Podcast-Studie der Otto Brenner Stiftung

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OBS-Arbeitsheft 106

Lutz Frühbrodt/Ronja Auerbacher

OBS-Arbeitsheft 106

Frühbrodt/Auerbacher – Den richtigen Ton treffen

OBS-Arbeitsheft 106

Den richtigen Ton treffen Der Podcast-Boom in Deutschland

Den richtigen Ton treffen Der Podcast-Boom in Deutschland

www.otto-brenner-stiftung.de ­

Ein Projekt der Otto Brenner Stiftung Frankfurt am Main 2021


OBS-Arbeitsheft 106 ISSN-Print: 1863-6934

Die Otto Brenner Stiftung …

ISSN-Online: 2365-2314

... ist die gemeinnützige Wissenschaftsstiftung der IG Metall. Sie hat ihren Sitz in Frankfurt am Main. Als Forum für gesellschaftliche Diskurse und Einrichtung der Forschungsförderung ist sie dem Ziel der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Ausgleich zwischen Ost und West.

Herausgeber: Otto Brenner Stiftung Jupp Legrand Wilhelm-Leuschner-Straße 79 D-60329 Frankfurt am Main

... initiiert den gesellschaft­ lichen Dialog durch Veranstaltungen, Workshops und Koopera­ tionsveranstaltungen (z. B. im Herbst die OBS-Jahrestagungen), organisiert Konferenzen, lobt jährlich den „Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus“ aus, fördert wissenschaftliche Untersuchungen zu sozialen, arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitischen Themen und legt aktuelle medienkritische und -politische Analysen vor.

Tel.: 069-6693-2810 Fax: 069-6693-2786 E-Mail: info@otto-brenner-stiftung.de www.otto-brenner-stiftung.de Autor*innen: Prof. Dr. Lutz Frühbrodt Hochschule Würzburg-Schweinfurt Münzstraße 19 D-97070 Würzburg

... informiert regelmäßig mit einem Newsletter über Projekte, Publikationen, Termine und Veranstaltungen.

E-Mail: Lutz.Fruehbrodt@fhws.de

... veröffentlicht die Ergebnisse ihrer Forschungsförderung in der Reihe „OBS-Arbeitshefte“ oder als Arbeitspapiere (nur online). Die Arbeitshefte werden, wie auch alle anderen Publikationen der OBS, kostenlos abgegeben. Über die Homepage der Stiftung können sie auch elektronisch bestellt werden. Vergriffene Hefte halten wir als PDF zum Download bereit unter: www.otto-brennerstiftung.de/wissenschaftsportal/ publikationen/ ... freut sich über jede ideelle Unterstützung ihrer Arbeit. Aber wir sind auch sehr dankbar, wenn die Arbeit der OBS materiell gefördert wird. ... ist zuletzt durch Bescheid des Finanzamtes Frankfurt am Main V (-Höchst) vom 4. November 2020 als ausschließlich und unmittelbar gemeinnützig anerkannt worden. Aufgrund der Gemeinnützigkeit der Otto Brenner Stiftung sind Spenden steuerlich absetzbar bzw. begünstigt.

Ronja Auerbacher

OBS-Arbeitsheft 105

Hektor Haarkötter, Filiz Kalmuk

Medienjournalismus in Deutschland

Seine Leistungen und blinden Flecken

OBS-Arbeitsheft 104

Valentin Sagvosdkin

Qualifiziert für die Zukunft?

Zur Pluralität der wirtschaftsjournalistischen Ausbildung in Deutschland

OBS-Arbeitsheft 103*

Ingo Dachwitz, Alexander Fanta

Medienmäzen Google

Wie der Datenkonzern den Journalismus umgarnt

OBS-Arbeitsheft 102*

Wolfgang Schroeder, Samuel Greef u. a.

Bedrängte Zivilgesellschaft von rechts

Interventionsversuche und Reaktionsmuster

OBS-Arbeitsheft 101*

Leif Kramp, Stephan Weichert

Nachrichten mit Perspektive

Lösungsorientierter und konstruktiver Journalismus in Deutschland

OBS-Arbeitsheft 100*

E-Mail: ronja.auerbacher@gmail.com Hinweis zu den Nutzungsbedingungen: Redaktion:

Dieses Arbeitsheft darf nur für nichtkommerzielle Zwecke im

Benedikt Linden (OBS)

Bereich der wissenschaftlichen Forschung und Beratung und ausschließlich in der von der Otto Brenner Stiftung veröffent-

Satz und Gestaltung:

lichten Fassung – vollständig und unverändert – von Dritten

think and act –

weitergegeben sowie öffentlich zugänglich gemacht werden.

Agentur für strategische Kommunikation In den Arbeitsheften werden die Ergebnisse der ForschungsDruck:

förderung der Otto Brenner Stiftung dokumentiert und der

Druckerei Zeidler GmbH & Co. KG, Mainz-Kastel

Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Für die Inhalte sind die Autorinnen und Autoren verantwortlich.

Titelbild: Valerie Veine/AdobeStock.com

Aktuelle Ergebnisse der Forschungsförderung in der Reihe „OBS-Arbeitshefte“

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Redaktionsschluss:

weitere Exemplare dieses OBS-Arbeitsheftes kostenlos be-

14. Juli 2021

zogen werden – solange der Vorrat reicht. Es besteht dort

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Wie DAX-Unternehmen Schule machen

Lehr- und Lernmaterial als Türöffner für Lobbyismus

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Tobias Gostomzyk, Daniel Moßbrucker

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Studie zu präventiven Anwaltsstrategien gegenüber Medien

• Förderung der internationalen Gesinnung und des Völkerverständigungsgedankens

Lutz Frühbrodt, Annette Floren

OBS-Arbeitsheft 99*

„Wenn Sie das schreiben, verklage ich Sie!“

OBS-Arbeitsheft 98* Unboxing YouTube

Bank: IBAN: BIC:

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aber auch die Möglichkeit, sowohl aktuelle als auch bereits Wir danken der Hans-Böckler-Stiftung für die Unter-

Tim Engartner

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Im Netzwerk der Profis und Profiteure

OBS-Arbeitsheft 97*

Wolfgang Schroeder, Stefan Fuchs

Neue Mitglieder für die Gewerkschaften

Mitgliederpolitik als neues Politikfeld der IG Metall

OBS-Arbeitsheft 96*

Rainer Faus, Simon Storks

Im vereinten Deutschland geboren – in den Einstellungen gespalten?

OBS-Studie zur ersten Nachwendegeneration

OBS-Arbeitsheft 95*

Bernd Gäbler

AfD und Medien

Erfahrungen und Lehren für die Praxis

* Printfassung leider vergriffen; Download weiterhin möglich.

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Vorwort

Vorwort

Was verbindet Bundeskanzlerin Angela Merkel, ihren Vorgänger Gerhard Schröder, einen sechzehnjährigen, autistischen Jungen aus Augsburg, die Klimaaktivistin Luisa Neubauer und rund die Hälfte der 30 DAX-Konzerne? Sie alle haben (mindestens) einen eigenen Podcast. Podcasts, das unterstreichen auch Zahlen, sind zum Boom-Medium geworden. Und: Während Plattformen für kurze Text- und Bildnachrichten – wie Facebook, Twitter oder Instagram – und die Video-Plattform YouTube aufgrund ihrer Bedeutung für die Verbreitung rechtsextremer und verschwörungserzählerischer Inhalte schon länger Kritik ausgesetzt sind, scheint das gesprochene Podcast-Wort von ähnlichen Skandalen weit entfernt: Eine kultivierte, respektvolle Kommunikation ist hier die Norm – Wut, Hetze, Hass und (negative) Emotionalität sind Randerscheinungen ohne Relevanz, es gilt, den richtigen Ton zu treffen. Seit Jahren versucht die OBS, den Wandel der Medienwelt zu durchleuchten, den Fragmentierungen der Öffentlichkeit nachzuspüren und mit medienkritischen Studien Anstöße für Diskurse zu geben. Es liegt also für uns auf der Hand, der Podcast-­ Landschaft in Deutschland eine tief bohrende Studie zu widmen: Was kennzeichnet dieses Format – was sind die Inhalte, wer die Macher*innen? Wie sind technische und ökonomische Entwicklungen der Branche einzuschätzen? Welche Anforderungen und Bedürfnisse der Hörer*innen sind zu identifizieren? Welche Bedeutung haben sie für öffentlichen Diskurs und Kommunikationskultur? Eine Mammut-Aufgabe, die wir gerne an Lutz Frühbrodt und Ronja Auerbacher übertragen haben – zwei profilierte Kommunikationswissenschaftler*innen, die tiefe Schneisen der Erkenntnis in das Dickicht eines medienpolitischen Neulandes geschlagen und mit beeindruckender Sorgfalt und souveränem Blick das Thema aufgearbeitet haben. Sie machen etwa deutlich, dass das Format „Podcast“ auch abseits der politischen Extreme erfreuliche inhaltliche Unterschiede zur Welt der Influencer*innen auf YouTube & Co. aufweist. Mit „Unboxing YouTube“ hatte unser Autor Frühbrodt 2019 das „Netzwerk der Profis und Profiteure“ offengelegt und eine Marginalisierung von Wissens- oder Informationsangeboten unter den erfolgreichsten deutschen YouTube-Kanälen konstatiert – weniger als fünf Prozent unter den Top 100 Videos waren diesem Bereich zuzuordnen. Demgegenüber zeigt unsere „Podcast-Studie“ jetzt, dass Politik-, Nachrichten- und Wissenspodcasts unter den Top 50 der führenden Podcasts-Plattform Spotify über 40 Prozent des Angebots ausmachen. Durch die Notwendigkeit, sich bewusst und aktiv für eine spezifische (meist auch längere) Podcasts-Folge zu entscheiden, erscheint das Format für die detaillierte Behandlung komplexer (Sach-)Themen geradezu prädestiniert: Für mehr als vier Fünftel (83,4 Prozent) der Podcast-Hörer*innen ist die Ausführlichkeit auch 1


Den richtigen Ton treffen

ein zentrales Motiv für die Nutzung. Führt man sich weiter vor Augen, dass die Welt der Podcasts von einer bunten Vielfalt von Produzierenden geprägt ist – neben Wissenschafts- und journalistischen Formaten auch (immer noch) von vielen Amateur-Produktionen – scheint sich hier eine besondere Form der Aufklärung etabliert zu haben. In der Untersuchung schälen sich allerdings drei Befunde heraus, die das Bild relativieren: Zum einen zeigen die Autor*innen in einer Inhaltsanalyse von zehn erfolgreichen Politik-Podcasts, dass auch innerhalb der Info- und Wissensformate noch Luft nach oben ist – die Einordung von Themen in größere gesellschaftspolitische Kontexte und die Trennung von Nachricht und Meinung lassen zu wünschen übrig. Zum anderen verdrängen die Profis zunehmend die Amateure, der Anteil der inhärent interessensgeleiteten Kommunikation steigt: Politische Akteure, aber auch Unternehmen mit ihren kommerziellen Interessen, verlangen Hörer*innen mit ihren gut gemachten Podcasts ein steigendes Maß an Medienkompetenz ab. Noch schwerer wiegen technisch-strukturelle und ökonomische Entwicklungen, die die starken aufklärerischen Elemente des Mediums Podcasts an den Rand zu drängen drohen. Spotify und Apple Podcast schicken sich im Hintergrund bereits an, die technisch notwendige Infrastruktur für Podcasts dauerhaft zu beherrschen und in ihrem Sinne zu kommerzialisieren. Ist aber erst einmal ein Oligopol errichtet, droht das „YouTube-Syndrom“: Eine algorith­mische Steuerung der Bedarfe sowie die Nivellierung und Absenkung des inhaltlichen Niveaus unter der Maßgabe der Werbefähigkeit sind als unmittel­bare Folgen zu befürchten. Und es drohen die Privatisierung einer weiteren Teilöffentlichkeit und die infrastrukturelle Abhängigkeit auch der journalistischen Podcast-Akteure von den Entscheidungen eines profitorientierten Unternehmens. Es kommt also schon jetzt drauf an, „die Chancen dieses noch jungen Mediums für das politische Gemeinwohl zu nutzen und nicht sehenden Auges in eine neue Abhängigkeit zu schlittern, wie dies gegenüber YouTube und anderen sozialen Medien geschehen ist“, heißt es im Fazit der Studie. Es lohnt sich, um die Vielfalt, das Niveau und den diskursiven Charakter der Podcast-Kultur zu ringen und ihr eine Zukunft zu sichern. Das wollen wir mit der Studie unterstreichen.

Jupp Legrand Geschäftsführer der OBS 2

Frankfurt am Main, im Juli 2021


Inhalt

Inhalt

1

Einleitung: Podcasts – das neue Info-Medium?...........................................................5

2

Form und Charakter: Die Spezifika des Podcastings..................................................10 2.1 Radio, nur anders?........................................................................................................ 10 2.2 Die Artenvielfalt der deutschen Podcast-Szene............................................................... 12 2.3 Gängige Formate journalistischer Podcasts.................................................................... 14 2.4 Zwischenbilanz..............................................................................................................17

3

Technik und Geschäft: Von Websites zu Spotify........................................................18 3.1 Die technologische Entwicklung..................................................................................... 18  Fallbeispiel: Der Audio-Dienstleister Podcast360............................................................ 23 3.2 Jäger* und Sammler*: Die wichtigsten Streaming-Plattformen........................................ 25 3.3 Werbung und andere Einnahmequellen.......................................................................... 30 3.4 Zwischenbilanz............................................................................................................. 34

4

Podcast-Nutzung: Vom Nischenformat zum Massenmedium..................................... 36 4.1 Die Entwicklung in den USA........................................................................................... 36 4.2 Die wichtigsten Wegmarken in Deutschland................................................................... 40 4.3 Boom oder Hype? Was die deutschen Podcast-Zahlen sagen........................................... 43 4.4 Motive und Verhalten der Podcast-Nutzer*.....................................................................48 4.5 Zwischenbilanz..............................................................................................................51

5

Amateure*, Zivilgesellschaft, Politik und Unternehmen als Podcaster*.....................52 5.1 Persönliches und wissenschaftliches Erkenntnisinteresse.............................................. 52 5.2 Politische Ziele und Polit-PR.......................................................................................... 55 5.3 Kommerzielle Interessen............................................................................................... 57  Fallbeispiel: Die Podcastlandschaft Dresden................................................................... 59 5.4 Zwischenbilanz.............................................................................................................60

3


Den richtigen Ton treffen

6

Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio................61 6.1 Die neuen Herausforderungen für die Radioanbieter....................................................... 61 6.2 Eine effektive Strategie? Die ARD und ihre Audiothek..................................................... 65  Fallbeispiel: Der tagesschau Zukunfts-Podcast mal angenommen....................................71 6.3 Private Radiosender und die RTL-Plattform Audio Now.................................................... 73 6.4 Zwischenbilanz............................................................................................................. 78

7

Private Verlagshäuser............................................................................................. 80 7.1 Tages- und Wochenzeitungen zwischen Marketing-Experiment und Großoffensive..........80  Fallbeispiel: Die Süddeutsche Zeitung............................................................................88 7.2 Am Hadern? Politik- und Wirtschaftsmagazine...............................................................90  Fallbeispiel: Der Spiegel................................................................................................ 92 7.3 Zwischenbilanz............................................................................................................. 95

8

Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten...........................................................................97 8.1 Das Nutzungsverhalten der Zielgruppe........................................................................... 97 8.2 Anforderungen junger Mediennutzer* an journalistische Angebote............................... 100 8.3 Führende Politikformate der deutschen Podcast-Landschaft......................................... 102 8.4 Die journalistische Qualität deutscher Politik-Podcasts.................................................105 8.5 Zwischenfazit...............................................................................................................118

9

Fazit: Wie sich die zeitgenössische Podcast-Kultur bewahren lässt.........................120 9.1 Zusammenfassung der Ergebnisse und Handlungsempfehlungen für Politik-Podcasts... 120 9.2 Strategischer Ausblick: Das Spotify-Dilemma der Podcast-Macher*...............................123

Literaturverzeichnis............................................................................................................ 126 Quellenverzeichnis.............................................................................................................. 131 Anhang...............................................................................................................................133

4


Einleitung: Podcasts – das neue Info-Medium?

1 Einleitung: Podcasts – das neue Info-Medium?

Seit Februar 2021 gibt es einen außergewöhn­

und andere hochrangige Politiker* zum Ge-

lichen Podcast zu hören. In acht Folgen unter-

spräch bittet. Dies klingt zunächst nach be-

halten sich Barack Obama und Bruce Spring­

kanntem Inhalt in neuer Verpackung. In einem

steen über Politik, Diskriminierung und Rock-

Interview mit der Süddeutschen Zeitung hebt

1

musik. Ein Moderator* stört sie nicht dabei.

die Fernsehjournalistin jedoch die Vorteile

Der ehemalige Präsident der Vereinigten Staa-

von Podcasts hervor – zum Beispiel „ohne ein

ten von Amerika und einer der einflussreichs-

strenges zeitliches Korsett und mit mehr Spiel-

ten Rockmusiker der Welt. Wäre ein ähnliches

raum auch Aspekte außerhalb der Tagesaktua-

Format auch in Deutschland denkbar? Dass

lität anzusprechen“. Dies erlaube eine „gewis-

sich beispielsweise Angela Merkel nach ihrem

se Ausgeruhtheit“. Als weiteren Vorzug nennt

Besondere

Ausscheiden aus dem Kanzleramt in einem

Maischberger die „intime Gesprächssituation,

Gesprächs-

Podcast mit Deutschrock-Legende Udo Linden-

wenn keine Fernsehkameras drum herumste-

atmosphäre

berg regelmäßig über Rechtsextremismus und

hen, sondern allenfalls ein kleines Mikrofon“,

die deutsche Wiedervereinigung austauschen

was eine lockere Atmosphäre schaffe (Gastei-

würde? Sollte man sich dies eher nicht vorstel-

ger 2020). Damit unterscheiden sich Podcasts

len können, mag das vor allem an den konkre-

nicht nur vom Fernsehen, sondern auch vom

ten Personen liegen. Denn grundsätzlich ist im

Hörfunk, der in seiner Mehrheit heute mit nur

neu entstehenden Podcast-Universum vieles

kurzen Wortbeiträgen auskommt.

möglich. Unkonventionelle Kombinationen von

Die Hörer* nehmen die besondere Atmo-

Gesprächspartnern*, ein Mix verschiedener

sphäre des Podcastings wahr und belohnen

journalistischer Formate innerhalb einer Fol-

sie mit Wertschätzung. Jedenfalls scheinen die

ge, vermeintlich völlig abseitige Themen und

Audio-Dateien aus dem Internet immer mehr

vieles andere mehr.

in Mode zu kommen. „Faszination Podcasts:

Der Podcast-

Die Artenvielfalt ist eines der prägenden

Warum das Audio-Format im Netz immer be-

Boom

Charakteristika des Podcastings. Ein wei-

liebter wird“ (Berliner Zeitung, 21.1.2020),

teres besteht in der besonderen Gesprächs­

„Einfach mal reden lassen: Podcasts liegen voll

atmosphäre, die bei einem Podcast entstehen

im Trend“ (Augsburger Allgemeine, 15.4.2019),

kann. Im September 2020 hat die TV-Talk-­

„Auf die Ohren: Warum der Podcast-Markt

Moderatorin Sandra Maischberger ihren eige-

wächst und wächst“ (Zeit Online, 21.5.2020) –

nen, gleichnamigen Podcast (PC) gestartet, in

solche und ähnliche Schlagzeilen sind in den

dem sie Prominente wie den Drogerie-Gründer

Medien seit einigen Jahren immer wieder zu

Dirk Rossmann, den Filmregisseur Werner Her-

lesen. Es werden Podcast-Preise verliehen, es

zog, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn

finden Podcast-Festivals statt. Und mit Über

1 Die Autoren* möchten in ihrem Text zwar alle Geschlechter erfassen, aber auch den Lesefluss bestmöglich bewahren. Deshalb haben sie sich für eine Variante entschieden, bei der das Maskulinum mit einem Genderstern versehen wird.

5


Den richtigen Ton treffen

Podcasts hat der Deutschlandfunk Kultur so-

und Teaser wahr, ohne auf den ausführlichen

gar eine erste Sendung gestartet, die sich al-

Text oder das dazugehörige Video zu klicken.

lein dem Podcasting widmet. Die Zahlen spre-

Podcasts indes zeichnen sich durch ihre Aus-

chen indes eine noch nicht ganz so deutliche

führlichkeit aus: Es gibt zwar auch den fünf-

Sprache: Nach verschiedenen Umfragen hört

minütigen Nachrichten-Podcast, der alles We-

erst ein Viertel der in Deutschland lebenden

sentliche in Kürze zusammenfasst, daneben

Menschen über 14 Jahre mindestens einmal im

existieren aber auch viele ein- bis zweistündige

Monat einen Podcast. Allerdings bewegen sich

Info-Formate.

die jährlichen Wachstumsraten im deutlich

Eine weitere Besonderheit der deutschen

zweistelligen Bereich. Und: Rund ein Viertel

Podcast-Landschaft: Diese ausführlichen For-

der 14- bis 29-Jährigen hört sich mindestens

mate muss man nicht lange suchen. Informa-

Ein „junges“

einmal pro Woche einen Podcast an. Es handelt

tion und Politik spielen im Podcast-Universum

Medium

sich derzeit also eher um ein „junges“ Medium.

eine durchaus gewichtige Rolle, so dass sich

Die Beliebtheit bei jungen Menschen lässt

vermuten lässt, dass das neue Medium auch

besonders aufhorchen. Denn in den vergange-

eine wichtige Informationsquelle hinsichtlich

nen Jahren haben sich jüngere Menschen vor

dieser Themen für die jüngeren Generationen

allem bei sozialen Medien wie Instagram oder

darstellt. Tabelle 1 gibt einen Überblick darü-

Facebook bedient, um sich über aktuelle Ereig-

ber, aus welchen Themenfeldern die Podcasts

nisse in Gesellschaft und Politik zu informie-

stammen, die im Monat November 2020 in den

ren. Oft nehmen sie dabei nur die Titelzeilen

deutschen Top-50-Charts der Audiostrea­ming-

Tabelle 1 Genres und Produzenten* der Top-50-Podcasts von Spotify (November 2020)

Themenfeld/ Produzenten*

Öffentlichrechtlich

Etabliertes Medienhaus

Private AudioDienstleister

Freie Medienschaffende

Spotify Original

Summe

Nachrichten

4

4

0

0

0

8

Politik

2

2

2

2

0

8

Wissen

4

0

0

1

1

6

True Crime

1

1

2

0

2

6

Comedy/Unterhaltung

2

0

3

6

2

13

Lifestyle/Sonstiges

0

1

4

5

2

12

Summe

13

8

11

14

7

53 Quelle: Eigene Erhebung.

6


Einleitung: Podcasts – das neue Info-Medium?

Plattform Spotify rangierten.2 Spotify ist die mit

Nachrichtenmagazine) sehr aktiv, aber auch

Abstand beliebteste Plattform unter den Jünge-

private Audio-Dienstleister und freie Medien-

ren, aber auch weltweit zusammen mit Apple

schaffende mit von der Partie sind.

Podcasts der bedeutendste Audiostreamer. Die

Diese Beobachtungen bilden den Aus-

Gesamtzahl 53 kommt durch die – allerdings

gangspunkt für die vorliegende Untersuchung.

sehr überschaubaren – Zu- und Abgänge im

Im Mittelpunkt steht die übergeordnete Frage,

Erhebungszeitraum zustande. Des Weiteren

welche Bedeutung Podcasts für die deutsche

Bedeutung für die

ordnet die Tabelle die Produzenten aus ver-

Medienkultur haben. Medien haben als wich-

Medienkultur …

schiedenen Bereichen (öffentlich-rechtlicher

tige Akteure der öffentlichen Kommunikation

Rundfunk, freie Medienschaffende etc.) den

allerdings auch eine große Bedeutung für die

Genres bzw. den dort gelisteten Podcasts zu.

Meinungsbildung. Somit liegt die Annahme

Es wird deutlich, dass die Genres „Come-

nahe, dass auch Podcasts – sofern regel­mäßig

dy und Unterhaltung“ sowie „Lifestyle und

und intensiv konsumiert – hier eine prägen-

Sonstiges“ (z. B. sogenannte Laber-Podcasts

de Rolle spielen können. Insbesondere der oft

von Promis oder spirituelle Formate) eindeu-

persönlich-intime Charakter von Podcasts, der

tig das Feld beherrschen. Nachrichten, Politik

die Wahrnehmungsgrenzen zwischen inter-

und Wissen (Corona-Infos, Naturwissenschaf-

personaler und öffentlicher Kommunikation

ten etc.) – also Informations- und Bildungs-

verschwimmen lässt, dürfte diese Funktion

formate – machen aber immerhin zwei Fünftel

verstärken.4 Deshalb wird in der vorliegenden

unter den am meisten gehörten Podcasts in

Studie auch spezifischer gefragt, welche Rolle

… und die

Deutschland aus. Die Dominanz der unterhal-

PC bei der politischen Meinungsbildung – ins-

öffentliche

tenden Formate wird bei der Übersicht in Tabel-

besondere bei jüngeren Menschen – spielen.

Meinungsbildung

3

le 1 zudem durch die eigenen PC-Produktionen

Zur Beantwortung dieser Forschungsfragen

(„Spotify Originals“) von Spotify verstärkt. Um-

gibt die Studie in den Kapiteln 2 bis 4 zunächst

fragen deuten darauf hin, dass unter allen Pod-

einen Überblick über die wichtigsten struktu-

cast-Nutzern* rund die Hälfte diese zu Informa-

rellen Entwicklungen des Podcastings und

tionszwecken hört. Bei den Nachrichten- und

ordnet das noch sehr unübersichtliche Feld.

Politikformaten fällt in Tabelle 1 ins Auge, dass

Dies beginnt mit einer Definition von Podcasts

hier die öffentlich-rechtlichen Sender und die

und einer Systematisierung journalistischer

etablierten Medienhäuser (Tageszeitungen,

PC-Formate (Kapitel 2), setzt sich fort mit den

2 Die Autoren* haben die Spotify-Top-50 im Rahmen einer Stichprobenanalyse ausgewertet. Die Top-Formate wurden an insgesamt sieben Stichtagen (künstliche Woche) im November 2020 erfasst und kategorisiert (siehe Anhang C). 3 Podcasts werden, weil der Bereich noch weitgehend unreguliert ist, auch von Akteuren* an den politischen Rändern genutzt. Diese werden in der vorliegenden Studie aber nicht weiter thematisiert, weil ihr Wirkungskreis hier im Vergleich zu sozialen Medien – von Einzelfällen abgesehen – (noch) sehr begrenzt scheint. 4 Der Prozess der individuellen politischen Meinungsbildung ist ohne Frage komplexer als hier skizziert. Er besteht unter anderem zusätzlich aus Wissens-, Erfahrungs- und Affekt-Komponenten (vgl. Schweiger 2017, Kap. 4).

7


Den richtigen Ton treffen

wichtigsten Wegmarken der technischen und

der Zeitschriften mit gesellschaftspolitischem

ökonomischen Entwicklung (Kapitel 3) und en-

Einschlag im Podcasts-Universum. Sie alle sind

det mit den zentralen soziokulturellen Trieb-

seit zwei Jahrzehnten von einer tiefgreifenden

kräften, die in den USA (als dem internatio-

Strukturkrise gezeichnet. Podcasts könnten für

nalen Vorreiter) und in Deutschland das neue

sie eine Chance sein, jüngere Mediennutzer*

Podcast-Universum geformt haben. Hier wird

für sich zu gewinnen – auch für kostenpflichtige

deutlich gemacht, dass es zwischen ca. 2005

Inhalte. Doch wie stark und wie geschickt nut-

Zwei große

und 2010 eine erste „Experimentierwelle“ ge-

zen sie diese Chance? Kapitel 8 beschließt den

Wellen

geben hat, die ab etwa 2017 von einer nachhal-

empirischen Teil der Studie durch eine qualita-

tigen „Etablierungswelle“ abgelöst worden ist.

tive Analyse ausgewählter Podcast-Angebote.

Deshalb soll in den Kapiteln 5 bis 7 untersucht

Einschlägige Studien (Kramp/Weichert 2017;

werden, welche Akteure* in welchem Ausmaß

Kümpel 2020) unterstreichen, dass das jünge-

heute auf dem Feld der informierenden Pod-

re Publikum trotz (oder gerade auch wegen)

casts aktiv sind. Kapitel 5 widmet sich dabei

seiner Social-Media-Neigung den etablierten

den unabhängigen Podcast-Machern*, den

Medienmarken (Öffentlich-Rechtliche, große

sogenannten Indies (vom Englischen „inde-

Verlagshäuser) einen Vertrauensvorschuss ge-

pendent“ = unabhängig), aber auch anderen

währt. Deshalb soll überprüft werden, ob diese

Einzelpersonen (Wissenschaftler*, Politiker*)

Medienmacher* dem entgegengebrachten Ver-

sowie Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

trauen auch beim Podcasting gerecht werden.

Journalistische

und Unternehmen, die das Podcasting für sich

Denn das Einhalten journalistischer Qualitäts-

Qualitätskontrolle

entdeckt haben und so Einfluss auf die öffent-

maßstäbe (Transparenz der Recherchequellen,

liche Meinungsbildung nehmen wollen. Kapi-

Unabhängigkeit, Kennzeichnen von Meinun-

tel 6 beschäftigt sich mit den privaten Radio-

gen etc.) ist unabdingbare Voraussetzung da-

sendern und hier zumeist den musiklastigen

für, dass die politische Meinungsbildung auf

Formaten („Dudelwellen“), die nun durch den

faire und seriöse Weise erfolgt – und ein be-

Boom des gesprochenen Wortes vor einer neu-

kannter Name ist zwar ein Hinweis darauf, aber

en Herausforderung stehen. Darüber hinaus

keine Garantie.

8

beleuchtet Kapitel 6 die Podcast-Aktivitäten

Die vorliegende Studie durchziehen drei

der Öffentlich-Rechtlichen. Insbesondere geht

Kerngedanken bzw. Hypothesen, die am

es um die Suche des ARD-Hörfunks nach einer

Schluss (Kapitel 9) noch einmal aufgegriffen

geeigneten Strategie, um mit seiner Audiothek

und diskutiert werden sollen:

verstärkt auch jüngere Hörer* zu erreichen,

Die deutsche Podcast-Szene hat zwar eine

die bisher vorrangig private Plattformen wie

Professionalisierung und Ansätze zu einer

den Streamingdienst Spotify frequentieren.

Kommerzialisierung durchlaufen. Sie ist

Schließlich beleuchtet Kapitel 7 die Aktivitä-

aktuell jedoch weiter von einer bewahrens-

ten der Tages- und Wochenzeitungen sowie

werten Kultur der (Meinungs)Vielfalt, des


Einleitung: Podcasts – das neue Info-Medium?

thematischen Tiefgangs und des offenen

folgten E-Mail-Anfragen an diverse Medienver-

Quellen und

Dialogs geprägt.

bände und mehr als 50 Tages- und Wochenzei-

Methoden

Nicht nur die etablierten Medienmarken,

tungen wurden für eine Umfrage über deren

auch „unabhängige“ Produktionen tragen

Pod­cast-Aktivitäten angeschrieben (Vorgehen

positiv zur politischen Meinungsbildung

und Ergebnisse in Kapitel 6.3). Darüber hi­

von jüngeren wie älteren Mediennutzern*

naus erfolgte eine systematische Auswertung

bei. Insgesamt gibt es aber noch Optimie-

der Podcast-Produktionen von ausgewählten

rungspotenzial.

Privat­radios und politischen Zeitschriften. Die

Neben den Machern* spielen auch die

Podcasts wurden hier verschiedenen Katego-

Audio­streaming-Plattformen eine wichtige

rien (Unterhaltung, Information etc.) zugeord-

Rolle für die Podcast-Kultur wie für die Mei-

net und teilweise auch inhaltlich analysiert.

nungsbildung: In vielen Ländern der Welt,

Mit Verantwortlichen ausgewählter Medien

darunter auch Deutschland, bahnt sich

(ARD-Tagesschau, Süddeutsche Zeitung, Der

eine Entwicklung hin zu einer Vormacht-,

Spiegel) wurden Leitfaden-Interviews geführt,

ja Mono­polstellung von Spotify an. Dies

um Hintergrund-Informationen für Fallbeispie-

könnte negative Auswirkungen auf die Mei-

le über die Podcast-Strategien dieser Medien

nungsvielfalt haben.

zu erhalten. Nicht zuletzt wurden mehrere Hundert Podcasts gesichtet, angehört und

Neben der Auswertung einschlägiger Fachlite-

ausgewertet. Detaillierte Informationen zur

ratur und von Presseartikeln zum Thema wur-

qualitativen Inhaltsanalyse (Kap. 8), zur Um-

de für diese Studie eine qualitative Inhalts-

frage bei den Tages- und Wochenzeitungen

analyse von zehn populären Politik-Podcasts

sowie zur Erhebung der Podcast-Aktivitäten

durchgeführt, deren Ergebnisse und Methodik

der Privat­radios befinden sich im Anhang zu

in Kapitel 8.4 vorgestellt werden. Zudem er-

dieser Studie.

9


Den richtigen Ton treffen

2 Form und Charakter: Die Spezifika des Podcastings

Podcasts sind wie Radio ein sprachbasiertes

2.1 Radio, nur anders?

Medium. Gleichwohl gibt es gravierende Unterschiede, die Podcasts zu einem eigenständigen

Podcast – der Begriff klingt zunächst einmal

Medium machen (Kapitel 2.1). Ihre spezifischen

etwas außergewöhnlich und damit erklärungs-

Podcast ist ein

Charakteristika prädestinieren Podcasts gewis-

bedürftig. Es handelt sich um ein sogenanntes

„Kofferwort“

sermaßen für anspruchsvolle Inhalte aus den

Kofferwort, das sich aus zwei englischen Wör-

Feldern Information und Wissen (Kapitel 2.2).

tern zusammensetzt: „Pod“ bezieht sich auf

Dementsprechend orientieren sich die journa-

den iPod, den MP3-Player des US-Konzerns

listischen Formate des Podcastings stärker an

Apple, der die Entwicklung des Podcastings in

denen des wortbasierten Programmradios (z. B.

den ersten Jahren maßgeblich vorangetrieben

Kultursender) als am musiklastigen Format­radio,

hat. „Cast“ bedeutet Radio- oder Fernsehsen-

den sogenannten Dudelwellen (Kapitel 2.3).

dung.

Die Charakteristika von Podcasts Podcasts lassen sich wie folgt formal und technisch charakterisieren und damit definieren: Es handelt sich um digitale Audiodateien, die über eine Internetverbindung direkt angehört werden (Streaming) oder für den späteren Gebrauch auf das eigene Endgerät heruntergeladen werden können (Downloads). Grundsätzlich sind sie für die Medienkonsumenten* jederzeit verfügbar und nutzbar

(„on demand“). Podcasts sind in aller Regel wortbasiert. Es sprechen Menschen (miteinander).

Der Musik­anteil ist bestenfalls gering. Ein Podcast besteht aus mehreren, thematisch vergleichbaren Episoden. Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff Podcast sowohl den „Serientitel“ als auch die einzelne Folge einer Serie. Genau genommen ist mit Podcast aber die Serie gemeint. Die Produzenten* von Podcasts platzieren diese auf Websites (z. B. eines Nachrichten­ magazins), auf mobilen Apps oder auf den Plattformen von Audio-Streamingdiensten. Nutzer* können diese dort abonnieren, um automatisch neue Folgen auf ihren Endgeräten angeboten zu bekommen. Für den Konsum sind digitale Endgeräte wie Smartphone, Smart Speaker (beispielsweise Amazons „Alexa“ etc.), Tablet, Notebook oder digitale Empfangstechnologien in Autos (In-Car-Entertainment-Systeme) notwendig.

10


Form und Charakter: Die Spezifika des Podcastings

Was macht – neben diesen formalen und

bei Podcasts macht laut Umfragen ein wesent-

technischen Aspekten – inhaltlich den spezi-

licher Teil der Nutzer* während des Hörens zu-

fischen Charakter des Podcastings aus? Ist es

gleich andere Dinge (vgl. Kapitel 4.4). Über die

wie Radio, nur ein bisschen anders? Tatsäch-

Hälfte gibt jedoch an, sich PC ganz bewusst

lich weist das Podcasting eine wesentliche Ge-

anzuhören – vor allem auch nachdem sie ganz

meinsamkeit mit dem klassischen Hörfunk auf:

gezielt ausgewählt (und meist auch abonniert)

Die Texte müssen so formuliert werden, dass

worden sind und man nicht mehr oder minder

sie genau in dem Augenblick, in dem sie ge-

zufällig in einer Sendung gelandet ist. Wenn,

sprochen werden, allgemein verständlich sind

dann gibt es hier also größere Parallelen zum

und idealerweise Bilder im Kopf der Rezipien-

anspruchsvolleren wortbasierten Programm­

ten* entstehen lassen (Bucher/Barth 2003).

radio als zu musiklastigen Sendungen.

Darüber hinaus sind die wichtigsten journalis-

Ein weiterer Unterschied: Das Radio ist in

tischen Formate von Podcasts stark dem Radio­

Gestalt des tragbaren Empfängers oder des

machen entlehnt (vgl. Kapitel 2.3).

Autoradios ein ausgesprochen ortsunabhängi-

Bilder im Kopf

Es bestehen aber auch mehr oder minder

ges, mithin mobiles Medium – und zwar lange

große Unterschiede, wie sie in der Übersicht

bevor es über Smartphones empfangbares On-

von Tabelle 2 erkennbar werden. Radio gilt ge-

line-Radio gegeben hat. In begrenztem Maße

Orts- und

meinhin als klassisches Begleitmedium, das

ist es inzwischen auch zeitunabhängig, vor al-

zeitunabhängig

gehört wird, während der Nutzer* zugleich

lem seit Radiosender Audiotheken eingerichtet

nutzbar

andere Aktivitäten ausführt (Autofahren, Auf-

haben und einzelne Sendungen heruntergela-

räumen etc.). Dies gilt besonders für Sender,

den werden können. Podcasts sind hingegen

die einen hohen Musikanteil aufweisen. Auch

quasi von Natur aus sowohl orts- als auch zeit­

Tabelle 2 Vergleich der Charakteristika von Radio und Podcast

Radio

Podcast

(Häufig) Begleitmedium

Bewusst-aktive Nutzung

Lineares Programm

Episoden

Meist musikbasiert

Wortbasiert

Ortsunabhängig

Orts- und zeitunabhängig

Passive Nutzung/„Gewohnheitsmedium“

Aktive persönliche Auswahl (Abonnement)

Massenmedium (möglichst großes Publikum)

Relativ spezifische Zielgruppen

Quellen: XPLR (2020: 4-5); Oehmichen/Schröter (2009: 9-10); eigene Beobachtungen.

11


Den richtigen Ton treffen

unabhängig. Darüber hinaus versteht sich das

gewisses Spannungsverhältnisverhältnis zwi-

Radio aufgrund seiner Entstehungsgeschichte

schen Professionalität und Authentizität, das

als Massenmedium, das ein möglichst großes

sich nicht immer auflösen lässt und bei dem sich

Publikum ansprechen will. In den vergangenen

Podcasts zumeist für die Echtheit entscheiden.

Jahrzehnten hat zwar eine gewisse Ausdiffe-

Insgesamt weisen Podcasts zwar eine ge-

renzierung hin zu einer größeren Anzahl von

wisse Verwandtschaft zum Radio und dabei

Spartenprogrammen stattgefunden, diese sind

vor allem zu dessen non-linearer Variante mit

jedoch nicht das prägende Merkmal des klas-

theken und Downloads auf. Trotzdem Audio­

sischen Rundfunks. Im Gegensatz dazu stehen

sind Podcasts nicht einfach nur als weiterer

Podcasts, die von vornherein eher eng defi-

Audio-­Kommunikationskanal zu betrachten,

Eigenständiges

nierte, spezifische Zielgruppen adressieren.

sondern als eigenständiges Medium. Denn zum

Medium

Podcasts, die strategisch auf die große Masse

einen zeichnen sich Podcasts durch ihre eigene

zielen, bilden (bisher) die Ausnahme.

Kultur (vgl. Kapitel 4.1 und 4.2) und damit auch

Und schließlich liegt ein Unterschied in der

durch eine eigene „Sprache“ – im wahrsten

Tonalität beider Formate. Das Smartphone ist

wie im übertragenen Sinne des Wortes – aus.

das meistgenutzte Endgerät, sodass der Pod-

Zum anderen sind Produktion, Bereitstellung

cast über den Kopfhörer direkt ins Ohr der Hö-

und Empfang deutlich anders organisiert und

rer* geht. Dadurch wird ein Gefühl von Nähe und

institutionell verankert als zum Beispiel beim

Intimität erzeugt, die Rezipienten* fühlen sich

Hörfunk, allein schon durch die zentrale Posi­

direkt angesprochen (Preger 2019: 18). Darin

tion großer Audio-Streamingdienste wie Spoti­

unterscheiden sich Podcasts in der Regel auch

fy und Apple Podcasts.

von „Zweitverwertungen“ aus dem linearen Radio­programm, die wie PC zum Beispiel in eine Audiothek hochgeladen werden. Bei den zweitverwerteten Audiodateien handelt es sich meist

12

2.2 Die Artenvielfalt der deutschen Podcast-Szene

um einzelne Radiobeiträge ohne An­moderation

Sogenanntes Formatradio mit viel Musik und

oder um ganze Sendungen. Zur Tonalität ge-

nur sehr kurzen Wortbeiträgen bestimmt die

hört zudem noch ein weiterer Aspekt, der

Sendekonzepte einer Vielzahl privater Radio­

Pod­casts von Radiosendungen unterscheidet.

stationen in Deutschland (vgl. Kapitel 6.3). Aber

Larissa Vassilian, eine Podcasterin der ersten

auch die meisten öffentlich-rechtlichen Radio-

Auch mal mit

Stunde, formuliert es so: „[D]as, was Podcasts

sender weisen eine starke Dominanz von Musik

Dialekt und

vom Radio unterscheidet, ist, dass die Leute

und kürzeren Beiträgen mit buntem Charakter

Schmatzlauten

Dia­lekt sprechen, auch mal schmatzen und eben

auf, wenngleich hier der Anteil informieren-

keine perfekten Moderations-Maschinen sind,

der Elemente deutlich höher ist. Bei Podcasts

sondern authentische Menschen am Mikrofon.“

deutet ein Blick auf die existierenden Formate,

(zitiert nach XPLR 2020: 21) Es herrscht also ein

geordnet nach verschiedenen Kategorien, hin-


Form und Charakter: Die Spezifika des Podcastings

gegen die thematische Breite und die enorme

Eindeutig an der Spitze rangieren aber:

Angebotsvielfalt bereits an (Tabelle 3). Unter-

Info-, Wissens- und Lernbeiträge mit

Information

haltung bildet zwar eine zentrale Säule, die an-

55,1 Prozent der Nutzer*, die mindestens

und Wissen

deren Kategorien haben in ihrer Mehrzahl je-

einmal pro Monat einen Podcast dieser

dominant

doch informierenden Charakter oder üben eine

Kate­gorie hören

Ratgeber-Funktion aus (auch hier wird noch

Unterhaltung und Comedy mit einem Anteil

einmal die Verwandtschaft zum wortbasierten Programmradio deutlich). Die Hauptthemen

von 46,6 Prozent und Nachrichten mit 46,2 Prozent.

(z. B. Fitness) werden dabei nochmals in viele

Rund ein Viertel der Befragten gab zudem

kleine Nischen (z. B. „CrossFit“ als Unter­thema

auch an, Formate mit regionalen und lokalen

in der Kategorie Fitness) unterteilt.

Informationen zu nutzen (Bayerische Landes­

Entsprechend divers ist auch die Nachfrage. Wie die Erhebungen der Landesmedienanstal-

medienanstalt für neue Medien et al. 2020: 59).5

ten im jährlichen Online-Audio-Monitor zeigen,

Es zeigt sich deutlich, dass Information und

interessieren sich die Nutzer* für ein breites

Wissen die Szene dominieren. Dies spiegelt

Spektrum an Angeboten: Von Musik und Hör-

sich beispielsweise auch in den täglich aktua-

spielen über Ratgeber- und Coaching-Podcasts

lisierten Podcast-Charts von Spotify wider. Hier

bis hin zu Krimis und echten Kriminalfällen

stehen zwar Comedy-Podcasts wie Gemischtes

(True Crime) sowie Sport.

Hack oder Fest und Flauschig ganz oben. Aber

Tabelle 3 Einteilung von Podcasts in verschiedene Kategorien

Information

Unterhaltung

Kultur

Ratgeber

Sonstiges

Nachrichten

Unterhaltungs­ shows

Filme/Fernsehen

Fitness und Gesundheit

True Crime

Politischer Hintergrund

Comedy

Bücher

Religion und Spiritualität

Sport

Wissen und Wissenschaft

Lifestyle

Musik

Kinder, Familie, Beziehung

Technik/IT

Wirtschaft und Business

Gaming

Fiktion

Coaching und Selbstoptimierung

Quelle: Eigene Darstellung, abgeleitet von den Kategorien bei Spotify und Google Podcasts.

5 Die Aussagen werden dadurch etwas verwässert, dass neben Podcasts auch Radiosendungen auf Abruf abgefragt wurden. Diese haben allerdings einen ähnlichen Charakter, weil sie zwar nicht abonniert, aber auch per Download oder Stream gehört werden. Zudem wird der Unterschied von den Nutzern* häufig nicht erkannt bzw. er ist ihnen egal.

13


Den richtigen Ton treffen

Abbildung 1

Konkrete Themenfelder bei der Nutzung von Podcasts 2020 (in Prozent) Politik und Gesellschaft

51,0

Wissenschaft und Technik

42,4

Freizeit, Hobbies, Games

41,9

Gesundheit

37,3

Natur und Umwelt

33,4

Wirtschaft

29,9

Filme und Serien

25,0

Kunst und Kultur

24,2

Kinder und Familie

16,1

Liebe und Erotik

12,6

Religion

10,8 0

10

20

30

40

50

60

Prozent Frage: Und zu welchen Themen hören Sie Podcasts? Angaben in Prozent, Basis: 14,098 Millionen Online-Radio-Nutzer ab 14 Jahre in Deutschland, die Podcasts bzw. Radiosendungen auf Abruf mindestens einmal im Monat hören (n=1.897). Quelle: Bayerische Landesmedienanstalt für neue Medien (2020: 60). Eigene Darstellung.

Formate

Podcasts aus den verschiedenen „ernsten“

mation und Wissen zu vermitteln – bedienen

vom Hörfunk

Bereichen wie Nachrichten, Hintergrundinfor-

sich meist bei Formaten, wie sie der Journalis-

entlehnt

mation, Naturwissenschaft und Geschichte

mus und dabei vor allem der Radio-Journalis-

„durchsetzen“ gewissermaßen die Top-50 (vgl.

mus schon länger kennt. Am gängigsten sind

Kapitel 8.3). Wie Abbildung 1 zeigt, wird das

die One-Man- bzw. One-Woman-Show, der Dia­

Bild noch klarer beim Blick auf konkrete The-

log, das Interview, die Reportage und das Ma-

menfelder, die bei den Online-Audio-Nutzern*

gazin-Format. Es gibt aber natürlich auch Hy­

abgefragt wurden.

brid-Formen, bei denen etwa das Zwiegespräch zwischen zwei Moderatoren* durch vereinzelte

2.3 Gängige Formate journalistischer Podcasts

14

Interviews mit Gästen aufgebrochen wird. Die fünf Formate werden im Folgenden vorgestellt.

Bei der Gestaltung von Podcasts sind der Fan-

Die One-Man-Show/One-Woman-Show

tasie der Macher* grundsätzlich keine Grenzen

Bei diesem Format bestreitet der Moderator* –

gesetzt. Gerade aber PC mit journalistischem

in der PC-Szene „Host“ genannt – im Allein-

Anspruch – dort also, wo es darum geht, Infor-

gang die „Sendung“. Die Solo-Show ist nicht


Form und Charakter: Die Spezifika des Podcastings

sehr aufwändig und schnell in der Produktion.

ein gewisses Gefälle, weil ein Host* dem un-

Meist müssen nur einige Schnitte bei größeren

vorbereiteten anderen ein Thema erklärt. In

Versprechern oder Hängern gemacht werden,

aller Regel herrscht ein freundliches Miteinan-

weshalb das Format auch häufig im nicht- oder

der mit wenig Diskussion, meist geht es dia-

semiprofessionellen Bereich verwendet wird.

logisch-konsensual zu. Das Dialog-Format ist

Die dramaturgische Herausforderung besteht

also mehr Diskurs als Disput. Polemische Wort­

allerdings darin, als alleiniger Host* über fünf

gefechte, wie sie aus politischen Talkshows im

Sonderfall

oder auch 45 Minuten den Spannungsbogen

Fernsehen geläufig sind, kennen diese Pod-

„Laber-Podcast“

aufrecht zu halten. Bei aufwändigeren Produk-

casts nicht. Dabei herrschen zwei Varianten vor.

tionen startet in der Regel ein vorproduziertes,

Bei der ersten Variante handelt es sich um

musikalisch unterlegtes Intro den PC. Zudem

den sogenannten Laber-Podcast, der vermeint-

werden Musik-Jingles eingespielt, um einzelne

lich ohne festes Konzept auskommt, aber doch

Themen voneinander zu trennen.

gewisse Ankerpunkte aufweist. Es gibt zwar nur

Zu den bekanntesten One-Man-Shows

ein Thema, häufig weichen die Gesprächspart-

gehört das Handelsblatt Morning Briefing

ner* aber davon ab, um Anekdoten zum Besten

Hier geht’s zum

von Hans-Jürgen Jakobs, „Senior Editor“ der

zu geben – also um einfach nur zu „labern“.

Handelsblatt

dorf erscheinenden Wirtschafts­ in Düssel­

Diese Variante ist eher im Bereich Comedy/Life­

Morning Briefing,

tageszeitung. Obgleich aktuelle Meldungen

style anzutreffen, etwa beim sehr populären PC

im Mittel­punkt stehen, die von einem profes-

Gemischtes Hack von Felix Lobrecht und Tommi

sionellen Host eingesprochen werden, handelt

Schmitt. Laber-Podcasts eignen sich generell

es sich nicht um eine reine Nachrichtensen-

eher nicht für die journalistische Vermittlung.

dung, die ein Maximum an Neutralität anstrebt.

Die andere Variante hat keinen festen Na-

Vielmehr versieht Jakobs die Themen oft mit

men, zeichnet sich aber durch eine klare Struk-

launigen Kommentaren und ordnet sie mit ei-

tur aus. Vieles ist genau durchchoreografiert,

nigen wenigen Sätzen in das Weltgeschehen

das heißt, es ist vorab festgelegt, welche As-

ein. Ein Beispiel aus dem semiprofessionellen

pekte eines Themas angesprochen und welche

Sektor ist der Female Leadership Podcast von

Kernaussagen dazu getroffen werden. Einer-

Vera Strauch, „Expertin für New Work“ (Selbst­

seits sind solche PC klarer in ihrer Struktur, The-

... zum Female

beschreibung des Podcasts), die weitgehend

mensetzung und Aussage, andererseits bleibt

Leadership

im Alleingang Wissen zu Führungsmethoden,

weniger Raum für spontane Eingebungen. In je-

Podcast

Karriere und Wirtschaft vermittelt.

dem Fall dürfte aber der Erkenntnisgewinn nach

... zu Gemischtes Hack,

dem Hören eines solchen PC im Regelfall höher Der Dialog

sein als bei einem Laber-Podcast. Ein Beispiel

Beim Dialog sprechen zwei – oder selten auch

für diesen Typus ist der PC Wohlstand für alle,

mehr – Hosts* gleichberechtigt über eines oder

in dem Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt

... und zu Wohl-

mehrere Themen. In Ausnahmefällen entsteht

über Wirtschaftssysteme und volkswirtschaft-

stand für alle

15


Den richtigen Ton treffen

Erklären

liche Geldkreisläufe sprechen (der von einem

eine neutrale Sachlichkeit, die das Erklären

und Verstehen

Buchtitel Ludwig Erhards entliehene Titel des

und Verstehen fördern will.

Podcasts ist dabei ironisch gemeint). Die Reportage Das Interview

Im streng journalistischen Sinne handelt es

Beim Interview-PC befragt ein Host* Prominen-

sich bei einer Reportage um eine Aneinan-

te, unabhängige Experten* (beispielsweise

derreihung vom Autor* selbst erlebter Sze-

Wissenschaftler*) oder andere Funktionsträ-

nen. In der medialen Praxis wird der Begriff

ger* (wie Verbandschefs* oder Fraktionsvor-

„Reportage“ meist synonym mit dem Feature

sitzende*). Bei Podcasts von Medienhäusern

eingesetzt: Ein Sachtext wird durch szenische

interviewt der Host* oft auch Redakteure*. Es

Elemente am Anfang und am Ende, teils auch

existieren aber auch Mischformen, wie etwa

in der Mitte ergänzt. Bei Podcasts ist das Re-

bei Hielscher oder Haase von Deutschlandfunk

portage-Konzept noch weiter gefasst: Meist

Nova: Zwei sich wöchentlich abwechselnde

ist darunter ein gelesener Text zu verstehen,

Moderatoren* interviewen täglich entweder

der sich aber stark an gesprochener Sprache

fachkundige Mitglieder der Redaktion oder ex-

orientiert, unterbrochen von O-Tönen von Inter-

terne Experten* zu aktuellen Themen. Das For-

viewpartnern* und aus anderen Quellen sowie

mat ist dabei mit ca. fünf Minuten recht kurz.

teils atmosphärischen Geräuschen (Bahnhof,

Zwischen zehn und 30 Minuten lang sind

16

Börse, Demonstration etc.).

hingegen die Interviews des 16-jährigen Fran-

Ein typischer Reportage-Podcast ist Affäre

Hier geht’s

cesco Ruben Guiliano, der in Politik mit Stil

Deutschland von einem Autoren*team, das den

zu Hielscher

Landes­politiker*, aber auch die erste Garde

PC zunächst exklusiv für die Plattform FYEO

oder Haase,

auf nationaler Ebene (wie Bundestagspräsi-

produziert hat. Es geht um den Parteispenden­

dent Wolfgang Schäuble oder Fabio di Maso,

skandal der CDU, der im Jahr 2000 aufgeflogen

den stellvertretenden Vorsitzenden der Linken-­

ist und der die Partei vorübergehend in Exis-

Bundestagsfraktion) vors Mikrofon bekommt.

tenznöte brachte. Das Autoren*team rekonstru-

Während bei Hielscher oder Haase ein längeres

iert die Affäre. Eine*r von ihnen liest das Skript,

… zu

Intro des jeweiligen Hosts* dazugehört, steigt

das immer wieder durch eingespielte O-Töne

Politik mit Stil

Guliano ohne Umschweife mit der ersten Frage

aufgelockert wird. Die Originaltöne stammen

ein. Beide Formate wie auch die meisten an-

von aktuellen Interviewpartnern* sowie „aus

deren Interview-Podcasts zeichnen sich zwar

der Konserve“ von damals Beteiligten, wie Ex-

nicht unbedingt durch einen konfrontativen

Bundes­kanzler Helmut Kohl, und aus Nachrich-

Stil gegenüber den Gesprächspartnern* und

tensendungen. Für Affäre Deutschland erhiel-

… und zu Affäre

durch ein resolutes Nachhaken bei unzurei-

ten die Autoren* Ende 2020 den renommierten

Deutschland

chend beantworteten Fragen aus, doch sie sind

Deutschen Reporterpreis, welcher damit erst-

auch keineswegs devot. Im Vordergrund steht

mals an einen Podcast vergeben wurde.


Form und Charakter: Die Spezifika des Podcastings

Das Magazin

Shownotes – also die schriftlichen Zusatzinfor-

Angelehnt an Magazinsendungen des klassi-

mationen zur Podcast-Folge, die meist weiter-

schen Hörfunks arbeitet das Format mit festen

führende Links zu im Podcast angesprochenen

Strukturen, allerdings ohne längere Musik­

Themen enthalten – und die sozialen Medien

strecken zwischen den Wortbeiträgen, wie

der Zeitung als Kontaktpunkte. Steingarts Mor-

dies beim Radio der Fall ist. Oft gibt es nur ei-

ning Briefing als weiteres Beispiel eines Maga-

nen Musikteppich oder kurze Jingles als musi­

zin-PC ist umfangreicher und aufwändiger in der

kalische „Trenner“ zwischen einzelnen Beiträ-

Produktion, da er oft mit externen Gesprächs-

gen. Der Host* moderiert das Magazin, das aus

partnern* angereichert ist und eine recht breite

mehreren unterschiedlichen Komponenten

Themenpalette (über Politik und Wirtschaft bis

Magazine

besteht. Meist handelt es sich hierbei um fes-

hin zur Kultur) behandelt. Zudem verändert sich

mit festen

te Programmplätze, auf die sich der Nutzer*

der Ablauf des Podcasts des Öfteren.

Programmplätzen

einstellen kann, z. B. um einen kurzen Börsenbericht, den immer dieselbe Person vorträgt. Die Magazin-PC dienen vor allem der täglichen

2.4 Zwischenbilanz

Information und funktionieren ähnlich wie eine

Podcasts können und müssen als eigenständi-

morgendliche Magazinsendung im Radio, nur,

ges Medium verstanden werden. Im Gegensatz

dass sie viel kompakter und nicht immer so um-

zum linearen Radio sind Podcasts zum Beispiel

fassend sind und außerdem meist nicht länger

nicht orts-, sondern auch zeitunabhängig kon-

als 20 Minuten dauern.

sumierbar. Die Nutzer* suchen sich PC häu-

Ein typischer Magazin-PC ist der Auf­wacher

fig sehr gezielt nach ihren persönlichen und

der Rheinischen Post aus Düsseldorf. Das For-

situa­tiven Bedürfnissen aus und hören des-

mat hat eine gewisse überregionale, stilbil-

halb meist aufmerksam zu, während das Radio

dende Bekanntheit erlangt, zumal es den Auf-

eher „mitläuft“. Eine geistige Verwandtschaft

wacher bereits seit Ende 2016 gibt. Der PC ist

ist, wenn überhaupt, am ehesten also zum

grundsolide produziert, allerdings auch ohne

wortbasierten Programmradio festzustellen –

viel Beiwerk. Er beginnt mit einem Intro, in dem

nicht nur in der Form, sondern auch in Hinblick

Hier geht’s zu

der Host die Themen ankündigt und kurz die

auf die Inhalte: Informations-, Wissens- und

Steingarts

Wetter­aussichten referiert. Den Kern machen

Ratgeberkategorien herrschen laut Nutzer*um-

Morning Briefing

zwei Themen aus, die regionalen wie über­

fragen bei Podcasts vor. Die dominierenden

regionalen Charakter haben können, und für

Formate der anspruchsvolleren, journalistisch

die der Host zwei Fachredakteure* interviewt.

gestalteten Podcasts zeichnen sich ebenfalls

Es folgt die Rubrik „Das wird heute wichtig“

durch eine konzeptionelle Ähnlichkeit zum

über bevorstehende Ereignisse des Tages.

