OBS-Arbeitsheft 106
Lutz Frühbrodt/Ronja Auerbacher
OBS-Arbeitsheft 106
Frühbrodt/Auerbacher – Den richtigen Ton treffen
OBS-Arbeitsheft 106
Den richtigen Ton treffen Der Podcast-Boom in Deutschland
Den richtigen Ton treffen Der Podcast-Boom in Deutschland
www.otto-brenner-stiftung.de
Ein Projekt der Otto Brenner Stiftung Frankfurt am Main 2021
OBS-Arbeitsheft 106 ISSN-Print: 1863-6934
Die Otto Brenner Stiftung …
ISSN-Online: 2365-2314
... ist die gemeinnützige Wissenschaftsstiftung der IG Metall. Sie hat ihren Sitz in Frankfurt am Main. Als Forum für gesellschaftliche Diskurse und Einrichtung der Forschungsförderung ist sie dem Ziel der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Ausgleich zwischen Ost und West.
Herausgeber: Otto Brenner Stiftung Jupp Legrand Wilhelm-Leuschner-Straße 79 D-60329 Frankfurt am Main
... initiiert den gesellschaft lichen Dialog durch Veranstaltungen, Workshops und Koopera tionsveranstaltungen (z. B. im Herbst die OBS-Jahrestagungen), organisiert Konferenzen, lobt jährlich den „Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus“ aus, fördert wissenschaftliche Untersuchungen zu sozialen, arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitischen Themen und legt aktuelle medienkritische und -politische Analysen vor.
Tel.: 069-6693-2810 Fax: 069-6693-2786 E-Mail: info@otto-brenner-stiftung.de www.otto-brenner-stiftung.de Autor*innen: Prof. Dr. Lutz Frühbrodt Hochschule Würzburg-Schweinfurt Münzstraße 19 D-97070 Würzburg
... informiert regelmäßig mit einem Newsletter über Projekte, Publikationen, Termine und Veranstaltungen.
E-Mail: Lutz.Fruehbrodt@fhws.de
... veröffentlicht die Ergebnisse ihrer Forschungsförderung in der Reihe „OBS-Arbeitshefte“ oder als Arbeitspapiere (nur online). Die Arbeitshefte werden, wie auch alle anderen Publikationen der OBS, kostenlos abgegeben. Über die Homepage der Stiftung können sie auch elektronisch bestellt werden. Vergriffene Hefte halten wir als PDF zum Download bereit unter: www.otto-brennerstiftung.de/wissenschaftsportal/ publikationen/ ... freut sich über jede ideelle Unterstützung ihrer Arbeit. Aber wir sind auch sehr dankbar, wenn die Arbeit der OBS materiell gefördert wird. ... ist zuletzt durch Bescheid des Finanzamtes Frankfurt am Main V (-Höchst) vom 4. November 2020 als ausschließlich und unmittelbar gemeinnützig anerkannt worden. Aufgrund der Gemeinnützigkeit der Otto Brenner Stiftung sind Spenden steuerlich absetzbar bzw. begünstigt.
Ronja Auerbacher
OBS-Arbeitsheft 105
Hektor Haarkötter, Filiz Kalmuk
Medienjournalismus in Deutschland
Seine Leistungen und blinden Flecken
OBS-Arbeitsheft 104
Valentin Sagvosdkin
Qualifiziert für die Zukunft?
Zur Pluralität der wirtschaftsjournalistischen Ausbildung in Deutschland
OBS-Arbeitsheft 103*
Ingo Dachwitz, Alexander Fanta
Medienmäzen Google
Wie der Datenkonzern den Journalismus umgarnt
OBS-Arbeitsheft 102*
Wolfgang Schroeder, Samuel Greef u. a.
Bedrängte Zivilgesellschaft von rechts
Interventionsversuche und Reaktionsmuster
OBS-Arbeitsheft 101*
Leif Kramp, Stephan Weichert
Nachrichten mit Perspektive
Lösungsorientierter und konstruktiver Journalismus in Deutschland
OBS-Arbeitsheft 100*
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14. Juli 2021
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Wie DAX-Unternehmen Schule machen
Lehr- und Lernmaterial als Türöffner für Lobbyismus
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OBS-Arbeitsheft 99*
„Wenn Sie das schreiben, verklage ich Sie!“
OBS-Arbeitsheft 98* Unboxing YouTube
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Im Netzwerk der Profis und Profiteure
OBS-Arbeitsheft 97*
Wolfgang Schroeder, Stefan Fuchs
Neue Mitglieder für die Gewerkschaften
Mitgliederpolitik als neues Politikfeld der IG Metall
OBS-Arbeitsheft 96*
Rainer Faus, Simon Storks
Im vereinten Deutschland geboren – in den Einstellungen gespalten?
OBS-Studie zur ersten Nachwendegeneration
OBS-Arbeitsheft 95*
Bernd Gäbler
AfD und Medien
Erfahrungen und Lehren für die Praxis
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Vorwort
Vorwort
Was verbindet Bundeskanzlerin Angela Merkel, ihren Vorgänger Gerhard Schröder, einen sechzehnjährigen, autistischen Jungen aus Augsburg, die Klimaaktivistin Luisa Neubauer und rund die Hälfte der 30 DAX-Konzerne? Sie alle haben (mindestens) einen eigenen Podcast. Podcasts, das unterstreichen auch Zahlen, sind zum Boom-Medium geworden. Und: Während Plattformen für kurze Text- und Bildnachrichten – wie Facebook, Twitter oder Instagram – und die Video-Plattform YouTube aufgrund ihrer Bedeutung für die Verbreitung rechtsextremer und verschwörungserzählerischer Inhalte schon länger Kritik ausgesetzt sind, scheint das gesprochene Podcast-Wort von ähnlichen Skandalen weit entfernt: Eine kultivierte, respektvolle Kommunikation ist hier die Norm – Wut, Hetze, Hass und (negative) Emotionalität sind Randerscheinungen ohne Relevanz, es gilt, den richtigen Ton zu treffen. Seit Jahren versucht die OBS, den Wandel der Medienwelt zu durchleuchten, den Fragmentierungen der Öffentlichkeit nachzuspüren und mit medienkritischen Studien Anstöße für Diskurse zu geben. Es liegt also für uns auf der Hand, der Podcast- Landschaft in Deutschland eine tief bohrende Studie zu widmen: Was kennzeichnet dieses Format – was sind die Inhalte, wer die Macher*innen? Wie sind technische und ökonomische Entwicklungen der Branche einzuschätzen? Welche Anforderungen und Bedürfnisse der Hörer*innen sind zu identifizieren? Welche Bedeutung haben sie für öffentlichen Diskurs und Kommunikationskultur? Eine Mammut-Aufgabe, die wir gerne an Lutz Frühbrodt und Ronja Auerbacher übertragen haben – zwei profilierte Kommunikationswissenschaftler*innen, die tiefe Schneisen der Erkenntnis in das Dickicht eines medienpolitischen Neulandes geschlagen und mit beeindruckender Sorgfalt und souveränem Blick das Thema aufgearbeitet haben. Sie machen etwa deutlich, dass das Format „Podcast“ auch abseits der politischen Extreme erfreuliche inhaltliche Unterschiede zur Welt der Influencer*innen auf YouTube & Co. aufweist. Mit „Unboxing YouTube“ hatte unser Autor Frühbrodt 2019 das „Netzwerk der Profis und Profiteure“ offengelegt und eine Marginalisierung von Wissens- oder Informationsangeboten unter den erfolgreichsten deutschen YouTube-Kanälen konstatiert – weniger als fünf Prozent unter den Top 100 Videos waren diesem Bereich zuzuordnen. Demgegenüber zeigt unsere „Podcast-Studie“ jetzt, dass Politik-, Nachrichten- und Wissenspodcasts unter den Top 50 der führenden Podcasts-Plattform Spotify über 40 Prozent des Angebots ausmachen. Durch die Notwendigkeit, sich bewusst und aktiv für eine spezifische (meist auch längere) Podcasts-Folge zu entscheiden, erscheint das Format für die detaillierte Behandlung komplexer (Sach-)Themen geradezu prädestiniert: Für mehr als vier Fünftel (83,4 Prozent) der Podcast-Hörer*innen ist die Ausführlichkeit auch 1
Den richtigen Ton treffen
ein zentrales Motiv für die Nutzung. Führt man sich weiter vor Augen, dass die Welt der Podcasts von einer bunten Vielfalt von Produzierenden geprägt ist – neben Wissenschafts- und journalistischen Formaten auch (immer noch) von vielen Amateur-Produktionen – scheint sich hier eine besondere Form der Aufklärung etabliert zu haben. In der Untersuchung schälen sich allerdings drei Befunde heraus, die das Bild relativieren: Zum einen zeigen die Autor*innen in einer Inhaltsanalyse von zehn erfolgreichen Politik-Podcasts, dass auch innerhalb der Info- und Wissensformate noch Luft nach oben ist – die Einordung von Themen in größere gesellschaftspolitische Kontexte und die Trennung von Nachricht und Meinung lassen zu wünschen übrig. Zum anderen verdrängen die Profis zunehmend die Amateure, der Anteil der inhärent interessensgeleiteten Kommunikation steigt: Politische Akteure, aber auch Unternehmen mit ihren kommerziellen Interessen, verlangen Hörer*innen mit ihren gut gemachten Podcasts ein steigendes Maß an Medienkompetenz ab. Noch schwerer wiegen technisch-strukturelle und ökonomische Entwicklungen, die die starken aufklärerischen Elemente des Mediums Podcasts an den Rand zu drängen drohen. Spotify und Apple Podcast schicken sich im Hintergrund bereits an, die technisch notwendige Infrastruktur für Podcasts dauerhaft zu beherrschen und in ihrem Sinne zu kommerzialisieren. Ist aber erst einmal ein Oligopol errichtet, droht das „YouTube-Syndrom“: Eine algorithmische Steuerung der Bedarfe sowie die Nivellierung und Absenkung des inhaltlichen Niveaus unter der Maßgabe der Werbefähigkeit sind als unmittelbare Folgen zu befürchten. Und es drohen die Privatisierung einer weiteren Teilöffentlichkeit und die infrastrukturelle Abhängigkeit auch der journalistischen Podcast-Akteure von den Entscheidungen eines profitorientierten Unternehmens. Es kommt also schon jetzt drauf an, „die Chancen dieses noch jungen Mediums für das politische Gemeinwohl zu nutzen und nicht sehenden Auges in eine neue Abhängigkeit zu schlittern, wie dies gegenüber YouTube und anderen sozialen Medien geschehen ist“, heißt es im Fazit der Studie. Es lohnt sich, um die Vielfalt, das Niveau und den diskursiven Charakter der Podcast-Kultur zu ringen und ihr eine Zukunft zu sichern. Das wollen wir mit der Studie unterstreichen.
Jupp Legrand Geschäftsführer der OBS 2
Frankfurt am Main, im Juli 2021
Inhalt
Inhalt
1
Einleitung: Podcasts – das neue Info-Medium?...........................................................5
2
Form und Charakter: Die Spezifika des Podcastings..................................................10 2.1 Radio, nur anders?........................................................................................................ 10 2.2 Die Artenvielfalt der deutschen Podcast-Szene............................................................... 12 2.3 Gängige Formate journalistischer Podcasts.................................................................... 14 2.4 Zwischenbilanz..............................................................................................................17
3
Technik und Geschäft: Von Websites zu Spotify........................................................18 3.1 Die technologische Entwicklung..................................................................................... 18 Fallbeispiel: Der Audio-Dienstleister Podcast360............................................................ 23 3.2 Jäger* und Sammler*: Die wichtigsten Streaming-Plattformen........................................ 25 3.3 Werbung und andere Einnahmequellen.......................................................................... 30 3.4 Zwischenbilanz............................................................................................................. 34
4
Podcast-Nutzung: Vom Nischenformat zum Massenmedium..................................... 36 4.1 Die Entwicklung in den USA........................................................................................... 36 4.2 Die wichtigsten Wegmarken in Deutschland................................................................... 40 4.3 Boom oder Hype? Was die deutschen Podcast-Zahlen sagen........................................... 43 4.4 Motive und Verhalten der Podcast-Nutzer*.....................................................................48 4.5 Zwischenbilanz..............................................................................................................51
5
Amateure*, Zivilgesellschaft, Politik und Unternehmen als Podcaster*.....................52 5.1 Persönliches und wissenschaftliches Erkenntnisinteresse.............................................. 52 5.2 Politische Ziele und Polit-PR.......................................................................................... 55 5.3 Kommerzielle Interessen............................................................................................... 57 Fallbeispiel: Die Podcastlandschaft Dresden................................................................... 59 5.4 Zwischenbilanz.............................................................................................................60
3
Den richtigen Ton treffen
6
Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio................61 6.1 Die neuen Herausforderungen für die Radioanbieter....................................................... 61 6.2 Eine effektive Strategie? Die ARD und ihre Audiothek..................................................... 65 Fallbeispiel: Der tagesschau Zukunfts-Podcast mal angenommen....................................71 6.3 Private Radiosender und die RTL-Plattform Audio Now.................................................... 73 6.4 Zwischenbilanz............................................................................................................. 78
7
Private Verlagshäuser............................................................................................. 80 7.1 Tages- und Wochenzeitungen zwischen Marketing-Experiment und Großoffensive..........80 Fallbeispiel: Die Süddeutsche Zeitung............................................................................88 7.2 Am Hadern? Politik- und Wirtschaftsmagazine...............................................................90 Fallbeispiel: Der Spiegel................................................................................................ 92 7.3 Zwischenbilanz............................................................................................................. 95
8
Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten...........................................................................97 8.1 Das Nutzungsverhalten der Zielgruppe........................................................................... 97 8.2 Anforderungen junger Mediennutzer* an journalistische Angebote............................... 100 8.3 Führende Politikformate der deutschen Podcast-Landschaft......................................... 102 8.4 Die journalistische Qualität deutscher Politik-Podcasts.................................................105 8.5 Zwischenfazit...............................................................................................................118
9
Fazit: Wie sich die zeitgenössische Podcast-Kultur bewahren lässt.........................120 9.1 Zusammenfassung der Ergebnisse und Handlungsempfehlungen für Politik-Podcasts... 120 9.2 Strategischer Ausblick: Das Spotify-Dilemma der Podcast-Macher*...............................123
Literaturverzeichnis............................................................................................................ 126 Quellenverzeichnis.............................................................................................................. 131 Anhang...............................................................................................................................133
4
Einleitung: Podcasts – das neue Info-Medium?
1 Einleitung: Podcasts – das neue Info-Medium?
Seit Februar 2021 gibt es einen außergewöhn
und andere hochrangige Politiker* zum Ge-
lichen Podcast zu hören. In acht Folgen unter-
spräch bittet. Dies klingt zunächst nach be-
halten sich Barack Obama und Bruce Spring
kanntem Inhalt in neuer Verpackung. In einem
steen über Politik, Diskriminierung und Rock-
Interview mit der Süddeutschen Zeitung hebt
1
musik. Ein Moderator* stört sie nicht dabei.
die Fernsehjournalistin jedoch die Vorteile
Der ehemalige Präsident der Vereinigten Staa-
von Podcasts hervor – zum Beispiel „ohne ein
ten von Amerika und einer der einflussreichs-
strenges zeitliches Korsett und mit mehr Spiel-
ten Rockmusiker der Welt. Wäre ein ähnliches
raum auch Aspekte außerhalb der Tagesaktua-
Format auch in Deutschland denkbar? Dass
lität anzusprechen“. Dies erlaube eine „gewis-
sich beispielsweise Angela Merkel nach ihrem
se Ausgeruhtheit“. Als weiteren Vorzug nennt
Besondere
Ausscheiden aus dem Kanzleramt in einem
Maischberger die „intime Gesprächssituation,
Gesprächs-
Podcast mit Deutschrock-Legende Udo Linden-
wenn keine Fernsehkameras drum herumste-
atmosphäre
berg regelmäßig über Rechtsextremismus und
hen, sondern allenfalls ein kleines Mikrofon“,
die deutsche Wiedervereinigung austauschen
was eine lockere Atmosphäre schaffe (Gastei-
würde? Sollte man sich dies eher nicht vorstel-
ger 2020). Damit unterscheiden sich Podcasts
len können, mag das vor allem an den konkre-
nicht nur vom Fernsehen, sondern auch vom
ten Personen liegen. Denn grundsätzlich ist im
Hörfunk, der in seiner Mehrheit heute mit nur
neu entstehenden Podcast-Universum vieles
kurzen Wortbeiträgen auskommt.
möglich. Unkonventionelle Kombinationen von
Die Hörer* nehmen die besondere Atmo-
Gesprächspartnern*, ein Mix verschiedener
sphäre des Podcastings wahr und belohnen
journalistischer Formate innerhalb einer Fol-
sie mit Wertschätzung. Jedenfalls scheinen die
ge, vermeintlich völlig abseitige Themen und
Audio-Dateien aus dem Internet immer mehr
vieles andere mehr.
in Mode zu kommen. „Faszination Podcasts:
Der Podcast-
Die Artenvielfalt ist eines der prägenden
Warum das Audio-Format im Netz immer be-
Boom
Charakteristika des Podcastings. Ein wei-
liebter wird“ (Berliner Zeitung, 21.1.2020),
teres besteht in der besonderen Gesprächs
„Einfach mal reden lassen: Podcasts liegen voll
atmosphäre, die bei einem Podcast entstehen
im Trend“ (Augsburger Allgemeine, 15.4.2019),
kann. Im September 2020 hat die TV-Talk-
„Auf die Ohren: Warum der Podcast-Markt
Moderatorin Sandra Maischberger ihren eige-
wächst und wächst“ (Zeit Online, 21.5.2020) –
nen, gleichnamigen Podcast (PC) gestartet, in
solche und ähnliche Schlagzeilen sind in den
dem sie Prominente wie den Drogerie-Gründer
Medien seit einigen Jahren immer wieder zu
Dirk Rossmann, den Filmregisseur Werner Her-
lesen. Es werden Podcast-Preise verliehen, es
zog, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn
finden Podcast-Festivals statt. Und mit Über
1 Die Autoren* möchten in ihrem Text zwar alle Geschlechter erfassen, aber auch den Lesefluss bestmöglich bewahren. Deshalb haben sie sich für eine Variante entschieden, bei der das Maskulinum mit einem Genderstern versehen wird.
5
Den richtigen Ton treffen
Podcasts hat der Deutschlandfunk Kultur so-
und Teaser wahr, ohne auf den ausführlichen
gar eine erste Sendung gestartet, die sich al-
Text oder das dazugehörige Video zu klicken.
lein dem Podcasting widmet. Die Zahlen spre-
Podcasts indes zeichnen sich durch ihre Aus-
chen indes eine noch nicht ganz so deutliche
führlichkeit aus: Es gibt zwar auch den fünf-
Sprache: Nach verschiedenen Umfragen hört
minütigen Nachrichten-Podcast, der alles We-
erst ein Viertel der in Deutschland lebenden
sentliche in Kürze zusammenfasst, daneben
Menschen über 14 Jahre mindestens einmal im
existieren aber auch viele ein- bis zweistündige
Monat einen Podcast. Allerdings bewegen sich
Info-Formate.
die jährlichen Wachstumsraten im deutlich
Eine weitere Besonderheit der deutschen
zweistelligen Bereich. Und: Rund ein Viertel
Podcast-Landschaft: Diese ausführlichen For-
der 14- bis 29-Jährigen hört sich mindestens
mate muss man nicht lange suchen. Informa-
Ein „junges“
einmal pro Woche einen Podcast an. Es handelt
tion und Politik spielen im Podcast-Universum
Medium
sich derzeit also eher um ein „junges“ Medium.
eine durchaus gewichtige Rolle, so dass sich
Die Beliebtheit bei jungen Menschen lässt
vermuten lässt, dass das neue Medium auch
besonders aufhorchen. Denn in den vergange-
eine wichtige Informationsquelle hinsichtlich
nen Jahren haben sich jüngere Menschen vor
dieser Themen für die jüngeren Generationen
allem bei sozialen Medien wie Instagram oder
darstellt. Tabelle 1 gibt einen Überblick darü-
Facebook bedient, um sich über aktuelle Ereig-
ber, aus welchen Themenfeldern die Podcasts
nisse in Gesellschaft und Politik zu informie-
stammen, die im Monat November 2020 in den
ren. Oft nehmen sie dabei nur die Titelzeilen
deutschen Top-50-Charts der Audiostreaming-
Tabelle 1 Genres und Produzenten* der Top-50-Podcasts von Spotify (November 2020)
Themenfeld/ Produzenten*
Öffentlichrechtlich
Etabliertes Medienhaus
Private AudioDienstleister
Freie Medienschaffende
Spotify Original
Summe
Nachrichten
4
4
0
0
0
8
Politik
2
2
2
2
0
8
Wissen
4
0
0
1
1
6
True Crime
1
1
2
0
2
6
Comedy/Unterhaltung
2
0
3
6
2
13
Lifestyle/Sonstiges
0
1
4
5
2
12
Summe
13
8
11
14
7
53 Quelle: Eigene Erhebung.
6
Einleitung: Podcasts – das neue Info-Medium?
Plattform Spotify rangierten.2 Spotify ist die mit
Nachrichtenmagazine) sehr aktiv, aber auch
Abstand beliebteste Plattform unter den Jünge-
private Audio-Dienstleister und freie Medien-
ren, aber auch weltweit zusammen mit Apple
schaffende mit von der Partie sind.
Podcasts der bedeutendste Audiostreamer. Die
Diese Beobachtungen bilden den Aus-
Gesamtzahl 53 kommt durch die – allerdings
gangspunkt für die vorliegende Untersuchung.
sehr überschaubaren – Zu- und Abgänge im
Im Mittelpunkt steht die übergeordnete Frage,
Erhebungszeitraum zustande. Des Weiteren
welche Bedeutung Podcasts für die deutsche
Bedeutung für die
ordnet die Tabelle die Produzenten aus ver-
Medienkultur haben. Medien haben als wich-
Medienkultur …
schiedenen Bereichen (öffentlich-rechtlicher
tige Akteure der öffentlichen Kommunikation
Rundfunk, freie Medienschaffende etc.) den
allerdings auch eine große Bedeutung für die
Genres bzw. den dort gelisteten Podcasts zu.
Meinungsbildung. Somit liegt die Annahme
Es wird deutlich, dass die Genres „Come-
nahe, dass auch Podcasts – sofern regelmäßig
dy und Unterhaltung“ sowie „Lifestyle und
und intensiv konsumiert – hier eine prägen-
Sonstiges“ (z. B. sogenannte Laber-Podcasts
de Rolle spielen können. Insbesondere der oft
von Promis oder spirituelle Formate) eindeu-
persönlich-intime Charakter von Podcasts, der
tig das Feld beherrschen. Nachrichten, Politik
die Wahrnehmungsgrenzen zwischen inter-
und Wissen (Corona-Infos, Naturwissenschaf-
personaler und öffentlicher Kommunikation
ten etc.) – also Informations- und Bildungs-
verschwimmen lässt, dürfte diese Funktion
formate – machen aber immerhin zwei Fünftel
verstärken.4 Deshalb wird in der vorliegenden
unter den am meisten gehörten Podcasts in
Studie auch spezifischer gefragt, welche Rolle
… und die
Deutschland aus. Die Dominanz der unterhal-
PC bei der politischen Meinungsbildung – ins-
öffentliche
tenden Formate wird bei der Übersicht in Tabel-
besondere bei jüngeren Menschen – spielen.
Meinungsbildung
3
le 1 zudem durch die eigenen PC-Produktionen
Zur Beantwortung dieser Forschungsfragen
(„Spotify Originals“) von Spotify verstärkt. Um-
gibt die Studie in den Kapiteln 2 bis 4 zunächst
fragen deuten darauf hin, dass unter allen Pod-
einen Überblick über die wichtigsten struktu-
cast-Nutzern* rund die Hälfte diese zu Informa-
rellen Entwicklungen des Podcastings und
tionszwecken hört. Bei den Nachrichten- und
ordnet das noch sehr unübersichtliche Feld.
Politikformaten fällt in Tabelle 1 ins Auge, dass
Dies beginnt mit einer Definition von Podcasts
hier die öffentlich-rechtlichen Sender und die
und einer Systematisierung journalistischer
etablierten Medienhäuser (Tageszeitungen,
PC-Formate (Kapitel 2), setzt sich fort mit den
2 Die Autoren* haben die Spotify-Top-50 im Rahmen einer Stichprobenanalyse ausgewertet. Die Top-Formate wurden an insgesamt sieben Stichtagen (künstliche Woche) im November 2020 erfasst und kategorisiert (siehe Anhang C). 3 Podcasts werden, weil der Bereich noch weitgehend unreguliert ist, auch von Akteuren* an den politischen Rändern genutzt. Diese werden in der vorliegenden Studie aber nicht weiter thematisiert, weil ihr Wirkungskreis hier im Vergleich zu sozialen Medien – von Einzelfällen abgesehen – (noch) sehr begrenzt scheint. 4 Der Prozess der individuellen politischen Meinungsbildung ist ohne Frage komplexer als hier skizziert. Er besteht unter anderem zusätzlich aus Wissens-, Erfahrungs- und Affekt-Komponenten (vgl. Schweiger 2017, Kap. 4).
7
Den richtigen Ton treffen
wichtigsten Wegmarken der technischen und
der Zeitschriften mit gesellschaftspolitischem
ökonomischen Entwicklung (Kapitel 3) und en-
Einschlag im Podcasts-Universum. Sie alle sind
det mit den zentralen soziokulturellen Trieb-
seit zwei Jahrzehnten von einer tiefgreifenden
kräften, die in den USA (als dem internatio-
Strukturkrise gezeichnet. Podcasts könnten für
nalen Vorreiter) und in Deutschland das neue
sie eine Chance sein, jüngere Mediennutzer*
Podcast-Universum geformt haben. Hier wird
für sich zu gewinnen – auch für kostenpflichtige
deutlich gemacht, dass es zwischen ca. 2005
Inhalte. Doch wie stark und wie geschickt nut-
Zwei große
und 2010 eine erste „Experimentierwelle“ ge-
zen sie diese Chance? Kapitel 8 beschließt den
Wellen
geben hat, die ab etwa 2017 von einer nachhal-
empirischen Teil der Studie durch eine qualita-
tigen „Etablierungswelle“ abgelöst worden ist.
tive Analyse ausgewählter Podcast-Angebote.
Deshalb soll in den Kapiteln 5 bis 7 untersucht
Einschlägige Studien (Kramp/Weichert 2017;
werden, welche Akteure* in welchem Ausmaß
Kümpel 2020) unterstreichen, dass das jünge-
heute auf dem Feld der informierenden Pod-
re Publikum trotz (oder gerade auch wegen)
casts aktiv sind. Kapitel 5 widmet sich dabei
seiner Social-Media-Neigung den etablierten
den unabhängigen Podcast-Machern*, den
Medienmarken (Öffentlich-Rechtliche, große
sogenannten Indies (vom Englischen „inde-
Verlagshäuser) einen Vertrauensvorschuss ge-
pendent“ = unabhängig), aber auch anderen
währt. Deshalb soll überprüft werden, ob diese
Einzelpersonen (Wissenschaftler*, Politiker*)
Medienmacher* dem entgegengebrachten Ver-
sowie Nichtregierungsorganisationen (NGOs)
trauen auch beim Podcasting gerecht werden.
Journalistische
und Unternehmen, die das Podcasting für sich
Denn das Einhalten journalistischer Qualitäts-
Qualitätskontrolle
entdeckt haben und so Einfluss auf die öffent-
maßstäbe (Transparenz der Recherchequellen,
liche Meinungsbildung nehmen wollen. Kapi-
Unabhängigkeit, Kennzeichnen von Meinun-
tel 6 beschäftigt sich mit den privaten Radio-
gen etc.) ist unabdingbare Voraussetzung da-
sendern und hier zumeist den musiklastigen
für, dass die politische Meinungsbildung auf
Formaten („Dudelwellen“), die nun durch den
faire und seriöse Weise erfolgt – und ein be-
Boom des gesprochenen Wortes vor einer neu-
kannter Name ist zwar ein Hinweis darauf, aber
en Herausforderung stehen. Darüber hinaus
keine Garantie.
8
beleuchtet Kapitel 6 die Podcast-Aktivitäten
Die vorliegende Studie durchziehen drei
der Öffentlich-Rechtlichen. Insbesondere geht
Kerngedanken bzw. Hypothesen, die am
es um die Suche des ARD-Hörfunks nach einer
Schluss (Kapitel 9) noch einmal aufgegriffen
geeigneten Strategie, um mit seiner Audiothek
und diskutiert werden sollen:
verstärkt auch jüngere Hörer* zu erreichen,
Die deutsche Podcast-Szene hat zwar eine
die bisher vorrangig private Plattformen wie
Professionalisierung und Ansätze zu einer
den Streamingdienst Spotify frequentieren.
Kommerzialisierung durchlaufen. Sie ist
Schließlich beleuchtet Kapitel 7 die Aktivitä-
aktuell jedoch weiter von einer bewahrens-
ten der Tages- und Wochenzeitungen sowie
werten Kultur der (Meinungs)Vielfalt, des
Einleitung: Podcasts – das neue Info-Medium?
thematischen Tiefgangs und des offenen
folgten E-Mail-Anfragen an diverse Medienver-
Quellen und
Dialogs geprägt.
bände und mehr als 50 Tages- und Wochenzei-
Methoden
Nicht nur die etablierten Medienmarken,
tungen wurden für eine Umfrage über deren
auch „unabhängige“ Produktionen tragen
Podcast-Aktivitäten angeschrieben (Vorgehen
positiv zur politischen Meinungsbildung
und Ergebnisse in Kapitel 6.3). Darüber hi
von jüngeren wie älteren Mediennutzern*
naus erfolgte eine systematische Auswertung
bei. Insgesamt gibt es aber noch Optimie-
der Podcast-Produktionen von ausgewählten
rungspotenzial.
Privatradios und politischen Zeitschriften. Die
Neben den Machern* spielen auch die
Podcasts wurden hier verschiedenen Katego-
Audiostreaming-Plattformen eine wichtige
rien (Unterhaltung, Information etc.) zugeord-
Rolle für die Podcast-Kultur wie für die Mei-
net und teilweise auch inhaltlich analysiert.
nungsbildung: In vielen Ländern der Welt,
Mit Verantwortlichen ausgewählter Medien
darunter auch Deutschland, bahnt sich
(ARD-Tagesschau, Süddeutsche Zeitung, Der
eine Entwicklung hin zu einer Vormacht-,
Spiegel) wurden Leitfaden-Interviews geführt,
ja Monopolstellung von Spotify an. Dies
um Hintergrund-Informationen für Fallbeispie-
könnte negative Auswirkungen auf die Mei-
le über die Podcast-Strategien dieser Medien
nungsvielfalt haben.
zu erhalten. Nicht zuletzt wurden mehrere Hundert Podcasts gesichtet, angehört und
Neben der Auswertung einschlägiger Fachlite-
ausgewertet. Detaillierte Informationen zur
ratur und von Presseartikeln zum Thema wur-
qualitativen Inhaltsanalyse (Kap. 8), zur Um-
de für diese Studie eine qualitative Inhalts-
frage bei den Tages- und Wochenzeitungen
analyse von zehn populären Politik-Podcasts
sowie zur Erhebung der Podcast-Aktivitäten
durchgeführt, deren Ergebnisse und Methodik
der Privatradios befinden sich im Anhang zu
in Kapitel 8.4 vorgestellt werden. Zudem er-
dieser Studie.
9
Den richtigen Ton treffen
2 Form und Charakter: Die Spezifika des Podcastings
Podcasts sind wie Radio ein sprachbasiertes
2.1 Radio, nur anders?
Medium. Gleichwohl gibt es gravierende Unterschiede, die Podcasts zu einem eigenständigen
Podcast – der Begriff klingt zunächst einmal
Medium machen (Kapitel 2.1). Ihre spezifischen
etwas außergewöhnlich und damit erklärungs-
Podcast ist ein
Charakteristika prädestinieren Podcasts gewis-
bedürftig. Es handelt sich um ein sogenanntes
„Kofferwort“
sermaßen für anspruchsvolle Inhalte aus den
Kofferwort, das sich aus zwei englischen Wör-
Feldern Information und Wissen (Kapitel 2.2).
tern zusammensetzt: „Pod“ bezieht sich auf
Dementsprechend orientieren sich die journa-
den iPod, den MP3-Player des US-Konzerns
listischen Formate des Podcastings stärker an
Apple, der die Entwicklung des Podcastings in
denen des wortbasierten Programmradios (z. B.
den ersten Jahren maßgeblich vorangetrieben
Kultursender) als am musiklastigen Formatradio,
hat. „Cast“ bedeutet Radio- oder Fernsehsen-
den sogenannten Dudelwellen (Kapitel 2.3).
dung.
Die Charakteristika von Podcasts Podcasts lassen sich wie folgt formal und technisch charakterisieren und damit definieren: Es handelt sich um digitale Audiodateien, die über eine Internetverbindung direkt angehört werden (Streaming) oder für den späteren Gebrauch auf das eigene Endgerät heruntergeladen werden können (Downloads). Grundsätzlich sind sie für die Medienkonsumenten* jederzeit verfügbar und nutzbar
(„on demand“). Podcasts sind in aller Regel wortbasiert. Es sprechen Menschen (miteinander).
Der Musikanteil ist bestenfalls gering. Ein Podcast besteht aus mehreren, thematisch vergleichbaren Episoden. Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff Podcast sowohl den „Serientitel“ als auch die einzelne Folge einer Serie. Genau genommen ist mit Podcast aber die Serie gemeint. Die Produzenten* von Podcasts platzieren diese auf Websites (z. B. eines Nachrichten magazins), auf mobilen Apps oder auf den Plattformen von Audio-Streamingdiensten. Nutzer* können diese dort abonnieren, um automatisch neue Folgen auf ihren Endgeräten angeboten zu bekommen. Für den Konsum sind digitale Endgeräte wie Smartphone, Smart Speaker (beispielsweise Amazons „Alexa“ etc.), Tablet, Notebook oder digitale Empfangstechnologien in Autos (In-Car-Entertainment-Systeme) notwendig.
10
Form und Charakter: Die Spezifika des Podcastings
Was macht – neben diesen formalen und
bei Podcasts macht laut Umfragen ein wesent-
technischen Aspekten – inhaltlich den spezi-
licher Teil der Nutzer* während des Hörens zu-
fischen Charakter des Podcastings aus? Ist es
gleich andere Dinge (vgl. Kapitel 4.4). Über die
wie Radio, nur ein bisschen anders? Tatsäch-
Hälfte gibt jedoch an, sich PC ganz bewusst
lich weist das Podcasting eine wesentliche Ge-
anzuhören – vor allem auch nachdem sie ganz
meinsamkeit mit dem klassischen Hörfunk auf:
gezielt ausgewählt (und meist auch abonniert)
Die Texte müssen so formuliert werden, dass
worden sind und man nicht mehr oder minder
sie genau in dem Augenblick, in dem sie ge-
zufällig in einer Sendung gelandet ist. Wenn,
sprochen werden, allgemein verständlich sind
dann gibt es hier also größere Parallelen zum
und idealerweise Bilder im Kopf der Rezipien-
anspruchsvolleren wortbasierten Programm
ten* entstehen lassen (Bucher/Barth 2003).
radio als zu musiklastigen Sendungen.
Darüber hinaus sind die wichtigsten journalis-
Ein weiterer Unterschied: Das Radio ist in
tischen Formate von Podcasts stark dem Radio
Gestalt des tragbaren Empfängers oder des
machen entlehnt (vgl. Kapitel 2.3).
Autoradios ein ausgesprochen ortsunabhängi-
Bilder im Kopf
Es bestehen aber auch mehr oder minder
ges, mithin mobiles Medium – und zwar lange
große Unterschiede, wie sie in der Übersicht
bevor es über Smartphones empfangbares On-
von Tabelle 2 erkennbar werden. Radio gilt ge-
line-Radio gegeben hat. In begrenztem Maße
Orts- und
meinhin als klassisches Begleitmedium, das
ist es inzwischen auch zeitunabhängig, vor al-
zeitunabhängig
gehört wird, während der Nutzer* zugleich
lem seit Radiosender Audiotheken eingerichtet
nutzbar
andere Aktivitäten ausführt (Autofahren, Auf-
haben und einzelne Sendungen heruntergela-
räumen etc.). Dies gilt besonders für Sender,
den werden können. Podcasts sind hingegen
die einen hohen Musikanteil aufweisen. Auch
quasi von Natur aus sowohl orts- als auch zeit
Tabelle 2 Vergleich der Charakteristika von Radio und Podcast
Radio
Podcast
(Häufig) Begleitmedium
Bewusst-aktive Nutzung
Lineares Programm
Episoden
Meist musikbasiert
Wortbasiert
Ortsunabhängig
Orts- und zeitunabhängig
Passive Nutzung/„Gewohnheitsmedium“
Aktive persönliche Auswahl (Abonnement)
Massenmedium (möglichst großes Publikum)
Relativ spezifische Zielgruppen
Quellen: XPLR (2020: 4-5); Oehmichen/Schröter (2009: 9-10); eigene Beobachtungen.
11
Den richtigen Ton treffen
unabhängig. Darüber hinaus versteht sich das
gewisses Spannungsverhältnisverhältnis zwi-
Radio aufgrund seiner Entstehungsgeschichte
schen Professionalität und Authentizität, das
als Massenmedium, das ein möglichst großes
sich nicht immer auflösen lässt und bei dem sich
Publikum ansprechen will. In den vergangenen
Podcasts zumeist für die Echtheit entscheiden.
Jahrzehnten hat zwar eine gewisse Ausdiffe-
Insgesamt weisen Podcasts zwar eine ge-
renzierung hin zu einer größeren Anzahl von
wisse Verwandtschaft zum Radio und dabei
Spartenprogrammen stattgefunden, diese sind
vor allem zu dessen non-linearer Variante mit
jedoch nicht das prägende Merkmal des klas-
theken und Downloads auf. Trotzdem Audio
sischen Rundfunks. Im Gegensatz dazu stehen
sind Podcasts nicht einfach nur als weiterer
Podcasts, die von vornherein eher eng defi-
Audio-Kommunikationskanal zu betrachten,
Eigenständiges
nierte, spezifische Zielgruppen adressieren.
sondern als eigenständiges Medium. Denn zum
Medium
Podcasts, die strategisch auf die große Masse
einen zeichnen sich Podcasts durch ihre eigene
zielen, bilden (bisher) die Ausnahme.
Kultur (vgl. Kapitel 4.1 und 4.2) und damit auch
Und schließlich liegt ein Unterschied in der
durch eine eigene „Sprache“ – im wahrsten
Tonalität beider Formate. Das Smartphone ist
wie im übertragenen Sinne des Wortes – aus.
das meistgenutzte Endgerät, sodass der Pod-
Zum anderen sind Produktion, Bereitstellung
cast über den Kopfhörer direkt ins Ohr der Hö-
und Empfang deutlich anders organisiert und
rer* geht. Dadurch wird ein Gefühl von Nähe und
institutionell verankert als zum Beispiel beim
Intimität erzeugt, die Rezipienten* fühlen sich
Hörfunk, allein schon durch die zentrale Posi
direkt angesprochen (Preger 2019: 18). Darin
tion großer Audio-Streamingdienste wie Spoti
unterscheiden sich Podcasts in der Regel auch
fy und Apple Podcasts.
von „Zweitverwertungen“ aus dem linearen Radioprogramm, die wie PC zum Beispiel in eine Audiothek hochgeladen werden. Bei den zweitverwerteten Audiodateien handelt es sich meist
12
2.2 Die Artenvielfalt der deutschen Podcast-Szene
um einzelne Radiobeiträge ohne Anmoderation
Sogenanntes Formatradio mit viel Musik und
oder um ganze Sendungen. Zur Tonalität ge-
nur sehr kurzen Wortbeiträgen bestimmt die
hört zudem noch ein weiterer Aspekt, der
Sendekonzepte einer Vielzahl privater Radio
Podcasts von Radiosendungen unterscheidet.
stationen in Deutschland (vgl. Kapitel 6.3). Aber
Larissa Vassilian, eine Podcasterin der ersten
auch die meisten öffentlich-rechtlichen Radio-
Auch mal mit
Stunde, formuliert es so: „[D]as, was Podcasts
sender weisen eine starke Dominanz von Musik
Dialekt und
vom Radio unterscheidet, ist, dass die Leute
und kürzeren Beiträgen mit buntem Charakter
Schmatzlauten
Dialekt sprechen, auch mal schmatzen und eben
auf, wenngleich hier der Anteil informieren-
keine perfekten Moderations-Maschinen sind,
der Elemente deutlich höher ist. Bei Podcasts
sondern authentische Menschen am Mikrofon.“
deutet ein Blick auf die existierenden Formate,
(zitiert nach XPLR 2020: 21) Es herrscht also ein
geordnet nach verschiedenen Kategorien, hin-
Form und Charakter: Die Spezifika des Podcastings
gegen die thematische Breite und die enorme
Eindeutig an der Spitze rangieren aber:
Angebotsvielfalt bereits an (Tabelle 3). Unter-
Info-, Wissens- und Lernbeiträge mit
Information
haltung bildet zwar eine zentrale Säule, die an-
55,1 Prozent der Nutzer*, die mindestens
und Wissen
deren Kategorien haben in ihrer Mehrzahl je-
einmal pro Monat einen Podcast dieser
dominant
doch informierenden Charakter oder üben eine
Kategorie hören
Ratgeber-Funktion aus (auch hier wird noch
Unterhaltung und Comedy mit einem Anteil
einmal die Verwandtschaft zum wortbasierten Programmradio deutlich). Die Hauptthemen
von 46,6 Prozent und Nachrichten mit 46,2 Prozent.
