3 minute read

Schindeln und Beton

Next Article
Bettgeschichten

Bettgeschichten

DerArchitektDanielJauslinentwarf fürseineFamilieeinalpines Ferienhaus mit viel Respekt vorder Landschaftunddenumgebenden Bauernhäusern.Derspiralförmige Holzbauistdasperfekte

Advertisement

PendantzuratemberaubendenBergwelt

Text &Styling:

CLAUDIA DURIAN

Fotos:

CHRISTOPH THEURER

Oben

Der urchige Holztisch, geschreinert aus einem alten Holzbrett, lädt zu gemütlichen Spielrunden ein.

Linke Seite: Die Einbauten aus Nadelhölzern hat Daniel Jauslin selbst entworfen. Gefertigt wurden sie von einem lokalen Schreiner.

Achtsamkeit im Umgang mit der Natur war der Dreh- und Angelpunkt dieses Entwurfs für ein Ferienhaus auf einem einsamen Bergrücken in der Surselva auf 1300 Metern Höhe oberhalb vonIlanzimKantonGraubünden.Obwohl der Begriff Achtsamkeit heute inflationär gebraucht wird, passt diese Beschreibung auf die Arbeit des Architekten und Bewohners Daniel Jauslin perfekt. Schon von weitemspürtderBesucherintuitiv,dasssichdas Domizil in die weitgehend unberührte Bergwelt so selbstverständlich einfügt, als hätte es schon immer hier gestanden.

Die raffinierte Bescheidenheit in der Form, die trotzdem eine ganz eigene Handschrift trägt, kommt nicht von ungefähr: Ihr lag ein langer Entstehungsprozess zugrundeundeintiefverwurzeltesGefühlfür diese Gegend: Mit seinen Eltern, die in den 1960erJahreneinaltesBauernhauskauften, verbrachte Jauslin hier oft seine Ferien, spielte mit den Nachbarskindern und half beimHeuen.DasDorfPigniuliessihnnicht mehr los, diese Stille und Freiheit inmitten grandioser Natur. Lange Zeit gab es kein Internet, auch jetzt funktioniert es nicht immer einwandfrei. Aber diese Abgeschiedenheit macht ja gerade den Reiz aus.

2003 kaufte Daniel Jauslin ein Grundstück, um dort ein eigenes Haus zu bauen Als Erstes machte er ein 360-GradPanoramafoto der rund 400 Quadratmeter grossen Wiese, um die Eckpfeiler seines Konzeptes festzulegen: «Die einzelnen Ausblickewarennichtsoentscheidend,vielmehrwaresmirwichtig,dassdieMenschen, die hier leben, sich in allen Räumen mit der Natur verbunden fühlen.» Dieser ungewöhnliche Ansatz kommt nicht von ungefähr.NachseinemStudiumderArchitektur an der ETH Zürich spezialisierte sich JauslinaufLandschaftsarchitektur.Erleitet die Firma DGJ Landscapes in Zürich und Den Haag, die sich auf Garten- und

Landschaftsarchitektur spezialisiert hat. ZusammenmitseinenKollegenkonzipierte Jauslin ein authentisches Gebäude, das regionale Bautraditionen mit der Moderne kongenial verbindet.

Das Haus ruht auf einem Betonsockel, derhangseitigdieKellerräumeundtalseitig zwei Schlafzimmer sowie das Bad und das WCaufnimmt.DieEingangsebeneunddas Dachgeschoss wurden mit Holzschindeln verkleidet. Weil hier oben keine Arven wachsen, mussten sie dafür eigens aus dem Engadin geliefert werden. «Damit sie das Haus perfekt vor Regen, Schnee und Sonne schützen, sollten das Holz möglichst in einer Höhe wachsen, die dem Standort des Gebäudes so nahe wie möglich kommt», erklärt der Schindler Andy Bisquolm.

Die oberen Geschosse sind zurückversetzt, so dass an der Südwestseite und nach Südosten eine umlaufende Terrasse mit spektakulären Ausblicken in die Bergwelt entstand Der zweigeteilten Fassade liegt noch eine baurechtliche Anforderung zugrunde: Für die brennbare Aussenhaut musste ein grösserer Grenzabstand zu den Nachbarn eingehalten werden als bei dem Untergeschoss mit Betonhülle Besonders gelungen sind die feinen Rundungen an allen Enden der vier Hausseiten. Dadurch wirkt das Domizil organischer und spiegelt die sanfteren Hügel wider. Schon hier sieht der Betrachter, wie feinfühlig der Gestalter mitProportionenundMaterialienumging Dieser Eindruck wird durch das Untergeschossverstärkt,weilessichspiralförmigum das Haus schmiegt. Das Spiel mit den Rundungen, die der Natur viel näher kommen als scharfe Kanten, setzt sich auch im Inneren fort: Metallgeländer verlaufen in sanftenBögen,kreisartigerschliessendiebeiden Rampen entlang der Aussenwände die beiden unteren Ebenen. «Es ist wie Wandern, es ist ein ständiges Auf und Ab», so Jauslin. Lufträume sorgen dafür, dass die Etagen miteinander kommunizieren, alle sind verbunden und doch getrennt Der Treppenaufgang in den loftartigen Raum unter

Das Haus wirkt dank seiner Fassade aus Holzschindeln sehr authentisch. Es ruht auf einem Betonsockel und strahlt Harmonie und Ruhe aus.