Programmradio aus, wenngleich die Tonalität

... und zum

In der Abmoderation ruft der Host die Hörer*

bei Podcasts meist etwas lockerer und alltags-

Aufwacher

zur Interaktion auf und verweist dabei auf die

sprachlicher ausfällt.

17


Den richtigen Ton treffen

3 Technik und Geschäft: Von Websites zu Spotify

Wer über Podcasts redet, meint wahrschein-

den Beach Boys, die live aufgenommen, auf

lich meistens bekannte Formate, vielleicht aber

einer Webseite hochgeladen und dann von den

auch Spotify und Apple. Sie bilden die zen­tralen

Nutzern* gestreamt werden können. Die Inter-

technischen und ökonomischen Plattformen,

view-Reihe erweist sich insofern als stilprägend,

das Bindeglied zwischen Produzenten* und

als viele der ersten PC Popmusik zum Thema ha-

Nutzern*. Apple hat zwischen 2005 und 2012

ben. Als „Vater des Podcasts“, gewissermaßen

„Podfather“

für die ersten großen technologischen Schübe

als „Podfather“, gilt gemeinhin Adam Curry:

Adam Curry

gesorgt (Kapitel 3.1), während Spotify vor allem

Der ehemalige MTV-Moderator und Start-up-

in jüngerer Zeit dem globalen, aber auch dem

Gründer lanciert im Sommer 2004 den PC Daily

deutschen Markt seinen Stempel aufdrückt.

Source Code, in dem er – ähnlich wie später

Trotz dieser starken Position von Spotify und

die ersten YouTuber* – sein Leben in einer Art

Apple sind zahlreiche andere Anbieter in der

medialem Tagebuch festhält (Lührmann 2019:

weithin zerklüfteten Podcast-Landschaft ak-

27). Wenig verwunderlich ist deshalb, dass das

tiv (Kapitel 3.2). Den Wertschöpfungsketten

Format zunächst auch als „Audio-­Blogging“ ge-

der großen Plattformen vorgeschaltet sind

läufig ist. Anfang 2004 prägt Ben Hammersley,

App-­Betreiber, Pod­cast-Studios, technische

ein Journalist der britischen Tages­zeitung The

Dienstleister und Allround-Audiodienstleister

Guardian, in einem Artikel den Terminus Pod-

wie Pod­cast360 aus Berlin. Darüber hinaus

cast. Ein Jahr später bereits findet der Begriff

scheint der Podcast-Markt bisher noch nicht

Aufnahme in das Oxford American English Dic-

Britisches

allzu stark vom Kommerz durchdrungen, den-

tionary und wird in Großbritannien zum „Wort

„Wort des Jahres“

noch spielen auch Vermarkter eine gewisse

des Jahres“ gekürt (Bonini 2015: 23). Dies ver-

2005

Rolle, denn Umsätze werden im Podcast-Uni-

deutlicht, dass es sich in der Frühphase des

versum bisher hauptsächlich mit Werbung ge-

Pod­castings primär um ein angel­sächsisches,

macht (Kapitel 3.3).

vor allem US-amerikanisches Phänomen handelt. Von hier kommen auch die entscheiden-

3.1 Die technologische Entwicklung

18

den Entwicklungsschübe. Grob gesprochen sind bislang zwei PC-­

Wann wurde der erste Podcast produziert und

Wellen durch die (Online-)Medienlandschaft

gehört? Niemand kann das mit absoluter Ge-

gerollt. Die erste Welle beginnt in den USA

wissheit sagen, zumal es auch eine Defini­

um 2004/05 herum und verebbt bereits weni­

tionsfrage ist. Fest steht nur, dass die globale

ge Jahre später. Die zweite, deutlich größere

Tech-Community im Jahr 2000 erste konzeptio­

und bis heute anhaltende Welle setzte sich

nelle Überlegungen anstellt, aus denen weni-

zehn Jahre später, um 2014/15, erneut von den

ge Jahre später erste konkrete PC entstehen.

USA aus in Bewegung und hält bis heute an.

Zum Beispiel 2003 in Gestalt der Matt Schich-

In Deutschland kommt sie zwei bis drei Jahre

ter Inter­views mit Musikern wie B.B. King und

später zum Tragen. Ihre Schubkräfte sind zum


Technik und Geschäft: Von Websites zu Spotify

einen medienkultureller Natur (vgl. Kapitel 4),

fentlicht. Kostenlose Software-Programme wie

zum anderen haben sie technologischen und

Audacity stehen symbolisch für die geringen

ökonomischen Charakter – zwei Komponen-

Kosten, die man für die Produktion einfacher

ten, die sich in der Entwicklungsdynamik des

PC aufwenden muss. So ist es von Anfang an

Podcastings immer wieder gegenseitig beein-

relativ leicht für Amateure*, einen produktions-

flussen.

technisch soliden Podcast zu erstellen. Über

Prägend für den Charakter der globalen

die Jahre sind die Standards allerdings deut-

Pod­ cast-Landschaft der frühen Jahre, aber

lich höher geworden, sodass heute zumal von

auch bis in die heutige Zeit hinein ist ihre rela-

professionellen PC eine Tonqualität wie beim

tiv starke Zerklüftung. Diese hat vor allem eine

Radio erwartet wird.

technische Ursache. Ursprünglich platzieren

Für die großen Durchbrüche beim Podcas-

Durchbruch

die Produzenten* ihre Podcasts auf ihren ei-

ting sorgen indes nicht die Pioniere, sondern

dank Apple

genen Websites oder kleinere Aggregatoren-­

der US-Tech-Gigant Apple. Mitte 2005 bringt

Seiten wie Overcast oder Pocket Casts sam-

der Konzern eine neue Software für seinen

meln und ordnen sie nach Themenfeldern. Da-

Musikdienst iTunes auf den Markt. Die Beson-

bei muss jeder Podcast mit einem sogenannten

derheit: Die Software ermöglicht es Nutzern*

RSS-Feed (RSS = „Really Simple Syndication“,

erstmals, PC-Dateien in genauso einfacher Wei-

dt. etwa „sehr einfache Verbreitung“) verse-

se wie Musik herunterzuladen – nicht nur auf

hen werden, damit die Nutzer* ihn abonnieren

Apple-Computer, sondern auch auf mobile End-

können. So bekommen sie automatisch neue

geräte des Unternehmens wie den MP3-Player

Folgen angezeigt und müssen nicht auf der

iPod. Außerdem dürfen unabhängige Produ-

Webseite nachschauen, ob eine neue Episode

zenten* ihre PC auf die Plattform laden, wo-

erschienen ist. 1999 entwickelt der Program-

durch kostenlose Podcasts in der Apple-Audio­

mierer Dave Winer für den Browser-Hersteller

thek verfügbar werden, die ursprünglich nur für

Netscape die erste Software-Version eines

Musik konzipiert war.

RSS-Feeds, um 2001 RSS 2.0 nachzuschieben.

Suchen, Abonnieren, Herunterladen, Ab-

Die neue Version kann nicht mehr nur text­

spielen – dies alles funktioniert nun stark ver-

basierte, sondern nun auch Audiodateien ver-

einfacht im iTunes-Universum, frei nach dem

arbeiten und wird damit nutzbar für Podcasts.

Prinzip „Alles auf einer großen Plattform“. Der

Erster Schub

Gleichwohl verlangt das Podcasting von seinen

damalige Apple-Chef Steve Jobs verkündet

durch den

Nutzern* Anfang der 2000er noch ein gewisses

deshalb: „Podcasting is the next generation of

RSS-Feed

technisches Knowhow, um die Audiodateien

radio.“ Er verspricht 3.000 kostenlose PC zur

auf dem Computer oder bestenfalls auf einem

Auswahl (Jin/Segal/Carroccio 2019: 7-9). Apple

MP3-Player abspielen zu können. Kurz vor dem

zielt dabei aber weniger auf gesellschaftskri-

zweiten RSS-Launch wird eine erste Version

tische Produktionen von Hobby-Podcastern*

der „freien“ Audio-Software Audacity veröf-

aus der Zivilgesellschaft („Indies“), sondern

19


Den richtigen Ton treffen

in erster Linie auf professionelle Inhalte von

erleichtern sich Zugang und Nutzung von PC

Medienunternehmen und Konzernen aus dem

erheblich.

produzierenden Gewerbe, also sogenannte

Das vergangene Jahrzehnt hat zudem

Corporate Podcasts (vgl. Kapitel 5.3). Zwar

wichtige Innovationen hervorgebracht, die

wirkt die Zahl 3.000 für heutige Verhältnisse

das mobile Anhören von PC unkompliziert und

verschwindend gering, doch sorgen die tech-

komfortabel machen. Dazu zählen genauso

nischen Erleichterungen für die Nutzer* dafür,

preisgünstige wie leistungsfähige Kopfhörer,

dass PC-Produzenten* fortan ein Massenpu­

die auf Basis der kabelfreien Bluetooth-Tech-

blikum erreichen können. Dies wiederum moti-

nologie funktionieren. Bluetooth kommt in der

viert neue Akteure*, PC zu produzieren und bei

Regel auch bei In-Car-Entertainment-Systemen

iTunes einzustellen. Apple ergattert sich durch

zum Tragen, so dass PC inzwischen auch ohne

diesen Schachzug zwar eine vorübergehende

großen technischen Aufwand während des

Monopolstellung auf dem Feld der Podcasts,

Auto­fahrens gehört werden können. Eine ge-

hegt zugleich aber auch die Kommerzialisie-

wisse Rolle für das leichte Abrufen von Pod­

rung des Sektors ein: Mit iTunes als zentraler

casts spielen zudem Sprachassistenten wie

Podcast-Bibliothek können sich kostenpflich-

Siri oder Alexa (Reichow/Schröter 2020: 510;

tige Geschäftsmodelle, wie der Ansatz, dass

Deck/Meyer-Tippach 2020: 42-43).

Nutzer* für jeden Download zahlen müssen

Wenn es darum geht, digitale Audio-­Inhalte

(Pay-per-Download), vorerst nicht etablieren

wie Musik, Webradio-Programme, Podcasts

(Sullivan 2019: 4).

etc. abzurufen, steht in Deutschland das

iPone 2012

Ohne Frage dominiert Apple durch seine

Smartphone bei drei Viertel der Nutzer* an der

mit erster

Innovationsfreudigkeit in den 2000er Jahren

Spitze, unter den 14- bis 29-Jährigen nutzen

Podcast-App

das weltweite Telekommunikations- und Inter-

sogar 92 Prozent das Handy zum Abspielen

netbusiness, gerade auch im Bereich der End-

von Online-Audio. Weit abgeschlagen dahin-

geräte. 2007 bringt der Konzern sein erstes

ter, aber immer noch mit einer Nutzungsquote

Smartphone, das iPhone, heraus, 2012 bietet

zwischen 36 und 42 Prozent, folgen Laptop,

er seine erste App zum Download von PC an.

Desktop und Autoradio. Fast jede*r Dritte nutzt

Selbst Smart-TV

Bald folgen andere Anbieter*. Die rasante Aus-

sogar den Smart TV, um sich darüber digitale

wird häufig für

breitung wird aber auch deshalb möglich, weil

Audio-Inhalte inklusive PC anzuhören (Baye-

Audio genutzt

die Mobilfunk-Netzbetreiber über die Jahre die

rische Landesmedienanstalt für neue Medien

Bandbreite ihrer Netze exponentiell erhöht

et. al. 2020: 21, 23).

20

haben und so das mobile Internet, auch auf-

Insgesamt lässt sich zur Entwicklung von

grund stark sinkender Kosten, inzwischen zum

PC einerseits konstatieren, dass die Anbieter

Standardrepertoire eines jeden Smartphones

durch die sukzessive Integration der relevan-

gehört. Da parallel dazu auch die Bandbreiten

ten Hardware- und Software-Komponenten

im Festnetz deutlich größer geworden sind,

technische Ökosysteme geschaffen haben, in


Technik und Geschäft: Von Websites zu Spotify

denen Produzenten* einem Massenpublikum

Abbildung 2 verdeutlicht aber auch, dass es

heute PC problemlos zur Verfügung stellen und

noch eine Reihe weiterer relevanter Akteure*

dieses die PC in sehr nutzer*freundlicher Art

gibt:

konsumieren kann (Berry 2015: 303-306). Andererseits finden zusammen mit den techni-

Produktion und Vermarktung

schen Entwicklungen auch diverse Aktivitäten

Bei den Produzierenden kann es sich um Ein-

betriebswirtschaftlicher Wertschöpfung statt,

zelpersonen handeln, die als „Indies“ agieren,

die PC von der Produktion und Promotion bis

es können aber auch Prominente aus Kultur,

zum Vertrieb beeinflussen. Monetäre Umsät-

Wirtschaft und Politik sein. Aktiv auf dem Feld

ze werden dabei insbesondere über Werbung

sind aber auch Institutionen wie die öffent-

kreiert. Den Dreh- und Angelpunkt dieses

lich-rechtlichen Rundfunkanstalten, Tageszei-

Ein technisch-

technisch-ökonomischen Ökosystems bilden

tungen und Zeitschriften, Unternehmen, aber

ökonomisches

Plattformen wie Spotify und iTunes (dessen PC-­

auch sehr oft Hochschulen und Forschungsein-

Ökosystem

relevanter Teil seit 2019 Apple Podcasts heißt).

richtungen (vgl. Kap. 5, 6 und 7).

Abbildung 2

Schematische Darstellung des technisch-ökonomischen Ökosystems des Podcastings „Produzent*“ (Autor*/Host*) Professionelles Produktionsstudio „Heimstudio“ Podcast-Vermarkter Hoster

Plattformen/ Musikstreaming-Dienste

Podcast-Apps

Website der Produzenten*

Empfangsgerät (Smartphone, Tablet etc.)

Nutzer* Quelle: Eigene Darstellung.

21


Den richtigen Ton treffen

Je nach Ressourcen und Qualitätsan-

wichtigen Plattformen (siehe Kapitel 3.2) und

spruch nutzen die Macher* entweder eigene

Apps (siehe unten) abrufbereit platziert wer-

Kapazitäten für die Produktion (im Schaubild

den. Dies macht eine eigene Webseite für den

als „Heimstudio“ bezeichnet) oder sie neh-

naus PC-Betreiber* überflüssig. Darüber hi­

men professionelle Hilfe in Anspruch. Pro-

stellen sie ihren Kunden* Abruf-Statistiken

duktionsfirmen wie Kugel und Niere, Studio

zur Verfügung, damit diese Möglichkeiten

Bummens, Pool Artists oder hauseins stellen

und Werkzeuge („Tools“) zur Erfolgskontrol-

nicht nur ihre Profi-Technik und Aufnahmestu-

le haben. Diese Statistiken sind allerdings

dios zur Verfügung, sie konzipieren oft auch

„grobkörniger“ als die Auswertungen, die die

ganze Podcast-Serien für ihre Kunden* und

Streaming-Plattformen zur Verfügung stellen

kümmern sich um Distribution und Promotion.

können. Bei diesen kann man schon eher von

20 bis 50

Nach Schätzungen aus der Branche existieren

einem ausgefeilten Nutzer*tracking sprechen.

professio­nelle

in Deutschland aktuell zwischen 20 und 50

Einige Hoster, wie das auf Musik spezialisier-

Produktionsstudios

solcher professionellen Produktionsstudios,

te Soundcloud, betreiben auch ihre eigenen

darunter auch zahlreiche Start-ups (vgl. das

Plattformen. In der Anfangszeit wurden Pod-

Fallbeispiel am Ende des Kapitels).

casts fast ausschließlich auf den Webseiten der

Die Podcast-Vermarkter sorgen dafür, dass

Produzierenden platziert. Dies gilt heute weit-

Podcasts mit Werbung bestückt werden (vgl.

hin als zusätzlicher Service und dient häufig

Kapitel 3.3). Dazu bringen sie werbungtreiben-

der Cross-Promotion, also der gegenseitigen

de Unternehmen bzw. Organisationen mit pas-

Bewerbung, wenn z. B. ein Online-Zeitungsarti-

senden PC-Betreibern* zusammen. Auf dem

kel auf einen Podcast aus demselben Medien-

Feld bewegen sich klassische Radiovermarkter

haus verweist. Allerdings nutzen gerade ältere

wie RMS oder ASS, das zu den ARD-Anstalten

PC-Hörer* über 50 Jahre auch heute noch in

gehört. In den vergangenen Jahren sind zu-

großem Stile Websites (vgl. Kapitel 3.2).

dem auf Podcasts spezialisierte Agenturen wie Apps sind

zebra-­audio.net, podstars.de und Julep dazu-

Verschiedene App-Varianten

dominant

gekommen.

Dies ändert allerdings nichts daran, dass Apps für Smartphones und Tablet-Computer heute

Hosting

das meistgenutzte Mittel der Wahl sind, um

Die Hoster sind technische Dienstleister,

Podcasts zu streamen oder herunterzu­laden.

bei denen die Produzierenden – ob „Indies“

Dabei kann zwischen verschiedenen Arten von

oder regionale Tageszeitungen – Kapazitäten

Apps differenziert werden:

auf Servern mieten, auf denen die Podcasts

22

gespeichert und von denen aus sie verwaltet

Apps der großen Plattform-Anbieter wie

werden. Hoster wie Podigee, Transistor oder

Spotify oder Apple Podcasts, die die

Libsyn sorgen dafür, dass ein Podcast auf den

größten PC-Bibliotheken (plus Musik) ha-


Technik und Geschäft: Von Websites zu Spotify

ben, über ihre Geschäftsmodelle direkten

gische Partnerschaft mit dem App-Anbieter

Nutzer*-­Kontakt aufweisen und damit auch

radio.net geschlossen, sodass zum Beispiel

über die umfassendsten Datensätze verfü-

RND-Podcasts prominent auf der weit ver-

gen (vgl. Kapitel 3.2).

breiteten radio.de-­ App platziert werden (Sullivan 2019: 8; Schmich 2019).

Reine Aggregatoren-Apps wie z. B. Google Podcasts. Die Google-App gibt es erst seit 2018 und sie hat den Vorteil (oder datenschutzrechtlich gesehen: den Nachteil), mit anderen Google-Diensten kombiniert werden zu können. So können z. B. Podcasts, die über eine Google-Suche gefunden wer-

Fallbeispiel: Der Audio-Dienstleister

Podcast360

„Wir sind ein totales Start-up“, sagt Martin

den, direkt der App hinzugefügt werden.

Liss, Geschäftsführer des Berliner Audio-­

Seit 2019 berücksichtigt die Google-Such-

Dienstleisters Podcast360. „Wir sind super-

maschine auch PC.

digital, extrem dynamisch und sehr unkon-

Vor allem auf dem US-Markt verbreitete

ventionell, was zum Beispiel unseren gan-

Alter­nativen wie Overcast oder Podcast Ad-

zen Angang oder auch unsere Arbeitszeiten

dict existieren schon seit mindestens einem

angeht.“ (hier und im Folgenden: Interview

Jahrzehnt. Es handelt sich um reine Apps,

Liss 2021) Liss sitzt mit einem kleinen Mit-

die sich durch ausgefeilte Suchfunktionen

arbeiter*stamm in der Berliner Zentrale,

auszeichnen und meist auf die Daten der

doch im Grunde ist das Unternehmensge-

Plattform Apple Podcasts zurückgreifen,

bilde eher mit einem virtuellen Netzwerk

also nur PC finden und abspielen können,

vergleichbar: Die rund 15 freien Produzen-

die dort gelistet sind. Inzwischen sind eini-

ten*, Sprecher*, Moderatoren* und Auto-

ge dieser Apps von Medienkonzernen auf-

ren* sitzen quer verstreut über die gesamte

gekauft worden – mit der Folge, dass diese

Republik. „Wir gehören nicht zu den ganz

an exponierter Stelle auf Inhalte aus eigener

großen Anbietern auf dem Markt“, erklärt

Weder klein

Produktion verweisen. Dazu zählt Pocket

Liss. „Aber wir zählen mit Sicherheit auch

noch groß

Casts, das von der BBC, National Public Ra-

nicht zu den Kleinsten.“

dio und einigen anderen öffentlich-gemein-

Martin Liss hat jahrelang Erfahrungen in der

nützigen Rundfunksendern aus den USA

Radiobranche gesammelt, unter anderem

übernommen worden ist. Stitcher gehört in-

als Programmdirektor und Berater, doch

zwischen zum Verlagshaus E.W. Scripps, das

das Privatradio hält er inzwischen für einen

Zeitungen herausgibt und Fernsehsender

„Markt, in dem es für kreative Menschen

betreibt. Und in Deutschland hat die Mad-

mit Unternehmergeist nur noch wenig zu

sack Mediengruppe (Redak­tionsnetzwerk

holen gibt.“ Deshalb hat Liss Mitte 2020

Deutschland/RND) Ende 2019 eine strate-

Podcast360 gegründet, zusammen mit den

23


Den richtigen Ton treffen

Marktforschern* von Brand Support und der

Das Geschäftsmodell setzt sich im Wesent­

Beratungsgesellschaft BCI, die vornehm-

lichen aus drei Varianten zusammen. Die

lich im Radiomarkt aktiv ist. Die drei Ge-

eine besteht darin, direkt Aufträge von Kun-

sellschafter sind zu gleichen Teilen an dem

den* auszuführen, handele es sich um ein

Podcast-Start-up beteiligt.

Unternehmen oder eine Privatperson. Bei

Podcast360 ist zwar nicht auf eine bestimm-

der zweiten arbeitet Podcast360 als Zulie-

bei Corporate

te Klientel spezialisiert, Liss sieht aber im

ferer für PR- und Werbeagenturen, die über

Podcasts

Bereich Corporate Podcasting, also Unter-

Audio hinausgehenden Inhalt für ihre Kun-

nehmens-PC, „unheimlich viel Potenzial“. Zu

den* produzieren. Und bei der dritten Vari-

den Kunden* gehören verschiedene Unter­

ante fungiert Podcast360 als Produzent von

nehmen, aber auch einige gemeinnützige

Podcasts, die Dritte dann vermarkten, denn

Organisationen. Pod­cast360 versteht sich

das Berliner Unternehmen ist selbst nicht

dabei als „Full-Service-Partner für alles rund

auf dem Feld der Werbe­vermarktung unter-

um Podcasting und Audio on Demand“. Kon-

wegs. „Wir arbeiten wie ein Hollywood-Stu-

kret: Das Unternehmen hilft seinen Kunden*,

dio, bei dem ein solventer Auftraggeber

Ideen für Podcasts zu entwickeln und ganze

vorbeikommt und sagt, er möchte einen

Konzepte dafür zu erstellen. Dazu gehören

bestimmten Thriller produziert haben“, er-

Buy-Outs als

Aufnahme und Produktion mit professionel-

klärt Liss das Prinzip des sogenannten Buy-

Geschäftsmodell

len Sprechern*, Musikteppich und Soundef-

out. „Wir produzieren von Anfang bis Ende,

fekten, ebenso wie die Veröffent­lichung der

verkaufen dann aber alle Rechte an den

produzierten Podcasts auf den verschiede-

Auftraggeber.“ Dieser ist im Fall von Pod­

nen Audio-Plattformen. Zum Portfolio ge-

cast360 dann zum Beispiel der Vermarkter

hören darüber hinaus Feed­backs, etwa zu

Julep, für den der Dienstleister unter ande-

einzelnen Episoden, und auch Trainings für

rem den Medita­tionspodcast Ruhe & Kraft

das Podcast-Machen. So hat Martin Liss zum

produziert. Julep versucht anschließend,

Beispiel Mitarbeiter* der Diakonie Hamburg

den Podcast mit so viel Werbung wie mög-

im Podcasting geschult. Nicht zuletzt zählt

lich zu bestücken. Pod­cast360 erhält dafür

auch Marktforschung zum Angebot des Ber-

ein festes Honorar – unabhängig vom Erfolg

liner Dienstleisters.

der Vermarktung.

Viel Potenzial

Hier geht’s zu Ruhe & Kraft

24


Technik und Geschäft: Von Websites zu Spotify

3.2 Jäger* und Sammler*: Die wichtigsten Streaming-Plattformen

nach wie vor der Platzhirsch, doch der schwedi-

Spotify und Apple

sche Herausforderer Spotify hat eine imposan-

teilen sich den

te Aufholjagd gestartet. Wie Abbildung 3 zeigt,

Weltmakt auf

Streaming-Plattformen spielen die zentrale

führt Apple in China, Russland und Teilen Ost-

Rolle im Ökosystem des Podcastings, denn

europas, in Großbritannien sowie in den meis-

sie fungieren als technisch-organisatorische

ten Ländern Afrikas und des Mittleren Ostens.

Intermediäre zwischen den beteiligten Akteu-

Spotify hat dagegen die Nase vorne in Europa,

ren*. Sie stellen die wesentliche technische

in den stark wachsenden Märkten Lateinameri-

Infrastruktur zur Verfügung, mit der Podcasts

kas sowie in Kanada, Indien und Australien. In

gespeichert, verwaltet, gesucht, gefunden und

den USA ist Apple zwar noch Marktführer, aber

genutzt werden können (Sullivan 2019: 1-2).

mit schrumpfenden Anteilen.

Auf globaler Ebene findet im Wesentlichen

Diese Marktzahlen des US-amerikanischen

ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Platt-

Technologie-Anbieters Voxnest sind allerdings

Zahlen mit

form-Anbietern Apple Podcasts und Spotify

eher symbolisch zu verstehen, denn es wird

Symbolcharakter

statt. Apple ist allein schon historisch bedingt

nicht deutlich, wie genau der Marktanteil

Abbildung 3

Länder der Welt mit Marktdominanz von Apple und Spotify (Mai 2020)

Apple vs.

Spotify

Weltweit | Mai 2020 Quelle: Eigene Darstellung nach Voxnest (2020: 12). Berücksichtigt keine Drittanbieter.

25


Den richtigen Ton treffen

26

(„Share of Voice“) definiert und wie er gemes-

auf dem Apple- als auch auf den Android-Sys-

sen wird. Hinzu kommt, dass die Erhebung an-

temen installieren, was für eine größere Ver-

dere Plattformen (zum Beispiel YouTube, siehe

Bibliothek breitung sorgt. Apples Podcast-­

unten) und Apps völlig außer Acht lässt und den

wirkte bisher insgesamt wie eine kostenlose

Markt auf den Zweikampf Apple versus Spotify

Dreingabe beim Kauf von Hardware, zumal

reduziert. So gibt es zum Beispiel mit Lizhi, Xi-

der kalifornische Konzern keine unmittelbaren

malaya und Dragonfly gleich drei große Audio-

Umsätze mit Podcasts erwirtschaftet, weder

und PC-Anbieter in China (Jin/Segal/Carroccio

als Produzent noch als Vermarkter (Jin/Segal/

2019: 31-35). Doch selbst wenn solche direkten

Carroccio 2019: 11-13).

Vergleiche nicht detailgenau sind, so verdeut-

Dies soll sich offenbar ändern. Im April

lichen sie doch immerhin Tendenzen auf dem

2021 hat Apple mehrere Neuerungen bekannt

Markt und mit ihnen die Strategien der beiden

gegeben. Dazu gehört der Premium-Dienst

Unternehmen. Während Apple über weite Stre-

„Apple Podcasts Abonnements“, mit dem

cken eher defensiv agiert hat, gewissermaßen

Produzierende Gebühren für den werbefrei-

als Sammler (von Podcasts), ist Spotify mit sei-

en Zugang, zusätzliche Inhalte etc. von ihren

ner offensiven, ja fast aggressiven Vorgehens-

Nutzern* verlangen können. Apple verdient an

weise in die Rolle des Jägers geschlüpft.

diesen Tantiemen zwischen 15 und 30 Prozent

Nachdem Apple im Jahr 2005 seine weg-

mit. Zu den Innovationen zählen zudem eine

weisende iTunes-Version auf den Markt ge-

neu gestaltete Nutzer*-App mit verbesserten

bracht hat, die einen bedienungsfreundlichen

Kanal-Übersichten und speziell kuratierten

Umgang mit Podacsts ermöglicht, versucht

Podcasts sowie zusätzliche technische Mög-

der Konzern vergebens, sich die Markenrech-

lichkeiten für Podcast-Produzierende (Apple

te am Begriff „Podcast“ zu sichern – was die

2021). Der US-Konzern reagiert damit erstmals

Monopolbestrebungen des damaligen Apple-­

deutlich auf die Spotify-Offensive.

Chefs Steve Jobs widerspiegelt. Unter dem

Bei Spotifys Strategie scheinen Podcasts

derzeitigen Vorstandschef Tim Cook scheinen

immer mehr in den Mittelpunkt zu rücken.

Apple

die Apple Podcasts lange Zeit eine untergeord-

2006 wird das Unternehmen in Schweden

reagiert spät

nete inhaltliche Rolle in der Strategie des Kon-

als Start-up gegründet, zwei Jahre später

zerns einzunehmen. Die App Apple Podcasts

startet Spotify sein Geschäft mit dem Strea­

ist zwar auf jedem iPhone vorinstalliert, einen

ming-Angebot von Musik. 2011 tritt Spotify

großen Relaunch hat es seit 2012 aber nicht

in den US-amerikanischen Markt ein, 2012 in

gegeben. Apple hat sein anfängliches Monopol

den deutschen, bis Ende 2020 ist Spotify in

bei Smartphones längst verloren und musste

93 Ländern aktiv. Das Unternehmen arbeitet

auch bei Handy-Betriebssystemen die Führung

mit einem sogenannten Freemium-Ansatz:

an Googles Android abgeben. Spotify und an-

Wer Spotify kostenlos nutzen will, muss sich

dere Wettbewerber lassen ihre Apps sowohl

ten Musiktiteln vor und zwischen gestream­


Technik und Geschäft: Von Websites zu Spotify

und Podcasts geschaltete Werbung anhören

2020 wurde bereits die 25-Prozent-Marke er-

Podcasts als

und kann zudem nur auf einen Teil des Ange-

reicht (Krei 2021). Das Unternehmen will damit

strategischer

bots zugreifen. Wer eines der verschiedenen

einerseits erreichen, dass die Nutzer* länger

Hebel

kosten­ pflichtigen Abonnements abschließt,

auf seiner Plattform bleiben und somit mehr

bekommt dagegen den vollen und werbefrei-

Werbung hören (können), was die Umsätze er-

en Zugang. Dieser kostete in Deutschland An-

höht. Diese Ausdifferenzierung dient aber auch

fang 2021, wie bei anderen Anbietern* auch,

als Alleinstellungsmerkmal, mit dem neue Kun-

für Einzelpersonen knapp zehn Euro.

den* gewonnen werden sollen. Alles in allem

2016 erweitert die Plattform ihr Angebot

geht es darum, die Gewinne dauerhaft zu er-

Spotify führt

um Podcasts. Im April 2018 wagt Spotify den

höhen, indem der Hebel auf Podcasts umgelegt

seit 2016 Podcasts

Börsengang, um zusätzliches Eigenkapital für

wird. Denn das Geschäft mit Musikstreaming

im Angebot

die weitere Expansion einzusammeln. In wel-

gilt als margenschwach, weil hier die großen

che Richtung diese gehen soll, wird bereits

Musikkonzerne dank ihrer Marktmacht hohe

kaum ein Jahr später klar: Das Unternehmen

Tantiemen für ihren „Content“ (d. h. in diesem

geht im Bereich Podcasts auf Einkaufstour und

Falle also die Musikstücke) einfordern können

übernimmt für insgesamt mehr als eine hal-

(Weiß 2019).

be Milliarde US-Dollar gleich drei Firmen aus

Allerdings ist Spotify mit seinem Fokus

dem Feld, darunter mit Gimlet eine führende

auf Podcasts bisher in Vorleistung gegangen,

PC-Produktionsfirma aus den USA. Inzwischen

hat viel investiert und noch keine Gewinne er-

werden auch einige deutsche Podcasts als

zielt. Anfang 2021 kündigt der Konzern an,

„Originals“ von Spotify selbst produziert. Da-

in 85 weitere Märkte zu expandieren, vor al-

neben verfolgt der Anbieter mit seinen „Exclu-

lem in Entwicklungs- und Schwellenländer. In

sives“ genannten Podcasts eine Strategie

Deutschland will Spotify mit zwölf weiteren

der Exklusivität: Bestimmte Podcasts werden

„Originals“ – teils mit unterhaltendem Cha-

Zunehmend

nur auf der Spotify-Plattform veröffentlicht.

rakter, teils mit politisch-informativer Aus-

politische

So z. B. der Podcast von Michelle Obama, der

richtung – neue Abonnenten* gewinnen. Ein

Information

ehemaligen „First Lady“ der USA und Ehefrau

typisches Beispiel für ein solches Original ist

von Ex-US-Präsident Barack Obama. Populäre

FOMO – Was habe ich heute verpasst?, ein täg-

deutsche „Exclusives“ sind die PC Gemischtes

liches Nachrichtenformat, das sowohl Promi-­

Hack und Fest & Flauschig diverser Comedians

News als auch politische Informationen auf-

sowie der PC 1,5 Grad der Klima-­Aktivistin Luisa

bereitet. Weitere Formate in diesem Bereich

Neubauer (vgl. Kapitel 5.2).

sind geplant (Krei 2021). Dieser Schritt zeigt,

Spotify hat als Zielmarke ausgegeben,

dass Spotify verstärkt in die öffentliche Mei-

dass sich mehr als 20 Prozent der monatlich

nungsbildung einwirken will und damit ten-

Hier geht’s zu

aktiven Nutzer* Podcasts anhören. Bis Ende

denziell zum Konkurrenten von klassischen

1,5 Grad

2019 waren es 16 Prozent, im vierten Quartal

Medienhäusern wird.

27


Den richtigen Ton treffen

Nach Einschätzung verschiedener Bran-

Kombination aus Video und Audio. Die Pod-

chenexperten* will Spotify aber eher zu einer

casts werden auf der Plattform dann einfach

Art „YouTube für Audio“ aufsteigen. YouTube,

als Video mit Standbild und Tonspur hochge-

das zu Google bzw. der Holding Alpha­bet ge-

laden (Kaiser 2020).

hört, wird zwar in erster Linie als Video­sharing-

Diese Konkurrenz hat wiederum Spotify

Plattform wahrgenommen. Diese beherbergt

auf den Plan gerufen. So hat das Unterneh-

Der Kampf

aber auch Abermillionen reiner Audiodateien,

men im Sommer 2020 den YouTuber Joe Rogan

um Joe Rogan

vornehmlich Musiktitel und -alben. Seit eini-

engagiert. Dessen Interviewformat Joe Rogan

gen Jahren wird YouTube auch für das Hochla-

Experience, bei dem er oft exzentrische Persön-

den von Podcasts genutzt, zunächst vorrangig

lichkeiten wie den US-Politiker Bernie Sanders

von bekannten YouTubern* („Influencer*“), die

oder den Tesla-Gründer Elon Musk interviewt

eine Mehrkanalstrategie verfolgen, also eine

(und diesen dabei viel Raum für ausführliche

Abbildung 4

Spotify YouTube

12,3 9,8

14-29

Spotify Apple Podcasts/iTunes

YouTube

50-69

38,1

Apple Podcasts/iTunes

30-49

Gesamt

Meistgenutzte Podcast-Plattformen und -Apps in Deutschland nach Altersgruppen (2020)

60,8 11,9

YouTube

8,1 30,3

Spotify 13,3

Apple Podcasts/iTunes

10,3

ARD Audiothek

22,7

YouTube

16,4

Podcast- bzw. Sender-Websites

10,9 30,6

70+

YouTube Podcast- bzw. Sender-Websites

18,1 16,7

ARD Audiothek 0

10

20

30

40

50

60

70

Anteil in Prozent Quelle: Goldmedia (2020: 8). Eigene Darstellung.

28


Technik und Geschäft: Von Websites zu Spotify

Antworten gibt), zählt auf YouTube mehr als

die die Audioinhalte der ARD-Landesrundfunk-

zehn Millionen Abonnenten* und verzeichnet

anstalten sammelt und kuratiert. Neben Zweit-

965 Millionen Aufrufe (Stand: Januar 2021).

verwertungen von Radio-­Sendungen gehören

Seit September 2020 produziert Rogan nun

hier auch direkt als Podcasts konzipierte For-

keine YouTube-Videos mehr, sondern Pod-

mate dazu, wie z. B. Der Tag des Deutschland-

casts – exklusiv für Spotify. Dafür soll er über

funks, der die wichtigsten Nachrichten hinter-

die nächsten Jahre insgesamt 100 Millionen

gründig beleuchtet (vgl. Kapitel 6.2).

US-Dollar erhalten (Neumann 2020). Dass YouTube eine ernstzunehmende Größe bei Podcasts darstellt, belegt ein Blick

Der deutsche PC-Markt ist jedoch noch rela­ tiv jung, weshalb auch einige weitere Akteure versuchen, in ihm Fuß zu fassen:

auf den deutschen Markt. Nach einer reprä-

Amazon: Seit September 2020 ergänzt Ama-

sentativen Umfrage von Goldmedia (2020)

zon seinen Musikstreaming-Dienst Amazon

war zwar Spotify Mitte 2020 in Deutschland

Music um Podcasts, einige davon exklu-

mit einem Hörer*anteil von knapp 40 Prozent

siv. Der US-Konzern reagiert damit auf die

klarer Marktführer. Den zweiten Rang beleg-

PC-Offensive von Spotify. Zuvor hat bereits

te aber nicht etwa Apple Podcasts, sondern

die Amazon-Tochter Audible, die in erster Li-

YouTube mit knapp 12 Prozent (Abbildung 4).

nie Hörbücher verkauft, ein Abo-Sortiment

Aus Abbildung 4 wird ersichtlich, dass Spotify

von ca. 30 exklusiven PC aufgebaut. Dieses

seine Spitzenposition der großen Beliebtheit

Portfolio wird parallel zu Amazon Podcasts

beim jüngeren Publikum zu verdanken hat. Die

weiter ausgebaut.

Audible auch wichtiger Akteur

Kohorte der 14- bis 29-Jährigen hört zudem

ProSiebenSat.1: Der Münchner TV-Konzern

am häufigsten Podcasts (vgl. Kapitel 4). Das

ProSiebenSat.1 Media SE hat im April 2020

starke Abschneiden von YouTube liegt darin

seine Plattform FYEO („For Your Ears Only“,

YouTube vor allem

begründet, dass die Über-50-Jährigen und be-

auf Deutsch: „Nur für deine Ohren“) gestar-

bei älteren Hörern*

sonders die „Generation 70plus“ die Plattform

tet, stellt diese aber nach gut einem Jahr

beliebt

für das PC-Hören nutzt.

bereits wieder ein (Turi 2021). FYEO bietet

6

Eine weitere Besonderheit ist, dass ein ver-

eine gratis verfügbare Basis­version sowie

gleichsweise hoher Prozentanteil der älteren

eine Abo-Variante an, die vollständigen

Jahrgänge für das Anhören von PC Webseiten

Zugang zu den Eigenproduktionen erlaubt.

ansteuert, wie z. B. die des Zeit-Verlags oder

Zum Portfolio gehören unterhaltende For-

die des Spiegel. Eine promi­nente Rolle spielt

mate aus den Bereichen Lifestyle, True

bei den Über-50-Jährigen die ARD-Audio­thek,

Crime und Mode, aber auch Inhalte mit

6 Der Reuters Digital News Report für Deutschland hat abweichende Ergebnisse hervorgebracht: Hier liegt YouTube mit 39 Prozent vor Spotify (34 Prozent), der ARD-Audiothek (17 Prozent) und Apple (16 Prozent) (Hölig/Hasebrink 2020: 52). Dies könnte damit zusammenhängen, dass die Erhebung ca. ein halbes Jahr früher stattgefunden hat. Nichtsdestotrotz bekräftigen auch diese Ergebnisse die wichtige Rolle von YouTube für das Themenfeld Podcasts.

29


Den richtigen Ton treffen

Oligopol-Bildung

dem Schwerpunkt Politik und Zeitgeschich-

Der weltweite wie auch der deutsche PC-

konzentriert

te. Die schnelle Einstellung erfolgt jedoch,

Markt ist augenscheinlich von einer großen

Marktmacht

da das Geschäftsmodell einer eigenen App

Vielfalt geprägt, beherrscht wird er jedoch von

auf Dauer wirtschaftlich nicht tragfähig

Spotify, Apple Podcasts und YouTube. Damit

erscheint. Stattdessen werden die Eigen­

zeichnen sich Tendenzen zu einem Oligopol ab.

produktionen künftig über Plattformen wie

Marktstrukturen, die von einigen wenigen An-

Apple Podcasts ausgespielt – mit einem

bietern dominiert werden, erlauben es diesen

FYEO-Kanal für die kostenpflichtigen Serien

Akteuren, die Preise und teils auch die Produkt-

und verstärkter Werbung in frei zugäng­

angebote zu bestimmen. Digitalen Plattformen

lichen Stücken (Turi 2021).

wohnt ohnehin die Tendenz inne, eine gewisse

RTL: Aus dem Hause RTL, der zweiten

Macht über die Produktanbieter* und damit auch

RTL geht mit

großen TV-Sendergruppe in Deutschland,

mittelbar über die Kunden* auszuüben: Durch

Audio Now

stammt die Plattform Audio Now. Sie setzt

ihre Nutzungskonditionen (z. B. Verbot von URLs

an den Start

stärker als FYEO auf leichte Unterhaltung und

in den Shownotes) und durch ihre redaktionel-

wird rein werbe­finanziert, es gibt also kein

len Entscheidungen (z. B. die Blockierung rassis-

Abo- oder Bezahl-Modell. Ebenfalls stärker

tischer Inhalte) nehmen sie im positiven wie im

als FYEO produziert Audio Now Pod­casts, die

negativen Sinne Einfluss. Überdies können sie

seine TV-Sendungen wie „Let’s dance“ oder

mittels Algorithmen-­basierter Empfehlungen in

„GZSZ“ begleiten (vgl. Kapitel 6.3).

ihren Katalogen, über den Aufbau ihrer App und

Deezer und Podimo: Ein ähnliches Ge-

über ihre Suchfunktionen bestimmte Angebo-

schäftsmodell wie Spotify hat der franzö-

te bevorzugt behandeln. Dies wird besonders

sische Musikstreaming-Dienst Deezer, der

virulent, wenn eine Plattform wie Spotify auch

seit 2014 auch Podcasts anbietet und zwei

eigene, teils exklusive Produktionen im Port­

Jahre später mit Eigenproduktionen gestar-

folio führt (Sulli­van 2019: 6-7) – und somit ein

tet ist, darunter auch mit deutschsprachi-

Anreiz besteht, diese Produktionen besonders

gen. Während es Deezer bereits seit 2011

prominent für die Nutzer* zu platzieren.

hierzulande gibt, ist der dänische Anbieter Podimo erst 2019 gegründet worden und seitdem auch in Deutschland aktiv. Über die Podimo-App können frei verfügbare Pod-

30

3.3 Werbung und andere Einnahmequellen

casts gehört werden. Wer ein Premium-Abo

„Der gesamte Podcast-Markt steht noch am An-

bucht, kann sich auch die Eigenproduktio-

fang“, sagte Steffen Hopf, Geschäftsführer des

nen anhören. Podimo hatte als erste Platt-

PC-Vermarkters Julep, Anfang 2020 in einem

form die reichweitenabhängige Vergütung

Interview (zitiert nach XPLR 2020: 28). Insofern

von Produzierenden für ihre Podcasts ein-

ist das Spektrum möglicher Einnahmequellen

geführt (Winterbauer 2020: 48).

für Podcaster* noch nicht sehr ausdifferenziert:


Technik und Geschäft: Von Websites zu Spotify

Abonnements: Produzierende können ihre

gering, sodass sich die Beteiligung nur für

Verschiedene

Podcasts selbst vermarkten, zum Beispiel

sehr reichweitenstarke PC lohnen dürfte.

Einnahmequellen

über eine eigene App. Nutzer* bekommen

Crowdfunding: Hierbei unterstützen Nut-

nur über ein kostenpflichtiges Abonne-

zer* den Podcast über einschlägige Platt-

ment Zugang zur werbefreien Vollversion.

formen (Steady, Substack, Patreon etc.)

Dafür müssten die Podcasts allerdings sehr

mit freiwilligen Spenden. Als die zweite

reichweitenstark sein. Dieses relativ große

Podcasting-­Welle zwischen 2013 und 2015

unternehmerische Wagnis sind bisher nur

in den USA richtig ins Rollen kam, konnten

Der Spiegel und der Journalist Gabor Stein-

einige PC-Großprojekte Spendengelder von

gart mit seinem Podcast-Portfolio einge-

bis zu einer halben Million US-Dollar einwer-

gangen. Das Steingart-Abo umfasst die

ben (Bonini 2015: 23). Auch wenn sich das

rund zehn Podcasts seines Unternehmens

Crowdfunding als Finanzierungsmethode für

Media Pioneer sowie einige andere jour-

„Indies“ von reinen Amateuren*, die nur ihre

nalistische Produkte. Auf den typischen

Kosten decken wollen, bis hin zu Profis fest

PC-Plattformen wie Spotify und Apple Pod-

etabliert hat, stellt Crowdfunding eher eine

casts platziert Steingart lediglich Kurzver-

kleine Größe im gesamten Podcast-Markt

sionen seiner Formate. Seit Juni 2021 bie-

dar. In der Regel bewegen sich die einma-

tet das Nachrichtenmagazin Spiegel das

ligen Spenden pro Person und PC-Folge in

exklusive Audio-Abonnement „Audio+“

der Spanne zwischen 50 Cent und fünf Euro,

an, das drei Podcasts sowie die einge-

selten gehen sie deutlich darüber hinaus.

sprochenen Ausgaben des Spiegels sowie

Merchandising: In erster Linie bedeu-

der Kinderversion Dein Spiegel umfasst.

tet dies, Fan-Artikel wie T-Shirts mit dem

Sollte dieses Geschäftsmodell erfolgreich

Logo des Podcasters* zu verkaufen. Da die

sein, könnten andere Anbieter nachfolgen

PC-Szene bislang aber wenig von Starkult

und ebenfalls solche Abo-­Pakete auf den

geprägt ist, handelt es sich hierbei eher um

Markt bringen. Bisher bilden bei ähnlichen

ein Nischengeschäft.

Paketangeboten (wie etwa beim Digitalabo

Live-Events: Bei Live-Events erzielen die

„Spiegel+“) Podcasts eher ergänzende

Veranstalter Einnahmen durch den Ticket-

Elemente (siehe Fallbeispiel in Kapitel 7.2).

verkauf an das Publikum. Die Veranstal-

Tantiemen: Mit Apple, Spotify und Podimo

tung wird mitgeschnitten und dann spä-

haben drei Plattformen Beteiligungen der

ter als Pod­cast zur Verfügung gestellt. So

Podcaster* an der Nutzung von deren Pod­

veranstaltet die Wochenzeitung Der Frei-

casts eingeführt. Diese Modelle sind zum

tag zusammen mit dem rbb-Sender Radio

einen noch sehr neu, sodass sich die Aus-

Eins einen monatlichen Salon mit mehre-

wirkungen erst mit der Zeit zeigen werden.

ren Hundert Teilnehmern*, zu dem meist

Zum anderen sind die Tantiemen relativ

Eigentümer Jakob Augstein prominente

31


Den richtigen Ton treffen

Gesprächspartner* empfängt. Diese Dis-

Signal zu trennen oder vom Host* als sol-

kussionsrunden werden nachträglich als

che anzukündigen. Nicht jeder* hält sich an

Podcasts veröffentlicht. Varianten dieser

diese wettbewerbsrechtliche Vorgabe. Die-

Einnahmequelle sind Live-Touren von popu-

se Werbeform dauert oftmals länger als ein

lären Podcasts und Honorare für Auftritte

eingespielter Werbespot und beansprucht

bei Podcast-Festivals wie „Auf die Ohren“.

meist zwischen ein und zwei Minuten. Host

Honorare: Einige Plattformen beauftragen

Reads gelten als Spielart des Native Adver-

einzelne Personen wie zum Beispiel die

tising, bei dem die Werbung in das redak­

Klima­bewegungs-Aktivistin Luisa Neubau-

tionelle Umfeld eingebettet wird. Dazu zäh-

er oder die TV-Talkmasterin Sandra Maisch-

len auch Announcer Reads, bei denen nicht

berger, für sie exklusiv Podcasts zu produ-

der Host*, sondern ein anderer Sprecher*

zieren. Dafür erhalten diese prominenten

für die „Werbebotschaft“ sorgt. Eine weitere

Exklusiv-Lieferanten* Honorare.

gängige Form der Werbung stellt das Spon-

Sponsoring

Werbung: Die eindeutige Haupteinnahme-

soring dar: Hier wird der Sponsor am Anfang

noch eher selten

quelle bei Podcasts ist jedoch nicht nur für

und am Ende des Pod­cast genannt – ent­

die Plattformen, sondern auch die Produ-

weder vom Host* oder eingebettet in ein vor-

zierenden Werbung. Hierbei haben sich

produziertes Intro und Outro. In der Regel

verschiedene Varianten etabliert: Der Wer-

werden nur der Name und das all­gemeine

bungtreibende kann klassische Werbespots

Angebot des Sponsors erwähnt, nicht je-

schalten, wie sie vom Radio bekannt sind.

doch einzelne Produkte. Sponsor­ ships

Diese sind vorproduziert und werden über

laufen über einen längeren Zeitraum, zum

Algorithmen nach Datenlage passenden

Beispiel ein Jahr. So lässt zum Beispiel die

Podcasts vorgeschaltet (sog. Programmatic

überregionale Börsenzeitung aus Frankfurt

Advertising). Diese Werbeform ist zwar pro-

am Main ihren Podcast #7TageMaerkte von

fessionell gestaltet, aber teilweise nicht auf

einer führenden Finanzberatung „präsentie-

die Tonalität der Podcasts abgestimmt, was

ren“. Am Ende der Shownotes kann nach

zu störenden Wahrnehmungsbrüchen bei

dem redaktionellen Teil ein kurzer Werbe­

Eingesprochene

den Rezipienten* führen kann. Beim „Host

text angefügt werden. Diese Werbeform

Werbung

Read“ spricht der Host* die Werbung selbst

kommt jedoch noch eher selten vor (Arras

ein, wodurch sie wie ein organischer Teil des

et al. 2020: 4-5; XPLR 2020: 24-26).

gesamten Podcasts klingen soll. Dazu ge-

32

hört, dass der Host* in dem Duktus bleibt,

Gemeinhin gilt die Entwicklung des US-ame-

den er auch im redaktionellen Teil hat. Da

rikanischen PC-Marktes derjenigen des deut-

Werbung aus rechtlichen Gründen gekenn-

schen Marktes um einige Jahre voraus. Mit

zeichnet werden muss, sind Anfang und

Blick auf die weltweiten Werbeerlöse durch

Ende des Host Reads durch ein akustisches

Podcasts zeigt sich, dass der US-amerikani-


Technik und Geschäft: Von Websites zu Spotify

sche Markt derzeit einen Anteil von mindes-

Musik, Radio und Podcasting zusammen auf

tens 50 Prozent hält (Interactive Advertising

4,7 Milliarden Euro. Als Wachstumstreiber gilt

Bureau 2020: 14). Insgesamt summierten

dabei zuvorderst zwar das Musikstreaming, dy-

sich die Erlöse nach Angaben der Unterneh-

namisch dürfte laut Price Waterhouse Coopers

mensberatung Deloitte 2019 auf 1,1 Milliarden

aber auch die deutsche Entwicklung bei den

US-Dollar – ein gewaltiger Sprung gegenüber

Werbeumsätzen von Podcasts verlaufen. Lagen

den 45 Millionen US-Dollar im Jahr 2013 (De-

die Werbe­erlöse 2015 bei bescheidenen vier

loitte 2019: 106). Bis 2025 wird gar eine Ver-

Millionen Euro, stiegen sie 2018 auf 48 Millio-

dreifachung des Volumens von 2019 auf rund

nen Euro an und erreichten 2019 bereits 71 Mil-

3,3 Milliarden US-Dollar erwartet (Deloitte

lionen Euro. Bis 2024 wird sich dieser Wert

2019: 109). Allerdings nimmt sich die Größe

gemäß Prognose fast nochmal um das Zweiein-

des PC-Marktes auch heute noch relativ klein

halbfache auf 171 Millionen Euro gesteigert ha-

aus, verglichen mit den über 2,1 Billionen

ben (Price Water­house Coopers 2020b: 61). An

US-Dollar Umsätzen, die die globale Unter­

dem Gesamtmarktvolumen des – auch Corona-­

haltungs- und Medienbranche (Live-Shows,

bedingt – eher langsam wachsenden Werbe-

Videostreaming-Dienste, Fernsehen etc.) 2019

marktes im Hörfunkbereich, das 2024 erstmals

machte (Price Waterhouse Coopers 2020a: 2).

die Milliarden-Euro-Grenze überschreiten wird,

Auch in Deutschland wächst der PC-Werbe­

werden Podcasts dann einen Anteil von knapp

markt. 2019 beliefen sich die Umsätze für

einem Fünftel haben (vgl. Abbildung 5).

Abbildung 5

Umsätze in Millionen Euro

1.200

25 20

1.000

15

800

10

600

0 -5

5

400

-10 -15

200

-20 -25

0 2015

2016 Podcast

2017

2018

2019

traditionelles Radio

2020

2021

2022

2023

Wachstumsrate in Prozent

Werbeumsätze im deutschen Radio- und Podcast-Markt (2015-2024)*

2024

Wachstumsrate Gesamtmarkt

Quelle: Price Waterhouse Coopers (2020b: 71). Eigene Darstellung. * Die Daten für 2020-2024 sind Schätzungen.

33


Den richtigen Ton treffen

Selbst wenn die strukturell eher optimistischen Prognosen von Unternehmensberatungen und Marktforschungsunternehmen tatsächlich

Infra­struktur die Nutzung stark vereinheitlicht haben. Wie bei jungen Märkten üblich, tummeln

so einträfen, hätten sich Podcasts damit zwar

sich derzeit noch viele Akteure* im Podcast-­

als Werbeträger etabliert, aber nicht in einem

Business. Vor allem auf Seiten der Produzie-

Maße, dass sich große Teile der Content-Pro-

renden, denn die Barrieren für den Markteintritt

duktion daran ausrichteten, wie dies etwa beim

sind relativ niedrig. Es entstehen lediglich Kos-

profitorientierten Privatfernsehen der Fall ist

ten für die Produktion sowie für das Hosting der

oder bei YouTube-Videos (vgl. Frühbrodt/Floren

eigenen Podcast-Folgen, gegebenenfalls auch

Werbung in

2019). Bemerkenswert ist in diesem Zusammen-

für Social-Media-Werbekampagnen, um den

amerikanischen

hang auch, dass in den USA 2019 mehr als ein

Podcast zu promoten. Klar ist dabei: Je höher

Nachrichten-

Fünftel der Werbeeinnahmen mit Podcasts aus

der Anspruch an Professionalität und Reichwei-

Podcasts

den Bereichen Nachrichten und Politik erzielt

te ist, desto stärker steigen auch die Kosten.

wurden – vor Comedy mit 17 Prozent und „Ge-

Die Plattformen übernehmen die Pod­casts in

sellschaft und Kultur“ mit 13 Prozent (Internatio­

der Regel kostenfrei, weil es für sie kosten­loser

nal Accounting Bureau 2020: 16). Dies könnte

Content ist. Die Frage ließe sich aber auch um-

darauf hindeuten, dass die PC-Szene sich nicht

kehren, ob nicht die Plattform Tantiemen an die

zwangsläufig verstärkt in Richtung der grund-

Macher* entrichten müssten. Spoti­ fy, Apple

sätzlich werbeaffine(re)n Unterhaltung bewegt,

Pod­casts und zuvor schon Podimo sind jüngst

selbst wenn in Deutschland die Werbeausgaben

zu einem solchen Entlohnungssystem überge-

für Podcasts weiter stark steigen.

gangen. Die Frage bleibt allerdings, ob die Höhe den Produzierenden reicht.