(z. B. Fitness) werden dabei nochmals in viele
Rund ein Viertel der Befragten gab zudem
kleine Nischen (z. B. „CrossFit“ als Unterthema
auch an, Formate mit regionalen und lokalen
in der Kategorie Fitness) unterteilt.
Informationen zu nutzen (Bayerische Landes
Entsprechend divers ist auch die Nachfrage. Wie die Erhebungen der Landesmedienanstal-
medienanstalt für neue Medien et al. 2020: 59).5
ten im jährlichen Online-Audio-Monitor zeigen,
Es zeigt sich deutlich, dass Information und
interessieren sich die Nutzer* für ein breites
Wissen die Szene dominieren. Dies spiegelt
Spektrum an Angeboten: Von Musik und Hör-
sich beispielsweise auch in den täglich aktua-
spielen über Ratgeber- und Coaching-Podcasts
lisierten Podcast-Charts von Spotify wider. Hier
bis hin zu Krimis und echten Kriminalfällen
stehen zwar Comedy-Podcasts wie Gemischtes
(True Crime) sowie Sport.
Hack oder Fest und Flauschig ganz oben. Aber
Tabelle 3 Einteilung von Podcasts in verschiedene Kategorien
Information
Unterhaltung
Kultur
Ratgeber
Sonstiges
Nachrichten
Unterhaltungs shows
Filme/Fernsehen
Fitness und Gesundheit
True Crime
Politischer Hintergrund
Comedy
Bücher
Religion und Spiritualität
Sport
Wissen und Wissenschaft
Lifestyle
Musik
Kinder, Familie, Beziehung
Technik/IT
Wirtschaft und Business
Gaming
Fiktion
Coaching und Selbstoptimierung
Quelle: Eigene Darstellung, abgeleitet von den Kategorien bei Spotify und Google Podcasts.
5 Die Aussagen werden dadurch etwas verwässert, dass neben Podcasts auch Radiosendungen auf Abruf abgefragt wurden. Diese haben allerdings einen ähnlichen Charakter, weil sie zwar nicht abonniert, aber auch per Download oder Stream gehört werden. Zudem wird der Unterschied von den Nutzern* häufig nicht erkannt bzw. er ist ihnen egal.
13
Den richtigen Ton treffen
Abbildung 1
Konkrete Themenfelder bei der Nutzung von Podcasts 2020 (in Prozent) Politik und Gesellschaft
51,0
Wissenschaft und Technik
42,4
Freizeit, Hobbies, Games
41,9
Gesundheit
37,3
Natur und Umwelt
33,4
Wirtschaft
29,9
Filme und Serien
25,0
Kunst und Kultur
24,2
Kinder und Familie
16,1
Liebe und Erotik
12,6
Religion
10,8 0
10
20
30
40
50
60
Prozent Frage: Und zu welchen Themen hören Sie Podcasts? Angaben in Prozent, Basis: 14,098 Millionen Online-Radio-Nutzer ab 14 Jahre in Deutschland, die Podcasts bzw. Radiosendungen auf Abruf mindestens einmal im Monat hören (n=1.897). Quelle: Bayerische Landesmedienanstalt für neue Medien (2020: 60). Eigene Darstellung.
Formate
Podcasts aus den verschiedenen „ernsten“
mation und Wissen zu vermitteln – bedienen
vom Hörfunk
Bereichen wie Nachrichten, Hintergrundinfor-
sich meist bei Formaten, wie sie der Journalis-
entlehnt
mation, Naturwissenschaft und Geschichte
mus und dabei vor allem der Radio-Journalis-
„durchsetzen“ gewissermaßen die Top-50 (vgl.
mus schon länger kennt. Am gängigsten sind
Kapitel 8.3). Wie Abbildung 1 zeigt, wird das
die One-Man- bzw. One-Woman-Show, der Dia
Bild noch klarer beim Blick auf konkrete The-
log, das Interview, die Reportage und das Ma-
menfelder, die bei den Online-Audio-Nutzern*
gazin-Format. Es gibt aber natürlich auch Hy
abgefragt wurden.
brid-Formen, bei denen etwa das Zwiegespräch zwischen zwei Moderatoren* durch vereinzelte
2.3 Gängige Formate journalistischer Podcasts
14
Interviews mit Gästen aufgebrochen wird. Die fünf Formate werden im Folgenden vorgestellt.
Bei der Gestaltung von Podcasts sind der Fan-
Die One-Man-Show/One-Woman-Show
tasie der Macher* grundsätzlich keine Grenzen
Bei diesem Format bestreitet der Moderator* –
gesetzt. Gerade aber PC mit journalistischem
in der PC-Szene „Host“ genannt – im Allein-
Anspruch – dort also, wo es darum geht, Infor-
gang die „Sendung“. Die Solo-Show ist nicht
Form und Charakter: Die Spezifika des Podcastings
sehr aufwändig und schnell in der Produktion.
ein gewisses Gefälle, weil ein Host* dem un-
Meist müssen nur einige Schnitte bei größeren
vorbereiteten anderen ein Thema erklärt. In
Versprechern oder Hängern gemacht werden,
aller Regel herrscht ein freundliches Miteinan-
weshalb das Format auch häufig im nicht- oder
der mit wenig Diskussion, meist geht es dia-
semiprofessionellen Bereich verwendet wird.
logisch-konsensual zu. Das Dialog-Format ist
Die dramaturgische Herausforderung besteht
also mehr Diskurs als Disput. Polemische Wort
allerdings darin, als alleiniger Host* über fünf
gefechte, wie sie aus politischen Talkshows im
Sonderfall
oder auch 45 Minuten den Spannungsbogen
Fernsehen geläufig sind, kennen diese Pod-
„Laber-Podcast“
aufrecht zu halten. Bei aufwändigeren Produk-
casts nicht. Dabei herrschen zwei Varianten vor.
tionen startet in der Regel ein vorproduziertes,
Bei der ersten Variante handelt es sich um
musikalisch unterlegtes Intro den PC. Zudem
den sogenannten Laber-Podcast, der vermeint-
werden Musik-Jingles eingespielt, um einzelne
lich ohne festes Konzept auskommt, aber doch
Themen voneinander zu trennen.
gewisse Ankerpunkte aufweist. Es gibt zwar nur
Zu den bekanntesten One-Man-Shows
ein Thema, häufig weichen die Gesprächspart-
gehört das Handelsblatt Morning Briefing
ner* aber davon ab, um Anekdoten zum Besten
Hier geht’s zum
von Hans-Jürgen Jakobs, „Senior Editor“ der
zu geben – also um einfach nur zu „labern“.
Handelsblatt
dorf erscheinenden Wirtschafts in Düssel
Diese Variante ist eher im Bereich Comedy/Life
Morning Briefing,
tageszeitung. Obgleich aktuelle Meldungen
style anzutreffen, etwa beim sehr populären PC
im Mittelpunkt stehen, die von einem profes-
Gemischtes Hack von Felix Lobrecht und Tommi
sionellen Host eingesprochen werden, handelt
Schmitt. Laber-Podcasts eignen sich generell
es sich nicht um eine reine Nachrichtensen-
eher nicht für die journalistische Vermittlung.
dung, die ein Maximum an Neutralität anstrebt.
Die andere Variante hat keinen festen Na-
Vielmehr versieht Jakobs die Themen oft mit
men, zeichnet sich aber durch eine klare Struk-
launigen Kommentaren und ordnet sie mit ei-
tur aus. Vieles ist genau durchchoreografiert,
nigen wenigen Sätzen in das Weltgeschehen
das heißt, es ist vorab festgelegt, welche As-
ein. Ein Beispiel aus dem semiprofessionellen
pekte eines Themas angesprochen und welche
Sektor ist der Female Leadership Podcast von
Kernaussagen dazu getroffen werden. Einer-
Vera Strauch, „Expertin für New Work“ (Selbst
seits sind solche PC klarer in ihrer Struktur, The-
... zum Female
beschreibung des Podcasts), die weitgehend
mensetzung und Aussage, andererseits bleibt
Leadership
im Alleingang Wissen zu Führungsmethoden,
weniger Raum für spontane Eingebungen. In je-
Podcast
Karriere und Wirtschaft vermittelt.
dem Fall dürfte aber der Erkenntnisgewinn nach
... zu Gemischtes Hack,
dem Hören eines solchen PC im Regelfall höher Der Dialog
sein als bei einem Laber-Podcast. Ein Beispiel
Beim Dialog sprechen zwei – oder selten auch
für diesen Typus ist der PC Wohlstand für alle,
mehr – Hosts* gleichberechtigt über eines oder
in dem Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt
... und zu Wohl-
mehrere Themen. In Ausnahmefällen entsteht
über Wirtschaftssysteme und volkswirtschaft-
stand für alle
15
Den richtigen Ton treffen
Erklären
liche Geldkreisläufe sprechen (der von einem
eine neutrale Sachlichkeit, die das Erklären
und Verstehen
Buchtitel Ludwig Erhards entliehene Titel des
und Verstehen fördern will.
Podcasts ist dabei ironisch gemeint). Die Reportage Das Interview
Im streng journalistischen Sinne handelt es
Beim Interview-PC befragt ein Host* Prominen-
sich bei einer Reportage um eine Aneinan-
te, unabhängige Experten* (beispielsweise
derreihung vom Autor* selbst erlebter Sze-
Wissenschaftler*) oder andere Funktionsträ-
nen. In der medialen Praxis wird der Begriff
ger* (wie Verbandschefs* oder Fraktionsvor-
„Reportage“ meist synonym mit dem Feature
sitzende*). Bei Podcasts von Medienhäusern
eingesetzt: Ein Sachtext wird durch szenische
interviewt der Host* oft auch Redakteure*. Es
Elemente am Anfang und am Ende, teils auch
existieren aber auch Mischformen, wie etwa
in der Mitte ergänzt. Bei Podcasts ist das Re-
bei Hielscher oder Haase von Deutschlandfunk
portage-Konzept noch weiter gefasst: Meist
Nova: Zwei sich wöchentlich abwechselnde
ist darunter ein gelesener Text zu verstehen,
Moderatoren* interviewen täglich entweder
der sich aber stark an gesprochener Sprache
fachkundige Mitglieder der Redaktion oder ex-
orientiert, unterbrochen von O-Tönen von Inter-
terne Experten* zu aktuellen Themen. Das For-
viewpartnern* und aus anderen Quellen sowie
mat ist dabei mit ca. fünf Minuten recht kurz.
teils atmosphärischen Geräuschen (Bahnhof,
Zwischen zehn und 30 Minuten lang sind
16
Börse, Demonstration etc.).
hingegen die Interviews des 16-jährigen Fran-
Ein typischer Reportage-Podcast ist Affäre
Hier geht’s
cesco Ruben Guiliano, der in Politik mit Stil
Deutschland von einem Autoren*team, das den
zu Hielscher
Landespolitiker*, aber auch die erste Garde
PC zunächst exklusiv für die Plattform FYEO
oder Haase,
auf nationaler Ebene (wie Bundestagspräsi-
produziert hat. Es geht um den Parteispenden
dent Wolfgang Schäuble oder Fabio di Maso,
skandal der CDU, der im Jahr 2000 aufgeflogen
den stellvertretenden Vorsitzenden der Linken-
ist und der die Partei vorübergehend in Exis-
Bundestagsfraktion) vors Mikrofon bekommt.
tenznöte brachte. Das Autoren*team rekonstru-
Während bei Hielscher oder Haase ein längeres
iert die Affäre. Eine*r von ihnen liest das Skript,
… zu
Intro des jeweiligen Hosts* dazugehört, steigt
das immer wieder durch eingespielte O-Töne
Politik mit Stil
Guliano ohne Umschweife mit der ersten Frage
aufgelockert wird. Die Originaltöne stammen
ein. Beide Formate wie auch die meisten an-
von aktuellen Interviewpartnern* sowie „aus
deren Interview-Podcasts zeichnen sich zwar
der Konserve“ von damals Beteiligten, wie Ex-
nicht unbedingt durch einen konfrontativen
Bundeskanzler Helmut Kohl, und aus Nachrich-
Stil gegenüber den Gesprächspartnern* und
tensendungen. Für Affäre Deutschland erhiel-
… und zu Affäre
durch ein resolutes Nachhaken bei unzurei-
ten die Autoren* Ende 2020 den renommierten
Deutschland
chend beantworteten Fragen aus, doch sie sind
Deutschen Reporterpreis, welcher damit erst-
auch keineswegs devot. Im Vordergrund steht
mals an einen Podcast vergeben wurde.
Form und Charakter: Die Spezifika des Podcastings
Das Magazin
Shownotes – also die schriftlichen Zusatzinfor-
Angelehnt an Magazinsendungen des klassi-
mationen zur Podcast-Folge, die meist weiter-
schen Hörfunks arbeitet das Format mit festen
führende Links zu im Podcast angesprochenen
Strukturen, allerdings ohne längere Musik
Themen enthalten – und die sozialen Medien
strecken zwischen den Wortbeiträgen, wie
der Zeitung als Kontaktpunkte. Steingarts Mor-
dies beim Radio der Fall ist. Oft gibt es nur ei-
ning Briefing als weiteres Beispiel eines Maga-
nen Musikteppich oder kurze Jingles als musi
zin-PC ist umfangreicher und aufwändiger in der
kalische „Trenner“ zwischen einzelnen Beiträ-
Produktion, da er oft mit externen Gesprächs-
gen. Der Host* moderiert das Magazin, das aus
partnern* angereichert ist und eine recht breite
mehreren unterschiedlichen Komponenten
Themenpalette (über Politik und Wirtschaft bis
Magazine
besteht. Meist handelt es sich hierbei um fes-
hin zur Kultur) behandelt. Zudem verändert sich
mit festen
te Programmplätze, auf die sich der Nutzer*
der Ablauf des Podcasts des Öfteren.
Programmplätzen
einstellen kann, z. B. um einen kurzen Börsenbericht, den immer dieselbe Person vorträgt. Die Magazin-PC dienen vor allem der täglichen
2.4 Zwischenbilanz
Information und funktionieren ähnlich wie eine
Podcasts können und müssen als eigenständi-
morgendliche Magazinsendung im Radio, nur,
ges Medium verstanden werden. Im Gegensatz
dass sie viel kompakter und nicht immer so um-
zum linearen Radio sind Podcasts zum Beispiel
fassend sind und außerdem meist nicht länger
nicht orts-, sondern auch zeitunabhängig kon-
als 20 Minuten dauern.
sumierbar. Die Nutzer* suchen sich PC häu-
Ein typischer Magazin-PC ist der Aufwacher
fig sehr gezielt nach ihren persönlichen und
der Rheinischen Post aus Düsseldorf. Das For-
situativen Bedürfnissen aus und hören des-
mat hat eine gewisse überregionale, stilbil-
halb meist aufmerksam zu, während das Radio
dende Bekanntheit erlangt, zumal es den Auf-
eher „mitläuft“. Eine geistige Verwandtschaft
wacher bereits seit Ende 2016 gibt. Der PC ist
ist, wenn überhaupt, am ehesten also zum
grundsolide produziert, allerdings auch ohne
wortbasierten Programmradio festzustellen –
viel Beiwerk. Er beginnt mit einem Intro, in dem
nicht nur in der Form, sondern auch in Hinblick
Hier geht’s zu
der Host die Themen ankündigt und kurz die
auf die Inhalte: Informations-, Wissens- und
Steingarts
Wetteraussichten referiert. Den Kern machen
Ratgeberkategorien herrschen laut Nutzer*um-
Morning Briefing
zwei Themen aus, die regionalen wie über
fragen bei Podcasts vor. Die dominierenden
regionalen Charakter haben können, und für
Formate der anspruchsvolleren, journalistisch
die der Host zwei Fachredakteure* interviewt.
gestalteten Podcasts zeichnen sich ebenfalls
Es folgt die Rubrik „Das wird heute wichtig“
durch eine konzeptionelle Ähnlichkeit zum
über bevorstehende Ereignisse des Tages.
Programmradio aus, wenngleich die Tonalität
... und zum
In der Abmoderation ruft der Host die Hörer*
bei Podcasts meist etwas lockerer und alltags-
Aufwacher
zur Interaktion auf und verweist dabei auf die
sprachlicher ausfällt.
17
Den richtigen Ton treffen
3 Technik und Geschäft: Von Websites zu Spotify
Wer über Podcasts redet, meint wahrschein-
den Beach Boys, die live aufgenommen, auf
lich meistens bekannte Formate, vielleicht aber
einer Webseite hochgeladen und dann von den
auch Spotify und Apple. Sie bilden die zentralen
Nutzern* gestreamt werden können. Die Inter-
technischen und ökonomischen Plattformen,
view-Reihe erweist sich insofern als stilprägend,
das Bindeglied zwischen Produzenten* und
als viele der ersten PC Popmusik zum Thema ha-
Nutzern*. Apple hat zwischen 2005 und 2012
ben. Als „Vater des Podcasts“, gewissermaßen
„Podfather“
für die ersten großen technologischen Schübe
als „Podfather“, gilt gemeinhin Adam Curry:
Adam Curry
gesorgt (Kapitel 3.1), während Spotify vor allem
Der ehemalige MTV-Moderator und Start-up-
in jüngerer Zeit dem globalen, aber auch dem
Gründer lanciert im Sommer 2004 den PC Daily
deutschen Markt seinen Stempel aufdrückt.
Source Code, in dem er – ähnlich wie später
Trotz dieser starken Position von Spotify und
die ersten YouTuber* – sein Leben in einer Art
Apple sind zahlreiche andere Anbieter in der
medialem Tagebuch festhält (Lührmann 2019:
weithin zerklüfteten Podcast-Landschaft ak-
27). Wenig verwunderlich ist deshalb, dass das
tiv (Kapitel 3.2). Den Wertschöpfungsketten
Format zunächst auch als „Audio-Blogging“ ge-
der großen Plattformen vorgeschaltet sind
läufig ist. Anfang 2004 prägt Ben Hammersley,
App-Betreiber, Podcast-Studios, technische
ein Journalist der britischen Tageszeitung The
Dienstleister und Allround-Audiodienstleister
Guardian, in einem Artikel den Terminus Pod-
wie Podcast360 aus Berlin. Darüber hinaus
cast. Ein Jahr später bereits findet der Begriff
scheint der Podcast-Markt bisher noch nicht
Aufnahme in das Oxford American English Dic-
Britisches
allzu stark vom Kommerz durchdrungen, den-
tionary und wird in Großbritannien zum „Wort
„Wort des Jahres“
noch spielen auch Vermarkter eine gewisse
des Jahres“ gekürt (Bonini 2015: 23). Dies ver-
2005
Rolle, denn Umsätze werden im Podcast-Uni-
deutlicht, dass es sich in der Frühphase des
versum bisher hauptsächlich mit Werbung ge-
Podcastings primär um ein angelsächsisches,
macht (Kapitel 3.3).
vor allem US-amerikanisches Phänomen handelt. Von hier kommen auch die entscheiden-
3.1 Die technologische Entwicklung
18
den Entwicklungsschübe. Grob gesprochen sind bislang zwei PC-
Wann wurde der erste Podcast produziert und
Wellen durch die (Online-)Medienlandschaft
gehört? Niemand kann das mit absoluter Ge-
gerollt. Die erste Welle beginnt in den USA
wissheit sagen, zumal es auch eine Defini
um 2004/05 herum und verebbt bereits weni
tionsfrage ist. Fest steht nur, dass die globale
ge Jahre später. Die zweite, deutlich größere
Tech-Community im Jahr 2000 erste konzeptio
und bis heute anhaltende Welle setzte sich
nelle Überlegungen anstellt, aus denen weni-
zehn Jahre später, um 2014/15, erneut von den
ge Jahre später erste konkrete PC entstehen.
USA aus in Bewegung und hält bis heute an.
Zum Beispiel 2003 in Gestalt der Matt Schich-
In Deutschland kommt sie zwei bis drei Jahre
ter Interviews mit Musikern wie B.B. King und
später zum Tragen. Ihre Schubkräfte sind zum
Technik und Geschäft: Von Websites zu Spotify
einen medienkultureller Natur (vgl. Kapitel 4),
fentlicht. Kostenlose Software-Programme wie
zum anderen haben sie technologischen und
Audacity stehen symbolisch für die geringen
ökonomischen Charakter – zwei Komponen-
Kosten, die man für die Produktion einfacher
ten, die sich in der Entwicklungsdynamik des
PC aufwenden muss. So ist es von Anfang an
Podcastings immer wieder gegenseitig beein-
relativ leicht für Amateure*, einen produktions-
flussen.
technisch soliden Podcast zu erstellen. Über
Prägend für den Charakter der globalen
die Jahre sind die Standards allerdings deut-
Pod cast-Landschaft der frühen Jahre, aber
lich höher geworden, sodass heute zumal von
auch bis in die heutige Zeit hinein ist ihre rela-
professionellen PC eine Tonqualität wie beim
tiv starke Zerklüftung. Diese hat vor allem eine
Radio erwartet wird.
technische Ursache. Ursprünglich platzieren
Für die großen Durchbrüche beim Podcas-
Durchbruch
die Produzenten* ihre Podcasts auf ihren ei-
ting sorgen indes nicht die Pioniere, sondern
dank Apple
genen Websites oder kleinere Aggregatoren-
der US-Tech-Gigant Apple. Mitte 2005 bringt
Seiten wie Overcast oder Pocket Casts sam-
der Konzern eine neue Software für seinen
meln und ordnen sie nach Themenfeldern. Da-
Musikdienst iTunes auf den Markt. Die Beson-
bei muss jeder Podcast mit einem sogenannten
derheit: Die Software ermöglicht es Nutzern*
RSS-Feed (RSS = „Really Simple Syndication“,
erstmals, PC-Dateien in genauso einfacher Wei-
dt. etwa „sehr einfache Verbreitung“) verse-
se wie Musik herunterzuladen – nicht nur auf
hen werden, damit die Nutzer* ihn abonnieren
Apple-Computer, sondern auch auf mobile End-
können. So bekommen sie automatisch neue
geräte des Unternehmens wie den MP3-Player
Folgen angezeigt und müssen nicht auf der
iPod. Außerdem dürfen unabhängige Produ-
Webseite nachschauen, ob eine neue Episode
zenten* ihre PC auf die Plattform laden, wo-
erschienen ist. 1999 entwickelt der Program-
durch kostenlose Podcasts in der Apple-Audio
mierer Dave Winer für den Browser-Hersteller
thek verfügbar werden, die ursprünglich nur für
Netscape die erste Software-Version eines
Musik konzipiert war.
RSS-Feeds, um 2001 RSS 2.0 nachzuschieben.
Suchen, Abonnieren, Herunterladen, Ab-
Die neue Version kann nicht mehr nur text
spielen – dies alles funktioniert nun stark ver-
basierte, sondern nun auch Audiodateien ver-
einfacht im iTunes-Universum, frei nach dem
arbeiten und wird damit nutzbar für Podcasts.
Prinzip „Alles auf einer großen Plattform“. Der
Erster Schub
Gleichwohl verlangt das Podcasting von seinen
damalige Apple-Chef Steve Jobs verkündet
durch den
Nutzern* Anfang der 2000er noch ein gewisses
deshalb: „Podcasting is the next generation of
RSS-Feed
technisches Knowhow, um die Audiodateien
radio.“ Er verspricht 3.000 kostenlose PC zur
auf dem Computer oder bestenfalls auf einem
Auswahl (Jin/Segal/Carroccio 2019: 7-9). Apple
MP3-Player abspielen zu können. Kurz vor dem
zielt dabei aber weniger auf gesellschaftskri-
zweiten RSS-Launch wird eine erste Version
tische Produktionen von Hobby-Podcastern*
der „freien“ Audio-Software Audacity veröf-
aus der Zivilgesellschaft („Indies“), sondern
19
Den richtigen Ton treffen
in erster Linie auf professionelle Inhalte von
erleichtern sich Zugang und Nutzung von PC
Medienunternehmen und Konzernen aus dem
erheblich.
produzierenden Gewerbe, also sogenannte
Das vergangene Jahrzehnt hat zudem
Corporate Podcasts (vgl. Kapitel 5.3). Zwar
wichtige Innovationen hervorgebracht, die
wirkt die Zahl 3.000 für heutige Verhältnisse
das mobile Anhören von PC unkompliziert und
verschwindend gering, doch sorgen die tech-
komfortabel machen. Dazu zählen genauso
nischen Erleichterungen für die Nutzer* dafür,
preisgünstige wie leistungsfähige Kopfhörer,
dass PC-Produzenten* fortan ein Massenpu
die auf Basis der kabelfreien Bluetooth-Tech-
blikum erreichen können. Dies wiederum moti-
nologie funktionieren. Bluetooth kommt in der
viert neue Akteure*, PC zu produzieren und bei
Regel auch bei In-Car-Entertainment-Systemen
iTunes einzustellen. Apple ergattert sich durch
zum Tragen, so dass PC inzwischen auch ohne
diesen Schachzug zwar eine vorübergehende
großen technischen Aufwand während des
Monopolstellung auf dem Feld der Podcasts,
Autofahrens gehört werden können. Eine ge-
hegt zugleich aber auch die Kommerzialisie-
wisse Rolle für das leichte Abrufen von Pod
rung des Sektors ein: Mit iTunes als zentraler
casts spielen zudem Sprachassistenten wie
Podcast-Bibliothek können sich kostenpflich-
Siri oder Alexa (Reichow/Schröter 2020: 510;
tige Geschäftsmodelle, wie der Ansatz, dass
Deck/Meyer-Tippach 2020: 42-43).
Nutzer* für jeden Download zahlen müssen
Wenn es darum geht, digitale Audio-Inhalte
(Pay-per-Download), vorerst nicht etablieren
wie Musik, Webradio-Programme, Podcasts
(Sullivan 2019: 4).
etc. abzurufen, steht in Deutschland das
iPone 2012
Ohne Frage dominiert Apple durch seine
Smartphone bei drei Viertel der Nutzer* an der
mit erster
Innovationsfreudigkeit in den 2000er Jahren
Spitze, unter den 14- bis 29-Jährigen nutzen
Podcast-App
das weltweite Telekommunikations- und Inter-
sogar 92 Prozent das Handy zum Abspielen
netbusiness, gerade auch im Bereich der End-
von Online-Audio. Weit abgeschlagen dahin-
geräte. 2007 bringt der Konzern sein erstes
ter, aber immer noch mit einer Nutzungsquote
Smartphone, das iPhone, heraus, 2012 bietet
zwischen 36 und 42 Prozent, folgen Laptop,
er seine erste App zum Download von PC an.
Desktop und Autoradio. Fast jede*r Dritte nutzt
Selbst Smart-TV
Bald folgen andere Anbieter*. Die rasante Aus-
sogar den Smart TV, um sich darüber digitale
wird häufig für
breitung wird aber auch deshalb möglich, weil
Audio-Inhalte inklusive PC anzuhören (Baye-
Audio genutzt
die Mobilfunk-Netzbetreiber über die Jahre die
rische Landesmedienanstalt für neue Medien
Bandbreite ihrer Netze exponentiell erhöht
et. al. 2020: 21, 23).
20
haben und so das mobile Internet, auch auf-
Insgesamt lässt sich zur Entwicklung von
grund stark sinkender Kosten, inzwischen zum
PC einerseits konstatieren, dass die Anbieter
Standardrepertoire eines jeden Smartphones
durch die sukzessive Integration der relevan-
gehört. Da parallel dazu auch die Bandbreiten
ten Hardware- und Software-Komponenten
im Festnetz deutlich größer geworden sind,
technische Ökosysteme geschaffen haben, in
Technik und Geschäft: Von Websites zu Spotify
denen Produzenten* einem Massenpublikum
Abbildung 2 verdeutlicht aber auch, dass es
heute PC problemlos zur Verfügung stellen und
noch eine Reihe weiterer relevanter Akteure*
dieses die PC in sehr nutzer*freundlicher Art
gibt:
konsumieren kann (Berry 2015: 303-306). Andererseits finden zusammen mit den techni-
Produktion und Vermarktung
schen Entwicklungen auch diverse Aktivitäten
Bei den Produzierenden kann es sich um Ein-
betriebswirtschaftlicher Wertschöpfung statt,
zelpersonen handeln, die als „Indies“ agieren,
die PC von der Produktion und Promotion bis
es können aber auch Prominente aus Kultur,
zum Vertrieb beeinflussen. Monetäre Umsät-
Wirtschaft und Politik sein. Aktiv auf dem Feld
ze werden dabei insbesondere über Werbung
sind aber auch Institutionen wie die öffent-
kreiert. Den Dreh- und Angelpunkt dieses
lich-rechtlichen Rundfunkanstalten, Tageszei-
Ein technisch-
technisch-ökonomischen Ökosystems bilden
tungen und Zeitschriften, Unternehmen, aber
ökonomisches
Plattformen wie Spotify und iTunes (dessen PC-
auch sehr oft Hochschulen und Forschungsein-
Ökosystem
relevanter Teil seit 2019 Apple Podcasts heißt).
richtungen (vgl. Kap. 5, 6 und 7).
Abbildung 2
Schematische Darstellung des technisch-ökonomischen Ökosystems des Podcastings „Produzent*“ (Autor*/Host*) Professionelles Produktionsstudio „Heimstudio“ Podcast-Vermarkter Hoster
Plattformen/ Musikstreaming-Dienste
Podcast-Apps
Website der Produzenten*
Empfangsgerät (Smartphone, Tablet etc.)
Nutzer* Quelle: Eigene Darstellung.
21
Den richtigen Ton treffen
Je nach Ressourcen und Qualitätsan-
wichtigen Plattformen (siehe Kapitel 3.2) und
spruch nutzen die Macher* entweder eigene
Apps (siehe unten) abrufbereit platziert wer-
Kapazitäten für die Produktion (im Schaubild
den. Dies macht eine eigene Webseite für den
als „Heimstudio“ bezeichnet) oder sie neh-
naus PC-Betreiber* überflüssig. Darüber hi
men professionelle Hilfe in Anspruch. Pro-
stellen sie ihren Kunden* Abruf-Statistiken
duktionsfirmen wie Kugel und Niere, Studio
zur Verfügung, damit diese Möglichkeiten
Bummens, Pool Artists oder hauseins stellen
und Werkzeuge („Tools“) zur Erfolgskontrol-
nicht nur ihre Profi-Technik und Aufnahmestu-
le haben. Diese Statistiken sind allerdings
dios zur Verfügung, sie konzipieren oft auch
„grobkörniger“ als die Auswertungen, die die
ganze Podcast-Serien für ihre Kunden* und
Streaming-Plattformen zur Verfügung stellen
kümmern sich um Distribution und Promotion.
können. Bei diesen kann man schon eher von
20 bis 50
Nach Schätzungen aus der Branche existieren
einem ausgefeilten Nutzer*tracking sprechen.
professionelle
in Deutschland aktuell zwischen 20 und 50
Einige Hoster, wie das auf Musik spezialisier-
Produktionsstudios
solcher professionellen Produktionsstudios,
te Soundcloud, betreiben auch ihre eigenen
darunter auch zahlreiche Start-ups (vgl. das
Plattformen. In der Anfangszeit wurden Pod-
Fallbeispiel am Ende des Kapitels).
casts fast ausschließlich auf den Webseiten der
Die Podcast-Vermarkter sorgen dafür, dass
Produzierenden platziert. Dies gilt heute weit-
Podcasts mit Werbung bestückt werden (vgl.
hin als zusätzlicher Service und dient häufig
Kapitel 3.3). Dazu bringen sie werbungtreiben-
der Cross-Promotion, also der gegenseitigen
de Unternehmen bzw. Organisationen mit pas-
Bewerbung, wenn z. B. ein Online-Zeitungsarti-
senden PC-Betreibern* zusammen. Auf dem
kel auf einen Podcast aus demselben Medien-
Feld bewegen sich klassische Radiovermarkter
haus verweist. Allerdings nutzen gerade ältere
wie RMS oder ASS, das zu den ARD-Anstalten
PC-Hörer* über 50 Jahre auch heute noch in
gehört. In den vergangenen Jahren sind zu-
großem Stile Websites (vgl. Kapitel 3.2).
dem auf Podcasts spezialisierte Agenturen wie Apps sind
zebra-audio.net, podstars.de und Julep dazu-
Verschiedene App-Varianten
dominant
gekommen.
Dies ändert allerdings nichts daran, dass Apps für Smartphones und Tablet-Computer heute
Hosting
das meistgenutzte Mittel der Wahl sind, um
Die Hoster sind technische Dienstleister,
Podcasts zu streamen oder herunterzuladen.
bei denen die Produzierenden – ob „Indies“
Dabei kann zwischen verschiedenen Arten von
oder regionale Tageszeitungen – Kapazitäten
Apps differenziert werden:
auf Servern mieten, auf denen die Podcasts
22
gespeichert und von denen aus sie verwaltet
Apps der großen Plattform-Anbieter wie
werden. Hoster wie Podigee, Transistor oder
Spotify oder Apple Podcasts, die die
Libsyn sorgen dafür, dass ein Podcast auf den
größten PC-Bibliotheken (plus Musik) ha-
Technik und Geschäft: Von Websites zu Spotify
ben, über ihre Geschäftsmodelle direkten
gische Partnerschaft mit dem App-Anbieter
Nutzer*-Kontakt aufweisen und damit auch
radio.net geschlossen, sodass zum Beispiel
über die umfassendsten Datensätze verfü-
RND-Podcasts prominent auf der weit ver-
gen (vgl. Kapitel 3.2).
breiteten radio.de- App platziert werden (Sullivan 2019: 8; Schmich 2019).
Reine Aggregatoren-Apps wie z. B. Google Podcasts. Die Google-App gibt es erst seit 2018 und sie hat den Vorteil (oder datenschutzrechtlich gesehen: den Nachteil), mit anderen Google-Diensten kombiniert werden zu können. So können z. B. Podcasts, die über eine Google-Suche gefunden wer-
Fallbeispiel: Der Audio-Dienstleister
Podcast360
„Wir sind ein totales Start-up“, sagt Martin
den, direkt der App hinzugefügt werden.
Liss, Geschäftsführer des Berliner Audio-
Seit 2019 berücksichtigt die Google-Such-
Dienstleisters Podcast360. „Wir sind super-
maschine auch PC.
digital, extrem dynamisch und sehr unkon-
Vor allem auf dem US-Markt verbreitete
ventionell, was zum Beispiel unseren gan-
Alternativen wie Overcast oder Podcast Ad-
zen Angang oder auch unsere Arbeitszeiten
dict existieren schon seit mindestens einem
angeht.“ (hier und im Folgenden: Interview
Jahrzehnt. Es handelt sich um reine Apps,
Liss 2021) Liss sitzt mit einem kleinen Mit-
die sich durch ausgefeilte Suchfunktionen
arbeiter*stamm in der Berliner Zentrale,
auszeichnen und meist auf die Daten der
doch im Grunde ist das Unternehmensge-
Plattform Apple Podcasts zurückgreifen,
bilde eher mit einem virtuellen Netzwerk
also nur PC finden und abspielen können,
vergleichbar: Die rund 15 freien Produzen-
die dort gelistet sind. Inzwischen sind eini-
ten*, Sprecher*, Moderatoren* und Auto-
ge dieser Apps von Medienkonzernen auf-
ren* sitzen quer verstreut über die gesamte
gekauft worden – mit der Folge, dass diese
Republik. „Wir gehören nicht zu den ganz
an exponierter Stelle auf Inhalte aus eigener
großen Anbietern auf dem Markt“, erklärt
Weder klein
Produktion verweisen. Dazu zählt Pocket
Liss. „Aber wir zählen mit Sicherheit auch
noch groß
Casts, das von der BBC, National Public Ra-
nicht zu den Kleinsten.“
dio und einigen anderen öffentlich-gemein-
Martin Liss hat jahrelang Erfahrungen in der
nützigen Rundfunksendern aus den USA
Radiobranche gesammelt, unter anderem
übernommen worden ist. Stitcher gehört in-
als Programmdirektor und Berater, doch
zwischen zum Verlagshaus E.W. Scripps, das
das Privatradio hält er inzwischen für einen
Zeitungen herausgibt und Fernsehsender
„Markt, in dem es für kreative Menschen
betreibt. Und in Deutschland hat die Mad-
mit Unternehmergeist nur noch wenig zu
sack Mediengruppe (Redaktionsnetzwerk
holen gibt.“ Deshalb hat Liss Mitte 2020
Deutschland/RND) Ende 2019 eine strate-
Podcast360 gegründet, zusammen mit den
23
Den richtigen Ton treffen
Marktforschern* von Brand Support und der
Das Geschäftsmodell setzt sich im Wesent
Beratungsgesellschaft BCI, die vornehm-
lichen aus drei Varianten zusammen. Die
lich im Radiomarkt aktiv ist. Die drei Ge-
eine besteht darin, direkt Aufträge von Kun-
sellschafter sind zu gleichen Teilen an dem
den* auszuführen, handele es sich um ein
Podcast-Start-up beteiligt.
Unternehmen oder eine Privatperson. Bei
Podcast360 ist zwar nicht auf eine bestimm-
der zweiten arbeitet Podcast360 als Zulie-
bei Corporate
te Klientel spezialisiert, Liss sieht aber im
ferer für PR- und Werbeagenturen, die über
Podcasts
Bereich Corporate Podcasting, also Unter-
Audio hinausgehenden Inhalt für ihre Kun-
nehmens-PC, „unheimlich viel Potenzial“. Zu
den* produzieren. Und bei der dritten Vari-
den Kunden* gehören verschiedene Unter
ante fungiert Podcast360 als Produzent von
nehmen, aber auch einige gemeinnützige
Podcasts, die Dritte dann vermarkten, denn
Organisationen. Podcast360 versteht sich
das Berliner Unternehmen ist selbst nicht
dabei als „Full-Service-Partner für alles rund
auf dem Feld der Werbevermarktung unter-
um Podcasting und Audio on Demand“. Kon-
wegs. „Wir arbeiten wie ein Hollywood-Stu-
kret: Das Unternehmen hilft seinen Kunden*,
dio, bei dem ein solventer Auftraggeber
Ideen für Podcasts zu entwickeln und ganze
vorbeikommt und sagt, er möchte einen
Konzepte dafür zu erstellen. Dazu gehören
bestimmten Thriller produziert haben“, er-
Buy-Outs als
Aufnahme und Produktion mit professionel-
klärt Liss das Prinzip des sogenannten Buy-
Geschäftsmodell
len Sprechern*, Musikteppich und Soundef-
out. „Wir produzieren von Anfang bis Ende,
fekten, ebenso wie die Veröffentlichung der
verkaufen dann aber alle Rechte an den
produzierten Podcasts auf den verschiede-
Auftraggeber.“ Dieser ist im Fall von Pod
nen Audio-Plattformen. Zum Portfolio ge-
cast360 dann zum Beispiel der Vermarkter
hören darüber hinaus Feedbacks, etwa zu
Julep, für den der Dienstleister unter ande-
einzelnen Episoden, und auch Trainings für
rem den Meditationspodcast Ruhe & Kraft
das Podcast-Machen. So hat Martin Liss zum
produziert. Julep versucht anschließend,
Beispiel Mitarbeiter* der Diakonie Hamburg
den Podcast mit so viel Werbung wie mög-
im Podcasting geschult. Nicht zuletzt zählt
lich zu bestücken. Podcast360 erhält dafür
auch Marktforschung zum Angebot des Ber-
ein festes Honorar – unabhängig vom Erfolg
liner Dienstleisters.
der Vermarktung.
Viel Potenzial
Hier geht’s zu Ruhe & Kraft
24
Technik und Geschäft: Von Websites zu Spotify
3.2 Jäger* und Sammler*: Die wichtigsten Streaming-Plattformen
nach wie vor der Platzhirsch, doch der schwedi-
Spotify und Apple
sche Herausforderer Spotify hat eine imposan-
teilen sich den
te Aufholjagd gestartet. Wie Abbildung 3 zeigt,
Weltmakt auf
Streaming-Plattformen spielen die zentrale
führt Apple in China, Russland und Teilen Ost-
Rolle im Ökosystem des Podcastings, denn
europas, in Großbritannien sowie in den meis-
sie fungieren als technisch-organisatorische
ten Ländern Afrikas und des Mittleren Ostens.