Rechte Seite oben: Das Haus passt sich perfekt seiner alpinen Umgebung an dem Satteldach sowie die Galerie wurden miteinemgrobmaschigenEdelstahlnetzabgesichert, um grösstmögliche Transparenz zu erreichen. Dank der Offenheit in allen Geschossen entstehen spannungsreiche Blickbeziehungen.

Rechte Seite unten: Auch die Einrichtung zeugt von einem hohen Designanspruch.

Wärmende Rampe im Raum

Durch die beiden Giebelseiten fällt Tageslicht und erhellt das Dachgeschoss, das mal als Büro, in der Jauslin seine Doktorarbeit vorbereitet, mal als Spielzimmer für seine drei Kinder oder als Leseraum fungiert. In der Eingangsebene mit offenem Wohn-, Ess- und Kochbereich ist der grün geölte Speckstein aus Disentis, der in einem Steinbruch an der Quelle des Vorderrheins abgebaut wird, ein prägendes Gestaltungselement.ErziehtsichwieeineRampedurch denRaumunddientinderkaltenJahreszeit alswärmendeSitzbankundinderKücheals Arbeitsfläche und Spritzschutz.

Sämtliche Einbauten liess Jauslin aus massiven Nadelhölzern von einem heimischen Schreiner nach seinen Entwürfen anfertigen, natürlich mit abgerundeten Schranktüren Auch das Doppelbett mit denschmalenSchlitzenfürBücherineinem der beiden Schlafzimmer im Gartengeschoss entwarf der Besitzer selbst.

Ausgesuchte Möbelstücke

Nach etwa sechs Monaten Bauzeit war das Gebäude fertig, aber erst jetzt, viele Jahre später, ist es perfekt eingerichtet Mit der ZeitentdecktederBewohnerdiepassenden MöbelwiedenuraltenEsstisch,«derfrüher wohl als Verkaufsfläche auf den Märkten diente». Oder ausgesuchte Mid-CenturyStücke wie der «New York Chair X» des japanischen Designers Takeshi Nii unter dem Giebelfenster, den Jauslin mit Grauviehfell beziehen liess. Der kreative Gestalter schätzt einfaches Design wie den «Moser Stuhl» von Horgen Glarus oder den «Crossed leg low chair» des Designers Fabiaan Van Severen. Rot wurde neben Schwarz, Braun und Blau zur Leitfarbe. Sukzessive versammelte der Bauherr zeitgenössischeKunst.«EsbrauchtZeit,bis die Werke an der richtigen Stelle hängen», so Jauslin. Bei einer Ausstellung lokaler Künstler entdeckte er zum Beispiel die BilderdesinLosAngeleslebendenBündner Fotografen Verner Soler, die das Leben der Bauern so wunderbar eindrücklich präsentieren.DerArchitektAdolfLoosgabseinen KollegenmitaufdenWeg:«Sprichmitden Bauern in deiner Sprache.» Daniel Jauslin hat sie gefunden

Manerhältjasodeneinenoder anderen guten Tipp, Adressen vom angeblich besten RestaurantinLondon,vom ultimativen Grotto im TessinodervoneinerdergemütlichstenFondueHüttenindenBergen.SolcheGeheimadressen sollte man hüten wie einen Schatz. Die Alpenlofts in Sent (GR) fallen definitiv in diese Kategorie. Warum wir sie hier trotzdemvorstellen?Eswärefasteinwenigegoistisch, die Adresse für sich zu behalten DaszauberhafteDorfSentbefindetsich imUnterengadinundstrahltGemütlichkeit und Ruhe aus. Ob Tiefen-Entschleunigung oder Aktivismus an der frischen Luft, darüber lässt sich individuell entscheiden. Das Settingfürbeidesistjedenfallsperfekt.Mitten im Dorf steht das alte Haus, in dem seit vier Jahren die Alpenlofts untergebracht sind. Es handelt sich um insgesamt acht Eigentumswohnungen, davon zwei Studios undsechsLofts,diemandasganzeJahrüber wochenweise mieten kann Sämtliche Lofts

This article is from: