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INTERVIEW
from Residence März 2022
«Es braucht persönliche Gespräche»
VorallemfürältereMenschenist dieBegleitungbeiderSuchenach einerneuenWohnungwichtig, sagtSoziologinJoëlleZimmerli
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Residence: ErneuerungundVerdichtungdes Gebäudebestands gehören im Kampf gegen denKlimawandelzudengrossenHerausforderungenunsererZeit.DochderProzessgeht langsam.WasbremstdieEntwicklung?
Joëlle Zimmerli: Die Gründe sind vielschichtig: Viele Gebäude befinden sich im Lebenszyklus nicht in einer Erneuerungsphase. In der Baubranche fehlen Kapazitäten.Hinzukommenkomplexeundlangwierige Planungsprozesse und Unsicherheiten: Politik und Bevölkerung sind wachstumsmüdeundwollenBestehendeserhalten.Das zeigt sich gerade auch am zunehmenden Widerstand gegen Entmietungsprozesse. Langjährigen Bewohnerinnen und BewohnerndieKündigungauszusprechen,gehörtzu den schwierigsten Aufgaben für verantwortungsvolle Vermieter. Wer ist besonders betroffenundbenötigtmehrAufmerksamkeit?
Statistikenzeigen,dassinLiegenschaften mit günstigen Mieten, die in den Erneuerungszyklus kommen oder abgebrochen werden sollen, viele junge Menschen leben. DiesesindaberinderRegelflexibel,kennen die Verhältnisse auf dem Mietwohnungsmarkt und können sich mit der Situation besserarrangieren.AufmerksamkeitbenötigenlangjährigeBewohnende,dieeinenstarken emotionalen Bezug zur Wohnung und wenig Erfahrung mit der Wohnungssuche haben. Mehr Aufmerksamkeit benötigen auch Personen mit beschränkten finanziellen Möglichkeiten, für die es auf dem freien Markt an vielen Orten kaum noch Angebote gibt. WelcheAnsätzegibtes,umbeiKündigungen sozialverträglichvorzugehen?
Für Betroffene ist Planungssicherheit wichtig. Langjährige, gerade ältere Mieterinnen und Mieter benötigen Zeit, sich mit der Situation abzufinden und sich mit der Wohnungssuche auseinanderzusetzen. Je früher sie von den Absichten einer Kündigung wissen, desto freier können sie handeln. Idealerweise informieren Eigentümerinnen das erste Mal, kurz nachdem sie den Entscheid für eine Erneuerung gefällt haben, die nicht im bewohnten Zustand durchgeführt werden kann. Das ist in der Regel lange vor der effektiven Kündigung. Vor allem ältere Menschen brauchen Hilfestellung.Wielässtsichdieseorganisieren?
Eigentümerinnen und Liegenschaftsverwaltungen können sich Kooperationspartner suchen. Grundsätzlich gilt: Es braucht persönlicheGespräche.Manchmalreichtes, wenn Angehörige von älteren Mieterinnen und Mietern in die Wohnungssuche eingebunden werden. Bei grösseren Vorhaben könnensozialeInstitutionenoderdiesozialenDienstederöffentlichenHandeinbezogen werden, die ältere Mieterinnen und Mieter neutral beraten und bei der Wohnungssuche, bei finanziellen Fragen oder beim Umzug unterstützen können. Sie haben einen runden Tisch initiiert, an dem verschiedene Akteure zusammenkamen und Empfehlungen erarbeitet wurden. Was oderwergabdafürdenAnstoss?
Den Anstoss gaben die Erkenntnis aus einem Forschungsprojekt, dass die Prozesse von Liegenschaftsverwaltungen nicht auf die besonderen Bedürfnisse von Seniorinnen und Senioren ausgerichtet sind, sowie die Bereitschaft aus der Immobilienwirtschaft, hier nach guten Lösungen für möglichst viele Mieter zu suchen.
Interview:DavidStrohm