Intermediäre zwischen den beteiligten Akteu-
Spotify hat dagegen die Nase vorne in Europa,
ren*. Sie stellen die wesentliche technische
in den stark wachsenden Märkten Lateinameri-
Infrastruktur zur Verfügung, mit der Podcasts
kas sowie in Kanada, Indien und Australien. In
gespeichert, verwaltet, gesucht, gefunden und
den USA ist Apple zwar noch Marktführer, aber
genutzt werden können (Sullivan 2019: 1-2).
mit schrumpfenden Anteilen.
Auf globaler Ebene findet im Wesentlichen
Diese Marktzahlen des US-amerikanischen
ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Platt-
Technologie-Anbieters Voxnest sind allerdings
Zahlen mit
form-Anbietern Apple Podcasts und Spotify
eher symbolisch zu verstehen, denn es wird
Symbolcharakter
statt. Apple ist allein schon historisch bedingt
nicht deutlich, wie genau der Marktanteil
Abbildung 3
Länder der Welt mit Marktdominanz von Apple und Spotify (Mai 2020)
Apple vs.
Spotify
Weltweit | Mai 2020 Quelle: Eigene Darstellung nach Voxnest (2020: 12). Berücksichtigt keine Drittanbieter.
25
Den richtigen Ton treffen
26
(„Share of Voice“) definiert und wie er gemes-
auf dem Apple- als auch auf den Android-Sys-
sen wird. Hinzu kommt, dass die Erhebung an-
temen installieren, was für eine größere Ver-
dere Plattformen (zum Beispiel YouTube, siehe
Bibliothek breitung sorgt. Apples Podcast-
unten) und Apps völlig außer Acht lässt und den
wirkte bisher insgesamt wie eine kostenlose
Markt auf den Zweikampf Apple versus Spotify
Dreingabe beim Kauf von Hardware, zumal
reduziert. So gibt es zum Beispiel mit Lizhi, Xi-
der kalifornische Konzern keine unmittelbaren
malaya und Dragonfly gleich drei große Audio-
Umsätze mit Podcasts erwirtschaftet, weder
und PC-Anbieter in China (Jin/Segal/Carroccio
als Produzent noch als Vermarkter (Jin/Segal/
2019: 31-35). Doch selbst wenn solche direkten
Carroccio 2019: 11-13).
Vergleiche nicht detailgenau sind, so verdeut-
Dies soll sich offenbar ändern. Im April
lichen sie doch immerhin Tendenzen auf dem
2021 hat Apple mehrere Neuerungen bekannt
Markt und mit ihnen die Strategien der beiden
gegeben. Dazu gehört der Premium-Dienst
Unternehmen. Während Apple über weite Stre-
„Apple Podcasts Abonnements“, mit dem
cken eher defensiv agiert hat, gewissermaßen
Produzierende Gebühren für den werbefrei-
als Sammler (von Podcasts), ist Spotify mit sei-
en Zugang, zusätzliche Inhalte etc. von ihren
ner offensiven, ja fast aggressiven Vorgehens-
Nutzern* verlangen können. Apple verdient an
weise in die Rolle des Jägers geschlüpft.
diesen Tantiemen zwischen 15 und 30 Prozent
Nachdem Apple im Jahr 2005 seine weg-
mit. Zu den Innovationen zählen zudem eine
weisende iTunes-Version auf den Markt ge-
neu gestaltete Nutzer*-App mit verbesserten
bracht hat, die einen bedienungsfreundlichen
Kanal-Übersichten und speziell kuratierten
Umgang mit Podacsts ermöglicht, versucht
Podcasts sowie zusätzliche technische Mög-
der Konzern vergebens, sich die Markenrech-
lichkeiten für Podcast-Produzierende (Apple
te am Begriff „Podcast“ zu sichern – was die
2021). Der US-Konzern reagiert damit erstmals
Monopolbestrebungen des damaligen Apple-
deutlich auf die Spotify-Offensive.
Chefs Steve Jobs widerspiegelt. Unter dem
Bei Spotifys Strategie scheinen Podcasts
derzeitigen Vorstandschef Tim Cook scheinen
immer mehr in den Mittelpunkt zu rücken.
Apple
die Apple Podcasts lange Zeit eine untergeord-
2006 wird das Unternehmen in Schweden
reagiert spät
nete inhaltliche Rolle in der Strategie des Kon-
als Start-up gegründet, zwei Jahre später
zerns einzunehmen. Die App Apple Podcasts
startet Spotify sein Geschäft mit dem Strea
ist zwar auf jedem iPhone vorinstalliert, einen
ming-Angebot von Musik. 2011 tritt Spotify
großen Relaunch hat es seit 2012 aber nicht
in den US-amerikanischen Markt ein, 2012 in
gegeben. Apple hat sein anfängliches Monopol
den deutschen, bis Ende 2020 ist Spotify in
bei Smartphones längst verloren und musste
93 Ländern aktiv. Das Unternehmen arbeitet
auch bei Handy-Betriebssystemen die Führung
mit einem sogenannten Freemium-Ansatz:
an Googles Android abgeben. Spotify und an-
Wer Spotify kostenlos nutzen will, muss sich
dere Wettbewerber lassen ihre Apps sowohl
ten Musiktiteln vor und zwischen gestream
Technik und Geschäft: Von Websites zu Spotify
und Podcasts geschaltete Werbung anhören
2020 wurde bereits die 25-Prozent-Marke er-
Podcasts als
und kann zudem nur auf einen Teil des Ange-
reicht (Krei 2021). Das Unternehmen will damit
strategischer
bots zugreifen. Wer eines der verschiedenen
einerseits erreichen, dass die Nutzer* länger
Hebel
kosten pflichtigen Abonnements abschließt,
auf seiner Plattform bleiben und somit mehr
bekommt dagegen den vollen und werbefrei-
Werbung hören (können), was die Umsätze er-
en Zugang. Dieser kostete in Deutschland An-
höht. Diese Ausdifferenzierung dient aber auch
fang 2021, wie bei anderen Anbietern* auch,
als Alleinstellungsmerkmal, mit dem neue Kun-
für Einzelpersonen knapp zehn Euro.
den* gewonnen werden sollen. Alles in allem
2016 erweitert die Plattform ihr Angebot
geht es darum, die Gewinne dauerhaft zu er-
Spotify führt
um Podcasts. Im April 2018 wagt Spotify den
höhen, indem der Hebel auf Podcasts umgelegt
seit 2016 Podcasts
Börsengang, um zusätzliches Eigenkapital für
wird. Denn das Geschäft mit Musikstreaming
im Angebot
die weitere Expansion einzusammeln. In wel-
gilt als margenschwach, weil hier die großen
che Richtung diese gehen soll, wird bereits
Musikkonzerne dank ihrer Marktmacht hohe
kaum ein Jahr später klar: Das Unternehmen
Tantiemen für ihren „Content“ (d. h. in diesem
geht im Bereich Podcasts auf Einkaufstour und
Falle also die Musikstücke) einfordern können
übernimmt für insgesamt mehr als eine hal-
(Weiß 2019).
be Milliarde US-Dollar gleich drei Firmen aus
Allerdings ist Spotify mit seinem Fokus
dem Feld, darunter mit Gimlet eine führende
auf Podcasts bisher in Vorleistung gegangen,
PC-Produktionsfirma aus den USA. Inzwischen
hat viel investiert und noch keine Gewinne er-
werden auch einige deutsche Podcasts als
zielt. Anfang 2021 kündigt der Konzern an,
„Originals“ von Spotify selbst produziert. Da-
in 85 weitere Märkte zu expandieren, vor al-
neben verfolgt der Anbieter mit seinen „Exclu-
lem in Entwicklungs- und Schwellenländer. In
sives“ genannten Podcasts eine Strategie
Deutschland will Spotify mit zwölf weiteren
der Exklusivität: Bestimmte Podcasts werden
„Originals“ – teils mit unterhaltendem Cha-
Zunehmend
nur auf der Spotify-Plattform veröffentlicht.
rakter, teils mit politisch-informativer Aus-
politische
So z. B. der Podcast von Michelle Obama, der
richtung – neue Abonnenten* gewinnen. Ein
Information
ehemaligen „First Lady“ der USA und Ehefrau
typisches Beispiel für ein solches Original ist
von Ex-US-Präsident Barack Obama. Populäre
FOMO – Was habe ich heute verpasst?, ein täg-
deutsche „Exclusives“ sind die PC Gemischtes
liches Nachrichtenformat, das sowohl Promi-
Hack und Fest & Flauschig diverser Comedians
News als auch politische Informationen auf-
sowie der PC 1,5 Grad der Klima-Aktivistin Luisa
bereitet. Weitere Formate in diesem Bereich
Neubauer (vgl. Kapitel 5.2).
sind geplant (Krei 2021). Dieser Schritt zeigt,
Spotify hat als Zielmarke ausgegeben,
dass Spotify verstärkt in die öffentliche Mei-
dass sich mehr als 20 Prozent der monatlich
nungsbildung einwirken will und damit ten-
Hier geht’s zu
aktiven Nutzer* Podcasts anhören. Bis Ende
denziell zum Konkurrenten von klassischen
1,5 Grad
2019 waren es 16 Prozent, im vierten Quartal
Medienhäusern wird.
27
Den richtigen Ton treffen
Nach Einschätzung verschiedener Bran-
Kombination aus Video und Audio. Die Pod-
chenexperten* will Spotify aber eher zu einer
casts werden auf der Plattform dann einfach
Art „YouTube für Audio“ aufsteigen. YouTube,
als Video mit Standbild und Tonspur hochge-
das zu Google bzw. der Holding Alphabet ge-
laden (Kaiser 2020).
hört, wird zwar in erster Linie als Videosharing-
Diese Konkurrenz hat wiederum Spotify
Plattform wahrgenommen. Diese beherbergt
auf den Plan gerufen. So hat das Unterneh-
Der Kampf
aber auch Abermillionen reiner Audiodateien,
men im Sommer 2020 den YouTuber Joe Rogan
um Joe Rogan
vornehmlich Musiktitel und -alben. Seit eini-
engagiert. Dessen Interviewformat Joe Rogan
gen Jahren wird YouTube auch für das Hochla-
Experience, bei dem er oft exzentrische Persön-
den von Podcasts genutzt, zunächst vorrangig
lichkeiten wie den US-Politiker Bernie Sanders
von bekannten YouTubern* („Influencer*“), die
oder den Tesla-Gründer Elon Musk interviewt
eine Mehrkanalstrategie verfolgen, also eine
(und diesen dabei viel Raum für ausführliche
Abbildung 4
Spotify YouTube
12,3 9,8
14-29
Spotify Apple Podcasts/iTunes
YouTube
50-69
38,1
Apple Podcasts/iTunes
30-49
Gesamt
Meistgenutzte Podcast-Plattformen und -Apps in Deutschland nach Altersgruppen (2020)
60,8 11,9
YouTube
8,1 30,3
Spotify 13,3
Apple Podcasts/iTunes
10,3
ARD Audiothek
22,7
YouTube
16,4
Podcast- bzw. Sender-Websites
10,9 30,6
70+
YouTube Podcast- bzw. Sender-Websites
18,1 16,7
ARD Audiothek 0
10
20
30
40
50
60
70
Anteil in Prozent Quelle: Goldmedia (2020: 8). Eigene Darstellung.
28
Technik und Geschäft: Von Websites zu Spotify
Antworten gibt), zählt auf YouTube mehr als
die die Audioinhalte der ARD-Landesrundfunk-
zehn Millionen Abonnenten* und verzeichnet
anstalten sammelt und kuratiert. Neben Zweit-
965 Millionen Aufrufe (Stand: Januar 2021).
verwertungen von Radio-Sendungen gehören
Seit September 2020 produziert Rogan nun
hier auch direkt als Podcasts konzipierte For-
keine YouTube-Videos mehr, sondern Pod-
mate dazu, wie z. B. Der Tag des Deutschland-
casts – exklusiv für Spotify. Dafür soll er über
funks, der die wichtigsten Nachrichten hinter-
die nächsten Jahre insgesamt 100 Millionen
gründig beleuchtet (vgl. Kapitel 6.2).
US-Dollar erhalten (Neumann 2020). Dass YouTube eine ernstzunehmende Größe bei Podcasts darstellt, belegt ein Blick
Der deutsche PC-Markt ist jedoch noch rela tiv jung, weshalb auch einige weitere Akteure versuchen, in ihm Fuß zu fassen:
auf den deutschen Markt. Nach einer reprä-
Amazon: Seit September 2020 ergänzt Ama-
sentativen Umfrage von Goldmedia (2020)
zon seinen Musikstreaming-Dienst Amazon
war zwar Spotify Mitte 2020 in Deutschland
Music um Podcasts, einige davon exklu-
mit einem Hörer*anteil von knapp 40 Prozent
siv. Der US-Konzern reagiert damit auf die
klarer Marktführer. Den zweiten Rang beleg-
PC-Offensive von Spotify. Zuvor hat bereits
te aber nicht etwa Apple Podcasts, sondern
die Amazon-Tochter Audible, die in erster Li-
YouTube mit knapp 12 Prozent (Abbildung 4).
nie Hörbücher verkauft, ein Abo-Sortiment
Aus Abbildung 4 wird ersichtlich, dass Spotify
von ca. 30 exklusiven PC aufgebaut. Dieses
seine Spitzenposition der großen Beliebtheit
Portfolio wird parallel zu Amazon Podcasts
beim jüngeren Publikum zu verdanken hat. Die
weiter ausgebaut.
Audible auch wichtiger Akteur
Kohorte der 14- bis 29-Jährigen hört zudem
ProSiebenSat.1: Der Münchner TV-Konzern
am häufigsten Podcasts (vgl. Kapitel 4). Das
ProSiebenSat.1 Media SE hat im April 2020
starke Abschneiden von YouTube liegt darin
seine Plattform FYEO („For Your Ears Only“,
YouTube vor allem
begründet, dass die Über-50-Jährigen und be-
auf Deutsch: „Nur für deine Ohren“) gestar-
bei älteren Hörern*
sonders die „Generation 70plus“ die Plattform
tet, stellt diese aber nach gut einem Jahr
beliebt
für das PC-Hören nutzt.
bereits wieder ein (Turi 2021). FYEO bietet
6
Eine weitere Besonderheit ist, dass ein ver-
eine gratis verfügbare Basisversion sowie
gleichsweise hoher Prozentanteil der älteren
eine Abo-Variante an, die vollständigen
Jahrgänge für das Anhören von PC Webseiten
Zugang zu den Eigenproduktionen erlaubt.
ansteuert, wie z. B. die des Zeit-Verlags oder
Zum Portfolio gehören unterhaltende For-
die des Spiegel. Eine prominente Rolle spielt
mate aus den Bereichen Lifestyle, True
bei den Über-50-Jährigen die ARD-Audiothek,
Crime und Mode, aber auch Inhalte mit
6 Der Reuters Digital News Report für Deutschland hat abweichende Ergebnisse hervorgebracht: Hier liegt YouTube mit 39 Prozent vor Spotify (34 Prozent), der ARD-Audiothek (17 Prozent) und Apple (16 Prozent) (Hölig/Hasebrink 2020: 52). Dies könnte damit zusammenhängen, dass die Erhebung ca. ein halbes Jahr früher stattgefunden hat. Nichtsdestotrotz bekräftigen auch diese Ergebnisse die wichtige Rolle von YouTube für das Themenfeld Podcasts.
29
Den richtigen Ton treffen
Oligopol-Bildung
dem Schwerpunkt Politik und Zeitgeschich-
Der weltweite wie auch der deutsche PC-
konzentriert
te. Die schnelle Einstellung erfolgt jedoch,
Markt ist augenscheinlich von einer großen
Marktmacht
da das Geschäftsmodell einer eigenen App
Vielfalt geprägt, beherrscht wird er jedoch von
auf Dauer wirtschaftlich nicht tragfähig
Spotify, Apple Podcasts und YouTube. Damit
erscheint. Stattdessen werden die Eigen
zeichnen sich Tendenzen zu einem Oligopol ab.
produktionen künftig über Plattformen wie
Marktstrukturen, die von einigen wenigen An-
Apple Podcasts ausgespielt – mit einem
bietern dominiert werden, erlauben es diesen
FYEO-Kanal für die kostenpflichtigen Serien
Akteuren, die Preise und teils auch die Produkt-
und verstärkter Werbung in frei zugäng
angebote zu bestimmen. Digitalen Plattformen
lichen Stücken (Turi 2021).
wohnt ohnehin die Tendenz inne, eine gewisse
RTL: Aus dem Hause RTL, der zweiten
Macht über die Produktanbieter* und damit auch
RTL geht mit
großen TV-Sendergruppe in Deutschland,
mittelbar über die Kunden* auszuüben: Durch
Audio Now
stammt die Plattform Audio Now. Sie setzt
ihre Nutzungskonditionen (z. B. Verbot von URLs
an den Start
stärker als FYEO auf leichte Unterhaltung und
in den Shownotes) und durch ihre redaktionel-
wird rein werbefinanziert, es gibt also kein
len Entscheidungen (z. B. die Blockierung rassis-
Abo- oder Bezahl-Modell. Ebenfalls stärker
tischer Inhalte) nehmen sie im positiven wie im
als FYEO produziert Audio Now Podcasts, die
negativen Sinne Einfluss. Überdies können sie
seine TV-Sendungen wie „Let’s dance“ oder
mittels Algorithmen-basierter Empfehlungen in
„GZSZ“ begleiten (vgl. Kapitel 6.3).
ihren Katalogen, über den Aufbau ihrer App und
Deezer und Podimo: Ein ähnliches Ge-
über ihre Suchfunktionen bestimmte Angebo-
schäftsmodell wie Spotify hat der franzö-
te bevorzugt behandeln. Dies wird besonders
sische Musikstreaming-Dienst Deezer, der
virulent, wenn eine Plattform wie Spotify auch
seit 2014 auch Podcasts anbietet und zwei
eigene, teils exklusive Produktionen im Port
Jahre später mit Eigenproduktionen gestar-
folio führt (Sullivan 2019: 6-7) – und somit ein
tet ist, darunter auch mit deutschsprachi-
Anreiz besteht, diese Produktionen besonders
gen. Während es Deezer bereits seit 2011
prominent für die Nutzer* zu platzieren.
hierzulande gibt, ist der dänische Anbieter Podimo erst 2019 gegründet worden und seitdem auch in Deutschland aktiv. Über die Podimo-App können frei verfügbare Pod-
30
3.3 Werbung und andere Einnahmequellen
casts gehört werden. Wer ein Premium-Abo
„Der gesamte Podcast-Markt steht noch am An-
bucht, kann sich auch die Eigenproduktio-
fang“, sagte Steffen Hopf, Geschäftsführer des
nen anhören. Podimo hatte als erste Platt-
PC-Vermarkters Julep, Anfang 2020 in einem
form die reichweitenabhängige Vergütung
Interview (zitiert nach XPLR 2020: 28). Insofern
von Produzierenden für ihre Podcasts ein-
ist das Spektrum möglicher Einnahmequellen
geführt (Winterbauer 2020: 48).
für Podcaster* noch nicht sehr ausdifferenziert:
Technik und Geschäft: Von Websites zu Spotify
Abonnements: Produzierende können ihre
gering, sodass sich die Beteiligung nur für
Verschiedene
Podcasts selbst vermarkten, zum Beispiel
sehr reichweitenstarke PC lohnen dürfte.
Einnahmequellen
über eine eigene App. Nutzer* bekommen
Crowdfunding: Hierbei unterstützen Nut-
nur über ein kostenpflichtiges Abonne-
zer* den Podcast über einschlägige Platt-
ment Zugang zur werbefreien Vollversion.
formen (Steady, Substack, Patreon etc.)
Dafür müssten die Podcasts allerdings sehr
mit freiwilligen Spenden. Als die zweite
reichweitenstark sein. Dieses relativ große
Podcasting-Welle zwischen 2013 und 2015
unternehmerische Wagnis sind bisher nur
in den USA richtig ins Rollen kam, konnten
Der Spiegel und der Journalist Gabor Stein-
einige PC-Großprojekte Spendengelder von
gart mit seinem Podcast-Portfolio einge-
bis zu einer halben Million US-Dollar einwer-
gangen. Das Steingart-Abo umfasst die
ben (Bonini 2015: 23). Auch wenn sich das
rund zehn Podcasts seines Unternehmens
Crowdfunding als Finanzierungsmethode für
Media Pioneer sowie einige andere jour-
„Indies“ von reinen Amateuren*, die nur ihre
nalistische Produkte. Auf den typischen
Kosten decken wollen, bis hin zu Profis fest
PC-Plattformen wie Spotify und Apple Pod-
etabliert hat, stellt Crowdfunding eher eine
casts platziert Steingart lediglich Kurzver-
kleine Größe im gesamten Podcast-Markt
sionen seiner Formate. Seit Juni 2021 bie-
dar. In der Regel bewegen sich die einma-
tet das Nachrichtenmagazin Spiegel das
ligen Spenden pro Person und PC-Folge in
exklusive Audio-Abonnement „Audio+“
der Spanne zwischen 50 Cent und fünf Euro,
an, das drei Podcasts sowie die einge-
selten gehen sie deutlich darüber hinaus.
sprochenen Ausgaben des Spiegels sowie
Merchandising: In erster Linie bedeu-
der Kinderversion Dein Spiegel umfasst.
tet dies, Fan-Artikel wie T-Shirts mit dem
Sollte dieses Geschäftsmodell erfolgreich
Logo des Podcasters* zu verkaufen. Da die
sein, könnten andere Anbieter nachfolgen
PC-Szene bislang aber wenig von Starkult
und ebenfalls solche Abo-Pakete auf den
geprägt ist, handelt es sich hierbei eher um
Markt bringen. Bisher bilden bei ähnlichen
ein Nischengeschäft.
Paketangeboten (wie etwa beim Digitalabo
Live-Events: Bei Live-Events erzielen die
„Spiegel+“) Podcasts eher ergänzende
Veranstalter Einnahmen durch den Ticket-
Elemente (siehe Fallbeispiel in Kapitel 7.2).
verkauf an das Publikum. Die Veranstal-
Tantiemen: Mit Apple, Spotify und Podimo
tung wird mitgeschnitten und dann spä-
haben drei Plattformen Beteiligungen der
ter als Podcast zur Verfügung gestellt. So
Podcaster* an der Nutzung von deren Pod
veranstaltet die Wochenzeitung Der Frei-
casts eingeführt. Diese Modelle sind zum
tag zusammen mit dem rbb-Sender Radio
einen noch sehr neu, sodass sich die Aus-
Eins einen monatlichen Salon mit mehre-
wirkungen erst mit der Zeit zeigen werden.
ren Hundert Teilnehmern*, zu dem meist
Zum anderen sind die Tantiemen relativ
Eigentümer Jakob Augstein prominente
31
Den richtigen Ton treffen
Gesprächspartner* empfängt. Diese Dis-
Signal zu trennen oder vom Host* als sol-
kussionsrunden werden nachträglich als
che anzukündigen. Nicht jeder* hält sich an
Podcasts veröffentlicht. Varianten dieser
diese wettbewerbsrechtliche Vorgabe. Die-
Einnahmequelle sind Live-Touren von popu-
se Werbeform dauert oftmals länger als ein
lären Podcasts und Honorare für Auftritte
eingespielter Werbespot und beansprucht
bei Podcast-Festivals wie „Auf die Ohren“.
meist zwischen ein und zwei Minuten. Host
Honorare: Einige Plattformen beauftragen
Reads gelten als Spielart des Native Adver-
einzelne Personen wie zum Beispiel die
tising, bei dem die Werbung in das redak
Klimabewegungs-Aktivistin Luisa Neubau-
tionelle Umfeld eingebettet wird. Dazu zäh-
er oder die TV-Talkmasterin Sandra Maisch-
len auch Announcer Reads, bei denen nicht
berger, für sie exklusiv Podcasts zu produ-
der Host*, sondern ein anderer Sprecher*
zieren. Dafür erhalten diese prominenten
für die „Werbebotschaft“ sorgt. Eine weitere
Exklusiv-Lieferanten* Honorare.
gängige Form der Werbung stellt das Spon-
Sponsoring
Werbung: Die eindeutige Haupteinnahme-
soring dar: Hier wird der Sponsor am Anfang
noch eher selten
quelle bei Podcasts ist jedoch nicht nur für
und am Ende des Podcast genannt – ent
die Plattformen, sondern auch die Produ-
weder vom Host* oder eingebettet in ein vor-
zierenden Werbung. Hierbei haben sich
produziertes Intro und Outro. In der Regel
verschiedene Varianten etabliert: Der Wer-
werden nur der Name und das allgemeine
bungtreibende kann klassische Werbespots
Angebot des Sponsors erwähnt, nicht je-
schalten, wie sie vom Radio bekannt sind.
doch einzelne Produkte. Sponsor ships
Diese sind vorproduziert und werden über
laufen über einen längeren Zeitraum, zum
Algorithmen nach Datenlage passenden
Beispiel ein Jahr. So lässt zum Beispiel die
Podcasts vorgeschaltet (sog. Programmatic
überregionale Börsenzeitung aus Frankfurt
Advertising). Diese Werbeform ist zwar pro-
am Main ihren Podcast #7TageMaerkte von
fessionell gestaltet, aber teilweise nicht auf
einer führenden Finanzberatung „präsentie-
die Tonalität der Podcasts abgestimmt, was
ren“. Am Ende der Shownotes kann nach
zu störenden Wahrnehmungsbrüchen bei
dem redaktionellen Teil ein kurzer Werbe
Eingesprochene
den Rezipienten* führen kann. Beim „Host
text angefügt werden. Diese Werbeform
Werbung
Read“ spricht der Host* die Werbung selbst
kommt jedoch noch eher selten vor (Arras
ein, wodurch sie wie ein organischer Teil des
et al. 2020: 4-5; XPLR 2020: 24-26).
gesamten Podcasts klingen soll. Dazu ge-
32
hört, dass der Host* in dem Duktus bleibt,
Gemeinhin gilt die Entwicklung des US-ame-
den er auch im redaktionellen Teil hat. Da
rikanischen PC-Marktes derjenigen des deut-
Werbung aus rechtlichen Gründen gekenn-
schen Marktes um einige Jahre voraus. Mit
zeichnet werden muss, sind Anfang und
Blick auf die weltweiten Werbeerlöse durch
Ende des Host Reads durch ein akustisches
Podcasts zeigt sich, dass der US-amerikani-
Technik und Geschäft: Von Websites zu Spotify
sche Markt derzeit einen Anteil von mindes-
Musik, Radio und Podcasting zusammen auf
tens 50 Prozent hält (Interactive Advertising
4,7 Milliarden Euro. Als Wachstumstreiber gilt
Bureau 2020: 14). Insgesamt summierten
dabei zuvorderst zwar das Musikstreaming, dy-
sich die Erlöse nach Angaben der Unterneh-
namisch dürfte laut Price Waterhouse Coopers
mensberatung Deloitte 2019 auf 1,1 Milliarden
aber auch die deutsche Entwicklung bei den
US-Dollar – ein gewaltiger Sprung gegenüber
Werbeumsätzen von Podcasts verlaufen. Lagen
den 45 Millionen US-Dollar im Jahr 2013 (De-
die Werbeerlöse 2015 bei bescheidenen vier
loitte 2019: 106). Bis 2025 wird gar eine Ver-
Millionen Euro, stiegen sie 2018 auf 48 Millio-
dreifachung des Volumens von 2019 auf rund
nen Euro an und erreichten 2019 bereits 71 Mil-
3,3 Milliarden US-Dollar erwartet (Deloitte
lionen Euro. Bis 2024 wird sich dieser Wert
2019: 109). Allerdings nimmt sich die Größe
gemäß Prognose fast nochmal um das Zweiein-
des PC-Marktes auch heute noch relativ klein
halbfache auf 171 Millionen Euro gesteigert ha-
aus, verglichen mit den über 2,1 Billionen
ben (Price Waterhouse Coopers 2020b: 61). An
US-Dollar Umsätzen, die die globale Unter
dem Gesamtmarktvolumen des – auch Corona-
haltungs- und Medienbranche (Live-Shows,
bedingt – eher langsam wachsenden Werbe-
Videostreaming-Dienste, Fernsehen etc.) 2019
marktes im Hörfunkbereich, das 2024 erstmals
machte (Price Waterhouse Coopers 2020a: 2).
die Milliarden-Euro-Grenze überschreiten wird,
Auch in Deutschland wächst der PC-Werbe
werden Podcasts dann einen Anteil von knapp
markt. 2019 beliefen sich die Umsätze für
einem Fünftel haben (vgl. Abbildung 5).
Abbildung 5
Umsätze in Millionen Euro
1.200
25 20
1.000
15
800
10
600
0 -5
5
400
-10 -15
200
-20 -25
0 2015
2016 Podcast
2017
2018
2019
traditionelles Radio
2020
2021
2022
2023
Wachstumsrate in Prozent
Werbeumsätze im deutschen Radio- und Podcast-Markt (2015-2024)*
2024
Wachstumsrate Gesamtmarkt
Quelle: Price Waterhouse Coopers (2020b: 71). Eigene Darstellung. * Die Daten für 2020-2024 sind Schätzungen.
33
Den richtigen Ton treffen
Selbst wenn die strukturell eher optimistischen Prognosen von Unternehmensberatungen und Marktforschungsunternehmen tatsächlich
Infrastruktur die Nutzung stark vereinheitlicht haben. Wie bei jungen Märkten üblich, tummeln
so einträfen, hätten sich Podcasts damit zwar
sich derzeit noch viele Akteure* im Podcast-
als Werbeträger etabliert, aber nicht in einem
Business. Vor allem auf Seiten der Produzie-
Maße, dass sich große Teile der Content-Pro-
renden, denn die Barrieren für den Markteintritt
duktion daran ausrichteten, wie dies etwa beim
sind relativ niedrig. Es entstehen lediglich Kos-
profitorientierten Privatfernsehen der Fall ist
ten für die Produktion sowie für das Hosting der
oder bei YouTube-Videos (vgl. Frühbrodt/Floren
eigenen Podcast-Folgen, gegebenenfalls auch
Werbung in
2019). Bemerkenswert ist in diesem Zusammen-
für Social-Media-Werbekampagnen, um den
amerikanischen
hang auch, dass in den USA 2019 mehr als ein
Podcast zu promoten. Klar ist dabei: Je höher
Nachrichten-
Fünftel der Werbeeinnahmen mit Podcasts aus
der Anspruch an Professionalität und Reichwei-
Podcasts
den Bereichen Nachrichten und Politik erzielt
te ist, desto stärker steigen auch die Kosten.
wurden – vor Comedy mit 17 Prozent und „Ge-
Die Plattformen übernehmen die Podcasts in
sellschaft und Kultur“ mit 13 Prozent (Internatio
der Regel kostenfrei, weil es für sie kostenloser
nal Accounting Bureau 2020: 16). Dies könnte
Content ist. Die Frage ließe sich aber auch um-
darauf hindeuten, dass die PC-Szene sich nicht
kehren, ob nicht die Plattform Tantiemen an die
zwangsläufig verstärkt in Richtung der grund-
Macher* entrichten müssten. Spoti fy, Apple
sätzlich werbeaffine(re)n Unterhaltung bewegt,
Podcasts und zuvor schon Podimo sind jüngst
selbst wenn in Deutschland die Werbeausgaben
zu einem solchen Entlohnungssystem überge-
für Podcasts weiter stark steigen.
gangen. Die Frage bleibt allerdings, ob die Höhe den Produzierenden reicht.
3.4 Zwischenbilanz
Dass sich hier Konflikte anbahnen könnten, zeigen kritische Äußerungen des Bundesver-
Wettbewerbs-
Die Entwicklung von Smartphones und Apps,
bands der Digitalpublisher und Zeitungsverle-
rechtliche Konflikte
der Ausbau von Bandbreite, die Einführung
ger (BDZV), der die Interessen der Zeitungs-
bahnen sich an
der Bluetooth-Technologie, kabellose Kopf-
branche vertritt. Diese hat in den vergangenen
hörer und Sprachassistenten: Die Digitalisie-
Jahren besonders Anstoß an Google genom-
rung hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten
men, dessen Suchmaschine und speziell des-
in vielfacher Hinsicht ein neues technisches
sen Angebot der Nachrichten-Aggregation
Umfeld erzeugt, welches die Produktion, vor
(Google News) kurze Inhaltsangaben von ver-
allem aber den Konsum von Podcasts stark ver-
linkten Zeitungsartikeln wiedergibt und somit
einfacht hat. Eine entscheidende Rolle haben
aus Sicht der Verlagsbranche auf fremde In-
zudem Streaming-Plattformen wie Spotify,
halte zugreift, ohne aber deren Urheber dafür
Apple Podcasts und andere gespielt, die mit
angemessen zu vergüten. Vielmehr schalte
dem Aufbau einer technisch-organisatorischen
sich Google gewissermaßen vor die Zeitun-
34
Die Podcast-Nutzung: Vom Nischenformat zum Massenmedium
gen und schöpfe dadurch einen wesentlichen
wie ein „Nadelöhr“ wirken, umso mehr kön-
Teil der Werbeeinnahmen ab. Perspektivisch
nen sie auch beeinflussen, welche Inhalte das
könnte sich hier eine ähnliche Problematik mit
breite Publikum erreichen. Traditionell haben
verlagseigenen Podcasts und Plattformen wie
diese bevorzugten Inhalte eher leichten, un-
Spotify herausbilden, aber auch eine poten-
terhaltenden Charakter, zumal sie auch als
tielle Diskriminierung von Inhalten (Anfrage
werbefreund liches Umfeld gelten. Es wäre
Kansky 2020).
also zu erwarten, dass die Bedeutung von
7
Denn die dargestellte Entwicklung zur
Podcasts mit einem Schwerpunkt auf Informa-
wachsenden Dominanz einiger weniger Platt-
tionen und Nachrichten mit steigender Domi-
formen im PC-Markt könnte zwei Konsequen-
nanz der Plattformen abnimmt. Noch ist der
zen haben. Die eine: Der Podcast war die
Werbemarkt für Podcasts jedoch nicht sehr
längste Zeit ein plattformneutrales Medium,
weit entwickelt und die skizzierte Entwicklung
welches auf vielen Wegen (Website, verschie-
noch nicht als gesetzt zu betrachten. Hoffnung
dene Apps, Plattformen wie Spotify) ange-
macht immerhin, dass Werbungtreibende in
steuert werden kann. Er wird immer mehr zu
den USA einen hohen Anteil ihrer Spots auch
Podcasts
einem „normalen“, knappen Wirtschaftsgut,
bei Informations-Formaten schalten, sodass
als knappes
das nur bei bestimmten Anbietern* erhältlich
diese nicht durch die Algorithmen-Auswahl ins
Wirtschaftsgut
ist. Die zweite Folge: Je stärker Plattformen
Hintertreffen geraten.
7 Die BDZV-Äußerungen erfolgten vor der Ankündigung von Tantiemen durch Apple und Spotify. Dies bedeutet freilich nicht automatisch, dass sich dadurch die Haltung des Verbands grundlegend geändert hat.
35
Den richtigen Ton treffen
4 Die Podcast-Nutzung: Vom Nischenformat zum Massenmedium Neue Produkte wie auch neue Medien werden
4.1 Die Entwicklung in den USA
im Zeitalter der Digitalisierung oft von Technologie-Schüben und einem Unternehmer*geist
Wie die ersten Blogger*, die ersten Social-
vorangetrieben, der hohe Gewinne aufspüren
Media-Plattformen vor Facebook, die frühen Vi-
und abschöpfen will. Im Falle des Podcastings
deomacher* auf YouTube und die ersten Gene
gilt dies nur bedingt (vgl. Kapitel 3). Hinzu kom-
rationen des Internet überhaupt haben auch
men starke soziokulturelle Triebkräfte, die für
die meisten Mitglieder* der entstehenden Pod
Basisdemo-
die Entwicklung des Mediums Podcast eine ge-
cast-Szene den Ruf und den Selbstanspruch,
kratisches
wichtige Rolle spielen. Der Podcast ist nicht nur
Teil einer basisdemokratischen Graswurzel-
Nischenmedium
in seinen Anfängen, sondern bis heute das Me-
Bewegung zu sein. Vor allem in der zweiten
dium der basisdemokratischen Amateure* und
Hälfte der Nullerjahre dreht sich viel darum, mit
experimentierfreudigen Semiprofessionellen.
und über das neue Medium zu experimentieren
Darüber hinaus haben auch nicht gewinn
und sich auf seine ganz persönliche Weise zu
orientierte Organisationen eine wesentliche
artikulieren. Es soll auf Augenhöhe miteinan-
Rolle für den Aufstieg der Podcasts gespielt.
der und unter Gleichen kommuniziert werden.
Selbst in den USA, dem Land des freien Unter
Wer Nutzer* ist, kann auch problemlos Ma-
nehmer*tums, trägt vor allem das öffentlich-
cher* sein. Einige wollen das Podcasting auch
Neues Vehikel
gemeinnützige Radio dazu bei, das neue
als unterhaltsames Vehikel für Bildungsinhalte
für Edutainment
Medienformat zu popularisieren, aber auch zu
nutzen.
professionalisieren (Kapitel 4.1). Eine vergleichbare Entwicklung findet in
(2011) fünf verschiedene Podcasts im kanadi-
Deutschland statt, wo sich Podcasts spätes-
schen Montreal und gelangt zu dem Ergebnis,
tens seit 2017 von einem subkulturellen, rei-
dass diese eine spezifische Form der Inter-
nen Nischenmedium immer stärker in Richtung
net-Partizipation darstellten, mit einem eige-
eines populären Massenmediums entwickeln,
nen subkulturellen Stil, der sich völlig vom
ohne allerdings die thematischen Nischen zu
traditionellen Rundfunk-Modell unterscheide.
vernachlässigen (Kapitel 4.2). Eine ganz ähn
Andere wie etwa Bonini (2015: 21) wollen in
liche Sprache sprechen auch die Zahlen: Ein-
den Podcastern* die Nachfahren der freien
gebettet in einen digitalen Audioboom nehmen
Piraten-Radios der 1970er Jahre erkennen, die
die Nutzer*zahlen seit einigen Jahren konti-
eine neue Gegenöffentlichkeit schaffen woll-
nuierlich zu und zwar mit imposanten Wachs-
ten. Man mag über diese Zuschreibungen strei-
tumsraten – dies vor allem aber bei den Jünge-
ten, fest steht jedoch, dass in der Frühphase
ren und formal besser Gebildeten (Kapitel 4.3).
viele Idealisten* und unabhängige Geister die
Daraus wiederum lässt sich die Frage ableiten:
Entwicklung maßgeblich mitbestimmen.
Warum und wozu hören die Nutzer* Podcasts (vgl. Kapitel 4.4)?
36
So untersucht beispielsweise Millette
Es dauert allerdings nicht lange, bis sie Gesellschaft bekommen. Es handelt sich da-
Die Podcast-Nutzung: Vom Nischenformat zum Massenmedium
bei zunächst jedoch weniger um profitorien-
Dämpfer. PC kommen in dieser Phase nicht
tierte Unternehmen, die eher auf anderen
über den Status eines Phänomens für sehr
technischen Gebieten, beispielsweise bei den
enge Zielgruppen hinaus. Das hat mehrere
sozialen Netzwerken, schnell die Oberhand
Ursachen. Zum einen ermöglicht die Technik
gewinnen. Im Fall der Podcasts sind es vor al-
noch keinen komfortablen Konsum von Pod-
lem öffentliche und gemeinnützige Rundfunk-
casts. Offensichtlich spielt aber auch das fast
sender. Kurz nachdem Mitte 2005 Apple seine
zeitgleiche Aufkommen sozialer Medien wie
PC-kompatible iTunes-Software auf den Markt
Facebook und YouTube, ein paar Jahre später
gebracht hat, startet in den USA der National
von Twitter und Instagram, eine Rolle. Gerade
National
Public Radio-Verbund mit einer regelmäßi-
die Möglichkeit der sozialen Interaktion macht
Public Radio
gen Podcast-Produktion. Weitere Non-Profit-
diese sozialen Medien attraktiv, während beim
ist der Pionier
Sender in den USA folgen. Zwischen 2005 und
PC zwar theoretisch ebenfalls jeder* leicht Kon-
2007 versucht KYOU, ein Radiosender aus San
sument* und Produzent* zugleich sein kann
Francisco, sein Programm sogar vollständig
(„Prosumer“-Prinzip), meist aber doch Zuhören
auf PC umzustellen, bricht dann aber das Ex-
angesagt ist (Vassilian 2017: 6).
8
periment ab. 2007 startet die britische BBC
Ab 2014/15 sieht der italienische Medienwis-
ihren PC-Regelbetrieb, nachdem sie drei Jahre
senschaftler Fabio Bonini jedoch „The Second
mit dem neuen Medium experimentiert hat. Im
Age of Podcasting“, „Die zweite Ära des Podcas-
selben Zeitraum gehen auch die britischen Zei-
tings“, so der Titel seines Aufsatzes, eingeläu-
tungen Daily Telegraph und The Guardian mit
tet. In den Jahren 2012/13 scheiden mehrere er-
PC-Produktionen an den Start. Damit sind sie
folgreiche Podcaster* aus dem NPR-System aus,
die ersten kommerziellen Akteure auf dem Feld
um – finanziert durch Spendengelder – eigene
(Bonini 2015: 24).