3.4 Zwischenbilanz

Dass sich hier Konflikte anbahnen könnten, zeigen kritische Äußerungen des Bundesver-

Wettbewerbs-

Die Entwicklung von Smartphones und Apps,

bands der Digitalpublisher und Zeitungsverle-

rechtliche Konflikte

der Ausbau von Bandbreite, die Einführung

ger (BDZV), der die Interessen der Zeitungs-

bahnen sich an

der Bluetooth-Technologie, kabellose Kopf-

branche vertritt. Diese hat in den vergangenen

hörer und Sprachassistenten: Die Digitalisie-

Jahren besonders Anstoß an Google genom-

rung hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten

men, dessen Suchmaschine und speziell des-

in viel­facher Hinsicht ein neues technisches

sen Angebot der Nachrichten-Aggregation

Umfeld erzeugt, welches die Produktion, vor

(Google News) kurze Inhaltsangaben von ver-

allem aber den Konsum von Podcasts stark ver-

linkten Zeitungsartikeln wiedergibt und somit

einfacht hat. Eine entscheidende Rolle haben

aus Sicht der Verlagsbranche auf fremde In-

zudem Streaming-Plattformen wie Spotify,

halte zugreift, ohne aber deren Urheber dafür

Apple Podcasts und andere gespielt, die mit

angemessen zu vergüten. Vielmehr schalte

dem Aufbau einer technisch-organisatorischen

sich Google gewissermaßen vor die Zeitun-

34


Die Podcast-Nutzung: Vom Nischenformat zum Massenmedium

gen und schöpfe dadurch einen wesentlichen

wie ein „Nadel­öhr“ wirken, umso mehr kön-

Teil der Werbeeinnahmen ab. Perspektivisch

nen sie auch beeinflussen, welche Inhalte das

könnte sich hier eine ähnliche Problematik mit

breite Publikum erreichen. Tradi­tionell haben

verlagseigenen Podcasts und Plattformen wie

diese bevorzugten Inhalte eher leichten, un-

Spotify herausbilden, aber auch eine poten-

terhaltenden Charakter, zumal sie auch als

tielle Diskriminierung von Inhalten (Anfrage

werbefreund­ liches Umfeld gelten. Es wäre

Kansky 2020).

also zu erwarten, dass die Bedeutung von

7

Denn die dargestellte Entwicklung zur

Pod­casts mit einem Schwerpunkt auf Informa-

wachsenden Dominanz einiger weniger Platt-

tionen und Nachrichten mit steigender Domi-

formen im PC-Markt könnte zwei Konsequen-

nanz der Plattformen abnimmt. Noch ist der

zen haben. Die eine: Der Podcast war die

Werbemarkt für Podcasts jedoch nicht sehr

längste Zeit ein plattformneutrales Medium,

weit entwickelt und die skizzierte Entwicklung

welches auf vielen Wegen (Website, verschie-

noch nicht als gesetzt zu betrachten. Hoffnung

dene Apps, Plattformen wie Spotify) ange-

macht immerhin, dass Werbungtreibende in

steuert werden kann. Er wird immer mehr zu

den USA einen hohen Anteil ihrer Spots auch

Podcasts

einem „normalen“, knappen Wirtschaftsgut,

bei Informations-Formaten schalten, sodass

als knappes

das nur bei bestimmten Anbietern* erhältlich

diese nicht durch die Algo­rithmen-Auswahl ins

Wirtschaftsgut

ist. Die zweite Folge: Je stärker Plattformen

Hintertreffen geraten.

7 Die BDZV-Äußerungen erfolgten vor der Ankündigung von Tantiemen durch Apple und Spotify. Dies bedeutet freilich nicht automatisch, dass sich dadurch die Haltung des Verbands grundlegend geändert hat.

35


Den richtigen Ton treffen

4 Die Podcast-Nutzung: Vom Nischenformat zum Massenmedium Neue Produkte wie auch neue Medien werden

4.1 Die Entwicklung in den USA

im Zeitalter der Digitalisierung oft von Technologie-Schüben und einem Unternehmer*geist

Wie die ersten Blogger*, die ersten Social-­

vorangetrieben, der hohe Gewinne aufspüren

Media-Plattformen vor Facebook, die frühen Vi-

und abschöpfen will. Im Falle des Podcastings

deomacher* auf YouTube und die ersten Gene­

gilt dies nur bedingt (vgl. Kapitel 3). Hinzu kom-

rationen des Internet überhaupt haben auch

men starke soziokulturelle Triebkräfte, die für

die meisten Mitglieder* der entstehenden Pod­

Basisdemo-

die Entwicklung des Mediums Podcast eine ge-

cast-Szene den Ruf und den Selbstanspruch,

kratisches

wichtige Rolle spielen. Der Podcast ist nicht nur

Teil einer basisdemokratischen Graswurzel-­

Nischenmedium

in seinen Anfängen, sondern bis heute das Me-

Bewegung zu sein. Vor allem in der zweiten

dium der basisdemokratischen Amateure* und

Hälfte der Nullerjahre dreht sich viel darum, mit

experimentierfreudigen Semiprofessionellen.

und über das neue Medium zu experimentieren

Darüber hinaus haben auch nicht gewinn­

und sich auf seine ganz persönliche Weise zu

orientierte Organisationen eine wesentliche

artikulieren. Es soll auf Augenhöhe miteinan-

Rolle für den Aufstieg der Podcasts gespielt.

der und unter Gleichen kommuniziert werden.

Selbst in den USA, dem Land des freien Unter­

Wer Nutzer* ist, kann auch problemlos Ma-

nehmer*tums, trägt vor allem das öffentlich-­

cher* sein. Einige wollen das Podcasting auch

Neues Vehikel

gemeinnützige Radio dazu bei, das neue

als unterhaltsames Vehikel für Bildungsinhalte

für Edutainment

Medien­format zu popularisieren, aber auch zu

nutzen.

professionalisieren (Kapitel 4.1). Eine vergleichbare Entwicklung findet in

(2011) fünf verschiedene Podcasts im kanadi-

Deutschland statt, wo sich Podcasts spätes-

schen Montreal und gelangt zu dem Ergebnis,

tens seit 2017 von einem subkulturellen, rei-

dass diese eine spezifische Form der Inter-

nen Nischenmedium immer stärker in Richtung

net-Partizipation darstellten, mit einem eige-

eines populären Massenmediums entwickeln,

nen subkulturellen Stil, der sich völlig vom

ohne allerdings die thematischen Nischen zu

traditionellen Rundfunk-Modell unterscheide.

vernachlässigen (Kapitel 4.2). Eine ganz ähn­

Andere wie etwa Bonini (2015: 21) wollen in

liche Sprache sprechen auch die Zahlen: Ein-

den Podcastern* die Nachfahren der freien

gebettet in einen digitalen Audioboom nehmen

Piraten-­Radios der 1970er Jahre erkennen, die

die Nutzer*zahlen seit einigen Jahren konti-

eine neue Gegenöffentlichkeit schaffen woll-

nuierlich zu und zwar mit imposanten Wachs-

ten. Man mag über diese Zuschreibungen strei-

tumsraten – dies vor allem aber bei den Jünge-

ten, fest steht jedoch, dass in der Frühphase

ren und formal besser Gebildeten (Kapitel 4.3).

viele Idealisten* und unabhängige Geister die

Daraus wiederum lässt sich die Frage ableiten:

Entwicklung maßgeblich mitbestimmen.

Warum und wozu hören die Nutzer* Podcasts (vgl. Kapitel 4.4)?

36

So untersucht beispielsweise Millette

Es dauert allerdings nicht lange, bis sie Gesellschaft bekommen. Es handelt sich da-


Die Podcast-Nutzung: Vom Nischenformat zum Massenmedium

bei zunächst jedoch weniger um profitorien-

Dämpfer. PC kommen in dieser Phase nicht

tierte Unternehmen, die eher auf anderen

über den Status eines Phänomens für sehr

technischen Gebieten, beispielsweise bei den

enge Zielgruppen hinaus. Das hat mehrere

sozialen Netzwerken, schnell die Oberhand

Ursachen. Zum einen ermöglicht die Technik

gewinnen. Im Fall der Podcasts sind es vor al-

noch keinen komfortablen Konsum von Pod-

lem öffentliche und gemeinnützige Rundfunk-

casts. Offensichtlich spielt aber auch das fast

sender. Kurz nachdem Mitte 2005 Apple seine

zeitgleiche Aufkommen sozialer Medien wie

PC-kompatible iTunes-Software auf den Markt

Facebook und YouTube, ein paar Jahre später

gebracht hat, startet in den USA der National

von Twitter und Instagram, eine Rolle. Gerade

National

Public Radio-Verbund mit einer regelmäßi-

die Möglichkeit der sozialen Interaktion macht

Public Radio

gen Podcast-Produktion. Weitere Non-Profit-­

diese sozialen Medien attraktiv, während beim

ist der Pionier

Sender in den USA folgen. Zwischen 2005 und

PC zwar theoretisch ebenfalls jeder* leicht Kon-

2007 versucht KYOU, ein Radiosender aus San

sument* und Produzent* zugleich sein kann

Francisco, sein Programm sogar vollständig

(„Prosumer“-Prinzip), meist aber doch Zuhören

auf PC umzustellen, bricht dann aber das Ex-

angesagt ist (Vassilian 2017: 6).

8

periment ab. 2007 startet die britische BBC

Ab 2014/15 sieht der italienische Medienwis-

ihren PC-Regelbetrieb, nachdem sie drei Jahre

senschaftler Fabio Bonini jedoch „The Second

mit dem neuen Medium experimentiert hat. Im

Age of Podcasting“, „Die zweite Ära des Podcas-

selben Zeitraum gehen auch die britischen Zei-

tings“, so der Titel seines Aufsatzes, eingeläu-

tungen Daily Telegraph und The Guardian mit

tet. In den Jahren 2012/13 scheiden mehrere er-

PC-Produktionen an den Start. Damit sind sie

folgreiche Podcaster* aus dem NPR-System aus,

die ersten kommerziellen Akteure auf dem Feld

um – finanziert durch Spendengelder – eigene

(Bonini 2015: 24).

Projekte wie Radiotopia oder Radio Diaries auf

Mit den klassischen Medienhäusern, ge-

die Beine zu stellen. Crowdfunding ist zu dieser

meinnützig wie gewinnorientiert, und den

Zeit zwar generell sehr angesagt bei Medien-

technischen Erleichterungen (vgl. Kapitel 3.1)

projekten, es zeigt sich aber schnell, dass zu-

findet eine zunehmende Professionalisierung

mal größere PC-Vorhaben auch auf zusätzliche

Professionali­-

des Podcastings sowie eine stark steigende

Finanzierungsmethoden zurückgreifen müssen.

sierung ab 2014

Verbreitung von PC statt. Dies geschieht aller­

Dazu gehören vor allem Sponsorings und Wer-

dings nicht sofort, denn zwischen ca. 2007

bung (Bonini 2015: 22-25). So entstehen 2014

und 2012/13 bekommt die Entwicklung einen

Podcast-Label wie Gimlet oder Panopoly, die

8 Bei National Public Radio (NPR) handelt es sich um einen 1970 gegründeten lockeren Verbund von rund 1.000 gemeinnützigen Radiosendern in den USA. Die landesweite Anstalt beliefert dabei die lokalen Sender mit einem Mantel­programm. NPR wird nicht wie in Deutschland über einen Rundfunkbeitrag oder Ähnliches finanziert und der Sender erhält nur sehr geringe staatliche Zuwendungen. Hauptsächlich finanziert sich NPR aus dem Weiterverkauf von Inhalten an seine Mitgliedssender sowie aus Firmensponsorings, Großspenden von Unternehmen und Stiftungen sowie kleineren Spenden von Einzelpersonen.

37


Den richtigen Ton treffen

auch etablierte Medien wie die New York Times

durchaus als Kompliment zu verstehen ist (zi-

oder die Huffington Post mit ihren Produktio-

tiert nach Berry 2015: 301).

nen beliefern. Diese Entwicklungen sind zwar teilweise durch die in Kapitel 3.1 beschriebenen

38

Mehrere Faktoren lassen Serial dabei zum Publikumsmagnet werden:

Hier geht’s

Technik-Schübe induziert. Der neue Unterneh-

Der PC bzw. seine erste Staffel, die sich aus-

zu Serial

mer*geist wäre aber wahrscheinlich nicht ent-

schließlich um den einen Mordfall dreht,

standen, wenn es nicht einen Podcast gegeben

wird als Serie mit zwölf Folgen produziert.

hätte, der für Furore und damit für den großen

Diese werden Woche für Woche veröffent-

Durchbruch sorgt: Serial.

licht, so dass das Publikum gebannt auf jede

Bereits 1995 hat Chicago Public Radio die

weitere Entwicklung in dem Fall wartet. So-

sehr erfolgreiche Reportage-Sendung This

bald alle Folgen veröffentlicht worden sind,

American Life (TAL) ins Leben gerufen. Später

können sie „in einem Rutsch“ angehört

wird sie auch als Podcast verbreitet, nicht min-

werden („binge listening“). Dieses Prinzip

der erfolgreich, mit einem Millionenpublikum.

ist heute von Videostreaming-Diensten

2014 gründet die TAL-Autorin Sarah Koenig ihre

wie Netflix wohlbekannt. Zu dieser Zeit ist

eigene Firma, um Serial zu produzieren. Der PC

es jedoch relativ neu und passt sehr gut

gehört zur Kategorie der „True-Crime-Storys“,

zum spannungsgeladenen Charakter einer

die bei den PC-Hörern* zu den beliebtesten ge-

True-Crime-Story.

hören: Sie erzeugen einen besonderen Schau-

Serial glänzt durch eine starke dramaturgi-

der, weil es sich um echte Kriminalfälle handelt.

sche Umsetzung und Erzählweise: Produ-

Niveauvolle

In Serial erzählt Koenig die Geschichte eines

zentin Sarah Koenig wählt die Form einer

Presenter-

Mordes aus dem Jahr 1999: In Balti­more wird

sogenannten Presenter-Reportage, ähn-

Reportage

damals die High-School-Schülerin Hae Min Lee

lich den Filmen von Michael Moore (z. B.

von ihrem Freund ermordet, weil sie ihn verlas-

Bowling for Columbine), wo der Autor*

sen hat. Adnan Syed wird dafür lebenslänglich

selbst zum Akteur* wird und die Geschich-

in Haft geschickt. Binnen eines Jahres nach Ver-

te erzählt. Das Publikum kann ihm*ihr bei

öffentlichung wird die Geschichte von Hae Min

seinen*ihren Recherchen gewissermaßen

und Adnan 72 Millionen Mal heruntergeladen,

über die Schulter schauen. Er*Sie teilt sei-

bis 2020 rund 240 Millionen Mal. Der Erfolg

ne*ihre Gedanken und Gefühle mit, die das

wird honoriert: 2015 erhält Serial den renom-

Ganze subjektiv einfärben und sich unter-

mierten Peabody Award, dessen Jury größeren

scheiden vom sachlichen Berichtsstil des

Wert auf die journalistische Qualität als auf

klassischen Journalismus. Sarah Koenig

die Popularität eines Projektes legt. Die Jury

exerziert dies in Serial auf einem inhaltlich

befindet dennoch, dass es sich bei Serial um

vergleichsweise hohen Niveau vor. Sie er-

„den eindeutig ersten Mainstream-Podcast“

zählt die Geschichte sehr spannend, aber

(Übersetzung durch Autoren*) handele, was

keineswegs effekthascherisch.


Die Podcast-Nutzung: Vom Nischenformat zum Massenmedium

Der PC weist einen hohen Produktionswert

gestoppt wird, weil die Reichweite zu gering

auf, was Ausdruck eines neuen Grades der

ist und zu wenig Werbung geschaltet wird. In-

Professionalisierung ist: Koenig führt sehr

zwischen spielen Audio-­Formate wieder eine

umfassende Recherchen durch, was sich

wichtige Rolle bei der New York Times: Ihr

in zahlreichen, sehr lebendigen, da szeni-

News-Podcast The Daily rangiert dauerhaft

Hier geht’s

schen O-Tönen niederschlägt. Selbst mit

auf Platz 1 der US-amerikanischen PC-Charts.

zu Nice

dem verurteilten Mörder im Gefängnis tele-

Der erste gemeinsame Podcast von Serial Pro-

White Parents

foniert sie. Darüber hinaus bekommt der PC

ductions unter dem NYT-Dach ist Nice White

seinen eigenen Soundtrack.

Parents, der sich um weiße Eltern, deren Kin-

Serial kann von Cross-Promotion profitie-

der und die in den USA verrufenen öffentlichen

ren, denn der PC wird mehrfach in This Ame-

Schulen dreht. Bisher erreicht die NYT monat-

rican Life empfohlen. Koenig gibt aber auch

lich rund zwölf Millionen PC-Nutzer*. Durch die

zahlreiche Medieninterviews. Eine wichti-

Übernahme und Kooperation mit Serial und TAL

ge Rolle spielen zudem virale Effekte durch

kommen weitere 4,5 Millionen hinzu (Abrams

soziale Medien wie Twitter und Reddit, in

2020; Podtrac 2020).

denen lebhaft über den PC diskutiert wird –

Am Beispiel von Serial lässt sich festhalten,

auch unter Beteiligung der Macher*. Das

dass der öffentlich-gemeinnützige Rundfunk

Engagement der Hörer* erfolgt aber auch

in den USA ganz erheblich zum Siegeszug des

auf rein analoger Ebene: Fans verabreden

Pod­castings beigetragen hat. Dies auch des-

sich, um gemeinsam in Bars und Cafés neue

halb, weil der öffentliche Rundfunk – nicht nur

Folgen zu hören. Auf diese Weise wird der

in den USA – über Jahrzehnte viele Mittel inves-

Kult-Status von Serial zusätzlich gefördert

tiert hat, um anspruchsvolle, teils experimen-

(Berry 2015: 302).

telle Langformate wie Hörspiele oder Features zu fördern (Bonini 2015: 26). Die prägende

Nach 2014 veröffentlicht Sarah Koenig noch

Rolle der Non-Profit-Sender für das Podcasting

zwei weitere, ebenfalls sehr erfolgreiche Serial-­

hat in den USA – die ansonsten eher als das

Staffeln. Im Juli 2020 verkauft Koenig ihre Pro-

Land der unbegrenzten Möglichkeiten für das

duktionsfirma Serial Productions an die New

private Unternehmer*tum gelten – bis heute

Die New York

York Times (NYT). Zeitgleich wird eine enge Zu-

angehalten. Nach einer Erhebung des Markt-

Times wird zur

sammenarbeit zwischen der NYT und This Ame-

forschungsunternehmens Podtrac liefert sich

führenden Kraft

rican Life verkündet – ein deutliches Zeichen

National Public Radio im November 2020 ein

dafür, dass die führende Tageszeitung der USA

Kopf-an-Kopf-Rennen mit der privaten Sender-

ihr inhaltliches Angebot mit anspruchsvollen

kette iHeartRadio um die meisten Hörer*. NPR

Audio-Inhalten weiter verstärken will. Bereits

erreicht in diesem Monat knapp 26 Millionen

2011 hat die NYT eine erste Audio-­Offensive ge-

Nutzer*, iHeartRadio rund 27 Millionen. Allein

startet, die aber schon ein Jahr später wieder

sieben der 20 meistgehörten PC in den USA im

39


Den richtigen Ton treffen

Juli 2020 gehen auf das NPR-Konto (Podtrac

Schweden, Norwegen und eben den USA ist es

2020). Diese Werte sind umso erstaunlicher,

„erst“ jeder Dritte. Unter den 20 Ländern liegt

Deutschland

wenn man bedenkt, dass NPR in der US-Radio­

Deutschland mit einer Quote von knapp einem

hinkt hinterher

branche eher als bildungsbürgerliche Rand­

Viertel allerdings abgeschlagen auf dem vorletz-

erscheinung gilt.

ten Platz (Newman 2020: 26). Dennoch kann man auch für Deutschland attestieren, dass sich Podcasts langsam aber

4.2 Die wichtigsten Wegmarken in Deutschland

sicher von einem Nischenmedium zu einem Massenmarkt entwickelt haben. Dies lässt sich

Die USA sind zwar führend darin, die Professio­

sowohl anhand der Nutzer*zahlen (vgl. Kapi-

nalisierung und Kommerzialisierung des Podcas-

tel 4.3) als auch entlang der strukturellen Ent-

tings voranzutreiben. In Hinblick auf die Verbrei-

wicklung nachweisen. Diese Entwicklung zeigt

tung von Podcasts in der Gesellschaft rangieren

sichtbare Parallelen zu derjenigen der USA,

sie indes nicht ganz vorne, wie eine Erhebung

auch wenn sie nicht völlig identisch und auch

des Medienkonzerns Reuters in 20 wohlhaben-

nicht so stark zeitversetzt zur amerikanischen

den Ländern zeigt (Abbildung 6). In Spanien und

Entwicklung abläuft, wie dies bei technischen

Irland hören sich vier von zehn Erwachsenen

Neuerungen häufig der Fall ist. So unterneh-

mindestens einmal im Monat einen PC an. In

men relativ bald nach den ersten Gehversuchen

Abbildung 6

Anteil der erwachsenen Bevölkerung, der im letzten Monat Podcasts genutzt hat (2020)

50

Prozent

40

41

40

36

36

30

36

34

33

32

32

32

30

29

28

28

26

26

26

24

24

22

20 10

U Ar ge SA nt in ie n Ka na da Au st ra lie Sc n hw ei z Ita lie n Si ng ap Fi ur nn l Ös and te rre Dä ich ne m ar k Be lg Ni ed ien er la Fr nde an kr ei ch J De ap an u Gr tsch oß l br and ita nn ie n

Sc hw d ed No en rw eg en

Irl an

Sp an i

en

0

Quelle: Newman (2020: 26). Eigene Darstellung.

40


Die Podcast-Nutzung: Vom Nischenformat zum Massenmedium

in den USA auch in Deutschland experimentier-

und Christian Schröter die frühe Hörer*schaft

freudige Einzelpersonen erste Fingerübungen.

gemäß ARD-Zielgruppen-Typologie in erster

Einer der bekanntesten PC aus der Frühzeit,

Linie den „Zielstrebigen Trendsettern“, den

Schlaflos in München (2005-2015) von Larissa

„Jungen Wilden“ sowie den „Berufsorientier-

Vassilian (Künstler*name: „Annik Rubens“),

ten“ zu (dies sind drei von insgesamt zehn

Hier geht’s zu

orientiert sich am Audioblogging-Konzept von

Nutzer*gruppen). PC bleiben damit vorerst im

Schlaflos in

Podcast-Gründervater Adam Curry, während

Experimentiersta­dium, denn laut Oehmichen/

München

der Podcast lemotox – die Volksentdummung

Schröter (2009: 14, 18) hätten sie „noch keinen

von Peter Marquardt eines der ersten politi-

festen Platz im Medienensemble erobert“. Ihre

schen Formate in Deutschland ist.

Befragungen zeigen, dass viele Mediennutzer*

Schon früh zeichnet sich ab, dass PC mit

PC entweder mit dem PC-Angebot von Apple

einer Vielfalt von thematischen Schwerpunkten

gleichsetzen oder mit Audios von Radiosendun-

erfolgreich sein können. Beispielsweise führen

gen, die direkt auf einem Rechner herunterge-

die Macher der 2003 eingestellten WDR-Fern-

laden und abgespielt werden. Ein „beidseitiger

sehsendung Computerclub diese seit 2006 auf

Lernprozess“ bei Machern* und Nutzern* sei

privater Basis als PC als Computerclub 2 fort.

notwendig, schlussfolgern die öffentlich-recht-

Auch die Öffentlich-Rechtlichen mischen mit,

lichen Medienforscher (2009: 18).

meist in Form von Zweitverwertungen ihrer Sen-

Ähnlich wie in den USA und anderen west-

dungen aus dem linearen Programm, und wer-

lichen Ländern verebbt auch in Deutschland

ben mit anfänglich etwas ungelenken Slogans

um 2008 die erste Podcast-Welle, um 2014/15

Neuer Schub

wie „Radio zum Herunterladen und Mitnehmen“

einen neuen Schub zu erhalten. Die technolo-

ab 2014/2015

(DeutschlandRadio, heute: Deutschlandfunk)

gischen Fortschritte und die Serial-Inspiration

oder „Radio für die Hosentasche“ (Saarländi-

(vgl. Kapitel 3.1 und 4.1) nehmen vor allem die

scher Rundfunk) für das neue Medium (Oehmi-

öffentlich-rechtlichen Sender, aber auch einige

chen/Schröter 2009: 12). Insgesamt entwi-

private Medienhäuser wie der Technologie-Ver-

ckelt sich mehr eine Podcast-Subkultur als ein

lag Heise sowie der Zeit- und der Spiegel-Ver-

Massenmarkt. „Im deutschsprachigen Bereich

lag zum Anlass, eine neue PC-Offensive zu star-

war die erste Welle eher eine Sache der priva-

ten. In Deutschland verleiht dabei die relative

ten, der Hobby-Podcaster“, schreibt Hammer-

Stärke der öffentlich-rechtlichen Anstalten, die

schmidt (2020: 22). So macht PC-Pionierin La-

ein hohes Maß an professioneller Erfahrung im

rissa Vassilian „Privatradio im Schlafzimmer“,

Radiomachen mitbringen, den entscheidenden

um in „kompletter Freiheit“ ganze Geschichten

Schub auf der Produktionsseite.

ohne jedwede Zeitbeschränkung erzählen zu können (zitiert nach XPLR 2020: 17-19).

Einen ähnlich prägenden Podcast wie Serial in den USA gab es in Deutschland nicht.

In einem 2009 verfassten Artikel weisen

Aber auch hier erleben True-Crime-Formate

die Medienforscher Ekkehardt Oehmichen

seit einigen Jahren eine regelrechte Hoch­

41


Den richtigen Ton treffen

konjunktur. Vor allem der Verbrechen-Pod-

auch in ihrer Machart vornehmlich an ein jün-

cast der Zeit hat eine treue Anhänger*schaft

geres Publikum unter 20 Jahre richten. Selbst

gewinnen können, was Hunderte von Nach-

einige Politiker wie FDP-Chef Christian Lind-

ahmern* auf den Plan gerufen hat. Das wird

ner (vgl. Kapitel 5.2) und Ex-Bundeskanzler

durchaus kritisch bewertet: „[E]s scheint

Gerhard Schröder betreiben mittlerweile

Inflation von

inzwischen weniger ungeklärte Morde als

eigene PC. Während Lindner mit seinen Ge-

True-Crime- und

Formate darüber zu geben“, merken Engert/

sprächspartnern* diskutiert und ihnen Fragen

Promi-Podcasts?

Schroeder (2020) ironisch an. In ihrem Jahres-

stellt, lässt sich Schröder in seinem Podcast

rückblick für das digitale Medien­fachmagazin

Die Agenda von seinem früheren Pressespre-

Übermedien kritisieren die beiden Journalis-

cher Béla Anda interviewen.

ten zudem die inflationäre Ausbreitung von

Egal, ob Influencer*, Politiker* oder Perso-

„Promi“-Podcasts, die in erster Linie der

nen in anderer beruflicher Funktion, die meis-

Selbstvermarktung dienten.

ten PC-Betreiber haben erkannt, dass sich das

Diese Kritik mag einerseits berechtigt

Medium für neue, andere Inhalte eignet als

sein, doch sind es andererseits gerade Pro-

die, die sie normalerweise veröffentlichen. Ein

minente aus dem Kreativsektor, die bisher

illustratives Beispiel dafür ist der PC Gemisch-

auf anderen Kanälen (Fernsehen, YouTube,

tes Hack des Comedian Felix Lobrecht und des

Liveshows etc.) aktiv gewesen sind, die ganz

Gagschreibers Tommi Schmitt, den es seit 2017

erheblich zur Popu­larisierung des Mediums

gibt und der seitdem ganz oben in den Charts

Podcast beigetragen haben. Federführend

der Streaming-Plattform Spotify rangiert. Lob-

unter diesen „freien Medienschaffenden“

recht und Schmitt führen in Gemischtes Hack

sind vor allem Come­dians. Inzwischen haben

kein durchchoreografiertes Comedy-Programm

aber auch zunehmend bekannte „Social Influ-

auf, sondern hangeln sich vielmehr im launi-

encer“ wie Bianca „Bibi“ Claßen und Patrick

gen Zwiegespräch an verschiedenen Themen

Paluten (beide YouTube) oder Pamela Reif (In-

entlang und unternehmen dabei immer wie-

stagram) die Vorzüge einer Kanalerweiterung

der spontane Ausflüge in völlig andere The-

für ihr Geschäft entdeckt und setzen dabei

menwelten. Zwar werden durchaus Witze ge-

ganz auf Unterhaltung. Es gibt aber auch Aus-

rissen, doch es steht eindeutig das Erzählen

Hier geht’s zu

nahmen wie Louisa Dellert, eine ehemalige

persönlicher Geschichten im Vordergrund. So

Gemischtes Hack

Fitness- und Food-­Influencerin auf Instagram.

suggeriert der PC seinen Zuhörern* ein Gefühl

Mit dem Wechsel des Mediums hin zum Pod-

von Nähe und Intimität, ganz so, als könnten

cast kommt ein größerer Fokus auf informie-

sie ihre Protagonisten bei einer Plauderei am

rende Inhalte: In ihrem Podcast LOU KLÄRT

Küchen­tisch heimlich belauschen. Gerade die-

erklärt Dellert zusammen mit Gesprächspart-

se Art von „Laber-Podcast“, wie dieses Genre

… und zu

nern* aktuelle Poli­tik. Episoden wie „Was ist

in der PC-Szene heißt, erlaubt den Hörern* ein

LOU KLÄRT

der EU-Haushalt?“ oder „Was ist eigentlich

hohes Maß an Identifikation und führt damit zu

Greenwashing?“ dürften sich thematisch wie

verstärkter „Kundenbindung“.

42


Die Podcast-Nutzung: Vom Nischenformat zum Massenmedium

Nicht übersehen werden sollten weitere

auch Kapitel 5.1). Zum ersten Mal gewinnt mit

Triebkräfte, die das Podcasting in die „Mitte

dem Coronavirus-Update ein Podcast größere

der Gesellschaft“ hineingetragen haben. So ge-

mediale Bedeutung über verschiedene soziale

nießen Hörbücher in Deutschland schon länger

Schichten und Altersgruppen hinweg. Die Jour-

eine große Popularität – zunächst in Gestalt von

nalisten Marcus Engert und Sandro Schroeder

Hörbücher

CDs, zunehmend aber auch von Downloads. Sie

schlussfolgern gar: „Vermutlich hat keine an-

haben den

haben dem PC kulturell den Boden bereitet, in-

dere deutsche Produktion so vielen neuen Hö-

Boden bereitet

dem sie das „Hören auf Abruf“ populär mach-

rer*innen den Podcast-Erstkontakt verschafft.“

ten. Der positive Effekt von Hörbüchern für das

(Engert/Schroeder 2020) Tatsache ist, dass der

Podcasting dürfte sich allerdings besonders auf

Podcast bis Ende April 2021 mehr als 100 Millio­

ältere Nutzer*gruppen über 30 Jahre und noch

nen Abrufe erzielt hat – ein Wert, der um ein

stärker über 50 Jahre konzentrieren. Bei Jünge-

Vielfaches über dem anderer Wissenspodcasts

ren haben vor allem die Musikstreaming-Diens-

liegt (NDR 2021).

te eine wichtige Rolle gespielt, indem sie ihr Portfolio von Pop auf Podcast ausgeweitet haben (Reichow/Schröter 2020: 510). Einen weiteren, unerwarteten Schub hat

4.3 Boom oder Hype? Was die deutschen Podcast-Zahlen sagen

das Podcasting durch das seit Anfang 2020

Wie stark haben sich Podcasts bis heute nun

grassierende Corona-Virus erfahren. So hat die

tatsächlich etabliert? Die im Jahrestakt heraus-

ARD-Medienforschung im Frühjahr 2020 allein

gegebene ARD/ZDF-Onlinestudie hat ermittelt,

Jede*r vierte

25 neue Podcast-Reihen mit über 600 Folgen

dass in Deutschland im Jahr 2020 rund 26 Pro-

Deutsche

identifiziert, die sich mit der Pandemie be-

zent der Bevölkerung ab 14 Jahren zumindest

hört Podcasts

schäftigen (Reichow/Schröter 2020: 509). Am

gelegentlich Podcasts nutzen. „Umgerechnet

bekanntesten dürfte hierbei das Coronavirus-­

hören 19 Millionen Menschen in Deutschland

Update mit dem Berliner Virologen Christian

Podcasts“, konstatieren die ARD-Medienfor-

Drosten (und einige Monate später auch mit der

scher Dennis Reichow und Christian Schröter

Virologin Sandra Ciesek) sein. Der vom NDR pro-

(Reichow/Schröter 2020: 502). Der „Online-­

duzierte PC hat 2020 den renommierten Grimme

Audio-Monitor“ (OAM) der Medienanstalten und

Online Award erhalten. Die Jury lobt Drosten

des Verbands der privaten Rundfunkanbieter

dafür, dass er neue Hörer*gruppen erschlossen

VAUNET hat einen annähernd identischen Wert

Hier geht’s

habe, womit vor allem die über 30-Jährigen ge-

ermittelt: Demnach hören 24,4 Prozent der Be-

zum Coronavirus-

meint sein dürften (Grimme Insti­tut 2020, vgl.

völkerung ab 14 Jahren Podcasts (Baye­rische

Update

9

9 Differenzen zwischen diesen und auch anderen Werten bei den beiden Erhebungen resultieren aus unterschiedlichen Kategorisierungen. Während der „Online Audio Monitor“ Podcasts und Radiosendungen auf Abruf in einer Kategorie zusammenfasst, hat die ARD/ZDF-Onlinestudie Podcasts separat abgefragt und die Befragung weiter nach „Radio­ beiträge auf Abruf“ sowie „Apps zum Hören von Radio, Podcasts etc.“ aufgeschlüsselt. Die Werte für diese beiden Kategorien liegen bei 26 bzw. 29 Prozent und sind damit weitgehend deckungsgleich mit der Podcast-Quote.

43


Den richtigen Ton treffen

Digital-Audio

Landesanstalt für neue Medien et al. 2020: 14-

von Radiobeiträgen aus Audiotheken und

boomt

15). „Der Audiomarkt boomt, das Wachstum ist

von Webseiten auch Podcasts einschließt.

rasant“, fassen Deck/Meyer-Tippach (2020: 30)

Der Anteil der Bevölkerung, der zumindest

die Ergebnisse zusammen: „Die Radionutzung

selten Online-Audio­dienste nutzt, ist binnen

über das Internet steigt. Podcasts kommen raus

fünf Jahren von rund 50 Prozent auf 75 Pro-

aus der Nische und sind in aller Ohr.“

zent gestiegen, was hohe Wachstumsraten

Fraglich bleibt jedoch, ob sich Podcasts

widerspiegelt. Vor allem aber zeugt das hohe

als dauerhaft relevantes Medium im täg­

und dauerhafte Niveau von einer Etablierung

lichen „Regelbetrieb“ der meisten Nutzer*

der Online-Audio­ dienste im Gesamtmarkt

etabliert haben oder ob es sich doch eher um

(Reichow/Schröter 2020: 503).

Alles nur

einen Pod­cast-Hype, um eine vorübergehen-

Welche Bedeutung hat dabei das Podcas-

ein Hype?

de Mode­erscheinung handelt – und auch die

ting? Abbildung 7 zeigt deutlich, dass das

zweite Welle wieder verebbt? Zur Beantwor-

Musik­hören über YouTube (52 Prozent) sowie

tung dieser Frage gilt es zunächst, einen Blick

das Musikstreaming über einschlägige Plattfor-

auf das große Ganze, den deutschen Audio-

men (41 Prozent) die eindeutig größte Rolle bei

markt insgesamt, zu werfen. Hier ergibt sich

der Audionutzung im Internet spielen. Selbst

folgendes Bild: Das häufig schon totgesagte

Radioprogramme werden über das Internet

„Nebenbei-Medium“ Radio erweist sich in

noch häufiger als Podcasts genutzt. Das ver-

seiner Nutzung weiter als weitgehend sta-

gleichsweise dürftige Abschneiden von Pod-

bil. Von 2016 bis 2020 hörten durchgehend

casts muss allerdings eingeordnet werden. Da

knapp 50 Millio­nen Menschen in Deutschland

es sich bei PC in der Regel um rein wortbasierte

(ab 14 Jahren) täglich oder fast täglich Radio.

„Sendungen“ handelt, müssen sie auch mit rei-

Im Durchschnitt nutzt der Deutsche* (2020)

nen Wortprogrammen von Kultursendern und

fast drei Stunden pro Tag verschiedene Audio-

Nachrichtenwellen verglichen werden. Diese

dienste, hört also „Radio“ im weitesten Sinne.

haben in der Regel meist Einschaltquoten im un-

Hier ist die Tendenz über einen längeren Zeit-

teren einstelligen Prozentbereich als Anteil an

raum (seit ca. 2005) allerdings eher fallend.

der Gesamthörer*schaft, sodass der Abstand

Beim Hören von Live-Sendungen dominieren

beim klassischen Radio noch sehr viel größer

Populärer als reine

immer noch eindeutig analoge Geräte. Bei

zu Musik-dominierten Sendungen ausfällt. So

Wortprogramme

rund einem Drittel der Nutzungszeit kommen

gesehen halten sich Podcasts im Ensemble der

im Radio

im statistischen Durchschnitt inzwischen aber

Audiodienste durchaus wacker. Eine weitere Er-

digitale Kanäle zum Einsatz (Breunig/Handel/

kenntnis aus der Gesamtbetrachtung: PC profi-

Kessler 2020: 420-423; Domenichini 2020:

tieren ohne Frage von der fortschreitenden Digi-

56). Zum Bereich „Online-Audio“ zählen vor

talisierung des Audiomarktes. Ihre Entwicklung

allem Musik­streaming, Webradio (live) sowie

ist also eingebettet in einen größer angelegten

Audio-on-­ Demand, was neben Downloads

Online-Audio-Boom.

44


Die Podcast-Nutzung: Vom Nischenformat zum Massenmedium

Abbildung 7

Audionutzung im Internet (2017-2020)

Netto: Audio online

66 65

Radiosendungen/ Beiträge aus Radiosendungen auf Abruf im Internet hören

69

75

26 16 16 27

Podcasts hören

11

13

Musik über YouTube hören

48 48 49

Musik über Streamingdienste hören

41

31 30

Radioprogramme live über Internet

29 29

Webchannels von Radiosendern

52

35 37

20

17

25

Apps z. Hören von Audios, Podcasts, Radioprogrammen über das Internet

2020 2019 2018 2017

29

MusikErkennungsdienste

19 18

Hörbücher/Hörspiele im Internet

16 14 13

10

0

22 21

19

30

20

40

50

60

70

80

Prozent Quelle: Reichow/Schröter (2020: 503). Eigene Darstellung.

Abbildung 8

Anteil der deutschen Audio-Podcasthörer* ab 14 Jahren

30

Prozent

24 20

17 10

10 4

5

3

4

3

3

3

4

11

13

13

6

0 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Prozentzahl der Podcasthörer* ab 14 Jahren (Basiswert=deutsche Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren) Quellen: ARD/ZDF-Onlinestudien (2006-2018); Online Audio Monitor (2018-2020). Eigene Darstellung.

45


Den richtigen Ton treffen

Wie sieht nun die spezifische Entwicklung bei den Podcasts aus und welche Rückschlüsse lassen sich daraus für die soziale Relevanz von Podcasts ziehen?

Spätestens seit 2010 war die erste PC-Welle jedoch schon wieder vorüber. Zwischen 2014 und 2015 erfolgt ein starker Schub der Nutzer*schaft von sechs auf zehn

Betrachtet man zunächst die Angebotsseite,

Prozent der Bevölkerung. Zwar schwächt sich

verzeichnete Apple Podcasts im ersten Quartal

das Wachstum bis 2018 wieder deutlich ab, im

2021 mehr als zwei Millionen Podcasts. Aller-

Zeitraum 2018-2020 sind jedoch wieder größe-

dings wurden davon nur noch 720.000 aktiv be-

re Sprünge mit jährlichen Zuwachsraten von 29

trieben (Goldstein 2021; vgl. auch The Podcast

bzw. 45 Prozent zu verzeichnen. Im Jahr 2020

Host 2020). Konkurrent Spotify verzeichnete

hört ein knappes Viertel der Bevölkerung über

nach eigenen Angaben im Dezember 2020 in

14 Jahren mindestens einmal pro Monat einen

Summe 1,9 Millionen Podcasts (Spotify 2020b).

Podcast. Somit lässt sich seit 2018 tatsächlich

Bei der Plattform-unabhängigen PC-Suchma-

von einem Boom sprechen, der mit dem ange-

schine „Listen Notes“ wurden zum selben Zeit-

botsseitigen Wachstum korreliert. Allerdings

punkt mehr als 1,8 Millionen Podcasts geführt.

müssten auch noch in den kommenden Jah-

Auch für in Deutschland hochgeladene Pod­

ren vergleichbar hohe Wachstumsraten erzielt

casts gibt es Anhaltspunkte. So ist das PC-An-

werden, damit man von einer Etablierung des

gebot von Spotify als marktführende Plattform

neuen Mediums Podcast im alltäglichen Regel-

von 2.000 im Jahr 2018 über 12.000 (2019) auf

betrieb der Bürger* sprechen könnte.

22.000 bis Mitte 2020 und auf 50.000 im ersten

Einschränkend kommt hinzu, dass die Zah-

Quartal 2021 angewachsen (Winterbauer 2020:

len auch nur gelegentliche Nutzer* inkludie-

Explodierendes

47; Krei 2021). Auf der Anbieterseite hat also

ren, die Podcasts beispielsweise nur einmal im

Podcast-Angebot

eine sehr starke Expansion stattgefunden, die

Monat hören. Aussagekräftiger ist deshalb das

sich vor allem im exponentiellen Wachstum der

Zahlenwerk der Intensivnutzer* (hier definiert

Anzahl verfügbarer Podcasts niedergeschlagen

als Nutzer*, die Podcasts mindestens einmal

hat (und, wie Kapitel 3.2 und 3.3 zeigen, von stei-

pro Woche hören). Die entsprechenden Zahlen

genden Werbeeinnahmen und dem Markteintritt

werden allerdings erst seit 2018 systematisch

diverser neuer Unternehmen geprägt ist).

im Online Audio Monitor erfasst, so dass sich

Zieht die „Nachfrage“ in Gestalt von Nut-

nur wenig über die Nachhaltigkeit erkennba-

zern* bzw. Kunden* mit diesem angebotssei-

rer Entwicklungen sagen lässt. Dennoch gibt

tigen Wachstum mit? Abbildung 8 zeigt den

es einige wichtige Indikatoren. Abbildung 9

Anteil an der in Deutschland lebenden Bevöl-

zeigt, dass der Anteil der Intensivnutzer* ge-

kerung (ab 14 Jahren), der mindestens einmal

genüber den gelegentlichen Nutzern* von 2018

Deutliche

im Monat einen Podcast hört. In den Jahren

bis 2020 von 40 auf 58 Prozent gestiegen ist.

Zunahme von

2006 und 2007 und noch einmal 2009 werden

Damit zeichnet sich eine Verlagerung hin zu ei-

Intensivnutzern*

Werte von vier bzw. fünf Prozent verzeichnet.

ner intensiveren Nutzung ab.

46


Die Podcast-Nutzung: Vom Nischenformat zum Massenmedium

Abbildung 9

Anteil der gelegentlichen und intensiven Nutzer* an allen Podcast-Hörern* in Deutschland 2018-2020 (in Prozent) 70 60

60

Prozent

50

40

40

58

52

48

42

30 20 10 0 2018

2019

2020

bis zu 3 Mal im Monat

wöchentlich/täglich

Quelle: Eigene Berechnungen nach Bayerische Landesmedienanstalt et. al. (2018: 12; 2019: 14; 2020: 14).

Abbildung 10

Podcast-Nutzung in Deutschland 2018-2020 nach Häufigkeit (Anteil an allen Podcast-­Hörern* in Prozent) 30 24,4

25

Prozent

20

16,8 13,4

15

9,9

10 5

4,2 3,6 4

1,6

3,7 4,3

5,9 2,9

4,5

5,8

4,2

0 2018

2019

2020

mind. 1 Mal pro Monat

täglich/fast täglich

2 bis 3 Mal pro Monat

Nutzung gesamt

ein- bis mehrmals pro Woche Quelle: Bayerische Landesmedienanstalt et. al. (2018: 12; 2019: 14; 2020: 14). Eigene Darstellung.

47


Den richtigen Ton treffen

Und dennoch: Bei einer Heavy-User-­Rate

auch bei Podcasts, nicht bedeuteten, dass sich

von 4,2 Prozent (Abbildung 10) kann im Ver-

alle Veränderungen der Mediennutzung allein

gleich zum täglichen Radiokonsum eines

oder fast ausschließlich mit den Einschränkun-

Großteils der Bevölkerung noch keineswegs

gen während der Covid-19-Zeit erklären ließen.

von einer vollständigen Etablierung die Rede

„Die Corona-Situation könnte sich als Inkubator

sein, eher von einem ergänzenden Angebot.

für den Digitalisierungsprozess in der Gesell-

Dies wird dadurch untermauert, dass vor allem

schaft erweisen“, hoffen sie (ähnlich beurteilen

die Zahl der wöchentlichen Nutzer* gewachsen

dies auch Deck/Meyer-Tippach, 2020: 45).

und mit knapp zehn Prozent mehr als doppelt so hoch ist wie die der täglichen Nutzer*. In der Mediennutzer*gruppe der 14- bis 29-Jährigen hört bereits ein Viertel wöchentlich Podcasts

4.4 Motive und Verhalten der Podcast-Nutzer*

(dazu ausführlich in Kap. 8.1). Ihr „Wochen-

Was charakterisiert die Menschen, die Pod-

wert“ bewegt sich auf dem Niveau der gele-

casts konsumieren? Aus welchen Schichten

gentlichen Hörer in der Gesamtbevölkerung.

und Milieus der Gesellschaft kommen sie,

Jüngere schalten

Bei den Jüngeren lässt sich schon eher davon

wann, wo und – nicht zuletzt – warum hören

regelmäßig ein

sprechen, dass PC Teil eines regelmäßig ge-

sie Podcasts? Aussagekräftige Daten zu den

nutzten Medienensembles geworden sind.

soziodemografischen Merkmalen der Nutzer*

Zudem muss bei der Interpretation der Zah-

vermittelt Abbildung 11.

len eine wichtige Einschränkung gemacht wer-

Es wird deutlich, dass es kein größeres

den: Spätestens seit März 2020 ist der Medien-

Ungleichgewicht der Geschlechter unter den

konsum in Deutschland Pandemie-bedingt deut-

Podcast-Nutzern* in Deutschland gibt: Zwar

lich angestiegen. Einerseits durch die damit ge-

hören mehr Männer als Frauen Podcasts, die

stiegene Nachfrage nach neuen Informationen

Differenz beträgt aber nur einige Prozentpunk-

über das Thema (vgl. Kapitel 4.2), andererseits

te. Hin­gegen stellen sich Podcasts als das „Me-

durch die zwangsweise gestiegene häusliche

dium der Jungen“ dar, insbesondere der unter

Sondereffekte

Präsenz, gerade auch bei Freizeitaktivitäten.

30-Jährigen, die fast die Hälfte der Podcast-­

durch Corona-

Dieser „Corona-­Effekt“ mag die Steigerungs­

Hörer* stellen. Allerdings sind die Wachstums-

Pandemie

raten – auch bei den Podcasts – etwas abflachen

raten bei den über 50-Jährigen inzwischen fast

lassen, sobald sich das öffentliche Leben wieder

genauso hoch wie in der jungen Altersgruppe

weitgehend normalisiert hat. Nichtsdestotrotz

(Bayerische Landesanstalt für neue Medien et

ist zu erwarten, dass das Wachstum generell

al. 2020: 55). Ziemlich eindeutig ist das Ergeb-

weitergeht (vgl. auch die Daten bei Goldmedia

nis hingegen beim formalen Bildungsgrad: Wer

Formaler

2020: 6). So erwarten auch die ARD-Medienfor-

Abitur gemacht und ein Studium absolviert hat,

Bildungsgrad

scher Reichow/Schröter (2020: 513), dass die

ist deutlich PC-affiner als Personen mit einem

spielt eine Rolle

Digitalisierungsschübe gegenüber dem Vorjahr,

niedrigeren formalen Bildungsabschluss.

48


Die Podcast-Nutzung: Vom Nischenformat zum Massenmedium

Abbildung 11

Soziodemografische Merkmale von Podcast-Nutzern* in Deutschland im Jahr 2020 Geschlecht

Alter

50

46

46

40

Prozent

Formale Bildung

35

30

27

29

26

28 22

19

20

9

10

m

ni

ch ho

itt el

rig ed

hr e Ja

hr e

70 +

Ja -6 9

50

-4 9

Ja

Ja 30

-2 9 14

hr e

hr e

r M

än

ne

en Fr au

Ge sa m

t

0

Quellen: Eigene Darstellung nach Reichow/Schröter (2020: 504, Geschlecht und Alter, bezogen auf die deutsch­ sprachige Bevölkerung ab 14 Jahren); Bayerische Landesmedienanstalt et al. (2020: 52, Bildungsabschluss, bezogen auf die Zahl der Online-Audio-Nutzer*. Abweichungen von 100 % durch Rundungen und fehlende Angaben).

Abbildung 12

Nutzungssituationen für Podcasts (2020) in Ruhe zu Hause

55,2

bei der Hausarbeit (Kocken, Putzen etc.)

38,7

unterwegs in Bus oder Bahn

26,5

unterwegs im Auto

24,8

beim Einschlafen

24,2

beim zu Bett gehen

24,1

draußen/im Park/beim Spazieren

19,4

beim Aufstehen, im Bad oder beim Anziehen

16,3

zum Frühstücken

13,3

beim Sport

13,2 11,7

beim Mittag- oder Abendessen auf der Arbeit/in der Universität/Schule

10,1

unterwegs auf dem Fahrrad

9,3

Sonstiges

2,3 0

10

20

30

40

50

60

Prozent Quelle: Goldmedia (2020: 7). Mehrfachnennungen möglich. Eigene Darstellung.

49


Den richtigen Ton treffen

Eine repräsentative Podcasting-Studie von

Eine große Bedeutung hatte mit 79,5 Pro-

Goldmedia (2020) hat zudem ermittelt, bei

zent das Thema „Exklusivität“, also der

welchen Gelegenheiten Menschen Podcasts

Umstand, dass bestimmte Themen nur in

Viele wollen

hören. Abbildung 12 zeigt die vielseitigen Ein-

bestimmten Podcasts vorkommen (mög­

Podcasts

satzmöglichkeiten. Über die Hälfte der Befrag-

licherweise geht es bei diesem Aspekt auch

in Ruhe hören

ten gab an, Podcasts „in Ruhe zu Hause“ zu

um die Perspektive auf das Thema).

hören, was auf eine bewusst-aktive Nutzung

Zentral jedoch war für mehr als vier Fünftel

hindeutet, die als Unterscheidungsmerkmal

(83,4 Prozent) der Podcast-Hörer*, dass in-

zwischen Podcast und klassischem Radio gese-

teressante Themen in detaillierter Tiefe und

hen werden kann (vgl. Kapitel 2.1). Allerdings

mit gebührender Ausführlichkeit behandelt

erfahren auch Nebenbei-Nutzungen wie Hören

werden.

von Podcasts „bei der Hausarbeit“ oder während der Fahrt mit Bus, Bahn oder Auto häufige

Dieser konstatierte hohe Anspruch an Tiefe

Nennungen.

und Ausführlichkeit korrespondiert auch mit

10

Insgesamt zeigt sich, dass sich PC-Nutzer*

Angaben, die Nutzer* in einer Umfrage von

in erster Linie auf ihren Podcast konzentrieren,

Gruner + Jahr (2019: 56) über die optimale Län-

den sie sich gerade anhören – selbst wenn

ge von Podcasts bereits Mitte 2019 gemacht

sie dabei gerade anderen Tätigkeiten nach-

haben.

gehen (Gruner + Jahr 2019: 54). In eine ganz

Demzufolge bevorzugen gerade einmal

ähnliche Richtung weisen die Resultate des

15 Prozent der Nutzer* eine PC-Länge von

Online Audio Monitors, in dem verschiedene

weniger als 10 Minuten. 44 Prozent präferie-

Nutzungsmotive bei den Hörern* abgefragt

ren eine Länge zwischen 11 und 30 Minuten,

wurden (Baye­rische Landesmedienanstalt für

30 Prozent eine Länge zwischen einer halben

neue Medien et al. 2020: 66-69).

und einer ganzen Stunde. Gut zehn Prozent

Die Hauptergebnisse:

hören sogar gerne länger als eine Stunde zu

Moderator*

Die Medienmarke des Produzierenden,

(vgl. Abbildung 13). Offenbar wird das Zuhö-

wichtiger als

also die Herkunft des Podcasts, spielt mit

ren dadurch erleichtert, dass die Inhalte „ver-

Medienmarke

29,1 Prozent bei den PC-Nutzern* nur eine

ständlicher, praktischer, unterhaltsamer“ als

untergeordnete Rolle.

in anderen Medien präsentiert werden, wie

Rund 60 Prozent gaben an, ihnen sei die

rund die Hälfte der regelmäßigen PC-Hörer* in

Persönlichkeit des Hosts* sehr wichtig.

der Deutschland-Version des Reuters Digital

Dies war vor allem bei den jüngeren Befrag-

News Report angegeben hat (Hölig/Hasebrink

ten der Fall.

2020: 51).

10 Eine gewisse Verzerrung in der Erhebung mag durch den Einfluss der Corona-Pandemie entstanden sein. In den Umfrage-Monaten Juni/Juli 2020 waren aber viele Einschränkungen bei öffentlichen Aktivitäten vorübergehend gelockert bzw. aufgehoben.

50


Die Podcast-Nutzung: Vom Nischenformat zum Massenmedium

Abbildung 13

Optimale Länge eines Podcasts nach Ansicht deutscher Podcast-Hörer* über 60 Minuten unter 10 Minuten

11 % zwischen 41 und 60 Minuten

15 %

16 % 23 %

zwischen 11 und 20 Minuten

14 % zwischen 31 und 40 Minuten

21 % zwischen 21 und 30 Minuten

Frage: Was ist für Sie die optimale Länge eines Podcasts? Basis: Podcast-Hörer* (mind. mehrmals im Monat), n=261. Quelle: Gruner + Jahr (2019: 56). Eigene Darstellung.

4.5 Zwischenbilanz

steigerten Nachfrage wider. So lässt sich seit 2018 ein regelrechter Boom in Form mehrjähri-

Beim Podcasting hat es bislang zwei Wellen

ger hoher Zuwachsraten bei den Nutzer*zahlen

gegeben, bei denen die zweite eine deutlich

nachweisen. Dabei steigt jedoch vor allem die

größere Nachhaltigkeit verspricht. Bei der

wöchentliche Nutzung. Um von einer Etablie-

ersten „Experimentierwelle“ von 2004 bis ca.

rung in den alltäglichen Regelbetrieb reden zu

2008 wie bei der zweiten „Etablierungswelle“

können, muss die mehrmalige wöchentliche

Die „Etablierungs-

seit 2014/15 haben die USA die Standards ge-

oder gar tägliche Nutzung weitere Verbreitung

welle“ wirkt

setzt – in Hinblick auf die Popularisierung, Pro-

finden. Zudem ist eine gewisse Vorsicht bei

nachhaltig

fessionalisierung und Kommerzialisierung von

der Beurteilung geboten, weil die Corona-Pan-

Podcasts. Gerade die Vermarktung hält sich

demie eine gesellschaftliche Ausnahmesitua-

bislang aber in Grenzen, was auch an der Vor-

tion auch in Hinblick auf den Medienkonsum

reiterrolle des gemeinnützigen National Public

erzeugt hat.

Radio liegen mag.

Deutlich weniger durch die äußeren Um-

In Deutschland hat es einen ähnlichen Ver-

stände dürften die Motive der Medienkonsu-

lauf wie in den USA gegeben. Experimentier-

menten* für die Podcast-Nutzung beeinflusst

freudige Hobby-Podcaster* haben den Boden

sein. Hier zeigt sich anhand der Nutzungssitua-

bereitet, dann sind die öffentlich-rechtlichen

tionen wie auch der bevorzugten Podcast-Län-

Rundfunksender und einige klassische Medi-

ge, dass neben der Intimität der Hörsituation

en gefolgt. Inzwischen sind auch zahlreiche

und der Intensität thematischer Auseinander-

„freie Medienschaffende“, darunter nicht zu-

setzung auch ein gewisser geistiger Anspruch

letzt Comedians und Influencer*, mit eigenen

gefragt ist – gerade auch bei jüngeren Nut-

Podcasts vertreten. Die starke Erweiterung der

zern*, die die Vorhut der neuen Podcast-Kultur

Angebotspalette spiegelt sich auch in der ge-

bilden. 51


Den richtigen Ton treffen

5 Amateure*, Zivilgesellschaft, Politik und Unternehmen als Podcaster* Grimme Online

Die Entwicklung der deutschen Podcast-Kultur

Oft widmen sie sich dem Werk eines berühmten

Award als

mit Blick auf die PC-Produzierenden lässt sich

Denkers* – von Karl Marx bis Karl Popper. Es

medialer Leitstern

gut entlang des renommierten Grimme Online

werden aber auch Themen der Zeit diskutiert.

Awards ablesen. Dies gilt zumindest für infor-

Beispielsweise der Wandel der Privatsphäre im

mierende Formate und für Einzelpersonen. Bis-

Zeitalter der sozialen Medien, Geschlechterrol-

her haben vier Podcasts einen Grimme-Preis

len oder Rechtsextremismus.

erhalten: Die ersten beiden sind unabhängige

Dass das Duo Köbel-Breitenbach ein solch

Produktionen von Privatpersonen, also soge-

anspruchsvolles Projekt in Angriff nimmt und

nannten „Indies“. Bei der dritten Preisträgerin

dieses auch noch zum Erfolg führt, mag auf den

handelt es sich um eine Journalistin (die ihren

ersten Blick überraschen. Denn als die beiden

Podcast allerdings auch als „Indie“ produziert

Macher starten, ist es um das Thema Podcasts

hat). Der vierte Preisträger ist 2020 ein bun-

insgesamt wieder sehr ruhig geworden, die ers-

desweit bekannter Virologe, der seine Folgen

te große Welle ist vorbei (vgl. Kapitel 4.2). Ohne

unter dem Dach eines öffentlich-rechtlichen

Zweifel dürfte die Verleihung des Grimme Online

Senders erstellt. Über die Jahre lässt sich also

Award, dem wichtigsten Preis in Deutschland

eine gewisse Professionalisierung aufzeigen,

für innovative Medienformate, dem Soziopod

deren unterschiedliche Akteure* im vorliegen-

jedoch einen spürbaren Popularitätsschub ver-

den Kapitel analysiert werden. Denn neben

liehen haben. In der Jury-Begründung von 2013

Einzelpersonen (Kapitel 5.1) nutzen inzwischen

heißt es, dass die Macher trotz der anspruchs-

verschiedenste Teile der Gesellschaft Podcasts

vollen Themen „angenehm niedrigschwellig und

als Kommunikationskanal, beispielsweise

verständlich“ blieben (Grimme Institut 2013).

