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BEHUTSAM SANIEREN

Den Schwächsten Sorge tragen

StehtfüreinegrössereLiegenschafteineumfassendeSanierung odersogareinErsatzneubauan,müssenVermieternichtnur weitreichendefinanzielleEntscheidetreffen,sondernauchganz persönliche.LangjährigenBewohnerinnenundBewohnern zukündigen,fälltniemandemleicht.EineExpertenrundehat AnsätzefürsozialverträglicheEntmietungsprozesseerarbeitet

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Die klimagerechte Erneuerung bestehender Gebäude gilt als eine der grossen Herausforderungen unserer Zeit. Die VorgabendesBundesratesfürden Gebäudesektor bis zum Ende dieses Jahrzehnts und in einem weiteren Schritt bis 2050 lassen sich nur erreichen, wenn ältere Liegenschaften umfassend saniert werden. Für die Substanz heisst das: renovieren, verbessern und ertüchtigen, wo es geht und machbarist.Nichtseltenstehtaberauchein Ersatzneubau zur Diskussion, weil das Alte nicht mehr sinnvoll zu reparieren ist, weil ein neues Haus mehr Platz bietet oder ein Neubau sich schlicht besser rechnet.

So lässt sich nicht immer verhindern, dassMieterinnenundMieterihreWohnungen verlassen müssen. Die dafür notwendigenKündigungenunddieSuchenacheiner neuen Bleibe stellen insbesondere ältere Menschen und Personen mit finanziell beschränktemWohnbudgetvorHerausforderungen. Eine bedeutende, nicht leicht zu lösendeAufgabestelltsichaberauchfürdie Eigentümerschaft und deren Hausverwaltungen.MedienberichtevonMassenkündigungenlösenReputationsrisikenaus.Nicht seltenschaltensichauchMieterverbandund Politiker ein. Häufig gehen solche Fälle vor die Schlichtungsbehörden und auch vor Gericht.

Der Mieterverband verweist auf die Möglichkeit, eine Erstreckung des Mietverhältnisses zu verlangen. Gibt es keine Einigung, lässt sich die Kündigung bei der Schlichtungsbehörde als missbräuchlich anfechten.ObundwielangedasMietverhältnis erstrecktwird,istmeisteineErmessensfrage.

AbgewogenwerdendabeidieInteressen beider Seiten. Ist ein Bau- oder Sanierungsprojekt zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht ausgereift, kann diese als missbräuchlicheingestuftwerden.Ungültigsind Kündigungen von Hauskäufern, die nach einerHandänderungnochnichtimGrundbuch eingetragen sind.

Praktische Umzugshilfen

Erneuerungen und Entmietungen sind langfristige Prozesse. «Wenn Mieter frühzeitig und transparent informiert werden, könnensiesichaufdieanstehendeVeränderungeinstellenundaufdieKündigungund Wohnungssuche vorbereiten», sagt Pascal Stutz, Geschäftsführer von SVIT Zürich. Ältere und langjährige Mieter, die über wenig Erfahrung mit dem Wohnungsmarkt verfügen, sollten an die Hand genommen undbeiderSuchenachetwasNeuembegleitet werden, findet der Vertreter von SVIT, dem Verband der Immobilienwirtschaft.

Stutz gehört zu den Initianten des Programms «SVIT Senior», das sich auf Beratung und Hilfestellung beim Thema Wohnen für Menschen im Alter im Grossraum Zürich konzentriert. Wie der SVIT versuchen auch andere Verbände, BeratungsstellenundspezialisierteDienstleistungsfirmen im Härtefall Lösungen für Betroffene und Angehörige zu finden. Zum Teil leisten sie sogar praktische Umzugshilfe. Beratungsgespräche bieten zum Teil auch die sozialen Dienste der Gemeinden an.