Projekte wie Radiotopia oder Radio Diaries auf
Mit den klassischen Medienhäusern, ge-
die Beine zu stellen. Crowdfunding ist zu dieser
meinnützig wie gewinnorientiert, und den
Zeit zwar generell sehr angesagt bei Medien-
technischen Erleichterungen (vgl. Kapitel 3.1)
projekten, es zeigt sich aber schnell, dass zu-
findet eine zunehmende Professionalisierung
mal größere PC-Vorhaben auch auf zusätzliche
Professionali-
des Podcastings sowie eine stark steigende
Finanzierungsmethoden zurückgreifen müssen.
sierung ab 2014
Verbreitung von PC statt. Dies geschieht aller
Dazu gehören vor allem Sponsorings und Wer-
dings nicht sofort, denn zwischen ca. 2007
bung (Bonini 2015: 22-25). So entstehen 2014
und 2012/13 bekommt die Entwicklung einen
Podcast-Label wie Gimlet oder Panopoly, die
8 Bei National Public Radio (NPR) handelt es sich um einen 1970 gegründeten lockeren Verbund von rund 1.000 gemeinnützigen Radiosendern in den USA. Die landesweite Anstalt beliefert dabei die lokalen Sender mit einem Mantelprogramm. NPR wird nicht wie in Deutschland über einen Rundfunkbeitrag oder Ähnliches finanziert und der Sender erhält nur sehr geringe staatliche Zuwendungen. Hauptsächlich finanziert sich NPR aus dem Weiterverkauf von Inhalten an seine Mitgliedssender sowie aus Firmensponsorings, Großspenden von Unternehmen und Stiftungen sowie kleineren Spenden von Einzelpersonen.
37
Den richtigen Ton treffen
auch etablierte Medien wie die New York Times
durchaus als Kompliment zu verstehen ist (zi-
oder die Huffington Post mit ihren Produktio-
tiert nach Berry 2015: 301).
nen beliefern. Diese Entwicklungen sind zwar teilweise durch die in Kapitel 3.1 beschriebenen
38
Mehrere Faktoren lassen Serial dabei zum Publikumsmagnet werden:
Hier geht’s
Technik-Schübe induziert. Der neue Unterneh-
Der PC bzw. seine erste Staffel, die sich aus-
zu Serial
mer*geist wäre aber wahrscheinlich nicht ent-
schließlich um den einen Mordfall dreht,
standen, wenn es nicht einen Podcast gegeben
wird als Serie mit zwölf Folgen produziert.
hätte, der für Furore und damit für den großen
Diese werden Woche für Woche veröffent-
Durchbruch sorgt: Serial.
licht, so dass das Publikum gebannt auf jede
Bereits 1995 hat Chicago Public Radio die
weitere Entwicklung in dem Fall wartet. So-
sehr erfolgreiche Reportage-Sendung This
bald alle Folgen veröffentlicht worden sind,
American Life (TAL) ins Leben gerufen. Später
können sie „in einem Rutsch“ angehört
wird sie auch als Podcast verbreitet, nicht min-
werden („binge listening“). Dieses Prinzip
der erfolgreich, mit einem Millionenpublikum.
ist heute von Videostreaming-Diensten
2014 gründet die TAL-Autorin Sarah Koenig ihre
wie Netflix wohlbekannt. Zu dieser Zeit ist
eigene Firma, um Serial zu produzieren. Der PC
es jedoch relativ neu und passt sehr gut
gehört zur Kategorie der „True-Crime-Storys“,
zum spannungsgeladenen Charakter einer
die bei den PC-Hörern* zu den beliebtesten ge-
True-Crime-Story.
hören: Sie erzeugen einen besonderen Schau-
Serial glänzt durch eine starke dramaturgi-
der, weil es sich um echte Kriminalfälle handelt.
sche Umsetzung und Erzählweise: Produ-
Niveauvolle
In Serial erzählt Koenig die Geschichte eines
zentin Sarah Koenig wählt die Form einer
Presenter-
Mordes aus dem Jahr 1999: In Baltimore wird
sogenannten Presenter-Reportage, ähn-
Reportage
damals die High-School-Schülerin Hae Min Lee
lich den Filmen von Michael Moore (z. B.
von ihrem Freund ermordet, weil sie ihn verlas-
Bowling for Columbine), wo der Autor*
sen hat. Adnan Syed wird dafür lebenslänglich
selbst zum Akteur* wird und die Geschich-
in Haft geschickt. Binnen eines Jahres nach Ver-
te erzählt. Das Publikum kann ihm*ihr bei
öffentlichung wird die Geschichte von Hae Min
seinen*ihren Recherchen gewissermaßen
und Adnan 72 Millionen Mal heruntergeladen,
über die Schulter schauen. Er*Sie teilt sei-
bis 2020 rund 240 Millionen Mal. Der Erfolg
ne*ihre Gedanken und Gefühle mit, die das
wird honoriert: 2015 erhält Serial den renom-
Ganze subjektiv einfärben und sich unter-
mierten Peabody Award, dessen Jury größeren
scheiden vom sachlichen Berichtsstil des
Wert auf die journalistische Qualität als auf
klassischen Journalismus. Sarah Koenig
die Popularität eines Projektes legt. Die Jury
exerziert dies in Serial auf einem inhaltlich
befindet dennoch, dass es sich bei Serial um
vergleichsweise hohen Niveau vor. Sie er-
„den eindeutig ersten Mainstream-Podcast“
zählt die Geschichte sehr spannend, aber
(Übersetzung durch Autoren*) handele, was
keineswegs effekthascherisch.
Die Podcast-Nutzung: Vom Nischenformat zum Massenmedium
Der PC weist einen hohen Produktionswert
gestoppt wird, weil die Reichweite zu gering
auf, was Ausdruck eines neuen Grades der
ist und zu wenig Werbung geschaltet wird. In-
Professionalisierung ist: Koenig führt sehr
zwischen spielen Audio-Formate wieder eine
umfassende Recherchen durch, was sich
wichtige Rolle bei der New York Times: Ihr
in zahlreichen, sehr lebendigen, da szeni-
News-Podcast The Daily rangiert dauerhaft
Hier geht’s
schen O-Tönen niederschlägt. Selbst mit
auf Platz 1 der US-amerikanischen PC-Charts.
zu Nice
dem verurteilten Mörder im Gefängnis tele-
Der erste gemeinsame Podcast von Serial Pro-
White Parents
foniert sie. Darüber hinaus bekommt der PC
ductions unter dem NYT-Dach ist Nice White
seinen eigenen Soundtrack.
Parents, der sich um weiße Eltern, deren Kin-
Serial kann von Cross-Promotion profitie-
der und die in den USA verrufenen öffentlichen
ren, denn der PC wird mehrfach in This Ame-
Schulen dreht. Bisher erreicht die NYT monat-
rican Life empfohlen. Koenig gibt aber auch
lich rund zwölf Millionen PC-Nutzer*. Durch die
zahlreiche Medieninterviews. Eine wichti-
Übernahme und Kooperation mit Serial und TAL
ge Rolle spielen zudem virale Effekte durch
kommen weitere 4,5 Millionen hinzu (Abrams
soziale Medien wie Twitter und Reddit, in
2020; Podtrac 2020).
denen lebhaft über den PC diskutiert wird –
Am Beispiel von Serial lässt sich festhalten,
auch unter Beteiligung der Macher*. Das
dass der öffentlich-gemeinnützige Rundfunk
Engagement der Hörer* erfolgt aber auch
in den USA ganz erheblich zum Siegeszug des
auf rein analoger Ebene: Fans verabreden
Podcastings beigetragen hat. Dies auch des-
sich, um gemeinsam in Bars und Cafés neue
halb, weil der öffentliche Rundfunk – nicht nur
Folgen zu hören. Auf diese Weise wird der
in den USA – über Jahrzehnte viele Mittel inves-
Kult-Status von Serial zusätzlich gefördert
tiert hat, um anspruchsvolle, teils experimen-
(Berry 2015: 302).
telle Langformate wie Hörspiele oder Features zu fördern (Bonini 2015: 26). Die prägende
Nach 2014 veröffentlicht Sarah Koenig noch
Rolle der Non-Profit-Sender für das Podcasting
zwei weitere, ebenfalls sehr erfolgreiche Serial-
hat in den USA – die ansonsten eher als das
Staffeln. Im Juli 2020 verkauft Koenig ihre Pro-
Land der unbegrenzten Möglichkeiten für das
duktionsfirma Serial Productions an die New
private Unternehmer*tum gelten – bis heute
Die New York
York Times (NYT). Zeitgleich wird eine enge Zu-
angehalten. Nach einer Erhebung des Markt-
Times wird zur
sammenarbeit zwischen der NYT und This Ame-
forschungsunternehmens Podtrac liefert sich
führenden Kraft
rican Life verkündet – ein deutliches Zeichen
National Public Radio im November 2020 ein
dafür, dass die führende Tageszeitung der USA
Kopf-an-Kopf-Rennen mit der privaten Sender-
ihr inhaltliches Angebot mit anspruchsvollen
kette iHeartRadio um die meisten Hörer*. NPR
Audio-Inhalten weiter verstärken will. Bereits
erreicht in diesem Monat knapp 26 Millionen
2011 hat die NYT eine erste Audio-Offensive ge-
Nutzer*, iHeartRadio rund 27 Millionen. Allein
startet, die aber schon ein Jahr später wieder
sieben der 20 meistgehörten PC in den USA im
39
Den richtigen Ton treffen
Juli 2020 gehen auf das NPR-Konto (Podtrac
Schweden, Norwegen und eben den USA ist es
2020). Diese Werte sind umso erstaunlicher,
„erst“ jeder Dritte. Unter den 20 Ländern liegt
Deutschland
wenn man bedenkt, dass NPR in der US-Radio
Deutschland mit einer Quote von knapp einem
hinkt hinterher
branche eher als bildungsbürgerliche Rand
Viertel allerdings abgeschlagen auf dem vorletz-
erscheinung gilt.
ten Platz (Newman 2020: 26). Dennoch kann man auch für Deutschland attestieren, dass sich Podcasts langsam aber
4.2 Die wichtigsten Wegmarken in Deutschland
sicher von einem Nischenmedium zu einem Massenmarkt entwickelt haben. Dies lässt sich
Die USA sind zwar führend darin, die Professio
sowohl anhand der Nutzer*zahlen (vgl. Kapi-
nalisierung und Kommerzialisierung des Podcas-
tel 4.3) als auch entlang der strukturellen Ent-
tings voranzutreiben. In Hinblick auf die Verbrei-
wicklung nachweisen. Diese Entwicklung zeigt
tung von Podcasts in der Gesellschaft rangieren
sichtbare Parallelen zu derjenigen der USA,
sie indes nicht ganz vorne, wie eine Erhebung
auch wenn sie nicht völlig identisch und auch
des Medienkonzerns Reuters in 20 wohlhaben-
nicht so stark zeitversetzt zur amerikanischen
den Ländern zeigt (Abbildung 6). In Spanien und
Entwicklung abläuft, wie dies bei technischen
Irland hören sich vier von zehn Erwachsenen
Neuerungen häufig der Fall ist. So unterneh-
mindestens einmal im Monat einen PC an. In
men relativ bald nach den ersten Gehversuchen
Abbildung 6
Anteil der erwachsenen Bevölkerung, der im letzten Monat Podcasts genutzt hat (2020)
50
Prozent
40
41
40
36
36
30
36
34
33
32
32
32
30
29
28
28
26
26
26
24
24
22
20 10
U Ar ge SA nt in ie n Ka na da Au st ra lie Sc n hw ei z Ita lie n Si ng ap Fi ur nn l Ös and te rre Dä ich ne m ar k Be lg Ni ed ien er la Fr nde an kr ei ch J De ap an u Gr tsch oß l br and ita nn ie n
Sc hw d ed No en rw eg en
Irl an
Sp an i
en
0
Quelle: Newman (2020: 26). Eigene Darstellung.
40
Die Podcast-Nutzung: Vom Nischenformat zum Massenmedium
in den USA auch in Deutschland experimentier-
und Christian Schröter die frühe Hörer*schaft
freudige Einzelpersonen erste Fingerübungen.
gemäß ARD-Zielgruppen-Typologie in erster
Einer der bekanntesten PC aus der Frühzeit,
Linie den „Zielstrebigen Trendsettern“, den
Schlaflos in München (2005-2015) von Larissa
„Jungen Wilden“ sowie den „Berufsorientier-
Vassilian (Künstler*name: „Annik Rubens“),
ten“ zu (dies sind drei von insgesamt zehn
Hier geht’s zu
orientiert sich am Audioblogging-Konzept von
Nutzer*gruppen). PC bleiben damit vorerst im
Schlaflos in
Podcast-Gründervater Adam Curry, während
Experimentierstadium, denn laut Oehmichen/
München
der Podcast lemotox – die Volksentdummung
Schröter (2009: 14, 18) hätten sie „noch keinen
von Peter Marquardt eines der ersten politi-
festen Platz im Medienensemble erobert“. Ihre
schen Formate in Deutschland ist.
Befragungen zeigen, dass viele Mediennutzer*
Schon früh zeichnet sich ab, dass PC mit
PC entweder mit dem PC-Angebot von Apple
einer Vielfalt von thematischen Schwerpunkten
gleichsetzen oder mit Audios von Radiosendun-
erfolgreich sein können. Beispielsweise führen
gen, die direkt auf einem Rechner herunterge-
die Macher der 2003 eingestellten WDR-Fern-
laden und abgespielt werden. Ein „beidseitiger
sehsendung Computerclub diese seit 2006 auf
Lernprozess“ bei Machern* und Nutzern* sei
privater Basis als PC als Computerclub 2 fort.
notwendig, schlussfolgern die öffentlich-recht-
Auch die Öffentlich-Rechtlichen mischen mit,
lichen Medienforscher (2009: 18).
meist in Form von Zweitverwertungen ihrer Sen-
Ähnlich wie in den USA und anderen west-
dungen aus dem linearen Programm, und wer-
lichen Ländern verebbt auch in Deutschland
ben mit anfänglich etwas ungelenken Slogans
um 2008 die erste Podcast-Welle, um 2014/15
Neuer Schub
wie „Radio zum Herunterladen und Mitnehmen“
einen neuen Schub zu erhalten. Die technolo-
ab 2014/2015
(DeutschlandRadio, heute: Deutschlandfunk)
gischen Fortschritte und die Serial-Inspiration
oder „Radio für die Hosentasche“ (Saarländi-
(vgl. Kapitel 3.1 und 4.1) nehmen vor allem die
scher Rundfunk) für das neue Medium (Oehmi-
öffentlich-rechtlichen Sender, aber auch einige
chen/Schröter 2009: 12). Insgesamt entwi-
private Medienhäuser wie der Technologie-Ver-
ckelt sich mehr eine Podcast-Subkultur als ein
lag Heise sowie der Zeit- und der Spiegel-Ver-
Massenmarkt. „Im deutschsprachigen Bereich
lag zum Anlass, eine neue PC-Offensive zu star-
war die erste Welle eher eine Sache der priva-
ten. In Deutschland verleiht dabei die relative
ten, der Hobby-Podcaster“, schreibt Hammer-
Stärke der öffentlich-rechtlichen Anstalten, die
schmidt (2020: 22). So macht PC-Pionierin La-
ein hohes Maß an professioneller Erfahrung im
rissa Vassilian „Privatradio im Schlafzimmer“,
Radiomachen mitbringen, den entscheidenden
um in „kompletter Freiheit“ ganze Geschichten
Schub auf der Produktionsseite.
ohne jedwede Zeitbeschränkung erzählen zu können (zitiert nach XPLR 2020: 17-19).
Einen ähnlich prägenden Podcast wie Serial in den USA gab es in Deutschland nicht.
In einem 2009 verfassten Artikel weisen
Aber auch hier erleben True-Crime-Formate
die Medienforscher Ekkehardt Oehmichen
seit einigen Jahren eine regelrechte Hoch
41
Den richtigen Ton treffen
konjunktur. Vor allem der Verbrechen-Pod-
auch in ihrer Machart vornehmlich an ein jün-
cast der Zeit hat eine treue Anhänger*schaft
geres Publikum unter 20 Jahre richten. Selbst
gewinnen können, was Hunderte von Nach-
einige Politiker wie FDP-Chef Christian Lind-
ahmern* auf den Plan gerufen hat. Das wird
ner (vgl. Kapitel 5.2) und Ex-Bundeskanzler
durchaus kritisch bewertet: „[E]s scheint
Gerhard Schröder betreiben mittlerweile
Inflation von
inzwischen weniger ungeklärte Morde als
eigene PC. Während Lindner mit seinen Ge-
True-Crime- und
Formate darüber zu geben“, merken Engert/
sprächspartnern* diskutiert und ihnen Fragen
Promi-Podcasts?
Schroeder (2020) ironisch an. In ihrem Jahres-
stellt, lässt sich Schröder in seinem Podcast
rückblick für das digitale Medienfachmagazin
Die Agenda von seinem früheren Pressespre-
Übermedien kritisieren die beiden Journalis-
cher Béla Anda interviewen.
ten zudem die inflationäre Ausbreitung von
Egal, ob Influencer*, Politiker* oder Perso-
„Promi“-Podcasts, die in erster Linie der
nen in anderer beruflicher Funktion, die meis-
Selbstvermarktung dienten.
ten PC-Betreiber haben erkannt, dass sich das
Diese Kritik mag einerseits berechtigt
Medium für neue, andere Inhalte eignet als
sein, doch sind es andererseits gerade Pro-
die, die sie normalerweise veröffentlichen. Ein
minente aus dem Kreativsektor, die bisher
illustratives Beispiel dafür ist der PC Gemisch-
auf anderen Kanälen (Fernsehen, YouTube,
tes Hack des Comedian Felix Lobrecht und des
Liveshows etc.) aktiv gewesen sind, die ganz
Gagschreibers Tommi Schmitt, den es seit 2017
erheblich zur Popularisierung des Mediums
gibt und der seitdem ganz oben in den Charts
Podcast beigetragen haben. Federführend
der Streaming-Plattform Spotify rangiert. Lob-
unter diesen „freien Medienschaffenden“
recht und Schmitt führen in Gemischtes Hack
sind vor allem Comedians. Inzwischen haben
kein durchchoreografiertes Comedy-Programm
aber auch zunehmend bekannte „Social Influ-
auf, sondern hangeln sich vielmehr im launi-
encer“ wie Bianca „Bibi“ Claßen und Patrick
gen Zwiegespräch an verschiedenen Themen
Paluten (beide YouTube) oder Pamela Reif (In-
entlang und unternehmen dabei immer wie-
stagram) die Vorzüge einer Kanalerweiterung
der spontane Ausflüge in völlig andere The-
für ihr Geschäft entdeckt und setzen dabei
menwelten. Zwar werden durchaus Witze ge-
ganz auf Unterhaltung. Es gibt aber auch Aus-
rissen, doch es steht eindeutig das Erzählen
Hier geht’s zu
nahmen wie Louisa Dellert, eine ehemalige
persönlicher Geschichten im Vordergrund. So
Gemischtes Hack
Fitness- und Food-Influencerin auf Instagram.
suggeriert der PC seinen Zuhörern* ein Gefühl
Mit dem Wechsel des Mediums hin zum Pod-
von Nähe und Intimität, ganz so, als könnten
cast kommt ein größerer Fokus auf informie-
sie ihre Protagonisten bei einer Plauderei am
rende Inhalte: In ihrem Podcast LOU KLÄRT
Küchentisch heimlich belauschen. Gerade die-
erklärt Dellert zusammen mit Gesprächspart-
se Art von „Laber-Podcast“, wie dieses Genre
… und zu
nern* aktuelle Politik. Episoden wie „Was ist
in der PC-Szene heißt, erlaubt den Hörern* ein
LOU KLÄRT
der EU-Haushalt?“ oder „Was ist eigentlich
hohes Maß an Identifikation und führt damit zu
Greenwashing?“ dürften sich thematisch wie
verstärkter „Kundenbindung“.
42
Die Podcast-Nutzung: Vom Nischenformat zum Massenmedium
Nicht übersehen werden sollten weitere
auch Kapitel 5.1). Zum ersten Mal gewinnt mit
Triebkräfte, die das Podcasting in die „Mitte
dem Coronavirus-Update ein Podcast größere
der Gesellschaft“ hineingetragen haben. So ge-
mediale Bedeutung über verschiedene soziale
nießen Hörbücher in Deutschland schon länger
Schichten und Altersgruppen hinweg. Die Jour-
eine große Popularität – zunächst in Gestalt von
nalisten Marcus Engert und Sandro Schroeder
Hörbücher
CDs, zunehmend aber auch von Downloads. Sie
schlussfolgern gar: „Vermutlich hat keine an-
haben den
haben dem PC kulturell den Boden bereitet, in-
dere deutsche Produktion so vielen neuen Hö-
Boden bereitet
dem sie das „Hören auf Abruf“ populär mach-
rer*innen den Podcast-Erstkontakt verschafft.“
ten. Der positive Effekt von Hörbüchern für das
(Engert/Schroeder 2020) Tatsache ist, dass der
Podcasting dürfte sich allerdings besonders auf
Podcast bis Ende April 2021 mehr als 100 Millio
ältere Nutzer*gruppen über 30 Jahre und noch
nen Abrufe erzielt hat – ein Wert, der um ein
stärker über 50 Jahre konzentrieren. Bei Jünge-
Vielfaches über dem anderer Wissenspodcasts
ren haben vor allem die Musikstreaming-Diens-
liegt (NDR 2021).
te eine wichtige Rolle gespielt, indem sie ihr Portfolio von Pop auf Podcast ausgeweitet haben (Reichow/Schröter 2020: 510). Einen weiteren, unerwarteten Schub hat
4.3 Boom oder Hype? Was die deutschen Podcast-Zahlen sagen
das Podcasting durch das seit Anfang 2020
Wie stark haben sich Podcasts bis heute nun
grassierende Corona-Virus erfahren. So hat die
tatsächlich etabliert? Die im Jahrestakt heraus-
ARD-Medienforschung im Frühjahr 2020 allein
gegebene ARD/ZDF-Onlinestudie hat ermittelt,
Jede*r vierte
25 neue Podcast-Reihen mit über 600 Folgen
dass in Deutschland im Jahr 2020 rund 26 Pro-
Deutsche
identifiziert, die sich mit der Pandemie be-
zent der Bevölkerung ab 14 Jahren zumindest
hört Podcasts
schäftigen (Reichow/Schröter 2020: 509). Am
gelegentlich Podcasts nutzen. „Umgerechnet
bekanntesten dürfte hierbei das Coronavirus-
hören 19 Millionen Menschen in Deutschland
Update mit dem Berliner Virologen Christian
Podcasts“, konstatieren die ARD-Medienfor-
Drosten (und einige Monate später auch mit der
scher Dennis Reichow und Christian Schröter
Virologin Sandra Ciesek) sein. Der vom NDR pro-
(Reichow/Schröter 2020: 502). Der „Online-
duzierte PC hat 2020 den renommierten Grimme
Audio-Monitor“ (OAM) der Medienanstalten und
Online Award erhalten. Die Jury lobt Drosten
des Verbands der privaten Rundfunkanbieter
dafür, dass er neue Hörer*gruppen erschlossen
VAUNET hat einen annähernd identischen Wert
Hier geht’s
habe, womit vor allem die über 30-Jährigen ge-
ermittelt: Demnach hören 24,4 Prozent der Be-
zum Coronavirus-
meint sein dürften (Grimme Institut 2020, vgl.
völkerung ab 14 Jahren Podcasts (Bayerische
Update
9
9 Differenzen zwischen diesen und auch anderen Werten bei den beiden Erhebungen resultieren aus unterschiedlichen Kategorisierungen. Während der „Online Audio Monitor“ Podcasts und Radiosendungen auf Abruf in einer Kategorie zusammenfasst, hat die ARD/ZDF-Onlinestudie Podcasts separat abgefragt und die Befragung weiter nach „Radio beiträge auf Abruf“ sowie „Apps zum Hören von Radio, Podcasts etc.“ aufgeschlüsselt. Die Werte für diese beiden Kategorien liegen bei 26 bzw. 29 Prozent und sind damit weitgehend deckungsgleich mit der Podcast-Quote.
43
Den richtigen Ton treffen
Digital-Audio
Landesanstalt für neue Medien et al. 2020: 14-
von Radiobeiträgen aus Audiotheken und
boomt
15). „Der Audiomarkt boomt, das Wachstum ist
von Webseiten auch Podcasts einschließt.
rasant“, fassen Deck/Meyer-Tippach (2020: 30)
Der Anteil der Bevölkerung, der zumindest
die Ergebnisse zusammen: „Die Radionutzung
selten Online-Audiodienste nutzt, ist binnen
über das Internet steigt. Podcasts kommen raus
fünf Jahren von rund 50 Prozent auf 75 Pro-
aus der Nische und sind in aller Ohr.“
zent gestiegen, was hohe Wachstumsraten
Fraglich bleibt jedoch, ob sich Podcasts
widerspiegelt. Vor allem aber zeugt das hohe
als dauerhaft relevantes Medium im täg
und dauerhafte Niveau von einer Etablierung
lichen „Regelbetrieb“ der meisten Nutzer*
der Online-Audio dienste im Gesamtmarkt
etabliert haben oder ob es sich doch eher um
(Reichow/Schröter 2020: 503).
Alles nur
einen Podcast-Hype, um eine vorübergehen-
Welche Bedeutung hat dabei das Podcas-
ein Hype?
de Modeerscheinung handelt – und auch die
ting? Abbildung 7 zeigt deutlich, dass das
zweite Welle wieder verebbt? Zur Beantwor-
Musikhören über YouTube (52 Prozent) sowie
tung dieser Frage gilt es zunächst, einen Blick
das Musikstreaming über einschlägige Plattfor-
auf das große Ganze, den deutschen Audio-
men (41 Prozent) die eindeutig größte Rolle bei
markt insgesamt, zu werfen. Hier ergibt sich
der Audionutzung im Internet spielen. Selbst
folgendes Bild: Das häufig schon totgesagte
Radioprogramme werden über das Internet
„Nebenbei-Medium“ Radio erweist sich in
noch häufiger als Podcasts genutzt. Das ver-
seiner Nutzung weiter als weitgehend sta-
gleichsweise dürftige Abschneiden von Pod-
bil. Von 2016 bis 2020 hörten durchgehend
casts muss allerdings eingeordnet werden. Da
knapp 50 Millionen Menschen in Deutschland
es sich bei PC in der Regel um rein wortbasierte
(ab 14 Jahren) täglich oder fast täglich Radio.
„Sendungen“ handelt, müssen sie auch mit rei-
Im Durchschnitt nutzt der Deutsche* (2020)
nen Wortprogrammen von Kultursendern und
fast drei Stunden pro Tag verschiedene Audio-
Nachrichtenwellen verglichen werden. Diese
dienste, hört also „Radio“ im weitesten Sinne.
haben in der Regel meist Einschaltquoten im un-
Hier ist die Tendenz über einen längeren Zeit-
teren einstelligen Prozentbereich als Anteil an
raum (seit ca. 2005) allerdings eher fallend.
der Gesamthörer*schaft, sodass der Abstand
Beim Hören von Live-Sendungen dominieren
beim klassischen Radio noch sehr viel größer
Populärer als reine
immer noch eindeutig analoge Geräte. Bei
zu Musik-dominierten Sendungen ausfällt. So
Wortprogramme
rund einem Drittel der Nutzungszeit kommen
gesehen halten sich Podcasts im Ensemble der
im Radio
im statistischen Durchschnitt inzwischen aber
Audiodienste durchaus wacker. Eine weitere Er-
digitale Kanäle zum Einsatz (Breunig/Handel/
kenntnis aus der Gesamtbetrachtung: PC profi-
Kessler 2020: 420-423; Domenichini 2020:
tieren ohne Frage von der fortschreitenden Digi-
56). Zum Bereich „Online-Audio“ zählen vor
talisierung des Audiomarktes. Ihre Entwicklung
allem Musikstreaming, Webradio (live) sowie
ist also eingebettet in einen größer angelegten
Audio-on- Demand, was neben Downloads
Online-Audio-Boom.
44
Die Podcast-Nutzung: Vom Nischenformat zum Massenmedium
Abbildung 7
Audionutzung im Internet (2017-2020)
Netto: Audio online
66 65
Radiosendungen/ Beiträge aus Radiosendungen auf Abruf im Internet hören
69
75
26 16 16 27
Podcasts hören
11
13
Musik über YouTube hören
48 48 49
Musik über Streamingdienste hören
41
31 30
Radioprogramme live über Internet
29 29
Webchannels von Radiosendern
52
35 37
20
17
25
Apps z. Hören von Audios, Podcasts, Radioprogrammen über das Internet
2020 2019 2018 2017
29
MusikErkennungsdienste
19 18
Hörbücher/Hörspiele im Internet
16 14 13
10
0
22 21
19
30
20
40
50
60
70
80
Prozent Quelle: Reichow/Schröter (2020: 503). Eigene Darstellung.
Abbildung 8
Anteil der deutschen Audio-Podcasthörer* ab 14 Jahren
30
Prozent
24 20
17 10
10 4
5
3
4
3
3
3
4
11
13
13
6
0 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Prozentzahl der Podcasthörer* ab 14 Jahren (Basiswert=deutsche Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren) Quellen: ARD/ZDF-Onlinestudien (2006-2018); Online Audio Monitor (2018-2020). Eigene Darstellung.
45
Den richtigen Ton treffen
Wie sieht nun die spezifische Entwicklung bei den Podcasts aus und welche Rückschlüsse lassen sich daraus für die soziale Relevanz von Podcasts ziehen?
Spätestens seit 2010 war die erste PC-Welle jedoch schon wieder vorüber. Zwischen 2014 und 2015 erfolgt ein starker Schub der Nutzer*schaft von sechs auf zehn
Betrachtet man zunächst die Angebotsseite,
Prozent der Bevölkerung. Zwar schwächt sich
verzeichnete Apple Podcasts im ersten Quartal
das Wachstum bis 2018 wieder deutlich ab, im
2021 mehr als zwei Millionen Podcasts. Aller-
Zeitraum 2018-2020 sind jedoch wieder größe-
dings wurden davon nur noch 720.000 aktiv be-
re Sprünge mit jährlichen Zuwachsraten von 29
trieben (Goldstein 2021; vgl. auch The Podcast
bzw. 45 Prozent zu verzeichnen. Im Jahr 2020
Host 2020). Konkurrent Spotify verzeichnete
hört ein knappes Viertel der Bevölkerung über
nach eigenen Angaben im Dezember 2020 in
14 Jahren mindestens einmal pro Monat einen
Summe 1,9 Millionen Podcasts (Spotify 2020b).
Podcast. Somit lässt sich seit 2018 tatsächlich
Bei der Plattform-unabhängigen PC-Suchma-
von einem Boom sprechen, der mit dem ange-
schine „Listen Notes“ wurden zum selben Zeit-
botsseitigen Wachstum korreliert. Allerdings
punkt mehr als 1,8 Millionen Podcasts geführt.
müssten auch noch in den kommenden Jah-
Auch für in Deutschland hochgeladene Pod
ren vergleichbar hohe Wachstumsraten erzielt
casts gibt es Anhaltspunkte. So ist das PC-An-
werden, damit man von einer Etablierung des
gebot von Spotify als marktführende Plattform
neuen Mediums Podcast im alltäglichen Regel-
von 2.000 im Jahr 2018 über 12.000 (2019) auf
betrieb der Bürger* sprechen könnte.
22.000 bis Mitte 2020 und auf 50.000 im ersten
Einschränkend kommt hinzu, dass die Zah-
Quartal 2021 angewachsen (Winterbauer 2020:
len auch nur gelegentliche Nutzer* inkludie-
Explodierendes
47; Krei 2021). Auf der Anbieterseite hat also
ren, die Podcasts beispielsweise nur einmal im
Podcast-Angebot
eine sehr starke Expansion stattgefunden, die
Monat hören. Aussagekräftiger ist deshalb das
sich vor allem im exponentiellen Wachstum der
Zahlenwerk der Intensivnutzer* (hier definiert
Anzahl verfügbarer Podcasts niedergeschlagen
als Nutzer*, die Podcasts mindestens einmal
hat (und, wie Kapitel 3.2 und 3.3 zeigen, von stei-
pro Woche hören). Die entsprechenden Zahlen
genden Werbeeinnahmen und dem Markteintritt
werden allerdings erst seit 2018 systematisch
diverser neuer Unternehmen geprägt ist).
im Online Audio Monitor erfasst, so dass sich
Zieht die „Nachfrage“ in Gestalt von Nut-
nur wenig über die Nachhaltigkeit erkennba-
zern* bzw. Kunden* mit diesem angebotssei-
rer Entwicklungen sagen lässt. Dennoch gibt
tigen Wachstum mit? Abbildung 8 zeigt den
es einige wichtige Indikatoren. Abbildung 9
Anteil an der in Deutschland lebenden Bevöl-
zeigt, dass der Anteil der Intensivnutzer* ge-
kerung (ab 14 Jahren), der mindestens einmal
genüber den gelegentlichen Nutzern* von 2018
Deutliche
im Monat einen Podcast hört. In den Jahren
bis 2020 von 40 auf 58 Prozent gestiegen ist.
Zunahme von
2006 und 2007 und noch einmal 2009 werden
Damit zeichnet sich eine Verlagerung hin zu ei-
Intensivnutzern*
Werte von vier bzw. fünf Prozent verzeichnet.
ner intensiveren Nutzung ab.
46
Die Podcast-Nutzung: Vom Nischenformat zum Massenmedium
Abbildung 9
Anteil der gelegentlichen und intensiven Nutzer* an allen Podcast-Hörern* in Deutschland 2018-2020 (in Prozent) 70 60
60
Prozent
50
40
40
58
52
48
42
30 20 10 0 2018
2019
2020
bis zu 3 Mal im Monat
wöchentlich/täglich
Quelle: Eigene Berechnungen nach Bayerische Landesmedienanstalt et. al. (2018: 12; 2019: 14; 2020: 14).
Abbildung 10
Podcast-Nutzung in Deutschland 2018-2020 nach Häufigkeit (Anteil an allen Podcast-Hörern* in Prozent) 30 24,4
25
Prozent
20
16,8 13,4
15
9,9
10 5
4,2 3,6 4
1,6
3,7 4,3
5,9 2,9
4,5
5,8
4,2
0 2018
2019
2020
mind. 1 Mal pro Monat
täglich/fast täglich
2 bis 3 Mal pro Monat
Nutzung gesamt
ein- bis mehrmals pro Woche Quelle: Bayerische Landesmedienanstalt et. al. (2018: 12; 2019: 14; 2020: 14). Eigene Darstellung.
47
Den richtigen Ton treffen
Und dennoch: Bei einer Heavy-User-Rate
auch bei Podcasts, nicht bedeuteten, dass sich
von 4,2 Prozent (Abbildung 10) kann im Ver-
alle Veränderungen der Mediennutzung allein
gleich zum täglichen Radiokonsum eines
oder fast ausschließlich mit den Einschränkun-
Großteils der Bevölkerung noch keineswegs
gen während der Covid-19-Zeit erklären ließen.
von einer vollständigen Etablierung die Rede
„Die Corona-Situation könnte sich als Inkubator
sein, eher von einem ergänzenden Angebot.
für den Digitalisierungsprozess in der Gesell-
Dies wird dadurch untermauert, dass vor allem
schaft erweisen“, hoffen sie (ähnlich beurteilen
die Zahl der wöchentlichen Nutzer* gewachsen
dies auch Deck/Meyer-Tippach, 2020: 45).
und mit knapp zehn Prozent mehr als doppelt so hoch ist wie die der täglichen Nutzer*. In der Mediennutzer*gruppe der 14- bis 29-Jährigen hört bereits ein Viertel wöchentlich Podcasts
4.4 Motive und Verhalten der Podcast-Nutzer*
(dazu ausführlich in Kap. 8.1). Ihr „Wochen-
Was charakterisiert die Menschen, die Pod-
wert“ bewegt sich auf dem Niveau der gele-
casts konsumieren? Aus welchen Schichten
gentlichen Hörer in der Gesamtbevölkerung.
und Milieus der Gesellschaft kommen sie,
Jüngere schalten
Bei den Jüngeren lässt sich schon eher davon
wann, wo und – nicht zuletzt – warum hören
regelmäßig ein
sprechen, dass PC Teil eines regelmäßig ge-
sie Podcasts? Aussagekräftige Daten zu den
nutzten Medienensembles geworden sind.
soziodemografischen Merkmalen der Nutzer*
Zudem muss bei der Interpretation der Zah-
vermittelt Abbildung 11.
len eine wichtige Einschränkung gemacht wer-
Es wird deutlich, dass es kein größeres
den: Spätestens seit März 2020 ist der Medien-
Ungleichgewicht der Geschlechter unter den
konsum in Deutschland Pandemie-bedingt deut-
Podcast-Nutzern* in Deutschland gibt: Zwar
lich angestiegen. Einerseits durch die damit ge-
hören mehr Männer als Frauen Podcasts, die
stiegene Nachfrage nach neuen Informationen
Differenz beträgt aber nur einige Prozentpunk-
über das Thema (vgl. Kapitel 4.2), andererseits
te. Hingegen stellen sich Podcasts als das „Me-
durch die zwangsweise gestiegene häusliche
dium der Jungen“ dar, insbesondere der unter
Sondereffekte
Präsenz, gerade auch bei Freizeitaktivitäten.
30-Jährigen, die fast die Hälfte der Podcast-
durch Corona-
Dieser „Corona-Effekt“ mag die Steigerungs
Hörer* stellen. Allerdings sind die Wachstums-
Pandemie
raten – auch bei den Podcasts – etwas abflachen
raten bei den über 50-Jährigen inzwischen fast
lassen, sobald sich das öffentliche Leben wieder
genauso hoch wie in der jungen Altersgruppe
weitgehend normalisiert hat. Nichtsdestotrotz
(Bayerische Landesanstalt für neue Medien et
ist zu erwarten, dass das Wachstum generell
al. 2020: 55). Ziemlich eindeutig ist das Ergeb-
weitergeht (vgl. auch die Daten bei Goldmedia
nis hingegen beim formalen Bildungsgrad: Wer
Formaler
2020: 6). So erwarten auch die ARD-Medienfor-
Abitur gemacht und ein Studium absolviert hat,
Bildungsgrad
scher Reichow/Schröter (2020: 513), dass die
ist deutlich PC-affiner als Personen mit einem
spielt eine Rolle
Digitalisierungsschübe gegenüber dem Vorjahr,
niedrigeren formalen Bildungsabschluss.
48
Die Podcast-Nutzung: Vom Nischenformat zum Massenmedium
Abbildung 11
Soziodemografische Merkmale von Podcast-Nutzern* in Deutschland im Jahr 2020 Geschlecht
Alter
50
46
46
40
Prozent
Formale Bildung
35
30
27
29
26
28 22
19
20
9
10
m
ni
ch ho
itt el
rig ed
hr e Ja
hr e
70 +
Ja -6 9
50
-4 9
Ja
Ja 30
-2 9 14
hr e
hr e
r M
än
ne
en Fr au
Ge sa m
t
0
Quellen: Eigene Darstellung nach Reichow/Schröter (2020: 504, Geschlecht und Alter, bezogen auf die deutsch sprachige Bevölkerung ab 14 Jahren); Bayerische Landesmedienanstalt et al. (2020: 52, Bildungsabschluss, bezogen auf die Zahl der Online-Audio-Nutzer*. Abweichungen von 100 % durch Rundungen und fehlende Angaben).
Abbildung 12
Nutzungssituationen für Podcasts (2020) in Ruhe zu Hause
55,2
bei der Hausarbeit (Kocken, Putzen etc.)
38,7
unterwegs in Bus oder Bahn
26,5
unterwegs im Auto
24,8
beim Einschlafen
24,2
beim zu Bett gehen
24,1
draußen/im Park/beim Spazieren
19,4
beim Aufstehen, im Bad oder beim Anziehen
16,3
zum Frühstücken
13,3
beim Sport
13,2 11,7
beim Mittag- oder Abendessen auf der Arbeit/in der Universität/Schule
10,1
unterwegs auf dem Fahrrad
9,3
Sonstiges
2,3 0
10
20
30
40
50
60
Prozent Quelle: Goldmedia (2020: 7). Mehrfachnennungen möglich. Eigene Darstellung.