Nichtregierungsorganisationen und Politiker*

Dabei war und ist der Soziopod nicht ohne

(Kapitel 5.2), aber auch Unternehmen (Kapi-

Anspruch. Meistens erklären und erläutern die

tel 5.3), wodurch Journalismus dann meist zum

beiden Protagonisten, zuweilen diskutieren sie

PR-Instrument umfunktioniert wird.

aber auch mild kontrovers, was den Charme des Formats ausmacht. Mit ihrem Soziopod

5.1 Persönliches und wissenschaftliches Erkenntnisinteresse

52

haben die beiden Hobby-Philosophen vorexerziert, dass man nicht unbedingt wissenschaftlicher Experte* für ein Themengebiet sein

„Was passiert, wenn alle alles über alle wis-

muss, um sich öffentlich gehaltvoll darüber

sen?“, fragen der Erziehungswissenschaftler

zu äußern. Die Ausführlichkeit und inhaltliche

Nils Köbel und der Medienberater Patrick Brei-

Tiefe ihres „lockeren Zwiegesprächs“, so die

tenbach im Oktober 2011 in ihrer ersten Pod-

Selbstbeschreibung, haben einen Standard für

cast-Folge. Seitdem sind 59 weitere Episoden

die deutsche Podcast-Welt gesetzt. Und nicht

Hier geht’s

ihres Soziopod erschienen (Stand: Juni 2021),

zuletzt haben Köbel und Breitenbach mit ih-

zum Soziopod

in dem sich die beiden jeweils über ein Thema

rem Podcast bewiesen, dass sich vermeintlich

der Philosophie oder Soziologie austauschen.

sperrige Themen sehr anschaulich aufbereiten


Amateure*, Zivilgesellschaft, Politik und Unternehmen als Podcaster*

lassen – auch ohne den Charakter eines Doku-

Hörer* mit in die Gedankenwelt eines Jungen mit

dramas à la „ZDF History“ anzunehmen, wie

Asperger-Syndrom und stelle so „gesellschaft-

dies beim Fernsehen häufig der Fall ist.

liche Normen und Vorurteile auf sehr befrei-

In eine ähnliche und doch zugleich ganz an-

ende Art auf den Kopf“ (Grimme Institut 2017:

dere Richtung weist der zweite Preis, den das

16). Die Wochenendrebellen sind insofern als

Grimme-Institut an einen Podcast vergeben hat.

mustergültig zu betrachten, als sie ihr Projekt

Auch bei den Wochenendrebellen, prämiert im

mit einem Höchstmaß an Authentizität, mithin

Jahr 2017, sind keine Medienprofis am Werk. In

ohne jedwede Inszenierung umsetzen. Sie ste-

den Vordergrund rückt jedoch die persönliche

hen aber auch phänotypisch für eine bestimm-

Betroffenheit der Macher und damit eine stär-

te Form von Podcast, die vor allem Amateure*

Podcasts von

ker subjektiv geprägte Herangehensweise. In

produzieren und die durchaus weit verbreitet

Betroffenen

dem Projekt, das aus einem Textblog, vor allem

sind: Für Podcasts von Betroffenen und/oder

und Beteiligten

aber aus einem Podcast besteht, begibt sich

beteiligten Akteuren*, die genauso offen wie

ein Vater auf die Suche nach einem Fußball-

(meist) fachlich fundiert über ihre eigenen Er-

verein für seinen elfjährigen Sohn. Die Beson-

krankungen wie Epilepsie, Depressionen oder

derheit: Der Sohn hat das Asperger-Syndrom,

Drogensucht berichten (ein weiteres Beispiel ist

eine milde Form von Autismus. In den Episoden

der Podcast Chilliges Gelaber/Harte Zeiten) .

unterhalten sich Vater und Sohn über Themen

Der dritte Podcast, der einen Grimme On-

wie Freundschaft, Geschwisterliebe, das „As-

line Award erhält, ist 2019 Mensch Mutta. In

den Wochenend-

perger-Gehirn“ und Leben mit Behinderung in

sieben Folgen interviewte die Autorin Katha-

rebellen,

der heutigen Gesellschaft. Über die Jahre hat

rina Thoms ihre Mutter, die ihr halbes Leben

sich das Themenspektrum dabei deutlich er-

in der DDR verbracht hat und nun sehr offen-

weitert. Inzwischen werden auch die Corona-­

herzig darüber Auskunft gibt. Die Grimme-Jury

Krise oder etwa die Präsidentschaftswahlen in

schreibt darüber: „Das Projekt nähert sich der

den USA ausführlich behandelt.

Zeit in der DDR auf eine ganz eigene Art und

… zu Chilliges

„Ganz besonders fiel in diesem Jahr auf, wie

Weise: Persönlich, für alle zugänglich und mit-

Gelaber/

Themen, die auf den ersten Blick eher kompli-

erlebbar, kritisch – ohne dass die eigene Fa-

Harte Zeiten

ziert oder fremd wirken, durch ihre Aufbereitung

milie vorgeführt wird.“ (Grimme Institut 2019)

interessant und erfahrbar werden. So zeigen die

Mensch Mutta stellt ein hervorragendes Bei-

Wochenendrebellen, wie man Außenstehende

spiel für „Oral History“ dar, also für eine münd-

leicht für das Thema Inklusion interessieren

lich von den Beteiligten überlieferte Geschich-

kann“, begründete die Jury des Grimme On-

te, die mitunter einen Gegenpol zur offiziellen

… und zu

line Award ihr Votum. Der Podcast nehme die

Geschichtsschreibung bilden kann .

Mensch Mutta

11

Hier geht’s zu

11 Geschichts-PC dieser und auch anderer Machart spielen eine durchaus wichtige Rolle im Podcast-Universum. Ein weiteres, relativ prominentes Beispiel hierfür ist der Podcast Geschichten aus der Geschichte, in welchem zwei ausgebildete Historiker, die aber nicht in ihrem Hauptberuf als solche arbeiten, einmal pro Woche ein geschichtliches Thema beleuchten.

53


Den richtigen Ton treffen

54

Als vierter ausgezeichneter Podcaster hat

ben, die den journalistischen Geboten der Sach-

2020 der Virologe Christian Drosten einen On-

lichkeit und Neutralität widerspräche. Oder zu-

line Award erhalten (vgl. Kapitel 4.2). Dass er

mindest keine Rücksicht auf redaktionelle Vor-

mit seinem Coronavirus-Update reüssierte,

gaben nehmen will und muss. Dies gilt vor allem

Hier geht’s

dürfte vor allem am großen Interesse einer

für kontroverse und öffentlich unterbelichtete

zur Kanacki-

breiten Öffentlichkeit gelegen haben, fundier-

Themen. So betreiben zwei Münchner Journa-

schen Welle

te Einschätzungen über die Covid-19-Pandemie

listen mit jeweils einem palästinensischen El-

zu erhalten. Gleichwohl betonte die Jury, der PC

ternteil die Kanackische Welle, „DER Podcast für

demonstriere, „dass auch ausführlicher Wis-

Identität im Einwanderungsland Deutschland.“

senschaftsjournalismus das Publikum fesseln

Malcolm Ohanwe und Marcel Aburakia sprechen

kann“ (Grimme Institut 2020).

hier über ernste Themen der Immigration und

Die vorgestellten Grimme Online Award

Inte­gration – in einer leicht „überdrehten“ Ton-

Gewinner-Podcasts, vereinigen in ihrer Ge-

art, wie sie vor allem einem jüngeren Publikum

samtschau dabei einige typische Merkmale der

von Influencern* aus YouTube-Videos vertraut

Podcasts-Szene. Dass mit Mensch Mutta bei-

sein dürfte. Ein Podcast wie die Kanackische

spielsweise ein Podcast ausgezeichnet wird,

Welle steht dabei in doppelter Hinsicht für Viel-

der sowohl auf Seiten der Autorin als auch der

falt. Zum einen im Sinne von Diversität aufseiten

Hauptprotagonistin von zwei Frauen betrieben

der Podcast-Macher*. Zum anderen im Sinne ei-

wird, überrascht nicht. Die Medien­forscherin

ner sehr weiten thematischen Spannbreite, die

Nele Heise belegt mit einer langen Aufzählung

auch viel Raum für Nischen und (vermeintlich)

von Namen und Tätigkeiten, wie stark gerade

abseitige Themen lässt.

Frauen

Frauen „vor und hinter dem Mikro“ der deut-

Ein letztes typisches Merkmal, welches

spielen eine

schen PC-Landschaft ihren Stempel aufgedrückt

durch den Podcast des Virologen Christian

wichtige Rolle

haben (Heise 2019). Zudem handelt es sich bei

Drosten auch im Kreis der Grimme Online

Mutta-­Autorin Katharina Thoms um eine profes-

Award-Gewinnner* vertreten ist, ist die bereits

sionell ausgebildete Rundfunk-Journalistin aus

vor Corona vorhandene Auseinandersetzung

dem öffentlich-rechtlichen Bereich. Auch dies ist

mit naturwissenschaftlicher Forschung. Diese

ein typisches Phänomen der zeitgenössischen

erfolgt dabei teils journalistisch, teils streng

Podcasts: Journalisten* nutzen die recht einfa-

akademisch, aber mitunter auch spielerisch.

che Produktionsweise des PC, um sich gewis-

Eine Gruppe von Wissenschaftspodcastern*

sermaßen „nebenbei“ auf Themenfeldern des

hat 2016 die Website Wissenschaftspodcasts.

persönlichen Interesses oder der eigenen Be-

de veröffentlicht, auf der sie eine Vielzahl von

troffenheit zu bewegen, sowie in Formaten, die

Wissenschafts-PC aus verschiedensten, meist

sie im regulären Betrieb der etablierten Medien

naturwissenschaftlichen Disziplinen kuratie-

(wahrscheinlich) nicht platzieren könnten.

ren. Ein Blick in den digitalen Katalog der Web-

Des Weiteren werden diese Themen in einer

seite zeigt, dass nicht nur Privatpersonen, Pro-

oft subjektiv-wertenden Färbung wiedergege-

fessoren* und Unternehmen Wissenschafts-PC


Amateure*, Zivilgesellschaft, Politik und Unternehmen als Podcaster*

betreiben, sondern auch Forschungseinrich-

weiten, offiziellen Podcast. Im Fridays for

Zweischneidige

tungen (Max-Planck-Institute, Leibniz-Institu-

Future Podcast erklären sich die Hosts* und

Wissenschafts-

te etc.) und wissenschaftliche Gesellschaften

wechselnde Aktivisten* aus der Bewegung

Podcasts

(Akademien der Wissenschaften der Bundes-

gegenseitig aktuelle Ereignisse aus dem Um-

länder, Fraunhofer-Gesellschaft etc.). Der Wis-

schutz. In anderen Folgen welt- und Klima­

senschaftspublizist Wolfgang Krischke artiku-

werden Gäste aus verwandten Gebieten (z. B.

liert in einem Artikel für die Frankfurter Allge-

Veganismus) interviewt. Aufgrund seiner

meine Zeitung allerdings eine gewisse Skepsis

authen­tisch-amateurhaften Machart mutet der

gegenüber Wissenschaftspodcasts, wenn er

weise wie „Schüler*radio“ Podcast strecken­

über sie schreibt: „Sie demokratisieren die

an, er klingt aber auch erfrischend jugendlich

Wissenschaft, indem sie deren Inhalte leich-

und wartet immer wieder mit originellen, teils

ter zugänglich machen, aber die Anstrengung

spontan entwickelten Ideen auf.

des Verstehens nehmen sie niemandem ab.“

Damit bildet der FFF-Podcast einen star-

Krischke vermutet, dass diese Anstrengung von

ken Kontrast zum Podcast von Luisa Neubau-

exklusiv

den meisten Nutzern* möglicherweise nicht

er, der bekanntesten deutschen Aktivistin der

bei Spotify

unter­nommen werde, weil PC zumindest teil-

Bewegung. Der Neubauer-PC mit dem Namen

weise nebenher konsumiert werden (Krischke

1,5 Grad ist im Oktober 2020 gestartet und

2020). Die Ergebnisse von Kapitel 4.4 zeigen

wird mit Hilfe von Spotify produziert – und

jedoch, dass Podcasts häufig aktiv-bewusst an-

kann deshalb auch nur auf dieser Plattform

gehört werden. Zudem gibt es zwar ohne Frage

gestreamt werden. Der Neubauer-Podcast,

recht kurze Podcast-Reihen aus verschiedenen

der laut Pressemitteilung „Informationen und

wissenschaftlichen Disziplinen mit Episoden,

Lösungsansätze“ (Spotify 2020a) kombinie-

die nicht länger als zehn Minuten sind (z. B. die

ren will, wirkt produktionstechnisch hochgra-

Indie-PC 5MinutenClimateChance und Nuss-

dig professionell. Während des Intros und in

Hier geht’s

schale). Doch die Regel stellen ausführlichere,

den Schlussminuten werden Neubauers Aus-

zu Forschergeist,

durchaus in die Tiefe gehende Formate dar (z. B.

führungen mit einer rhythmischen Lounge-­

Tim Pritloves Forschergeist oder Resonator von

Musik unterlegt. Analysiert man Tonalität und

der Helmholtz-Gemeinschaft).

Sprache der „Klimagerechtigkeitsaktivistin“

Luisa Neubauer

(Spotify) wirkt es fast so, als würde sie in ei-

5.2 Politische Ziele und Polit-PR „Listen to the science!“, forderte wiederholt

ner Gospelkirche predigen. In diesem Podcast

… zu Resonator

wird die reine Information zuweilen durch eine suggestive Gefühlskomponente verstärkt.

Greta Thunberg, die internationale Gallions­

Neben sozialen Bewegungen betreiben

figur der Klimaschutz-Bewegung Fridays for

auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Future (FFF). Die dezentrale, stark basisdemo-

Podcasts. Zu den größten und bekanntesten

… und zum Fridays

kratisch organisierte Bewegung betreibt seit

NGOs gehört sicher der WWF (World Wildlife

for Future Podcast

Anfang 2019 in Deutschland einen bundes­

Fund), der sich für Natur- und Artenschutz ein55


Den richtigen Ton treffen

setzt. Der WWF Deutschland hat im April 2020

tierte Kommunikation über soziale Medien wie

seinen Podcast ÜberLeben gestartet. Ebenfalls

Twitter und gehen für längere Diskussion lieber

2020 hat die Organisation Ärzte ohne Grenzen

als Gast in eine der großen TV-Talkshows. Lühr-

ihren PC Notaufnahme begonnen, wie Über-

mann bezieht ihre Aussage allerdings auf den

Hier geht’s zu

Leben auch ein regelmäßiges Talk-Format. Die

Zeitraum 2017/18. Seitdem nutzen immerhin

ÜberLeben,

deutsche Abteilung der Umweltschutzorganisa-

einige Politiker* und politische Institutionen

tion Greenpeace nutzt Podcasts hingegen staf-

das Medium mehr als damals.

… zu Notaufnahme,

felweise. So im Jahr 2018 und so auch 2020/21,

Vorangegangen ist hier Bundeskanzlerin

als Greenpeace anlässlich seines 40-jährigen

Angela Merkel, als sie bereits Mitte 2006 ei-

Bestehens eine fünfzehnteilige PC-Serie mit

nen „Video-Podcast“ (Vodcast) einführte. Seit

dem Titel Jetzt erst recht! aufgelegt hat.

2007 veröffentlicht sie diesen mit Bundes­

NGOs und Aktivisten* nutzen PC vor allem

kanzlerin Merkel aktuell aber auch in einer

dazu, um ihre „Botschaften“ möglichst unge-

Audio-Variante. Das Format weist allerdings

filtert in die Öffentlichkeit zu tragen. Podcasts

den eher PC-untypischen Charakter einer An-

nehmen hier also den Charakter von Polit-PR

sprache auf.

an. Eine stichprobenartige Recherche hat aller-

Die Bundesregierung betreibt mittlerweile

… zu

dings ergeben, dass nicht alle, zumal nicht alle

zwei PC, in denen Bundesminister* und poli-

Jetzt erst recht!,

größeren NGOs in Deutschland mit PC arbeiten.

tische Beamte* aus der zweiten Reihe zu Wort

Foodwatch oder auch die Deutschland-Sektion

kommen. Seit November 2020 ist auch Bun-

von Amnesty International sind hier beispiels-

desarbeitsminister Hubertus Heil mit seinem

weise noch nicht aktiv geworden. Dies dürfte

Arbeitsgespräch unter die Podcaster gegangen.

unter anderem eine Folge knapper Ressourcen

SPD-Parteifreundin und Bundesumweltministe-

… zu

sein. Denn PC sind zwar mit relativ geringem

rin Svenja Schulze hat mit ihrem Podcast Wir

Bundeskanzlerin

Aufwand zu produzieren, setzen aber auch eine

schafft Wunder schon eine gesamte Staffel ver-

Merkel aktuell,

gewisse Moderationserfahrung voraus und das

öffentlicht. Im März 2021 hat auch Dorothee Bär,

regelmäßige Organisieren von Interviewpart-

cast Staatsministerin für Digitales, ihren Pod­

nern*. Nicht zu vergessen ist dabei, dass NGOs

Wandern durchs DigiTal gestartet. Darin inter-

vor allem in Gestalt themen­bezogener Kampa-

viewt die CSU-Politikerin, die ihrem PC den Slo­

gnen arbeiten. Folglich wären für NGOs und

gan „Bär on Air“ voranstellt, Experten* aus dem

Aktivisten* eher PC-Staffeln als Mittel der Wahl

weiten Feld der Digitalisierung, dabei eher Für-

naheliegend.

sprecher* als Kritiker* der Politik der Ministerin.

… zum Arbeitsgespräch

„Mit Blick auf die Parteien und Politike-

Die Bundestagsfraktionen der Parteien

rInnen wird relativ schnell ersichtlich, dass

sind (noch) nicht aktiv – mit einer Ausnahme.

das Medium Podcast zu keinem bevorzugten

Die AfD-Bundestagsfraktion sendet mit 7 Tage

Kommunikationskanal avanciert ist“, schreibt

Deutschland einen „Wochendpodcast“, der ak-

… und zu Wandern

Katha­rina Lührmann (2019: 39). Offensichtlich

tuelle Geschehnisse aus Sicht der Rechtspopu-

durchs DigiTal

bevorzugen vor allem Berufspolitiker* die poin-

listen* zusammenfasst.

56


Amateure*, Zivilgesellschaft, Politik und Unternehmen als Podcaster*

Auch die Parteivorsitzenden legen Zurück-

verbinden. Diese haben es jedoch strukturell

haltung an den Tag. Eine Ausnahme bildet der

sehr schwer, sich auf dem sehr vielfältigen

FDP-Vorsitzende Christian Lindner, der das

Markt durchzusetzen und sind dabei meist

Medium geschickt als Plattform für „Persona-

nicht sonderlich erfolgreich (eine seltene Aus-

lity PR“ nutzt: Zu seinem Podcast 1 Thema,

nahme bildet der OMR Podcast der Hamburger

Hier geht’s zu

2 Farben lädt er Prominente aus verschie-

Digitalagentur „Online Marketing Rockstars“).

1 Thema, 2 Farben

denen Bereichen der Gesellschaft ein. Dazu

Bei einem Corporate Podcast fungiert ein Unter-

gehören Journalisten* wie Deniz Yücel, Poli-

nehmen als Produzent, der PC läuft offiziell und

tiker* wie der SPD-Parteivorsitzende Norbert

deutlich erkennbar unter dem Banner dieses

Walter-Borjans oder Manager* wie Daimler-­

Unternehmens. Es handelt sich also nicht um

Chef Ola Källenius. Laut Eigenbeschreibung

gesponserte oder „unterstützte“ PC. Corporate

beleuchtet der Podcast „ein Thema aus zwei

Podcasts sind Teil der Unternehmenskommu-

Richtungen“. Was das genau heißen soll,

nikation und damit von ihrer Stoßrichtung her

bleibt unklar. Wahrscheinlich geht es aber um

immer interessengeleitet. Deshalb müssen sie

FDP-Chef Lindner

die Rollen, die Lindner bei seinen PC einneh-

zunächst eine „Glaubwürdigkeitshürde“ beim

mit Doppelrolle

men will, denn das Ganze sei eine „Mischung

Publikum überwinden.

aus Gesprächs- und Interviewpodcast“. Im

Um diesen Sprung zu schaffen, setzen

Wesentlichen ist Lindner Moderator und stellt

viele Unternehmen Podcasts als Instrument

Fragen wie in einem Interview, doch immer

des Content Marketing ein. Content Marketing

wieder bringt er auch seine eigene Meinung

wird gemeinhin als „Werbung mit redaktionel-

ein und diskutiert mit seinem Gast. Der Ton

len Mitteln“ verstanden, bei der Unternehmen

von 1 Thema, 2 Farben ist ernsthaft-seriös.

weniger über ihre Produkte selbst kommuni-

Am Anfang werden jeweils mit Musik unter-

zieren, sondern sich in verwandten Themen-

legte Best-of-Statements eingespielt. Die

feldern bewegen (vgl. Frühbrodt 2016). So

Politiker*-­Podcasts haben bisher keine über-

berichtet der OMR Podcast in aller Regel nicht

OMR-Podcast

durchschnittliche Popularität erlangen kön-

über die eigenen Projekte der Agentur, son-

mit „Machern

nen, zumindest keine Spitzenplätze in den

dern pflegt vor allem das lockere Gespräch mit

und Könnern“

Charts von Spotify und Apple Podcasts.

„Machern, Könnern und guten Freunden“, wie es in den Shownotes heißt. Dazu gehörten bis-

5.3 Kommerzielle Interessen

her so unterschiedliche Personen wie Mathias Döpfner, Kai Pflaume und Richard David Precht

Neben informierenden Podcasts mit persön­

sowie verschiedene Gründer* von Jungunter-

lichem oder wissenschaftlichem Erkenntnis­

nehmen.

interesse als Ziel und solchen, die politische

In einer Studie des Audio-Dienstleisters

Ziele verfolgen, gibt es auch Unternehmens-

Podcast360 vom Februar 2021 gaben neun von

Pod­casts („Corporate Podcasts“), die Informa-

zehn der befragten Unternehmen an, dass sie

tion mit Eigenwerbung und Markenenpflege

mit Hilfe von Podcasts ihr öffentliches Image 57


Den richtigen Ton treffen

Professionell

verbessern wollen12 (Podcast360 2021: 16).

tig sein. Bei den untersuchten Podcasts der

produzierte

„Viele Unternehmen haben inzwischen verstan-

DAX-30-Unternehmen fällt auf, dass sie in ers-

Fachgespräche

den, dass Podcasting ein neues und wichtiges

ter Linie informierenden Charakter haben. Im

Instrument im Kommunikationsmix ihrer pro-

Vordergrund steht das sachliche, moderierte

fessionellen Außendarstellung ist“, sagt Martin

Gespräch mit ein bis zwei Experten* zum jewei-

Liss, Geschäftsführer von Podcast360 (Inter-

ligen Thema. Die Studiogäste kommen nicht im-

view Liss 2021; vgl. Kapitel 3.2). Viele befinden

mer aus dem eigenen Haus, mindestens genau-

sich aber auch noch in der Experimentierphase.

so stark vertreten sind externe Gäste aus Politik,

Eine Untersuchung der Autoren* dieser

Wirtschaft und Gesellschaft. Häufig sind auch

Studie von Unternehmen des Deutschen

wissenschaftliche Experten* von Hochschulen,

Aktien­index (DAX) in der ersten September­

Forschungseinrichtungen und Think Tanks ge-

Hälfte der

hälfte 2020 zeigt, dass 15 der 30 größten

fragt. Die PC sind fast durchweg hochwertig

DAX-Unternehmen

notierten Unternehmen Deutschlands börsen­

produziert – in hervorragender Ton­qualität,

dabei

einen oder mehrere eigene Podcasts betreiben.

versehen mit Radio-Elementen wie Jingles und

Die andere Hälfte der Konzerne hat jedoch kei-

Hintergrundmusik sowie mit professionell und

nen PC oder hat einschlägige Aktivitäten wie-

journalistisch agierenden Moderatoren*.

der eingestellt. So zum Beispiel der Sportar-

Federführend unter den DAX-Konzernen

tikelhersteller Adidas, dessen Fitness-PC Run­

ist die Deutsche Telekom mit elf Podcasts,

tastic zwischen Juli und Oktober 2019 lief. Auch

gefolgt von Siemens (neun) und Volkswagen

von den 15 „PC-aktiven“ DAX-Konzernen haben

(acht), wobei bei VW vor allem die einzel-

viele einzelne Podcasts wieder gestoppt, teil-

nen Konzernmarken aktiv sind, allen voran

weise allerdings auch, weil es sich um themen-

Porsche mit allein drei PC. Während auch die

bezogene Staffeln handelte. Großes Durch-

anderen DAX-notierten Autohersteller BMW

haltevermögen zeigt besonders die BASF: Ihr

und Daimler recht umtriebig sind, haben die

Chemie Reporter ist bereits seit 2009 mit über

großen Konsumgüter-Konzerne Beiersdorf

100 Folgen auf Sendung. Paral­lel zu den großen

und Henkel überraschenderweise keine PC in

Politik spielt

Pod­cast-Wellen haben einige Großunterneh-

ihrem Kommunikations-Portfolio. Explizit ge-

nur eine

men wie beispielsweise Mercedes-Benz ihre

sellschaftspolitischen Charakter haben nur

Nebenrolle

ersten Aktivitäten bereits 2006/07 gestartet,

wenige Corporate Podcasts, darunter Digi­

ein paar Jahre danach wieder eingestellt, um

tale Zivilcourage. Aktiv werden und Position

mit der zweiten Welle ab 2017 neue Podcasts

beziehen gegen Hass im Netz der Deutschen

zu produzieren (Hammerschmidt 2020: 22-23).

Telekom. Das Projekt ist nur auf der Webseite

Content Marketing kann informierend,

des Bonner Konzerns abrufbar. In einigen Fäl-

unterhaltend, beratend oder alles gleichzei-

len haben die PC einen wirtschaftspolitischen

12 Die Studie ist nicht repräsentativ, sondern eher eine Stichprobe. Befragt wurden von Oktober bis Dezember 2020 20 Entscheider* aus Markenunternehmen und der öffentlichen Hand, die bereits Podcasts einsetzen.

58


Amateure*, Zivilgesellschaft, Politik und Unternehmen als Podcaster*

Einschlag wie etwa bei Podzept, dem PC der

Es ist zudem die Hauptstadt des Freistaats

Research-Abteilung der Deutschen Bank (DB).

Sachsen, weshalb Verwaltungs-, Bildungs-

Hier spricht ein Moderator aus der DB-Unter­

und Wissenschaftsinstitutionen eine wichti-

nehmenskommunikation

Mitgliedern

ge Rolle im Stadtleben spielen dürften. Und

aus der DB-Research-Abteilung über aktuelle

schließlich ist Dresden auch für seine ver-

volkswirtschaftliche Themen, zum Beispiel

gleichsweise große politische Polarisierung

über die wachsende Bedeutung des Home­

bekannt – von der rechten Pegida-­Bewegung

office in der Arbeitswelt oder die Rolle von

bis zum grünen Alternativ­milieu. In einer

Wasserstoff für die Energieproduktion.

Spotify-Suche (23.11.2020) nach Podcasts

mit

In vielen Fällen stammen die Themen aus

aus und über Dresden wurden 48 Treffer

den Bereichen Innovation und Nachhaltigkeit.

ermittelt. Eine Parallelsuche bei der inter-

So betreibt die Truck-Sparte von Daimler den

nationalen PC-Suchmaschine „Listen Notes“

PC Transportation Matters, bei dem durchaus

ergab ein weitgehend identisches Ergebnis.

kontrovers über die Zukunft des Gütertrans-

Genau ein Drittel (16) der ermittelten PC

ports diskutiert wird. Es handelt sich um einen

hatten seit mindestens einem halben Jahr

der wenigen PC, bei denen ein Topmanager*

keine Folgen mehr veröffentlicht, sodass sie

als Gastgeber* und Moderator* fungiert. Martin

als eingestellt klassifiziert und damit nicht

Daum, Chef der Truck-Sparte und Vorstandsmit-

berücksichtigt wurden. Auffällig ist hierbei,

glied der Daimler AG, pflegt mit hochrangigen

dass vorrangig Einzelpersonen ihre PC nicht

Einzelpersonen

Gästen – teilweise selbst Top-Manager* – in

weitergeführt haben. Aufgeschlüsselt nach

stellen

Form und Stil ein Gespräch, bei dem Zahlen und

ihren Produzenten* verteilen sich die ver-

Podcasts ein

Argumente im Vordergrund stehen. Einige PC

bleibenden 32 Podcasts wie folgt:

weisen auflockernde, spielerische Elemente auf

drei öffentliche Einrichtungen (zwei Mal

wie zum Beispiel das Beenden eines Moderato-

Stadtmarketing, Deutsches Hygienemu­

ren*-Satzes durch den Gast. Die große Mehrheit

seum)

hat jedoch einen betont sachlichen Charakter.

neun Hochschulen, mit einer deutlichen Domi­nanz verschiedener Studiengänge der TU Dresden

Fallbeispiel: Die Podcastlandschaft

Dresden

vier klassische Medien (Sächsische Zeitung, MDR, Deutschlandfunk Kultur, Stadtmagazin)

Ein Blick in die Praxis verdeutlicht die Be-

zwei Autorinnen von Sendereihen (über

deutung der vorgestellten Merkmale. Aus-

Dyna­mo Dresden und die Roma-Minderheit

gewählt wurde dafür Dresden: Es handelt

in Dresden) eines freien Radios

sich um eine attraktive Großstadt mit histo-

drei Kirchengemeinden

rischem Flair, sodass von einem vielfältigen

zwei gemeinnützige Organisationen (Malte-

urbanen Leben ausgegangen werden kann.

ser, Rotarier) 59


Den richtigen Ton treffen

zwei Unternehmen (eine Unternehmens­ beratung, ein Tattoo-Studio)

Tendenz zu

zwei Sportclubs bzw. -veranstalter (Hand-

institutioneller

ball, Wrestling)

Anbindung

wenn man die Dresden-Stichprobe als nicht repräsentativ werten will, so ist sie doch ein Fingerzeig für eine Tendenz: Selbst viele Einzelpersonen, die regelmäßig Podcasts produzieren, haben eine institutionelle Anbindung.

Darüber hinaus betreiben sechs „unabhän-

Unter den Insti­tutionen nutzen vor allem Bil-

gige“ Einzelpersonen bzw. Duos Podcasts,

dungs- und Forschungseinrichtungen Pod-

beispielsweise:

casts, weshalb auch Wissenschaftler* gerne

Journalisten*

Hinternhof – der Podcast mit Arsch und

auf das Medium zurückgreifen. In den vergan-

und Forscher*

Hirn!: Ein schwules Paar redet über Homo-

genen Jahren haben zunehmend Journalisten*

sexualität im Dresdner Alltag.

das Medium für sich entdeckt. Oft nutzen sie

sehr aktiv

Der HedoChrist: Ein freier, jüngerer Künst-

es, um über Themen eigener Wahl zu spre-

ler mit Rasta-Zöpfen beschäftigt sich damit,

chen – befreit von redaktionellen Vorgaben

wie er und andere Christen in der säkularen

und ohne ein Blatt vor den Mund nehmen zu

Jugendkultur zurechtkommen.

müssen. Das Vordringen der Journalisten*

Connected and Free: Eine junge Dresdnerin redet über „Verbindung – in unterschied­

steht symbolisch für die Professionalisierung des Podcastings.

lichen Facetten“. Es geht um Gemeinschaft

NGOs und Politiker* sind mit dem Einsatz

und Achtsamkeit, um Yoga und Meditation.

von Podcasts bisher noch etwas zurückhaltender, Aktivisten* sozialer Bewegungen nutzen

Im Ergebnis zeigt sich, dass sich die PC-­

sie hingegen öfter. Auch Unternehmen schei-

Aktivitäten über das breite Spektrum der

nen meist noch zu experimentieren. Aller-

Zivil­gesellschaft verteilen. Politik im enge-

dings wagen sich vor allem Großunternehmen,

ren Sinne und das Thema „Migration“ kom-

teilweise mit gleich mehreren Corporate Pod-

men allerdings nicht vor. Hervorstechend

casts, zunehmend ins Feld. Meist integrieren

ist zudem, dass Bildungs- und Forschungs-

die Konzerne dabei ihre eher informierenden

einrichtungen eine führende Rolle spielen.

als unterhaltenden Formate in ihre jeweilige Content-Marketing-Strategie. Nicht nur das Enga­gement von Unternehmen verdeutlicht,

5.4 Zwischenbilanz

60

dass es für die Nutzer* schwieriger wird, zwischen genuinem Journalismus auf der einen

Was lässt sich festhalten? Auf dem Feld unab-

und Öffentlichkeitsarbeit sowie reiner Kom-

hängig produzierender Einzelpersonen, den

mentierung/Meinungsäußerung auf der ande-

Indies, sind reine Amateure* zwar deutlich

ren Seite zu unterscheiden. Auch Journalisten*

Journalismus

hörbar präsent, sie besetzen aber vor allem

agieren in ihren privaten Pod­casts oft sehr

wird entgrenzt

Nischenthemen, die in etablierten Medien

meinungsbetont und tragen zum Verwischen

nicht ausreichend zum Zuge kommen. Selbst

dieser Grenze bei.


Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio

6 Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio Musik, zuweilen auch sehr viel Musik und dazu

Herausforderung stellt der Wandel vom linea­

das gesprochene Wort, das politische Informa-

ren Radio zu Audio on Demand für die klas-

tionen transportiert oder eher unterhaltenden

sischen Rundfunkanbieter allemal dar. Vor al-

Charakter hat. Das ist Radio. Dies ist mittlerweile

lem die Audio-Streamingdienste wie Spotify,

aber auch das, was die Audio-Strea­mingdienste

Apple Music, YouTube und andere drängen die

im Angebot führen. Songs und Podcasts, teil-

Radio­betreiber in die Defensive. Warum, liegt

weise auch schon miteinander kombiniert und

auf der Hand: Die Streamingdienste bieten zum

konsumfertig für die Nutzer* aufbereitet. Bis-

einen Musik in freier Auswahl an, jederzeit ab-

her nutzt nur eine Minderheit solche Angebote,

rufbar, arrangierbar in Playlists nach dem per-

doch bahnt sich allein durch ihre Existenz eine

sönlichen Geschmack. Kein Empfänger* muss

systemische Konkurrenz­situation zwischen

mehr das hören, was er vom Sender vorgesetzt

Systemkonkurrenz

den klassischen Rundfunkanbietern und den

bekommt. Dass damit Überraschungsmomen-

zwischen

Streamingdiensten an, die sich jetzt schon in

te ausbleiben, scheint die Nutzer* wenig zu

Podcasting

den Nutzungsmotiven und in den Bewertungen

stören. Zum anderen ergänzen die Streaming-

und Hörfunk?

des Publikums widerspiegelt (Kapitel 6.1). Wie

dienste ihr Angebot mit Podcasts in einer Zahl

reagieren die öffentlich-recht­lichen Rundfunk-

und in einer thematischen Breite, mit der die

anstalten auf die neue Herausforderung? Zum

Radiosender oft nicht mithalten können. Dies

einen mit der eigenen Plattform ARD Audio-

bleibt auch bei der Nutzung und den Nutzern*

thek, zum anderen mit eigenen Podcasts wie

nicht ohne Spuren.

mal angenommen, der als Fallbeispiel exem­

Eine repräsentative Umfrage im Rahmen der

plarisch analysiert wird (Kapitel 6.2). Beson-

ARD/ZDF-Langzeitstudie von Anfang 2020 mit

ders bedrohlich erscheint die Situation für die

über 3.000 Teilnehmern* gibt Aufschluss über

privaten Rundfunkbetreiber. Viele Sender sind

die gegenwärtige Gemengelage. Abbildung 14

„Dudelwellen“, Wortbeiträge kommen hier

zeigt die Nutzungsmotive für die verschiedenen

meist zu kurz. Wie gehen sie mit dem Trend zum

Audioangebote quer durch alle Bevölkerungs-

„Ausführlichkeits-Medium“ Podcast um? Einer

gruppen. Es wird deutlich, dass die Nutzer*

der größten Betreiber, die RTL-Gruppe, hat mit

das lineare Radio – öffentlich-rechtliches wie

Audio Now eine eigene Streaming-Plattform ins

privates – vornehmlich einschalten, um unter­

Leben gerufen (Kapitel 6.3). Handelt es sich um

halten zu werden und um sich zu informieren.

die Blaupause für ein neues Geschäftsmodell

Während hier Zustimmungswerte von über

kommerzieller Audio-Dienstleister?

80 Prozent („trifft voll und ganz/weitgehend

6.1 Die neuen Herausforderungen für die Radioanbieter

zu“) erreicht werden, rutschen die Radiosender

Radio: Nutzer*

in den Kategorien „Entspannung“ und „Selber

vermissen „Selbst-

bestimmen können, was wann genutzt wird“

bestimmung“

demgegenüber um rund 20 Prozentpunkte ab.

Einmalige Chance, existenzielle Bedrohung

Die Audio-Streamingdienste schwächeln

oder „irgendwas“ dazwischen? Eine enorme

indes bei der Information, vermutlich weil sie 61


Den richtigen Ton treffen

in der Befragung vorrangig als Musikanbieter

für Information und dabei für ein individuell

abgefragt oder wahrgenommen worden sind,

zusammengestelltes Programm. Zusammen-

ohne die dazugehörigen PC. Die Werte korrelie-

fassend lässt sich konstatieren, dass das Radio

Populäre

ren mit dem Anteil derjenigen Nutzer*, die auf

auf dem Feld der Unterhaltung primär durch

Streamingdienste

der führenden Plattform Spotify neben Musik

die (Musik)-Streamingdienste unter Druck ge-

auch Podcasts ansteuern (vgl. Kapitel 3.2). Bei

rät, während es auf dem Feld der Information

den drei anderen Kategorien Spaß, Entspan-

durch Audio on Demand inklusive Podcasts at-

nung und Selbstbestimmung erzielen sie je-

tackiert wird.

doch mit 85 bis 93 Prozent die höchsten Werte

Grenzt man die Medienkonsumenten*

von allen drei Audiovarianten. Das dritte Ange-

auf die Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen

bot, „Audio on Demand“, umfasst Radiosen-

ein, so entsteht ein noch schärferes Bild (Ab-

dungen und -beiträge, die im Internet abgeru-

bildung 15). Einerseits in Hinblick auf den ge-

fen werden können, also auch Podcasts. Die

ringen Spielraum der Selbstbestimmung, den

Umfrage zeigt, dass diese Formate in erster Li-

das Radio den Jüngeren zu lassen scheint.

nie nicht für Spaß und/oder Entspannung ste-

Aber auch bei den eigentlichen Stärken des

hen, sondern in direkter Konkurrenz zum Radio

klassischen Rundfunks – Spaß und Informa-

Abbildung 14

Nutzungsmotive für Audioangebote nach Anbieter in der Gesamtbevölkerung (2020, in Prozent)

100

80

93

92

82

85

81 65

Prozent

77

73 62

60

57

59

24,4

40 27 20

0 Spaß Radio

Information

Entspannung

Musik-Streamingdienste

„Selbstbestimmung“

Audio on Demand

Quelle: Breunig/Handel/Kessler (2020: 606). Eigene Darstellung.

62


Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio

tion – schneidet das Radio noch einmal um

Gesamtbevölkerung als auch die Alterskohorte

Öffentlich-

rund zehn Prozentpunkte schlechter ab als im

der 14- bis 29-Jährigen den öffentlich-recht­

Rechtliche für

Durchschnitt der Bevölkerung. Mit Ausnahme

lichen Sendern insgesamt die besten Leistun-

Nutzer* relevant

der Information punkten die Streamingdiens-

gen bei der journalistischen Glaubwürdigkeit,

te bei den Jüngeren noch stärker als bei der

der politischen und wirtschaftlichen Unabhän-

Gesamtbevölkerung, während die Werte für

gigkeit sowie bei der gesellschaftlichen Rele-

Audio on Demand (inklusive Podcasts) weit-

vanz bescheinigt. Die Werte pendeln zwischen

gehend deckungsgleich mit den Radio-Werten

53 % und 84 %. Die privaten Radiosender er-

sind. Das Radio ist bei den Jüngeren auf seinen

zielen bei diesen Kriterien deutlich schlechte-

Kerngebieten Spaß und Information also noch

re Werte als die öffentlich-recht­lichen. In der

stärker unter Druck.

Kate­gorie „kompetent gemachte Inhalte“ wer-

Die starke Stellung der Musik-Streaming-

den sie von den Jüngeren mit 71 % („trifft voll

dienste und des Audio-on-Demand-Angebots

und ganz/weitgehend zu“) sehr gut bewertet,

hat spürbare Auswirkungen darauf, wie die Me-

liegen aber immer noch 14 Prozentpunkte hin-

diennutzer* die Leistungen der einzelnen Ange-

ter den Öffentlich-Rechtlichen (Breunig/Han-

bote bewerten. Hier zeigt sich, dass sowohl die

del/Kessler 2020: 612-614).

Abbildung 15

Nutzungsmotive für Audioangebote nach Anbieter in der Altersgruppe 14-29 Jahre (2020, in Prozent) 100

Prozent

80

96

72

71

94

92

72

70

65

57

60

24,4

61

40 24

23

20

0 Spaß Radio

Information

Entspannung

Musik-Streamingdienste

„Selbstbestimmung“

Audio on Demand

Quelle: Breunig/Handel/Kessler (2020: 606). Eigene Darstellung.

63


Den richtigen Ton treffen

Abbildung 16

Leistungsbewertungen von Audioangeboten nach Anbieter in der Gesamtbevölkerung (2020, in Prozent) trifft persönlichen Geschmack

84

46

persönlich relevante Inhalte

66 Musik-Streamingdienste Privat-Radio öff.-rechtl. Radio

71

42

71

92

71

Unterhaltungswert 0

20

80

60

40

79

100

Prozent Quelle: Breunig/Handel/Kessler (2020: 613). Eigene Darstellung.

Abbildung 17

Leistungsbewertungen von Audioangeboten nach Anbieter in der Altersgruppe 14-29 Jahre (2020, in Prozent) trifft persönlichen Geschmack

94

54 52

persönlich relevante Inhalte

80

49

62

Unterhaltungswert

72

0

20

60

40

Musik-Streamingdienste Privat-Radio öff.-rechtl. Radio

79

80

96

100

Prozent Quelle: Breunig/Handel/Kessler (2020: 613). Eigene Darstellung.

64


Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio

Abbildung 16 vergleicht die Leistungs­ bewertungen anhand der Kategorien Unter-

6.2 Eine effektive Strategie? Die ARD und ihre Audiothek

haltungswert, persönlich relevante Inhalte und persönlicher Geschmack. Im Durchschnitt

Wie wird die ARD im Jahr 2030 aussehen? In

der Gesamtbevölkerung rangieren die Musik-

einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allge-

Strea­mingdienste in allen Kategorien vorne,

meine Zeitung hat der amtierende ARD-Vorsit-

das öffentlich-rechtliche Radio kommt auf Platz

zende Tom Buhrow im März 2021 seine Vision

zwei. Das Privatradio kann nur bei der Unter-

skizziert. Seine Kernaussage: Die bestehende

haltsamkeit hohe Werte erzielen.

Infrastruktur, die auf eine lineare Nutzung von

Synchron zu den Nutzungsmotiven fällt

Medieninhalten ausgerichtet ist, wird im Laufe

auch bei den Leistungsbewertungen der

des Jahrzehnts auf ein Minimum schrumpfen.

Medien­anbieter das Urteil der 14- bis 29-Jäh-

Sie wird ersetzt durch ein „non-lineares Con-

ARD soll „Content-

rigen noch drastischer aus (Abbildung 17).

tent-Netzwerk“. Für den Rundfunk bedeutet

Netzwerk“ werden

Die Musik-­Streamingdienste erreichen durch­

dies: Es würden dann nicht mehr Dutzende

gehend Höchstwerte. Die öffentlich-rechtlichen

regionaler Hörfunkwellen unterhalten werden,

Sender werden schlechter als im Durchschnitt

vielmehr sei Audio on Demand das Mittel der

der Bevölkerung bewertet, vor allem wenn

Wahl (Buhrow 2021). Obwohl sich Buhrow in

es um Geschmacksfragen geht. Die privaten

seinem Essay nicht speziell über Podcasts aus-

Radio-­Anbieter kommen etwas besser weg als

lässt, ist doch klar, dass auch sie in einem Con-

in der Gesamtbevölkerung, der Abstand zu den

tent-Netzwerk ohne lineare Programme eine

Streamingdiensten bleibt jedoch – mit Ausnah-

wichtige Rolle einnehmen werden.

me des Unterhaltungswertes – erheblich.

Dies ist aber nicht der einzige Grund für

So bleibt als Quintessenz: Audio-Strea-

ihre zunehmende Relevanz. PC gewinnen

Podcasts wichtig

mingdienste und somit in hohem Maße auch

schon jetzt bei den Öffentlich-Rechtlichen

für Öffentlich-

Podcasts werden zum Spaß, zur Entspannung

an Bedeutung. „Podcasts stehen bei uns

Rechtliche

und zum selbstbestimmten Hören stark ge-

sehr stark im Fokus, weil wir mit ihnen neue

nutzt und dies nicht nur bei den Jüngeren,

Zielgruppen erreichen können“, sagt Schiwa

sondern im Bevölkerungsdurchschnitt. Da­

Schlei, Leiterin des ARD Partnermanagements

rüber hinaus bewertet das Gros der Nutzer*

Audio & Voice. „Es ist ein großes Thema bei

die Leistungen der Streamingdienste größten-

uns öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern,

teils deutlich besser als die der Radiosender,

wie wir Publikum anders ansprechen und an

der öffentlich-rechtlichen und vor allem der

anderen Orten als bisher abholen können.“

privaten. Beide stehen also unter Zugzwang

(Interview Schlei 2021) Mit den „neuen Ziel-

ihre eigenen Stärken, Information und Unter-

gruppen“ sind vor allem auch jüngere Medien-

haltung, besser auszuspielen.

nutzer* gemeint.

65


Den richtigen Ton treffen

Günstige

Die Ausgangsposition der ARD-Rundfunk-

Verfügung, weshalb Mittel umgeschichtet

Ausgangsposition

anstalten im deutschen Podcast-Markt ist

werden müssen oder die Podcasts dann auch

durchaus günstig:

im linearen Programm ausgestrahlt werden. Offensichtlich gibt es aber bereits konkrete

Bald Werbung in ARD-Podcasts?

Viele der insgesamt 69 Hörfunkwellen ma-

Überlegungen zur Lösung des Problems. „Eine

chen seit Jahrzehnten vornehmlich wort­

Mone­tarisierung unserer Podcasts vergleich-

basiertes Programmradio und auch bei den

bar zu Ko-Produktionen, wie sie beispielswei-

musiklastigen Sendern spielt das gespro-

se bei den Fernsehkollegen im Serien-Segment

chene Wort eine deutlich größere Rolle als

üblich sind, wäre rein rechtlich betrachtet über

bei den Privatradios (vgl. Kapitel 6.3).

unsere Töchter möglich“, so Schiwa Schlei.

Das populäre Jugendangebot funk hat zwar

„Sie prüfen die bessere Distribution und mög-

bisher vor allem auf Videos gesetzt, pro-

liche Verwertung von Podcasts.“ Dies könnte

duziert seit einigen Jahren aber auch Pod-

zum Beispiel bedeuten, dass ARD-Podcasts,

casts, zum Teil sehr erfolgreich.

auf anderen Plattformen platziert, mit Werbung

Zwar liegt der Altersdurchschnitt des Pu­ blikums bei rund 60 Jahren. Doch betreiben

bestückt werden könnten, um damit wiederum die Produktionskosten einzuspielen.

die einzelnen Rundfunkanstalten Jugend-

Ein zweites ARD-Hindernis besteht darin,

wellen wie etwa EinsLive des WDR, die ein

dass im Hörfunk keine „Star-gerechten“ Hono­

Stammpublikum von Hunderttausenden,

rare gezahlt werden können, wie dies beim öf-

teilweise sogar bis zu mehreren Millionen

fentlich-rechtlichen Fernsehen oder auch bei

jüngeren Hörern* verzeichnen. Darauf kön-

den großen Audio-Streamingdiensten gang

nen die Sender aufbauen.

und gäbe ist. So lautet jedenfalls ein Teil der

Die ARD verfügt über eine hervorragende

Rechtfertigung dafür, dass der Podcast der

technische Infrastruktur mit Studios und

freischaffenden ARD-Talkmasterin Sandra

entsprechendem Fachpersonal, vom Ton-

Maischberger im September 2020 zunächst

techniker* bis zum Regisseur*.

exklusiv bei Spotify gelandet ist, finanziell

Die Anstalten haben sich, nicht zuletzt

gefördert von der ARD. Die zweite Staffel von

durch ihre Feature- und Hörspiel-Abteilun-

Der Sandra Maischberger Podcast vom Früh-

gen, über Jahrzehnte eine Audio-Expertise

jahr 2021 war dann zwar von Beginn an auch in

angeeignet, die ihnen bei der Eigenproduk-

der ARD Audiothek zu hören, der anfängliche

tion von Podcasts zu Gute kommt.

Schlingerkurs schien einigen Kritikern* (z. B. Schroeder 2020) aber doch Indiz genug dafür,

66

Allerdings hat die ARD auch mit einigen Man-

dass die ARD mit dem Geld der Beitragszahler*

kos und Hindernissen zu kämpfen – zumin-

das Quasi-Monopol von Spotify stärke. Die ARD

dest in der Selbstwahrnehmung. Für Podcasts

befindet sich hier in einem ähnlichen Dilemma

stehen in der Regel keine Extra-Budgets zur

wie gegenüber anderen sozialen Medien, vor


Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio

allem gegenüber dem Video-Monopolisten

Ein Geschäft zum beiderseitigen Vorteil, wie

YouTube (vgl. Frühbrodt/Floren 2019: Kapi-

es scheint – weder in die eine noch die andere

tel 9.1): Soll sie ohnehin marktbeherrschende

Richtung ist dafür Geld geflossen.

digitale Plattformen weiter stärken, indem sie

Zumindest scheint es aber Überlegun-

auf diesen die eigenen, hochwertigen Inhalte

gen zu geben, einen stärkeren Fokus auf die

hochlädt? Oder soll sie zuvorderst den Auf-

eigenen Ausspielwege zu legen, zuvorderst

und Ausbau der eigenen Plattform vorantrei-

die ARD Audiothek. Ende 2017 wurde die ARD

ben? Die ARD ist überzeugt: beides. „Wir ver-

Audiothek als zentrale Anlaufstelle für öffent-

suchen, unsere Inhalte einem größtmög­lichen

lich-rechtliche Podcasts gestartet – in Gestalt

Publikum zugänglich zu machen“, erklärt

einer Web-Plattform und einer mobilen App. In

ARD-Managerin Schlei. „Denn so erfüllen wir

vielerlei Hinsicht ist sie der ARD Mediathek mit

am besten unseren Informations-, Bildungs-

ihren TV-Sendungen nachempfunden. Von der

und Unterhaltungsauftrag.“ In diesem Sinne

Audiothek aus kann sich der Nutzer* zu den

verfolge die ARD eine duale Strategie: Einer-

Audio-Archiven der einzelnen Landesrundfunk-

seits würden fremde Plattformen bestückt,

anstalten weiterklicken, die das jeweilige Ge-

andererseits werde der Ausbau der eigenen

samtangebot ihrer Sender hochladen. In der

Audiotheken vorangetrieben. „Wir nehmen

Audiothek selbst findet er oder sie nur eine Aus-

durchaus wahr, dass andere Plattformen mit

wahl von Podcasts und digitalisierten, mithin

Die Marke ARD

schwer durchschaubaren Algorithmen arbei-

zweitverwerteten Radiosendungen und -bei-

soll wahrgenommen

ten und versuchen, die Konditionen für Pu­

trägen (vgl. Schröter/Laufersweiler 2019). Die

werden

blikationen zu diktieren“, so Schlei. „Zugleich

ARD wirbt für die Mediathek zwar damit, dass

beobachten wir auf eben diesen Plattformen

man hier „die besten Podcasts“ finde, kann

eine starke Nachfrage unserer Angebote.“

aber keine Auskunft darüber geben, wie hoch

(Inter­view Schlei 2021) Letzthin sei es weni-

der tatsächliche Anteil an von vornherein als

ger wichtig, auf welcher Plattform Podcasts

Pod­casts konzipierten Audiodateien ist und wie

aus öffentlich-rechtlicher Hand konsumiert

hoch derjenige, bei dem es sich um Mitschnitte

würden. Entscheidend sei vielmehr, dass der

aus dem linearen Programm handelt.

Absender deutlich sichtbar gemacht und damit die Marke ARD wahrgenommen werde.

Derzeit sind rund 90.000 Audiodateien in

90.000 Audio-

der ARD Audiothek abrufbar, die populärsten

dateien in

Aus diesem Denken heraus ist 2020 das

sind geordnet in Kategorien wie „Entdecken“,

der Audiothek

Partnermanagement Audio & Voice entstan-

„Meistgehört“, „Themen“ oder „Unsere Favo­

den, welches auch eine Kooperation mit der

riten“. Die Federführung hat der Südwest-

RTL-Plattform Audio Now hervorgebracht hat

deutsche Rundfunk (SWR) in Mainz. Jeweils

(vgl. Kapitel 6.3). Die ARD ist gut sichtbar mit

drei sogenannte Channel Manager von SWR

ihren eigenen Podcasts in der Audio-Now-App

und Bayerischem Rundfunk stellen neue Stü-

platziert, RTL bekommt hochwertige Inhalte.

cke ein und nehmen dafür andere von der

67


Den richtigen Ton treffen

Information soll

Plattform. Abbildung 18 zeigt, dass im März

Ausnahme“, kommentiert Thomas Müller,

eine größere Rolle

2021 fast ein Drittel der Wiedergaben der

Channel-Manager der ARD Audiothek, die

spielen

Kate­gorie „Hörspiel und Lesung“ zuzuordnen

Verteilung (Anfrage Müller 2021). „Aber ak-

ist. Dies ist eher Hörbuch- als Podcast-Inhalt.

tuell öffnet sich die Audiothek auch für diese

Bei der zweitstärksten Kategorie „Informa­

Inhalte und wir erwarten, dass diese relevant

tion“ besteht mehr als 40 Prozent aus Corona-­

nachgefragt werden.“

spezifischen Formaten, weshalb es auch nicht

Im Jahr 2020 erzielte die ARD Audiothek

verwundert, dass die zehn am häufigsten

54 Millionen Wiedergaben in einer Gesamt-

abgerufenen Formate der ARD Audiothek ne-

länge von 18 Millionen Stunden, eine Ver-

ben Krimi-Hörspielen und Comedy-Formaten

doppelung gegenüber dem Vorjahr. Aussage-

vor allem von Virologen*-Podcasts dominiert

kräftiger als absolute Zahlen ist jedoch das

werden. Der Anteil von „Politik & Hintergrund“

vergleichsweise Abschneiden gegenüber an-

beläuft sich gerade einmal auf 3,6 Prozent

deren Anbietern. Hier zeigt sich, dass die ARD

der Abrufe. „In der bisherigen Strategie hat

Audiothek nach den Erhebungen des Reuters

aktuelle Information keine Rolle gespielt –

Digital News Report mit einem Marktanteil von

die Angebote rund um Corona waren da eine

17 Prozent immer­hin einen achtbaren dritten

Abbildung 18

Anteil verschiedener Inhaltskategorien an den Abrufen der ARD Audiothek (März 2021)

Andere

24 % 31,6 %

Politik

Information

3,6 %

Hörspiel/Lesung

12,6 Mio.

Wiedergaben

27,3 %

13,7 %

Unterhaltung

Die Kategorie „Andere“ umfasst u. a. Formate für Kinder, Gespräch und Interview, TV-Formate und Reisereportagen. Quelle: Anfrage Müller 2021. Eigene Darstellung. Abweichungen von 100 % ergeben sich durch Rundungen.

68


Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio

Platz belegt, allerdings mit großem Abstand

Sicherlich sorgt die oben skizzierte güns-

hinter YouTube (39 Prozent) und Spotify

tige Ausgangslage für die gute Position der

(34 Prozent) (Hölig/Hase­brink 2020: 51-52).

ARD. Sie kommt aber auch dadurch zustan-

Die gute Position der Öffentlich-Rechtlichen

de, dass vor allem ältere Jahrgänge die ARD

Öffentlich-Recht-

ist im internationalen Vergleich allerdings

Audio­thek ausgiebig nutzen. Dies wird deut-

liche in mehreren

auch nicht außergewöhnlich. In Schweden

lich, wenn die Nutzung wie in Abbildung 19

Ländern vorn

rangiert der öffentlich-recht­ liche Rundfunk

nach Altersgruppen differenziert wird.

auf Platz zwei, in Großbritannien führt die BBC

Die ARD Audiothek gewinnt erst mit zuneh-

sogar das Feld an. In den stark von der Privat-

mendem Alter an Boden, um in der Kohorte

wirtschaft beherrschten USA schafft es Natio­

der 45–54-Jährigen mit rund einem Drittel

nal Public Radio in einem dicht gestaffelten

Marktanteil die knappe Führung vor YouTube zu

Feld mit neun Prozent Marktanteil immerhin

übernehmen. YouTube hat dann wieder bei den

auf Platz sieben der führenden Plattformen

noch Älteren die Nase vorne, die Podcasts zu-

(Podtrac 2020, neben iHeart ­Radio spielt NPR

dem bevorzugt auch auf Webseiten abrufen.13 Wenn die Audiothek neue Zielgruppen er-

als Produzent von Inhalten aber eine deutlich

reichen soll, wie ARD-Managerin Schlei betont,

größere Rolle, vgl. Kapitel 4.1). Abbildung 19

Nutzung verschiedener Audiostreaming-Plattformen in Deutschland nach Alter im Jahr 2020 (in Prozent) 60

56

52 45

40 Prozent

43

39 26 20

18

20 7

15

10 6 5

25 18 19

17

16

24

20 12

5

2

34

32

27

11 10

8

13 7

14

19 10 10

0 18-24 Jahre YouTube Spotify

25-34 Jahre ARD Audiothek Apple Podcasts

35-44 Jahre

45-54 Jahre

Audible Google Podcasts

55+ Jahre

Nachrichtenwebsite/App

Quelle: Reuters Institute Digital News Survey 2020, Darstellung aus Hölig/Hasebrink (2020: 52). Eigene Darstellung.

13 Ein ähnliches Bild vermittelt die POD Ratings-Umfrage von Goldmedia (2020: 8), bei der die Altersgruppen weiter gefasst sind. Hier liegt die ARD Audiothek in der Kohorte der 50–69-Jährigen vorne.

69


Den richtigen Ton treffen

Die BBC reagiert

dann geht es hier folglich in erster Linie um die

Sounds reagiert, was sicherlich eine Ursache

mit „Sounds“

jüngeren Alterskohorten. Dazu sei angedacht,

dafür ist, dass die BBC dort Marktführerin ist.

auf Spotify

„im ersten Schritt alle unsere Inhalte der ARD

BBC Sounds soll ganz gezielt die Altersgruppe

verfügbar [zu] machen und im zweiten gezielte

der 18–34-Jährigen ansprechen und bietet sei-

Kommunikation zu ausgewählten Produkten

nen Nutzern* im Wesentlichen mehrere Con-

[zu] nutzen, um neue Zielgruppen in die Audio­

tent-Mix-Varianten inklusive Musik. Überdies

thek zu bekommen“, erklärt Channel-Manager

wird unter dem Dach von BBC Sounds mehr

Thomas Müller. „Gleichzeitig wird das inhalt­

künstlerische Freiheit bei der PC-Gestaltung

liche Portfolio der Landesrundfunkanstalten

gewährt als bei den linearen Programmen

gerade auch für jüngere Zielgruppen gestärkt,

(Berry 2019).

und es werden mehr und neue Inhalte angebo-

Könnte ein solches Angebot auch von

ten.“ (Anfrage Müller 2021) Aus der ARD ist von

der ARD kommen? „Zu einem gewissen Grad

einer „bereits erstellten Roadmap“ die Rede. Es

ja – wir bauen gerade den Musikbereich mit

ARD-Strategie

heißt von anderer Seite aber auch, dass noch an

ARD-Inhalten deutlich aus“, sagt ARD-Channel-­

steht noch nicht

den Strategien gearbeitet werde und es „noch

Manager Müller. „Allerdings planen wir keinen

keine festgeschriebenen Ziele“ gebe. Allzu viel

Erwerb von Musikrechten“, schränkt er ein

Zeit lassen kann sich die ARD allerdings nicht.

(Anfrage Müller 2021). Konkret bedeutet dies,

Denn es geht nicht nur darum, neue Zielgrup-

dass zumindest die ARD als Gesamteinheit

pen zu erschließen, sondern womöglich auch

keine non-linearen Content-Pakete anbieten

darum, gewonnene zu verteidigen.

kann, die beispielsweise mit persönlich aus-

70

So hat Spotify mit Daily Drive ein Angebot

gewählten Musiktiteln angereichert sind. Dies

entwickelt, das die Lieblingspodcasts und die

hat zum einen kartellrechtliche Gründe: Die

Lieblingsmusik von Nutzern* miteinander kom-

Landesrundfunkanstalten dürfen bei solchen

biniert und ein individualisiertes, radioähn­

Projekten nicht zusammenarbeiten, indem sie

liches Hörangebot macht. In anderen Ländern

eben beispielsweise gemeinsam Musikrech-

experimentiert der schwedische Audio-Strea-

te erwerben. Zum anderen handelt es sich

mingdienst mit weiteren Modellen dieser Art

um eine Kostenfrage: Zwar könnten einzelne

(Schneider 2020). Solche Angebote dürften da-

Rundfunkanstalten Angebote entwickeln, die

rauf abzielen, mit quasi-linearen Programmen

mit Spotifys Daily Drive vergleichbar wären,

Hörgewohnheiten aus dem Radio aufzugreifen,

doch könnten sich dies einzelne Anstalten, ob

die Nutzungsdauer auf der Plattform auszu-

WDR oder Saarländischer Rundfunk wegen der

weiten und damit nicht zuletzt andere, mithin

besagten Musiktantiemen kaum leisten. Der

klassische Quellen für Musik und Information

Aufbau von BBC Sounds hat umgerechnet rund

überflüssig zu machen.

elf Millionen Euro gekostet – ohne Musikrechte.

In Großbritannien hat die öffentlich-recht-

Folglich setzt die ARD darauf, vor allem mittels

liche BBC bereits 2018 mit ihrem Angebot BBC

finanzieller Umschichtungen Mittel für Leucht-


Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio

turm-Projekte „freizuschaufeln“, die dann so

sogenannter Konstruktiver Journalismus

effektiv wie möglich über alle möglichen Sen-

in praktischer Anwendung (vgl. Kramp/

der und Kanäle verwertet werden, um maximale

Weichert 2017).

Synergieeffekte zu erzielen. Ein Musterbeispiel

Im Januar 2020, knapp ein Jahr nach der

hierfür ist mal angenommen – der tagesschau

Ursprungsidee, geht die erste Folge des

Zukunftspodcast (siehe Fallbeispiel). Mal an-

tagesschau Zukunfts-Podcast – mal an-

genommen war zunächst das einzige originäre

genommen online. Es handelt sich um

Pod­cast-Produkt der Tagesschau. Im April 2021

ein Format, das sich vom Rest der politi-

ist mit dem faktenfinder ein zweites Format

schen Podcast-Landschaft deutlich abhebt.

gestartet, in dem alle zwei Wochen gezielte

Wöchentlich spielen zwei ARD-Korres-

Falsch­meldungen entlarvt werden sollen.

pondenten* ein gesellschaftspolitisches

Gesellschafts-

Gedankenexperiment durch: Was wäre,

politische

wenn Deutschland aus der EU austritt?

Gedankenspiele

Alle Gletscher schmelzen? Politiker* keine

Fallbeispiel: Der tagesschau Zukunfts-­

Nebeneinkünfte mehr haben dürfen? Im

Podcast mal angenommen

Zentrum jeder Folge stehen mehrere Exper-

Im Frühjahr 2019 kommen der Hörfunk-Kor-

ten*-Interviews, die verschiedene Aspekte

Experten*-

respondent Marcel Heberlein und einige

des Zukunftsszenarios beleuchten und von

Interviews und

Mitstreiter* im ARD-Hauptstadtstudio auf

den Moderatoren* im Zwiegespräch einge-

Moderatoren*-

die Idee, einen eigenen Podcast zu entwi-

ordnet und kommentiert werden. Am Ende

Dialoge

ckeln. Auf Grundlage einer Marktanalyse

werden die Erkenntnisse von den Hosts*

über mögliche Zielgruppen und Nutzungs-

zu einem „Best Case“- und einem „Worst

situationen von Podcasts geht es in einen

Case“-Szenario zusammengefasst. Damit

fünftägigen „Design Sprint“, wo in typi-

ist mal angenommen kein News-Podcast,

scher Start-up-Manier Ideen gesammelt,

hat zuweilen aber durchaus tagesaktuellen

weitergedacht und konkretisiert werden.

Bezug. Der Podcast kommt als Hybrid aus

Mit Heberlein brüten Hörfunk-, Fernseh-

Interview und klar strukturiertem Modera-

und Social Media-Journalisten* aus dem

toren*-Dialog daher.

ARD-Hauptstadtstudio sowie Kollegen* von

Ein Konzept, das aufzugehen scheint: mal

der Tagesschau in Hamburg über dem Kon-

angenommen hat bisher mehrere Journa-

zept – denn unter dem Dach der Tagesschau

listen*preise gewonnen. So wurde der Pod­

soll der neue Podcast realisiert werden. Für

cast 2020 mit dem renommierten Medien-

das Team ist schnell klar: Ein zukunftsorien­

preis „Prix Europa“ in der Kategorie „Digital

Hier geht’s

tiertes Format soll es sein. Es soll nicht nur

Audio Project“ ausgezeichnet. ARD-Hör-

zum tagesschau

um die Probleme dieser Welt, sondern vor

funk-Korrespondent Marcel Heberlein, der

Zukunfts-Podcast:

allem um die Problemlösungen gehen –

im Podcast regelmäßig als Moderator zu

mal angenommen

71


Den richtigen Ton treffen

Konstruktiver

hören ist, schreibt den Erfolg unter ande-

ten. Es sei von Anfang an klar gewesen,

Ansatz für

rem dem konstruktiven Ansatz zu. Das kon-

dass der Podcast nicht nur „harte Fakten

den jungen Nerv

struktive Weiterdenken einer Idee sei nicht

servieren soll“, sagt Heberlein. „Podcasts

nur ein Alleinstellungsmerkmal für den

funktionieren anders als Fernsehen und

Podcast, es treffe auch den Zeitgeist der

die 15-minütige Tagesschau. Es braucht

Hörer*schaft, vorwiegend unter 35-Jährige

ein erzählerisches Element und wir versu-

Mediennutzer* aus dem urbanen Raum.

chen, dieses zu liefern.“ Unterhaltungs-

Strategisch geht es bei dem Tagesschau-­

wert in Form narrativer Elemente liefert der

Podcast jedoch offenbar weniger um den

„Zukunfts-Pod­cast“ gleich zu Beginn jeder

Erstkontakt mit jüngeren Zielgruppen, wie

Folge: Nach dem musikalisch unterlegten In-

dies oft bei den Podcast-Offensiven vieler

tro und einer kurzen Einleitung der Hosts*,

Tageszeitungen der Fall ist (vgl. Kapitel 7).

leitet eine fiktive Tagesschau-Meldung, vor-

Der Tagesschau gelingt es laut Heberlein

getragen von einem bekannten Sprecher*,

über die sozialen Medien auch jetzt schon

das Gedanken­experiment der Woche ein.

sehr gut, junge Menschen zu erreichen

Die Themen des Podcasts orientieren sich

(hier und im Folgenden: Interview Heberlein

an den Interessen der Zielgruppe, regel-

2021). Rund drei Millionen Nutzer* folgen

mäßig werden auch Themenvorschläge der

dem Kanal der Tagesschau auf Instagram

Hörer* umgesetzt. Laut Heberlein seien

und Twitter (Stand: Juni 2021). Ziel des PC

deren Präferenzen aber nicht der einzige

ist es eher, den jungen Nutzern* ein neues

ausschlaggebende Faktor bei der Themen-

Format zu liefern, das anders als die sozia­

wahl: „Bei vielen Themen ist uns auch im

len Medien eine ausführliche und mithin

Vorhinein schon klar: Das wird jetzt wahr-

thematisch tiefgreifende Berichterstattung

scheinlich nicht die absolute Rekordfolge.

bietet. Zusätzlich können mit dem Podcast

Und gleichzeitig finden wir sie inhaltlich un-

die Bereiche in der Mediennutzung junger

glaublich wichtig.“ So zum Beispiel die Fol-

Menschen erschlossen werden, die durch

ge „Keine Holocaust-Zeitzeugen mehr? Was

die bestehenden Angebote der Tagesschau

dann?“ vom Januar 2021. Dass bestimmte

bislang nicht bedient werden. Die Ziel-

Themen bei einigen Altersgruppen mehr

gruppe soll den Podcast zum Beispiel beim

Anklang finden als bei anderen, bekomme

Pendeln zum Job oder beim Sportmachen

man aller­dings auch beim Feedback „schon

konsumieren. Das seien „ganz spezielle

sehr stark mit“.

Nutzungssituationen“, die die Tagesschau

Abrufbar ist mal angenommen neben der

sonst nicht abdecke, erklärt Heberlein.

ARD Audiothek und der Tagesschau-Web-

Dabei will mal angenommen jedoch nicht

site auch auf YouTube und den großen

unterhaltende

nur informieren, sondern vor allem auch

Strea­ ming-Plattformen, wo der Podcast

Elemente

zielgruppen- und formatgerecht unterhal-

auch die meisten Abrufe verzeichnet. So

Narrative und

72


Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio

rangiert er im Spotify-Ranking regelmä-

ausführlicher Wetterbericht mit angehängten

ßig in den Top-20 der meistgehörten Pod-

Kurznachrichten – und sporadische Wortbeiträ-

casts, auf allen Plattformen erreicht jede

ge aus Politik und Gesellschaft, die eine Maxi­

Folge nach eigenen Angaben insgesamt gut

mallänge von anderthalb Minuten aufweisen.

100.000 Hörer*. Dabei helfe es natürlich

Die große Mehrheit der Beiträge kommt aus

auch, dass die Tagesschau eine anerkannte

dem Ressort „Vermischtes“. So oder so ähn-

Marke sei, die von den Nutzern* mit Informa-

lich funktioniert das Konzept des sogenann-

Werbefreundliches

tionstiefe und Seriosität verbunden werde,

ten Formatradios, welches die meisten der 431

Formatradio

meint Heberlein. Den Großteil der Hörer*

privaten Rundfunksender in Deutschland zum

dominiert

machen Schüler*, Studierende und „Young

Einsatz bringen. Private Radios erwirtschafte-

Professionals“ aus. Ältere Nutzer* sind laut

ten 2019 rund 600 Millionen Euro Umsatz, 85 %

Heberlein auf allen messbaren Plattformen

davon aus Werbeeinnahmen (Vaunet 2020).

deutlich in der Minderzahl. Aller­dings läuft

An den Sendern sind insgesamt rund 600 ver-

mal angenommen nicht nur als Podcast

schiedene Gesellschafter* beteiligt – darunter

bei Spotify & Co., sondern auch im linea­

große Verlagshäuser wie Hubert Burda, Mad-

ren Radioprogramm, unter anderem auf

sack, die Funke Gruppe und Axel Springer, aber

NDR Info, SWR Aktuell und WDR 5 – womit

auch auf Hörfunk spezialisierte Holdings wie

die Hörer*schaft des Podcasts insgesamt

Regiocast oder Gong (KEK o. D.).

doch über mehrere Altersgruppen verteilt

Das stark normierte Programm mit hohem

sein dürfte. Für lineare Jugendprogramme

Musikanteil und die Kürze der redaktionellen

werden die wichtigsten Erkenntnisse noch

Beiträge prädestinieren die kommerziellen

einmal zusammengefasst, was den Fokus

Radiosender in Deutschland nicht unbedingt,

auf die jüngere Zielgruppe verdeutlicht und

sich besonders stark beim Podcasting zu enga­

eine Strate­gie der multiplen Verwertung der

gieren. Auf den ersten Blick passen Podcasts

Inhalte auf verschiedenen Ausspielwegen

allein schon wegen ihrer Ausführlichkeit kaum

anzeigt, die sich auch für andere Program-

zur Welt des Privatradios. Doch es gibt noch

me finden lässt.

andere Probleme: Die Nutzer* bewerten Audio-­ Streamingdienste deutlich besser als das Privat­radio in Hinblick auf Unterhaltungswert,

6.3 Private Radiosender und die RTL-Plattform Audio Now

Nutzwert und Möglichkeiten, sein eigenes Programm zusammenzustellen (vgl. Kapitel 6.1). „Spotify treibt die Radiobranche vor sich her

Stets gut gelaunte Moderatoren*, jede Men-

und startet immer neue personalisierte Ser-

ge Gewinnspiele und Quizshows, garniert mit

vices“, konstatiert der Medienjournalist Guido

etwas Comedy, Popsongs aus den aktuellen

Schneider Ende 2020. Dazu gehört das Angebot

Top-50-Charts in der Wiederholungsschleife,

Daily Drive (vgl. Kapitel 6.2) sowie in einigen

In der Defensive

73


Den richtigen Ton treffen

Ländern die Möglichkeit für Podcaster*, Musik

ausgestrahlter Programme über ihre App die

in ihre PC zu integrieren. Zu allem Überfluss

Möglichkeit eröffnen, zwischen Wortbeiträgen

hat das „Corona-Jahr 2020“ zu erheblichen

und verschiedenen musikalischen Klangfarben

Einbrüchen bei den Werbeeinnahmen geführt:

wählen zu können. Dies setzen bereits RTL und

„Während viele landesweite Sender 2020 mit

Hit Radio FFH um (Schneider 2020: 77). Die an-

einem Gewinneinbruch davonkommen dürften,

dere Option lautet: Sich stärker auf dem Feld

geht es für etliche Lokalradios um die Existenz“

der Podcasts zu engagieren.

(Schneider 2020: 77). Die wirtschaftliche Situa­

Um zu ermitteln, wie groß dieses Engage-

tion engt die strategischen Handlungsspiel­

ment ist, wurden in einer Stichprobe bei rund

räume der Privatradios also zusätzlich ein.

50 privaten Radiosendern Anzahl und Art von

Der Verband der privaten Medien VAUNET

Podcasts recherchiert, darunter bei Stationen

Handlungsbedarf

hat sich zur neuen Konkurrenz bislang noch

der reichweitenstärksten Senderketten Radio

umstritten

nicht klar positioniert und hält sich deshalb

NRW, Studio Gong, Antenne Bayern, Hit Radio

mit öffentlichen Statements zurück (Anfra-

FFH sowie Radio ffn. Darüber hinaus wurden

ge Leibiger 2021). Aus Verbandskreisen ist

auch Einzelsender wie der Berliner Rundfunk

zu hören, dass man bislang keinen Verdrän-

oder die Ostseewelle berücksichtigt (vgl. An-

gungswettbewerb zwischen den Audio-Strea-

hang A). Die Recherche ergab, dass die 53 pri-

mingdiensten und den privaten Radiosendern

vaten Sender und Senderketten seit 2017

erkennen könne. Auch Stephan Schmitter,

insgesamt 181 Podcasts produziert haben. 53

seines Zeichens Audio-Chef der RTL-Medien-

davon sind inzwischen eingestellt worden,

gruppe Deutschland, verweist darauf, dass

weil die geplanten Staffeln ausgelaufen sind

Privatsender als Alleinstellungsmerkmal ihre

oder weil die Hörer*schaft ausgeblieben ist.

regionale Verankerung aufweisen. RTL hält

128 Pod­casts laufen noch (Stand: 20.12.2020),

Beteiligungen an diversen privaten Radiosen-

jeder Sender betreibt damit zwei bis drei Pod­

dern in Deutschland. Dennoch findet Schmit-

casts. Dies ist kein besonders hoher Wert,

ter vergleichsweise deutliche Worte. Er sieht

zeugt aber von einschlägiger Aktivität, denn

die Branche „an einem Punkt angekommen,

nur ganz wenige der untersuchten Sender pro-

an dem wir sehr aufpassen müssen“. Wenn im-

duzieren überhaupt keine PC. Vergleicht man

mer nur noch mehr Musik gespielt würde und

die Gesamtsumme allerdings mit den Aktivitä-

die Moderatoren* weiter in den Hintergrund

ten anderer Akteure, erscheint sie nicht beson-

rückten, „sind wir irgendwann nicht mehr von

ders hoch: So veröffentlicht beispielsweise der

Musikstreaming-Diensten zu unterscheiden“

Axel-Springer-Konzern nach eigenen Angaben

(Krei 2020).

mehr als 100 Podcasts über seine diversen Me-

74

Wie also reagieren? Ein strategischer An-

dien (vgl. Kapitel 7.1). Abbildung 20 zeigt die

satz besteht darin, neue Technologien zum

Verteilung der Podcasts der privaten Radiosen-

Einsatz zu bringen, die den Hörern* digital

der auf verschiedene Kategorien.


Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio

Die Abbildung lässt – kaum überraschend –

ner Musiksendung beispielsweise Songs aus

eine klare Dominanz der Unterhaltung erken-

einer bestimmten Ära mit gesellschaftlichen

nen. Im Mittelpunkt stehen Podcasts zu leich-

Strömungen und politischen Ereignissen ih-

ten und unterhaltenden Themen, allerdings

rer Zeit verbunden und diskutiert werden. Ihr

keine reinen „Laber-Podcasts“. Ein typisches

Anteil ist mit sechs Prozent erwartungsgemäß

Format dieser Kategorie: Bringt ein bekannter

gering, während die ebenfalls geringe Anzahl

Überraschend

Musiker* ein neues Album he­raus, interviewt

von Sport-PC (8 Prozent) eher überrascht, weil

wenig Sport

ihn ein Moderator* eine halbe bis eine Stun-

gerade Profi-­Fußball und regional verankerte

und True Crime

de lang dazu und befragt den Star zu mehr

Sportarten im regulären Programm der Privat-

oder minder persönlichen Themen. In Ton und

radios eine durchaus prominente Rolle spielen.

Machart sind diese PC oft eng angelehnt an

Ebenfalls überraschend: Die geringe Aktivität

das lineare Programm ihres Senders, weshalb

auf dem Feld „True Crime“. Da sich Formate

einige von ihnen herausgeschnittene Teile die-

wie Zeit Verbrechen oder Mordlust des ARD/

ser Podcasts als akustische Appetithäppchen

ZDF-Jugendangebots funk großer Popularität

in ihren Sendungen platzieren.

erfreuen, wäre zu erwarten gewesen, dass auch

Als „Kultur“ wurden in der Stichprobe

Privatradios auf dieses Feld drängen. Tatsäch-

Podcasts klassifiziert, die über die reine Un-

lich startete Antenne Bayern Ende 2017 den

terhaltung hörbar hinausgehen: Wenn in ei-

vielbeachteten Podcast Dunkle Heimat, der im

Abbildung 20

Aufteilung der Podcasts (n=128) privater Radiosender in verschiedene Inhaltskategorien True Crime

Sport Kultur

2 %

8 % 6 %

Ratgeber

42 %

18 %

Unterhaltung

24 % Information Quelle: Eigene Recherchen/Webseiten der Radiosender. Untersucht wurde eine Stichprobe von 53 privaten Radiosendern.

75


Den richtigen Ton treffen

Mai 2019 nach seiner zweiten Staffel eingestellt

für medizinische Notfälle. Oft entstehen solche

worden ist. Nachfolger des True-Crime-Formats

Formate in Kooperation mit Unternehmen und

ist die ebenfalls erfolgreiche Geheimakte, in

gemeinnützigen Organisationen.

Ratgeber-Podcasts

der über spektakuläre Kriminalfälle und Terror­

Mit fast einem Viertel (24 Prozent) erzielt

von unterschied-

anschläge im Freistaat berichtet wird, zum

auch der Bereich „Information und Wissen“ ei-

Beispiel über das rechtsextreme Oktoberfest-­

nen bemerkenswert hohen Anteil. Dies ist zum

Attentat in München vom Oktober 1980. Neben

einen darauf zurückzuführen, dass aufgrund

der Geheimakte von Antenne Bayern betreibt

der Corona-Pandemie ein erhöhter Informa-

derzeit nur noch ein weiterer der untersuchten

tionsbedarf in der Öffentlichkeit besteht, auf

Privat­sender einen True-Crime-PC: Mord im Pott

welchen viele Privatsender mit eigenen PC-For-

von Radio 91.2 aus Dortmund. Die mögliche Ur­

maten reagiert haben. Zum anderen stellen

sache: Recherche-Aufwand und Produktions-

zahlreiche Sender ihre Nachrichten aus dem

kosten scheinen zu hoch, zumal es sich bei den

linearen Programm auch als ein- bis fünfminü-

Hier geht’s zur

True-Crime-Podcasts meist um Reportage-For-

tige Podcasts zur Verfügung (es handelt sich

Geheimakte,

mate mit O-Tönen aus Recherche-Interviews

dabei also um reine Zweitverwertungen).14 Vie-

handelt (vgl. Kapitel 2.2).

le PC-Formate der privaten Radiosender wei-

lichem Gehalt

Ins Auge sticht bei der Analyse der Stichpro-

sen dabei Komponenten von Information wie

ben-Ergebnisse, dass fast ein Fünftel der Pod­

Unter­ haltung aus, nur in unterschiedlichen

casts aus Ratgeber-Formaten besteht. Häufig

Anteilen. Die thematische, vor allem aber die

reichen dabei Einzelpersonen – nicht selten da-

dramaturgische Bandbreite ist bei den Info-

bei Moderatoren* des Senders – persönliches

und Wissensformaten sehr groß. Am einen

Erfahrungswissen weiter. So geben zum Bei-

Ende des Spektrums findet sich klassisches

spiel junge Mütter, die Radio machen, jungen

„Infotainment“, Unterhaltung (Englisch: enter-

Müttern, die Privatradio und deren Pod­casts hö-

tainment) die mit etwas Informationen angerei-

… zu Alines

ren, Ratschläge für eine gute Erziehung. Ein we-

chert wird. In Alines Woche & Thomas von Big

Woche & Thomas

sentlicher Teil ist allerdings auch professionel-

FM zum Beispiel reden die junge Frau Aline und

ler aufbereitet: Im Familienfuchs des Leipziger

der junge Mann Thomas über die Ereignisse der

Radio PSR spricht die Moderatorin regelmäßig

Woche. Eingebettet in einen lockeren Talk über

mit einem Psychologen und Coach über typische

persönliche Erlebnisse und mit überdrehten

Probleme, die in Familien auftreten können. Im

Reaktionen tauschen sich die beiden nicht sehr

… und zum

Erste-Hilfe-Podcast von Antenne Düsseldorf

analytisch, dennoch meinungsbildend über

Familienfuchs

gibt ein Feuerwehrmann und Sanitäter Tipps

einzelne Ereignisse aus. Beispielsweise über

… zu Mord im Pott,

14 Da keine offiziellen Zahlen über den Informationsanteil privater Radiosender in Deutschland vorliegen, ist eine Einordnung schwer möglich. Der Anteil journalistischer Information beträgt bei privaten TV-Sendern laut einer ARD/ ZDF-Programmanalyse von 2019 jedoch zwischen elf und 24 Prozent (Maurer/Beier/Weiß 2020: 254). Im Vergleich dazu bewegt er sich bei den Podcasts der Privatradios am oberen Ende der Skala.

76


Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio

einen Elefanten in Pakistan, dem die Sängerin

größtmögliche Verbreitung zu erreichen. Damit

Cher das Leben rettet, oder über einen Ordner,

fördern sie aber ihre schärfsten Konkurrenten.

der bei einer Demo von Corona-Leugnern* ein

Also müssen sie entweder ihre Hörer* auf ihre

deutliches Zeichen gegen rechte Propaganda

jeweiligen Webseiten locken, auf denen ihre

setzt. Den Gegenpol zu diesem Konzept bilden

PC platziert sind – oder aber sie müssten ihre

Hier geht’s

Podcasts, die den Schwerpunkt eindeutig auf

Anstrengungen bündeln. Bereits 2014 hat eine

zu Green Up

Wissen legen wie zum Beispiel Green Up Your

Reihe von privaten Radios die App Radioplayer

Your Life!

Life! von Marie Gomez, einer Moderatorin von

veröffentlicht, über die der Nutzer* Live-Sen-

Radio Energy Nürnberg. Gomez stellt meist jun-

dungen, aber auch die Mediatheken der Sen-

ge Menschen vor, die sich auf verschiedenste

der inklusive Podcasts ansteuern kann. Als

Weise für mehr Nachhaltigkeit einsetzen, bei-

überzeugender Erfolg hat sich der Radioplayer

spielsweise einen eigenen Unverpackt-Laden

indes noch nicht erwiesen – möglicherweise

gründen oder eine Online-Plattform für faire

deshalb, weil in der stark zerklüfteten Privat­

Mode. Der Ton ist dabei locker, aber zugleich

radio-Landschaft bevorzugt Einzelinteressen

ernsthaft und engagiert. Vor allem aber bleiben

verfolgt werden (Schneider 2019).

die Beteiligten fokussiert auf das Thema – trotz

Dagegen hat der Medienriese RTL die Flucht

der persönlichen Note, die jedes Gespräch hat.

nach vorn ergriffen. Die Tochter des Medienkon-

Gomez hat für ihren PC im Oktober 2020 den

zerns Bertelsmann betreibt einige Radiosender

„Sonderpreis der Jury“ des Hörfunkpreises

unter der eigenen Marke RTL und hält Beteili-

der Bayerischen Landesanstalt für neue Me-

gungen an 14 weiteren Sendern, etwa an An-

dien erhalten. Green Up Your Life! bildet die

tenne Bayern oder Jam FM. Anfang 2019 hat die

Speerspitze dieser Art von Podcast, von denen

RTL-Gruppe aber ein deutliches Zeichen durch

es noch einige weitere gibt, auch wenn sie in

die Gründung ihrer eigenen Podcast-Plattform

der Gesamtschau nur eine Minderheit der An-

Audio Now gesetzt. Kaum ein Jahr später gibt

gebote darstellen.

RTL-Audio-Chef Stephan Schmitter als Ziel aus:

RTL will mit

Der Medienberater Martin Liss konstatiert

„Neben Spotify und Apple möchten wir dauer-

Audio Now

in seiner Podcasts-Studie, dass die meisten

haft zur Top 3 gehören“ (Krei 2020). Audio Now

vorne mitspielen

privaten Hörfunkanbieter sich entschieden

wolle die Rolle des „Local Hero“ spielen, also

hätten, das Thema Podcast nicht unternehme-

der stärkste deutsche Anbieter im Heimatmarkt

risch zu verfolgen (XPLR 2020: 6). Oft stießen

sein. Dazu investiere RTL einen „zweistelligen

gerade kleinere Sender an ihre Kapazitätsgren-

Millionenbetrag“ (Schneider 2019). Der Zugang

zen, Podcasts würden dort eher als eine Art

zur Plattform ist kostenlos, die Inhalte sind

Reste­rampe betrachtet. Selbst größere Anbie-

rein werbefinanziert. Audio Now verzeichnete

ter stecken jedoch in einer Zwickmühle: Wenn

nach eigenen Angaben im Dezember 2019 eine

sie PC produzieren, müssen sie Plattformen wie

Million monatliche Nutzer. Im Januar 2021 gab

Spotify oder Apple Podcasts nutzen, um eine

es sieben Millionen Abrufe der „Bertelsmann

77


Den richtigen Ton treffen

Schwerpunkt

Audio Alliance“, also der Konzern-eigenen Pod­

Info- und Wissensformaten aufweist, befin-

eindeutig

casts (Mediengruppe RTL Deutschland 2021).

den sich bei Audio Now hingegen allein fünf

auf Unterhaltung

RTL gibt zwar an, mit allen relevanten PC-Produ-

True-Crime-Formate unter den Top 10. Die an-

zenten* zusammenzuarbeiten, die Podcasts von

dere Hälfte besteht aus Come­dy und „Laber-­

FDP-Chef Christian Lindner oder der Fridays for

Podcasts“. Auffällig ist zudem der hohe Anteil

Future-Bewegung (vgl. Kapitel 5) aber gehören

von PC mit Medienschaffenden, die auf den

beispielsweise nicht zum Angebot. Eine rela-

Fernsehsendern von RTL zu sehen sind. Ein

tiv prominente Stellung verleiht RTL indes der

typisches Beispiel ist Die Pochers hier!, der

ARD, die im Fernsehmarkt einer der RTL-Haupt-

Pod­cast des Comedian Oliver Pocher und sei-

konkurrenten ist. Auf dem Feld der Podcasts

ner Frau Amira. Duktus und Niveau des Pod­

kooperieren die beiden Sendergruppen jedoch

casts orientieren sich an den TV-Auftritten der

Hier geht’s zu

offiziell. So erhalten die PC-Produktionen der

Pochers: Das Paar erzählt aus seinem Leben

Die Pochers hier!

ARD auf der Startseite der Audio-Now-App sogar

und wirbt mehr oder minder auffällig an der

eine eigene, gut sichtbare Kategorie. Dominant

einen oder anderen Stelle für Fernsehsendun-

sind in der App, wenig überraschend, jedoch die

gen der RTL-Gruppe. Der PC wird somit auch

rund 140 Eigenproduktionen (Stand: Dezember

gezielt zur Cross-Promotion eingesetzt.

2020) aus dem Hause RTL bzw. Bertelsmann. Denn über die Bertelsmann Content Alliance bezieht Audio Now Podcasts aus anderen Be-

78

6.4 Zwischenbilanz

reichen des Medienkonzerns Bertelsmann, etwa

Aus dem jahrzehntelangen Duell zwischen

vom Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr (Stern,

öffentlich-rechtlichen Hörfunksendern und

Gala, Business Punk etc.) oder von der RTL-Me-

dem Privatradio ist inzwischen ein Dreikampf

diengruppe und ihren TV-Produktionen („Gute

geworden. Auch wenn die Audio-Streaming-

Zeiten, schlechte Zeiten“, „Let’s dance“ etc.).

dienste teilweise andere Bedürfnisse der Nut-

Darüber hinaus können Nutzer* ausgewählte

zer*, wie etwa das nach Selbstbestimmung,

Musik streamen sowie Live-Radio bei den Sen-

befriedigen, sind sie doch auf das Terrain des

dern hören, an denen RTL beteiligt ist. Dies spie-

Radios vorgedrungen. Das Gros der Medien-

gelt den Versuch wieder, mittels Produktinte­

nutzer* in Deutschland erwartet vom Radio

gration die Nutzer* über das PC-Hören möglichst

Spaß und von den ARD-Anstalten vor allem

lange auf der Plattform und vor allem den eige-

auch Information. Wie die Ergebnisse einer

nen Produkten zu halten. Mittelfristig ist hier

ARD/ZDF-Langzeitstudie von 2020 zeigen, fin-

Musik als Teil

geplant, eine ähnlich vollumfängliche Plattform

den aber mehr Nutzer* die bessere Unterhal-

des Angebots

mit Musik und Podcasts zu bieten wie Spotify.

tung bei den Streamingdiensten. Und selbst

Betrachtet man die Top-10-Charts von

in der Kategorie „persönlich relevante Inhal-

Audio Now (13.01.2021), zeigt sich ein deut-

te“ liegen Spotify & Co. Kopf an Kopf mit den

lich anderes Bild als zum Beispiel bei Spotify.

öffentlich-rechtlichen Radiosendern, was als

Während Spotify einen höheren Anteil von

Fanal gewertet werden kann.


Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio

Die ARD und ihre Rundfunkanstalten haben

cher sie von Zweitverwertungen aus dem klas-

ARD: Charakter

aufgrund ihrer langen Audio-Erfahrung, soli-

sischen Radio unterscheidet: Sie haben quasi

von Podcasts

den Personalausstattung und hervorragenden

Format-immanent seriellen Charakter, sie sind

berücksichtigen

Infrastruktur eine gute Ausgangsposition inne,

geprägt von Storytelling und einer gewissen

um sich der neuen Herausforderung zu stellen.

Intimität und Lockerheit. Unterschätzt werden

Sie verfügen zudem über eine millionenstarke

sollten innerhalb der ARD auch nicht die Ver-

Stammhörer*schaft. Ihre offene Flanke sind

suche von Spotify, mit seinem Zwei-Säulen-An-

allerdings die vergleichsweise geringeren Hö-

gebot aus Musik und Podcasts und seinen

rer*zahlen bei den jüngeren Alterskohorten,

radio­ähnlichen „Sendungen“ des Daily Drive-­

gerade bei denjenigen also, die schon jetzt zu

Modells, dem Radio Konkurrenz zu machen. Wie

den Stammkunden* der Audio-Streamingdiens-

öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten darauf

te gehören. Um diese zu gewinnen, scheint die

reagieren können, hat die BBC vorgemacht.

ARD noch auf der Suche nach einer schlüssigen

Für die private Radiobranche kann festge-

Strategie. Bisher fährt sie einen zweigleisigen

halten werden, dass die kommerziellen Sender

Ansatz. Einerseits werden externe Plattformen

zunehmend Probleme mit ihrem klassischen

wie Spotify und Audio Now mit attraktiven Inhal-

Geschäftsmodell des Formatradios bekommen

ten versorgt, um überhaupt jüngere Menschen

werden. Bisher haben die meisten Radiosen-

mit der Marke ARD zu erreichen oder vertrau-

der allerdings eher verhalten auf die neue He-

ter zu machen. Andererseits sollen die eigenen

rausforderung reagiert, obgleich meist finanz-

Plattformen und dabei vor allem die ARD Audio­

starke Medienhäuser hinter ihnen stehen. Of-

thek gestärkt werden. Diese zweite Komponente

fenbar setzen sie darauf, dass sie weiter über

scheint bisher vernachlässigt worden zu sein.

mobile Apps gehört und besonders populäre

Die Audiothek, zumindest das auf der Startsei-

Sendeformate als Audio-on-Demand-Dateien

te privilegiert platzierte Angebot, ist bislang

heruntergeladen werden. Eine strategische

stark auf Unterhaltung und Bildung für ältere

Planung und deutlich „hörbare“ Investitio-

Hörer* ausgelegt. Aktuelle Information und

nen im Bereich des Podcastings lassen jedoch

„junge Inhalte“ stehen aktuell (noch) nicht im

weitgehend auf sich warten. Viele Akteure*

Fokus. Reformbedürftig erscheint auch der Mix

verfolgen gebannt das Projekt der RTL-Medien-

der Formate: Es dominieren Zweitverwertungen

gruppe, die mit ihrer Plattform Audio Now in

von Sendungen, die im linearen Programm aus-

die Offensive gegangen ist und den großen

gestrahlt werden. Dies lässt sich kaum sofort

Plattformen Spotify und Apple die Stirn bieten

ändern, wohl aber, wenn sich die ARD in den

will. RTL setzt dabei weniger auf tiefschürfende

nächsten Jahren tatsächlich in ein non-lineares

Inhalte, sondern auf seinen bewährten unter­

Content-Netzwerk verwandeln will, wie es Sen-

haltungsorientierten Ansatz – garniert mit

derchef Buhrow angekündigt hat. Dabei wäre

möglichst viel Werbung. Damit verleiht die Ber-

Kommerzielle

den ARD-Strategen* zu raten, den besonderen

telsmann-Tochter der deutschen Podcast-Land-

Note durch RTL

Charakter „reiner“ Podcasts zu bedenken, wel-

schaft eine stärker kommerzielle Note. 79


Den richtigen Ton treffen

7 Private Verlagshäuser

Seit Jahren befinden sich die Zeitschriften-

Göttinger Tageblatt regelmäßig über Podcasts,

und vor allem die Tageszeitungsverlage in

betreibt selbst aber keine mehr.

einer Strukturkrise. Deshalb treiben sie die

Zehn Jahre später, zu Beginn der zweiten

Digitalisierung ihrer Medienangebote vor-

PC-Welle, vermeldet die Drehscheibe, eine

an, Podcasts sind oft Teil dieser Strategie.

Zeitschrift für Lokaljournalismus, dass einige

Im vorliegenden Kapitel wird aufgezeigt und

Verlage wieder mit dem Format experimen-

analysiert, wie weit die deutschen Tages- und

tierten. Einen „Siegeszug“ haben die PC laut

Wochen­zeitungen (Kapitel 7.1) sowie Politik-

der Zeitschrift im Lokaljournalismus aber noch

und Wirtschaftsmaga­zine (Kapitel 7.2) mit dem

nicht angetreten. So würden einige Zeitungen

Einsatz von Pod­casts gelangt sind und welche

einzelne Staffeln produzieren, etwa bei Land-

Funktionen diese im Rahmen ihrer Digitali-

tagswahlkämpfen. Andere setzten stärker auf

sierungsstrategien übernehmen. Neben der

Wochenrückblicke, bei denen meist der Mode-

Wochenzeitung Die Zeit haben mit der zweiten

rator* Fachredakteure* aus dem Hause zu ih-

Podcast-Welle ab 2017 vor allem die Süddeut-

ren Spezialstrecken interviewt. Die Hörer*zah-

sche Zeitung und das Nachrichtenmagazin Der

len sind meist nicht viel höher als 2008 beim

Spiegel die Initiative ergriffen. Ihre jeweiligen

Göttinger Tageblatt, um die 1.000 Abrufe pro

Strategien werden in zwei Fallbeispielen ge-

Tag (Martens 2018: 14-15).

nauer unter die Lupe genommen.

Im Gegenzug zur ersten Welle ist das Engagement der Redaktionen dieses Mal jedoch

7.1 Tages- und Wochenzeitungen zwischen Marketing-Experiment und Großoffensive

nachhaltiger. Und den Pionieren* – allen voran die Wochenzeitung Die Zeit – folgen viele weitere nach, zumal die Rahmenbedingungen deutlich günstiger sind als bei der ersten

Während der ersten Podcast-Welle in den

Welle (vgl. Kapitel 3 und 4). Nach einer Um-

Nullerjahren experimentieren auch Tageszei-

verbands Digitalpublisher frage des Bundes­

tungen mit dem neuen Format, darunter auch

und Zeitungsverleger (BDZV) und der Unter­

kleinere. So betreibt das Göttinger Tageblatt

nehmensberatung Schickler haben bis An-

Zwei Drittel der

(damalige Auflage: 44.000) im Jahr 2008 fünf

fang 2020 fast zwei Drittel (63 Prozent) aller

Zeitungsverlage

Podcasts, unter anderem einen Mundart-PC auf

deutschen Tages- und Wochenzeitungsverlage

mit Podcasts

Plattdeutsch und einen „Laber-PC“, bei dem

regelmäßig erscheinende Podcasts in ihr Pro-

zwei Redakteure* kochen und „ablästern“. Da-

duktportfolio aufgenommen (BDZV/Schickler

mit sollen Themen umgesetzt werden, die sich

2020: 26). Der hohe Wert verwundert nicht:

nicht über die Zeitung transportieren lassen,

Für Zeitungsverlage ist es naheliegend, sich

erklärt die damals für das Projekt zuständige

an diesem neuen Medienkanal auszuprobie-

Volontärin. Die PC erhalten rund 1.000 Abrufe

ren. Denn der Tiefgang und die Ausführlichkeit,

pro Tag (o. V. 2008: 10). Heute schreibt zwar das

die dem PC inhärent sind, korrespondieren

80


Private Verlagshäuser

mit dem Selbstverständnis vieler Tages- und

bis 2024 um durchschnittlich 4 Prozent pro Jahr

Wochenzeitungen. Podcasts bilden für sie die

(Price Waterhouse Coopers 2020b: 51).

Möglichkeit, über einen eigenständigen Kanal

Die Tageszeitungen haben vor allem mit

mit neuen journalistischen Formaten zu arbei-

Schwund bei jüngeren Mediennutzern* zwi-

ten, insbesondere Audio-Interviews und länge-

schen 14 und 29 Jahren zu kämpfen, aber auch

re Dialogformate (vgl. Kapitel 2.2).

bei der „30er-Kohorte“ (vgl. Kapitel 8.1). Dabei

Nicht zuletzt jedoch lässt sich das große

geht es schon lange nicht mehr um die Printaus-

Heilmittel gegen

Inte­resse auf ökonomische Zwänge zurückfüh-

gaben, sondern auch um die digitalen Versionen

die Strukturkrise?

ren. Seit ca. 2002 herrscht eine Medienstruk-

der Medientitel. So muss das strategische Ziel

turkrise, die gerade die Tageszeitungen schwer

der Tageszeitungen darin bestehen, neue Nut-

mitgenommen hat. Mit dem Aufkommen des

zer* – dabei vor allem jüngere – dauerhaft für

Internets werden Anzeigen nicht mehr aus-

sich zu gewinnen, so dass diese in bestenfalls

schließlich, ja immer weniger in rein journa-

täglicher Regelmäßigkeit Angebote der jeweili-

listischen Medien geschaltet. Und die Medien­

gen Zeitung wahrnehmen. Idealerweise kosten-

explosion hat zu einer überbordenden Vielfalt

pflichtige, die sich hinter einer Bezahlschranke

publizistischer Produkte geführt, in der sich die

(„Paywall“) befinden. Deshalb seien die neuen

etablierten Medienhäuser in einem deutlich

Audio-Angebote auch als „große Chance“ zur

verschärften Wettbewerb um die Aufmerksam-

Verbreitung redaktioneller Inhalte wie vor allem

keit der Nutzer* behaupten müssen. Mitte 2020

regionaler und lokaler Themen zu sehen, sagt

konstatiert der Zeitungswissenschaftler Horst

Holger Kansky, Leiter Digital beim BDZV. Kans-

Verlegerverband

Röper (2020: 333) in einer Branchenanalyse des

kys Worte klingen fast schon mahnend, wenn er

rät zu

ersten Quartals: „Die wirtschaftliche Lage vie-

betont, die Verlagshäuser seien „gut beraten,

Audio-Strategie

ler Marktteilnehmer ist nach wie vor schwierig.

einen Plan zu entwickeln, wie sie ihren Con­tent

Rückläufige Werbeumsätze und anhaltende Auf-

audiofähig machen und neue Hörerkreise er-

lagenverluste prägen das alltägliche Geschäft

schließen“ (Anfrage Kansky 2020).

[…].“ Dieser Satz hat dabei Gültigkeit für die

Podcasts kommen dabei vor allem zwei

meisten der vergangenen zwanzig Jahre. 2019

Funktionen zu. Zum einen können sie als neu-

erzielten die deutschen Tageszeitungen einen

es Format fungieren, dessen Inhalte nur ab-

Podcasts als

Gesamtumsatz von 7,5 Milliarden Euro, ein Rück-

gerufen werden können, wenn man zuvor ein

Bestandteil

gang von 1,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Digital-Abo abgeschlossen hat. Diese Variante

von Digital-Abos

2001 hatten sich die Erlöse noch auf 9,4 Milliar-

ist bisher allerdings noch nicht sehr verbreitet.

den Euro summiert (Röper 2020: 334). Die Be-

Offenbar weil das Publikum die PC noch nicht

ratungsgesellschaft Price Waterhouse Coopers

als „wertig“ oder „exklusiv“ genug betrachtet,

schätzt, dass sich auch nach dem Pandemie-­

um dafür zu bezahlen. Aber auch, weil die Me-

bedingten Einbruch 2020 die Umsatzrückgänge

dienhäuser Plattformen wie Spotify und Apple

in der Branche fortsetzen werden – und zwar

Podcasts mit ihren PC bestücken, um Reich-

81


Den richtigen Ton treffen

weite zu erzielen und damit hoffentlich neues

generieren“ und ein eigenständiges Angebot

Publikum ansprechen. Auf den Audiostrea­

aufzubauen, das aus Idealsicht der Verlage

ming-Plattformen können die Nutzer* – von

mittelfristig nur noch hinter einer Paywall an-

wenigen Ausnahmen wie der Plattform Audible

zusteuern ist. Bis auf Weiteres sind die meisten

abgesehen – diese PC jedoch (um den Preis von

PC aber noch kostenlos zugänglich.

Werbung) kostenlos abrufen. Deshalb dient die

Die Ergebnisse der Umfrage von BDZV/

erdrückende Mehrheit der PC den Tages- und

Schickler (2020) decken sich weitgehend mit

Umfrage

Wochenzeitungen bisher als kostenloses, frei

einer qualitativen Umfrage, die die Autoren*

bei mehr als

zugängliches Marketing-Instrument, um vor al-

dieser Studie zwischen Mitte November 2020

50 Tageszeitungen

lem ein jüngeres Publikum für das vermeintlich

und Mitte Januar 2021 bei überregionalen so-

veraltete Produkt Tageszeitung überhaupt erst

wie regionalen Tages- und Wochenzeitungen

einmal zu interessieren: Abbildung 21 zeigt,

durchgeführt haben. Hier wurden allerdings

dass vier Fünftel derjenigen Verlagshäuser,

keine Multiple-Choice-Fragebögen verschickt,

die Podcasts betreiben, diese vor allem zur

sondern offene Fragen gestellt, was die Mög-

„Erschließung neuer Zielgruppen“ einsetzen.

lichkeit einer ergänzenden qualitativen Aus-

Zu diesem Ansatz gehört sicher auch, wie von

wertung eröffnet. Insgesamt 53 Mediengruppen

den Befragten angegeben , „Mehrwerte zu

und Einzeltitel wurden per E-Mail angeschrie-

15

Abbildung 21

Ziele von Zeitungsverlagen beim Aufbau von Podcasts (2020, in Prozent) 80 %

80

Prozent

60

54 %

58 %

59 %

Aufbau eines eigenständigen Angebots

Leser*bindung

63 %

40 20 0 Mehrwerte generieren

Inspiration für neue Produkte

Erschließung neuer Zielgruppen

Quelle: BDZV/Schickler (2020: 26). Mehrfachnennungen möglich. Eigene Darstellung.

15 An der Umfrage haben 132 Entscheider* (Geschäftsführer*, Verleger*, Chefredakteure* etc.) von deutschen Tagesund Wochenzeitungen teilgenommen, die 58 Prozent der Auflage aller Tageszeitungen in Deutschland abdecken (BDZV/Schickler 2020: 2).

82


Private Verlagshäuser

ben: 18 haben – in der Regel ausführlich – ge-

Fall als regelmäßig zahlende Abonnenten.

antwortet. Darunter befinden sich die meisten

Zuerst ist also der Podcast selbst das Mit-

der führenden Verlagshäuser wie die Süddeut-

tel zum Zweck, nämlich potentielle Kunden

sche Zeitung (vgl. Fallbeispiel), die Frankfurter

zu erreichen. Nach der Kundengewinnung

Allgemeine Zeitung, die Axel Springer SE (Die

geht es uns um die Kundenbindung. Heißt:

Welt, Welt am Sonntag, Bild) und die auf Re-

Aus regelmäßig an unseren Themen interes-

gionaltitel spezialisierte Funke Mediengruppe

sierten Nutzern Kunden zu machen – auch

(WAZ, Braunschweiger Zeitung etc.). Drei der

mittels Eigenwerbung mit entsprechenden

18 Medientitel haben auf die Anfrage reagiert,

Hinweisen auf unser Digital-Abo.“

wollten aber keine Auskunft geben, unter anderem weil „es noch zu früh sei, um unsere Erfah-

Die qualitative Umfrage hat ergeben, dass nur

16

rungsschätze mit der Öffentlichkeit zu teilen“.

wenige Verlagshäuser ganz bewusst PC dafür

In der Tat lässt sich festhalten, dass sich

einsetzen, um ihr Markenimage aufzupolie-

das „Projekt Podcasting“ bei Tageszeitungen

ren. Eine der wenigen Ausnahmen bildet die

Weitgehend

noch weitgehend „im Experimentierstadium“

relativ kleine, aber bundesweit erscheinende

im Experimentier-

befindet, wie es ein verantwortlicher Redakteur

Wochenzeitung Der Freitag (Auflage Anfang

stadium

formulierte. Knapp zwei Drittel der von BDZV/

2021: 25.000). „Durch die Podcasts sollen die

Schickler (2020) Befragten gaben ganz in die-

Redaktionsmitglieder des Freitag in der Wahr-

sem Geiste an, dass sie Podcasts als „Inspira-

nehmung präsenter werden und der Freitag als

tion für neue Produkte“ betrachteten. Torsten

Marke fassbarer“, heißt es bei der Wochenzei-

Maier, stellvertretender Chefredakteur der

tung, deren öffentliches Image stark von He-

Aschaffenburger Regionalzeitung Main-Echo,

rausgeber und Chefredakteur Jakob Augstein

bringt auf den Punkt, wie der Podcast-Prozess

geprägt wird. PC werden teilweise auch für

gestaltet werden sollte. Nach Maier gelingt es

andere Markenziele eingesetzt. So werden

fast nur noch über digitale Kanäle, ein jünge-

im Live-PC der Augsburger Allgemeinen hoch-

res Publikum zu erreichen. Die Zielgruppe sol-

rangige Politiker* wie Bundeskanzlerin Merkel,

le das Unternehmen nicht mehr nur als in die

Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer

Jahre gekommenen Printverlag, sondern als

oder der bayerische Ministerpräsident Söder

modernes, digitales Medienhaus begreifen.

interviewt. Vorrangiges Ziel ist es hierbei, bun-

Und weiter:

desweite Aufmerksamkeit und Geltung für die Regionalzeitung zu erzeugen, mithin die Augs-

„Langfristig hoffen wir, die Zielgruppe an un-

burger Allgemeine ähnlich als Marke mit über-

Das Markenimage

ser Haus binden zu können – im optimalen

regionaler Strahlkraft zu etablieren.

verbessern

16 In Anhang B befindet sich die Liste der Medienhäuser, die geantwortet haben. Im Weiteren wird deshalb darauf verzichtet, für Zitate aus den Antworten einzelne Belege im Text sowie im Literaturverzeichnis aufzuführen. Sofern keine andere Quelle angegeben, stammen die Zitate somit stets aus den jeweiligen Antworten der Medienhäuser.

83


Den richtigen Ton treffen

Meist sind die Podcasts „eingebettet in

Abschluss kostenpflichtiger Abos wirbt. „Stän-

eine umfassende Digitalisierungsstrategie, die

dig schreiben uns Neuabonnenten, dass sie ei-

derzeit umgesetzt wird“, wie es etwa bei der

gentlich über die Podcasts zu uns gekommen

Börsenzeitung heißt. Bei den meisten Medien-

sind“, gibt Zeit Online-Chef Jochen Wegner im

häusern bedeutet Digitalstrategie nicht mehr

Frühjahr 2020 gegenüber der Medienfachzeit-

wie vor einigen Jahren noch der verstärkte Ein-

schrift Kress Pro zu Protokoll (Wegner 2020).

satz von Videos, mobilen Apps und sozialen

Genaue Zahlen gibt Wegner jedoch nicht be-

Medien. Oft ist sie mittlerweile ein anderes

kannt, genauso wenig wie das Hamburger

Wort für „Konversion“ geworden, also für ge-

Abendblatt, das ebenfalls als führend unter

Nutzer*

zielte Maßnahmen, um regelmäßige Nutzer*

den deutschen Zeitungspodcast-Produzenten

als zahlende

der kostenlosen Online-Angebote zu zahlen-

gilt (Faust 2020).

Abonnenten*

den Digital-Abonnenten* zu machen (vgl. Ab-

Die Umfrage der Studienautoren* zeigt

bildung 22). Umso bemerkenswerter ist, dass

zudem, dass die Medienhäuser mit Hilfe von

unter den untersuchten Medienhäusern bisher

Podcasts vor allem jüngere Nutzer* gewinnen

nur eine kleine Minderheit in ihren Podcasts

wollen. Dabei wird teilweise noch weiter aus-

oder deren Umfeld wie den Shownotes für den

differenziert. Die FAZ will vor allem Menschen

17

Abbildung 22

Der „Podcast-Prozess“ bei klassischen Medienhäusern

Kunden*gewinnung

Kunden*bindung

Verkauf Digitalabos

Markenpflege

Quelle: Eigene Darstellung.

17 Als federführend gilt hier unter anderem die Rheinische Post. Die Düsseldorfer Verlagsgruppe hat schon sehr früh damit begonnen, ein umfangreiches Internet-Angebot aufzubauen. Seit 2020 forciert die Rheinische Post den Vertrieb kostenpflichtiger Digitalabos. Offensichtlich mit Erfolg, denn der Anteil der verkauften Digitalausgabe der Zeitung macht inzwischen rund 13 Prozent der Gesamtauflage aus (Röper 2020: 348).

84


Private Verlagshäuser

„mit hohem Bildungsabschluss“ ansprechen,

stärker politische Format Sprechstunde als Ver-

bei der Börsenzeitung soll die Marke – neben

tiefung und Ergänzung der Printinhalte. In den

Entscheidern* der mittleren und oberen Füh-

diversen Printprodukten der Mediengruppe

rungsebene – „auch im Bewusstsein der Nach-

werden die Podcasts mit Anzeigen beworben.

wuchskräfte im Finanzbereich, etwa Millenials,

Die Podcasts sind kostenfrei zugänglich auf

verankert werden“. Und die Rheinische Post hat

dem Verlags-Newsportal Idowa. Sie sollen für

festgestellt: „Wir erreichen mit den Podcasts

zusätzlichen Traffic auf diesem Portal sorgen,

häufig Frauen im Alter zwischen 25 und 34 –

vor allem von jüngeren Mediennutzern*.

eine Gruppe, die wir mit den weiteren Ange-

Einige der untersuchten Medienhäuser sind

boten unserer Häuser sonst eher selten errei-

auf dem Feld der Podcasts besonders aktiv.

chen.“ Die Rheinische Post koppelt zudem ihre

Die auf Regionalzeitungen spezialisierte Fun-

PC mit ihrem Instagram-Auftritt. Der Bremer

ke Mediengruppe, zu welcher auch das Ham-

Funke Medien-

Weser-Kurier hat sein PC-Format Wer macht so

burger Abendblatt gehört, hat eine regelrechte

gruppe startet

was?, bei dem junge Reporter* junge Bremer*

Podcast-Offensive gestartet und zählt mehr als

Podcast-Offensive

interviewen, aus einer Befragungsrunde seiner

50 Podcasts in ihrem Portfolio. Strategisches

Social-Media-Abonnenten* he­raus gestaltet.

Ziel ist es, alle Inhalte (inklusive vorgelesener

Es geht aber freilich nicht nur darum, völ-

Artikel) auf einer zentralen Audio-Plattform zu

lig neue Zielgruppen zu erschließen und dau-

bündeln und noch 2021 „mindestens eine Au-

erhaft an das Medium zu binden. Fast noch

dio App zu launchen“. Ähnliche Pläne gibt es

wichtiger ist es den Verlagen, bestehende

auch bei der Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Nutzer* und Kunden* bei der Stange zu hal-

Sie hat nach eigenen Angaben den „Ausbau

ten. So ist die Frankfurter Allgemeine Zei-

der Podcast-Palette […] aufgrund des großen

tung dabei, insgesamt ihr Audio-Angebot zu

Zuspruchs auf die ersten Angebote vorange-

erweitern und geschriebene Artikel mit Hilfe

trieben“, so dass sie mittlerweile elf PC im An-

von Text-to-Speech-Technologien zu vertonen.

gebot führt. Dabei haben die PC der FAZ 2020

Podcasts ins

Damit sollen beispielsweise auch Autofahrer*

über eine Million Downloads erzielt, eine Ver-

Auto bringen

besser erreicht werden. Ähnliche Vorhaben

doppelung gegenüber dem Vorjahr. Die The-

verfolgt offenbar der Axel-Springer-Konzern,

men decken ein breites Spektrum ab, so gibt

der seine Podcasts verstärkt in fahrende Au-

es seit 2020 beispielsweise den täglichen FAZ

tos bringen will. Die Neue Osnabrücker Zeitung

Podcast für Deutschland, der schon wiederholt

hat sogar alle ihre rund 50 Redakteure* eine

in die Top-50-Charts der Apple Podcasts vor-

Sprecher*ausbildung durchlaufen lassen, da-

gedrungen ist und jeweils ein aktuelles Thema

mit die Autoren* ihre Texte persönlich verlesen

in den Fokus stellt. Die dritte große überregio-

können (Dodel 2020: 4-5). Die Redaktion „Frei­

nale Qualitätszeitung, die Welt, hat zwar kei-

stunde“ des Straubinger Tagblatt gestaltet die

nen tagesaktuellen Podcast, Welt-Eigentümer

Podcast-Serie Wie tickt mein Kopf? sowie das

Axel Springer SE hält jedoch gut ein Drittel an

85


Den richtigen Ton treffen

dem Unternehmen Media Pioneer, dessen Chef

tieren die beiden Chefredakteure der Zeitung

Gabor Steingart den sehr reichweitenstarken

vor allem bundespolitische Entwicklungen.

tagesaktuellen PC Steingarts Morning Briefing

Und mit Akte Südwest betreibt die Zeitung ein

sowie noch einige weitere Podcasts betreibt.

