. Zu viele sind enttäuscht von dem, was Kapitalismus und Marktwirtschaft faktisch geliefert haben. Deshalb führt es ins politische Abseits, rechthaberisch oder gar stur und gelegentlich auch verbittert an altbackenen Prinzipien festzuhalten – selbst wenn sie in der Vergangenheit durchaus erfolgreich waren. Wer auf Konzepte von gestern setzt, wirkt aus der Zeit gefallen. Damit lässt sich bei Wahlen und Abstimmungen nichts gewinnen, aber alles verlieren.
Wer die Marktwirtschaft retten will, muss den Liberalismus weiterentwickeln. Gefordert sind überzeugende Antworten auf dringliche Zukunftsfragen. Liberale Konzepte haben Alltagserfahrungen von heute zu genügen. Sie müssen der Lebenswirklichkeit entsprechen. Es gilt, Erwartungen der Bevölkerung zu erfüllen. Ebenso sind Interessen kommender Generationen zu schützen. Das alles verlangt nach frischen, positiven, offensiven Strategien. Verstaubte ideologische Ladenhüter helfen da nicht mehr weiter. Es spricht nichts dagegen, sondern vieles dafür, Menschen, die auf eine bessere Zukunft setzen,