49
Den richtigen Ton treffen
Eine repräsentative Podcasting-Studie von
Eine große Bedeutung hatte mit 79,5 Pro-
Goldmedia (2020) hat zudem ermittelt, bei
zent das Thema „Exklusivität“, also der
welchen Gelegenheiten Menschen Podcasts
Umstand, dass bestimmte Themen nur in
Viele wollen
hören. Abbildung 12 zeigt die vielseitigen Ein-
bestimmten Podcasts vorkommen (mög
Podcasts
satzmöglichkeiten. Über die Hälfte der Befrag-
licherweise geht es bei diesem Aspekt auch
in Ruhe hören
ten gab an, Podcasts „in Ruhe zu Hause“ zu
um die Perspektive auf das Thema).
hören, was auf eine bewusst-aktive Nutzung
Zentral jedoch war für mehr als vier Fünftel
hindeutet, die als Unterscheidungsmerkmal
(83,4 Prozent) der Podcast-Hörer*, dass in-
zwischen Podcast und klassischem Radio gese-
teressante Themen in detaillierter Tiefe und
hen werden kann (vgl. Kapitel 2.1). Allerdings
mit gebührender Ausführlichkeit behandelt
erfahren auch Nebenbei-Nutzungen wie Hören
werden.
von Podcasts „bei der Hausarbeit“ oder während der Fahrt mit Bus, Bahn oder Auto häufige
Dieser konstatierte hohe Anspruch an Tiefe
Nennungen.
und Ausführlichkeit korrespondiert auch mit
10
Insgesamt zeigt sich, dass sich PC-Nutzer*
Angaben, die Nutzer* in einer Umfrage von
in erster Linie auf ihren Podcast konzentrieren,
Gruner + Jahr (2019: 56) über die optimale Län-
den sie sich gerade anhören – selbst wenn
ge von Podcasts bereits Mitte 2019 gemacht
sie dabei gerade anderen Tätigkeiten nach-
haben.
gehen (Gruner + Jahr 2019: 54). In eine ganz
Demzufolge bevorzugen gerade einmal
ähnliche Richtung weisen die Resultate des
15 Prozent der Nutzer* eine PC-Länge von
Online Audio Monitors, in dem verschiedene
weniger als 10 Minuten. 44 Prozent präferie-
Nutzungsmotive bei den Hörern* abgefragt
ren eine Länge zwischen 11 und 30 Minuten,
wurden (Bayerische Landesmedienanstalt für
30 Prozent eine Länge zwischen einer halben
neue Medien et al. 2020: 66-69).
und einer ganzen Stunde. Gut zehn Prozent
Die Hauptergebnisse:
hören sogar gerne länger als eine Stunde zu
Moderator*
Die Medienmarke des Produzierenden,
(vgl. Abbildung 13). Offenbar wird das Zuhö-
wichtiger als
also die Herkunft des Podcasts, spielt mit
ren dadurch erleichtert, dass die Inhalte „ver-
Medienmarke
29,1 Prozent bei den PC-Nutzern* nur eine
ständlicher, praktischer, unterhaltsamer“ als
untergeordnete Rolle.
in anderen Medien präsentiert werden, wie
Rund 60 Prozent gaben an, ihnen sei die
rund die Hälfte der regelmäßigen PC-Hörer* in
Persönlichkeit des Hosts* sehr wichtig.
der Deutschland-Version des Reuters Digital
Dies war vor allem bei den jüngeren Befrag-
News Report angegeben hat (Hölig/Hasebrink
ten der Fall.
2020: 51).
10 Eine gewisse Verzerrung in der Erhebung mag durch den Einfluss der Corona-Pandemie entstanden sein. In den Umfrage-Monaten Juni/Juli 2020 waren aber viele Einschränkungen bei öffentlichen Aktivitäten vorübergehend gelockert bzw. aufgehoben.
50
Die Podcast-Nutzung: Vom Nischenformat zum Massenmedium
Abbildung 13
Optimale Länge eines Podcasts nach Ansicht deutscher Podcast-Hörer* über 60 Minuten unter 10 Minuten
11 % zwischen 41 und 60 Minuten
15 %
16 % 23 %
zwischen 11 und 20 Minuten
14 % zwischen 31 und 40 Minuten
21 % zwischen 21 und 30 Minuten
Frage: Was ist für Sie die optimale Länge eines Podcasts? Basis: Podcast-Hörer* (mind. mehrmals im Monat), n=261. Quelle: Gruner + Jahr (2019: 56). Eigene Darstellung.
4.5 Zwischenbilanz
steigerten Nachfrage wider. So lässt sich seit 2018 ein regelrechter Boom in Form mehrjähri-
Beim Podcasting hat es bislang zwei Wellen
ger hoher Zuwachsraten bei den Nutzer*zahlen
gegeben, bei denen die zweite eine deutlich
nachweisen. Dabei steigt jedoch vor allem die
größere Nachhaltigkeit verspricht. Bei der
wöchentliche Nutzung. Um von einer Etablie-
ersten „Experimentierwelle“ von 2004 bis ca.
rung in den alltäglichen Regelbetrieb reden zu
2008 wie bei der zweiten „Etablierungswelle“
können, muss die mehrmalige wöchentliche
Die „Etablierungs-
seit 2014/15 haben die USA die Standards ge-
oder gar tägliche Nutzung weitere Verbreitung
welle“ wirkt
setzt – in Hinblick auf die Popularisierung, Pro-
finden. Zudem ist eine gewisse Vorsicht bei
nachhaltig
fessionalisierung und Kommerzialisierung von
der Beurteilung geboten, weil die Corona-Pan-
Podcasts. Gerade die Vermarktung hält sich
demie eine gesellschaftliche Ausnahmesitua-
bislang aber in Grenzen, was auch an der Vor-
tion auch in Hinblick auf den Medienkonsum
reiterrolle des gemeinnützigen National Public
erzeugt hat.
Radio liegen mag.
Deutlich weniger durch die äußeren Um-
In Deutschland hat es einen ähnlichen Ver-
stände dürften die Motive der Medienkonsu-
lauf wie in den USA gegeben. Experimentier-
menten* für die Podcast-Nutzung beeinflusst
freudige Hobby-Podcaster* haben den Boden
sein. Hier zeigt sich anhand der Nutzungssitua-
bereitet, dann sind die öffentlich-rechtlichen
tionen wie auch der bevorzugten Podcast-Län-
Rundfunksender und einige klassische Medi-
ge, dass neben der Intimität der Hörsituation
en gefolgt. Inzwischen sind auch zahlreiche
und der Intensität thematischer Auseinander-
„freie Medienschaffende“, darunter nicht zu-
setzung auch ein gewisser geistiger Anspruch
letzt Comedians und Influencer*, mit eigenen
gefragt ist – gerade auch bei jüngeren Nut-
Podcasts vertreten. Die starke Erweiterung der
zern*, die die Vorhut der neuen Podcast-Kultur
Angebotspalette spiegelt sich auch in der ge-
bilden. 51
Den richtigen Ton treffen
5 Amateure*, Zivilgesellschaft, Politik und Unternehmen als Podcaster* Grimme Online
Die Entwicklung der deutschen Podcast-Kultur
Oft widmen sie sich dem Werk eines berühmten
Award als
mit Blick auf die PC-Produzierenden lässt sich
Denkers* – von Karl Marx bis Karl Popper. Es
medialer Leitstern
gut entlang des renommierten Grimme Online
werden aber auch Themen der Zeit diskutiert.
Awards ablesen. Dies gilt zumindest für infor-
Beispielsweise der Wandel der Privatsphäre im
mierende Formate und für Einzelpersonen. Bis-
Zeitalter der sozialen Medien, Geschlechterrol-
her haben vier Podcasts einen Grimme-Preis
len oder Rechtsextremismus.
erhalten: Die ersten beiden sind unabhängige
Dass das Duo Köbel-Breitenbach ein solch
Produktionen von Privatpersonen, also soge-
anspruchsvolles Projekt in Angriff nimmt und
nannten „Indies“. Bei der dritten Preisträgerin
dieses auch noch zum Erfolg führt, mag auf den
handelt es sich um eine Journalistin (die ihren
ersten Blick überraschen. Denn als die beiden
Podcast allerdings auch als „Indie“ produziert
Macher starten, ist es um das Thema Podcasts
hat). Der vierte Preisträger ist 2020 ein bun-
insgesamt wieder sehr ruhig geworden, die ers-
desweit bekannter Virologe, der seine Folgen
te große Welle ist vorbei (vgl. Kapitel 4.2). Ohne
unter dem Dach eines öffentlich-rechtlichen
Zweifel dürfte die Verleihung des Grimme Online
Senders erstellt. Über die Jahre lässt sich also
Award, dem wichtigsten Preis in Deutschland
eine gewisse Professionalisierung aufzeigen,
für innovative Medienformate, dem Soziopod
deren unterschiedliche Akteure* im vorliegen-
jedoch einen spürbaren Popularitätsschub ver-
den Kapitel analysiert werden. Denn neben
liehen haben. In der Jury-Begründung von 2013
Einzelpersonen (Kapitel 5.1) nutzen inzwischen
heißt es, dass die Macher trotz der anspruchs-
verschiedenste Teile der Gesellschaft Podcasts
vollen Themen „angenehm niedrigschwellig und
als Kommunikationskanal, beispielsweise
verständlich“ blieben (Grimme Institut 2013).
Nichtregierungsorganisationen und Politiker*
Dabei war und ist der Soziopod nicht ohne
(Kapitel 5.2), aber auch Unternehmen (Kapi-
Anspruch. Meistens erklären und erläutern die
tel 5.3), wodurch Journalismus dann meist zum
beiden Protagonisten, zuweilen diskutieren sie
PR-Instrument umfunktioniert wird.
aber auch mild kontrovers, was den Charme des Formats ausmacht. Mit ihrem Soziopod
5.1 Persönliches und wissenschaftliches Erkenntnisinteresse
52
haben die beiden Hobby-Philosophen vorexerziert, dass man nicht unbedingt wissenschaftlicher Experte* für ein Themengebiet sein
„Was passiert, wenn alle alles über alle wis-
muss, um sich öffentlich gehaltvoll darüber
sen?“, fragen der Erziehungswissenschaftler
zu äußern. Die Ausführlichkeit und inhaltliche
Nils Köbel und der Medienberater Patrick Brei-
Tiefe ihres „lockeren Zwiegesprächs“, so die
tenbach im Oktober 2011 in ihrer ersten Pod-
Selbstbeschreibung, haben einen Standard für
cast-Folge. Seitdem sind 59 weitere Episoden
die deutsche Podcast-Welt gesetzt. Und nicht
Hier geht’s
ihres Soziopod erschienen (Stand: Juni 2021),
zuletzt haben Köbel und Breitenbach mit ih-
zum Soziopod
in dem sich die beiden jeweils über ein Thema
rem Podcast bewiesen, dass sich vermeintlich
der Philosophie oder Soziologie austauschen.
sperrige Themen sehr anschaulich aufbereiten
Amateure*, Zivilgesellschaft, Politik und Unternehmen als Podcaster*
lassen – auch ohne den Charakter eines Doku-
Hörer* mit in die Gedankenwelt eines Jungen mit
dramas à la „ZDF History“ anzunehmen, wie
Asperger-Syndrom und stelle so „gesellschaft-
dies beim Fernsehen häufig der Fall ist.
liche Normen und Vorurteile auf sehr befrei-
In eine ähnliche und doch zugleich ganz an-
ende Art auf den Kopf“ (Grimme Institut 2017:
dere Richtung weist der zweite Preis, den das
16). Die Wochenendrebellen sind insofern als
Grimme-Institut an einen Podcast vergeben hat.
mustergültig zu betrachten, als sie ihr Projekt
Auch bei den Wochenendrebellen, prämiert im
mit einem Höchstmaß an Authentizität, mithin
Jahr 2017, sind keine Medienprofis am Werk. In
ohne jedwede Inszenierung umsetzen. Sie ste-
den Vordergrund rückt jedoch die persönliche
hen aber auch phänotypisch für eine bestimm-
Betroffenheit der Macher und damit eine stär-
te Form von Podcast, die vor allem Amateure*
Podcasts von
ker subjektiv geprägte Herangehensweise. In
produzieren und die durchaus weit verbreitet
Betroffenen
dem Projekt, das aus einem Textblog, vor allem
sind: Für Podcasts von Betroffenen und/oder
und Beteiligten
aber aus einem Podcast besteht, begibt sich
beteiligten Akteuren*, die genauso offen wie
ein Vater auf die Suche nach einem Fußball-
(meist) fachlich fundiert über ihre eigenen Er-
verein für seinen elfjährigen Sohn. Die Beson-
krankungen wie Epilepsie, Depressionen oder
derheit: Der Sohn hat das Asperger-Syndrom,
Drogensucht berichten (ein weiteres Beispiel ist
eine milde Form von Autismus. In den Episoden
der Podcast Chilliges Gelaber/Harte Zeiten) .
unterhalten sich Vater und Sohn über Themen
Der dritte Podcast, der einen Grimme On-
wie Freundschaft, Geschwisterliebe, das „As-
line Award erhält, ist 2019 Mensch Mutta. In
den Wochenend-
perger-Gehirn“ und Leben mit Behinderung in
sieben Folgen interviewte die Autorin Katha-
rebellen,
der heutigen Gesellschaft. Über die Jahre hat
rina Thoms ihre Mutter, die ihr halbes Leben
sich das Themenspektrum dabei deutlich er-
in der DDR verbracht hat und nun sehr offen-
weitert. Inzwischen werden auch die Corona-
herzig darüber Auskunft gibt. Die Grimme-Jury
Krise oder etwa die Präsidentschaftswahlen in
schreibt darüber: „Das Projekt nähert sich der
den USA ausführlich behandelt.
Zeit in der DDR auf eine ganz eigene Art und
… zu Chilliges
„Ganz besonders fiel in diesem Jahr auf, wie
Weise: Persönlich, für alle zugänglich und mit-
Gelaber/
Themen, die auf den ersten Blick eher kompli-
erlebbar, kritisch – ohne dass die eigene Fa-
Harte Zeiten
ziert oder fremd wirken, durch ihre Aufbereitung
milie vorgeführt wird.“ (Grimme Institut 2019)
interessant und erfahrbar werden. So zeigen die
Mensch Mutta stellt ein hervorragendes Bei-
Wochenendrebellen, wie man Außenstehende
spiel für „Oral History“ dar, also für eine münd-
leicht für das Thema Inklusion interessieren
lich von den Beteiligten überlieferte Geschich-
kann“, begründete die Jury des Grimme On-
te, die mitunter einen Gegenpol zur offiziellen
… und zu
line Award ihr Votum. Der Podcast nehme die
Geschichtsschreibung bilden kann .
Mensch Mutta
11
Hier geht’s zu
11 Geschichts-PC dieser und auch anderer Machart spielen eine durchaus wichtige Rolle im Podcast-Universum. Ein weiteres, relativ prominentes Beispiel hierfür ist der Podcast Geschichten aus der Geschichte, in welchem zwei ausgebildete Historiker, die aber nicht in ihrem Hauptberuf als solche arbeiten, einmal pro Woche ein geschichtliches Thema beleuchten.
53
Den richtigen Ton treffen
54
Als vierter ausgezeichneter Podcaster hat
ben, die den journalistischen Geboten der Sach-
2020 der Virologe Christian Drosten einen On-
lichkeit und Neutralität widerspräche. Oder zu-
line Award erhalten (vgl. Kapitel 4.2). Dass er
mindest keine Rücksicht auf redaktionelle Vor-
mit seinem Coronavirus-Update reüssierte,
gaben nehmen will und muss. Dies gilt vor allem
Hier geht’s
dürfte vor allem am großen Interesse einer
für kontroverse und öffentlich unterbelichtete
zur Kanacki-
breiten Öffentlichkeit gelegen haben, fundier-
Themen. So betreiben zwei Münchner Journa-
schen Welle
te Einschätzungen über die Covid-19-Pandemie
listen mit jeweils einem palästinensischen El-
zu erhalten. Gleichwohl betonte die Jury, der PC
ternteil die Kanackische Welle, „DER Podcast für
demonstriere, „dass auch ausführlicher Wis-
Identität im Einwanderungsland Deutschland.“
senschaftsjournalismus das Publikum fesseln
Malcolm Ohanwe und Marcel Aburakia sprechen
kann“ (Grimme Institut 2020).
hier über ernste Themen der Immigration und
Die vorgestellten Grimme Online Award
Integration – in einer leicht „überdrehten“ Ton-
Gewinner-Podcasts, vereinigen in ihrer Ge-
art, wie sie vor allem einem jüngeren Publikum
samtschau dabei einige typische Merkmale der
von Influencern* aus YouTube-Videos vertraut
Podcasts-Szene. Dass mit Mensch Mutta bei-
sein dürfte. Ein Podcast wie die Kanackische
spielsweise ein Podcast ausgezeichnet wird,
Welle steht dabei in doppelter Hinsicht für Viel-
der sowohl auf Seiten der Autorin als auch der
falt. Zum einen im Sinne von Diversität aufseiten
Hauptprotagonistin von zwei Frauen betrieben
der Podcast-Macher*. Zum anderen im Sinne ei-
wird, überrascht nicht. Die Medienforscherin
ner sehr weiten thematischen Spannbreite, die
Nele Heise belegt mit einer langen Aufzählung
auch viel Raum für Nischen und (vermeintlich)
von Namen und Tätigkeiten, wie stark gerade
abseitige Themen lässt.
Frauen
Frauen „vor und hinter dem Mikro“ der deut-
Ein letztes typisches Merkmal, welches
spielen eine
schen PC-Landschaft ihren Stempel aufgedrückt
durch den Podcast des Virologen Christian
wichtige Rolle
haben (Heise 2019). Zudem handelt es sich bei
Drosten auch im Kreis der Grimme Online
Mutta-Autorin Katharina Thoms um eine profes-
Award-Gewinnner* vertreten ist, ist die bereits
sionell ausgebildete Rundfunk-Journalistin aus
vor Corona vorhandene Auseinandersetzung
dem öffentlich-rechtlichen Bereich. Auch dies ist
mit naturwissenschaftlicher Forschung. Diese
ein typisches Phänomen der zeitgenössischen
erfolgt dabei teils journalistisch, teils streng
Podcasts: Journalisten* nutzen die recht einfa-
akademisch, aber mitunter auch spielerisch.
che Produktionsweise des PC, um sich gewis-
Eine Gruppe von Wissenschaftspodcastern*
sermaßen „nebenbei“ auf Themenfeldern des
hat 2016 die Website Wissenschaftspodcasts.
persönlichen Interesses oder der eigenen Be-
de veröffentlicht, auf der sie eine Vielzahl von
troffenheit zu bewegen, sowie in Formaten, die
Wissenschafts-PC aus verschiedensten, meist
sie im regulären Betrieb der etablierten Medien
naturwissenschaftlichen Disziplinen kuratie-
(wahrscheinlich) nicht platzieren könnten.
ren. Ein Blick in den digitalen Katalog der Web-
Des Weiteren werden diese Themen in einer
seite zeigt, dass nicht nur Privatpersonen, Pro-
oft subjektiv-wertenden Färbung wiedergege-
fessoren* und Unternehmen Wissenschafts-PC
Amateure*, Zivilgesellschaft, Politik und Unternehmen als Podcaster*
betreiben, sondern auch Forschungseinrich-
weiten, offiziellen Podcast. Im Fridays for
Zweischneidige
tungen (Max-Planck-Institute, Leibniz-Institu-
Future Podcast erklären sich die Hosts* und
Wissenschafts-
te etc.) und wissenschaftliche Gesellschaften
wechselnde Aktivisten* aus der Bewegung
Podcasts
(Akademien der Wissenschaften der Bundes-
gegenseitig aktuelle Ereignisse aus dem Um-
länder, Fraunhofer-Gesellschaft etc.). Der Wis-
schutz. In anderen Folgen welt- und Klima
senschaftspublizist Wolfgang Krischke artiku-
werden Gäste aus verwandten Gebieten (z. B.
liert in einem Artikel für die Frankfurter Allge-
Veganismus) interviewt. Aufgrund seiner
meine Zeitung allerdings eine gewisse Skepsis
authentisch-amateurhaften Machart mutet der
gegenüber Wissenschaftspodcasts, wenn er
weise wie „Schüler*radio“ Podcast strecken
über sie schreibt: „Sie demokratisieren die
an, er klingt aber auch erfrischend jugendlich
Wissenschaft, indem sie deren Inhalte leich-
und wartet immer wieder mit originellen, teils
ter zugänglich machen, aber die Anstrengung
spontan entwickelten Ideen auf.
des Verstehens nehmen sie niemandem ab.“
Damit bildet der FFF-Podcast einen star-
Krischke vermutet, dass diese Anstrengung von
ken Kontrast zum Podcast von Luisa Neubau-
exklusiv
den meisten Nutzern* möglicherweise nicht
er, der bekanntesten deutschen Aktivistin der
bei Spotify
unternommen werde, weil PC zumindest teil-
Bewegung. Der Neubauer-PC mit dem Namen
weise nebenher konsumiert werden (Krischke
1,5 Grad ist im Oktober 2020 gestartet und
2020). Die Ergebnisse von Kapitel 4.4 zeigen
wird mit Hilfe von Spotify produziert – und
jedoch, dass Podcasts häufig aktiv-bewusst an-
kann deshalb auch nur auf dieser Plattform
gehört werden. Zudem gibt es zwar ohne Frage
gestreamt werden. Der Neubauer-Podcast,
recht kurze Podcast-Reihen aus verschiedenen
der laut Pressemitteilung „Informationen und
wissenschaftlichen Disziplinen mit Episoden,
Lösungsansätze“ (Spotify 2020a) kombinie-
die nicht länger als zehn Minuten sind (z. B. die
ren will, wirkt produktionstechnisch hochgra-
Indie-PC 5MinutenClimateChance und Nuss-
dig professionell. Während des Intros und in
Hier geht’s
schale). Doch die Regel stellen ausführlichere,
den Schlussminuten werden Neubauers Aus-
zu Forschergeist,
durchaus in die Tiefe gehende Formate dar (z. B.
führungen mit einer rhythmischen Lounge-
Tim Pritloves Forschergeist oder Resonator von
Musik unterlegt. Analysiert man Tonalität und
der Helmholtz-Gemeinschaft).
Sprache der „Klimagerechtigkeitsaktivistin“
Luisa Neubauer
(Spotify) wirkt es fast so, als würde sie in ei-
5.2 Politische Ziele und Polit-PR „Listen to the science!“, forderte wiederholt
ner Gospelkirche predigen. In diesem Podcast
… zu Resonator
wird die reine Information zuweilen durch eine suggestive Gefühlskomponente verstärkt.
Greta Thunberg, die internationale Gallions
Neben sozialen Bewegungen betreiben
figur der Klimaschutz-Bewegung Fridays for
auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs)
Future (FFF). Die dezentrale, stark basisdemo-
Podcasts. Zu den größten und bekanntesten
… und zum Fridays
kratisch organisierte Bewegung betreibt seit
NGOs gehört sicher der WWF (World Wildlife
for Future Podcast
Anfang 2019 in Deutschland einen bundes
Fund), der sich für Natur- und Artenschutz ein55
Den richtigen Ton treffen
setzt. Der WWF Deutschland hat im April 2020
tierte Kommunikation über soziale Medien wie
seinen Podcast ÜberLeben gestartet. Ebenfalls
Twitter und gehen für längere Diskussion lieber
2020 hat die Organisation Ärzte ohne Grenzen
als Gast in eine der großen TV-Talkshows. Lühr-
ihren PC Notaufnahme begonnen, wie Über-
mann bezieht ihre Aussage allerdings auf den
Hier geht’s zu
Leben auch ein regelmäßiges Talk-Format. Die
Zeitraum 2017/18. Seitdem nutzen immerhin
ÜberLeben,
deutsche Abteilung der Umweltschutzorganisa-
einige Politiker* und politische Institutionen
tion Greenpeace nutzt Podcasts hingegen staf-
das Medium mehr als damals.
… zu Notaufnahme,
felweise. So im Jahr 2018 und so auch 2020/21,
Vorangegangen ist hier Bundeskanzlerin
als Greenpeace anlässlich seines 40-jährigen
Angela Merkel, als sie bereits Mitte 2006 ei-
Bestehens eine fünfzehnteilige PC-Serie mit
nen „Video-Podcast“ (Vodcast) einführte. Seit
dem Titel Jetzt erst recht! aufgelegt hat.
2007 veröffentlicht sie diesen mit Bundes
NGOs und Aktivisten* nutzen PC vor allem
kanzlerin Merkel aktuell aber auch in einer
dazu, um ihre „Botschaften“ möglichst unge-
Audio-Variante. Das Format weist allerdings
filtert in die Öffentlichkeit zu tragen. Podcasts
den eher PC-untypischen Charakter einer An-
nehmen hier also den Charakter von Polit-PR
sprache auf.
an. Eine stichprobenartige Recherche hat aller-
Die Bundesregierung betreibt mittlerweile
… zu
dings ergeben, dass nicht alle, zumal nicht alle
zwei PC, in denen Bundesminister* und poli-
Jetzt erst recht!,
größeren NGOs in Deutschland mit PC arbeiten.
tische Beamte* aus der zweiten Reihe zu Wort
Foodwatch oder auch die Deutschland-Sektion
kommen. Seit November 2020 ist auch Bun-
von Amnesty International sind hier beispiels-
desarbeitsminister Hubertus Heil mit seinem
weise noch nicht aktiv geworden. Dies dürfte
Arbeitsgespräch unter die Podcaster gegangen.
unter anderem eine Folge knapper Ressourcen
SPD-Parteifreundin und Bundesumweltministe-
… zu
sein. Denn PC sind zwar mit relativ geringem
rin Svenja Schulze hat mit ihrem Podcast Wir
Bundeskanzlerin
Aufwand zu produzieren, setzen aber auch eine
schafft Wunder schon eine gesamte Staffel ver-
Merkel aktuell,
gewisse Moderationserfahrung voraus und das
öffentlicht. Im März 2021 hat auch Dorothee Bär,
regelmäßige Organisieren von Interviewpart-
cast Staatsministerin für Digitales, ihren Pod
nern*. Nicht zu vergessen ist dabei, dass NGOs
Wandern durchs DigiTal gestartet. Darin inter-
vor allem in Gestalt themenbezogener Kampa-
viewt die CSU-Politikerin, die ihrem PC den Slo
gnen arbeiten. Folglich wären für NGOs und
gan „Bär on Air“ voranstellt, Experten* aus dem
Aktivisten* eher PC-Staffeln als Mittel der Wahl
weiten Feld der Digitalisierung, dabei eher Für-
naheliegend.
sprecher* als Kritiker* der Politik der Ministerin.
… zum Arbeitsgespräch
„Mit Blick auf die Parteien und Politike-
Die Bundestagsfraktionen der Parteien
rInnen wird relativ schnell ersichtlich, dass
sind (noch) nicht aktiv – mit einer Ausnahme.
das Medium Podcast zu keinem bevorzugten
Die AfD-Bundestagsfraktion sendet mit 7 Tage
Kommunikationskanal avanciert ist“, schreibt
Deutschland einen „Wochendpodcast“, der ak-
… und zu Wandern
Katharina Lührmann (2019: 39). Offensichtlich
tuelle Geschehnisse aus Sicht der Rechtspopu-
durchs DigiTal
bevorzugen vor allem Berufspolitiker* die poin-
listen* zusammenfasst.
56
Amateure*, Zivilgesellschaft, Politik und Unternehmen als Podcaster*
Auch die Parteivorsitzenden legen Zurück-
verbinden. Diese haben es jedoch strukturell
haltung an den Tag. Eine Ausnahme bildet der
sehr schwer, sich auf dem sehr vielfältigen
FDP-Vorsitzende Christian Lindner, der das
Markt durchzusetzen und sind dabei meist
Medium geschickt als Plattform für „Persona-
nicht sonderlich erfolgreich (eine seltene Aus-
lity PR“ nutzt: Zu seinem Podcast 1 Thema,
nahme bildet der OMR Podcast der Hamburger
Hier geht’s zu
2 Farben lädt er Prominente aus verschie-
Digitalagentur „Online Marketing Rockstars“).
1 Thema, 2 Farben
denen Bereichen der Gesellschaft ein. Dazu
Bei einem Corporate Podcast fungiert ein Unter-
gehören Journalisten* wie Deniz Yücel, Poli-
nehmen als Produzent, der PC läuft offiziell und
tiker* wie der SPD-Parteivorsitzende Norbert
deutlich erkennbar unter dem Banner dieses
Walter-Borjans oder Manager* wie Daimler-
Unternehmens. Es handelt sich also nicht um
Chef Ola Källenius. Laut Eigenbeschreibung
gesponserte oder „unterstützte“ PC. Corporate
beleuchtet der Podcast „ein Thema aus zwei
Podcasts sind Teil der Unternehmenskommu-
Richtungen“. Was das genau heißen soll,
nikation und damit von ihrer Stoßrichtung her
bleibt unklar. Wahrscheinlich geht es aber um
immer interessengeleitet. Deshalb müssen sie
FDP-Chef Lindner
die Rollen, die Lindner bei seinen PC einneh-
zunächst eine „Glaubwürdigkeitshürde“ beim
mit Doppelrolle
men will, denn das Ganze sei eine „Mischung
Publikum überwinden.
aus Gesprächs- und Interviewpodcast“. Im
Um diesen Sprung zu schaffen, setzen
Wesentlichen ist Lindner Moderator und stellt
viele Unternehmen Podcasts als Instrument
Fragen wie in einem Interview, doch immer
des Content Marketing ein. Content Marketing
wieder bringt er auch seine eigene Meinung
wird gemeinhin als „Werbung mit redaktionel-
ein und diskutiert mit seinem Gast. Der Ton
len Mitteln“ verstanden, bei der Unternehmen
von 1 Thema, 2 Farben ist ernsthaft-seriös.
weniger über ihre Produkte selbst kommuni-
Am Anfang werden jeweils mit Musik unter-
zieren, sondern sich in verwandten Themen-
legte Best-of-Statements eingespielt. Die
feldern bewegen (vgl. Frühbrodt 2016). So
Politiker*-Podcasts haben bisher keine über-
berichtet der OMR Podcast in aller Regel nicht
OMR-Podcast
durchschnittliche Popularität erlangen kön-
über die eigenen Projekte der Agentur, son-
mit „Machern
nen, zumindest keine Spitzenplätze in den
dern pflegt vor allem das lockere Gespräch mit
und Könnern“
Charts von Spotify und Apple Podcasts.
„Machern, Könnern und guten Freunden“, wie es in den Shownotes heißt. Dazu gehörten bis-
5.3 Kommerzielle Interessen
her so unterschiedliche Personen wie Mathias Döpfner, Kai Pflaume und Richard David Precht
Neben informierenden Podcasts mit persön
sowie verschiedene Gründer* von Jungunter-
lichem oder wissenschaftlichem Erkenntnis
nehmen.
interesse als Ziel und solchen, die politische
In einer Studie des Audio-Dienstleisters
Ziele verfolgen, gibt es auch Unternehmens-
Podcast360 vom Februar 2021 gaben neun von
Podcasts („Corporate Podcasts“), die Informa-
zehn der befragten Unternehmen an, dass sie
tion mit Eigenwerbung und Markenenpflege
mit Hilfe von Podcasts ihr öffentliches Image 57
Den richtigen Ton treffen
Professionell
verbessern wollen12 (Podcast360 2021: 16).
tig sein. Bei den untersuchten Podcasts der
produzierte
„Viele Unternehmen haben inzwischen verstan-
DAX-30-Unternehmen fällt auf, dass sie in ers-
Fachgespräche
den, dass Podcasting ein neues und wichtiges
ter Linie informierenden Charakter haben. Im
Instrument im Kommunikationsmix ihrer pro-
Vordergrund steht das sachliche, moderierte
fessionellen Außendarstellung ist“, sagt Martin
Gespräch mit ein bis zwei Experten* zum jewei-
Liss, Geschäftsführer von Podcast360 (Inter-
ligen Thema. Die Studiogäste kommen nicht im-
view Liss 2021; vgl. Kapitel 3.2). Viele befinden
mer aus dem eigenen Haus, mindestens genau-
sich aber auch noch in der Experimentierphase.
so stark vertreten sind externe Gäste aus Politik,
Eine Untersuchung der Autoren* dieser
Wirtschaft und Gesellschaft. Häufig sind auch
Studie von Unternehmen des Deutschen
wissenschaftliche Experten* von Hochschulen,
Aktienindex (DAX) in der ersten September
Forschungseinrichtungen und Think Tanks ge-
Hälfte der
hälfte 2020 zeigt, dass 15 der 30 größten
fragt. Die PC sind fast durchweg hochwertig
DAX-Unternehmen
notierten Unternehmen Deutschlands börsen
produziert – in hervorragender Tonqualität,
dabei
einen oder mehrere eigene Podcasts betreiben.
versehen mit Radio-Elementen wie Jingles und
Die andere Hälfte der Konzerne hat jedoch kei-
Hintergrundmusik sowie mit professionell und
nen PC oder hat einschlägige Aktivitäten wie-
journalistisch agierenden Moderatoren*.
der eingestellt. So zum Beispiel der Sportar-
Federführend unter den DAX-Konzernen
tikelhersteller Adidas, dessen Fitness-PC Run
ist die Deutsche Telekom mit elf Podcasts,
tastic zwischen Juli und Oktober 2019 lief. Auch
gefolgt von Siemens (neun) und Volkswagen
von den 15 „PC-aktiven“ DAX-Konzernen haben
(acht), wobei bei VW vor allem die einzel-
viele einzelne Podcasts wieder gestoppt, teil-
nen Konzernmarken aktiv sind, allen voran
weise allerdings auch, weil es sich um themen-
Porsche mit allein drei PC. Während auch die
bezogene Staffeln handelte. Großes Durch-
anderen DAX-notierten Autohersteller BMW
haltevermögen zeigt besonders die BASF: Ihr
und Daimler recht umtriebig sind, haben die
Chemie Reporter ist bereits seit 2009 mit über
großen Konsumgüter-Konzerne Beiersdorf
100 Folgen auf Sendung. Parallel zu den großen
und Henkel überraschenderweise keine PC in
Politik spielt
Podcast-Wellen haben einige Großunterneh-
ihrem Kommunikations-Portfolio. Explizit ge-
nur eine
men wie beispielsweise Mercedes-Benz ihre
sellschaftspolitischen Charakter haben nur
Nebenrolle
ersten Aktivitäten bereits 2006/07 gestartet,
wenige Corporate Podcasts, darunter Digi
ein paar Jahre danach wieder eingestellt, um
tale Zivilcourage. Aktiv werden und Position
mit der zweiten Welle ab 2017 neue Podcasts
beziehen gegen Hass im Netz der Deutschen
zu produzieren (Hammerschmidt 2020: 22-23).
Telekom. Das Projekt ist nur auf der Webseite
Content Marketing kann informierend,
des Bonner Konzerns abrufbar. In einigen Fäl-
unterhaltend, beratend oder alles gleichzei-
len haben die PC einen wirtschaftspolitischen
12 Die Studie ist nicht repräsentativ, sondern eher eine Stichprobe. Befragt wurden von Oktober bis Dezember 2020 20 Entscheider* aus Markenunternehmen und der öffentlichen Hand, die bereits Podcasts einsetzen.
58
Amateure*, Zivilgesellschaft, Politik und Unternehmen als Podcaster*
Einschlag wie etwa bei Podzept, dem PC der
Es ist zudem die Hauptstadt des Freistaats
Research-Abteilung der Deutschen Bank (DB).
Sachsen, weshalb Verwaltungs-, Bildungs-
Hier spricht ein Moderator aus der DB-Unter
und Wissenschaftsinstitutionen eine wichti-
nehmenskommunikation
Mitgliedern
ge Rolle im Stadtleben spielen dürften. Und
aus der DB-Research-Abteilung über aktuelle
schließlich ist Dresden auch für seine ver-
volkswirtschaftliche Themen, zum Beispiel
gleichsweise große politische Polarisierung
über die wachsende Bedeutung des Home
bekannt – von der rechten Pegida-Bewegung
office in der Arbeitswelt oder die Rolle von
bis zum grünen Alternativmilieu. In einer
Wasserstoff für die Energieproduktion.
Spotify-Suche (23.11.2020) nach Podcasts
mit
In vielen Fällen stammen die Themen aus
aus und über Dresden wurden 48 Treffer
den Bereichen Innovation und Nachhaltigkeit.
ermittelt. Eine Parallelsuche bei der inter-
So betreibt die Truck-Sparte von Daimler den
nationalen PC-Suchmaschine „Listen Notes“
PC Transportation Matters, bei dem durchaus
ergab ein weitgehend identisches Ergebnis.
kontrovers über die Zukunft des Gütertrans-
Genau ein Drittel (16) der ermittelten PC
ports diskutiert wird. Es handelt sich um einen
hatten seit mindestens einem halben Jahr
der wenigen PC, bei denen ein Topmanager*
keine Folgen mehr veröffentlicht, sodass sie
als Gastgeber* und Moderator* fungiert. Martin
als eingestellt klassifiziert und damit nicht
Daum, Chef der Truck-Sparte und Vorstandsmit-
berücksichtigt wurden. Auffällig ist hierbei,
glied der Daimler AG, pflegt mit hochrangigen
dass vorrangig Einzelpersonen ihre PC nicht
Einzelpersonen
Gästen – teilweise selbst Top-Manager* – in
weitergeführt haben. Aufgeschlüsselt nach
stellen
Form und Stil ein Gespräch, bei dem Zahlen und
ihren Produzenten* verteilen sich die ver-
Podcasts ein
Argumente im Vordergrund stehen. Einige PC
bleibenden 32 Podcasts wie folgt:
weisen auflockernde, spielerische Elemente auf
drei öffentliche Einrichtungen (zwei Mal
wie zum Beispiel das Beenden eines Moderato-
Stadtmarketing, Deutsches Hygienemu
ren*-Satzes durch den Gast. Die große Mehrheit
seum)
hat jedoch einen betont sachlichen Charakter.
neun Hochschulen, mit einer deutlichen Dominanz verschiedener Studiengänge der TU Dresden
Fallbeispiel: Die Podcastlandschaft
Dresden
vier klassische Medien (Sächsische Zeitung, MDR, Deutschlandfunk Kultur, Stadtmagazin)
Ein Blick in die Praxis verdeutlicht die Be-
zwei Autorinnen von Sendereihen (über
deutung der vorgestellten Merkmale. Aus-
Dynamo Dresden und die Roma-Minderheit
gewählt wurde dafür Dresden: Es handelt
in Dresden) eines freien Radios
sich um eine attraktive Großstadt mit histo-
drei Kirchengemeinden
rischem Flair, sodass von einem vielfältigen
zwei gemeinnützige Organisationen (Malte-
urbanen Leben ausgegangen werden kann.
ser, Rotarier) 59
Den richtigen Ton treffen
zwei Unternehmen (eine Unternehmens beratung, ein Tattoo-Studio)
Tendenz zu
zwei Sportclubs bzw. -veranstalter (Hand-
institutioneller
ball, Wrestling)
Anbindung
wenn man die Dresden-Stichprobe als nicht repräsentativ werten will, so ist sie doch ein Fingerzeig für eine Tendenz: Selbst viele Einzelpersonen, die regelmäßig Podcasts produzieren, haben eine institutionelle Anbindung.
Darüber hinaus betreiben sechs „unabhän-
Unter den Institutionen nutzen vor allem Bil-
gige“ Einzelpersonen bzw. Duos Podcasts,
dungs- und Forschungseinrichtungen Pod-
beispielsweise:
casts, weshalb auch Wissenschaftler* gerne
Journalisten*
Hinternhof – der Podcast mit Arsch und
auf das Medium zurückgreifen. In den vergan-
und Forscher*
Hirn!: Ein schwules Paar redet über Homo-
genen Jahren haben zunehmend Journalisten*
sexualität im Dresdner Alltag.
das Medium für sich entdeckt. Oft nutzen sie
sehr aktiv
Der HedoChrist: Ein freier, jüngerer Künst-
es, um über Themen eigener Wahl zu spre-
ler mit Rasta-Zöpfen beschäftigt sich damit,
chen – befreit von redaktionellen Vorgaben
wie er und andere Christen in der säkularen
und ohne ein Blatt vor den Mund nehmen zu
Jugendkultur zurechtkommen.
müssen. Das Vordringen der Journalisten*
Connected and Free: Eine junge Dresdnerin redet über „Verbindung – in unterschied
steht symbolisch für die Professionalisierung des Podcastings.
lichen Facetten“. Es geht um Gemeinschaft
NGOs und Politiker* sind mit dem Einsatz
und Achtsamkeit, um Yoga und Meditation.
von Podcasts bisher noch etwas zurückhaltender, Aktivisten* sozialer Bewegungen nutzen
Im Ergebnis zeigt sich, dass sich die PC-
sie hingegen öfter. Auch Unternehmen schei-
Aktivitäten über das breite Spektrum der
nen meist noch zu experimentieren. Aller-
Zivilgesellschaft verteilen. Politik im enge-
dings wagen sich vor allem Großunternehmen,
ren Sinne und das Thema „Migration“ kom-
teilweise mit gleich mehreren Corporate Pod-
men allerdings nicht vor. Hervorstechend
casts, zunehmend ins Feld. Meist integrieren
ist zudem, dass Bildungs- und Forschungs-
die Konzerne dabei ihre eher informierenden
einrichtungen eine führende Rolle spielen.
als unterhaltenden Formate in ihre jeweilige Content-Marketing-Strategie. Nicht nur das Engagement von Unternehmen verdeutlicht,
5.4 Zwischenbilanz
60
dass es für die Nutzer* schwieriger wird, zwischen genuinem Journalismus auf der einen
Was lässt sich festhalten? Auf dem Feld unab-
und Öffentlichkeitsarbeit sowie reiner Kom-
hängig produzierender Einzelpersonen, den
mentierung/Meinungsäußerung auf der ande-
Indies, sind reine Amateure* zwar deutlich
ren Seite zu unterscheiden. Auch Journalisten*
Journalismus
hörbar präsent, sie besetzen aber vor allem
agieren in ihren privaten Podcasts oft sehr
wird entgrenzt
Nischenthemen, die in etablierten Medien
meinungsbetont und tragen zum Verwischen
nicht ausreichend zum Zuge kommen. Selbst
dieser Grenze bei.
Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio
6 Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio Musik, zuweilen auch sehr viel Musik und dazu
Herausforderung stellt der Wandel vom linea
das gesprochene Wort, das politische Informa-
ren Radio zu Audio on Demand für die klas-
tionen transportiert oder eher unterhaltenden
sischen Rundfunkanbieter allemal dar. Vor al-
Charakter hat. Das ist Radio. Dies ist mittlerweile
lem die Audio-Streamingdienste wie Spotify,
aber auch das, was die Audio-Streamingdienste
Apple Music, YouTube und andere drängen die
im Angebot führen. Songs und Podcasts, teil-
Radiobetreiber in die Defensive. Warum, liegt
weise auch schon miteinander kombiniert und
auf der Hand: Die Streamingdienste bieten zum
konsumfertig für die Nutzer* aufbereitet. Bis-
einen Musik in freier Auswahl an, jederzeit ab-
her nutzt nur eine Minderheit solche Angebote,
rufbar, arrangierbar in Playlists nach dem per-
doch bahnt sich allein durch ihre Existenz eine
sönlichen Geschmack. Kein Empfänger* muss
systemische Konkurrenzsituation zwischen
mehr das hören, was er vom Sender vorgesetzt
Systemkonkurrenz
den klassischen Rundfunkanbietern und den
bekommt. Dass damit Überraschungsmomen-
zwischen
Streamingdiensten an, die sich jetzt schon in
te ausbleiben, scheint die Nutzer* wenig zu
Podcasting
den Nutzungsmotiven und in den Bewertungen
stören. Zum anderen ergänzen die Streaming-
und Hörfunk?
des Publikums widerspiegelt (Kapitel 6.1). Wie
dienste ihr Angebot mit Podcasts in einer Zahl
reagieren die öffentlich-rechtlichen Rundfunk-
und in einer thematischen Breite, mit der die
anstalten auf die neue Herausforderung? Zum
Radiosender oft nicht mithalten können. Dies
einen mit der eigenen Plattform ARD Audio-
bleibt auch bei der Nutzung und den Nutzern*
thek, zum anderen mit eigenen Podcasts wie
nicht ohne Spuren.
mal angenommen, der als Fallbeispiel exem
Eine repräsentative Umfrage im Rahmen der
plarisch analysiert wird (Kapitel 6.2). Beson-
ARD/ZDF-Langzeitstudie von Anfang 2020 mit
ders bedrohlich erscheint die Situation für die
über 3.000 Teilnehmern* gibt Aufschluss über
privaten Rundfunkbetreiber. Viele Sender sind
die gegenwärtige Gemengelage. Abbildung 14
„Dudelwellen“, Wortbeiträge kommen hier
zeigt die Nutzungsmotive für die verschiedenen
meist zu kurz. Wie gehen sie mit dem Trend zum
Audioangebote quer durch alle Bevölkerungs-
„Ausführlichkeits-Medium“ Podcast um? Einer
gruppen. Es wird deutlich, dass die Nutzer*
der größten Betreiber, die RTL-Gruppe, hat mit
das lineare Radio – öffentlich-rechtliches wie
Audio Now eine eigene Streaming-Plattform ins
privates – vornehmlich einschalten, um unter
Leben gerufen (Kapitel 6.3). Handelt es sich um
halten zu werden und um sich zu informieren.
die Blaupause für ein neues Geschäftsmodell
Während hier Zustimmungswerte von über
kommerzieller Audio-Dienstleister?
80 Prozent („trifft voll und ganz/weitgehend
6.1 Die neuen Herausforderungen für die Radioanbieter
zu“) erreicht werden, rutschen die Radiosender
Radio: Nutzer*
in den Kategorien „Entspannung“ und „Selber
vermissen „Selbst-
bestimmen können, was wann genutzt wird“
bestimmung“
demgegenüber um rund 20 Prozentpunkte ab.
Einmalige Chance, existenzielle Bedrohung
Die Audio-Streamingdienste schwächeln
oder „irgendwas“ dazwischen? Eine enorme
indes bei der Information, vermutlich weil sie 61
Den richtigen Ton treffen
in der Befragung vorrangig als Musikanbieter
für Information und dabei für ein individuell
abgefragt oder wahrgenommen worden sind,
zusammengestelltes Programm. Zusammen-
ohne die dazugehörigen PC. Die Werte korrelie-
fassend lässt sich konstatieren, dass das Radio
Populäre
ren mit dem Anteil derjenigen Nutzer*, die auf
auf dem Feld der Unterhaltung primär durch
Streamingdienste
der führenden Plattform Spotify neben Musik
die (Musik)-Streamingdienste unter Druck ge-
auch Podcasts ansteuern (vgl. Kapitel 3.2). Bei
rät, während es auf dem Feld der Information
den drei anderen Kategorien Spaß, Entspan-
durch Audio on Demand inklusive Podcasts at-
nung und Selbstbestimmung erzielen sie je-
tackiert wird.
doch mit 85 bis 93 Prozent die höchsten Werte
Grenzt man die Medienkonsumenten*
von allen drei Audiovarianten. Das dritte Ange-
auf die Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen
bot, „Audio on Demand“, umfasst Radiosen-
ein, so entsteht ein noch schärferes Bild (Ab-
dungen und -beiträge, die im Internet abgeru-
bildung 15). Einerseits in Hinblick auf den ge-
fen werden können, also auch Podcasts. Die
ringen Spielraum der Selbstbestimmung, den
Umfrage zeigt, dass diese Formate in erster Li-
das Radio den Jüngeren zu lassen scheint.
nie nicht für Spaß und/oder Entspannung ste-
Aber auch bei den eigentlichen Stärken des
hen, sondern in direkter Konkurrenz zum Radio
klassischen Rundfunks – Spaß und Informa-
Abbildung 14
Nutzungsmotive für Audioangebote nach Anbieter in der Gesamtbevölkerung (2020, in Prozent)
100
80
93
92
82
85
81 65
Prozent
77
73 62
60
57
59
24,4
40 27 20
0 Spaß Radio
Information
Entspannung
Musik-Streamingdienste
„Selbstbestimmung“
Audio on Demand
Quelle: Breunig/Handel/Kessler (2020: 606). Eigene Darstellung.
62
Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio
tion – schneidet das Radio noch einmal um
Gesamtbevölkerung als auch die Alterskohorte
Öffentlich-
rund zehn Prozentpunkte schlechter ab als im
der 14- bis 29-Jährigen den öffentlich-recht
Rechtliche für
Durchschnitt der Bevölkerung. Mit Ausnahme
lichen Sendern insgesamt die besten Leistun-
Nutzer* relevant
der Information punkten die Streamingdiens-
gen bei der journalistischen Glaubwürdigkeit,
te bei den Jüngeren noch stärker als bei der
der politischen und wirtschaftlichen Unabhän-
Gesamtbevölkerung, während die Werte für
gigkeit sowie bei der gesellschaftlichen Rele-
Audio on Demand (inklusive Podcasts) weit-
vanz bescheinigt. Die Werte pendeln zwischen
gehend deckungsgleich mit den Radio-Werten
53 % und 84 %. Die privaten Radiosender er-
sind. Das Radio ist bei den Jüngeren auf seinen
zielen bei diesen Kriterien deutlich schlechte-
Kerngebieten Spaß und Information also noch
re Werte als die öffentlich-rechtlichen. In der
stärker unter Druck.
Kategorie „kompetent gemachte Inhalte“ wer-
Die starke Stellung der Musik-Streaming-
den sie von den Jüngeren mit 71 % („trifft voll
dienste und des Audio-on-Demand-Angebots
und ganz/weitgehend zu“) sehr gut bewertet,
hat spürbare Auswirkungen darauf, wie die Me-
liegen aber immer noch 14 Prozentpunkte hin-
diennutzer* die Leistungen der einzelnen Ange-
ter den Öffentlich-Rechtlichen (Breunig/Han-
bote bewerten. Hier zeigt sich, dass sowohl die
del/Kessler 2020: 612-614).
Abbildung 15
Nutzungsmotive für Audioangebote nach Anbieter in der Altersgruppe 14-29 Jahre (2020, in Prozent) 100
Prozent
80
96
72
71
94
92
72
70
65
57
60
24,4
61
40 24
23
20
0 Spaß Radio
Information
Entspannung
Musik-Streamingdienste
„Selbstbestimmung“
Audio on Demand
Quelle: Breunig/Handel/Kessler (2020: 606). Eigene Darstellung.
63
Den richtigen Ton treffen
Abbildung 16
Leistungsbewertungen von Audioangeboten nach Anbieter in der Gesamtbevölkerung (2020, in Prozent) trifft persönlichen Geschmack
84
46
persönlich relevante Inhalte
66 Musik-Streamingdienste Privat-Radio öff.-rechtl. Radio
71
42
71
92
71
Unterhaltungswert 0
20
80
60
40
79
100
Prozent Quelle: Breunig/Handel/Kessler (2020: 613). Eigene Darstellung.
Abbildung 17
Leistungsbewertungen von Audioangeboten nach Anbieter in der Altersgruppe 14-29 Jahre (2020, in Prozent) trifft persönlichen Geschmack
94
54 52
persönlich relevante Inhalte
80
49
62
Unterhaltungswert
72
0
20
60
40
Musik-Streamingdienste Privat-Radio öff.-rechtl. Radio
79
80
96
100
Prozent Quelle: Breunig/Handel/Kessler (2020: 613). Eigene Darstellung.
64
Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio
Abbildung 16 vergleicht die Leistungs bewertungen anhand der Kategorien Unter-
6.2 Eine effektive Strategie? Die ARD und ihre Audiothek
haltungswert, persönlich relevante Inhalte und persönlicher Geschmack. Im Durchschnitt
Wie wird die ARD im Jahr 2030 aussehen? In
der Gesamtbevölkerung rangieren die Musik-
einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allge-
Streamingdienste in allen Kategorien vorne,
meine Zeitung hat der amtierende ARD-Vorsit-
das öffentlich-rechtliche Radio kommt auf Platz
zende Tom Buhrow im März 2021 seine Vision
zwei. Das Privatradio kann nur bei der Unter-
skizziert. Seine Kernaussage: Die bestehende
haltsamkeit hohe Werte erzielen.
Infrastruktur, die auf eine lineare Nutzung von
Synchron zu den Nutzungsmotiven fällt
Medieninhalten ausgerichtet ist, wird im Laufe
auch bei den Leistungsbewertungen der
des Jahrzehnts auf ein Minimum schrumpfen.
Medienanbieter das Urteil der 14- bis 29-Jäh-
Sie wird ersetzt durch ein „non-lineares Con-
ARD soll „Content-
rigen noch drastischer aus (Abbildung 17).
tent-Netzwerk“. Für den Rundfunk bedeutet
Netzwerk“ werden
Die Musik-Streamingdienste erreichen durch
dies: Es würden dann nicht mehr Dutzende
gehend Höchstwerte. Die öffentlich-rechtlichen
regionaler Hörfunkwellen unterhalten werden,
Sender werden schlechter als im Durchschnitt
vielmehr sei Audio on Demand das Mittel der
der Bevölkerung bewertet, vor allem wenn
Wahl (Buhrow 2021). Obwohl sich Buhrow in
es um Geschmacksfragen geht. Die privaten
seinem Essay nicht speziell über Podcasts aus-
Radio-Anbieter kommen etwas besser weg als
lässt, ist doch klar, dass auch sie in einem Con-
in der Gesamtbevölkerung, der Abstand zu den
tent-Netzwerk ohne lineare Programme eine
Streamingdiensten bleibt jedoch – mit Ausnah-
wichtige Rolle einnehmen werden.
me des Unterhaltungswertes – erheblich.
Dies ist aber nicht der einzige Grund für
So bleibt als Quintessenz: Audio-Strea-
ihre zunehmende Relevanz. PC gewinnen
Podcasts wichtig
mingdienste und somit in hohem Maße auch
schon jetzt bei den Öffentlich-Rechtlichen
für Öffentlich-
Podcasts werden zum Spaß, zur Entspannung
an Bedeutung. „Podcasts stehen bei uns
Rechtliche
und zum selbstbestimmten Hören stark ge-
sehr stark im Fokus, weil wir mit ihnen neue
nutzt und dies nicht nur bei den Jüngeren,
Zielgruppen erreichen können“, sagt Schiwa
sondern im Bevölkerungsdurchschnitt. Da
Schlei, Leiterin des ARD Partnermanagements
rüber hinaus bewertet das Gros der Nutzer*
Audio & Voice. „Es ist ein großes Thema bei
die Leistungen der Streamingdienste größten-
uns öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern,
teils deutlich besser als die der Radiosender,
wie wir Publikum anders ansprechen und an
der öffentlich-rechtlichen und vor allem der
anderen Orten als bisher abholen können.“
privaten. Beide stehen also unter Zugzwang
(Interview Schlei 2021) Mit den „neuen Ziel-
ihre eigenen Stärken, Information und Unter-
gruppen“ sind vor allem auch jüngere Medien-
haltung, besser auszuspielen.
nutzer* gemeint.
65
Den richtigen Ton treffen
Günstige
Die Ausgangsposition der ARD-Rundfunk-
Verfügung, weshalb Mittel umgeschichtet
Ausgangsposition
anstalten im deutschen Podcast-Markt ist
werden müssen oder die Podcasts dann auch
durchaus günstig:
im linearen Programm ausgestrahlt werden. Offensichtlich gibt es aber bereits konkrete
Bald Werbung in ARD-Podcasts?
Viele der insgesamt 69 Hörfunkwellen ma-
Überlegungen zur Lösung des Problems. „Eine
chen seit Jahrzehnten vornehmlich wort
Monetarisierung unserer Podcasts vergleich-
basiertes Programmradio und auch bei den
bar zu Ko-Produktionen, wie sie beispielswei-
musiklastigen Sendern spielt das gespro-
se bei den Fernsehkollegen im Serien-Segment
chene Wort eine deutlich größere Rolle als
üblich sind, wäre rein rechtlich betrachtet über
bei den Privatradios (vgl. Kapitel 6.3).
unsere Töchter möglich“, so Schiwa Schlei.
Das populäre Jugendangebot funk hat zwar
„Sie prüfen die bessere Distribution und mög-
bisher vor allem auf Videos gesetzt, pro-
liche Verwertung von Podcasts.“ Dies könnte
duziert seit einigen Jahren aber auch Pod-
zum Beispiel bedeuten, dass ARD-Podcasts,
casts, zum Teil sehr erfolgreich.
auf anderen Plattformen platziert, mit Werbung
Zwar liegt der Altersdurchschnitt des Pu blikums bei rund 60 Jahren. Doch betreiben
bestückt werden könnten, um damit wiederum die Produktionskosten einzuspielen.
die einzelnen Rundfunkanstalten Jugend-
Ein zweites ARD-Hindernis besteht darin,
wellen wie etwa EinsLive des WDR, die ein
dass im Hörfunk keine „Star-gerechten“ Hono
Stammpublikum von Hunderttausenden,
rare gezahlt werden können, wie dies beim öf-
teilweise sogar bis zu mehreren Millionen
fentlich-rechtlichen Fernsehen oder auch bei
jüngeren Hörern* verzeichnen. Darauf kön-
den großen Audio-Streamingdiensten gang
nen die Sender aufbauen.
und gäbe ist. So lautet jedenfalls ein Teil der
Die ARD verfügt über eine hervorragende
Rechtfertigung dafür, dass der Podcast der
technische Infrastruktur mit Studios und
freischaffenden ARD-Talkmasterin Sandra
entsprechendem Fachpersonal, vom Ton-
Maischberger im September 2020 zunächst
techniker* bis zum Regisseur*.
exklusiv bei Spotify gelandet ist, finanziell
Die Anstalten haben sich, nicht zuletzt
gefördert von der ARD. Die zweite Staffel von
durch ihre Feature- und Hörspiel-Abteilun-
Der Sandra Maischberger Podcast vom Früh-
gen, über Jahrzehnte eine Audio-Expertise
jahr 2021 war dann zwar von Beginn an auch in
angeeignet, die ihnen bei der Eigenproduk-
der ARD Audiothek zu hören, der anfängliche
tion von Podcasts zu Gute kommt.
Schlingerkurs schien einigen Kritikern* (z. B. Schroeder 2020) aber doch Indiz genug dafür,
66
Allerdings hat die ARD auch mit einigen Man-
dass die ARD mit dem Geld der Beitragszahler*
kos und Hindernissen zu kämpfen – zumin-
das Quasi-Monopol von Spotify stärke. Die ARD
dest in der Selbstwahrnehmung. Für Podcasts
befindet sich hier in einem ähnlichen Dilemma
stehen in der Regel keine Extra-Budgets zur
wie gegenüber anderen sozialen Medien, vor
Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio
allem gegenüber dem Video-Monopolisten
Ein Geschäft zum beiderseitigen Vorteil, wie
YouTube (vgl. Frühbrodt/Floren 2019: Kapi-
es scheint – weder in die eine noch die andere
tel 9.1): Soll sie ohnehin marktbeherrschende
Richtung ist dafür Geld geflossen.
digitale Plattformen weiter stärken, indem sie
Zumindest scheint es aber Überlegun-
auf diesen die eigenen, hochwertigen Inhalte
gen zu geben, einen stärkeren Fokus auf die
hochlädt? Oder soll sie zuvorderst den Auf-
eigenen Ausspielwege zu legen, zuvorderst
und Ausbau der eigenen Plattform vorantrei-
die ARD Audiothek. Ende 2017 wurde die ARD
ben? Die ARD ist überzeugt: beides. „Wir ver-
Audiothek als zentrale Anlaufstelle für öffent-
suchen, unsere Inhalte einem größtmöglichen
lich-rechtliche Podcasts gestartet – in Gestalt
Publikum zugänglich zu machen“, erklärt
einer Web-Plattform und einer mobilen App. In
ARD-Managerin Schlei. „Denn so erfüllen wir
vielerlei Hinsicht ist sie der ARD Mediathek mit
am besten unseren Informations-, Bildungs-
ihren TV-Sendungen nachempfunden. Von der
und Unterhaltungsauftrag.“ In diesem Sinne
Audiothek aus kann sich der Nutzer* zu den
verfolge die ARD eine duale Strategie: Einer-
Audio-Archiven der einzelnen Landesrundfunk-
seits würden fremde Plattformen bestückt,
anstalten weiterklicken, die das jeweilige Ge-
andererseits werde der Ausbau der eigenen
samtangebot ihrer Sender hochladen. In der
Audiotheken vorangetrieben. „Wir nehmen
Audiothek selbst findet er oder sie nur eine Aus-
durchaus wahr, dass andere Plattformen mit
wahl von Podcasts und digitalisierten, mithin
Die Marke ARD
schwer durchschaubaren Algorithmen arbei-
zweitverwerteten Radiosendungen und -bei-
soll wahrgenommen
ten und versuchen, die Konditionen für Pu
trägen (vgl. Schröter/Laufersweiler 2019). Die
werden
blikationen zu diktieren“, so Schlei. „Zugleich
ARD wirbt für die Mediathek zwar damit, dass
beobachten wir auf eben diesen Plattformen
man hier „die besten Podcasts“ finde, kann
eine starke Nachfrage unserer Angebote.“
aber keine Auskunft darüber geben, wie hoch
(Interview Schlei 2021) Letzthin sei es weni-
der tatsächliche Anteil an von vornherein als
ger wichtig, auf welcher Plattform Podcasts
Podcasts konzipierten Audiodateien ist und wie
aus öffentlich-rechtlicher Hand konsumiert
hoch derjenige, bei dem es sich um Mitschnitte
würden. Entscheidend sei vielmehr, dass der
aus dem linearen Programm handelt.
Absender deutlich sichtbar gemacht und damit die Marke ARD wahrgenommen werde.
Derzeit sind rund 90.000 Audiodateien in
90.000 Audio-
der ARD Audiothek abrufbar, die populärsten
dateien in
Aus diesem Denken heraus ist 2020 das
sind geordnet in Kategorien wie „Entdecken“,
der Audiothek
Partnermanagement Audio & Voice entstan-
„Meistgehört“, „Themen“ oder „Unsere Favo
den, welches auch eine Kooperation mit der
riten“. Die Federführung hat der Südwest-
RTL-Plattform Audio Now hervorgebracht hat
deutsche Rundfunk (SWR) in Mainz. Jeweils
(vgl. Kapitel 6.3). Die ARD ist gut sichtbar mit
drei sogenannte Channel Manager von SWR
ihren eigenen Podcasts in der Audio-Now-App
und Bayerischem Rundfunk stellen neue Stü-
platziert, RTL bekommt hochwertige Inhalte.
cke ein und nehmen dafür andere von der
67
Den richtigen Ton treffen
Information soll
Plattform. Abbildung 18 zeigt, dass im März
Ausnahme“, kommentiert Thomas Müller,
eine größere Rolle
2021 fast ein Drittel der Wiedergaben der
Channel-Manager der ARD Audiothek, die
spielen
Kategorie „Hörspiel und Lesung“ zuzuordnen
Verteilung (Anfrage Müller 2021). „Aber ak-
ist. Dies ist eher Hörbuch- als Podcast-Inhalt.
tuell öffnet sich die Audiothek auch für diese
Bei der zweitstärksten Kategorie „Informa
Inhalte und wir erwarten, dass diese relevant
tion“ besteht mehr als 40 Prozent aus Corona-
nachgefragt werden.“
spezifischen Formaten, weshalb es auch nicht
Im Jahr 2020 erzielte die ARD Audiothek
verwundert, dass die zehn am häufigsten
54 Millionen Wiedergaben in einer Gesamt-
abgerufenen Formate der ARD Audiothek ne-
länge von 18 Millionen Stunden, eine Ver-
ben Krimi-Hörspielen und Comedy-Formaten
doppelung gegenüber dem Vorjahr. Aussage-
vor allem von Virologen*-Podcasts dominiert
kräftiger als absolute Zahlen ist jedoch das
werden. Der Anteil von „Politik & Hintergrund“
vergleichsweise Abschneiden gegenüber an-
beläuft sich gerade einmal auf 3,6 Prozent
deren Anbietern. Hier zeigt sich, dass die ARD
der Abrufe. „In der bisherigen Strategie hat
Audiothek nach den Erhebungen des Reuters
aktuelle Information keine Rolle gespielt –
Digital News Report mit einem Marktanteil von
die Angebote rund um Corona waren da eine
17 Prozent immerhin einen achtbaren dritten
Abbildung 18
Anteil verschiedener Inhaltskategorien an den Abrufen der ARD Audiothek (März 2021)
Andere
24 % 31,6 %
Politik
Information
3,6 %
Hörspiel/Lesung
12,6 Mio.
Wiedergaben
27,3 %
13,7 %
Unterhaltung
Die Kategorie „Andere“ umfasst u. a. Formate für Kinder, Gespräch und Interview, TV-Formate und Reisereportagen. Quelle: Anfrage Müller 2021. Eigene Darstellung. Abweichungen von 100 % ergeben sich durch Rundungen.
68
Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio
Platz belegt, allerdings mit großem Abstand
Sicherlich sorgt die oben skizzierte güns-
hinter YouTube (39 Prozent) und Spotify
tige Ausgangslage für die gute Position der
(34 Prozent) (Hölig/Hasebrink 2020: 51-52).
ARD. Sie kommt aber auch dadurch zustan-
Die gute Position der Öffentlich-Rechtlichen
de, dass vor allem ältere Jahrgänge die ARD
Öffentlich-Recht-
ist im internationalen Vergleich allerdings
Audiothek ausgiebig nutzen. Dies wird deut-
liche in mehreren
auch nicht außergewöhnlich. In Schweden
lich, wenn die Nutzung wie in Abbildung 19
Ländern vorn
rangiert der öffentlich-recht liche Rundfunk
nach Altersgruppen differenziert wird.
auf Platz zwei, in Großbritannien führt die BBC
Die ARD Audiothek gewinnt erst mit zuneh-
sogar das Feld an. In den stark von der Privat-
mendem Alter an Boden, um in der Kohorte
wirtschaft beherrschten USA schafft es Natio
der 45–54-Jährigen mit rund einem Drittel
nal Public Radio in einem dicht gestaffelten
Marktanteil die knappe Führung vor YouTube zu
Feld mit neun Prozent Marktanteil immerhin
übernehmen. YouTube hat dann wieder bei den
auf Platz sieben der führenden Plattformen
noch Älteren die Nase vorne, die Podcasts zu-
(Podtrac 2020, neben iHeart Radio spielt NPR
dem bevorzugt auch auf Webseiten abrufen.13 Wenn die Audiothek neue Zielgruppen er-
als Produzent von Inhalten aber eine deutlich
reichen soll, wie ARD-Managerin Schlei betont,
größere Rolle, vgl. Kapitel 4.1). Abbildung 19
Nutzung verschiedener Audiostreaming-Plattformen in Deutschland nach Alter im Jahr 2020 (in Prozent) 60
56
52 45
40 Prozent
43
39 26 20
18
20 7
15
10 6 5
25 18 19
17
16
24
20 12
5
2
34
32
27
11 10
8
13 7
14
19 10 10
0 18-24 Jahre YouTube Spotify
25-34 Jahre ARD Audiothek Apple Podcasts
35-44 Jahre
45-54 Jahre
Audible Google Podcasts
55+ Jahre
Nachrichtenwebsite/App
Quelle: Reuters Institute Digital News Survey 2020, Darstellung aus Hölig/Hasebrink (2020: 52). Eigene Darstellung.
13 Ein ähnliches Bild vermittelt die POD Ratings-Umfrage von Goldmedia (2020: 8), bei der die Altersgruppen weiter gefasst sind. Hier liegt die ARD Audiothek in der Kohorte der 50–69-Jährigen vorne.
69
Den richtigen Ton treffen
Die BBC reagiert
dann geht es hier folglich in erster Linie um die
Sounds reagiert, was sicherlich eine Ursache
mit „Sounds“
jüngeren Alterskohorten. Dazu sei angedacht,
dafür ist, dass die BBC dort Marktführerin ist.
auf Spotify
„im ersten Schritt alle unsere Inhalte der ARD
BBC Sounds soll ganz gezielt die Altersgruppe
verfügbar [zu] machen und im zweiten gezielte
der 18–34-Jährigen ansprechen und bietet sei-
Kommunikation zu ausgewählten Produkten
nen Nutzern* im Wesentlichen mehrere Con-
[zu] nutzen, um neue Zielgruppen in die Audio
tent-Mix-Varianten inklusive Musik. Überdies
thek zu bekommen“, erklärt Channel-Manager
wird unter dem Dach von BBC Sounds mehr
Thomas Müller. „Gleichzeitig wird das inhalt
künstlerische Freiheit bei der PC-Gestaltung
liche Portfolio der Landesrundfunkanstalten
gewährt als bei den linearen Programmen
gerade auch für jüngere Zielgruppen gestärkt,
(Berry 2019).
und es werden mehr und neue Inhalte angebo-
Könnte ein solches Angebot auch von
ten.“ (Anfrage Müller 2021) Aus der ARD ist von
der ARD kommen? „Zu einem gewissen Grad
einer „bereits erstellten Roadmap“ die Rede. Es
ja – wir bauen gerade den Musikbereich mit
ARD-Strategie
heißt von anderer Seite aber auch, dass noch an
ARD-Inhalten deutlich aus“, sagt ARD-Channel-
steht noch nicht
den Strategien gearbeitet werde und es „noch
Manager Müller. „Allerdings planen wir keinen
keine festgeschriebenen Ziele“ gebe. Allzu viel
Erwerb von Musikrechten“, schränkt er ein
Zeit lassen kann sich die ARD allerdings nicht.
(Anfrage Müller 2021). Konkret bedeutet dies,
Denn es geht nicht nur darum, neue Zielgrup-
dass zumindest die ARD als Gesamteinheit
pen zu erschließen, sondern womöglich auch
keine non-linearen Content-Pakete anbieten
darum, gewonnene zu verteidigen.
kann, die beispielsweise mit persönlich aus-
70
So hat Spotify mit Daily Drive ein Angebot
gewählten Musiktiteln angereichert sind. Dies
entwickelt, das die Lieblingspodcasts und die
hat zum einen kartellrechtliche Gründe: Die
Lieblingsmusik von Nutzern* miteinander kom-
Landesrundfunkanstalten dürfen bei solchen
biniert und ein individualisiertes, radioähn
Projekten nicht zusammenarbeiten, indem sie
liches Hörangebot macht. In anderen Ländern
eben beispielsweise gemeinsam Musikrech-
experimentiert der schwedische Audio-Strea-
te erwerben. Zum anderen handelt es sich
mingdienst mit weiteren Modellen dieser Art
um eine Kostenfrage: Zwar könnten einzelne
(Schneider 2020). Solche Angebote dürften da-
Rundfunkanstalten Angebote entwickeln, die
rauf abzielen, mit quasi-linearen Programmen
mit Spotifys Daily Drive vergleichbar wären,
Hörgewohnheiten aus dem Radio aufzugreifen,
doch könnten sich dies einzelne Anstalten, ob
die Nutzungsdauer auf der Plattform auszu-
WDR oder Saarländischer Rundfunk wegen der
weiten und damit nicht zuletzt andere, mithin
besagten Musiktantiemen kaum leisten. Der
klassische Quellen für Musik und Information
Aufbau von BBC Sounds hat umgerechnet rund
überflüssig zu machen.
elf Millionen Euro gekostet – ohne Musikrechte.
In Großbritannien hat die öffentlich-recht-
Folglich setzt die ARD darauf, vor allem mittels
liche BBC bereits 2018 mit ihrem Angebot BBC
finanzieller Umschichtungen Mittel für Leucht-
Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio
turm-Projekte „freizuschaufeln“, die dann so
sogenannter Konstruktiver Journalismus
effektiv wie möglich über alle möglichen Sen-
in praktischer Anwendung (vgl. Kramp/
der und Kanäle verwertet werden, um maximale
Weichert 2017).
Synergieeffekte zu erzielen. Ein Musterbeispiel
Im Januar 2020, knapp ein Jahr nach der
hierfür ist mal angenommen – der tagesschau
Ursprungsidee, geht die erste Folge des
Zukunftspodcast (siehe Fallbeispiel). Mal an-
tagesschau Zukunfts-Podcast – mal an-
genommen war zunächst das einzige originäre
genommen online. Es handelt sich um
Podcast-Produkt der Tagesschau. Im April 2021
ein Format, das sich vom Rest der politi-
ist mit dem faktenfinder ein zweites Format
schen Podcast-Landschaft deutlich abhebt.
gestartet, in dem alle zwei Wochen gezielte
Wöchentlich spielen zwei ARD-Korres-
Falschmeldungen entlarvt werden sollen.
pondenten* ein gesellschaftspolitisches
Gesellschafts-
Gedankenexperiment durch: Was wäre,
politische
wenn Deutschland aus der EU austritt?
Gedankenspiele
Alle Gletscher schmelzen? Politiker* keine
Fallbeispiel: Der tagesschau Zukunfts-
Nebeneinkünfte mehr haben dürfen? Im
Podcast mal angenommen
Zentrum jeder Folge stehen mehrere Exper-
Im Frühjahr 2019 kommen der Hörfunk-Kor-
ten*-Interviews, die verschiedene Aspekte
Experten*-
respondent Marcel Heberlein und einige
des Zukunftsszenarios beleuchten und von
Interviews und
Mitstreiter* im ARD-Hauptstadtstudio auf
den Moderatoren* im Zwiegespräch einge-
Moderatoren*-
die Idee, einen eigenen Podcast zu entwi-
ordnet und kommentiert werden. Am Ende
Dialoge
ckeln. Auf Grundlage einer Marktanalyse
werden die Erkenntnisse von den Hosts*
über mögliche Zielgruppen und Nutzungs-
zu einem „Best Case“- und einem „Worst
situationen von Podcasts geht es in einen
Case“-Szenario zusammengefasst. Damit
fünftägigen „Design Sprint“, wo in typi-
ist mal angenommen kein News-Podcast,
scher Start-up-Manier Ideen gesammelt,
hat zuweilen aber durchaus tagesaktuellen
weitergedacht und konkretisiert werden.
Bezug. Der Podcast kommt als Hybrid aus
Mit Heberlein brüten Hörfunk-, Fernseh-
Interview und klar strukturiertem Modera-
und Social Media-Journalisten* aus dem
toren*-Dialog daher.
ARD-Hauptstadtstudio sowie Kollegen* von
Ein Konzept, das aufzugehen scheint: mal
der Tagesschau in Hamburg über dem Kon-
angenommen hat bisher mehrere Journa-
zept – denn unter dem Dach der Tagesschau
listen*preise gewonnen. So wurde der Pod
soll der neue Podcast realisiert werden. Für
cast 2020 mit dem renommierten Medien-
das Team ist schnell klar: Ein zukunftsorien
preis „Prix Europa“ in der Kategorie „Digital
Hier geht’s
tiertes Format soll es sein. Es soll nicht nur
Audio Project“ ausgezeichnet. ARD-Hör-
zum tagesschau
um die Probleme dieser Welt, sondern vor
funk-Korrespondent Marcel Heberlein, der
Zukunfts-Podcast:
allem um die Problemlösungen gehen –
im Podcast regelmäßig als Moderator zu
mal angenommen
71
Den richtigen Ton treffen
Konstruktiver
hören ist, schreibt den Erfolg unter ande-
ten. Es sei von Anfang an klar gewesen,
Ansatz für
rem dem konstruktiven Ansatz zu. Das kon-
dass der Podcast nicht nur „harte Fakten
den jungen Nerv
struktive Weiterdenken einer Idee sei nicht
servieren soll“, sagt Heberlein. „Podcasts
nur ein Alleinstellungsmerkmal für den
funktionieren anders als Fernsehen und
Podcast, es treffe auch den Zeitgeist der
die 15-minütige Tagesschau. Es braucht
Hörer*schaft, vorwiegend unter 35-Jährige
ein erzählerisches Element und wir versu-
Mediennutzer* aus dem urbanen Raum.
chen, dieses zu liefern.“ Unterhaltungs-
Strategisch geht es bei dem Tagesschau-
wert in Form narrativer Elemente liefert der
Podcast jedoch offenbar weniger um den
„Zukunfts-Podcast“ gleich zu Beginn jeder
Erstkontakt mit jüngeren Zielgruppen, wie
Folge: Nach dem musikalisch unterlegten In-
dies oft bei den Podcast-Offensiven vieler
tro und einer kurzen Einleitung der Hosts*,
Tageszeitungen der Fall ist (vgl. Kapitel 7).
leitet eine fiktive Tagesschau-Meldung, vor-
Der Tagesschau gelingt es laut Heberlein
getragen von einem bekannten Sprecher*,
über die sozialen Medien auch jetzt schon
das Gedankenexperiment der Woche ein.
sehr gut, junge Menschen zu erreichen
Die Themen des Podcasts orientieren sich
(hier und im Folgenden: Interview Heberlein
an den Interessen der Zielgruppe, regel-
2021). Rund drei Millionen Nutzer* folgen
mäßig werden auch Themenvorschläge der
dem Kanal der Tagesschau auf Instagram
Hörer* umgesetzt. Laut Heberlein seien
und Twitter (Stand: Juni 2021). Ziel des PC
deren Präferenzen aber nicht der einzige
ist es eher, den jungen Nutzern* ein neues
ausschlaggebende Faktor bei der Themen-
Format zu liefern, das anders als die sozia
wahl: „Bei vielen Themen ist uns auch im
len Medien eine ausführliche und mithin
Vorhinein schon klar: Das wird jetzt wahr-
thematisch tiefgreifende Berichterstattung
scheinlich nicht die absolute Rekordfolge.
bietet. Zusätzlich können mit dem Podcast
Und gleichzeitig finden wir sie inhaltlich un-
die Bereiche in der Mediennutzung junger
glaublich wichtig.“ So zum Beispiel die Fol-
Menschen erschlossen werden, die durch
ge „Keine Holocaust-Zeitzeugen mehr? Was
die bestehenden Angebote der Tagesschau
dann?“ vom Januar 2021. Dass bestimmte
bislang nicht bedient werden. Die Ziel-
Themen bei einigen Altersgruppen mehr
gruppe soll den Podcast zum Beispiel beim
Anklang finden als bei anderen, bekomme
Pendeln zum Job oder beim Sportmachen
man allerdings auch beim Feedback „schon
konsumieren. Das seien „ganz spezielle
sehr stark mit“.
Nutzungssituationen“, die die Tagesschau
Abrufbar ist mal angenommen neben der
sonst nicht abdecke, erklärt Heberlein.
ARD Audiothek und der Tagesschau-Web-
Dabei will mal angenommen jedoch nicht
site auch auf YouTube und den großen
unterhaltende
nur informieren, sondern vor allem auch
Strea ming-Plattformen, wo der Podcast
Elemente
zielgruppen- und formatgerecht unterhal-
auch die meisten Abrufe verzeichnet. So
Narrative und
72
Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio
rangiert er im Spotify-Ranking regelmä-
ausführlicher Wetterbericht mit angehängten
ßig in den Top-20 der meistgehörten Pod-
Kurznachrichten – und sporadische Wortbeiträ-
casts, auf allen Plattformen erreicht jede
ge aus Politik und Gesellschaft, die eine Maxi
Folge nach eigenen Angaben insgesamt gut
mallänge von anderthalb Minuten aufweisen.
100.000 Hörer*. Dabei helfe es natürlich
Die große Mehrheit der Beiträge kommt aus
auch, dass die Tagesschau eine anerkannte
dem Ressort „Vermischtes“. So oder so ähn-
Marke sei, die von den Nutzern* mit Informa-
lich funktioniert das Konzept des sogenann-
Werbefreundliches
tionstiefe und Seriosität verbunden werde,
ten Formatradios, welches die meisten der 431
Formatradio
meint Heberlein. Den Großteil der Hörer*
privaten Rundfunksender in Deutschland zum
dominiert
machen Schüler*, Studierende und „Young
Einsatz bringen. Private Radios erwirtschafte-
Professionals“ aus. Ältere Nutzer* sind laut
ten 2019 rund 600 Millionen Euro Umsatz, 85 %
Heberlein auf allen messbaren Plattformen
davon aus Werbeeinnahmen (Vaunet 2020).
deutlich in der Minderzahl. Allerdings läuft
An den Sendern sind insgesamt rund 600 ver-
mal angenommen nicht nur als Podcast
schiedene Gesellschafter* beteiligt – darunter
bei Spotify & Co., sondern auch im linea
große Verlagshäuser wie Hubert Burda, Mad-
ren Radioprogramm, unter anderem auf
sack, die Funke Gruppe und Axel Springer, aber
NDR Info, SWR Aktuell und WDR 5 – womit
auch auf Hörfunk spezialisierte Holdings wie
die Hörer*schaft des Podcasts insgesamt
Regiocast oder Gong (KEK o. D.).
doch über mehrere Altersgruppen verteilt
Das stark normierte Programm mit hohem
sein dürfte. Für lineare Jugendprogramme
Musikanteil und die Kürze der redaktionellen
werden die wichtigsten Erkenntnisse noch
Beiträge prädestinieren die kommerziellen
einmal zusammengefasst, was den Fokus
Radiosender in Deutschland nicht unbedingt,
auf die jüngere Zielgruppe verdeutlicht und
sich besonders stark beim Podcasting zu enga
eine Strategie der multiplen Verwertung der
gieren. Auf den ersten Blick passen Podcasts
Inhalte auf verschiedenen Ausspielwegen
allein schon wegen ihrer Ausführlichkeit kaum
anzeigt, die sich auch für andere Program-
zur Welt des Privatradios. Doch es gibt noch
me finden lässt.
andere Probleme: Die Nutzer* bewerten Audio- Streamingdienste deutlich besser als das Privatradio in Hinblick auf Unterhaltungswert,
6.3 Private Radiosender und die RTL-Plattform Audio Now
Nutzwert und Möglichkeiten, sein eigenes Programm zusammenzustellen (vgl. Kapitel 6.1). „Spotify treibt die Radiobranche vor sich her
Stets gut gelaunte Moderatoren*, jede Men-
und startet immer neue personalisierte Ser-
ge Gewinnspiele und Quizshows, garniert mit
vices“, konstatiert der Medienjournalist Guido
etwas Comedy, Popsongs aus den aktuellen
Schneider Ende 2020. Dazu gehört das Angebot
Top-50-Charts in der Wiederholungsschleife,
Daily Drive (vgl. Kapitel 6.2) sowie in einigen
In der Defensive
73
Den richtigen Ton treffen
Ländern die Möglichkeit für Podcaster*, Musik
ausgestrahlter Programme über ihre App die
in ihre PC zu integrieren. Zu allem Überfluss
Möglichkeit eröffnen, zwischen Wortbeiträgen
hat das „Corona-Jahr 2020“ zu erheblichen
und verschiedenen musikalischen Klangfarben
Einbrüchen bei den Werbeeinnahmen geführt:
wählen zu können. Dies setzen bereits RTL und
„Während viele landesweite Sender 2020 mit
Hit Radio FFH um (Schneider 2020: 77). Die an-
einem Gewinneinbruch davonkommen dürften,
dere Option lautet: Sich stärker auf dem Feld
geht es für etliche Lokalradios um die Existenz“
der Podcasts zu engagieren.
(Schneider 2020: 77). Die wirtschaftliche Situa
Um zu ermitteln, wie groß dieses Engage-
tion engt die strategischen Handlungsspiel
ment ist, wurden in einer Stichprobe bei rund
räume der Privatradios also zusätzlich ein.
50 privaten Radiosendern Anzahl und Art von
Der Verband der privaten Medien VAUNET
Podcasts recherchiert, darunter bei Stationen
Handlungsbedarf
hat sich zur neuen Konkurrenz bislang noch
der reichweitenstärksten Senderketten Radio
umstritten
nicht klar positioniert und hält sich deshalb
NRW, Studio Gong, Antenne Bayern, Hit Radio
mit öffentlichen Statements zurück (Anfra-
FFH sowie Radio ffn. Darüber hinaus wurden
ge Leibiger 2021). Aus Verbandskreisen ist
auch Einzelsender wie der Berliner Rundfunk
zu hören, dass man bislang keinen Verdrän-
oder die Ostseewelle berücksichtigt (vgl. An-
gungswettbewerb zwischen den Audio-Strea-
hang A). Die Recherche ergab, dass die 53 pri-
mingdiensten und den privaten Radiosendern
vaten Sender und Senderketten seit 2017
erkennen könne. Auch Stephan Schmitter,
insgesamt 181 Podcasts produziert haben. 53
seines Zeichens Audio-Chef der RTL-Medien-
davon sind inzwischen eingestellt worden,
gruppe Deutschland, verweist darauf, dass
weil die geplanten Staffeln ausgelaufen sind
Privatsender als Alleinstellungsmerkmal ihre
oder weil die Hörer*schaft ausgeblieben ist.
regionale Verankerung aufweisen. RTL hält
128 Podcasts laufen noch (Stand: 20.12.2020),
Beteiligungen an diversen privaten Radiosen-
jeder Sender betreibt damit zwei bis drei Pod
dern in Deutschland. Dennoch findet Schmit-
casts. Dies ist kein besonders hoher Wert,
ter vergleichsweise deutliche Worte. Er sieht
zeugt aber von einschlägiger Aktivität, denn
die Branche „an einem Punkt angekommen,
nur ganz wenige der untersuchten Sender pro-
an dem wir sehr aufpassen müssen“. Wenn im-
duzieren überhaupt keine PC. Vergleicht man
mer nur noch mehr Musik gespielt würde und
die Gesamtsumme allerdings mit den Aktivitä-
die Moderatoren* weiter in den Hintergrund
ten anderer Akteure, erscheint sie nicht beson-
rückten, „sind wir irgendwann nicht mehr von
ders hoch: So veröffentlicht beispielsweise der
Musikstreaming-Diensten zu unterscheiden“
Axel-Springer-Konzern nach eigenen Angaben
(Krei 2020).
mehr als 100 Podcasts über seine diversen Me-
74
Wie also reagieren? Ein strategischer An-
dien (vgl. Kapitel 7.1). Abbildung 20 zeigt die
satz besteht darin, neue Technologien zum
Verteilung der Podcasts der privaten Radiosen-
Einsatz zu bringen, die den Hörern* digital
der auf verschiedene Kategorien.
Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio
Die Abbildung lässt – kaum überraschend –
ner Musiksendung beispielsweise Songs aus
eine klare Dominanz der Unterhaltung erken-
einer bestimmten Ära mit gesellschaftlichen
nen. Im Mittelpunkt stehen Podcasts zu leich-
Strömungen und politischen Ereignissen ih-
ten und unterhaltenden Themen, allerdings
rer Zeit verbunden und diskutiert werden. Ihr
keine reinen „Laber-Podcasts“. Ein typisches
Anteil ist mit sechs Prozent erwartungsgemäß
Format dieser Kategorie: Bringt ein bekannter
gering, während die ebenfalls geringe Anzahl
Überraschend
Musiker* ein neues Album heraus, interviewt
von Sport-PC (8 Prozent) eher überrascht, weil
wenig Sport
ihn ein Moderator* eine halbe bis eine Stun-
gerade Profi-Fußball und regional verankerte
und True Crime
de lang dazu und befragt den Star zu mehr
Sportarten im regulären Programm der Privat-
oder minder persönlichen Themen. In Ton und
radios eine durchaus prominente Rolle spielen.
Machart sind diese PC oft eng angelehnt an
Ebenfalls überraschend: Die geringe Aktivität
das lineare Programm ihres Senders, weshalb
auf dem Feld „True Crime“. Da sich Formate
einige von ihnen herausgeschnittene Teile die-
wie Zeit Verbrechen oder Mordlust des ARD/
ser Podcasts als akustische Appetithäppchen
ZDF-Jugendangebots funk großer Popularität
in ihren Sendungen platzieren.
erfreuen, wäre zu erwarten gewesen, dass auch
Als „Kultur“ wurden in der Stichprobe
Privatradios auf dieses Feld drängen. Tatsäch-
Podcasts klassifiziert, die über die reine Un-
lich startete Antenne Bayern Ende 2017 den
terhaltung hörbar hinausgehen: Wenn in ei-
vielbeachteten Podcast Dunkle Heimat, der im
Abbildung 20
Aufteilung der Podcasts (n=128) privater Radiosender in verschiedene Inhaltskategorien True Crime
Sport Kultur
2 %
8 % 6 %
Ratgeber
42 %
18 %
Unterhaltung
24 % Information Quelle: Eigene Recherchen/Webseiten der Radiosender. Untersucht wurde eine Stichprobe von 53 privaten Radiosendern.
75
Den richtigen Ton treffen
Mai 2019 nach seiner zweiten Staffel eingestellt
für medizinische Notfälle. Oft entstehen solche
worden ist. Nachfolger des True-Crime-Formats
Formate in Kooperation mit Unternehmen und
ist die ebenfalls erfolgreiche Geheimakte, in
gemeinnützigen Organisationen.
Ratgeber-Podcasts
der über spektakuläre Kriminalfälle und Terror
Mit fast einem Viertel (24 Prozent) erzielt
von unterschied-
anschläge im Freistaat berichtet wird, zum
auch der Bereich „Information und Wissen“ ei-
Beispiel über das rechtsextreme Oktoberfest-
nen bemerkenswert hohen Anteil. Dies ist zum
Attentat in München vom Oktober 1980. Neben
einen darauf zurückzuführen, dass aufgrund
der Geheimakte von Antenne Bayern betreibt
der Corona-Pandemie ein erhöhter Informa-
derzeit nur noch ein weiterer der untersuchten
tionsbedarf in der Öffentlichkeit besteht, auf
Privatsender einen True-Crime-PC: Mord im Pott
welchen viele Privatsender mit eigenen PC-For-
von Radio 91.2 aus Dortmund. Die mögliche Ur
maten reagiert haben. Zum anderen stellen
sache: Recherche-Aufwand und Produktions-
zahlreiche Sender ihre Nachrichten aus dem
kosten scheinen zu hoch, zumal es sich bei den
linearen Programm auch als ein- bis fünfminü-
Hier geht’s zur
True-Crime-Podcasts meist um Reportage-For-
tige Podcasts zur Verfügung (es handelt sich
Geheimakte,
mate mit O-Tönen aus Recherche-Interviews
dabei also um reine Zweitverwertungen).14 Vie-
handelt (vgl. Kapitel 2.2).
le PC-Formate der privaten Radiosender wei-
lichem Gehalt
Ins Auge sticht bei der Analyse der Stichpro-
sen dabei Komponenten von Information wie
ben-Ergebnisse, dass fast ein Fünftel der Pod
Unter haltung aus, nur in unterschiedlichen
casts aus Ratgeber-Formaten besteht. Häufig
Anteilen. Die thematische, vor allem aber die
reichen dabei Einzelpersonen – nicht selten da-
dramaturgische Bandbreite ist bei den Info-
bei Moderatoren* des Senders – persönliches
und Wissensformaten sehr groß. Am einen
Erfahrungswissen weiter. So geben zum Bei-
Ende des Spektrums findet sich klassisches
spiel junge Mütter, die Radio machen, jungen
„Infotainment“, Unterhaltung (Englisch: enter-
Müttern, die Privatradio und deren Podcasts hö-
tainment) die mit etwas Informationen angerei-
… zu Alines
ren, Ratschläge für eine gute Erziehung. Ein we-
chert wird. In Alines Woche & Thomas von Big
Woche & Thomas
sentlicher Teil ist allerdings auch professionel-
FM zum Beispiel reden die junge Frau Aline und
ler aufbereitet: Im Familienfuchs des Leipziger
der junge Mann Thomas über die Ereignisse der
Radio PSR spricht die Moderatorin regelmäßig
Woche. Eingebettet in einen lockeren Talk über
mit einem Psychologen und Coach über typische
persönliche Erlebnisse und mit überdrehten
Probleme, die in Familien auftreten können. Im
Reaktionen tauschen sich die beiden nicht sehr
… und zum
Erste-Hilfe-Podcast von Antenne Düsseldorf
analytisch, dennoch meinungsbildend über
Familienfuchs
gibt ein Feuerwehrmann und Sanitäter Tipps
einzelne Ereignisse aus. Beispielsweise über
… zu Mord im Pott,
14 Da keine offiziellen Zahlen über den Informationsanteil privater Radiosender in Deutschland vorliegen, ist eine Einordnung schwer möglich. Der Anteil journalistischer Information beträgt bei privaten TV-Sendern laut einer ARD/ ZDF-Programmanalyse von 2019 jedoch zwischen elf und 24 Prozent (Maurer/Beier/Weiß 2020: 254). Im Vergleich dazu bewegt er sich bei den Podcasts der Privatradios am oberen Ende der Skala.
76
Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio
einen Elefanten in Pakistan, dem die Sängerin
größtmögliche Verbreitung zu erreichen. Damit
Cher das Leben rettet, oder über einen Ordner,
fördern sie aber ihre schärfsten Konkurrenten.
der bei einer Demo von Corona-Leugnern* ein
Also müssen sie entweder ihre Hörer* auf ihre
deutliches Zeichen gegen rechte Propaganda
jeweiligen Webseiten locken, auf denen ihre
setzt. Den Gegenpol zu diesem Konzept bilden
PC platziert sind – oder aber sie müssten ihre
Hier geht’s
Podcasts, die den Schwerpunkt eindeutig auf
Anstrengungen bündeln. Bereits 2014 hat eine
zu Green Up
Wissen legen wie zum Beispiel Green Up Your
Reihe von privaten Radios die App Radioplayer
Your Life!
Life! von Marie Gomez, einer Moderatorin von
veröffentlicht, über die der Nutzer* Live-Sen-
Radio Energy Nürnberg. Gomez stellt meist jun-
dungen, aber auch die Mediatheken der Sen-
ge Menschen vor, die sich auf verschiedenste
der inklusive Podcasts ansteuern kann. Als
Weise für mehr Nachhaltigkeit einsetzen, bei-
überzeugender Erfolg hat sich der Radioplayer
spielsweise einen eigenen Unverpackt-Laden
indes noch nicht erwiesen – möglicherweise
gründen oder eine Online-Plattform für faire
deshalb, weil in der stark zerklüfteten Privat
Mode. Der Ton ist dabei locker, aber zugleich
radio-Landschaft bevorzugt Einzelinteressen
ernsthaft und engagiert. Vor allem aber bleiben
verfolgt werden (Schneider 2019).
die Beteiligten fokussiert auf das Thema – trotz
Dagegen hat der Medienriese RTL die Flucht
der persönlichen Note, die jedes Gespräch hat.
nach vorn ergriffen. Die Tochter des Medienkon-
Gomez hat für ihren PC im Oktober 2020 den
zerns Bertelsmann betreibt einige Radiosender
„Sonderpreis der Jury“ des Hörfunkpreises
unter der eigenen Marke RTL und hält Beteili-
der Bayerischen Landesanstalt für neue Me-
gungen an 14 weiteren Sendern, etwa an An-
dien erhalten. Green Up Your Life! bildet die
tenne Bayern oder Jam FM. Anfang 2019 hat die
Speerspitze dieser Art von Podcast, von denen
RTL-Gruppe aber ein deutliches Zeichen durch
es noch einige weitere gibt, auch wenn sie in
die Gründung ihrer eigenen Podcast-Plattform
der Gesamtschau nur eine Minderheit der An-
Audio Now gesetzt. Kaum ein Jahr später gibt
gebote darstellen.
RTL-Audio-Chef Stephan Schmitter als Ziel aus:
RTL will mit
Der Medienberater Martin Liss konstatiert
„Neben Spotify und Apple möchten wir dauer-
Audio Now
in seiner Podcasts-Studie, dass die meisten
haft zur Top 3 gehören“ (Krei 2020). Audio Now
vorne mitspielen
privaten Hörfunkanbieter sich entschieden
wolle die Rolle des „Local Hero“ spielen, also
hätten, das Thema Podcast nicht unternehme-
der stärkste deutsche Anbieter im Heimatmarkt
risch zu verfolgen (XPLR 2020: 6). Oft stießen
sein. Dazu investiere RTL einen „zweistelligen
gerade kleinere Sender an ihre Kapazitätsgren-
Millionenbetrag“ (Schneider 2019). Der Zugang
zen, Podcasts würden dort eher als eine Art
zur Plattform ist kostenlos, die Inhalte sind
Resterampe betrachtet. Selbst größere Anbie-
rein werbefinanziert. Audio Now verzeichnete
ter stecken jedoch in einer Zwickmühle: Wenn
nach eigenen Angaben im Dezember 2019 eine
sie PC produzieren, müssen sie Plattformen wie
Million monatliche Nutzer. Im Januar 2021 gab
Spotify oder Apple Podcasts nutzen, um eine
es sieben Millionen Abrufe der „Bertelsmann
77
Den richtigen Ton treffen
Schwerpunkt
Audio Alliance“, also der Konzern-eigenen Pod
Info- und Wissensformaten aufweist, befin-
eindeutig
casts (Mediengruppe RTL Deutschland 2021).
den sich bei Audio Now hingegen allein fünf
auf Unterhaltung
RTL gibt zwar an, mit allen relevanten PC-Produ-
True-Crime-Formate unter den Top 10. Die an-
zenten* zusammenzuarbeiten, die Podcasts von
dere Hälfte besteht aus Comedy und „Laber-
FDP-Chef Christian Lindner oder der Fridays for
Podcasts“. Auffällig ist zudem der hohe Anteil
Future-Bewegung (vgl. Kapitel 5) aber gehören
von PC mit Medienschaffenden, die auf den
beispielsweise nicht zum Angebot. Eine rela-
Fernsehsendern von RTL zu sehen sind. Ein
tiv prominente Stellung verleiht RTL indes der
typisches Beispiel ist Die Pochers hier!, der
ARD, die im Fernsehmarkt einer der RTL-Haupt-
Podcast des Comedian Oliver Pocher und sei-
konkurrenten ist. Auf dem Feld der Podcasts
ner Frau Amira. Duktus und Niveau des Pod
kooperieren die beiden Sendergruppen jedoch
casts orientieren sich an den TV-Auftritten der
Hier geht’s zu
offiziell. So erhalten die PC-Produktionen der
Pochers: Das Paar erzählt aus seinem Leben
Die Pochers hier!
ARD auf der Startseite der Audio-Now-App sogar
und wirbt mehr oder minder auffällig an der
eine eigene, gut sichtbare Kategorie. Dominant
einen oder anderen Stelle für Fernsehsendun-
sind in der App, wenig überraschend, jedoch die
gen der RTL-Gruppe. Der PC wird somit auch
rund 140 Eigenproduktionen (Stand: Dezember
gezielt zur Cross-Promotion eingesetzt.
2020) aus dem Hause RTL bzw. Bertelsmann. Denn über die Bertelsmann Content Alliance bezieht Audio Now Podcasts aus anderen Be-
78
6.4 Zwischenbilanz
reichen des Medienkonzerns Bertelsmann, etwa
Aus dem jahrzehntelangen Duell zwischen
vom Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr (Stern,
öffentlich-rechtlichen Hörfunksendern und
Gala, Business Punk etc.) oder von der RTL-Me-
dem Privatradio ist inzwischen ein Dreikampf
diengruppe und ihren TV-Produktionen („Gute
geworden. Auch wenn die Audio-Streaming-
Zeiten, schlechte Zeiten“, „Let’s dance“ etc.).
dienste teilweise andere Bedürfnisse der Nut-
Darüber hinaus können Nutzer* ausgewählte
zer*, wie etwa das nach Selbstbestimmung,
Musik streamen sowie Live-Radio bei den Sen-
befriedigen, sind sie doch auf das Terrain des
dern hören, an denen RTL beteiligt ist. Dies spie-
Radios vorgedrungen. Das Gros der Medien-
gelt den Versuch wieder, mittels Produktinte
nutzer* in Deutschland erwartet vom Radio
gration die Nutzer* über das PC-Hören möglichst
Spaß und von den ARD-Anstalten vor allem
lange auf der Plattform und vor allem den eige-
auch Information. Wie die Ergebnisse einer
nen Produkten zu halten. Mittelfristig ist hier
ARD/ZDF-Langzeitstudie von 2020 zeigen, fin-
Musik als Teil
geplant, eine ähnlich vollumfängliche Plattform
den aber mehr Nutzer* die bessere Unterhal-
des Angebots
mit Musik und Podcasts zu bieten wie Spotify.
tung bei den Streamingdiensten. Und selbst
Betrachtet man die Top-10-Charts von
in der Kategorie „persönlich relevante Inhal-
Audio Now (13.01.2021), zeigt sich ein deut-
te“ liegen Spotify & Co. Kopf an Kopf mit den
lich anderes Bild als zum Beispiel bei Spotify.
öffentlich-rechtlichen Radiosendern, was als
Während Spotify einen höheren Anteil von
Fanal gewertet werden kann.
Die Rundfunkanbieter: Die ARD-Sender und das kommerzielle Privatradio
Die ARD und ihre Rundfunkanstalten haben
cher sie von Zweitverwertungen aus dem klas-
ARD: Charakter
aufgrund ihrer langen Audio-Erfahrung, soli-
sischen Radio unterscheidet: Sie haben quasi
von Podcasts
den Personalausstattung und hervorragenden
Format-immanent seriellen Charakter, sie sind
berücksichtigen
Infrastruktur eine gute Ausgangsposition inne,
geprägt von Storytelling und einer gewissen
um sich der neuen Herausforderung zu stellen.
Intimität und Lockerheit. Unterschätzt werden
Sie verfügen zudem über eine millionenstarke
sollten innerhalb der ARD auch nicht die Ver-
Stammhörer*schaft. Ihre offene Flanke sind
suche von Spotify, mit seinem Zwei-Säulen-An-
allerdings die vergleichsweise geringeren Hö-
gebot aus Musik und Podcasts und seinen
rer*zahlen bei den jüngeren Alterskohorten,
radioähnlichen „Sendungen“ des Daily Drive-
gerade bei denjenigen also, die schon jetzt zu
Modells, dem Radio Konkurrenz zu machen. Wie
den Stammkunden* der Audio-Streamingdiens-
öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten darauf
te gehören. Um diese zu gewinnen, scheint die
reagieren können, hat die BBC vorgemacht.
ARD noch auf der Suche nach einer schlüssigen
Für die private Radiobranche kann festge-
Strategie. Bisher fährt sie einen zweigleisigen
halten werden, dass die kommerziellen Sender
Ansatz. Einerseits werden externe Plattformen
zunehmend Probleme mit ihrem klassischen
wie Spotify und Audio Now mit attraktiven Inhal-
Geschäftsmodell des Formatradios bekommen
ten versorgt, um überhaupt jüngere Menschen
werden. Bisher haben die meisten Radiosen-
mit der Marke ARD zu erreichen oder vertrau-
der allerdings eher verhalten auf die neue He-
ter zu machen. Andererseits sollen die eigenen
rausforderung reagiert, obgleich meist finanz-
Plattformen und dabei vor allem die ARD Audio
starke Medienhäuser hinter ihnen stehen. Of-
thek gestärkt werden. Diese zweite Komponente
fenbar setzen sie darauf, dass sie weiter über
scheint bisher vernachlässigt worden zu sein.
mobile Apps gehört und besonders populäre
Die Audiothek, zumindest das auf der Startsei-
Sendeformate als Audio-on-Demand-Dateien
te privilegiert platzierte Angebot, ist bislang
heruntergeladen werden. Eine strategische
stark auf Unterhaltung und Bildung für ältere
Planung und deutlich „hörbare“ Investitio-
Hörer* ausgelegt. Aktuelle Information und
nen im Bereich des Podcastings lassen jedoch
„junge Inhalte“ stehen aktuell (noch) nicht im
weitgehend auf sich warten. Viele Akteure*
Fokus. Reformbedürftig erscheint auch der Mix
verfolgen gebannt das Projekt der RTL-Medien-
der Formate: Es dominieren Zweitverwertungen
gruppe, die mit ihrer Plattform Audio Now in
von Sendungen, die im linearen Programm aus-
die Offensive gegangen ist und den großen
gestrahlt werden. Dies lässt sich kaum sofort
Plattformen Spotify und Apple die Stirn bieten
ändern, wohl aber, wenn sich die ARD in den
will. RTL setzt dabei weniger auf tiefschürfende
nächsten Jahren tatsächlich in ein non-lineares
Inhalte, sondern auf seinen bewährten unter
Content-Netzwerk verwandeln will, wie es Sen-
haltungsorientierten Ansatz – garniert mit
derchef Buhrow angekündigt hat. Dabei wäre
möglichst viel Werbung. Damit verleiht die Ber-
Kommerzielle
den ARD-Strategen* zu raten, den besonderen
telsmann-Tochter der deutschen Podcast-Land-
Note durch RTL
Charakter „reiner“ Podcasts zu bedenken, wel-
schaft eine stärker kommerzielle Note. 79
Den richtigen Ton treffen
7 Private Verlagshäuser
Seit Jahren befinden sich die Zeitschriften-
Göttinger Tageblatt regelmäßig über Podcasts,
und vor allem die Tageszeitungsverlage in
betreibt selbst aber keine mehr.
einer Strukturkrise. Deshalb treiben sie die
Zehn Jahre später, zu Beginn der zweiten
Digitalisierung ihrer Medienangebote vor-
PC-Welle, vermeldet die Drehscheibe, eine
an, Podcasts sind oft Teil dieser Strategie.
Zeitschrift für Lokaljournalismus, dass einige
Im vorliegenden Kapitel wird aufgezeigt und
Verlage wieder mit dem Format experimen-
analysiert, wie weit die deutschen Tages- und
tierten. Einen „Siegeszug“ haben die PC laut
Wochenzeitungen (Kapitel 7.1) sowie Politik-
der Zeitschrift im Lokaljournalismus aber noch
und Wirtschaftsmagazine (Kapitel 7.2) mit dem
nicht angetreten. So würden einige Zeitungen
Einsatz von Podcasts gelangt sind und welche
einzelne Staffeln produzieren, etwa bei Land-
Funktionen diese im Rahmen ihrer Digitali-
tagswahlkämpfen. Andere setzten stärker auf
sierungsstrategien übernehmen. Neben der
Wochenrückblicke, bei denen meist der Mode-
Wochenzeitung Die Zeit haben mit der zweiten
rator* Fachredakteure* aus dem Hause zu ih-
Podcast-Welle ab 2017 vor allem die Süddeut-
ren Spezialstrecken interviewt. Die Hörer*zah-
sche Zeitung und das Nachrichtenmagazin Der
len sind meist nicht viel höher als 2008 beim
Spiegel die Initiative ergriffen. Ihre jeweiligen
Göttinger Tageblatt, um die 1.000 Abrufe pro
Strategien werden in zwei Fallbeispielen ge-
Tag (Martens 2018: 14-15).
nauer unter die Lupe genommen.
Im Gegenzug zur ersten Welle ist das Engagement der Redaktionen dieses Mal jedoch
7.1 Tages- und Wochenzeitungen zwischen Marketing-Experiment und Großoffensive
nachhaltiger. Und den Pionieren* – allen voran die Wochenzeitung Die Zeit – folgen viele weitere nach, zumal die Rahmenbedingungen deutlich günstiger sind als bei der ersten
Während der ersten Podcast-Welle in den
Welle (vgl. Kapitel 3 und 4). Nach einer Um-
Nullerjahren experimentieren auch Tageszei-
verbands Digitalpublisher frage des Bundes
tungen mit dem neuen Format, darunter auch
und Zeitungsverleger (BDZV) und der Unter
kleinere. So betreibt das Göttinger Tageblatt
nehmensberatung Schickler haben bis An-
Zwei Drittel der
(damalige Auflage: 44.000) im Jahr 2008 fünf
fang 2020 fast zwei Drittel (63 Prozent) aller
Zeitungsverlage
Podcasts, unter anderem einen Mundart-PC auf
deutschen Tages- und Wochenzeitungsverlage
mit Podcasts
Plattdeutsch und einen „Laber-PC“, bei dem
regelmäßig erscheinende Podcasts in ihr Pro-
zwei Redakteure* kochen und „ablästern“. Da-
duktportfolio aufgenommen (BDZV/Schickler
mit sollen Themen umgesetzt werden, die sich
2020: 26). Der hohe Wert verwundert nicht:
nicht über die Zeitung transportieren lassen,
Für Zeitungsverlage ist es naheliegend, sich
erklärt die damals für das Projekt zuständige
an diesem neuen Medienkanal auszuprobie-
Volontärin. Die PC erhalten rund 1.000 Abrufe
ren. Denn der Tiefgang und die Ausführlichkeit,
pro Tag (o. V. 2008: 10). Heute schreibt zwar das
die dem PC inhärent sind, korrespondieren
80
Private Verlagshäuser
mit dem Selbstverständnis vieler Tages- und
bis 2024 um durchschnittlich 4 Prozent pro Jahr
Wochenzeitungen. Podcasts bilden für sie die
(Price Waterhouse Coopers 2020b: 51).
Möglichkeit, über einen eigenständigen Kanal
Die Tageszeitungen haben vor allem mit
mit neuen journalistischen Formaten zu arbei-
Schwund bei jüngeren Mediennutzern* zwi-
ten, insbesondere Audio-Interviews und länge-
schen 14 und 29 Jahren zu kämpfen, aber auch
re Dialogformate (vgl. Kapitel 2.2).
bei der „30er-Kohorte“ (vgl. Kapitel 8.1). Dabei
Nicht zuletzt jedoch lässt sich das große
geht es schon lange nicht mehr um die Printaus-
Heilmittel gegen
Interesse auf ökonomische Zwänge zurückfüh-
gaben, sondern auch um die digitalen Versionen
die Strukturkrise?
ren. Seit ca. 2002 herrscht eine Medienstruk-
der Medientitel. So muss das strategische Ziel
turkrise, die gerade die Tageszeitungen schwer
der Tageszeitungen darin bestehen, neue Nut-
mitgenommen hat. Mit dem Aufkommen des
zer* – dabei vor allem jüngere – dauerhaft für
Internets werden Anzeigen nicht mehr aus-
sich zu gewinnen, so dass diese in bestenfalls
schließlich, ja immer weniger in rein journa-
täglicher Regelmäßigkeit Angebote der jeweili-
listischen Medien geschaltet. Und die Medien
gen Zeitung wahrnehmen. Idealerweise kosten-
explosion hat zu einer überbordenden Vielfalt
pflichtige, die sich hinter einer Bezahlschranke
publizistischer Produkte geführt, in der sich die
(„Paywall“) befinden. Deshalb seien die neuen
etablierten Medienhäuser in einem deutlich
Audio-Angebote auch als „große Chance“ zur
verschärften Wettbewerb um die Aufmerksam-
Verbreitung redaktioneller Inhalte wie vor allem
keit der Nutzer* behaupten müssen. Mitte 2020
regionaler und lokaler Themen zu sehen, sagt
konstatiert der Zeitungswissenschaftler Horst
Holger Kansky, Leiter Digital beim BDZV. Kans-
Verlegerverband
Röper (2020: 333) in einer Branchenanalyse des
kys Worte klingen fast schon mahnend, wenn er
rät zu
ersten Quartals: „Die wirtschaftliche Lage vie-
betont, die Verlagshäuser seien „gut beraten,
Audio-Strategie
ler Marktteilnehmer ist nach wie vor schwierig.
einen Plan zu entwickeln, wie sie ihren Content
Rückläufige Werbeumsätze und anhaltende Auf-
audiofähig machen und neue Hörerkreise er-
lagenverluste prägen das alltägliche Geschäft
schließen“ (Anfrage Kansky 2020).
[…].“ Dieser Satz hat dabei Gültigkeit für die
Podcasts kommen dabei vor allem zwei
meisten der vergangenen zwanzig Jahre. 2019
Funktionen zu. Zum einen können sie als neu-
erzielten die deutschen Tageszeitungen einen
es Format fungieren, dessen Inhalte nur ab-
Podcasts als
Gesamtumsatz von 7,5 Milliarden Euro, ein Rück-
gerufen werden können, wenn man zuvor ein
Bestandteil
gang von 1,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Digital-Abo abgeschlossen hat. Diese Variante
von Digital-Abos
2001 hatten sich die Erlöse noch auf 9,4 Milliar-
ist bisher allerdings noch nicht sehr verbreitet.
den Euro summiert (Röper 2020: 334). Die Be-
Offenbar weil das Publikum die PC noch nicht
ratungsgesellschaft Price Waterhouse Coopers
als „wertig“ oder „exklusiv“ genug betrachtet,
schätzt, dass sich auch nach dem Pandemie-
um dafür zu bezahlen. Aber auch, weil die Me-
bedingten Einbruch 2020 die Umsatzrückgänge
dienhäuser Plattformen wie Spotify und Apple
in der Branche fortsetzen werden – und zwar
Podcasts mit ihren PC bestücken, um Reich-
81
Den richtigen Ton treffen
weite zu erzielen und damit hoffentlich neues
generieren“ und ein eigenständiges Angebot
Publikum ansprechen. Auf den Audiostrea
aufzubauen, das aus Idealsicht der Verlage
ming-Plattformen können die Nutzer* – von
mittelfristig nur noch hinter einer Paywall an-
wenigen Ausnahmen wie der Plattform Audible
zusteuern ist. Bis auf Weiteres sind die meisten
abgesehen – diese PC jedoch (um den Preis von
PC aber noch kostenlos zugänglich.
Werbung) kostenlos abrufen. Deshalb dient die
Die Ergebnisse der Umfrage von BDZV/
erdrückende Mehrheit der PC den Tages- und
Schickler (2020) decken sich weitgehend mit
Umfrage
Wochenzeitungen bisher als kostenloses, frei
einer qualitativen Umfrage, die die Autoren*
bei mehr als
zugängliches Marketing-Instrument, um vor al-
dieser Studie zwischen Mitte November 2020
50 Tageszeitungen
lem ein jüngeres Publikum für das vermeintlich
und Mitte Januar 2021 bei überregionalen so-
veraltete Produkt Tageszeitung überhaupt erst
wie regionalen Tages- und Wochenzeitungen
einmal zu interessieren: Abbildung 21 zeigt,
durchgeführt haben. Hier wurden allerdings
dass vier Fünftel derjenigen Verlagshäuser,
keine Multiple-Choice-Fragebögen verschickt,
die Podcasts betreiben, diese vor allem zur
sondern offene Fragen gestellt, was die Mög-
„Erschließung neuer Zielgruppen“ einsetzen.
lichkeit einer ergänzenden qualitativen Aus-
Zu diesem Ansatz gehört sicher auch, wie von
wertung eröffnet. Insgesamt 53 Mediengruppen
den Befragten angegeben , „Mehrwerte zu
und Einzeltitel wurden per E-Mail angeschrie-
15
Abbildung 21
Ziele von Zeitungsverlagen beim Aufbau von Podcasts (2020, in Prozent) 80 %
80
Prozent
60
54 %
58 %
59 %
Aufbau eines eigenständigen Angebots
Leser*bindung
63 %
40 20 0 Mehrwerte generieren
Inspiration für neue Produkte
Erschließung neuer Zielgruppen
Quelle: BDZV/Schickler (2020: 26). Mehrfachnennungen möglich. Eigene Darstellung.
15 An der Umfrage haben 132 Entscheider* (Geschäftsführer*, Verleger*, Chefredakteure* etc.) von deutschen Tagesund Wochenzeitungen teilgenommen, die 58 Prozent der Auflage aller Tageszeitungen in Deutschland abdecken (BDZV/Schickler 2020: 2).
82
Private Verlagshäuser
ben: 18 haben – in der Regel ausführlich – ge-
Fall als regelmäßig zahlende Abonnenten.
antwortet. Darunter befinden sich die meisten
Zuerst ist also der Podcast selbst das Mit-
der führenden Verlagshäuser wie die Süddeut-
tel zum Zweck, nämlich potentielle Kunden
sche Zeitung (vgl. Fallbeispiel), die Frankfurter
zu erreichen. Nach der Kundengewinnung
Allgemeine Zeitung, die Axel Springer SE (Die
geht es uns um die Kundenbindung. Heißt:
Welt, Welt am Sonntag, Bild) und die auf Re-
Aus regelmäßig an unseren Themen interes-
gionaltitel spezialisierte Funke Mediengruppe
sierten Nutzern Kunden zu machen – auch
(WAZ, Braunschweiger Zeitung etc.). Drei der
mittels Eigenwerbung mit entsprechenden
18 Medientitel haben auf die Anfrage reagiert,
Hinweisen auf unser Digital-Abo.“
wollten aber keine Auskunft geben, unter anderem weil „es noch zu früh sei, um unsere Erfah-
Die qualitative Umfrage hat ergeben, dass nur
16
rungsschätze mit der Öffentlichkeit zu teilen“.
wenige Verlagshäuser ganz bewusst PC dafür
In der Tat lässt sich festhalten, dass sich
einsetzen, um ihr Markenimage aufzupolie-
das „Projekt Podcasting“ bei Tageszeitungen
ren. Eine der wenigen Ausnahmen bildet die
Weitgehend
noch weitgehend „im Experimentierstadium“
relativ kleine, aber bundesweit erscheinende
im Experimentier-
befindet, wie es ein verantwortlicher Redakteur
Wochenzeitung Der Freitag (Auflage Anfang
stadium
formulierte. Knapp zwei Drittel der von BDZV/
2021: 25.000). „Durch die Podcasts sollen die
Schickler (2020) Befragten gaben ganz in die-
Redaktionsmitglieder des Freitag in der Wahr-
sem Geiste an, dass sie Podcasts als „Inspira-
nehmung präsenter werden und der Freitag als
tion für neue Produkte“ betrachteten. Torsten
Marke fassbarer“, heißt es bei der Wochenzei-
Maier, stellvertretender Chefredakteur der
tung, deren öffentliches Image stark von He-
Aschaffenburger Regionalzeitung Main-Echo,
rausgeber und Chefredakteur Jakob Augstein
bringt auf den Punkt, wie der Podcast-Prozess
geprägt wird. PC werden teilweise auch für
gestaltet werden sollte. Nach Maier gelingt es
andere Markenziele eingesetzt. So werden
fast nur noch über digitale Kanäle, ein jünge-
im Live-PC der Augsburger Allgemeinen hoch-
res Publikum zu erreichen. Die Zielgruppe sol-
rangige Politiker* wie Bundeskanzlerin Merkel,
le das Unternehmen nicht mehr nur als in die
Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer
Jahre gekommenen Printverlag, sondern als
oder der bayerische Ministerpräsident Söder
modernes, digitales Medienhaus begreifen.
interviewt. Vorrangiges Ziel ist es hierbei, bun-
Und weiter:
desweite Aufmerksamkeit und Geltung für die Regionalzeitung zu erzeugen, mithin die Augs-
„Langfristig hoffen wir, die Zielgruppe an un-
burger Allgemeine ähnlich als Marke mit über-
Das Markenimage
ser Haus binden zu können – im optimalen
regionaler Strahlkraft zu etablieren.
verbessern
16 In Anhang B befindet sich die Liste der Medienhäuser, die geantwortet haben. Im Weiteren wird deshalb darauf verzichtet, für Zitate aus den Antworten einzelne Belege im Text sowie im Literaturverzeichnis aufzuführen. Sofern keine andere Quelle angegeben, stammen die Zitate somit stets aus den jeweiligen Antworten der Medienhäuser.
83
Den richtigen Ton treffen
Meist sind die Podcasts „eingebettet in
Abschluss kostenpflichtiger Abos wirbt. „Stän-
eine umfassende Digitalisierungsstrategie, die
dig schreiben uns Neuabonnenten, dass sie ei-
derzeit umgesetzt wird“, wie es etwa bei der
gentlich über die Podcasts zu uns gekommen
Börsenzeitung heißt. Bei den meisten Medien-
sind“, gibt Zeit Online-Chef Jochen Wegner im
häusern bedeutet Digitalstrategie nicht mehr
Frühjahr 2020 gegenüber der Medienfachzeit-
wie vor einigen Jahren noch der verstärkte Ein-
schrift Kress Pro zu Protokoll (Wegner 2020).
satz von Videos, mobilen Apps und sozialen
Genaue Zahlen gibt Wegner jedoch nicht be-
Medien. Oft ist sie mittlerweile ein anderes
kannt, genauso wenig wie das Hamburger
Wort für „Konversion“ geworden, also für ge-
Abendblatt, das ebenfalls als führend unter
Nutzer*
zielte Maßnahmen, um regelmäßige Nutzer*
den deutschen Zeitungspodcast-Produzenten
als zahlende
der kostenlosen Online-Angebote zu zahlen-
gilt (Faust 2020).
Abonnenten*
den Digital-Abonnenten* zu machen (vgl. Ab-
Die Umfrage der Studienautoren* zeigt
bildung 22). Umso bemerkenswerter ist, dass
zudem, dass die Medienhäuser mit Hilfe von
unter den untersuchten Medienhäusern bisher
Podcasts vor allem jüngere Nutzer* gewinnen
nur eine kleine Minderheit in ihren Podcasts
wollen. Dabei wird teilweise noch weiter aus-
oder deren Umfeld wie den Shownotes für den
differenziert. Die FAZ will vor allem Menschen
17
Abbildung 22
Der „Podcast-Prozess“ bei klassischen Medienhäusern
Kunden*gewinnung
Kunden*bindung
Verkauf Digitalabos
Markenpflege
Quelle: Eigene Darstellung.
17 Als federführend gilt hier unter anderem die Rheinische Post. Die Düsseldorfer Verlagsgruppe hat schon sehr früh damit begonnen, ein umfangreiches Internet-Angebot aufzubauen. Seit 2020 forciert die Rheinische Post den Vertrieb kostenpflichtiger Digitalabos. Offensichtlich mit Erfolg, denn der Anteil der verkauften Digitalausgabe der Zeitung macht inzwischen rund 13 Prozent der Gesamtauflage aus (Röper 2020: 348).
84
Private Verlagshäuser
„mit hohem Bildungsabschluss“ ansprechen,
stärker politische Format Sprechstunde als Ver-
bei der Börsenzeitung soll die Marke – neben
tiefung und Ergänzung der Printinhalte. In den
Entscheidern* der mittleren und oberen Füh-
diversen Printprodukten der Mediengruppe
rungsebene – „auch im Bewusstsein der Nach-
werden die Podcasts mit Anzeigen beworben.
wuchskräfte im Finanzbereich, etwa Millenials,
Die Podcasts sind kostenfrei zugänglich auf
verankert werden“. Und die Rheinische Post hat
dem Verlags-Newsportal Idowa. Sie sollen für
festgestellt: „Wir erreichen mit den Podcasts
zusätzlichen Traffic auf diesem Portal sorgen,
häufig Frauen im Alter zwischen 25 und 34 –
vor allem von jüngeren Mediennutzern*.
eine Gruppe, die wir mit den weiteren Ange-
Einige der untersuchten Medienhäuser sind
boten unserer Häuser sonst eher selten errei-
auf dem Feld der Podcasts besonders aktiv.
chen.“ Die Rheinische Post koppelt zudem ihre
Die auf Regionalzeitungen spezialisierte Fun-
PC mit ihrem Instagram-Auftritt. Der Bremer
ke Mediengruppe, zu welcher auch das Ham-
Funke Medien-
Weser-Kurier hat sein PC-Format Wer macht so
burger Abendblatt gehört, hat eine regelrechte
gruppe startet
was?, bei dem junge Reporter* junge Bremer*
Podcast-Offensive gestartet und zählt mehr als
Podcast-Offensive
interviewen, aus einer Befragungsrunde seiner
50 Podcasts in ihrem Portfolio. Strategisches
Social-Media-Abonnenten* heraus gestaltet.