True-Crime-Format, das sich mit Kriminalfäl-

Insgesamt hat die Welt selbst sieben Podcasts

len aus Baden-Württemberg beschäftigt. Der

im Portfolio, mit einem Schwerpunkt auf dem

Wahl-Check Süd-West wurde schließlich für

Themenfeld Wirtschaft und Finanzen. Die eben-

die Landtagswahlen in Baden-Württemberg

falls zu Springer gehörende Bild-Zeitung bringt

Anfang 2021 aus der Taufe gehoben und da-

einmal täglich ein kurzes News Update. Als Ein-

nach auch wieder eingestellt. „Unsere Daten

zeltitel dürfte jedoch die Zeit mit zwölf laufen-

zeigen, dass über 50 Prozent der Hörer im Alter

den PC im ihrem Portfolio (Stand: Mai 2021) die

zwischen 18 und 34 Jahren sind“, sagt der ver-

Zeitung mit den meisten PC darstellen.

antwortliche Redakteur.

Abbildung 23 zeigt anteilig, wie viele Tages-

Mit 34 Prozent betreibt ein weiteres Drit-

oder Wochenzeitungen einen oder mehrere

tel bisher nur ein bis zwei Podcasts (BDZV/

Pod­casts produzieren. Fast ein Drittel hat mehr

Schickler 2020: 25). Der Schwerpunkt liegt hier

als drei Podcasts im Angebot – davon rund acht

eindeutig auf regionalen und lokalen Themen,

Prozent mehr als sechs und jede fünfte Zeitung

die jedoch nicht immer einen gesellschaftspoli­

Typisches Beispiel:

(20 Prozent) drei bis fünf Podcasts. Einen ty-

tischen Inhalt haben. Die niedrige Anzahl von

Die Südwestpresse

pischen Vertreter dieser letzteren Kategorie

Podcasts der Mehrheit der Tageszeitungen mag

aus Ulm

stellt die Südwestpresse aus Ulm dar: In ihrem

zum einen mit der Verlagsgröße zusammenhän-

Podcast Donauwelle dominieren Themen mit

gen, zum anderen aber auch damit, dass ver-

regionalem Fokus, in Die Leitung steht disku-

schiedene Medienhäuser eine gewisse Zurück-

Abbildung 23

Anzahl der betriebenen Podcasts bei Tages- und Wochenzeitungen (in Prozent) ≥ 6 Podcasts

8,19 % 3 bis 5 Podcasts

keine Podcasts

37 %

20,79 %

34,02 % 1 bis 2 Podcasts

Quelle: Eigene Darstellung nach BDZV/Schickler (2020: 26).

86


Private Verlagshäuser

haltung an den Tag legen und Podcasts deshalb

ger werden. Dazu gibt es erste Fingerübungen.

nicht im Mittelpunkt stehen. Ein Beispiel ist der

So hat das Unternehmen OMS, ein Vermark-

Hamburger Verlag Bauer Media Group (Bravo,

ter von Digitalangeboten regionaler Verlage,

Das Neue Blatt), dem mit der Magdeburger

zusammen mit Deutschlands größter Nach-

Volksstimme und der Mitteldeutschen Zeitung

richtenagentur, der dpa, einen sogenannten

Experimente mit

zwei Tageszeitungen gehören. Beide betreiben

White-Label-­Podcast entwickelt. White-­Label-

White-Label-

mit Sachsen-Anhalt von links nach rechts nur

Podcasts stellen eine Art Podcast-„Grund­

Podcasts

einen gemeinsamen PC. „Insgesamt stehen

gerüst“ zur Verfügung, welches mit wenig hand-

derzeit aber eher andere Produktkategorien im

werklichem Aufwand mit eigenen Inhalten an-

Fokus“, heißt es bei der Bauer Media Group.

gereichert oder um weitere „gelieferte“ Inhalte

Ähnlich sollte das Verhalten der fast 37 Pro-

ergänzt werden kann. Konkret besteht dieser

zent der deutschen Tages- und Wochenzeitun-

Podcast-Rohling aus einem ca. zehnminütigen

gen, die gar keine Podcasts betreiben, nicht

Magazin mit einer dpa-Moderatorin und Kor-

nur als rein abwartende Haltung interpretiert

respondenten*, die aus Deutschland und der

werden. Die Passivität spiegelt durchaus eine

cast kann Welt berichten. Der jeweilige Pod­

gewisse Skepsis wider. Eine solche kommt bei-

aber auch um Kurzmeldungen aus der Region

spielsweise beim Nordkurier zum Ausdruck,

ergänzt werden, die eine Text-to-Speech-­Engine

der mit einer Auflage von 60.000 verkauften

„einspricht“. Es handelt sich um einen auto-

Exemplaren im Großraum Neubrandenburg er-

matisierten Prozess, den der Vermarkter OMS

scheint. Gabriel Kords, stellvertretender Chef-

anbietet, um über ebenfalls automatisierte

redakteur, kann das betriebswirtschaftliche

Prozesse Werbung in die Pod­casts einfügen

Potential von Podcasts nicht erkennen: „Mit

zu können (o. V. 2021). Einer von drei Verlagen,

kostenlosen, aufwendig produzierten Angebo-

die den OMS/dpa-Podcast eingeführt haben,

ten im Internet zur Steigerung unserer Wahr-

ist die Mainzer VRM Mediengruppe, deren Pu-

nehmbarkeit haben wir in den vergangenen

blikationen (Allgemeine Zeitung, Wiesbadener

Jahren größtenteils negative Erfahrungen ge-

Kurier, Darmstädter Echo etc.) vornehmlich

macht, weil sie viel Geld gekostet haben, aber

im südlichen und südwestlichen Rhein-Main-­

Hier geht’s zu

keine messebaren Erfolge in digitaler Moneta-

Gebiet erscheinen. So sind in den PC Gude,

Gude, Südhessen!

risierung nach sich gezogen haben.“ Kords will

Südhessen! und Gude, Mittelhessen! den über-

aber nicht ausschließen, dass seine Zeitung in

regionalen Anteilen des OMS/dpa-Podcasts

Zukunft doch noch mit PC-Angeboten startet.

automatisierte Nachrichten aus Süd- bzw. Mit-

Noch viel Skepsis

Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn

telhessen nach- bzw. vorgeschaltet.18 Zu den

die Kosten und der personelle Aufwand für die

weiteren Pionieren zählen die Aachener Zeitung

… und Gude,

Eigenproduktion von Podcasts spürbar gerin-

und die Nordwest-Zeitung aus Oldenburg.

Mittelhessen!

18 Die PC ergänzen allerdings nur das umfassende Podcast-Angebot der VRM-Gruppe. Neben Sport und True Crime stehen hier lokale, teils hyperlokale Formate im Vordergrund, oft mit einem lokalpolitisch-diskursiven Einschlag, etwa bei der vierzehntäglichen Babbelbox.

87


Den richtigen Ton treffen

Zeitung. „Wenn zudem unsere Autoren* von

ihren Recherchen erzählen, schaffen sie

Fallbeispiel: Die Süddeutsche Zeitung

Als Mitte Januar 2021 Armin Laschet zum

und im Folgenden: Interview Leitgeb 2021)

neuen CDU-Vorsitzenden gewählt wird, gibt

Ziel und Anspruch des Formats sei es, das

schon wenig später ein Berlin-Korrespon-

wichtigste Thema des Tages in den größe-

dent der Süddeutschen Zeitung (SZ) erste

ren gesellschaftlichen und politischen Kon-

Einschätzungen über die politischen Folgen

text einzuordnen, aber auch sehr komplexe

dieser Wahl. Nicht etwa in einem Kommen-

Themen grundsätzlich zu erklären. AdP ist

tar der Online-Ausgabe, sondern in einem

folglich kein klassisches Nachrichtenmaga-

Hier geht’s zu

Podcast – im Gespräch mit einem Modera-

zin, das ein sehr breites Spektrum wichtiger

Auf den Punkt

tor*. Auf den Punkt (AdP) heißt der täg­liche

News bündelt. Vielmehr gehen die Macher*

Nachrichten-Podcast der SZ, in dem die

davon aus, dass die meisten Nutzer* die

Laschet-Wahl analysiert wird. Er rangiert

wichtigsten Nachrichten des Tages bereits

unter den Top-50-Podcasts der deutschen

über andere Kanäle erfahren haben. Hier

Spotify-Charts.

werden nun eines besonders stark vertieft

Das Format beginnt stets mit einem kurzen

sowie zwei bis drei andere Schlaglichter er-

musikalisch unterlegten Intro, der Host*

wähnt.

auch Vertrauen bei unseren Hörern*.“ (hier

mode­riert das Thema des Tages an, manch-

Während AdP zehn bis zwölf Minuten lang

mal wird dazu auch ein aktueller O-Ton

und Mitte 2018 gestartet ist, dauert Das

eingespielt. Dann folgt ein rund zehnminü-

Thema meist eine gute halbe bis zu einer

Redakteure*

tiges Gespräch – in der Regel mit einem Re-

knappen Stunde und markierte bereits im

aus dem Haus

dakteur* oder Korrespondenten* aus dem

Herbst 2017 den Beginn der zweiten Pod-

hinter dem Mikro

Verlag. Der Moderator* trägt zwei bis drei

cast-Offensive der Süddeutschen Zeitung.

aktuelle Meldungen vor und beschließt die

Alle zwei Wochen wird dort ein aktuelles

Episode mit einigen Hinweisen auf Texte

kontroverses Thema ausführlich disku-

aus dem SZ-Online-Angebot, manche davon

tiert – meist mit Redakteuren* der SZ.

kostenpflichtig, andere nicht. Dabei zieht

Außer­dem im Portfolio: Der 14-tägige Hin-

die SZ-Audio­redaktion bisher eher selten

tergrund-PC Und nun zum Sport, Plan W –

Historiker*, Politikwissenschaftler*, Virolo-

Der Wirtschafts-Podcast, der sich vor allem

gen* oder andere Spezialisten* von außen

an Frauen wendet, sowie Querfragen der Ju-

zu Rate, sondern verlässt sich vornehmlich

gendredaktion jetzt. Zwei Podcast-­Staffeln

auf die Expertise ihrer Fachredakteure* aus

des SZ-Magazin sowie Milbergs literarischer

dem eigenen Haus. „Es ist uns extrem wich-

Balkon sind ausgelaufen. So betreibt die SZ

Mit fünf Podcasts

tig, dieses eigene Wissen unserem Publi-

derzeit fünf Podcasts – nicht wenig, aber

am Start

kum zu vermitteln“, sagt Vinzent-­Vitus Leit-

eben auch nicht sehr viel für die auflagen-

geb, Teamleiter Audio bei der Süddeutschen

stärkste Qualitätszeitung Deutschlands.

88


Private Verlagshäuser

Dies passt allerdings gut zur genauso effi-

tiert seinen Werbepartnern jedoch mindes-

Effiziente

zienten wie effektiven Vorgehensweise der

tens 20.000 Abrufe pro Folge, die laut SZ

Produktion

SZ bei der Podcast-Produktion: Sie erfolgt

häufig weit übertroffen werden (Schneider

mit Bordmitteln

zum großen Teil mit Bordmitteln. Im Zuge

2021).

der ersten Podcast-Welle hat sich die Süd-

„Die Podcasts sind ein wichtiger Teil der

deutsche 2007 ein kleines Hörfunk-Studio

Strategie unseres Hauses, die SZ noch

eingerichtet, das in den vergangenen Jah-

digi­taler zu machen“, sagt Leitgeb. „Mit

ren mit neuer, digitaler Technik aufgepeppt

dem neuen Medium Podcast erschließen

worden ist. „Wir sind ein junges Team“, sagt

wir neue Zielgruppen und bieten zugleich

Teamleiter Leitgeb. Die Crew besteht im

unseren Abonnenten* einen zusätzlichen

Kern aus vier jüngeren Redakteuren*, zwei

Service.“ Rund drei Viertel der Hörer*schaft

Junges, urbanes

Producern* sowie Werkstudierenden. Theo­

seien zwischen 18 und 35 Jahre jung, ha-

Publikum

retisch arbeiten auch alle Redakteure* aus

ben Tracking-Analysen der Süddeutschen

dem Haus mit, wenn sie zu einem Thema aus

Zeitung ergeben. Das Verhältnis zwischen

ihrem Spezialgebiet Auskunft geben sollen.

Männern und Frauen sei weitgehend aus-

Sie können dafür ein Sprecher*training ab-

geglichen. Es habe sich aber auch gezeigt,

solvieren, müssen aber nicht. Mit der Unter­

dass viele Nutzer* nicht nur aus München,

stützung eines externen Podcast-Labels

sondern auch anderen deutschen Groß-

wird lediglich Plan W produziert.

städten stammten. Und: Bei vielen handele

Die SZ versteht Auf den Punkt und ihre an-

es sich um regelmäßige Hörer*, vor allem

deren Podcasts dabei als eigenständige

bei Auf den Punkt. Was wiederum nicht ver-

publizistische Angebote und betrachtet sie

wundert, denn die große Mehrheit habe die

weniger, wie dies bei anderen Medien oft

SZ-Podcasts über Apple Podcasts, Spotify

der Fall ist, als Marketing-Instrument, um

und andere Plattformen abonniert. Die Pod­

bei neuen Zielgruppen auf sich aufmerksam

cast-Website der SZ spiele nur dann eine

zu machen und so im Idealfall neue Kunden*

bedeutende Rolle, sagt Leitgeb, wenn neue

zu gewinnen. Aus diesem Grund wird in den

Formate lanciert würden und Nutzer* die

Podcasts keine gezielte Eigenwerbung,

Podcasts testen wollten.

etwa für das kostenpflichtige Digital-­Abo

Einen Sonderfall stellen diejenigen Pod­

„SZ Plus“, betrieben. Zur Finanzierung der

casts dar, die die SZ für die ProSieben-

mit FYEO

auf der SZ-Webseite kostenlos abrufbaren

Sat.1-Plattform FYEO entwickelt und produ-

und Spotify

Podcasts trägt die Werbung von Dritten bei:

ziert hat. Hier muss der Nutzer* ein FYEO-

Seit 2019 werden alle Formate regelmäßig

Abo abschließen oder SZ-Abonnent* sein

mit vorproduzierten Werbespots bespielt

(diesen werden die Produktionen etwas

(von den Moderatoren* eingesprochene

später zur Verfügung gestellt) – die Pod-

Werbung, sogenannte Host Reads, prakti-

casts sind im Gegensatz zu den anderen PC

ziert die SZ jedoch nicht). Der Verlag garan-

der SZ also kostenpflichtig. Bislang hat die

Kooperation

89


Den richtigen Ton treffen

Süddeutsche drei Doku-Features für FYEO

Minus von fast 4 Prozent gegenüber dem Vor-

beigesteuert. Diese Podcasts basieren auf

jahr. Bedingt durch die Corona-Pandemie gab

vorangegangenen ausgiebigen Recherchen

es 2020 vor allem einen dramatischen Einbruch

der Süddeutschen Zeitung und für alle drei

bei den Werbeerlösen.20 Nach Schätzungen

hat FYEO der SZ eine fixe Vergütung bezahlt,

des Beratungs­unternehmens Price Water­house

die SZ fungiert hier also als Lieferantin von

Coopers werden sich die Umsätze ab 2021 aber

Inhalten. Ob und wie sich die Kooperation

nicht wieder erholen, sondern weiter abschmel-

zwischen SZ und ProSiebenSat.1 nach Ab-

zen – bis 2024 um jährlich rund 5 Prozent. Da-

Zeitschriften-

schaltung von FYEO als eigenständiger App

mit schrumpfen die Erlöse noch stärker als bei

Markt schrumpft

fortsetzt wird sich zeigen müssen. Seit März

den Tages- und Wochenzeitungen.

2021 arbeitet die Süddeutsche Zeitung auch

Insgesamt betrachtet ist der deutsche Zeit-

enger mit Spotify zusammen und produziert

schriftenmarkt thematisch extrem breit gefä-

unter dem Dach des Streamingdienstes

chert. Anfang 2020 gab es 1.569 verschiedene

drei „Originals“ mit gesellschaftspolitisch-­

Zeitschriften, die meisten davon waren jedoch

historischem Einschlag (Krei 2021).

Programm- und eher boulevardesk gestaltete

Frauenzeitschriften. Und auch die dahinter rangierenden Wohn- und Gartenzeitschriften sowie die Autozeitschriften dürften wenig zur

7.2 Am Hadern? Politik- und Wirtschaftsmagazine

politischen Meinungsbildung beitragen bzw. zu den (gesellschafts)politisch informierenden

Auch die Verleger* von Zeitschriften und Ma-

Zeitschriften gehören, welche hier im Fokus

gazinen haben schon bessere Zeiten gesehen.

stehen sollen. Mit rund 230 Titeln machten die

Politik-

Zwar sind hier die Auswirkungen der Digitali-

sehr breit definierten „Aktuellen Zeitschriften

Zeitschriften

sierung bisher nicht ganz so dramatisch wie bei

und Magazine“ sowie die „Wirtschafts­presse“

klein, aber wichtig

den Tageszeitungen, aber auch die deutsche

zusammen nur knapp 14 Prozent aller Titel

Zeitschriftenbranche bekommt die Auswirkun-

aus (Verband Deutscher Zeitschriftenverleger

gen des Medienwandels deutlich zu spüren. Im-

2020). Der Markt der Politikmagazine wird

mer noch fast 90 Prozent ihrer Erlöse erzielt die

eindeutig vom Spiegel dominiert, gefolgt vom

Branche mit Print-Erzeugnissen.

2019 sum-

Focus. Unter den Wirtschaftsmagazinen ist die

mierten sich beim reinen Zeitschriften-­Geschäft

Konkurrenz etwas größer mit der Wirtschafts-

die Umsätze mit Publikumszeitschriften (ohne

woche, dem Manager Magazin, Capital sowie

Fachzeitschriften) auf 3,1 Milliarden Euro – ein

anderen ähnlich starken Titeln.

19

19 Diese sowie alle weiteren hier genannten Kennzahlen stammen aus Price Waterhouse Coopers (2020b: 45-52). 20 Nach Angaben des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) brachen die Umsätze 2020 um fast sieben Prozent ein. Dieser Wert bezieht sich allerdings nicht direkt auf die Umsätze mit Zeitschriften, sondern auf die Erlöse, die die Verlagshäuser, die VDZ-Mitglied sind, insgesamt erwirtschaftet haben. Diese berücksichtigen auch Stellen-­ Plattformen, Vergleichsportale, Messen, Bildungsangebote etc. All dies zusammengerechnet summieren sich die Gesamtumsätze der VDZ-Mitgliedsunternehmen 2020 auf 18,8 Milliarden Euro, sind also um ein Vielfaches höher als die reinen Zeitschriftenumsätze (Verband Deutscher Zeitschriftenverleger 2020: 23-24).

90


Private Verlagshäuser

Mit Hilfe einer Stichprobe (Durchführung

Gesellschaft und Wirtschaft bereits Podcasts

Februar 2021) 20 namhafter und zumeist auf-

einsetzen. Berücksichtigt wurden dabei vor

lagenstarker Magazine haben die Autoren* der

allem klassische Printtitel, aber auch einige

vorliegenden Studie überprüft, inwieweit deut-

reine Online-Magazine wie Edition F und The

sche Zeitschriften aus den Bereichen Politik,

European.

Tabelle 4 Die Podcast-Aktivitäten ausgewählter Gesellschafts-, Politik- und Wirtschaftszeitschriften (Stand: Februar 2021) Anzahl Podcasts

davon laufend

davon eingestellt

General Interest/Politik

12

6

6

Focus

General Interest/Politik

2

0

2

3

Cicero

General Interest/Politik

0

0

0

4

Tichys Einblick

General Interest/Politik

1

0

1

5

The European

General Interest/Politik

0

0

0

6

Blätter für deutsche und internationale Politik

Politik

1

1

0

7

Stern

Gesellschaft

16

8

8

8

Dummy

Gesellschaft

1

1

0

9

Edition F

Gesellschaft/Frauen

5

1

4

10

Publik-Forum

Gesellschaft/Religion

1

0

1

11

Focus Money

Wirtschaft

1

1

0

12

Harvard Business Manager

Wirtschaft

1

1

0

13

Courage: Geld – Karriere – Lebenslust

Wirtschaft

0

0

0

14

Euro/Euro am Sonntag

Wirtschaft

0

0

0

15

Manager Magazin

Wirtschaft

1

1

0

16

Business Punk

Wirtschaft

2

2

0

17

Capital

Wirtschaft

3

3

0

18

Wirtschaftswoche

Wirtschaft

4

2

2

19

Brand eins

Wirtschaft

3

1

2

20

Enorm

Nachhaltigkeit

1

1

0

55

29

26

Nummer

Titel

Themengebiet

1

Der Spiegel

2

Summe

Quelle: Eigene Erhebung.

91


Den richtigen Ton treffen

Relativ geringe

Addiert man die Podcasts der jeweiligen Ti-

gar keine Podcasts führen. Kleinere Titel wie

Aktivitäten

tel aus Tabelle 4, so haben diese zwanzig Zeit-

Dummy oder Enorm betreiben zwar Podcasts

von Zeitschriften

schriften seit 2017 insgesamt 55 Podcasts pu-

im weiteren Sinne. Genau betrachtet handelt

bliziert. Knapp die Hälfte davon wurde wieder

es sich jedoch um Texte aus der Print-Ausgabe,

eingestellt oder die Staffeln sind planmäßig

die die Autoren* vorlesen.

ausgelaufen. Aktuell betreibt jede Zeitschrift

Insgesamt sind die Podcasts der unter-

somit im Durchschnitt zwischen ein und zwei

suchten Zeitschriften aber durch die Bank weg

(laufende) Podcasts. Der Mittelwert von 1,45

professionell produziert, vor allem in Hinblick

wird aber dadurch verzerrt, dass der Spiegel

auf die Tonqualität und den journalistischen

und der Stern besonders „audio-aktiv“ sind.

Anspruch, ohne jedoch übertrieben aufwän-

Der Stern gehört dabei zum Zeitschriften-

dig gestaltet zu sein. Meist handelt es sich um

Gruner + Jahr

konzern Gruner + Jahr, der wiederum Teil des

Interview-Podcasts, die kaum dramaturgische

offensiv,

Mediengiganten Bertelsmann ist. Bertelsmann

Zusatzelemente wie zum Beispiel einen Musik-

Burda defensiv

sorgt über seine „Content Alliance“ dafür, dass

teppich enthalten. Nur in Einzelfällen sprechen

die diversen Konzernsparten sich gegenseitig

die Podcasts gezielt ein jüngeres Publikum an,

Inhalte zur Verfügung stellen, die dann wiede­

wie beispielsweise der Podcast MoneyMates

rum für das Absender-Medium werben. So kann

der Wirtschaftswoche. Die große Mehrheit der

der Stern beispielswiese seine Podcasts auf

Podcasts ist kostenlos für die Nutzer* bzw.

der Bertelsmann-eigenen RTL-Plattform Audio

werbe­finanziert. Nur einige wenige befinden

Now (vgl. Kapitel 6.3) platzieren, liefert damit

sich hinter einer Paywall.

also Inhalte an RTL, promotet zugleich aber die eigene Marke. Zu Gruner + Jahr gehören auch die Wirtschaftstitel Capital und Business Punk. Auffällig ist zudem die Passivität des großen Gruner + Jahr-Konkurrenten Hubert Burda

92

Fallbeispiel: Der Spiegel

Auf einem Highway im US-Bundesstaat Penn-

Media, zumindest auf dem Feld der gesell-

sylvania kam Sandra Sperber und Yase­min

schaftspolitischen Zeitschriften. Denn der

Yüksel die Idee für den Podcast Stimmen­

Münchener Burda-Konzern hat sein publizis-

fang zum Bundestagswahlkampf 2017. Die

tisches Standbein eher bei klassischen Illus­

Frauen waren damals, im Sommer 2016,

trierten (Bunte, Freizeit Revue). Das politische

als Videoreporterinnen für Spiegel Online

Flaggschiff ist der Spiegel-Konkurrent Focus,

im US-Präsidentschaftswahlkampf unter-

doch die zwei Podcasts des Hauses wurden

wegs. „Wir haben uns inspiriert gefühlt von

2020 wieder eingestellt. Aktuell läuft nur noch

der US-amerikanischen Machart von Pod­

Mission Money von drei Redakteuren von Fo-

casts“, erinnert sich Sandra Sperber, die

Hier geht’s zu

cus Money. In der Gesamtschau fällt weiter

heute gemeinsam mit Yasemin Yüksel und

Stimmenfang

auf, dass einige Zeitschriften wie Cicero oder

einem weiteren Redakteur auch das Audio-­

die Euro-Titel des Münchener Finanzen-Verlags

Ressort des Spiegel leitet (hier und im wei-


Private Verlagshäuser

teren, sofern nicht anders angegeben: Inter-

form Audible abrufbar oder befindet sich

view Sperber 2021) und meint damit konkret:

hinter einer Bezahlschranke des Hambur-

Nicht nur längere Interviews führen, sondern

ger Nachrichtenmagazins. Im Juni 2021

im radiophonen Feature-Stil möglichst viele

hat der Spiegel sein bereits bestehendes

verschiedene Stimmen zu Wort kommen las-

Abo-Angebot noch einmal erweitert. Das

sen. Zunächst waren es neben den üblichen

Paketangebot „Audio+“ enthält den Pod­

Politikern*, Fachleuten* und Redakteuren*

cast Spiegel Daily, in dem zwei Mode-

aus dem eigenen Haus „Wutbürger*“, über

ratoren* aktuelle Ereignisse aus Politik,

die Zeit dann zum Beispiel auch Teilnehmer*

Wirtschaft und Gesellschaft analysieren,

an Demonstrationen oder auch Hörer* von

den vierzehntäglichen Podcast Geschichte

Stimmen­fang selbst. Die Autorinnen haben

sowie den PC Coaching. Dazu gehört auch

sich für den ersten Spiegel-­PC der zweiten

die jeweils neue Audio-Ausgabe des Spie-

großen Podcast-Welle in Deutschland „un-

gel, die fast komplett von professionellen

ters Volk gemischt“. Sie haben nicht über,

Sprechern* vertont wird. Die Kinderver­sion

sondern mit Beteiligten und Betroffenen

Dein Spiegel erscheint in zwei Episoden

gesprochen. Auch wenn hierzulande der

pro Woche. Darüber hinaus hat der Spiegel

klassische Interview-Podcast nach wie vor

in diesem Zusammenhang eine Audiothek

„Stimmenfang“

dominiert, so hat Stimmenfang ohne Frage

eingerichtet, über die frühere PC-Folgen

stilprägend für

stilprägend für das Podcast-Machen gewirkt.

weiter abrufbar sind (Der Spiegel 2021).

Podcast-Szene

Seit der Premiere mit Stimmenfang hat der

Für Nutzer* des Digital-Abos „Spiegel+“ ist

Spiegel insgesamt 14 weitere Podcast-For-

das neue Angebot ein Jahr kostenfrei nutz-

mate angeschoben (Stand: Juni 2021). Sie-

bar, danach allerdings nur gegen einen Auf-

ben davon sind wieder eingestellt worden,

schlag. Neue „Audio+“-Abonnenten* zah-

teils dauerhaft, teils weil die Staffeln aus-

len einen monatlichen Beitrag, der deutlich

gelaufen sind. Neben dem wöchentlichen

über den Kosten eines Abonnements bei ei-

Stimmenfang, der inzwischen auch allge-

nem der großen Streamingdienste liegt. Der

meine politische Themen der Zeit aufgreift,

Spiegel unternimmt damit den gewagten

steht vor allem SPIEGEL Update für die aktu-

Versuch, zumindest einen Teil seiner Pod­

elle politische Berichterstattung per Audio:

casts hinter eine Bezahlschranke zu schie-

Hier werden dreimal täglich Nachrichten in

ben. Zum Portfolio der Spiegel-Gruppe ge-

einem weitgehend sachlichen Ton verlesen.

hören schließlich auch zwei Wirtschaftspod­

Darüber hinaus produziert der Spiegel vier

casts: manager magazin – Der Podcast zu

weitere werbefinanzierte Podcasts: Acht

Anleger*- und Management-Themen sowie

Milliarden, Smarter Leben, Klimabericht

Team A – der ehrliche Führungspodcast des

und Was machst du?.

Harvard Business Manager.

Ein weiterer Teil der Spiegel-Podcasts ist entweder auf der kostenpflichtigen Platt-

Am populärsten ist derzeit Acht Milliarden, der wöchentliche Auslands-Podcast des 93


Den richtigen Ton treffen

Tabelle 5 Ausgewählte Spiegel-Podcasts und ihre Hörer*zahlen (Februar 2021) Podcast

Hörer* pro Folge

SPIEGEL Acht Milliarden – Der Auslands-Podcast

55.000

SPIEGEL Smarter leben

50.000

SPIEGEL Stimmenfang

25.000

manager magazin – Der Podcast

9.000

Harvard Business manager & Xing – Team A

5.000 Quelle: Anfrage Spiegel (2021).

Spiegel, den pro Folge durchschnittlich

dass sich Produktzusammenstellung, tech-

55.000 Nutzer* über alle Plattformen hin-

nische Plattform und Vermarktung noch im

weg hören. Tabelle 5 zeigt, dass die Nut-

Ausbau befinden. Der Spiegel versieht seine

zer*zahlen zwischen den einzelnen Pod­

Podcasts zwar aktiv mit Werbespots, setzt

Zahl der Abrufe

casts stark variieren und teilweise noch

aber zum Beispiel noch keine Technik für

noch ausbaufähig

sehr ausbaufähig sind. Selbst beim Spiegel

automatische Werbeeinspielungen ein (vgl.

Update (im Schaubild nicht aufgeführt), das

Kapitel 3.3).

bei Spotify zu den beliebtesten Nachrich-

Als der Spiegel 2017 mit Podcasts startete,

tenformaten gehört, sind die Abrufzahlen,

stand zunächst im Vordergrund, überhaupt

die der Spiegel nicht offiziell bekannt gibt,

erst einmal das neue Medium und seine

derzeit noch eher bescheiden.

Möglichkeiten für sich zu erschließen und

Die aktuell laufenden Podcasts werden in

die Qualität des Formats zu erkunden. Laut

zwei Spiegel-eigenen Studios in der Ham-

Audio-Ressortleitern Sandra Sperber ging

burger Zentrale sowie in der Berliner Nie-

und geht es aber auch darum, neue Zielgrup-

derlassung produziert. Das vierzehnköpfi-

pen und damit eine größere Reichweite zu

Instrument zur

ge Audioteam fungiert als eigenständiges

erzielen. Und nicht zuletzt darum, Vertrauen

Kundenbindung

Ressort (wie Politik, Wirtschaft oder Kultur),

bei den Mediennutzern* zu schaffen, indem

was ein Hinweis auf den Stellenwert dieses

die Spiegel-Autoren* Auskunft über ihre Re-

Bereichs ist. „Wir verstehen uns aber als

cherchen geben. Inzwischen haben sich die

Querschnittsressort“, betont Audio-Chefin

Spiegel-Podcasts als eigenständiges journa-

Sandra Sperber. Zudem arbeite man eng

listisches Medium etabliert, fungieren aller-

mit der Entwicklungsredaktion und dem

dings auch als Marketing-Instrumente.

94

Produktmanagement zusammen. Die Ko-

Als Teil der Digital-Gesamtstrategie des

operation mit der Entwicklungsredaktion

Spiegel erfüllen inzwischen jedoch auch

ist ein Fingerzeig darauf, dass es in Hinblick

andere Funktionen. Podcasts werden als

auf Themen und Formate weiterhin noch viel

Erweiterung des journalistischen Angebots

Neuland zu entdecken gibt. Die enge An-

angesehen und sollen helfen, bereits zah-

bindung an das Produktmanagement zeigt,

lende Abonnenten* zu halten. So erhalten


Private Verlagshäuser

„Spiegel+“-Abonnenten* alle Podcasts

Format Und was machst du? will der Spiegel

hinter der Bezahlschranke kostenlos. In

darüber hi­naus gezielt junge Menschen an-

den frei abrufbaren Podcasts und deren

sprechen, die ins Berufsleben starten.

Umfeld werden außerdem Probe-Abos für

Die Jüngeren dürften vor allem über die

das Digitalangebot „Spiegel+“ beworben.

Audiostreaming-Plattformen und dabei vor

Dies scheint bisher jedoch keine vorrangi-

allem über Spotify zu erreichen sein. Aller-

ge Rolle zu spielen. Durch die Verzahnung

dings hat der Spiegel auch immer wieder

zwischen Audio und Monetarisierung ent-

an seiner mobilen App gebastelt, um sie

steht dabei der Eindruck, als könnte der

stärker auf ein Audio-affines, junges Pub-

Spiegel seine Podcasts zunehmend hinter

likum zuzuschneiden. Es soll den Nutzern*

eine Bezahlschranke verschieben, sobald

leichtgemacht werden, Spiegel-Podcasts zu

er ausreichend viele Abonnenten* gewon-

hören, um danach weitere Inhalte wie zum

nen hat. Das sei derzeit jedoch „auf keinen

Beispiel Artikel und Videos in der App wahr-

Fall geplant“, so Sandra Sperber: „Es ist

zunehmen. Denn das vorrangige Ziel eines

aber durchaus denkbar, dass wir hinter der

Medienhauses besteht darin, Nutzer* von

Über die App ins

Paywall unser Angebot mit Kooperations-

den Streaming-Plattformen in das eigene

eigene Ökosystem

partnern weiter ausbauen.“

publizistische Ökosystem hinüberzulocken.

locken

Wenn die Spiegel-Audio-Chefin auf das ak-

Immerhin steuert schon knapp ein Drittel der

tuelle PC-Portfolio schaut, sagt sie, dass die-

PC-Nutzer* die App und auch die Website an,

ses „ziemlich wild gewachsen ist“ und dass

um sich Spiegel-Podcasts anzuhören.

sicherlich noch Lücken zu füllen seien. Mög-

licherweise könnte dieses Thema mit einem anderen zusammengeführt werden: Ziel des Spiegel ist es, im Rahmen seiner Mitte 2020

7.3 Zwischenbilanz

verkündeten „U30-Strategie“ einen deutlich

Bei einer Gesamtwürdigung der klassischen

höheren Anteil an jüngeren Abonnenten* zu

Verlagshäuser zeigt sich, dass die „alten“ Print­

gewinnen. „Dabei sind Podcasts ein ganz

medien Podcasts durchaus als eigenständiges

wichtiger Baustein“, sagt Sperber. Über PC

Medium anerkennen und nutzen. Dabei wissen

will man Kontakt aufnehmen zu jungen Nut-

sie genau, dass das Medium Pod­cast anderen

zer*gruppen, die für klassischen Medien

Gesetzmäßigkeiten unterliegt als der gedruckte

wie den Spiegel schwer zu erreichen sind: Es

oder digital publizierte Artikel. Gleichwohl wird

geht also darum, überhaupt einen Erstkon-

auch deutlich, dass bei den privatwirtschaft-

takt herzustellen. Mit Game Changer über

lich organisierten Medien­unternehmen ökono-

E-Sports und Drei Väter für jüngere Eltern

mische Erwägungen eine mindestens genauso

liefen beim Spiegel bereits Podcast-Staf-

große Rolle spielen wie publizistisch-journa-

feln, die schon rein thematisch ein Publi-

listische Motivationen. So setzen Tageszeitun-

U30-Strategie

kum unter 35 Jahren adressierten. Mit dem

gen wie politische Zeitschriften PC auch als

beim Spiegel 95


Den richtigen Ton treffen

Verlage setzen auf

Marketing-­ Instrument für die eigenen Print-

Auch regionale Zeitungskonzerne wie die

Hybrid-Funktion

und vor allem Online-Titel ein. Auf diese Weise

Funke Mediengruppe setzen Podcasts sehr

von Podcasts

haben sie bereits versucht, soziale Medien für

offensiv ein. Ihr strategischer Vorteil besteht

sich zu instrumentalisieren: Eigene Präsenzen

darin, dass verschiedene Titel jeweils ein Pod­

des Mediums oder auch von Mitarbeitern* auf

cast-Format gemeinsam nutzen können. Dieser

Twitter, Facebook und Instagram dienen hier

Synergieeffekt kommt allerdings nicht zum Tra-

vornehmlich dazu, um für einzelne Artikel zu

gen, wenn ein Podcast zu regionalspezifisch

werben. Der große Unterschied zu Pod­casts be-

modelliert ist. Gerade die Ausrichtung aufs Lo-

steht allerdings darin, dass bei den PC gleich

kale ist es jedoch, worin die meisten regionalen

ein genauso eigen- wie vollständiger journalis-

Tageszeitungen ihren Wettbewerbsvorteil se-

tischer Inhalt mitgeliefert wird und an einigen

hen. Die Umfrage unter den Tageszeitungen hat

Lokalzeitungen:

Stellen – etwa durch Hinweise des Hosts* oder

außerdem gezeigt, dass die Zeitungen gerade

Podcasts als

in den Show­notes – für andere Produkte des

Podcasts oftmals als eine Art „Regionalverstär-

„Regional-

Hauses geworben wird. Zudem kann Werbung

ker“ einsetzen und darüber nochmal zusätzlich

verstärker“

für Dritte integriert werden. Es handelt sich also

ihre lokale Kompetenz unterstreichen wollen.

um ein Hybrid-Produkt.

Zeitschriften können diesen Trumpf in der

Wie die Umfrage bei den Tageszeitungen

Regel nicht ausspielen. Möglicherweise ist dies

gezeigt hat, scheint es für die überregionalen

ein Grund, warum die meisten Politik- und Wirt-

Qualitätszeitungen zumindest teilweise eine

schaftsmagazine bisher eine gewisse Zurück-

Frage des Prestiges und des Selbstverständ-

haltung bezüglich dem Format Podcast an den

nisses als Innovationstreiber der Branche zu

Tag legen, wie eine stichprobenartige Überprü-

sein, ein breites und attraktives Angebot an PC

fung des Podcast-Angebots dieser Zeitschriften

zu entwickeln. Podcasts dienen dabei jedoch

ergab. Bemerkenswert ist allerdings auch die

nicht vorrangig der Markenpflege. Die Zeit, die

Passivität des Burda-Konzerns. Auch bei klei-

Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Allge-

neren Verlagen spielen Kosten und Aufwand

meine Zeitung und die Welt agieren allesamt

sicherlich eine gewisse Rolle: Zurzeit bestehen

sehr offensiv auf dem Feld der Podcasts, bei

die Podcasts teilweise nur aus eingelesenen

den Zeitschriften gilt dies für Stern und Spie-

Artikeln, meist von den Autoren* persönlich.

gel. Die Aussagen der Spiegel-Verantwortlichen

Künftig werden aber zunehmend Text-to-Speech-­

machen deutlich: Die Medienstrukturkrise führt

Technologien zum Einsatz kommen und Podcasts

Vorrang für

dazu, dass Podcasts als journalistischer Mehr-

„von der Stange“ – wie sie das White-Label-Pro-

Kunden*bindung

wert in erster Linie helfen sollen, Abonnenten*

jekt von OMS und Deutscher Presseagentur ent-

zu halten. Erst in zweiter Linie geht es darum,

wickelt – könnten verstärkt Verbreitung finden.

neue Abos zu gewinnen. Eine dezidierte Werbe-

Klar scheint nur: Die Zeit neuer (Geschäfts)Mo-

strategie, die jüngere Mediennutzer* anspricht,

delle für Podcasts auch von privaten Verlags­

ist dabei oftmals jedoch nicht zu erkennen.

häusern hat gerade erst angefangen.

96


Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten

8 Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten Wenn sich junge Menschen heutzutage über

bei jungen Mediennutzern* beitragen können.

das Weltgeschehen informieren, tun sie dies

Aber: Es gibt auch einige Mängel und Defizite

nicht mehr in erster Linie mit Hilfe traditioneller

(Kapitel 8.4).

Medien wie Tageszeitungen, Radio und Fernsehen. Die Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen sichtet und konsumiert Nachrichten zunehmend in sozialen Medien wie Instagram und

8.1 Das Nutzungsverhalten der Zielgruppe

Twitter. Seit einigen Jahren gewinnen aber

Je jünger die Nutzer*, desto mehr verlagert

auch Podcasts an Bedeutung (Kapitel 8.1).

sich ihr Nachrichtenkonsum ins Internet und

Zahlreiche Info- und Nachrichtenformate ran-

desto weniger werden TV, Radio und Print als

gieren in den Top-50 von Spotify, dem bevor-

Nachrichtenquelle genutzt. Das ergab eine Be-

Streamingdienst der jüngeren zugten Audio-­

fragung des Reuters Instituts im Rahmen sei-

Nutzer* in Deutschland. Podcasts scheinen

nes jährlichen Digital News Reports. Im Jahr

also zu einem neuen und wichtigen Informa-

2020 informierten sich fast drei Viertel der

tionsmedium für Jüngere aufzusteigen. Dies

18- bis 24-Jährigen und knapp zwei Drittel der

wirft Fragen auf: Wie schaffen Podcasts das?

25- bis 34-Jährigen in Deutschland hauptsäch-

Was ist ihr Trumpf, mit dem sie junge Menschen

lich online über aktuelle Nachrichten (Hölig/

erreichen, die andere Anforderungen an Me-

Hasebrink 2020: 22, Abbildung 24). Mehr als

dien stellen als ältere Nutzer*? Und erfüllen

ein Drittel der 18- bis 24-Jährigen nutzt das

die Top-Politik-Podcasts dabei die klassischen

Inter­net sogar als alleinige Informationsquel-

Qualitätsansprüche des Journalismus wie zum

le. Dort greift allerdings nur die Minderheit der

Beispiel Glaubwürdigkeit (Kapitel 8.2)?

jungen Mediennutzer* auf Nachrichten-Websi-

Um hierauf Antworten zu finden, wurde

tes wie die Online-Angebote der Tagezeitungen

eine qualitative Inhaltsanalyse bei zehn popu-

und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten

lären Info-Podcasts durchgeführt, die teils aus

zurück. Es sind die sozialen Medien, die als

Insta-Feed

klassischen Medienhäusern (Zeit, Süddeut-

Informa­tionsquelle immer mehr an Bedeutung

statt Tageszeitung

sche Zeitung etc.) stammen, teils von privaten

gewinnen. Knapp ein Drittel der 18- bis 24-Jäh-

Audio-Dienstleistern (Gabor Steingart/Media

rigen nutzt im Internet hauptsächlich Social

Pioneer, Micky Beisenherz/Studio Bummens

Media als Quelle für nachrichtliche Inhalte.

etc.) und teils von unabhängigen Medienschaf-

Bei Insta­gram, Facebook, Twitter und anderen

fenden (z. B. Tanja Hille und Vincent Venus von

taucht das politische Tagesgeschehen aller-

Y Politik) produziert werden (Kapitel 8.3). Es

dings meist nur fragmentarisch, in Form von

zeigt sich im Ergebnis, dass die Podcasts ins-

Teasern und Kurzmeldungen, in der personali-

gesamt zwar hohen journalistischen Qualitäts-

sierten Timeline auf. Online-Nachrichtenmaga-

maßstäben gerecht werden und so auf posi-

zine und -Zeitungen sowie die Websites von TV-

tive Weise zur politischen Meinungsbildung

und Radio­anbietern gaben beim Digital News

97


Den richtigen Ton treffen

Report weniger als halb so viele als Haupt-

eher zufällig in Kontakt, wann immer sie – in

nachrichtenquelle an. Zwar greifen immer noch

der Regel auf dem Smartphone – durch ihre

Personalisiertes

30 Prozent der jungen User* regelmäßig über

Media-Feeds scrollen. Welche NachSocial-­

Weltgeschehen

bestimmte Websites oder Apps direkt auf Nach-

richtenmeldungen dort angezeigt werden,

richten zu. Die Mehrheit (37 Prozent) informiert

wird vom Algorithmus der jeweiligen Plattform

sich jedoch bei Facebook, Twitter und Co über

bestimmt und ist abhängig vom individuellen

das Tagesgeschehen (Hölig/Hasebrink 2020:

Kommunikationsverhalten sowie von den Kon-

20-25; 44).

takten und abonnierten Kanälen im jeweiligen

Der Nachrichtenkonsum junger Menschen

Netzwerk.

findet dadurch zunehmend im sozialen Kon-

Es findet also eine zeitlich unabhängige,

text statt: In den sozialen Medien sind jour-

zunehmend personalisierte und in der Regel

nalistische Inhalte eingebettet in die alltäg­

ungezielte Nachrichtennutzung statt, die sich

liche Kommunikation der Mediennutzer* und

immer mehr auf einzelne Beiträge beschränkt.

verschmelzen mit Unterhaltungsmedien oder

Oder sogar nur auf den kurzen Umriss dieser

privat geteilten Inhalten aus dem Freundes-

Beiträge, denn in den sozialen Medien in-

kreis (Kümpel 2020: 11, Kramp/Weichert 2017:

formieren sich die User* überwiegend über

78). Mit dem politischen Tagesgeschehen

Nachrichten-Teaser und kommen mit den voll-

kommen die sogenannten Digital Natives also

ständigen Informationen oft gar nicht mehr

Abbildung 24

Hauptnachrichtenquellen nach Altersgruppen (2020, in Prozent)

17

72

18-24 Jahre 25-34 Jahre

21

60 31

50

35-44 Jahre

47

34

45-54 Jahre

55

22

55+ Jahre 0

20

40

13

60

80

5

6 12

7

12

7

13

6 10

100

Prozent Internet

TV

Radio

Print

Quelle: Hölig/Hasebrink (2020: 22). Eigene Darstellung.

98


Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten

in Kontakt (Kümpel 2020: 13-15). Wenngleich

formiert zu sein, bleibt der tatsächliche, mithin

Nur vermeintlich

auch die etablierten Medienhäuser inzwischen

umfassende Überblick über das Weltgesche-

informiert?

in den sozialen Medien vertreten sind, so bie-

hen aus (Müller 2019: 232-233, 274-284). Es

ten auch deren Teaser im Vergleich zu integ-

lässt sich also festhalten: Das Informationsver-

rierten (Online-) Nachrichtenangeboten keine

halten junger Menschen ist geprägt von einem

originären Nachrichteninhalte. Aus Sicht der

Wandel in der Mediennutzung, der es immer

Medienmacher* sollen sie als Bindeglied zwi-

schwieriger macht, eine thematisch umfassen-

schen der eigentlichen Berichterstattung und

de und inhaltlich fundierte journalistische Be-

den Social-­Media-Nutzern* fungieren. Werden

richterstattung an diese Zielgruppe zu bringen.

die verkürzten Informationen jedoch zur ei-

Mit der zweiten großen Podcast-Welle rü-

genständigen Nachrichtenquelle – wie es nach

cken Podcasts allerdings als neues, poten-

einer Studie von Patricia Müller bei über ei-

ziell auch politisches Medium in den Fokus

nem Viertel der 16- bis 29-Jährigen häufig der

der jungen Generationen: Laut der ARD/ZDF-­

Fall ist –, kann das bei den Rezipienten* zu

Onlinestudie 2020 hört inzwischen fast die

einer „Überschätzung des eigenen Wissens“

Hälfte der 14- bis 29-Jährigen in Deutschland

(Müller 2019: 274) führen: Während bei den

mindestens selten Podcasts, rund jeder* Vierte

Mediennutzern* der Eindruck entsteht, durch

sogar wöchentlich oder öfter (Reichow/Schrö-

die Schlagzeilen im Social-Media-Feed gut in-

ter 2020: 504). Wie in Kapitel 3.2 dargestellt,

Abbildung 25

Meistgehörte Podcast-Genres (in Prozent) Prozent Infosendungen, Wissens- und Lernbeiträge

55,1

Unterhaltung/Comedy

46,6

Nachrichten

46,2

Hörbücher, Hörspiele

34,8

Musiksendungen

32,3

Service, Ratgeber und Coaching

28,5

Regionales und Lokales

27,7

Krimis/echte Kriminalfälle

21,4

Sportsendungen

18,0

Alle Nutzer*

14-29 Jahre

22

30-49 Jahre

50+ Jahre

Quelle: Bayerische Landeszentrale für neue Medien et al. (2020: 60). Eigene Darstellung.

99


Den richtigen Ton treffen

wird dabei vorwiegend die Audio-Plattform

Etwas komplexer gestaltet es sich, die in-

Spotify genutzt: Rund 60 Prozent der jungen

haltlichen Anforderungen der Zielgruppe an

Podcast-Hörer* in Deutschland nutzen den

journalistische Angebote zu ergründen: Ob-

Streamingdienst aus Schweden, Apple Pod-

wohl sich junge Mediennutzer* immer mehr in

casts mit rund 12 Prozent und YouTube mit cir-

den sozialen Medien über das Weltgeschehen

ca 8 Prozent bleiben dahinter mit deutlichem

informieren, stufen sie Facebook, Instagram

Abstand zurück (vgl. Abbildung 4).

und Co nämlich nicht als vertrauenswürdige

Die Zahlen des Online-Audio-Monitor

Informationsquelle ein. Lediglich 13 Prozent

2020 der Landesmedienanstalten verwei-

der 18- bis 34-jährigen Befragten im Reuters

sen außerdem darauf, dass Podcasts dabei

Digital News Report gaben an, den Nachrichten

nicht nur zur Unterhaltung, sondern sehr

in sozialen Medien zu vertrauen (Hölig/Hase-

stark auch zu Informationszwecken gehört

brink 2020: 33).

werden. Obwohl sich bei den 14- bis 29-jäh-

Eine Ursache für diese Einschätzung lässt

rigen Podcast-­Hörern* Unterhaltung/Comedy

sich womöglich in der zunehmend schwierigen

als meistgenutztes Genre herausstellt, liegen

Abgrenzung nachrichtlicher Inhalte von ande-

Infosendungen und Nachrichten-Formate nur

ren Medienangeboten finden, wie Kommunika-

knapp dahinter (Abbildung 25) und machen

tionsforscherin Anna Sophie Kümpel deutlich

deutlich, dass Pod­casts bereits jetzt einem re-

macht: Durch die „zunehmende Hybridisie-

Meinungsbildung

lativ großen Teil der jungen Mediennutzer* als

rung von Nachrichten- und Unterhaltungsan-

aufs Ohr

Informationsquelle dienen und so eine wichti-

geboten“ entstehe bei den Mediennutzern*

ge Rolle bei der politischen Meinungsbildung

eine Unsicherheit darüber, welche Inhalte

übernehmen könnten.

tatsächlich als Nachrichten einzustufen sind (Kümpel 2020: 16-17). Vor allem die Seriosität

8.2 Anforderungen junger Mediennutzer* an journalistische Angebote

der Quelle sei daher für junge Erwachsene ausschlaggebend, um vertrauenswürdige Inhalte zu identifizieren. Insbesondere die öffentlich-

Vertrauen in

Es lässt sich festhalten: Ein Medienangebot,

recht­lichen Rundfunkanstalten und etablierte

die „Etablierten“

das junge Mediennutzer* erreichen will, sollte

Tageszeitungen gelten bei den jungen Erwach-

jederzeit über mobile Endgeräte abrufbar sein

senen als zuverlässige Informationsquellen

und sich so an die individuellen Nutzungs-

(Kümpel 2020: 23). Auch eine Studie von Leif

gewohnheiten der Rezipienten* anpassen.

Kramp und Stephan Weichert im Auftrag des

Es sollte sich in den „täglichen Medienmix

Bundesverbands der Digitalpublisher und Zei-

aus Infor­mation, Kommunikation und Unter-

tungsverleger (BDZV) bestätigt, dass sich pro-

haltung“ integrieren und in diesem Rahmen

fessioneller Journalismus für Millennials vor

eine „konzentrierte Dosis“ (Kramp/Weichert

allem durch einen „verlässliche[n] Absender“

2017: 9) hochwertiger Information liefern.

(Kramp/Weichert 2017: 10) auszeichnet. Beide

100


Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten

Untersuchungen verweisen auch bereits auf

jekten kommt den Gesichtern des jeweiligen

konkrete Qualitätskriterien für junge Medien­

Kanals daher eine große Bedeutung zu und es

formate. So legen Kümpels Studienteilnehmer*

entsteht eine starke Personalisierung der Be-

Wert auf eine thematische Vielfalt sowie auf

richterstattung. So bereitet zum Beispiel der

die Aktualität und Relevanz der Informa­tionen

ehemalige Hörfunkmoderator Philipp Walulis

(Kümpel 2020: 23). Kramp und Weicherts Mille­

im Satire-Format Walulis Daily (245.000 Abon-

nials wünschen sich, dass die Berichterstat-

nenten*) unter Provokativtiteln wie „Darum

tung „glaubwürdig, sachlich und unabhängig“

hassen alle Jens Spahn“ (Walulis Daily, 5.03.21)

erfolgt (Kramp/Weichert 2017: 10).

oder „Mordfantasien von SPDler spalten das

Obwohl sie auf eine seriöse und neutrale

Netz“ (Walulis Daily, 9.02.21) mehrmals wö-

Berichterstattung wertlegen, fordern die jun-

chentlich das „Thema des Tages“ auf. Auf Kanä-

gen Nutzer* jedoch eine zielgruppengerechte

len wie Y-Kollektiv oder STRG_F (beide deutlich

Ausgestaltung der Formate: Eine im Rahmen

über eine halbe Millionen Abonnenten*) führen

einer Studie von Kathrin Kühn durchgeführte

Reporter* durch ihre Investigativ-Recherchen,

Diskussionsrunde mit Schülern* und Studie-

kommentieren ihre Erlebnisse und teilen per-

renden ergab, dass der ideale Nachrichten-­

sönliche Erfahrungen.

Podcast für die jungen Erwachsenen zwar

Abseits von funk kommentiert zum Beispiel

nachrichtliche Distanz wahren, in Gestaltung

Florian Diedrich alias LeFloid im meinungsstar-

und Präsentation jedoch „jung und lebendig“

ken YouTube-Format LeNews unterhaltsam und

sein sollte (Kühn 2010: 164). Kramp und Wei-

teils stark emotional das Tagesgeschehen und

chert (2017: 10) betonen, dass für die jungen

wird dadurch zur Identifikationsfigur für seine

Rezipienten* ein individueller Bezug zu den

Zuschauer*. Damit erzielte er bisher insgesamt

vermittelten Informationen wichtig ist.

über 700 Millionen Videoaufrufe. Dieses Phäno-

Hinweise darauf, wie diesem Bedürfnis

men scheint sich auf die Audiowelt übertragen

medial begegnet werden kann, finden sich

zu lassen: Bei der Nutzer*befragung für den

zum Beispiel in den Formaten von funk, dem

Online-Audio-Monitor 2020 gaben rund 70 Pro-

jungen Angebot von ARD und ZDF. Seit Ende

zent der 14- bis 29-Jährigen die Moderatoren*

2016 konzipieren und produzieren die Öffent-

eines Podcasts als expliziten Einschaltgrund an

lich-Rechtlichen in diesem Rahmen überwie-

(Baye­rische Landeszentrale für neue Medien

gend Videoformate exklusiv für soziale Platt-

et al. 2020: 66). Auch hier kann der Moderator*/

formen (Kramp/Weichert 2017: 69-71). Dabei

Host* also durchaus als Erfolgsfaktor gelten.

tritt funk als Marke jedoch in den Hintergrund –

Es lässt sich festhalten: Die medialen Be-

die Produzenten* der einzelnen Formate prä-

dürfnisse der Zielgruppe der 14- bis 29-Jähri-

sentieren sich auf ihren YouTube-, TikTok- oder

gen stellen sich gewissermaßen widersprüch-

Instagram-Kanälen vorrangig als unabhängige

lich dar. Einerseits stellen die Mediennutzer*

Medienmacher*. Auch bei journalistischen Pro-

nach eigener Aussage einen klaren Qualitätsan-

funk macht’s vor

101


Den richtigen Ton treffen

spruch an journalistische Medienformate und

1. Spotify ist bei den 14- bis 29-Jährigen die

wünschen sich bei nachrichtlichen Formaten

mit Abstand meistgenutzte Plattform zum

eine seriöse und sachliche Berichterstattung.

Podcast-hören (vgl. Kapitel 8.1 sowie Abbil-

Andererseits scheinen bei der tiefergehenden

dung 4). Die Verbrauchs- und Medienanaly-

Themenberichterstattung vor allem emotiona-

se VuMa (2020) zeigte außerdem, dass im

lisierte Narrativ-Formate gefragt zu sein. Hier

Jahr 2020 über die Hälfte der Spotify-Nut-

wird ein Spannungsverhältnis deutlich: zwi-

zer* (54 Prozent) der Altersgruppe 14 bis 29

schen den Unterhaltungselementen der Er-

angehörten. Damit haben die Spotify-Pod-

folgsformate und dem traditionellen Verständ-

cast-Charts eine vergleichsweise große

nis journalistischer Qualität. Es steht die Frage

Aussagekraft darüber, welche Formate tat-

im Raum, ob und wie sich Qualitätskriterien

sächlich von der Zielgruppe gehört werden.

wie Neutralität und Glaubwürdigkeit mit Unter-

2. Die Spotify-Podcast-Charts basieren auf

haltungsfaktoren (z. B. Emotionalität und Per-

aktuellen Abrufzahlen. Das kommunizier-

sonalisierung) zu einem zielgruppengerechten

te der Streamingdienst zur Einführung

Qualitätsmaßstab für journalistische Formate

des Rankings im Juli 2020 explizit in einer

vereinen lassen.