Um Eigentümern Hinweise für möglichst sozialverträgliche Entmietungsprozessezugeben,hateinrunderTischmitPro Senectute, der SVIT und der Age-Stiftung unterderLeitungderSoziologinJoëlleZimmerli einen «Orientierungsrahmen» erstellt (siehe Tabelle rechts). Diese Handlungsanleitung zeigt auf, welche Entscheidungen Eigentümer treffen müssen, wie Liegenschaftsverwaltungen ihre Mieter unterstützen können und welche Optionen den Mieterinnen und Mietern bleiben.

«EsgibtkeinenfestenWegfürEntmietungen.DasidealeVorgehenfüreineLiegenschafthängtvonderSituationaufdemWohnungsmarkt, der Zusammensetzung der

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Mieterschaft, der Grösse des Projekts, der Verfügbarkeit von Ersatzwohnungen, der Risikotoleranz und der KommunikationskulturderEigentümerinab»,sagtZimmerli, die in Zürich ein Beratungsbüro leitet und schon eine Reihe von Studien zum Thema Wohnen und Alter durchgeführt hat.

Unterstützung und Transparenz

ZweiAspekteseienfürseniorenfreundliche Entmietungsprozesse besonders wichtig: der Zeitpunkt der Information und die UnterstützungderBetroffenen.Eigentümer undLiegenschaftsverwaltungensolltenihre Mieterinnen und Mieter deshalb so früh wie möglich über ein Bauprojekt informieren – am besten bereits ab dem Zeitpunkt der Entscheidung zum Ersatz einer Wohnsiedlung, sagt Zimmerli. So hätten langjährige Bewohnerinnen und Bewohner eines Gebäudes genügend Zeit, sich auf einen Wohnungswechseleinzustellen.Siekönnen in eigener Verantwortung und im eigenen Tempo eine neue Wohnung suchen.

Die Erfahrung zeigt: Im Gespräch zwischen der Liegenschaftsverwaltung, den Betroffenen oder ihren Angehörigen und den weiteren Kooperationspartnern kann für fast jeden Fall eine Lösung gefunden werden. DavidStrohm

Umsichtig vorgehen bei Leerkündigungen

Schritte/Massnahmen

Erstinformation an Mieterschaft

Inhalt

Die Eigentümerin legt die Karten auf den Tisch und kann ab dem Zeitpunkt kommunizieren und Massnahmen auslösen. Zeitpunkt so wählen, dass Mieter sich mit Vorlauf auf die bevorstehende Kündigung einstellen können.

Anpassungszeit gewähren

Fristerstreckung

Begleitung Mieter brauchen Zeit, um sich mit dem Auszug und dem Wechsel des Wohnumfelds auseinanderzusetzen. Je transparenter und verbindlicher informiert wird, desto leichter fällt es Mietern, sich mit der Situation abzufinden und auf Wohnungssuche zu gehen. Viele Mieter nutzen das Recht auf Erstreckung als Sicherheit, ziehen aber fristgerecht oder sogar frühzeitig aus, sofern sie eine passende Wohnung finden. Je früher sie auf Wohnungssuche gehen, desto grösser ist die Chance auf eine passende Lösung. Nicht alle Mieter sind mit der Wohnungssuche gleich gut vertraut. Viele Mieter finden selbst eine Wohnung. Andere können bei Wohnungssuche, Vorrang bei Wohnungsangeboten und mit Hotlines unterstützt werden.

Kündigung

Härtefälle

Temporäre Mietverhältnisse Bei Kündigungen deutlich mehr Zeit gewähren, als gesetzlich vorgegeben. Kommunikation und Auszugstermin müssen aufeinander abgestimmt werden. Mieter mit kleinem Budget, schlechten Referenzen oder gesundheitlichen Beschwerden haben Mühe, eine adäquate Wohnung zu finden. Beratungsstellen und Dienstleister begleiten Härtefälle von der Wohnungssuche bis zum Einzug in eine neue Wohnung. Um Leerstand bei Entmietungsprozessen zu reduzieren, können Wohnungen mit befristeten Verträgen vermietet werden. Bei der Vermietung sollten flexible und mobile Zielgruppen angesprochen werden.

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