Presse­mitteilung (Spotify 2020b). Nicht so die Konkurrenz: Während es bei YouTube

8.3 Führende Politikformate der deutschen Podcast-Landschaft

noch gar keine separate Podcast-Sparte gibt, lässt Apple Podcasts User* und Podcaster* darüber im Unklaren, welche Krite-

Als Untersuchungsgegenstand für die qua-

rien für die Platzierung im Podcast-Ranking

litative Inhaltsanalyse sollen hier die erfolg-

eine Rolle spielen.

reichsten Politik-Formate der deutschen Podcast-Landschaft dienen. Sie geben Aufschluss

Um die erfolgreichsten Formate mit Politik-­

darüber, welche Formate von jungen Medien-

Bezug aus den Spotify-Charts zu extrahieren,

nutzern* tatsächlich gehört werden und welche

wurden an insgesamt sieben Stichtagen im

Qualitätskriterien diese Podcasts erfüllen. Um

November 2020 die Top-50-Formate des Ran-

die meistgehörten Politik-Podcasts aus dem

kings erfasst (siehe Anhang C, insbesondere

breiten Gesamtangebot herauszufiltern, wurde

Abbildungen C1 und C2) und nach Genre (Poli­

im Monat November 2020 eine systematische

tik, Nachrichten, True Crime, Wissen, Come-

Erfolgsindikator

Auswertung der Spotify-Podcast-Charts durch-

dy/Unterhaltung, Lifestyle & Sonstiges) und

Spotify

geführt. Der Streamingdienst Spotify bietet

Produktion (öffentlich-rechtlich, etabliertes

sich aus zwei maßgeblichen Gründen als em-

Medienhaus, private Audio-Dienstleister, freie

pirische Basis für die Analyse an:

Medienschaffende) kategorisiert.21 Die Aus-

21 Die Zuordnung der Genres erfolgte sowohl in Orientierung an den Kategorisierungen bei Spotify als auch nach eigener Einschätzung der Inhalte.

102


Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten

wertung der Stichproben verzeichnete in den

Formate, die sich auf die Berichterstat-

Top-50 der Spotify-Podcast-Charts insgesamt

tung über ein aktuell brisantes Thema be-

16 Nachrichten- und Politik-Podcasts. Trotz ei-

schränken und daher befristet sind (z. B.

niger Verschiebungen bei den Platzierungen

Das Coronavirus-Update – NDR Info):

blieben die Formate der beiden Genres über

Es ist anzunehmen, dass die Popularität

den gesamten Monat gleich. Dennoch wurden

dieser Podcasts weniger auf strukturelle

nicht alle 16 Podcasts als Untersuchungs­

Merkmale als auf die Brisanz der behan-

gegenstand in die Inhaltsanalyse eingebracht.

delten Thematik zurückzuführen ist. Damit

Ausschluss-

Nicht untersucht wurden:

bilden sie Ausnahmefälle, die potenziell zu

kriterien

einer Verfälschung der Analyse-Ergebnisse Formate aus dem öffentlich-rechtlichen

führen könnten.22

Hörfunk, die lediglich als Podcast zweitver-

Formate aus dem Genre „True Crime“ (z. B.

wertet werden (z. B. Hielscher oder Haase –

Serienkiller – Mörder und ihre Geschich-

Deutschlandfunk Nova):

ten – Spotify, Parcast):

Da diese Studie Podcast-spezifische Merk-

Zwar kann das Genre True Crime von Produ-

male erforschen will, sollen auch nur sol-

zenten*seite her durchaus mit journalisti-

che Formate untersucht werden, die ex-

schem Qualitätsanspruch angegangen wer-

plizit für das Medium Podcast konzipiert

den (Beispiel Serial, vgl. Kapitel 4.1). Den-

wurden.

noch leistet das Nacherzählen spektakulärer

Formate mit reinem Nachrichtencharakter,

Kriminalfälle – egal in welcher journalisti-

die keine dialogischen oder narrativen Ele-

schen Tiefe – kaum einen Beitrag zur politi-

mente aufweisen (z. B. Spiegel Update – die

schen Meinungsbildung der Podcast-Hörer*.

Nachrichten): Formate wie das Nachrichten-Update des

Die für die Analyse relevanten Podcasts redu-

Spiegel oder die IT-News des Tages von hei-

zieren sich damit auf acht Top-50-Formate. Von

se online beschränken sich auf die sachliche

diesen sind jeweils drei Folgen (die jeweils ak-

Meldung aktueller Ereignisse und orientie-

tuellsten am 01.12.2020) in die Analyse ein-

ren sich damit strukturell an traditionellen

bezogen worden. Es handelt sich um folgende

Hörfunk-Nachrichten. Sie enthalten daher

Pod­ casts (durchschnittliche Platzierung ge-

aufgrund ihrer Struktur weder dialogische

mäß Stichprobenanalyse in Klammern):

Die Top-Formate

noch unterhaltende Elemente. Obwohl sie Was jetzt? – Zeit Online (Platz 12)

explizit als Podcast produziert werden, bieten sie damit für eine Inhaltsanalyse keine zielführende Grundlage.

In rund 10 Minuten besprechen wechseln-

Hier geht’s zu

de Moderatoren* im täglichen Nachrichten-­

Was jetzt?

22 Die POD-Ratings von Goldmedia (2020) zeigen außerdem, dass das Coronavirus-Update zwar eine große Hörer*schaft verzeichnet, von der jedoch nur 17 Prozent der Altersgruppe 14 bis 29 zuzuordnen sind. Der Podcast könnte also nur schwerlich als „Erfolgsformat“ bei der Zielgruppe gewertet werden.

103


Den richtigen Ton treffen

Apokalypse & Filterkaffee – Micky Beisen-

Podcast von Zeit Online das Tagesgesche-

herz/Studio Bummens (Platz 33)

hen. Neben kurzen Nachrichtenmeldungen sind in der Regel auch zwei Interviews mit

Der Moderator und Gag-Schreiber Micky

Hier geht’s zu

Zeit-Autoren* und -Korrespondenten* Teil

Beisenherz präsentiert und kommentiert

Apokalypse &

des Formats.

gemeinsam mit wechselnden Gästen im

Der Tagesschau Zukunfts-Podcast: mal an-

Filterkaffee,

lockeren Ton die „frisch gebrühten Schlag-

genommen – ARD-aktuell (Platz 17)

zeilen des Tages“. Der ca. halbstündige

Wöchentlich spielen zwei Moderatoren* im

Podcast erscheint dreimal wöchentlich

Tagesschau Zukunfts-Podcast ein gesell-

und kommt mit festen Kategorien eher im

schaftliches Gedankenexperiment durch

Magazin-­Charakter daher.

… zu mal

und befragen dafür mehrere Experten* zum

angenommen,

Thema. Abschließend werden die Ergebnisse der knapp halbstündigen Folge in einem

Auf den Punkt – Süddeutsche Zeitung (Platz 34)

In gut zehn Minuten informiert die Süddeut-

Worst-Case- und einem Best-Case-Szenario

sche Zeitung täglich über aktuelle Themen.

zusammengefasst. Die besprochenen Ideen

Den zeitlichen Großteil des Podcasts nimmt

reichen vom zentral organisierten Schul-

ein ausführliches Interview zum Schwer-

… zu

system bis zum „Bruttonationalglück“ als

punkt-Thema des Tages ein, danach folgen

Auf den Punkt,

Wirtschaftsindikator (vgl. das Fallbeispiel

zwei bis drei unkommentierte Nachrichten-

in Kapitel 6.2).

meldungen. Moderiert wird das Format im

Zurück zum Thema – detektor.fm (Platz 21)

Wechsel von unterschiedlichen Redakteu-

Das „Podcast-Radio“ detektor.fm widmet

ren* der SZ (vgl. das Fallbeispiel in Kapi-

sich täglich zehn Minuten lang einem ak-

tel 7.1).

… zu Zurück

tuellen kontroversen Thema. Kern des Pod-

zum Thema,

casts sind meist zwei Experten*-Interviews, die von wechselnden Redakteuren* durchgeführt und präsentiert werden. Lage der Nation – Philip Banse, Ulf Buermeyer (Platz 21)

Steingarts Morning Briefing – Gabor Steingart (Platz 33) Der ehemalige Handelsblatt-Herausgeber und Gründer des Medienunternehmens Media Pioneer berichtet in seinem täglichen Morning-Briefing vergleichsweise ausführ-

… zu Steingarts

Einmal pro Woche besprechen Jurist Ulf

lich über das Weltgeschehen. Interviews

Morning Briefing

Buer­meyer und Journalist Philip Banse im

mit Experten* und prominenten Persönlich-

ausführlichen Dialog die aktuellen politi-

keiten sind dabei regelmäßiger Bestandteil

schen Ereignisse. Regelmäßig enthält der

des ca. 30-minütigen Podcasts, genauso

Podcast auch kurze Experten*-Interviews.

wie ein Börsenbericht aus New York.

Die Folgenlänge variiert zwischen einer und … und zu Lage der Nation

104

zwei Stunden.

Handelsblatt Morning Briefing – Hans-­ Jürgen Jakobs, Handelsblatt-Redaktion (Platz 42)


Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten

Das tägliche „Morning Briefing“ von

Podcast-Kultur interpretiert werden können.

Hans-Jürgen Jakobs, dem Senior Editor des

Ausgewählt wurden zwei Podcasts, die auf

Handelsblatt, informiert in knapp zehn Mi-

einschlägigen Medien-Websites häufiger als

nuten meinungsstark über das Weltgesche-

hochwertige Formate empfohlen werden:

hen. Der wirtschaftliche Fokus der Düssel Die Wochendämmerung – Katrin Rönicke,

dorfer Tageszeitung spiegelt sich auch im

Holger Klein (hauseins)

Podcast deutlich wider.

Am Ende jeder Woche bespricht Katrin Rö-

Mit mal angenommen ist ein PC aus dem öffent-

nicke, Gründerin des Podcast-Labels haus-

Von ARD

lich-rechtlichen Bereich dabei. Was jetzt? von

eins, mit dem Hörfunkjournalisten Holger

bis „Indie“

der Zeit, Auf den Punkt von der Süddeutschen

Klein im lockeren Dialog aktuelle politische

Zeitung und das Handelsblatt Morning Brie-

Themen. Angereichert werden die ein- bis

fing stammen aus etablierten Medienhäusern.

zweistündigen Folgen regelmäßig mit ein-

Lage der Nation von Banse/Buermeyer wird

gespielten Rechercheinterviews sowie jede

als einziges Format von „freien Medienschaf-

Woche mit einem Beitrag der Politikwissen-

fenden“ produziert. Zurück zum Thema von

schaftlerin Sham Jaff. Y Politik – Tanja Hille, Vincent Venus

detektor.fm sowie Apokalyse und Filterkaffee von Beisenherz/Studio Bummens werden bei

Die Politikwissenschaftler* Tanja Hille und

aller Verschiedenartigkeit unter dem Dach der

Vincent Venus diskutieren in ihrem Pod-

„privaten Audio-Dienstleister“ geführt. Dies

cast-Projekt einmal im Monat „Lösungen für

gilt auch für Gabor Steingarts Morning Brie-

das dritte Jahrtausend“. Das Konzept: Einer*

fing, an dessen Unternehmen Media Pioneer

von beiden präsentiert das Problem mit ent-

Hier geht’s zum

die Axel Springer SE zwar mit über einem Drit-

sprechendem Lösungsvorschlag, die andere

Handelsblatt

tel Stammkapital beteiligt ist. Steingart dürfte

Person geht unvorbereitet in die Folge.

Morning Briefing,

sein Unternehmen jedoch nicht als „etabliert“ im Sinne von „lange bestehend“ betrachten, sondern eher als Start-up. Als Gegenprobe zu den acht Top-50-Pod-

8.4 Die journalistische Qualität deutscher Politik-Podcasts

casts werden zwei politische Podcasts in die

Inwiefern werden die zehn ausgewählten Pod-

… zu Die Wochen-

Analyse aufgenommen, die nicht in den Charts

casts nun den Maßstäben journalistischer Qua-

dämmerung

gelistet sind. So kann stichprobenartig über-

lität gerecht? Und inwieweit sind diese Maß-

prüft werden, ob gewisse Qualitätsmerkmale

stäbe mit den Ansprüchen jüngerer Nutzer*-

entweder als Reichweitenfaktor gelten oder

gruppen an journalistische Formate vereinbar?

auch weniger populäre Formate journalistische

Dazu wurden die zehn Podcasts im Rahmen

Qualitätsansprüche erfüllen – und die Ansprü-

einer qualitativen Inhaltsanalyse untersucht.

che somit als potentiell universaler Aspekt der

Zentrales Element dieser Methode ist die Be-

… und zu Y Politik

105


Den richtigen Ton treffen

Methodik der

wertung des Untersuchungsmaterials (Text

schiedlicher Podcast-spezifischer Indikatoren

Untersuchung

und Ton von insgesamt 30 Folgen der zehn PC)

innerhalb der jeweiligen Kategorie (vgl. den

anhand eines Kategoriensystems (vgl. Mayring

Codierleitfaden in Anhang D).23 Dabei werden

2015, Rössler 2017, Schreier 2014). Die Grund-

sowohl die einzelnen thematischen Beiträge

lage dafür bildet im Fall dieser Studie ein Kri-

jeder Podcast-Folge als auch – basierend auf

terienkatalog, der sowohl klassische journa-

diesen Einzelwertungen – die gesamte Folge

listische Qualitätsmerkmale als auch die Be-

bewertet. Beiträge ohne eindeutigen Themen-

dürfnisse der jungen Zielgruppe miteinbezieht

bezug (zum Beispiel Intro und Outro) werden

(Tabelle 6).

in die Gesamtbewertung der Folgen allerdings

Dabei definieren sich übergeordnete Krite-

nicht miteinbezogen, da sie in der Regel in

rien wie zum Beispiel Glaubwürdigkeit durch

allen Kategorien einen recht hohen Wert auf-

mehrere Unterkriterien. Die Ausprägungen

weisen und dadurch den Gesamteindruck ver-

jeder (Unter)Kategorie bilden eine Skala von

fälschen würden.

1 (Kriterium nicht erfüllt) bis 5 (Kriterium voll-

Insgesamt definieren sechs Haupt- und

ständig erfüllt), mit den dazwischenliegenden

sieben Unterkriterien den in dieser Studie an

Abstufungen 2 (kaum erfüllt), 3 (teilweise er-

die Podcasts angelegten Maßstab für zielgrup-

Journalistische

füllt) und 4 (überwiegend erfüllt). Bestimmt

pengerechte journalistische Qualität. Zu den

Qualitätskriterien

werden die Ausprägungen anhand unter-

grundlegenden Qualitätsmerkmalen zählen:

Tabelle 6 Katalog der erfassten journalistischen Qualitätskriterien

Hauptkriterien

Unterkriterien

Funktion

Vielfalt Relevanz

Themenselektion

Aktualität Glaubwürdigkeit

Transparenz Neutralität

Zugänglichkeit

Verständlichkeit Kontext & Kritik

Unterhaltsamkeit

Narrative Elemente Emotionalität Personalisierung

Inhaltliche Qualität

Quelle: Eigene Darstellung.

23 Ein gewisses Maß an Subjektivität bei der Beurteilung des Untersuchungsmaterials ist hier unvermeidbar. Annähernde Objektivität könnte höchstens durch eine repräsentative Nutzer*befragung erzielt werden.

106


Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten

Vielfalt: Durch eine Vielfalt an Themen,

der Aspekt der „Vielfalt“ kurz erläutert werden.

Argumenten, Akteuren* und Quellen soll

Denn aus der Anzahl der behandelten Themen

Qualitätsjournalismus die Teilbereiche der

sowie der Zahl der Akteure* im Podcast lassen

Gesellschaft in ihrer Diversität darstellen.

sich Rückschlüsse über die Themen- und Mei-

Der Kommunikationswissenschaftler Klaus

nungsvielfalt der einzelnen Formate ziehen.

Arnold weist jedoch darauf hin, dass vom Journalismus dabei „keine unbegrenzte

Vielfalt der untersuchten Podcasts

Vielfalt erwartet werden [könne]“ (Arnold

Die größte Themenvielfalt ist mit deutlichem

2009: 168). Journalistische Berichterstat-

Abstand der Wochendämmerung von hauseins

tung erfordert stets einen Selektionspro-

zuzuschreiben (Abbildung 26). Katrin Rönicke

zess, der unter anderem auch nach den

und Holger Klein besprechen in den über ein-

Kriterien Relevanz und Aktualität erfolgt.

einhalbstündigen Folgen im Durchschnitt gan-

Relevanz: Berichtet werden soll über die

ze 14 Themen. Philip Banse und Ulf Buer­meyers

Ereignisse, die „für möglichst große Teile

Lage der Nation sowie Apokalypse & Filterkaf-

der Gesellschaft“ (Arnold 2009: 172) von

fee mit Micky Beisenherz weisen mit acht bis

Bedeutung sind, also für die breite Bevöl-

neun Themen ebenfalls eine hohe Vielfalt pro

kerung Relevanz haben. Freilich variiert da-

Folge auf. Allerdings ist anzumerken, dass eine

bei der Relevanzbegriff je nach Medium und

große Themenanzahl nicht in jedem Fall auf

dessen Rezipienten*kreis.

eine qualitativ hochwertige Berichterstattung

Aktualität: Auch die Aktualität eines Er-

schließen lässt. So widmen sich Banse und

eignisses gilt als Kriterium für den Ent-

Buermeyer in Lage der Nation einem Thema

scheidungsprozess, der einer vielfältigen

durchschnittlich zehn Minuten lang und liefern

Berichterstattung vorausgeht. Die ver-

dadurch eine weitaus tiefgreifendere Bericht-

mittelten Informationen sollen für die Ge-

erstattung als zum Beispiel Micky Beisenherz,

sellschaft „aktuell und zukünftig“ (Arnold

der in Apokalypse & Filterkaffee zwar eine grö-

2009: 172) von Bedeutung sein.

ßere Anzahl an Themen behandelt, jedoch im Schnitt nur knapp drei Minuten pro Thema auf-

Die drei Kriterien Vielfalt, Relevanz und Ak-

wendet (vgl. Anhang C, Abbildung C3). Außer­

tualität zählen zwar zu den grundlegendsten

dem bestimmt sich die Themenvielfalt eines

journalistischen Qualitätsmerkmalen, finden

Formats nicht aus der bloßen Anzahl, sondern

in der Berichterstattung jedoch vorrangig bei

auch aus der inhaltlichen Ausrichtung seiner

der Selektion der Themen Anwendung (siehe

Beitragsthemen. So behandelt beispielswei-

Tabelle 6). Für die inhaltliche Ausgestaltung

se das Handelsblatt Morning Briefing vom

einzelner Medienformate nehmen sie eine

1. Dezember 2020 zwar fünf unterschied­liche

eher untergeordnete Rolle ein. Daher wurden

Themen, allein drei davon sind jedoch den

sie im Rahmen der Inhaltsanalyse nicht expli-

Themen­gebieten

zit berücksichtigt. Trotzdem soll insbesondere

und „Unternehmensaktivitäten“ zuzuordnen.

Viel ≠ vielfältig

„Unternehmensbilanzen“

107


Den richtigen Ton treffen

Die Vielfalt der Akteure*24, hier gemessen

Glaubwürdigkeit der untersuchten Podcasts

an der Anzahl, liegt bei einem Großteil der

Eine glaubwürdige Berichterstattung ist nach-

Podcasts deutlich unter der Themenanzahl

vollziehbar und unparteiisch. Folgende Unter-

(Abbildung 26). Lediglich beim tagesschau Zu-

kriterien zahlen auf das Qualitätskriterium ein:

kunfts-Podcast: mal angenommen, und Gabor Steingarts Morning Briefing sind durchschnitt-

Transparenz: Glaubwürdiger Journalismus

lich mehr als fünf Akteure* involviert. Die ge-

legt seiner Berichterstattung eine umfas-

ringe Zahl der beteiligten Akteure*, insbeson-

sende Recherche zugrunde. Dabei werden

dere im Verhältnis zur größeren Themenvielfalt

alle relevanten Informationen zum jewei-

Defizite bei der

ist mit Verweis auf das Qualitätsmerkmal der

ligen Thema zusammengetragen und an-

Meinungsvielfalt?

Meinungsvielfalt vor allem bei nachrichtlichen

hand seriöser Quellen überprüft und be-

Formaten kritisch zu sehen. Allerdings sei auch

legt, um die Richtigkeit der Informationen

hier angemerkt, dass die Anzahl der beteiligten

zu gewährleisten. Um es den Rezipienten*

Akteure* nur bedingt Rückschlüsse auf die Viel-

zu ermöglichen, die Glaubwürdigkeit der

falt der im Podcast repräsentierten Meinungen

Infor­mationen selbstständig zu beurteilen,

zulässt: So können Gegenpositionen zum Bei-

müssen diese Quellen und die Recherche-

spiel auch im kritischen Dialog zwischen den

wege für die Nutzer* nachvollziehbar sein.

Hosts* zur Erwähnung kommen.

Konkret geht es hier um folgende Indikato-

Abbildung 26

Vielfalt von Themen und Akteuren* in den untersuchten Formaten (Anzahl pro Folge, Mittelwert) 15

10 Themen Akteure*

5

m al

W as je t

zt ? an ge no m Zu m rü en ck zu m Th em La a ge de rN at io n Ap ok Fi al lte yp rk se aff & Au ee fd en St Pu ei nk ng t ar ts M Br orn ie in fin g M or Ha g ni n d ng e Br lsb ie la fin tt Di g e dä W m o m ch er en un g Y Po lit ik

0

Quelle: Eigene Darstellung. Untersucht wurden die jeweils zum 01.12.2020 drei aktuellsten Folgen pro Podcast.

24 Als Akteure* wurden in der Inhaltsanalyse sowohl die Moderatoren* als auch Interviewpartner* und O-Ton-Geber* gewertet. Lediglich anonyme Stimmen, zum Beispiel bei Hörer*-Umfragen, wurden nicht berücksichtigt.

108


Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten

ren: Die Überprüfbarkeit von Quellen, die

Meinungen und Akteuren*) erfasst, ebenso

Nachvollziehbarkeit des Recherchewegs,

wie überprüft wurde, ob Nachricht und Mei-

das korrekte Belegen von Aussagen (zum

nung deutlich getrennt werden (zum Bei-

Beispiel durch O-Töne), die Offenlegung

spiel durch eine explizite Kennzeichnung in

persönlicher Interessen (beispielsweise

Form von akustischen Signalen oder ent-

finanzieller Natur) und die Kennzeichnung

sprechenden sprachlichen Hinweisen).

persönlicher Einschätzungen. Neutralität: Eine glaubwürdige Bericht-

Um die Podcasts in den (Unter)Kategorien ver-

Unser Bewertungs-

erstattung ist außerdem unabhängig von

gleichen zu können, wurden aus den Bewer-

schema

fremden Interessen und externen Einflüs-

tungen der einzelnen Podcast-Folgen relative

sen – gemeint sind hier insbesondere die

Werte errechnet. Sie zeigen an, wie viel Prozent

wirtschaftliche und die politische Einfluss-

der maximal möglichen Punktebewertung ein

nahme. Aus Hörer*perspektive ist dieser

Podcast in einer bestimmten Kategorie erreicht

Aspekt allerdings kaum überprüfbar. Da­

hat. Um die PC-Formate direkt vergleichbar zu

rüber hinaus zeichnet sich glaubwürdiger

machen – den Vergleich also über die Folgen­

Journalismus auch durch eine unpartei­

ebene hinaus zu ermöglichen – werden im Fol-

ische und ausgewogene Darstellung von

genden die Mittelwerte aus den Bewertungen

Akteuren* und Meinungen sowie durch eine

der jeweils drei analysierten Podcast-Folgen

klare Trennung von Nachricht und Meinung

gegenübergestellt. Bei der inhaltlichen Ein-

aus (Arnold 2009: 497-498). Konkret wur-

ordnung der Werte findet folgende Abstufung

de als Indikator die Ausgewogenheit (von

Anwendung (vgl. Tabelle 7):

25

Tabelle 7 Bewertungskategorien Prozentualer Wert

Ausprägung der jeweiligen Kategorie

100–81 %

Kriterium durchweg erfüllt

80–61 %

Kriterium überwiegend erfüllt

60–41 %

Kriterium teilweise nicht erfüllt

40–21 %

Kriterium kaum erfüllt

20–1 %

Kriterium nicht erfüllt Quelle: Eigene Darstellung.

25 Ähnlich wie beim Kriterium der Vielfalt ist eine vollständige Unabhängigkeit im Journalismus aber aufgrund der strukturellen Gegebenheiten unmöglich: So ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch die Rundfunkgesetze an das politische System geknüpft und anzeigenfinanzierte Zeitungen sind unweigerlich auch in wirtschaftliche Prozesse eingebunden.

109


Den richtigen Ton treffen

Der Großteil der analysierten Podcast-For-

jedoch keine Belege für eine entsprechende

mate stellte sich im Mittel nur als „überwiegend

Aussage des Landeschefs (Jakobs 1.12.20, TC:

transparent“ heraus (Abbildung 27). Lediglich

00:02:47 – 00:02:56). Und Vincent Venus be-

der tagesschau Zukunfts-Podcast: mal ange-

zieht sich in Y Politik auf „eine Studie zu den

nommen und Zurück zum Thema von detektor.

[politischen] Talkshows 2019“, ohne aber deren

fm liegen mit ihren Durchschnittswerten von

Titel oder Herausgeber zu nennen (Hille/Venus

86 und 90 Prozent im Bereich der Ausprägung

16.11.20, ab TC 00:23:46).

Unbelegte Fakten

„durchweg transparent“ – jedoch weisen da-

In der Unterkategorie Neutralität schnei-

mit Meinungs-

bei nicht alle der drei analysierten Folgen den

den die meisten Podcasts im Vergleich zur

einschlag?

entsprechenden Wert auf. Das bedeutet im

Transparenz jedoch noch deutlich schlechter

Umkehrschluss: Alle analysierten Formate und

ab (Abbildung 27). Am prägnantesten zeigt

nahezu alle einzelnen Folgen enthalten Infor-

sich der Unterschied bei den Dialog-Formaten

mationen, die für die Hörer* nicht ausreichend

Lage der Nation, Wochendämmerung und Apo-

nachvollziehbar sind. So berichtet Hans-Jürgen

kalypse & Filterkaffee, die nicht nur von einer

Jakobs im Handelsblatt Morning Briefing, Sach-

lockeren Gesprächsatmosphäre, sondern auch

sen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff

verstärkt von persönlichen Einschätzungen der

wolle „einfach den Rundfunkstaatsvertrag wie-

Moderierenden geprägt sind. So findet es zum

der aufbohren und nachverhandeln“, liefert

Beispiel Philip Banse „sicherlich eine gute

Abbildung 27

Die Glaubwürdigkeit (Transparenz/Neutralität) der untersuchten Formate 100 %

100–81 %: Kriterium durchweg erfüllt 80–61 %: Kriterium überwiegend erfüllt 60–41 %: Kriterium teilweise nicht erfüllt 40–21 %: Kriterium kaum erfüllt 20–1 %: Kriterium nicht erfüllt

80 % 60 % 40 % 20 %

Transparenz Neutralität

om Zu m rü en ck zu m Th em La a ge de rN at io n Ap ok Fi al lte yp rk se aff & Au ee fd en St Pu ei nk ng t ar ts M Br orn ie in fin g M or Ha g ni n ng de l Br sb ie la fin tt Di g dä e W m o m ch er en un g Y Po lit ik

m al

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W as je t

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0 %

Quelle: Eigene Darstellung.

110


Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten

Idee“, die Elektromobilität weiterhin zu för-

nachzuvollziehen und die individuellen Folgen

dern (Banse/Buermeyer 21.11.20, TC 01:28:57)

der Ereignisse abzuschätzen. Die dazugehöri-

und Holger Klein hat in der Wochendämmerung

gen Unterkriterien lauten:

„das Gefühl, dass die Industriestruktur im Osten lange nicht so rosig [ist] wie im Westen“

Verständlichkeit: Mit Rückgriff auf das

(Rönecke/Klein 13.11.20, TC 00:35:45). Zudem

Mediennutzungsverhalten

der

jungen

wird hier eine Diskrepanz zwischen etablierten

Ziel­ gruppe, kommt der Verständlichkeit

Medienhäusern und den Produktionen priva-

als Unterkriterium eine entscheidende

ter Audio-Dienstleister sichtbar: Während sich

Rolle zu. So gaben Kümpels Studienteil-

die Formate von Zeit Online (Was jetzt?), der

nehmer* an, Nachrichten lediglich als

Süddeutschen Zeitung (Auf den Punkt) und der

Nebenbei-­Beschäftigung zu konsumieren,

Tagesschau (mal angenommen) mit Werten

„die fragmentarisch, unterwegs auf dem

zwischen 67 und 71 Prozent als „überwiegend

Smartphone und primär zur Bekämpfung

neutral“ einstufen lassen, fallen die meisten

von Langeweile stattfindet“ (Kümpel 2020:

Tendenziöse

Podcasts privater Audio-Dienstleister* in die

24). Die verständliche und kompakte Über-

Privat-

Ausprägungen „teilweise wertend“, Apoka-

mittlung komplexer Informationen scheint

produktionen

lypse & Filterkaffee von Micky Beisenherz wird

daher unabdingbar, um die Inhalte auch

sogar als „überwiegend wertend“ eingestuft.

beim Nebenbei-Konsum ohne Informa­

Zwei Ausnahmen bilden hier das Handelsblatt

tionsverlust an die Zielgruppe zu übermit-

Morning Briefing, das sich mit 57 Prozent Neu­

teln. Überprüft wurde daher, ob komplexe

tralität eher im Stellenbereich der Privatpro-

Sachverhalte ausreichend erläutert, ohne

duktionen bewegt, sowie das Kurzformat Zu-

Informationsverlust vereinfacht und ob an-

rück zum Thema vom Privatradio detektor.fm,

schauliche Darstellungen von Sachverhal-

das mit 69 Prozent den zweithöchsten Neutra-

ten und Zusammenhängen (zum Beispiel

litätswert im gesamten Ranking aufweist.

durch konkrete Beispiele oder O-Töne) geliefert wurden.

Zugänglichkeit der untersuchten Podcasts

Kontext und Kritik: Zugänglicher Journalis-

Eine zugängliche Berichterstattung vermittelt

mus bildet relevante Ereignisse nicht bloß

komplexe Sachverhalte verständlich und an-

ab. Er ordnet das Weltgeschehen im größe-

schaulich an die breite Bevölkerung, liefert

ren Kontext ein, macht dadurch übergeord-

anwendbare Lösungsansätze für gesellschaft-

nete Systemzusammenhänge sichtbar und

liche Probleme und bettet Ereignisse in den

liefert Mediennutzern* so eine differen-

übergeordneten Kontext ein (Arnold 2008: 495,

zierte Wissensgrundlage zur Meinungsbil-

Arnold 2009: 216). Eine kritische Einordnung

dung (Arnold 2009: 178). Anschaulich wird

des Geschehens ermöglicht es dem Publikum,

das zum Beispiel bei der Berichterstat-

die Handlungsmotive politischer Akteure*

tung zur US-Präsidentschaftswahl 2020.

111


Den richtigen Ton treffen

Auch hierzulande gaben die meisten Quali­

Zwischen den Unterkriterien Verständlichkeit

täts­medien nicht nur den Verlauf der TV-­

und „Kontext und Kritik“ wird bei nahezu allen

Debatten oder aktuelle Umfrageergebnisse

Podcasts eine erhebliche Diskrepanz deutlich

wieder, sondern lieferten ihrem Publikum

(Abbildung 28): Der Großteil der Podcasts kann

weiterführende Einschätzungen: Sie klär-

mit Werten über 80 Prozent als „durchweg ver-

ten zum Beispiel über die entscheidende

ständlich“ bewertet werden. Die einzigen Aus-

Rolle der sogenannten Swing States auf

nahmen bilden hier Die Wochendämmerung

(vgl. Pickert/Gaus 2020, Gatzke et. al 2020,

und Apokalypse & Filterkaffee, die bei ihren Hö-

Kohlwes 2020) oder diskutierten potenziel-

rern* zuweilen ein breites aktuelles oder fach-

le Folgen der möglichen Wahlausgänge (vgl.

liches Vorwissen voraussetzen. So vermeldet

Infos

Utz 2020, Der Spiegel 2020). Erfasst wurde

Micky Beisenherz zum Beispiel die Genesung

ohne Kontext

somit, ob mögliche Handlungsmotive der

von Romain Grosjean, erwähnt jedoch weder

Akteure* beleuchtet und mögliche Folgen

die Profession des Formel1-­Fahrers, noch er-

des Geschehens aufgezeigt wurden. Zudem

läutert er die Umstände seines Unfalls (Beisen-

floss in das Unterkriterium „Kontext und Kri-

herz/Studio Bummens 30.11.20, TC 00:18:50–

tik“ ein, ob Lösungsansätze diskutiert und

00:19:53). Und Katrin Rönicke spricht in der

Aussagen und Ereignisse kritisch eingeord-

Wochendämmerung gut vier Minuten lang

net wurden.

über ein Online-Portal für „Green ETFs“, ohne

Abbildung 28

Die Zugänglichkeit (Verständlichkeit/Kontext & Kritik) der untersuchten Formate 100 %

100–81 %: Kriterium durchweg erfüllt 80–61 %: Kriterium überwiegend erfüllt 60–41 %: Kriterium teilweise nicht erfüllt 40–21 %: Kriterium kaum erfüllt 20–1 %: Kriterium nicht erfüllt

80 % 60 % 40 % 20 %

Verständlichkeit Kontext und Kritik

om Zu m rü en ck zu m Th em La a ge de rN at io n Ap ok Fi al lte yp rk se aff & Au ee fd en St Pu ei nk ng t ar ts M Br orn ie in fin g M or Ha g ni n ng de Br lsb ie la fin tt Di g e dä W m o m ch er en un g Y Po lit ik

m al

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zt ?

0 %

Quelle: Eigene Darstellung.

112


Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten

nicht börsenaffine Hörer* über die Begrifflich-

raschungen“ darum, durch szenische Erzäh-

keit oder das grundsätzliche Vor­ gehen bei

lung und emotionalisierende Elemente „ein Er-

der Geldanlage aufzuklären (Rönicke/Klein

lebnis zu liefern und den Prozess erfahrbar zu

20.11.20, TC 00:53:38–00:57:51).

machen“ (Preger 2019: 265-266). Dazu könnte

Die kontextuelle Einordnung des Welt­

auch die Personalisierung, also das Darstellen

geschehens bleibt bei allen Formaten hingegen

von Inhalten anhand der Erlebnisse einzelner

stellenweise aus. So fallen mit vier von zehn

Personen, beitragen: Die jeweiligen Protago-

fast die Hälfte der Podcasts mit Werten unter

nisten* werden zu Identifika­tionsfiguren für

40 Prozent in die Ausprägung „kaum einord-

die Rezipienten* und lassen sie die Geschichte

nend“, drei weitere Formate werden mit Wer-

„miterleben“ (vgl. Kapitel 8.2). Laut Preger ist

ten zwischen 40 und 60 Prozent immerhin als

die narrative Ebene für den Erfolg journalis-

„teilweise einordnend“ eingestuft. Eine „über-

tischer Angebote entscheidend. Auch „doku­

wiegend einordnende“ Berichterstattung und

mentarische Narrationen“ wie Serial (vgl.

Werte über 60 Prozent können jedoch lediglich

Kapi­tel 4.1) verortet Preger dadurch im System

Lage der Nation, Y Politik und mal angenom-

Journalismus und betont, dass sie journalis-

men vorweisen.

tischen Wertevorstellungen genauso unter­ lägen wie die traditionelle Berichterstattung.

Unterhaltsamkeit der untersuchten Podcasts

Das heißt im Umkehrschluss: Ein journalisti-

Eine unterhaltsame Ausgestaltung macht Me-

sches Format kann Unterhaltungswert haben

dienformate insbesondere für die jungen Nut-

und dennoch ein „angemessenes Abbild der

zer* attraktiv (vgl. Kapitel 8.2) und stellt damit

Realität liefern“ (Preger 2019: 266).

auf Publikumsebene ein entscheidendes Qua-

Das Kriterium der Unterhaltsamkeit reprä-

litätskriterium dar. So steigern zum Beispiel

sentiert in der Inhaltsanalyse also die Anfor-

emotionalisierende Elemente wie szenische

derungen der jungen Mediennutzer* und um-

O-Töne oder Musik, aber auch eine lebendige

fasst sowohl narrative als auch emotionale und

sprachliche Gestaltung den Unterhaltungswert

personalisierende Elemente. Konkret wurden

der Berichterstattung. Gemeinhin wird jour-

folgende Unterkategorien mit ihren jeweiligen

nalistische Unterhaltung durch das Erzählen

Indikatoren erfasst:

spannender Geschichten erzeugt, durch sogenanntes Storytelling. Hörfunk-Journalist und

Narrative Elemente: Dazu wurde unter-

Podcaster Sven Preger (2019: 264) spricht hier

sucht, inwiefern mit Musik, Hintergrund-

bei PC lieber von „Story-Faktoren“. Während

geräuschen (sogenannter Atmo) oder Jing-

Nachrichtenfaktoren wie Aktua­lität oder Rele-

les, also kurzen und einprägsamen Erken-

vanz vor allem für die Auswahl eines bestimm-

nungsmelodien, gearbeitet und O-Töne

ten Themas ausschlaggebend seien, gehe es

(zum Beispiel Veranstaltungsmitschnitte,

bei Story-Faktoren wie „Botschaft“ oder „Über-

Filmausschnitte, Interviews) verwendet

Aufs Storytelling kommt es an

113


Den richtigen Ton treffen

Emotion vs.

wurden. Zudem wurde erfasst, ob Zitate

Erzählungen – vor allem auf emotionaler Ebene

Narration

(beispielsweise aus Zeitungsartikeln) und

unterhalten (und mit Werten über 60 Prozent als

Erzählsprache (zum Beispiel in Form erzäh-

„überwiegend emotionalisiert“ zu bezeichnen

lerischer Schilderungen des Recherchevor-

sind), setzen Magazin- und News-Formate wie

gangs) zum Einsatz kamen.

mal angenommen, Steingarts Morning Briefing

Emotionalität: Hierunter fielen emotionali-

und Zurück zum Thema verstärkt auf narrati-

sierte Sprache (zum Beispiel Superlative,

ve Elemente wie den Einsatz von O-Tönen oder

Häufung von Adjektiven), Tonalität (bei-

musikalische Untermalung. Auffällig ist aller-

spielsweise erhöhte Lautstärke, Sprech-

dings, dass alle analysierten Podcasts in der

geschwindigkeit, veränderter Stimmklang)

Unterkategorie Emotionalität einen Wert von

und Humor (Lachen, Witze, Ironie etc.). Zu-

über 40 Prozent aufweisen, also allesamt als

sätzlich wurden persönliche Erzählungen

mindestens „teilweise emotional“ einzustufen

(wenn der Host* beispielsweise Details

sind. Der Einsatz emotionalisierender Elemente

aus seinem Privatleben preisgibt) und der

scheint bei der Unterhaltsamkeit von PC also

direkte Einbezug der Hörer* (zum Beispiel

insgesamt eine bedeutsame Rolle zu spielen.

über Fragen wie „Kennt ihr das?“ oder die

Alle untersuchten Podcasts weisen auch

Vorstellung der Hosts*) als Indikatoren für

gewisse Tendenzen zur Personalisierung auf,

die Emotionalität der Podcasts erfasst.

eine übermäßige Personalisierung der Bericht-

26

Personalisierung: Als Indikator für die

erstattung ist bei den meisten Podcasts jedoch

Personalisierung wurde erfasst, inwiefern

nicht zu beobachten: Sieben der zehn Formate

in den Podcasts Sachverhalte anhand der

lassen sich mit Mittelwerten zwischen 23 und

persönlichen Geschichte einzelner Protago-

35 Prozent als „kaum personalisiert“ einord-

nisten* dargestellt werden.

nen. Eine höhere Personalisierung lässt sich

27

lediglich bei Apokalypse & Filterkaffee, SteinAbbildung 29 verdeutlicht, dass das Ausmaß

garts Morning Briefing und vor allem beim

unterhaltsamer Elemente bei den analysierten

Handelsblatt Morning Briefing feststellen, das

Podcasts stark variiert. Jedoch lassen sich eini-

mit 70 Prozent den höchsten Wert in der Kate-

ge formatspezifische Regelmäßigkeiten erken-

gorie verzeichnet. Bei den drei Formaten wer-

nen: Während Dialogformate wie Die Wochen­

den allerdings unterschiedliche Ausprägun-

dämmerung, Y Politik und Lage der Nation

gen einer personalisierten Berichterstattung

ihre Hörer* – zum Beispiel durch persönliche

deutlich. So stehen im Handelsblatt Morning

26 Zwar dient die namentliche Vorstellung der Moderatoren* auch der Transparenz und trägt damit zur Glaubwürdigkeit eines Podcasts bei. Sie stärkt jedoch vor allem die Rolle des Hosts* als Identifikationsfigur für die Hörer*schaft. Um die Trennschärfe zwischen den einzelnen Kategorien zu wahren, soll sie daher ausschließlich in der Kategorie „Emotionalität“ verzeichnet werden. 27 Erfahrungsberichte in Form von Experten*-Interviews werden dabei nicht als personalisierendes Element gewertet, sofern sie keine persönlichen Erzählungen des Interviewpartners* beinhalten.

114


Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten

Briefing bei Meldungen zu Wirtschaftsereig-

Persönlichkeiten berichtet. So zum Beispiel

nissen und Unternehmensaktivitäten oft die

über einen Kommentar des Philosophen Peter

agierenden Führungspersönlichkeiten stark im

Sloterdijk zur Zukunft von Bundestrainer Jogi

Fokus der Berichterstattung: Die Jahresbilanz

Löw (Beisenherz/Studio Bummens 27.11.20,

der Deutschen Bahn sorge zum Beispiel dafür,

TC 00:19:34–00:22:56) oder über den Tod von

dass „die Welt von [Vorstandschef] Richard

Darth Vader-Darsteller David Prownes (Beisen-

Lutz ziemlich von Angst geprägt“ sei (Jakobs

herz/Studio Bummens 30.11.20, TC 00:00:37–

1.12.20, TC 00:01:54) und die (wirtschaft­

00:02:13). Bei Steingarts Morning Briefing

lichen) Entwicklungen in der Corona-Pandemie

lassen sich zuweilen beide Ausprägungen

werden über die persönliche Einschätzung von

feststellen.

Der „Promifaktor“

Kanzleramtschef Helge Braun abgehandelt (Jakobs 30.11.20, TC 00:05:20–00:06:42). Bei

Glaubwürdigkeit, Zugänglichkeit und

Apokalypse & Filterkaffee hingegen zeigt sich

Unterhaltsamkeit im Vergleich

die Tendenz zur Personalisierung bereits in

Abbildung 30 stellt die Ergebnisse der einzel-

der Themenauswahl: Neben dem politischen

nen Hauptkategorien in der Gesamtschau dar.

Tagesgeschehen wird häufig auch über Erfol-

Dabei wurden für die Errechnung der Werte in

ge, Misserfolge oder Schicksale prominenter

den drei Hauptkategorien einzelne Unterkrite-

Abbildung 29

Die Unterhaltsamkeit (Narrative Elemente/Emotionalität/Personalisierung) der untersuchten Formate

100 %

100–81 %: Kriterium durchweg erfüllt 80–61 %: Kriterium überwiegend erfüllt 60–41 %: Kriterium teilweise nicht erfüllt 40–21 %: Kriterium kaum erfüllt 20–1 %: Kriterium nicht erfüllt

80 % 60 % 40 % 20 %

Narrative Elemente Emotionalität Personalisierung

m al

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0 %

Quelle: Eigene Darstellung.

115


Den richtigen Ton treffen

Gewichtung der

rien stärker gewichtet. So wurde in der Katego-

weiterführend ein, stellt die Thematik jedoch

Qualitätskriterien

rie Glaubwürdigkeit die Unterkategorie Trans-

so komplex dar, dass sie ohne Vorwissen nicht

parenz mit dem Faktor 1,5 gegenüber der Unter­

zu verstehen ist, verfehlt er seinen Zweck

kategorie Neutralität gewichtet. Der Grund ist,

gänzlich. Das Unterkriterium Verständlichkeit

dass eine meinungsstarke, aber nachvollzieh-

wird daher doppelt so stark gewichtet wie das

bare Berichterstattung eine glaubwürdigere

Unterkriterium „Kontext und Kritik“. Lediglich

Grundlage zur Meinungsbildung darstellt als

in die Kategorie Unterhaltsamkeit fließen alle

Informationen, die zwar sachlich präsentiert

Unterkriterien gleichberechtigt ein.

werden, jedoch nicht ausreichend belegt

Im Wesentlichen lassen sich aus der qua-

sind – Transparenz ist hier also das wichtigere

litativen Inhaltsanalyse der zehn Politik-Pod-

Kriterium. Ähnlich ist es mit den Unterkriterien

casts folgende Ergebnisse herausdestillieren:

Verständlichkeit und „Kontext und Kritik“ in der Hauptkategorie Zugänglichkeit: Eine ver-

1) Gute Zugänglichkeit: Insgesamt fällt bei

ständliche, aber wenig tiefgreifende Bericht-

allen analysierten Podcasts zunächst ihr

erstattung bietet immer noch eine brauchbare

hoher Wert in der Kategorie Zugänglichkeit

Informationsgrundlage für die Rezipienten*.

auf, der von einer überwiegend verständ-

Ordnet ein Beitrag das Geschehen hingegen

lichen und kritischen Berichterstattung

Abbildung 30

Glaubwürdigkeit, Zugänglichkeit und Unterhaltsamkeit der untersuchten Formate im Vergleich 100 %

100–81 %: Kriterium durchweg erfüllt 80–61 %: Kriterium überwiegend erfüllt 60–41 %: Kriterium teilweise nicht erfüllt 40–21 %: Kriterium kaum erfüllt 20–1 %: Kriterium nicht erfüllt

80 % 60 % 40 %

Unterhaltsamkeit Zugänglichkeit Glaubwürdigkeit

20 %

m al

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zt ? an ge no m Zu m rü en ck zu m Th em La a ge de rN at io n Ap ok Fi al lte yp rk se aff & Au ee fd en St Pu ei nk ng t ar ts M Br orn ie in fin g M or Ha g ni n ng de Br lsb ie la fin tt Di g e dä W m o m ch er en un g Y Po lit ik

0 %

Quelle: Eigene Darstellung.

116


Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten

zeugt. Die guten Werte kommen allerdings

2) Nicht durchgehend glaubwürdig und zuwei-

primär dadurch zustande, dass die unter-

len tendenziös: In der Gesamtschau stellen

suchten Podcasts vor allem in Sachen Ver-

sich die meisten Podcasts als „überwie-

ständlichkeit punkteten. Schwächen offen-

gend glaubwürdig“ heraus. Dabei schnei-

barten sich hingegen in der Unterkategorie

den die Podcasts fast durchgehend bei der

„Kontext und Kritik“. Dies ist ein durchaus

Quellen-Transparenz besser ab als in der

bemerkenswertes Ergebnis, denn gerade

Unterkategorie Neutralität, denn stellen-

weitgehend monothematische Podcasts

weise wirken die Podcasts tendenziös. Zu-

sollten die Möglichkeit bieten, Ereignisse

dem lässt sich festhalten, dass die Formate

in größere gesellschaftspolitische Kontex-

privater Audio-Dienstleister tendenziell als

te einzuordnen. An der Spitze der Gesamt­

weniger glaubwürdig einzustufen sind als

kategorie Zugänglichkeit liegt der tages-

die Podcasts etablierter Medienhäuser. So

schau Zukunfts-Podcast: mal angenommen

liegen die Werte bei den etablierten Medi-

mit einem Wert von 87 Prozent. Ebenfalls als

en zwischen 63 und 80 Prozent, bei Privat-

„durchweg zugänglich“ erwiesen sich die

produktionen zwischen 59 und 63 Prozent.

privaten Podcasts Y Politik und Lage der Na-

Der Podcast von detektor.fm bildet hier mit

tion sowie Zurück zum Thema vom Pod­cast-

ungeschlagenen 82 Prozent allerdings eine

Radio detektor-fm. Alle anderen Formate

Ausnahme und erreicht als einziges Format

schneiden als „überwiegend zugänglich“

den Schwellenwert zur Ausprägung „durch-

ab. Lediglich der witzlastige News-Pod-

weg glaubwürdig“.

Verständlich und meinungsstark

cast Apokalypse & Filterkaffee rutscht mit einem Mittelwert von 60 Prozent knapp in

3) Bewertung vor Transparenz? Als proble-

die Ausprägung „teilweise unzugänglich“:

matisch zu werten ist auch die relativ hohe

Moderator Micky Beisenherz liefert zu den

Diskrepanz zwischen Zugänglichkeit und

thematisierten Ereignissen reihenwei-

Glaubwürdigkeit, die sich bei fast allen

se mehr oder weniger spitze Pointen, die

Pod­casts abzeichnet. So bleibt der Wert in

vom Informationskern der Nachricht eher

der Kategorie Glaubwürdigkeit bei sieben

ablenken und dem Publikum keinen infor-

der zehn Formate deutlich hinter dem Zu-

mativen Mehrwert bieten. Oft erfordern sie

gänglichkeitswert zurück. Beim semi-pro-

außer­dem ein gewisses Spezialinteresse

fessionellen Podcast Y Politik liegen ganze

auf Hörer*seite. So zum Beispiel Beisen-

26 Prozentpunkte zwischen den beiden

herz‘ Kommentar zum AfD-Parteitag: „Wenn

Werten. Gabor Steingarts Morning Briefing

ich ältere, ramponierte Herren sehen will,

(18 Prozentpunkte) und Lage der Nation

da hätte ich auch den Kampf Tyson gegen

(17 Prozentpunkte) weisen ebenfalls eine

Jones gucken können“ (Beisenherz/Studio

besonders hohe Diskrepanz auf. Dies lässt

Bummens 30.11.20, TC 00:07:21).

darauf schließen, dass die Podcasts das

Transparenz kommt zu kurz

117


Den richtigen Ton treffen

Geschehen zwar ausführlich einordnen und

kaffee sogar nur ein Prozentpunkt. Kritisch

diskutieren, dabei jedoch stark wertend

betrachtet könnte dies bedeuten: Der hohe

oder wenig transparent vorgehen.

Unterhaltungsfaktor der privat produzierten Podcasts gefährdet die Glaubwürdigkeit

4) Unterhaltsamkeit spielt nur eine unterge-

ihrer Berichterstattung. Denn emotionale

ordnete Rolle: Die Kategorie Unterhaltsam-

Kommentare und persönliche Erzählungen

keit scheint in keinem direkten Zusammen-

tragen nicht nur zum Unterhaltungswert des

hang mit den beiden anderen Kriterien zu

jeweiligen Formats bei. Sie verstärken auch

stehen, jedenfalls sticht kein eindeutiges

seine subjektive Prägung und gehen damit

Muster ins Auge. Klar ist dagegen: Bei al-

auf Kosten der Neutralität – was gemäß dem

len Formaten ist der „Unterhaltungsfaktor“

Kriterienkatalog letztlich auch zu einem Ver-

geringer als die Werte von Glaubwürdig-

lust an Glaubwürdigkeit – und damit an jour-

keit und Zugänglichkeit, oft liegt er sogar

nalistischer Qualität – führen kann.

deutlich dahinter. Den geringsten Unterhaltungswert in der hier gewählten Definition weisen die beiden Podcasts Lage der Nation

8.5 Zwischenfazit

und Y Politik auf. Als Ursache lässt sich hier

Die empirischen Studien von Kramp/Weichert

vermuten, dass den Machern* deutlich we-

(2017) und Kümpel (2020) haben gezeigt, dass

niger (finanzielle) Ressourcen für die narra-

junge Menschen etablierte Medien als ver-

tive Ausgestaltung (Musikbett, O-Töne etc.)

lässliche Informationsquelle einschätzen und

zur Verfügung stehen als etablierten Pro-

diesen daher einen gewissen Vertrauensvor-

Vor allem bei den von

schuss entgegenbringen. Dieses Vertrauen

privaten Audio-Dienstleistern produzier-

scheint nach den Ergebnissen der Inhaltsana-

ten Podcasts fällt allerdings auf, dass sich

lyse zunächst gerechtfertigt: Die Podcasts der

die Werte der Kategorien Glaubwürdigkeit

Öffentlich-Rechtlichen und etablierten Medien-

und Unterhaltsamkeit einander annähern.

häuser erscheinen insgesamt deutlich glaub-

Während zum Beispiel bei Auf den Punkt,

würdiger als Privatproduktionen, wenn man

dem Nachrichten-Podcast der Süddeut-

Glaubwürdigkeit über die Parameter Quellen-

schen Zeitung, ganze 32 Prozentpunkte

transparenz und Neutralität definiert.

duktionshäusern.

28

Mit Vorsicht

zwischen den beiden Werten liegen, sind

Problematisch ist jedoch, dass ausnahms-

zu genießen

es bei der Wochendämmerung von haus-

los alle analysierten Formate in nicht unerheb-

eins nur 18 Prozentpunkte, bei Steingarts

lichem Maße unbelegte Informationen ent-

Morning Briefing und Apokalypse & Filter-

halten. Ausgerechnet die News-Podcasts Was

28 Hinter dem Verzicht auf unterhaltende Elemente könnte hier wie bei anderen Podcasts aber auch die Überzeugung stehen, einen möglichst seriös wirkenden Podcast ohne großen „Schnickschnack“ produzieren zu wollen.

118


Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten

jetzt? von Zeit Online und Auf den Punkt der

wurde, in der gesamten Medienwelt immer

Süddeutschen Zeitung weisen in der Katego-

weniger Geltung zu haben. Insofern bilden die

rie Transparenz mit die geringsten Werte auf.

Podcasts keine Ausnahme.

Dies mag zumindest teilweise auf die Formate

Dies muss jedoch nicht zwangsläufig dazu

zurückzuführen sein, bei denen Gespräche mit

führen, dass Journalismus im digitalen Zeit­alter

Redakteuren* und Korrespondenten* aus dem

an Glaubwürdigkeit verliert. Die Ergebnisse der

eigenen Hause im Mittelpunkt stehen und da-

Inhaltsanalyse bestätigen die These von Pre-

bei oft auch Einschätzungen gefragt sind. Aller­

ger (2019), dass narrative Strukturen mit einer

dings sollten es versierte Journalisten* noch

glaubwürdigen Berichterstattung grundsätz-

besser verstehen als zum Beispiel interviewte

lich vereinbar sind. Von wenigen Ausnahmen

Experten*, ihre Aussagen mit Quellen zu un-

abgesehen, nutzen die untersuchten Pod­casts

termauern.

allerdings narrative, mithin unterhaltende Ele-

Darüber hinaus ist zu beobachten, dass

mente in erstaunlich geringen Dosen – beson-

dem Publikum bei den meisten Formaten eine

ders im Vergleich mit Info-Formaten auf You-

geschulte Medienkompetenz abverlangt wird,

Tube und anderen Plattformen. Was also ist

Das

die Fakten von Meinungen zu unterscheiden

dann der große Trumpf, der Politik-Podcasts

Erfolgsrezept?

weiß. Denn eine ausdrückliche Abgrenzung

wie mal angenommen, Was jetzt? oder Lage

von nachrichtlichen Inhalten zu persönlichen

der Nation auf bemerkenswert hohe Plätze in

Meinungsäußerungen lässt sich bei keinem

den Spotify-Charts katapultiert und zur großen

der Pod­casts feststellen. Möglicherweise ist

Beliebtheit bei jungen Menschen führt? Jeder

dies so beabsichtigt, um den Redefluss im PC

dieser Podcasts weist Besonderheiten auf, die

nicht zu beeinträchtigen. Gleichwohl sollten

offenbar ein größeres Publikum anziehen. Ein

die redaktionell Verantwortlichen zwischen

lösungsorientierter Ansatz etwa oder ein spezi-

Dramaturgie und Glaubwürdigkeit abwägen.

fisch dialogischer Moderationsstil. Was jedoch

Allerdings scheint das Postulat einer traditio-

alle gemeinsam haben, ist ihr hohes Maß an

nellen „Trennung von Nachricht und Meinung“,

Zugänglichkeit. Womit sich einmal mehr zeigt:

wie es im 20. Jahrhundert, im Zeitalter des klas-

Beim Podcasting geht es Machern* wie Hörern*

sischen Nachrichtenjournalismus, formuliert

vor allem um das Verstehen.

119


Den richtigen Ton treffen

9 Fazit: Wie sich die zeitgenössische Podcast-Kultur bewahren lässt Podcasts sind drauf und dran, zu einer festen

das politische Gemeinwohl zu nutzen und nicht

Größe des Medienensembles zu avancieren.

sehenden Auges in eine neue Abhängigkeit zu

Dies birgt vor allem Chancen, aber auch Gefah-

schlittern, wie dies gegenüber YouTube und an-

ren in sich. Die deutsche Podcast-Landschaft

deren sozialen Medien geschehen ist.

hat sich in einer Weise entwickelt, dass sie zur Informiertheit der Bürger* und damit zur politischen Meinungsbildung beitragen kann – gerade auch bei den Jüngeren. Im Idealfall kann das Podcasting auch eine neue Form des öf-

9.1 Zusammenfassung der Ergebnisse und Handlungsempfehlungen für Politik-Podcasts

fentlichen politischen Diskurses vorantreiben:

Die Studie hat gezeigt, dass es bisher zwei

Zuhören

Den Dialog, der das gegenseitige Zuhören und

große Podcast-Wellen gegeben hat. Die erste

und Verstehen

Verstehen der vorschnellen Positionierung vo-

„Experimentierwelle“ zwischen 2005 und 2010

ranstellt. Der bundesdeutschen Gesellschaft

verebbte wieder, weil vor allem die technischen

täte es sicher gut, ihr medial orchestriertes

Rahmenbedingungen noch nicht gegeben wa-

Selbstgespräch (wieder) verstärkt in wohltem-

ren: Smartphones, Breitband-Übertragung,

perierter Manier zu führen. Bei allem Lob: Auch

Audio­streaming-Plattformen. Dies hat sich bin-

beim Podcasting gibt es noch ein gewisses

nen weniger Jahre geändert, wodurch 2017 der

Nachhaltige

Opti­mierungspotenzial in Hinblick auf die (jour-

zweite, noch größere und nachhaltigere Schub

Etablierung

nalistischen) Qualitätsmaßstäbe (Kapitel 9.1).

in Deutschland ausgelöst wurde: die „Etablie-

Der Siegeszug der Podcasts bringt auch

rungswelle“. Zunächst hat das technische und

Konfliktpotenziale mit sich. Im Mittelpunkt

inhaltliche Angebot in Gestalt eines umfassen-

steht dabei das „YouTube-Syndrom“. Ähnlich

den Katalogs mit derzeit allein rund 50.000 in

wie schon Jahre zuvor auf der größten Video­

Deutschland produzierten Podcasts stark ex-

sharing-Plattform der Welt drängen Profis die

pandiert, in jüngerer Zeit hat auch die Nach­

unabhängigen Medienmacher* zunehmend

frage deutlich angezogen. Zwar hört sich „erst“

an den Rand der Nutzer*-Aufmerksamkeit. Mit

ein Viertel der Bevölkerung über 14 Jahren min-

der Professionalisierung geht in der Regel eine

destens einmal pro Monat einen Podcast an,

Kommerzialisierung einher. Darüber hi­ naus

aber die Zahl der Hörer* steigt und bei den

besteht die Gefahr, dass sich die Plattform

14- bis 29-Jährigen hört bereits ein Viertel min-

Spotify zu einer Art „YouTube der Audio-Strea-

destens einmal wöchentlich Podcasts. Und der

Gefahr der

mingdienste“ emporschwingt und mittelfristig

Podcast-Konsum diffundiert zwar nicht extrem

Monopolisierung

ein Monopol aufbaut. So könnte der Konzern

rasant, aber doch kontinuierlich in die älteren

aus Schweden aufgrund seiner Reichweite und

Hörer*gruppen hinein. All dies sind deutliche

mittels seiner Auswahlmechanismen (wie sei-

Hinweise darauf, dass es sich nicht um eine

nem Algorithmus) wesentlichen Einfluss auf

vorübergehende Modeerscheinung handelt,

die Inhalte ausüben (Kapitel 9.2). Folglich gilt,

sondern dass der erneute Aufschwung des

die Chancen dieses noch jungen Mediums für

Pod­castings Teil eines strukturellen und tief-

120


Fazit: Wie sich die zeitgenössische Podcast-Kultur bewahren lässt

greifenden Medienwandels ist – weg von der

dass sich dies zum Negativen ändern könnte,

linea­ren Nutzung hin zu einem personalisier-

sobald Podcasts noch stärker zum Massen-

ten, situationsbedingten On-Demand-Abruf.

medium und für kommerzielle wie politische

Es konnte dargestellt werden, dass es enor-

Zwecke instrumentalisiert werden. Sollte sich

me Wechselwirkungen zwischen dieser grund-

die Podcast-Community diese Kultur jedoch

legenden Veränderung in der Mediennutzung

bewahren, kann dies wiederum die deutsche

und der Infrastruktur von Medien gibt: Media­

Debattenkultur im Großen positiv beeinflussen

theken bzw. Streaming-Plattformen gewinnen

und ihr eine konstruktive Note verleihen.

Einfallstor für PR

stark an Bedeutung. Dessen ungeachtet zeigte

Die Untersuchung hat auch einen Blick auf

sich beim Blick auf die Mikroebene, dass die

die Seite der Podcasts-Hörer* geworfen. Für

DNA des Podcastings eine nahe Verwandt-

diese besteht der große Reiz des Podcast-Uni-

schaft zum klassischen Hörfunk aufweist, vor

versums in seiner unglaublichen Vielfalt der

allem bei journalistischen Formaten. Es domi-

Themenfelder wie seiner Macher*. Die Erhe-

nieren Magazine und Reportagen, vor allem

bungen des Online Audio Monitors haben ge-

aber Interviews. Auch das oft dialogische Mo-

zeigt, dass vor allem jüngere Nutzer* großen

ment zwischen zwei Moderatoren* entstammt

Wert darauf legen, wer ihnen den Podcast

ursprünglich dem Radio. Allerdings bestechen

präsentiert, mithin hinter dem Mikro agiert.

Podcasts durch ihre Ausführlichkeit, ihre

Von weit geringerer Bedeutung sind dagegen

thematische Tiefe, zuweilen auch durch die

der Absender bzw. die Medienmarke. Eine sol-

intime Atmosphäre, die sich zwischen ihren

che Offenheit kann Podcasts aber auch zum

Protagonisten* aufbaut und den Hörer* zu-

Einfallstor für die Öffentlichkeitsarbeit von

mindest virtuell darin mit einbezieht. All dies

Unternehmen und Organisationen machen,

sind Phänomene, die beim Hörfunk meist nur

selbst wenn diese sich (wie viele NGOs und

die Nachtprogramme von Nischensendern er-

öffentliche Einrichtungen) vermeintlich ge-

zeugen. Die Autoren* dieser Arbeit sehen noch

meinnützige Ziele auf die Fahnen geschrie-

ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des Pod-

ben haben. Anhand einiger Beispiele wurde

casts: die Betonung des friedfertigen Dialogs.

gezeigt, dass es in der Tat Podcast-Angebote

Ganz offensichtlich hat sich in der deutschen

gibt, die interessengeleitete Kommunikation

Podcast-Kultur das Prinzip des gepflegten

unterschiedlichster Art betreiben. Den Nut-

Austauschs durchgesetzt, ein gegenseitiges

zern* wird also ein hohes Maß an Medien-

Zuhören, das zunächst einmal auf das Verste-

kompetenz abverlangt, denn für sie ist nicht

hen des jeweiligen Gesprächspartners* setzt.

immer offensichtlich, welches konkrete Inte­

Diese Dialogbereitschaft setzt einen sympa-

resse der Absender* verfolgt. Damit wird es

thischen Kontrapunkt zur auf Meinungsver-

zugleich schwerer, unabhängigen und quali-

Kontrapunkt zu

schiedenheit und Konfrontation, ja oft auch

tativ hochwertigen Journalismus zu erkennen,

den TV-Talkshows

auf Krawall gebürsteten Debattenunkultur bei

was zum Vorteil der etablierten und bekann-

TV-Talkshows. Es besteht jedoch die Gefahr,

ten Medienmarken gereichen könnte. 121


Den richtigen Ton treffen

Die durchgeführte qualitative Inhaltsana-

einsetzen, um die Hörer* zu ihrem Kern-

Mängel auch bei

lyse von zehn Podcasts mit Schwerpunkt auf

angebot hinüber zu ziehen. Zum anderen

Qualitätsmedien

(gesellschafts)politischer Information lässt

darauf, dass keine personellen und finan-

aber durchaus noch einen gewissen Optimie-

ziellen Ressourcen zur Verfügung stehen,

rungsbedarf auch bei den Absendern erken-

um ein Magazin-Programm mit Beiträgen

nen, die nach eigenem Verständnis explizit für

zu verschiedenen Themen und mit diversen

die journalistischen Tugenden der Transparenz

O-Tönen zu bestücken. Aber: Die etablierten

und redaktionellen Qualität stehen, nämlich

Medien genießen gerade bei der jüngeren

den etablierten Medienhäusern. Beispielswei-

Zielgruppe einen Vertrauensvorschuss,

se bieten die wenigsten der zehn analysierten

dem sie mit einer angemessenen Themen-

Politik-Pod­casts ihren Hörern* einen umfas-

und Meinungsvielfalt auch gerecht werden

senden Überblick über das Weltgeschehen.

sollten. Politische Podcasts von privaten

Besonders bei nachrichtlichen Formaten ist

Audio-Dienstleistern hingegen sollten eine

dieser Mangel an thematischer Vielfalt pro­

Themenauswahl fokussieren, die mehr von

blematisch – suggerieren sie doch, dass die

gesellschaftlicher Relevanz, weniger vom

Hörer* dort täglich mit allen relevanten Infor-

Promi- oder Unterhaltungsfaktor getrieben

mationen zum Weltgeschehen versorgt werden.

ist. Eine umfassende Themenabdeckung

Von den Ergebnissen der Inhaltsanalyse lassen

ist unabdingbar, um einen tatsächlichen

sich für journalistische Podcast-Produzenten*,

Beitrag zur politischen Informiertheit der

die aktuelle Informationen in den Vordergrund

(jüngeren) Mediennutzer* zu leisten und

stellen, einige grundlegende Handlungsemp-

der fragmentarischen Nachrichtennutzung

fehlungen ableiten:

in den sozialen Medien entgegenzuwirken.

Umfassend informieren Podcast-Formate, die sich als Nachrich-

Meinungen kennzeichnen

Jungen Mediennutzern* fällt es zunehmend

ten-Podcasts deklarieren, sollten umfas-

schwer, in den sozialen Medien seriöse

send oder zumindest umfassender, als sie

Inhalte zu identifizieren (Kapitel 8.1). Ein

dies bislang oft tun, über das politische

ähnliches Problem könnte auch beim Pod-

Geschehen informieren. Viele der Info- und

cast-Konsum auftreten, das sich dann aller-

Häufig

Nachrichtenpodcasts sind weitgehend

dings nicht nur auf die Jüngeren beschränkt:

monothematische

mono­ thematisch gestaltet und bestehen

Anders als zum Beispiel bei (Online-)Tages-

Ausrichtung

aus einem Interview und Verweisen auf

zeitungen findet bei Podcasts wie in den

einige andere wichtige Themen. Dies mag

sozialen Medien bisher keine Rubrizierung

zum einen darauf zurückzuführen sein,

hinsichtlich der journalistischen Darstel-

dass viele etablierte Medienhäuser noch

lungsform (Bericht, Kommentar, Reportage

mit Podcasts experimentieren und sie oft

usw.) statt, auch in den untersuchten Pod-

noch primär als Marketing-Instrument

casts, egal ob diese von Einzelpersonen oder

122


Fazit: Wie sich die zeitgenössische Podcast-Kultur bewahren lässt

großen Medienhäusern produziert wurden,

private Audio-Dienstleister. Von den unter-

wurde dies nicht praktiziert. Um subjekti-

suchten Podcasts scheinen insbesondere

ve Wertungen für die Nutzer* kenntlich und

„Infotainment“-Formate Gefahr zu laufen,

von der faktenbasierten Berichterstattung

durch übermäßige Emotionalität Teile ihrer

unterscheidbar zu machen, sollten persön-

Glaubwürdigkeit einzu­büßen. Gerade hier

liche Meinungsäußerungen in den Podcasts

ist eine Nachvollziehbarkeit der Informa­

sprachlich explizit gekennzeichnet werden.

tionsquellen und die klare Kennzeichnung

Konkret könnte das – zum Beispiel vor län-

persönlicher Meinungen erforderlich, um

geren Kommentaren – durch musikalische

den Hörern* eine journalistisch saubere

Trenner geschehen, oder aber durch klare

Bericht­erstattung zu bieten.

sprachliche Hinweise der Akteure* selbst („Das ist meine persönliche Meinung“). Quellen transparent machen

9.2 Strategischer Ausblick: Das Spotify-­ Dilemma der Podcast-Macher*

Zwar ist bei den Podcasts renommierter Me-

Ein intensiver Blick auf die PC-Charts von

dienhäuser in der Regel davon auszugehen,

Spotify, Apple Podcasts und anderen Audio­

dass der Berichterstattung eine umfassen-

streaming-Plattformen zeigt, dass dort zwar

de Recherche zugrunde liegt, welche die

Unterhaltungs- und Comedy-Formate die

Richtigkeit der übermittelten Informa­tionen

Spitzen­ plätze beherrschen. Doch können

gewährleistet. Diese Recherche­wege für die

sich auch nicht wenige Informations- und

Recherchen sollten

Rezipienten* nachvollziehbar zu machen, ist

Poli­tikformate in den Top-50 platzieren. Hin-

nachvollziehbarer

jedoch wesentlicher Bestandteil einer glaub-

zu kommen Podcasts aus dem Bereich Bildung

werden

würdigen Berichterstattung. Nur so können

und Wissen. Dies spiegelt sich auch in den

sich Mediennutzer* auch in Eigen­initiative

Nutzungsmotiven von Hörern* wider, die ge-

über das Weltgeschehen informieren, ihr

nau diese Felder als Prioritäten angeben. Dass

Wissen zu relevanten Themen vertiefen und

Podcasts hier so erfolgreich sind, demons­

sich eine fundierte politische Meinung bil-

triert die Macht des Wortes, die die Nutzer*

den. Einige Medien haben eigene Podcasts

eben diesem zuweisen. Eine wichtige Rolle

eingerichtet, um Einblick in ihre Recherchen

spielt aber offenbar auch die (vermeintliche)

zu geben. Damit sprechen sie aber vornehm-

Intimität des Zwiegesprächs, die dem Podcast

lich ein Fachpublikum an. Sinnvoller wäre

anscheinend innewohnt. Bei der politischen

es, wo dies geboten scheint, die Recherche-

Meinungsbildung zeitigt die interpersonale

wege zumindest kurz bei der Besprechung

Kommunikation, also der Austausch mit der

konkreter Themen selbst zu erläutern. Der

Familie, mit Verwandten und Freunden* die

Das heimlich

Appell zur Transparenz gilt dabei für öffent-

größte Wirkung. Beim Podcast vermählt sich in

belauschte

lich-rechtliche und eta­blierte Medienhäu-

gewisser Hinsicht das („belauschte“) persön-

persönliche

ser genauso wie für freie Podcaster* und

liche Gespräch mit der journalistischen Kom-

Gespräch 123


Den richtigen Ton treffen

petenz, die die Nutzer* den meisten Massen­

ansprechen. Diese meist gezielte Verflachung

medien zuschreiben.

hat meist unwillkürlich zur Folge, dass Medien-

Die Analyse legt jedoch auch Gefahren für

inhalten in Graf-Dracula-Manier jedwede gesell-

diesen erfreulichen Zustand offen: Tatsache

schaftspolitische Problem­ori­en­tierung aus den

ist, dass das Podcasting bereits seit rund fünf

Kapillaren gesaugt wird. Diese Entwicklung ist

Professionali-

Jahren eine fortschreitende Professionalisie-

allerdings nicht zwangsläufig, wie die Erfah-

sierung =

rung durchläuft. Die redaktionelle wie techni-

rungen aus den USA zeigen. Dort befinden sich

Kommerziali-

sche Produktionsqualität hat sich in der Brei-

auch Politik-Podcasts beim Rennen um Werbe-

sierung?

te des Marktes hörbar verbessert. Es ist ein

gelder auf guten Posi­tionen. Allerdings dürften

Ökosystem aus Produktionsfirmen, Vermark-

mit zunehmender Kommerzialisierung für die

tern* und Full-Service-Audio-Dienstleistern

Masse der Politik-Podcasts die Weichen stärker

entstanden, in deren Mittelpunkt die großen

in Richtung „Infotainment“ gestellt werden.

Streaming-Plattformen stehen. Wie zentral

Die größere Herausforderung oder auch

Pod­casts im weltweiten Audio-Business gewor-

Gefahr für die Kultur des Podcastings wie für

den sind, lässt sich nicht zuletzt daran ablesen,

die Meinungsvielfalt identifiziert die Unter­

dass Spotify Podcasts als strategischen Hebel

suchung jedoch woanders: In der Konvergenz

Konvergenz

einsetzt, um durch exklusive Produktionen und

von Streamingdiensten und Hörfunk. Die Er-

zwischen Hörfunk

eine längere Verweildauer seiner Nutzer* eine

wartungen der Nutzer* in Hinblick auf Unterhal-

und Streaming-

globale Vormachtstellung zu erringen. Und

tung, Personalisierung und Nutzwert zwischen

diensten

schließlich sind auch unzählige professionelle

den beiden Gattungen nähern sich an. Spotify

Medienschaffende und Medienhäuser auf den

hat diesen Trend offensichtlich längst erkannt

Zug aufgesprungen, um vom Aufstieg dieses

und bedient seine Abonnenten* mit Ange-

neuen Massenmediums zu profitieren.

boten, die durch ihren Mix aus Podcasts und

124

Sollte die öffentliche Hand die bisherige

Musik­titeln Magazinsendungen im Radio äh-

cast-Kultur nicht durch kartellrechtliche Pod­

neln – wenn auch (bisher) noch der Moderator*

und regulatorische Maßnahmen (wie etwa

fehlt. Zudem hat sich der Konzern in eine stra-

Werbe­ beschränkungen) schützen, folgt der

tegisch mächtige Position bewegt. Wie andere

Professionalisierung in der Regel bald auch die

Betreiber digitaler (Medien)Plattformen wirkt

Kommerzialisierung. Dies bedeutet im Falle des

Spotify wie ein Flaschenhals zwischen den Pro-

PC-Marktes, dass Podcasts in einem weit grö-

duzenten* der Inhalte und den Nutzern*: Bis zu

ßeren Maße als bisher von automatisierter Wer-

einem bestimmten Grad kann die Plattform die

bung durchsetzt würden. Dies bedeutet auch,

Nutzungsbedingungen bestimmen und die tat-

dass wie in anderen Medienmärkten verstärkt

sächliche Nutzung von Podcasts beeinflussen.

Produzierende auf den Plan treten, die vor allem

Spotify ist zwar nicht in allen Ländern der

unterhaltende Inhalte verbreiten, die wiederum

Marktführer. Es ist aber offensichtlich, dass

eine möglichst große Zahl an Konsumenten*

das schwedische Unternehmen mit seiner sehr


Fazit: Wie sich die zeitgenössische Podcast-Kultur bewahren lässt

offensiven Gangart eine marktbeherrschende

allem die kleineren Titel experimentieren noch

Stellung anstrebt – FYEO von ProSiebenSat.1

und verstehen Podcasts sehr stark als Marke-

kann als „Opfer“ dieses Vorgehen angesehen

ting-Instrument, um Bestandskunden* an sich

werden. Apple Podcasts und You­Tube verfü-

zu binden und um jüngere Zielgruppen zu errei-

gen zwar noch über starke Positionen, agieren

chen. Sie werden wahrscheinlich auch zukünftig

aber deutlich defensiver. Zudem drängt sich der

auf die großen Plattformen angewiesen sein.

Eindruck auf, als würden die anderen wichtigen

Bemerkenswert ist allerdings der Befund,

Akteure im Markt immer nur mit einer starken

dass sich einige Medienhäuser sehr konkret

auf die Spotify-

Verzögerung und zuweilen auch unentschlos-

darüber Gedanken machen, wie sie ihre Inhal-

Offensive

sen reagieren. So hat zum Beispiel der ARD

te nicht an Plattformen Dritter verschenken.

Hörfunk Ende 2017 seine Audiothek gestartet,

So plant die Funke Mediengruppe eine eigene

diese aber drei Jahre lang erst einmal stark

Audio-­App und der Spiegel hat seine App für

an den Interessen seiner größtenteils älteren

sein publizistisches Gesamtangebot so gestal-

Stammhörer*schaft ausgerichtet. Erst jetzt be-

tet, dass Podcasts hier auf sehr geschickte Art

ginnt die ARD, verstärkt auch politische und

und Weise integriert sind. Darüber hinaus soll-

„junge“ Angebote aus den Audiotheken seiner

ten die Akteure* die Möglichkeiten einer Zu-

Kooperationen

Mitgliedssender für die zentrale Audiothek zu

sammenarbeit ausloten. Funktionierende Ko-

ausloten

kuratieren. Parallel dazu bestücken die Öffent-

operationen in Deutschland gibt es beispiels-

lich-Rechtlichen schon seit Jahren Spotify und

weise zwischen der ARD und RTLs Audio Now.

andere kommerzielle Plattformen recht offensiv

Und in Großbritannien besteht das Modell BBC

mit ihren Podcasts. Das klare Ziel lautet: Jün-

Sounds nicht allein aus Magazin-­artigen Pod­

gere Zielgruppen dort erreichen, wo sie primär

casts, sondern auch aus Kooperationen mit

als Mediennutzer* unterwegs sind. Nun wäre es

teilweise externen Partnern* aus dem gemein-

jedoch an der Zeit, den Hebel umzulegen, um

nützigen Bereich.

sich als öffentlich-rechtliche Institution nicht

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die

auf Dauer an privatwirtschaftliche Unternehmen

extrem zerklüftete und damit zugleich sehr

und deren Auswahl-Algorithmen zu „ketten“.

hete­rogene und vielfältige Podcast-Landschaft

Vor dem skizzierten Spotify-Dilemma stehen

mit basisdemokratischem Graswurzel-Flair

auch die etablierten Medienhäuser, die Tages-

defi­nitiv der Vergangenheit angehört. Der Pod­

und Wochenzeitungen sowie die Nachrichten-

cast-Markt hat sich vielmehr in eine Richtung

magazine und Zeitschriften mit gesellschafts­

bewegt, die von erster Kommerzialisierung

politischem Anspruch. Auch ihr Ziel besteht

und Tendenzen zur Monopolisierung geprägt

darin, dass so viele Medienkonsumenten* wie

ist. Noch erscheint es aber nicht zu spät, um

möglich ihre Podcasts auf ihren Apps und Web-

mit vereinten Kräften die Vielfalt, das Niveau

seiten hören, damit sie auch noch andere An-

und den diskursiven Charakter der deutschen

gebote des Medienhauses wahrnehmen. Vor

Podcast-Kultur zu bewahren.

Späte Reaktionen

125


Den richtigen Ton treffen

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129


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130


Anhang

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Interviews Die Interviews wurden über das Videokonferenz-System Zoom geführt und aufgezeichnet. Heberlein, Marcel (2021): Hörfunk-Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio, Berlin. Geführt am 25.3.2021. Leitgeb, Vinzent-Vitus (2021): Teamleiter Audio der Süddeutschen Zeitung. Geführt am 19.1.2021. Liss, Martin (2021): Geschäftsführender Gesellschafter von Podcast360, Berlin. Geführt am 26.2.2021. Schlei, Schiwa (2021): Leiterin des ARD Partnermanagements Audio & Voice, Köln. Geführt am 15.3.2021. Sperber, Sandra (2021): Ressortleiterin Audio Der Spiegel. Geführt am 26.2.2021. 131


Den richtigen Ton treffen

Anfragen Kansky, Holger (2020): Leiter Digitales, Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger. 17.12.2020. Müller, Thomas (2021): Verantwortlicher Channel-Manager der ARD Audiothek. 11.03.2021. Leibiger, Johannes (2021): Senior Referent Medienwirtschaft Vaunet – Verband privater Medien. 20.01.2021.

Analysierte Podcasts (zuletzt geprüft am 01.04.2021) ARD-aktuell: Der tagesschau Zukunfts-Podcast: mal angenommen, https://open.spotify.com/show/4vokVN2zKuyGZc3tprzNoa?si=t5mFJ-93SzurjnfnVAc4OQ. Banse, Philip/Buermeyer, Ulf: Lage der Nation – der Politik-Podcast aus Berlin, https://open.spotify.com/show/7a3LWj5xSFhFRYmztS8wgK?si=GSAL-GhETIuctLUljEPB-w. Beisenherz, Micky/Studio Bummens: Apokalypse & Filterkaffee, https://open.spotify.com/show/6kyGUIbKUH7G506XGX4lNk?si=UBT7PBHKQ3i-7Wl3spnd7w. detektor.fm – Das Podcast-Radio: Zurück zum Thema, https://open.spotify.com/show/2Wu6s3wtqlqNezSBmDqfK2?si=D8oz2gmuRleLzWOyvWpwig. Hille, Tanja/Venus, Vincent: Y Politik. Lösungen für das 3. Jahrtausend, https://open.spotify.com/show/58GSlc6ZUsg5t8bVWDdvMC?si=oCEgJkjsSF25AldNcAW3kg. Jakobs, Hans-Jürgen/Handelsblatt: Handelsblatt Morning Briefing, https://open.spotify.com/show/1QZr5NinuorbELLt2SwLJU?si=wmGZvrJ6TomUsq_Lzbpdag. Rönicke, Katrin/Klein, Holger (hauseins): Die Wochendämmerung, https://open.spotify.com/show/7HJs0wjFCNDBdqtluWaGyq?si=YYKGzhKDTbC5wqjccgyGtw Süddeutsche Zeitung: Auf den Punkt, https://open.spotify.com/show/7vFmyZR3rDf61V69UpRXbA?si=A4Ig01krT5GBjqvjTRVC3w. Steingart, Gabor: Steingarts Morning Briefing, https://open.spotify.com/show/3tMwolVmLPxyXuZPQu26kQ?si=yZX57mA4TgKYnCnFcFOqHg. Zeit Online: Was jetzt?, https://open.spotify.com/show/4ymTKvZm5SGMtk4NlmRyKv?si=y7evUxC9R8uatU9t5Fq_Jg.

Erwähnte YouTube-Kanäle (zuletzt geprüft am 01.04.2021) LeFloid, https://www.youtube.com/channel/UCLm6s42r_wCbBX0QqXNCTwg. STRG_F, https://www.youtube.com/channel/UCfa7jJFYnn3P5LdJXsFkrjw. Walulis Daily, https://www.youtube.com/channel/UCo4693Ony4slDY5hR0ny-bw. Y Kollektiv, https://www.youtube.com/channel/UCLoWcRy-ZjA-Erh0p_VDLjQ. 132


Anhang

Anhang Anhang A.......................................................................................................134 Anhang B.......................................................................................................134 Anhang C.......................................................................................................135 Anhang D.......................................................................................................137 Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen..................................................... 140 Hinweise zu den Autoren*............................................................................. 142

133


Den richtigen Ton treffen

Anhang

Anhang A Liste der in Kapitel 6.3 recherchierten und ausgewerteten Podcasts ausgewählter privater Radiosender in Deutschland 1. Antenne Bayern

21. Radio Bob

2. Antenne Mecklenburg-Vorpommern

22. 105,5 Spreeradio

3. Antenne Niedersachsen

23. Radio Brocken

4. Antenne Thüringen

24. Radio ffn

5. BB Radio

25. Radio Hamburg

6. Berliner Rundfunk

26. Radio PSR

7. Big FM

27. Radio Regenbogen

8. Die Neue 107,7

28. R.SA

9. Energy Stuttgart

29. Radio Salü

10. Energy Nürnberg

30. Radio SAW

11. Energy Berlin

31. R.SH Radio Schleswig-Holstein

12. Energy Hamburg

32. Radio 7

13. Energy München

33. RPR 1

14. Energy (bundesweit)

34. 94,2 rs2

15. Hit Radio Antenne 1

35. Radio NRW (15 Lokalwellen)

16. Hit Radio FFH

36. Radio Gong

17. Klassik Radio

37. Funkhaus Würzburg (Radio Gong/Charivari)

18. Landeswelle Thüringen

38. Radio Charivari

19. Ostseewelle Hit-Radio MV

39. Radio Chemnitz

20. Planet Radio

Anhang B Fragenkatalog an deutsche Medienhäuser/Tageszeitungen 1 Wie viele und welche Podcasts betreibt Ihr Haus? (bitte namentlich auflisten) 2a Falls Sie Podcasts betreiben: Mit welcher Absicht tun Sie dies?

Geht es primär um Kunden*bindung?

Geht es um Kunden*gewinnung?

Steht die Markenpflege im Vordergrund?

Sollen damit zusätzliche Umsätze gemacht werden, z. B. durch integrierte Werbung?

Skizzieren Sie bitte kurz die Strategie Ihres Hauses! 2b Falls Sie keine Podcasts betreiben: Können Sie mir Ihre Gründe nennen? 134


Anhang

3 Haben Sie seit 2017 Podcasts auch wieder eingestellt? Arbeiten Sie auch mit Staffeln, die inzwischen beendet worden sind? 4 Welche Rolle spielen in dieser Strategie / Ihren Erwägungen die jüngeren Mediennutzer*, vor allem die Altersgruppe zwischen ca. 18 und 35 Jahren? Versuchen Sie, diese Zielgruppe z. B. mit Hilfe von Podcasts für Digital-Abonnements zu gewinnen (z. B. mit Hilfe von in den Podcasts geschalteter Eigenwerbung)? Bitte kurz erläutern! Medienhäuser/Tageszeitungen, die geantwortet haben: 1. Axel Springer SE/Berlin

11. Nordkurier/Neubrandenburg

2. Weser-Kurier/Bremen

12. Bauer Media Group/Hamburg

3. VRM-Gruppe/Mainz

13. Traunsteiner Tagblatt/Traunstein

4. Straubinger Tagblatt/Straubing

14. Süddeutsche Zeitung/München

5. Der neue Tag/Weiden

15. Main-Echo/Aschaffenburg

6. Südwestpresse/Ulm

16. Frankfurter Allgemeine Zeitung/

7. Rheinische Post/Düsseldorf

8. Börsenzeitung/Frankfurt/Main

17. Augsburger Allgemeine/Augsburg

9. Der Freitag/Berlin

18. Funke Mediengruppe/Essen

Frankfurt/Main

10. Zeit-Verlag*/Hamburg *Mit Verweis auf ein Kress-Pro-Interview von Zeit-Online-Chef Jochen Wegner (Wegner 2020).

Anhang C Um sowohl die unterschiedlichen Veröffentlichungstage und Turnusse der einzelnen Podcasts als auch eine potenziell erhöhte Podcast-Nutzung am Wochenende zu berücksichtigen, erfolgte die Auswahl der Stichtage in Form einer „künstliche Woche“ (Abbildung C1). Abbildung C1 Stichtage für die Auswertung der Spotify-Podcast-Charts (November 2020) MO

DI

MI

DO

FR

SA

SO

2

3

4

5

6

7

8

1 9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30 Quelle: Eigene Darstellung.

135


Den richtigen Ton treffen

Die Landesmedienanstalten zeigen im Online-Audio-Monitor 2020, dass Podcasts schwerpunktmäßig in den Abendstunden gehört werden (Abbildung C2): Rund 40 Prozent der mindestens monatlichen Podcast-Hörer* gaben an, zwischen 17 und 20 Uhr Podcasts zu konsumieren. Danach sinkt der Anteil auf rund 35 Prozent zwischen 20 und 23 Uhr und schließlich auf nur 10 Prozent nach 23 Uhr. Erst morgens zwischen 9 und 12 Uhr ist vorübergehend wieder ein kleiner Anstieg zu beobachten (Bayerische Landeszentrale für neue Medien et. al 2020: 65). Um auch diese Schwankungen der Podcast-Nutzung im Tagesverlauf zu berücksichtigen, wurden die Top-50-Podcasts an den Stichtagen zwei Mal erfasst: um 12 und um 21 Uhr. Abbildung C2

Podcast-Nutzung nach Tageszeiten 80 % 60 %

Nutzer* von Podcasts & Radiosendungen auf Abruf 2020

40 %

Nutzer* Online-AudioInhalte gesamt 2020

20 % 0 % 5-9 Uhr

9-12 Uhr

12-14 Uhr

14-17 Uhr

17-20 Uhr 20-23 Uhr nach 23 Uhr

Quelle: Bayerische Landeszentrale für neue Medien et al. (2020: 65). Eigene Darstellung.

Abbildung C3

Ausführlichkeit der Themenbehandlung Was jetzt?

Ø 02:04

mal angenommen

Ø 22:19

Zurück zum Thema

Ø 08:51

Lage der Nation

Ø 09:59

Apokalypse & Filterkaffee

Ø 02:44

Auf den Punkt

Ø 02:44

Steingarts Morning Briefing Das Handelsblatt Morning Briefing Die Wochendämmerung Y Politik

Folge 1 Folge 2 Folge 3 Ø Durchschnittszeit (in Minuten)

Ø 04:02 Ø 01:28 Ø 06:07

Ø 42:31

12,6 Zeit

136

Quelle: Eigene Abbildung.


Anhang

Anhang D Ausführliche Erläuterung des methodischen Vorgehens und des Codier-Leitfadens in Kapitel 8. Extraktion Sind alle Podcast-Folgen in ihre einzelnen thematischen Beiträge zergliedert und die formalen Kategorien (Format, Folgenlänge etc.) bestimmt, beginnt die Extraktion des relevanten Textmaterials. Dafür werden gemäß den im Kategoriensystem dargestellten Indikatoren alle relevanten Textstellen im Transkript markiert. Dies geschieht computergestützt mit der Software MAXQDA. Um auch tonale und musikalische Aspekte vollständig zu berücksichtigen, wird jeder Beitrag anschließend nochmals anhand der jeweiligen Audioaufnahme überprüft. Zusätzlich werden Jingles, Nachrichtentrenner oder andere musikalische Elemente im Transkript verschriftlicht. Sich wiederholende Elemente werden in jedem Beitrag als narratives Element markiert. Codierung Anhand des extrahierten Materials wird die Codierung vorgenommen: Die Ausprägungen der einzelnen Kategorien werden als Zahlen verschlüsselt im Codebogen festgehalten. Dabei gliedert sich der Prozess in drei wesentliche Schritte. 1. Unterkategorien auf Beitragsebene codieren: Anhand des markierten Transkripts werden zunächst die Ausprägungen der Unterkategorien (z. B. Transparenz und Neutralität für das Oberkriterium Glaubwürdigkeit) codiert. Zwar ist eine gewisse Subjektivität bei dieser Einschätzung unvermeidbar, die Bewertung erfolgt jedoch strikt anhand der definierten Indikatoren und mit stetigem Blick auf das Vergleichsmaterial. Dabei wird bei der Bewertung auch das Verhältnis der identifizierten Indikatoren zur Gesamtlänge des Beitrags berücksichtigt. Füllt ein Host* den Großteil eines kurzen Nachrichtenbeitrags zum Beispiel mit einer persönlichen Erzählung, trägt er damit deutlich zur Emotionalität des Beitrags bei. Handelt es sich hingegen um eine Randnotiz im 20-minütigen Erklärbeitrag, kann der Beitrag dennoch als „kaum emotional“ bewertet werden. 2. Oberkategorien auf Beitragsebene errechnen: Sind die Unterkriterien für alle Beiträge einer Podcast-Folge bestimmt, werden daraus die Werte für die jeweilige Oberkategorie errechnet. Glaubwürdigkeit Sind seine Quellen und Recherchewege für die Rezipient*innen nachvollziehbar, kann auch ein meinungsstarker Beitrag durchaus als glaubwürdig gelten. Zwar beurteilt er das Geschehen in diesem Fall aus einer subjektiven Perspektive, die Beurteilung kann jedoch vom Publikum nachvollzogen und nach eigenem Ermessen kritisch eingeordnet werden. Nicht so umgekehrt: Berichtet ein

137


Den richtigen Ton treffen

Beitrag zwar ohne erkennbare Wertung über das Weltgeschehen, liefert jedoch keinerlei Belege für die getätigten Aussagen, stellt er für die Rezipienten*keine nachvollziehbare Informationsgrundlage dar und erscheint daher als weniger glaubwürdig. Um diesen Sachverhalt in der Inhaltsanalyse angemessen abzubilden, soll das Unterkriterium Transparenz (t) mit dem Faktor 1,5 in die Bewertung der Glaubwürdigkeit eingehen. Es wird also um 50 Prozent stärker gewichtet als das Kriterium Neutralität (n). Zur Errechnung ergibt sich daraus die Formel (1,5t+n)/2,5. Zugänglichkeit Noch ausgeprägter stellt sich die Diskrepanz zwischen den Unterkriterien beim Kriterium der Zugänglichkeit dar: Informiert ein Beitrag in anschaulicher und nachvollziehbarer Weise über das aktuelle Geschehen, ohne dabei jedoch mögliche Folgen oder Handlungsmotive zu beleuchten, bildet er zwar eine wenig tiefgreifende, dennoch aber eine brauchbare Informationsgrundlage für die Rezipienten*. Ein Beitrag, der hingegen ausführlich auf alle Aspekte der Thematik eingeht, diese jedoch so komplex darstellt, dass sie ohne Vorwissen nicht zu verstehen sind, verfehlt seinen Zweck gänzlich (dies gilt freilich nicht für Fachmedien, bei deren Zielgruppe ein entsprechendes Vorwissen angenommen wird). Die Unterkriterien Verständlichkeit (v) und Kritik (k) sollen daher im Verhältnis 2:1 auf das Kriterium Zugänglichkeit einzahlen. Es ergibt sich zur Berechnung also die Formel (2v+k)/3 . Unterhaltsamkeit Die Unterhaltsamkeit eines Beitrags ergibt sich in der Regel aus einer Kombination emotionaler (e), narrativer (n) und personalisierender Elemente (p). In die Bewertung der Unterhaltsamkeit fließen daher alle Unterkriterien gleichberechtigt ein. Der Unterhaltungswert ergibt sich also aus der Formel (e+n+p)/3. Aus den Berechnungsformeln ergeben sich Werte zwischen 1 und 5, die auf ganze Zahlen gerundet29 die Ausprägungen der jeweiligen Kategorie ergeben.

138

Glaubwürdigkeit

Zugänglichkeit

Unterhaltsamkeit

5

durchweg glaubwürdig

durchweg zugänglich

durchweg unterhaltsam

4

überwiegend glaubwürdig

überwiegend zugänglich

häufig unterhaltsam

3

teilweise unglaubwürdig

teilweise unzugänglich

teilweise unterhaltsam

2

kaum glaubwürdig

kaum zugänglich

kaum unterhaltsam

1

nicht glaubwürdig

durchweg unzugänglich

nicht unterhaltsam

29 Ab einem Dezimalwert von 0,5 auf die nächste ganze Zahl aufgerundet, bei niedrigerem Dezimalwert wird abgerundet.


Anhang

3. Kategorien und Unterkategorien auf Folgenebene codieren Um die Kriterien Glaubwürdigkeit, Zugänglichkeit und Unterhaltsamkeit auf Folgenebene vergleichbar zu machen, muss hier ein relativer Wert errechnet werden. Andernfalls würde die unterschiedliche Anzahl der Beiträge zu einer Verfälschung der Bewertung führen. Die Berechnung der Folgenbewertung soll an einem Beispiel deutlich werden: Eine Podcast-Folge gliedert sich in vier Themenbeiträge. Der maximal erreichbare Wert in der Kategorie Glaubwürdigkeit – wenn also alle Beiträge als „durchweg glaubwürdig“ bewertet werden – beträgt damit 4*5=20. Tatsächlich wurden die Beiträge jedoch nur als „überwiegend glaubwürdig“, einmal sogar als „teilweise unglaubwürdig“ eingeschätzt. Der Tatsächliche Wert beträgt also 4+4+4+3=15. Die gesamte Folge gilt damit zu 15/20, also zu 75 Prozent als glaubwürdig. Der absolute Wert für die Analyseeinheit Folge ergibt sich schließlich nach folgender Abstufung, wonach die Beispielfolge mit dem Wert „4“ und damit als „überwiegend glaubwürdig“ codiert werden würde: Prozentualer Wert

Ausprägung der Kategorie „Glaubwürdigkeit“

Codierung

100–81 %

durchweg glaubwürdig

5

80–61 %

überwiegend glaubwürdig

4

60–41 %

teilweise unglaubwürdig

3

40–21 %

kaum glaubwürdig

2

20–1 %

nicht glaubwürdig

1

Anders als im oben dargestellten Beispiel wird der prozentuale Wert in der Inhaltsanalyse aus den ungerundeten Werten der einzelnen Beiträge berechnet, um das Ergebnis durch die Rundung nicht zu verfälschen.

139


Den richtigen Ton treffen

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen

140

Abbildung 1:

Konkrete Themenfelder bei der Nutzung von Podcasts 2020 (in Prozent)...................... 14

Abbildung 2:

Schematische Darstellung des technisch-ökonomischen Ökosystems des Podcastings...................................................................................................... 21

Abbildung 3:

Länder der Welt mit Marktdominanz von Apple und Spotify (Mai 2020)........................25

Abbildung 4:

Meistgenutzte Podcast-Plattformen und -Apps in Deutschland nach Altersgruppen (2020)...................................................................................... 28

Abbildung 5:

Werbeumsätze im deutschen Radio- und Podcast-Markt (2015-2024)..........................3

Abbildung 6:

Anteil der erwachsenen Bevölkerung, der im letzten Monat Podcasts genutzt hat (2020).................................................................................................. 40

Abbildung 7:

Audionutzung im Internet (2017-2020)......................................................................45

Abbildung 8:

Anteil der deutschen Audio-Podcasthörer* ab 14 Jahren.............................................45

Abbildung 9:

Anteil der gelegentlichen und intensiven Nutzer* an allen Podcast-Hörern* in Deutschland 2018-2020 (in Prozent)......................................................................47

Abbildung 10:

Podcast-Nutzung in Deutschland 2018-2020 nach Häufigkeit (Anteil an allen Podcast-Hörern* in Prozent)..............................................................47

Abbildung 11:

Soziodemografische Merkmale von Podcast-Nutzern* in Deutschland im Jahr 2020.....................................................................................49

Abbildung 12:

Nutzungssituationen für Podcasts (2020)..................................................................49

Abbildung 13:

Optimale Länge eines Podcasts nach Ansicht deutscher Podcast-Hörer*...................... 51

Abbildung 14:

Nutzungsmotive für Audioangebote nach Anbieter in der Gesamtbevölkerung (2020, in Prozent)........................................................... 62

Abbildung 15:

Nutzungsmotive für Audioangebote nach Anbieter in der Altersgruppe 14-29 Jahre (2020, in Prozent)......................................................63

Abbildung 16:

Leistungsbewertungen von Audioangeboten nach Anbieter in der Gesamtbevölkerung (2020, in Prozent)........................................................... 64

Abbildung 17:

Leistungsbewertungen von Audioangeboten nach Anbieter in der Altersgruppe 14-29 Jahre (2020, in Prozent)..................................................... 64

Abbildung 18:

Anteil verschiedener Inhaltskategorien an den Abrufen der ARD Audiothek (März 2021)................................................................................ 68

Abbildung 19:

Nutzung verschiedener Audiostreaming-Plattformen in Deutschland nach Alter im Jahr 2020 (in Prozent)..........................................................................69

Abbildung 20:

Aufteilung der Podcasts (n=128) privater Radiosender in verschiedene Inhaltskategorien............................................................................ 75

Abbildung 21:

Ziele von Zeitungsverlagen beim Aufbau von Podcasts (2020, in Prozent)................... 82

Abbildung 22:

Der „Podcast-Prozess“ bei klassischen Medienhäusern............................................. 84

Abbildung 23:

Anzahl der betriebenen Podcasts bei Tages- und Wochenzeitungen (in Prozent).......... 86

Abbildung 24:

Hauptnachrichtenquellen nach Altersgruppen (2020, in Prozent)............................... 98

Abbildung 25:

Meistgehörte Podcast-Genres (in Prozent).................................................................99


Anhang

Abbildung 26:

Vielfalt von Themen und Akteuren* in den untersuchten Formaten (Anzahl pro Folge, Mittelwert).................................................................................108

Abbildung 27:

Die Glaubwürdigkeit (Transparenz/Neutralität) der untersuchten Formate................. 110

Abbildung 28:

Die Zugänglichkeit (Verständlichkeit/Kontext & Kritik) der untersuchten Formate....... 112

Abbildung 29:

Die Unterhaltsamkeit (Narrative Elemente/Emotionalität/Personalisierung) der untersuchten Formate........................................................................................115

Abbildung 30:

Glaubwürdigkeit, Zugänglichkeit und Unterhaltsamkeit der untersuchten Formate im Vergleich.................................................................... 116

Abbildung C1:

Stichtage für die Auswertung der Spotify-Podcast-Charts (November 2020)............... 135

Abbildung C2:

Podcast-Nutzung nach Tageszeiten......................................................................... 136

Abbildung C3:

Ausführlichkeit der Themenbehandlung.................................................................. 136

Tabelle 1:

Genres und Produzenten* der Top-50-Podcasts von Spotify (November 2020)............... 6

Tabelle 2:

Vergleich der Charakteristika von Radio und Podcast.................................................. 11

Tabelle 3:

Einteilung von Podcasts in verschiedene Kategorien.................................................. 13

Tabelle 4:

Die Podcast-Aktivitäten ausgewählter Gesellschafts-, Politik- und Wirtschaftszeitschriften (Stand: Februar 2021)........................................................... 91

Tabelle 5:

Ausgewählte Spiegel-Podcasts und ihre Hörer*zahlen (Februar 2021)......................... 94

Tabelle 6:

Katalog der erfassten journalistischen Qualitätskriterien......................................... 106

Tabelle 7:

Bewertungskategorien........................................................................................... 109

141


Den richtigen Ton treffen

Hinweise zu den Autoren*

Prof. Dr. Lutz Frühbrodt Der promovierte Volkswirt ist seit 2008 Professor für Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt und leitet dort den gleichnamigen Master-­ Studiengang. Zuvor arbeitete Lutz Frühbrodt als Technologie-Reporter im Wirtschaftsressort der „Welt“-Gruppe sowie für den Deutschlandfunk. In seiner Forschung nimmt Frühbrodt vor allem verschiedene Formen der Unternehmenskommunikation kritisch unter die Lupe, so zum Beispiel das sogenannte Content Marketing (2016) und das Influencer Marketing auf YouTube (2019) in viel beachteten Studien der Otto Brenner Stiftung. Darüber hinaus hat er das Standardwerk „Wirtschaftsjournalismus – ein Handbuch für Ausbildung und Praxis“ (2007) verfasst, das 2020 in einer überarbeiteten Neuauflage erschienen ist.

Ronja Auerbacher Die studierte Theater- und Medienwissenschaftlerin ist Absolventin des Masterstudiengangs Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation und seit mehreren Jahren als freie Autorin für Agenturen und Unternehmen tätig. In ihren Texten beschäftigt sie sich vorrangig mit technischen und naturwissenschaftlichen Themen. Auerbacher war an der Umsetzung eines hochschulübergreifenden Projekts zum „Wissenschaftsjahr 2020/21 Bioökonomie“ beteiligt und übernahm in diesem Rahmen auch Lehrtätigkeiten an den Würzburger Hochschulen. Sie hat zudem bereits eigene Erfahrungen als Wissenschafts-Podcasterin gesammelt.

142


Anhang

Weitere OBS-Publikationen von Lutz Frühbrodt

Unboxing YouTube

OBS-Arbeitsheft 98

Im Netzwerk der Profis und Profiteure

Frühbrodt/Floren – Unboxing YouTube

Lutz Frühbrodt/Annette Floren

Die sozialen Medien haben die Welt verändert und die politische Kommunikation umgewälzt.

OBS-Arbeitsheft 98

Doch was wird dort eigentlich „gesendet“, welche Botschaften werden vermittelt? Die Studie geht diesen Fragen nach, klärt aber auch grundsätzlich über die Funktionsweise der beliebten Videoplattform auf.

Unboxing YouTube Im Netzwerk der Profis und Profiteure

Download unter: www.otto-brenner-stiftung.de

Ein Projekt der Otto Brenner Stiftung Frankfurt am Main 2019

Otto Brenner Stiftung

Lutz Frühbrodt – Content Marketing

OBS-Arbeitsheft 86

Content Marketing Wie „Unternehmensjournalisten“ die öffent­ liche Meinung beeinflussen Seit einigen Jahren verbreitet sich unter dem

OBS-Arbeitsheft 86

Namen „Content Marketing“ eine Form des „Unternehmensjournalismus“. Die Studie stellt das Phänomen vor, ermittelt, inwiefern deutsche Großunternehmen schon „MarkeLutz Frühbrodt

Content Marketing Wie „Unternehmensjournalisten“ die öffentliche Meinung beeinflussen Eine Studie der Otto Brenner Stiftung Frankfurt am Main 2016

ting mit journalistischen Mitteln“ betreiben und warnt vor den potentiellen Auswirkungen auf die Medienbranchen und die öffentliche Meinungsbildung. Download unter: www.otto-brenner-stiftung.de

143


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OBS-Arbeitspapiere Infos und Download: www.otto-brenner-stiftung.de

144

Nr. 48

Aufstocker im Bundestag IV. Bilanz der Nebenverdienste der Abgeordneten in der 19. Wahlperiode (Sven Osterberg)

Nr. 47

Tragische Einzelfälle? Wie Medien über Gewalt gegen Frauen berichten (Christine E. Meltzer)

Nr. 46

Wenn Politik Presse macht. Gastbeiträge von Politiker*innen in ausgewählten Tageszeitungen (Marvin Oppong)

Nr. 45

30 Jahre staatliche Einheit – 30 Jahre mediale Spaltung. Schreiben Medien die Teilung Deutschlands fest? (Lutz Mükke)

Nr. 44

„Alleine ist man zerbrechlich“. Perspektiven auf die Interessenvertretung von Arbeitnehmer*innen in Ost und West (Simon Storks, Jana Faus, Rainer Faus)

Nr. 43

Streitfall Vermögenssteuer. Defizite in der Medienberichterstattung (Hendrik Theine, Andrea Grisold)

Nr. 42

Mauer in den Köpfen? Einstellungen zur deutschen Einheit im Wandel (Ayline Heller, Ana Nanette Tibubos, Manfred Beutel, Elmar Brähler)

Nr. 41

Wählen mit 16? Ein empirischer Beitrag zur Debatte um die Absenkung des Wahlalters (Thorsten Faas, Arndt Leininger)

Nr. 40

Armutszeugnis. Wie das Fernsehen die Unterschichten vorführt (Bernd Gäbler)

Nr. 39

Stumme Migranten, laute Politik, gespaltene Medien. Die Berichterstattung über Flucht und Migration in 17 Ländern (Susanne Fengler, Marcus Kreutler)

Nr. 38

Rechte Allianzen in Europa. Wie sich NationalistInnen gegen die EU verbünden (Malene Gürgen, Patricia Hecht, Christian Jakob, Sabine am Orde [Redaktion])

Nr. 37

Zwischen „Flüchtlingskrise“ und „Migrationspakt“. Mediale Lernprozesse auf dem Prüfstand (Michael Haller)

Nr. 36

Krimis, Kontroversen, Kochrezepte. Das Regionale in den Dritten der ARD – mit aktuellen Programmanalysen von rbb und SWR (Joachim Trebbe, Eva Spittka)

Nr. 35

Agenda-Setting bei ARD und ZDF? Analyse politischer Sendungen vor der Bundestagswahl 2017 (Marc Liesching, Gabriele Hooffacker)

Nr. 34

Demoskopie, Medien und Politik. Ein Schulterschluss mit Risiken und Nebenwirkungen (Thomas Wind)

Nr. 33

Zwischen Fanreportern und Spielverderbern. Fußballjournalismus auf dem Prüfstand (Tonio Postel)

Nr. 32

Unsichere Arbeit – unsichere Mitbestimmung. Die Interessenvertretung atypisch Beschäftigter (Berndt Keller)

Nr. 31

Aufstocker im Bundestag III. Eröffnungsbilanz der Nebenverdienste der Abgeordneten zu Beginn der 19. Wahlperiode (Sven Osterberg)

Nr. 30

Netzwerk AfD. Die neuen Allianzen im Bundestag (Malene Gürgen, Christian Jakob, Sabine am Orde)

Nr. 29

Lindners FDP. Profil – Strategie – Perspektiven (Michael Freckmann)


OBS-Arbeitsheft 106 ISSN-Print: 1863-6934

Die Otto Brenner Stiftung …

ISSN-Online: 2365-2314

... ist die gemeinnützige Wissenschaftsstiftung der IG Metall. Sie hat ihren Sitz in Frankfurt am Main. Als Forum für gesellschaftliche Diskurse und Einrichtung der Forschungsförderung ist sie dem Ziel der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Ausgleich zwischen Ost und West.

Herausgeber: Otto Brenner Stiftung Jupp Legrand Wilhelm-Leuschner-Straße 79 D-60329 Frankfurt am Main

... initiiert den gesellschaft­ lichen Dialog durch Veranstaltungen, Workshops und Koopera­ tionsveranstaltungen (z.  B. im Herbst die OBS-Jahrestagungen), organisiert Konferenzen, lobt jährlich den „Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus“ aus, fördert wissenschaftliche Untersuchungen zu sozialen, arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitischen Themen und legt aktuelle medienkritische und -politische Analysen vor.

Tel.: 069-6693-2810 Fax: 069-6693-2786 E-Mail: info@otto-brenner-stiftung.de www.otto-brenner-stiftung.de Autor*innen: Prof. Dr. Lutz Frühbrodt Hochschule Würzburg-Schweinfurt Münzstraße 19 D-97070 Würzburg

... informiert regelmäßig mit einem Newsletter über Projekte, Publikationen, Termine und Veranstaltungen.

E-Mail: Lutz.Fruehbrodt@fhws.de

... veröffentlicht die Ergebnisse ihrer Forschungsförderung in der Reihe „OBS-Arbeitshefte“ oder als Arbeitspapiere (nur online). Die Arbeitshefte werden, wie auch alle anderen Publikationen der OBS, kostenlos abgegeben. Über die Homepage der Stiftung können sie auch elektronisch bestellt werden. Vergriffene Hefte halten wir als PDF zum Download bereit unter: www.otto-brennerstiftung.de/wissenschaftsportal/ publikationen/ ... freut sich über jede ideelle Unterstützung ihrer Arbeit. Aber wir sind auch sehr dankbar, wenn die Arbeit der OBS materiell gefördert wird. ... ist zuletzt durch Bescheid des Finanzamtes Frankfurt am Main V (-Höchst) vom 4. November 2020 als ausschließlich und unmittelbar gemeinnützig anerkannt worden. Aufgrund der Gemeinnützigkeit der Otto Brenner Stiftung sind Spenden steuerlich absetzbar bzw. begünstigt.

Ronja Auerbacher E-Mail: ronja.auerbacher@gmail.com

Hinweis zu den Nutzungsbedingungen: Dieses Arbeitsheft darf nur für nichtkommerzielle Zwecke

Redaktion:

im Bereich der wissenschaftlichen Forschung und Beratung

Benedikt Linden (OBS)

und ausschließlich in der von Otto Brenner Stiftung und DGB veröffentlichten Fassung – vollständig und unverändert – von

Satz und Gestaltung:

Dritten weitergegeben sowie öffentlich zugänglich gemacht

think and act –

werden.

Agentur für strategische Kommunikation In den Arbeitsheften werden die Ergebnisse der ForschungsDruck:

förderung der Otto Brenner Stiftung dokumentiert und der

Druckerei Zeidler GmbH & Co. KG, Mainz-Kastel

Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Für die Inhalte sind die Autorinnen und Autoren verantwortlich.

Titelbild: Valerie Veine/AdobeStock.com

Bestellungen: Über die Internetseite der Otto Brenner Stiftung können

Redaktionsschluss:

weitere Exemplare dieses OBS-Arbeitsheftes kostenlos be-

14. Juli 2021

zogen werden – solange der Vorrat reicht. Es besteht dort

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zung bei der Veröffentlichung der Publikation.

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Hektor Haarkötter, Filiz Kalmuk Seine Leistungen und blinden Flecken

OBS-Arbeitsheft 104 Valentin Sagvosdkin

Qualifiziert für die Zukunft?

Zur Pluralität der wirtschaftsjournalistischen Ausbildung in Deutschland

OBS-Arbeitsheft 103*

Ingo Dachwitz, Alexander Fanta

Medienmäzen Google

Wie der Datenkonzern den Journalismus umgarnt

OBS-Arbeitsheft 102*

Wolfgang Schroeder, Samuel Greef u. a.

Bedrängte Zivilgesellschaft von rechts

Interventionsversuche und Reaktionsmuster

OBS-Arbeitsheft 101*

Leif Kramp, Stephan Weichert

Nachrichten mit Perspektive

Lösungsorientierter und konstruktiver Journalismus in Deutschland

OBS-Arbeitsheft 100* Tim Engartner

Wie DAX-Unternehmen Schule machen

Bitte nutzen Sie folgende Spendenkonten: Für Spenden mit zweckgebundenem Verwendungszweck zur Förderung von Wissenschaft und Forschung zum Schwerpunkt:

• Förderung der internationalen Gesinnung und des Völkerverständigungsgedankens

OBS-Arbeitsheft 105

Medienjournalismus in Deutschland

Spenden erfolgen nicht in den Vermögensstock der Stiftung, sie werden ausschließlich und zeitnah für die Durchführung der Projekte entsprechend dem Verwendungszweck genutzt.

Lehr- und Lernmaterial als Türöffner für Lobbyismus

OBS-Arbeitsheft 99*

Tobias Gostomzyk, Daniel Moßbrucker

„Wenn Sie das schreiben, verklage ich Sie!“

Studie zu präventiven Anwaltsstrategien gegenüber Medien

OBS-Arbeitsheft 98*

Lutz Frühbrodt, Annette Floren

Unboxing YouTube Bank: IBAN: BIC:

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Für Spenden mit zweckgebundenem Verwendungszweck zur Förderung von Wissenschaft und Forschung zu den Schwerpunkten: • Angleichung der Arbeits- und Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland (einschließlich des Umweltschutzes) • Entwicklung demokratischer Arbeitsbeziehungen in Mittel- und Osteuropa • Verfolgung des Zieles der sozialen Gerechtigkeit

aber auch die Möglichkeit, sowohl aktuelle als auch bereits Wir danken der Hans-Böckler-Stiftung für die Unterstüt-

Aktuelle Ergebnisse der Forschungsförderung in der Reihe „OBS-Arbeitshefte“

Bank: IBAN: BIC:

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Geben Sie bitte Ihre vollständige Adresse auf dem Überweisungsträger an, damit wir Ihnen nach Eingang der Spende eine Spendenbescheinigung zusenden können. Oder bitten Sie in einem kurzen Schreiben an die Stiftung unter Angabe der Zahlungsmodalitäten um eine Spendenbescheinigung. Verwaltungsrat und Geschäftsführung der Otto Brenner Stiftung danken für die finanzielle Unterstützung und versichern, dass die Spenden ausschließlich für den gewünschten Verwendungszweck genutzt werden.

Im Netzwerk der Profis und Profiteure

OBS-Arbeitsheft 97*

Wolfgang Schroeder, Stefan Fuchs

Neue Mitglieder für die Gewerkschaften

Mitgliederpolitik als neues Politikfeld der IG Metall

OBS-Arbeitsheft 96*

Rainer Faus, Simon Storks

Im vereinten Deutschland geboren – in den Einstellungen gespalten?

OBS-Studie zur ersten Nachwendegeneration

OBS-Arbeitsheft 95* Bernd Gäbler

AfD und Medien

Erfahrungen und Lehren für die Praxis

* Printfassung leider vergriffen; Download weiterhin möglich.

Diese und weitere Publikationen der OBS finden Sie unter www.otto-brenner-stiftung.de Otto Brenner Stiftung | Wilhelm-Leuschner-Straße 79 | D-60329 Frankfurt/Main


OBS-Arbeitsheft 106

Lutz Frühbrodt/Ronja Auerbacher

OBS-Arbeitsheft 106

Frühbrodt/Auerbacher – Den richtigen Ton treffen

OBS-Arbeitsheft 106

Den richtigen Ton treffen Der Podcast-Boom in Deutschland

Den richtigen Ton treffen Der Podcast-Boom in Deutschland

www.otto-brenner-stiftung.de ­

Ein Projekt der Otto Brenner Stiftung Frankfurt am Main 2021


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