Ziel ist es, alle Inhalte (inklusive vorgelesener
Es geht aber freilich nicht nur darum, völ-
Artikel) auf einer zentralen Audio-Plattform zu
lig neue Zielgruppen zu erschließen und dau-
bündeln und noch 2021 „mindestens eine Au-
erhaft an das Medium zu binden. Fast noch
dio App zu launchen“. Ähnliche Pläne gibt es
wichtiger ist es den Verlagen, bestehende
auch bei der Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Nutzer* und Kunden* bei der Stange zu hal-
Sie hat nach eigenen Angaben den „Ausbau
ten. So ist die Frankfurter Allgemeine Zei-
der Podcast-Palette […] aufgrund des großen
tung dabei, insgesamt ihr Audio-Angebot zu
Zuspruchs auf die ersten Angebote vorange-
erweitern und geschriebene Artikel mit Hilfe
trieben“, so dass sie mittlerweile elf PC im An-
von Text-to-Speech-Technologien zu vertonen.
gebot führt. Dabei haben die PC der FAZ 2020
Podcasts ins
Damit sollen beispielsweise auch Autofahrer*
über eine Million Downloads erzielt, eine Ver-
Auto bringen
besser erreicht werden. Ähnliche Vorhaben
doppelung gegenüber dem Vorjahr. Die The-
verfolgt offenbar der Axel-Springer-Konzern,
men decken ein breites Spektrum ab, so gibt
der seine Podcasts verstärkt in fahrende Au-
es seit 2020 beispielsweise den täglichen FAZ
tos bringen will. Die Neue Osnabrücker Zeitung
Podcast für Deutschland, der schon wiederholt
hat sogar alle ihre rund 50 Redakteure* eine
in die Top-50-Charts der Apple Podcasts vor-
Sprecher*ausbildung durchlaufen lassen, da-
gedrungen ist und jeweils ein aktuelles Thema
mit die Autoren* ihre Texte persönlich verlesen
in den Fokus stellt. Die dritte große überregio-
können (Dodel 2020: 4-5). Die Redaktion „Frei
nale Qualitätszeitung, die Welt, hat zwar kei-
stunde“ des Straubinger Tagblatt gestaltet die
nen tagesaktuellen Podcast, Welt-Eigentümer
Podcast-Serie Wie tickt mein Kopf? sowie das
Axel Springer SE hält jedoch gut ein Drittel an
85
Den richtigen Ton treffen
dem Unternehmen Media Pioneer, dessen Chef
tieren die beiden Chefredakteure der Zeitung
Gabor Steingart den sehr reichweitenstarken
vor allem bundespolitische Entwicklungen.
tagesaktuellen PC Steingarts Morning Briefing
Und mit Akte Südwest betreibt die Zeitung ein
sowie noch einige weitere Podcasts betreibt.
True-Crime-Format, das sich mit Kriminalfäl-
Insgesamt hat die Welt selbst sieben Podcasts
len aus Baden-Württemberg beschäftigt. Der
im Portfolio, mit einem Schwerpunkt auf dem
Wahl-Check Süd-West wurde schließlich für
Themenfeld Wirtschaft und Finanzen. Die eben-
die Landtagswahlen in Baden-Württemberg
falls zu Springer gehörende Bild-Zeitung bringt
Anfang 2021 aus der Taufe gehoben und da-
einmal täglich ein kurzes News Update. Als Ein-
nach auch wieder eingestellt. „Unsere Daten
zeltitel dürfte jedoch die Zeit mit zwölf laufen-
zeigen, dass über 50 Prozent der Hörer im Alter
den PC im ihrem Portfolio (Stand: Mai 2021) die
zwischen 18 und 34 Jahren sind“, sagt der ver-
Zeitung mit den meisten PC darstellen.
antwortliche Redakteur.
Abbildung 23 zeigt anteilig, wie viele Tages-
Mit 34 Prozent betreibt ein weiteres Drit-
oder Wochenzeitungen einen oder mehrere
tel bisher nur ein bis zwei Podcasts (BDZV/
Podcasts produzieren. Fast ein Drittel hat mehr
Schickler 2020: 25). Der Schwerpunkt liegt hier
als drei Podcasts im Angebot – davon rund acht
eindeutig auf regionalen und lokalen Themen,
Prozent mehr als sechs und jede fünfte Zeitung
die jedoch nicht immer einen gesellschaftspoli
Typisches Beispiel:
(20 Prozent) drei bis fünf Podcasts. Einen ty-
tischen Inhalt haben. Die niedrige Anzahl von
Die Südwestpresse
pischen Vertreter dieser letzteren Kategorie
Podcasts der Mehrheit der Tageszeitungen mag
aus Ulm
stellt die Südwestpresse aus Ulm dar: In ihrem
zum einen mit der Verlagsgröße zusammenhän-
Podcast Donauwelle dominieren Themen mit
gen, zum anderen aber auch damit, dass ver-
regionalem Fokus, in Die Leitung steht disku-
schiedene Medienhäuser eine gewisse Zurück-
Abbildung 23
Anzahl der betriebenen Podcasts bei Tages- und Wochenzeitungen (in Prozent) ≥ 6 Podcasts
8,19 % 3 bis 5 Podcasts
keine Podcasts
37 %
20,79 %
34,02 % 1 bis 2 Podcasts
Quelle: Eigene Darstellung nach BDZV/Schickler (2020: 26).
86
Private Verlagshäuser
haltung an den Tag legen und Podcasts deshalb
ger werden. Dazu gibt es erste Fingerübungen.
nicht im Mittelpunkt stehen. Ein Beispiel ist der
So hat das Unternehmen OMS, ein Vermark-
Hamburger Verlag Bauer Media Group (Bravo,
ter von Digitalangeboten regionaler Verlage,
Das Neue Blatt), dem mit der Magdeburger
zusammen mit Deutschlands größter Nach-
Volksstimme und der Mitteldeutschen Zeitung
richtenagentur, der dpa, einen sogenannten
Experimente mit
zwei Tageszeitungen gehören. Beide betreiben
White-Label-Podcast entwickelt. White-Label-
White-Label-
mit Sachsen-Anhalt von links nach rechts nur
Podcasts stellen eine Art Podcast-„Grund
Podcasts
einen gemeinsamen PC. „Insgesamt stehen
gerüst“ zur Verfügung, welches mit wenig hand-
derzeit aber eher andere Produktkategorien im
werklichem Aufwand mit eigenen Inhalten an-
Fokus“, heißt es bei der Bauer Media Group.
gereichert oder um weitere „gelieferte“ Inhalte
Ähnlich sollte das Verhalten der fast 37 Pro-
ergänzt werden kann. Konkret besteht dieser
zent der deutschen Tages- und Wochenzeitun-
Podcast-Rohling aus einem ca. zehnminütigen
gen, die gar keine Podcasts betreiben, nicht
Magazin mit einer dpa-Moderatorin und Kor-
nur als rein abwartende Haltung interpretiert
respondenten*, die aus Deutschland und der
werden. Die Passivität spiegelt durchaus eine
cast kann Welt berichten. Der jeweilige Pod
gewisse Skepsis wider. Eine solche kommt bei-
aber auch um Kurzmeldungen aus der Region
spielsweise beim Nordkurier zum Ausdruck,
ergänzt werden, die eine Text-to-Speech-Engine
der mit einer Auflage von 60.000 verkauften
„einspricht“. Es handelt sich um einen auto-
Exemplaren im Großraum Neubrandenburg er-
matisierten Prozess, den der Vermarkter OMS
scheint. Gabriel Kords, stellvertretender Chef-
anbietet, um über ebenfalls automatisierte
redakteur, kann das betriebswirtschaftliche
Prozesse Werbung in die Podcasts einfügen
Potential von Podcasts nicht erkennen: „Mit
zu können (o. V. 2021). Einer von drei Verlagen,
kostenlosen, aufwendig produzierten Angebo-
die den OMS/dpa-Podcast eingeführt haben,
ten im Internet zur Steigerung unserer Wahr-
ist die Mainzer VRM Mediengruppe, deren Pu-
nehmbarkeit haben wir in den vergangenen
blikationen (Allgemeine Zeitung, Wiesbadener
Jahren größtenteils negative Erfahrungen ge-
Kurier, Darmstädter Echo etc.) vornehmlich
macht, weil sie viel Geld gekostet haben, aber
im südlichen und südwestlichen Rhein-Main-
Hier geht’s zu
keine messebaren Erfolge in digitaler Moneta-
Gebiet erscheinen. So sind in den PC Gude,
Gude, Südhessen!
risierung nach sich gezogen haben.“ Kords will
Südhessen! und Gude, Mittelhessen! den über-
aber nicht ausschließen, dass seine Zeitung in
regionalen Anteilen des OMS/dpa-Podcasts
Zukunft doch noch mit PC-Angeboten startet.
automatisierte Nachrichten aus Süd- bzw. Mit-
Noch viel Skepsis
Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn
telhessen nach- bzw. vorgeschaltet.18 Zu den
die Kosten und der personelle Aufwand für die
weiteren Pionieren zählen die Aachener Zeitung
… und Gude,
Eigenproduktion von Podcasts spürbar gerin-
und die Nordwest-Zeitung aus Oldenburg.
Mittelhessen!
18 Die PC ergänzen allerdings nur das umfassende Podcast-Angebot der VRM-Gruppe. Neben Sport und True Crime stehen hier lokale, teils hyperlokale Formate im Vordergrund, oft mit einem lokalpolitisch-diskursiven Einschlag, etwa bei der vierzehntäglichen Babbelbox.
87
Den richtigen Ton treffen
Zeitung. „Wenn zudem unsere Autoren* von
ihren Recherchen erzählen, schaffen sie
Fallbeispiel: Die Süddeutsche Zeitung
Als Mitte Januar 2021 Armin Laschet zum
und im Folgenden: Interview Leitgeb 2021)
neuen CDU-Vorsitzenden gewählt wird, gibt
Ziel und Anspruch des Formats sei es, das
schon wenig später ein Berlin-Korrespon-
wichtigste Thema des Tages in den größe-
dent der Süddeutschen Zeitung (SZ) erste
ren gesellschaftlichen und politischen Kon-
Einschätzungen über die politischen Folgen
text einzuordnen, aber auch sehr komplexe
dieser Wahl. Nicht etwa in einem Kommen-
Themen grundsätzlich zu erklären. AdP ist
tar der Online-Ausgabe, sondern in einem
folglich kein klassisches Nachrichtenmaga-
Hier geht’s zu
Podcast – im Gespräch mit einem Modera-
zin, das ein sehr breites Spektrum wichtiger
Auf den Punkt
tor*. Auf den Punkt (AdP) heißt der tägliche
News bündelt. Vielmehr gehen die Macher*
Nachrichten-Podcast der SZ, in dem die
davon aus, dass die meisten Nutzer* die
Laschet-Wahl analysiert wird. Er rangiert
wichtigsten Nachrichten des Tages bereits
unter den Top-50-Podcasts der deutschen
über andere Kanäle erfahren haben. Hier
Spotify-Charts.
werden nun eines besonders stark vertieft
Das Format beginnt stets mit einem kurzen
sowie zwei bis drei andere Schlaglichter er-
musikalisch unterlegten Intro, der Host*
wähnt.
auch Vertrauen bei unseren Hörern*.“ (hier
moderiert das Thema des Tages an, manch-
Während AdP zehn bis zwölf Minuten lang
mal wird dazu auch ein aktueller O-Ton
und Mitte 2018 gestartet ist, dauert Das
eingespielt. Dann folgt ein rund zehnminü-
Thema meist eine gute halbe bis zu einer
Redakteure*
tiges Gespräch – in der Regel mit einem Re-
knappen Stunde und markierte bereits im
aus dem Haus
dakteur* oder Korrespondenten* aus dem
Herbst 2017 den Beginn der zweiten Pod-
hinter dem Mikro
Verlag. Der Moderator* trägt zwei bis drei
cast-Offensive der Süddeutschen Zeitung.
aktuelle Meldungen vor und beschließt die
Alle zwei Wochen wird dort ein aktuelles
Episode mit einigen Hinweisen auf Texte
kontroverses Thema ausführlich disku-
aus dem SZ-Online-Angebot, manche davon
tiert – meist mit Redakteuren* der SZ.
kostenpflichtig, andere nicht. Dabei zieht
Außerdem im Portfolio: Der 14-tägige Hin-
die SZ-Audioredaktion bisher eher selten
tergrund-PC Und nun zum Sport, Plan W –
Historiker*, Politikwissenschaftler*, Virolo-
Der Wirtschafts-Podcast, der sich vor allem
gen* oder andere Spezialisten* von außen
an Frauen wendet, sowie Querfragen der Ju-
zu Rate, sondern verlässt sich vornehmlich
gendredaktion jetzt. Zwei Podcast-Staffeln
auf die Expertise ihrer Fachredakteure* aus
des SZ-Magazin sowie Milbergs literarischer
dem eigenen Haus. „Es ist uns extrem wich-
Balkon sind ausgelaufen. So betreibt die SZ
Mit fünf Podcasts
tig, dieses eigene Wissen unserem Publi-
derzeit fünf Podcasts – nicht wenig, aber
am Start
kum zu vermitteln“, sagt Vinzent-Vitus Leit-
eben auch nicht sehr viel für die auflagen-
geb, Teamleiter Audio bei der Süddeutschen
stärkste Qualitätszeitung Deutschlands.
88
Private Verlagshäuser
Dies passt allerdings gut zur genauso effi-
tiert seinen Werbepartnern jedoch mindes-
Effiziente
zienten wie effektiven Vorgehensweise der
tens 20.000 Abrufe pro Folge, die laut SZ
Produktion
SZ bei der Podcast-Produktion: Sie erfolgt
häufig weit übertroffen werden (Schneider
mit Bordmitteln
zum großen Teil mit Bordmitteln. Im Zuge
2021).
der ersten Podcast-Welle hat sich die Süd-
„Die Podcasts sind ein wichtiger Teil der
deutsche 2007 ein kleines Hörfunk-Studio
Strategie unseres Hauses, die SZ noch
eingerichtet, das in den vergangenen Jah-
digitaler zu machen“, sagt Leitgeb. „Mit
ren mit neuer, digitaler Technik aufgepeppt
dem neuen Medium Podcast erschließen
worden ist. „Wir sind ein junges Team“, sagt
wir neue Zielgruppen und bieten zugleich
Teamleiter Leitgeb. Die Crew besteht im
unseren Abonnenten* einen zusätzlichen
Kern aus vier jüngeren Redakteuren*, zwei
Service.“ Rund drei Viertel der Hörer*schaft
Junges, urbanes
Producern* sowie Werkstudierenden. Theo
seien zwischen 18 und 35 Jahre jung, ha-
Publikum
retisch arbeiten auch alle Redakteure* aus
ben Tracking-Analysen der Süddeutschen
dem Haus mit, wenn sie zu einem Thema aus
Zeitung ergeben. Das Verhältnis zwischen
ihrem Spezialgebiet Auskunft geben sollen.
Männern und Frauen sei weitgehend aus-
Sie können dafür ein Sprecher*training ab-
geglichen. Es habe sich aber auch gezeigt,
solvieren, müssen aber nicht. Mit der Unter
dass viele Nutzer* nicht nur aus München,
stützung eines externen Podcast-Labels
sondern auch anderen deutschen Groß-
wird lediglich Plan W produziert.
städten stammten. Und: Bei vielen handele
Die SZ versteht Auf den Punkt und ihre an-
es sich um regelmäßige Hörer*, vor allem
deren Podcasts dabei als eigenständige
bei Auf den Punkt. Was wiederum nicht ver-
publizistische Angebote und betrachtet sie
wundert, denn die große Mehrheit habe die
weniger, wie dies bei anderen Medien oft
SZ-Podcasts über Apple Podcasts, Spotify
der Fall ist, als Marketing-Instrument, um
und andere Plattformen abonniert. Die Pod
bei neuen Zielgruppen auf sich aufmerksam
cast-Website der SZ spiele nur dann eine
zu machen und so im Idealfall neue Kunden*
bedeutende Rolle, sagt Leitgeb, wenn neue
zu gewinnen. Aus diesem Grund wird in den
Formate lanciert würden und Nutzer* die
Podcasts keine gezielte Eigenwerbung,
Podcasts testen wollten.
etwa für das kostenpflichtige Digital-Abo
Einen Sonderfall stellen diejenigen Pod
„SZ Plus“, betrieben. Zur Finanzierung der
casts dar, die die SZ für die ProSieben-
mit FYEO
auf der SZ-Webseite kostenlos abrufbaren
Sat.1-Plattform FYEO entwickelt und produ-
und Spotify
Podcasts trägt die Werbung von Dritten bei:
ziert hat. Hier muss der Nutzer* ein FYEO-
Seit 2019 werden alle Formate regelmäßig
Abo abschließen oder SZ-Abonnent* sein
mit vorproduzierten Werbespots bespielt
(diesen werden die Produktionen etwas
(von den Moderatoren* eingesprochene
später zur Verfügung gestellt) – die Pod-
Werbung, sogenannte Host Reads, prakti-
casts sind im Gegensatz zu den anderen PC
ziert die SZ jedoch nicht). Der Verlag garan-
der SZ also kostenpflichtig. Bislang hat die
Kooperation
89
Den richtigen Ton treffen
Süddeutsche drei Doku-Features für FYEO
Minus von fast 4 Prozent gegenüber dem Vor-
beigesteuert. Diese Podcasts basieren auf
jahr. Bedingt durch die Corona-Pandemie gab
vorangegangenen ausgiebigen Recherchen
es 2020 vor allem einen dramatischen Einbruch
der Süddeutschen Zeitung und für alle drei
bei den Werbeerlösen.20 Nach Schätzungen
hat FYEO der SZ eine fixe Vergütung bezahlt,
des Beratungsunternehmens Price Waterhouse
die SZ fungiert hier also als Lieferantin von
Coopers werden sich die Umsätze ab 2021 aber
Inhalten. Ob und wie sich die Kooperation
nicht wieder erholen, sondern weiter abschmel-
zwischen SZ und ProSiebenSat.1 nach Ab-
zen – bis 2024 um jährlich rund 5 Prozent. Da-
Zeitschriften-
schaltung von FYEO als eigenständiger App
mit schrumpfen die Erlöse noch stärker als bei
Markt schrumpft
fortsetzt wird sich zeigen müssen. Seit März
den Tages- und Wochenzeitungen.
2021 arbeitet die Süddeutsche Zeitung auch
Insgesamt betrachtet ist der deutsche Zeit-
enger mit Spotify zusammen und produziert
schriftenmarkt thematisch extrem breit gefä-
unter dem Dach des Streamingdienstes
chert. Anfang 2020 gab es 1.569 verschiedene
drei „Originals“ mit gesellschaftspolitisch-
Zeitschriften, die meisten davon waren jedoch
historischem Einschlag (Krei 2021).
Programm- und eher boulevardesk gestaltete
Frauenzeitschriften. Und auch die dahinter rangierenden Wohn- und Gartenzeitschriften sowie die Autozeitschriften dürften wenig zur
7.2 Am Hadern? Politik- und Wirtschaftsmagazine
politischen Meinungsbildung beitragen bzw. zu den (gesellschafts)politisch informierenden
Auch die Verleger* von Zeitschriften und Ma-
Zeitschriften gehören, welche hier im Fokus
gazinen haben schon bessere Zeiten gesehen.
stehen sollen. Mit rund 230 Titeln machten die
Politik-
Zwar sind hier die Auswirkungen der Digitali-
sehr breit definierten „Aktuellen Zeitschriften
Zeitschriften
sierung bisher nicht ganz so dramatisch wie bei
und Magazine“ sowie die „Wirtschaftspresse“
klein, aber wichtig
den Tageszeitungen, aber auch die deutsche
zusammen nur knapp 14 Prozent aller Titel
Zeitschriftenbranche bekommt die Auswirkun-
aus (Verband Deutscher Zeitschriftenverleger
gen des Medienwandels deutlich zu spüren. Im-
2020). Der Markt der Politikmagazine wird
mer noch fast 90 Prozent ihrer Erlöse erzielt die
eindeutig vom Spiegel dominiert, gefolgt vom
Branche mit Print-Erzeugnissen.
2019 sum-
Focus. Unter den Wirtschaftsmagazinen ist die
mierten sich beim reinen Zeitschriften-Geschäft
Konkurrenz etwas größer mit der Wirtschafts-
die Umsätze mit Publikumszeitschriften (ohne
woche, dem Manager Magazin, Capital sowie
Fachzeitschriften) auf 3,1 Milliarden Euro – ein
anderen ähnlich starken Titeln.
19
19 Diese sowie alle weiteren hier genannten Kennzahlen stammen aus Price Waterhouse Coopers (2020b: 45-52). 20 Nach Angaben des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) brachen die Umsätze 2020 um fast sieben Prozent ein. Dieser Wert bezieht sich allerdings nicht direkt auf die Umsätze mit Zeitschriften, sondern auf die Erlöse, die die Verlagshäuser, die VDZ-Mitglied sind, insgesamt erwirtschaftet haben. Diese berücksichtigen auch Stellen- Plattformen, Vergleichsportale, Messen, Bildungsangebote etc. All dies zusammengerechnet summieren sich die Gesamtumsätze der VDZ-Mitgliedsunternehmen 2020 auf 18,8 Milliarden Euro, sind also um ein Vielfaches höher als die reinen Zeitschriftenumsätze (Verband Deutscher Zeitschriftenverleger 2020: 23-24).
90
Private Verlagshäuser
Mit Hilfe einer Stichprobe (Durchführung
Gesellschaft und Wirtschaft bereits Podcasts
Februar 2021) 20 namhafter und zumeist auf-
einsetzen. Berücksichtigt wurden dabei vor
lagenstarker Magazine haben die Autoren* der
allem klassische Printtitel, aber auch einige
vorliegenden Studie überprüft, inwieweit deut-
reine Online-Magazine wie Edition F und The
sche Zeitschriften aus den Bereichen Politik,
European.
Tabelle 4 Die Podcast-Aktivitäten ausgewählter Gesellschafts-, Politik- und Wirtschaftszeitschriften (Stand: Februar 2021) Anzahl Podcasts
davon laufend
davon eingestellt
General Interest/Politik
12
6
6
Focus
General Interest/Politik
2
0
2
3
Cicero
General Interest/Politik
0
0
0
4
Tichys Einblick
General Interest/Politik
1
0
1
5
The European
General Interest/Politik
0
0
0
6
Blätter für deutsche und internationale Politik
Politik
1
1
0
7
Stern
Gesellschaft
16
8
8
8
Dummy
Gesellschaft
1
1
0
9
Edition F
Gesellschaft/Frauen
5
1
4
10
Publik-Forum
Gesellschaft/Religion
1
0
1
11
Focus Money
Wirtschaft
1
1
0
12
Harvard Business Manager
Wirtschaft
1
1
0
13
Courage: Geld – Karriere – Lebenslust
Wirtschaft
0
0
0
14
Euro/Euro am Sonntag
Wirtschaft
0
0
0
15
Manager Magazin
Wirtschaft
1
1
0
16
Business Punk
Wirtschaft
2
2
0
17
Capital
Wirtschaft
3
3
0
18
Wirtschaftswoche
Wirtschaft
4
2
2
19
Brand eins
Wirtschaft
3
1
2
20
Enorm
Nachhaltigkeit
1
1
0
55
29
26
Nummer
Titel
Themengebiet
1
Der Spiegel
2
Summe
Quelle: Eigene Erhebung.
91
Den richtigen Ton treffen
Relativ geringe
Addiert man die Podcasts der jeweiligen Ti-
gar keine Podcasts führen. Kleinere Titel wie
Aktivitäten
tel aus Tabelle 4, so haben diese zwanzig Zeit-
Dummy oder Enorm betreiben zwar Podcasts
von Zeitschriften
schriften seit 2017 insgesamt 55 Podcasts pu-
im weiteren Sinne. Genau betrachtet handelt
bliziert. Knapp die Hälfte davon wurde wieder
es sich jedoch um Texte aus der Print-Ausgabe,
eingestellt oder die Staffeln sind planmäßig
die die Autoren* vorlesen.
ausgelaufen. Aktuell betreibt jede Zeitschrift
Insgesamt sind die Podcasts der unter-
somit im Durchschnitt zwischen ein und zwei
suchten Zeitschriften aber durch die Bank weg
(laufende) Podcasts. Der Mittelwert von 1,45
professionell produziert, vor allem in Hinblick
wird aber dadurch verzerrt, dass der Spiegel
auf die Tonqualität und den journalistischen
und der Stern besonders „audio-aktiv“ sind.
Anspruch, ohne jedoch übertrieben aufwän-
Der Stern gehört dabei zum Zeitschriften-
dig gestaltet zu sein. Meist handelt es sich um
Gruner + Jahr
konzern Gruner + Jahr, der wiederum Teil des
Interview-Podcasts, die kaum dramaturgische
offensiv,
Mediengiganten Bertelsmann ist. Bertelsmann
Zusatzelemente wie zum Beispiel einen Musik-
Burda defensiv
sorgt über seine „Content Alliance“ dafür, dass
teppich enthalten. Nur in Einzelfällen sprechen
die diversen Konzernsparten sich gegenseitig
die Podcasts gezielt ein jüngeres Publikum an,
Inhalte zur Verfügung stellen, die dann wiede
wie beispielsweise der Podcast MoneyMates
rum für das Absender-Medium werben. So kann
der Wirtschaftswoche. Die große Mehrheit der
der Stern beispielswiese seine Podcasts auf
Podcasts ist kostenlos für die Nutzer* bzw.
der Bertelsmann-eigenen RTL-Plattform Audio
werbefinanziert. Nur einige wenige befinden
Now (vgl. Kapitel 6.3) platzieren, liefert damit
sich hinter einer Paywall.
also Inhalte an RTL, promotet zugleich aber die eigene Marke. Zu Gruner + Jahr gehören auch die Wirtschaftstitel Capital und Business Punk. Auffällig ist zudem die Passivität des großen Gruner + Jahr-Konkurrenten Hubert Burda
92
Fallbeispiel: Der Spiegel
Auf einem Highway im US-Bundesstaat Penn-
Media, zumindest auf dem Feld der gesell-
sylvania kam Sandra Sperber und Yasemin
schaftspolitischen Zeitschriften. Denn der
Yüksel die Idee für den Podcast Stimmen
Münchener Burda-Konzern hat sein publizis-
fang zum Bundestagswahlkampf 2017. Die
tisches Standbein eher bei klassischen Illus
Frauen waren damals, im Sommer 2016,
trierten (Bunte, Freizeit Revue). Das politische
als Videoreporterinnen für Spiegel Online
Flaggschiff ist der Spiegel-Konkurrent Focus,
im US-Präsidentschaftswahlkampf unter-
doch die zwei Podcasts des Hauses wurden
wegs. „Wir haben uns inspiriert gefühlt von
2020 wieder eingestellt. Aktuell läuft nur noch
der US-amerikanischen Machart von Pod
Mission Money von drei Redakteuren von Fo-
casts“, erinnert sich Sandra Sperber, die
Hier geht’s zu
cus Money. In der Gesamtschau fällt weiter
heute gemeinsam mit Yasemin Yüksel und
Stimmenfang
auf, dass einige Zeitschriften wie Cicero oder
einem weiteren Redakteur auch das Audio-
die Euro-Titel des Münchener Finanzen-Verlags
Ressort des Spiegel leitet (hier und im wei-
Private Verlagshäuser
teren, sofern nicht anders angegeben: Inter-
form Audible abrufbar oder befindet sich
view Sperber 2021) und meint damit konkret:
hinter einer Bezahlschranke des Hambur-
Nicht nur längere Interviews führen, sondern
ger Nachrichtenmagazins. Im Juni 2021
im radiophonen Feature-Stil möglichst viele
hat der Spiegel sein bereits bestehendes
verschiedene Stimmen zu Wort kommen las-
Abo-Angebot noch einmal erweitert. Das
sen. Zunächst waren es neben den üblichen
Paketangebot „Audio+“ enthält den Pod
Politikern*, Fachleuten* und Redakteuren*
cast Spiegel Daily, in dem zwei Mode-
aus dem eigenen Haus „Wutbürger*“, über
ratoren* aktuelle Ereignisse aus Politik,
die Zeit dann zum Beispiel auch Teilnehmer*
Wirtschaft und Gesellschaft analysieren,
an Demonstrationen oder auch Hörer* von
den vierzehntäglichen Podcast Geschichte
Stimmenfang selbst. Die Autorinnen haben
sowie den PC Coaching. Dazu gehört auch
sich für den ersten Spiegel-PC der zweiten
die jeweils neue Audio-Ausgabe des Spie-
großen Podcast-Welle in Deutschland „un-
gel, die fast komplett von professionellen
ters Volk gemischt“. Sie haben nicht über,
Sprechern* vertont wird. Die Kinderversion
sondern mit Beteiligten und Betroffenen
Dein Spiegel erscheint in zwei Episoden
gesprochen. Auch wenn hierzulande der
pro Woche. Darüber hinaus hat der Spiegel
klassische Interview-Podcast nach wie vor
in diesem Zusammenhang eine Audiothek
„Stimmenfang“
dominiert, so hat Stimmenfang ohne Frage
eingerichtet, über die frühere PC-Folgen
stilprägend für
stilprägend für das Podcast-Machen gewirkt.
weiter abrufbar sind (Der Spiegel 2021).
Podcast-Szene
Seit der Premiere mit Stimmenfang hat der
Für Nutzer* des Digital-Abos „Spiegel+“ ist
Spiegel insgesamt 14 weitere Podcast-For-
das neue Angebot ein Jahr kostenfrei nutz-
mate angeschoben (Stand: Juni 2021). Sie-
bar, danach allerdings nur gegen einen Auf-
ben davon sind wieder eingestellt worden,
schlag. Neue „Audio+“-Abonnenten* zah-
teils dauerhaft, teils weil die Staffeln aus-
len einen monatlichen Beitrag, der deutlich
gelaufen sind. Neben dem wöchentlichen
über den Kosten eines Abonnements bei ei-
Stimmenfang, der inzwischen auch allge-
nem der großen Streamingdienste liegt. Der
meine politische Themen der Zeit aufgreift,
Spiegel unternimmt damit den gewagten
steht vor allem SPIEGEL Update für die aktu-
Versuch, zumindest einen Teil seiner Pod
elle politische Berichterstattung per Audio:
casts hinter eine Bezahlschranke zu schie-
Hier werden dreimal täglich Nachrichten in
ben. Zum Portfolio der Spiegel-Gruppe ge-
einem weitgehend sachlichen Ton verlesen.
hören schließlich auch zwei Wirtschaftspod
Darüber hinaus produziert der Spiegel vier
casts: manager magazin – Der Podcast zu
weitere werbefinanzierte Podcasts: Acht
Anleger*- und Management-Themen sowie
Milliarden, Smarter Leben, Klimabericht
Team A – der ehrliche Führungspodcast des
und Was machst du?.
Harvard Business Manager.
Ein weiterer Teil der Spiegel-Podcasts ist entweder auf der kostenpflichtigen Platt-
Am populärsten ist derzeit Acht Milliarden, der wöchentliche Auslands-Podcast des 93
Den richtigen Ton treffen
Tabelle 5 Ausgewählte Spiegel-Podcasts und ihre Hörer*zahlen (Februar 2021) Podcast
Hörer* pro Folge
SPIEGEL Acht Milliarden – Der Auslands-Podcast
55.000
SPIEGEL Smarter leben
50.000
SPIEGEL Stimmenfang
25.000
manager magazin – Der Podcast
9.000
Harvard Business manager & Xing – Team A
5.000 Quelle: Anfrage Spiegel (2021).
Spiegel, den pro Folge durchschnittlich
dass sich Produktzusammenstellung, tech-
55.000 Nutzer* über alle Plattformen hin-
nische Plattform und Vermarktung noch im
weg hören. Tabelle 5 zeigt, dass die Nut-
Ausbau befinden. Der Spiegel versieht seine
zer*zahlen zwischen den einzelnen Pod
Podcasts zwar aktiv mit Werbespots, setzt
Zahl der Abrufe
casts stark variieren und teilweise noch
aber zum Beispiel noch keine Technik für
noch ausbaufähig
sehr ausbaufähig sind. Selbst beim Spiegel
automatische Werbeeinspielungen ein (vgl.
Update (im Schaubild nicht aufgeführt), das
Kapitel 3.3).
bei Spotify zu den beliebtesten Nachrich-
Als der Spiegel 2017 mit Podcasts startete,
tenformaten gehört, sind die Abrufzahlen,
stand zunächst im Vordergrund, überhaupt
die der Spiegel nicht offiziell bekannt gibt,
erst einmal das neue Medium und seine
derzeit noch eher bescheiden.
Möglichkeiten für sich zu erschließen und
Die aktuell laufenden Podcasts werden in
die Qualität des Formats zu erkunden. Laut
zwei Spiegel-eigenen Studios in der Ham-
Audio-Ressortleitern Sandra Sperber ging
burger Zentrale sowie in der Berliner Nie-
und geht es aber auch darum, neue Zielgrup-
derlassung produziert. Das vierzehnköpfi-
pen und damit eine größere Reichweite zu
Instrument zur
ge Audioteam fungiert als eigenständiges
erzielen. Und nicht zuletzt darum, Vertrauen
Kundenbindung
Ressort (wie Politik, Wirtschaft oder Kultur),
bei den Mediennutzern* zu schaffen, indem
was ein Hinweis auf den Stellenwert dieses
die Spiegel-Autoren* Auskunft über ihre Re-
Bereichs ist. „Wir verstehen uns aber als
cherchen geben. Inzwischen haben sich die
Querschnittsressort“, betont Audio-Chefin
Spiegel-Podcasts als eigenständiges journa-
Sandra Sperber. Zudem arbeite man eng
listisches Medium etabliert, fungieren aller-
mit der Entwicklungsredaktion und dem
dings auch als Marketing-Instrumente.
94
Produktmanagement zusammen. Die Ko-
Als Teil der Digital-Gesamtstrategie des
operation mit der Entwicklungsredaktion
Spiegel erfüllen inzwischen jedoch auch
ist ein Fingerzeig darauf, dass es in Hinblick
andere Funktionen. Podcasts werden als
auf Themen und Formate weiterhin noch viel
Erweiterung des journalistischen Angebots
Neuland zu entdecken gibt. Die enge An-
angesehen und sollen helfen, bereits zah-
bindung an das Produktmanagement zeigt,
lende Abonnenten* zu halten. So erhalten
Private Verlagshäuser
„Spiegel+“-Abonnenten* alle Podcasts
Format Und was machst du? will der Spiegel
hinter der Bezahlschranke kostenlos. In
darüber hinaus gezielt junge Menschen an-
den frei abrufbaren Podcasts und deren
sprechen, die ins Berufsleben starten.
Umfeld werden außerdem Probe-Abos für
Die Jüngeren dürften vor allem über die
das Digitalangebot „Spiegel+“ beworben.
Audiostreaming-Plattformen und dabei vor
Dies scheint bisher jedoch keine vorrangi-
allem über Spotify zu erreichen sein. Aller-
ge Rolle zu spielen. Durch die Verzahnung
dings hat der Spiegel auch immer wieder
zwischen Audio und Monetarisierung ent-
an seiner mobilen App gebastelt, um sie
steht dabei der Eindruck, als könnte der
stärker auf ein Audio-affines, junges Pub-
Spiegel seine Podcasts zunehmend hinter
likum zuzuschneiden. Es soll den Nutzern*
eine Bezahlschranke verschieben, sobald
leichtgemacht werden, Spiegel-Podcasts zu
er ausreichend viele Abonnenten* gewon-
hören, um danach weitere Inhalte wie zum
nen hat. Das sei derzeit jedoch „auf keinen
Beispiel Artikel und Videos in der App wahr-
Fall geplant“, so Sandra Sperber: „Es ist
zunehmen. Denn das vorrangige Ziel eines
aber durchaus denkbar, dass wir hinter der
Medienhauses besteht darin, Nutzer* von
Über die App ins
Paywall unser Angebot mit Kooperations-
den Streaming-Plattformen in das eigene
eigene Ökosystem
partnern weiter ausbauen.“
publizistische Ökosystem hinüberzulocken.
locken
Wenn die Spiegel-Audio-Chefin auf das ak-
Immerhin steuert schon knapp ein Drittel der
tuelle PC-Portfolio schaut, sagt sie, dass die-
PC-Nutzer* die App und auch die Website an,
ses „ziemlich wild gewachsen ist“ und dass
um sich Spiegel-Podcasts anzuhören.
sicherlich noch Lücken zu füllen seien. Mög-
licherweise könnte dieses Thema mit einem anderen zusammengeführt werden: Ziel des Spiegel ist es, im Rahmen seiner Mitte 2020
7.3 Zwischenbilanz
verkündeten „U30-Strategie“ einen deutlich
Bei einer Gesamtwürdigung der klassischen
höheren Anteil an jüngeren Abonnenten* zu
Verlagshäuser zeigt sich, dass die „alten“ Print
gewinnen. „Dabei sind Podcasts ein ganz
medien Podcasts durchaus als eigenständiges
wichtiger Baustein“, sagt Sperber. Über PC
Medium anerkennen und nutzen. Dabei wissen
will man Kontakt aufnehmen zu jungen Nut-
sie genau, dass das Medium Podcast anderen
zer*gruppen, die für klassischen Medien
Gesetzmäßigkeiten unterliegt als der gedruckte
wie den Spiegel schwer zu erreichen sind: Es
oder digital publizierte Artikel. Gleichwohl wird
geht also darum, überhaupt einen Erstkon-
auch deutlich, dass bei den privatwirtschaft-
takt herzustellen. Mit Game Changer über
lich organisierten Medienunternehmen ökono-
E-Sports und Drei Väter für jüngere Eltern
mische Erwägungen eine mindestens genauso
liefen beim Spiegel bereits Podcast-Staf-
große Rolle spielen wie publizistisch-journa-
feln, die schon rein thematisch ein Publi-
listische Motivationen. So setzen Tageszeitun-
U30-Strategie
kum unter 35 Jahren adressierten. Mit dem
gen wie politische Zeitschriften PC auch als
beim Spiegel 95
Den richtigen Ton treffen
Verlage setzen auf
Marketing- Instrument für die eigenen Print-
Auch regionale Zeitungskonzerne wie die
Hybrid-Funktion
und vor allem Online-Titel ein. Auf diese Weise
Funke Mediengruppe setzen Podcasts sehr
von Podcasts
haben sie bereits versucht, soziale Medien für
offensiv ein. Ihr strategischer Vorteil besteht
sich zu instrumentalisieren: Eigene Präsenzen
darin, dass verschiedene Titel jeweils ein Pod
des Mediums oder auch von Mitarbeitern* auf
cast-Format gemeinsam nutzen können. Dieser
Twitter, Facebook und Instagram dienen hier
Synergieeffekt kommt allerdings nicht zum Tra-
vornehmlich dazu, um für einzelne Artikel zu
gen, wenn ein Podcast zu regionalspezifisch
werben. Der große Unterschied zu Podcasts be-
modelliert ist. Gerade die Ausrichtung aufs Lo-
steht allerdings darin, dass bei den PC gleich
kale ist es jedoch, worin die meisten regionalen
ein genauso eigen- wie vollständiger journalis-
Tageszeitungen ihren Wettbewerbsvorteil se-
tischer Inhalt mitgeliefert wird und an einigen
hen. Die Umfrage unter den Tageszeitungen hat
Lokalzeitungen:
Stellen – etwa durch Hinweise des Hosts* oder
außerdem gezeigt, dass die Zeitungen gerade
Podcasts als
in den Shownotes – für andere Produkte des
Podcasts oftmals als eine Art „Regionalverstär-
„Regional-
Hauses geworben wird. Zudem kann Werbung
ker“ einsetzen und darüber nochmal zusätzlich
verstärker“
für Dritte integriert werden. Es handelt sich also
ihre lokale Kompetenz unterstreichen wollen.
um ein Hybrid-Produkt.
Zeitschriften können diesen Trumpf in der
Wie die Umfrage bei den Tageszeitungen
Regel nicht ausspielen. Möglicherweise ist dies
gezeigt hat, scheint es für die überregionalen
ein Grund, warum die meisten Politik- und Wirt-
Qualitätszeitungen zumindest teilweise eine
schaftsmagazine bisher eine gewisse Zurück-
Frage des Prestiges und des Selbstverständ-
haltung bezüglich dem Format Podcast an den
nisses als Innovationstreiber der Branche zu
Tag legen, wie eine stichprobenartige Überprü-
sein, ein breites und attraktives Angebot an PC
fung des Podcast-Angebots dieser Zeitschriften
zu entwickeln. Podcasts dienen dabei jedoch
ergab. Bemerkenswert ist allerdings auch die
nicht vorrangig der Markenpflege. Die Zeit, die
Passivität des Burda-Konzerns. Auch bei klei-
Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Allge-
neren Verlagen spielen Kosten und Aufwand
meine Zeitung und die Welt agieren allesamt
sicherlich eine gewisse Rolle: Zurzeit bestehen
sehr offensiv auf dem Feld der Podcasts, bei
die Podcasts teilweise nur aus eingelesenen
den Zeitschriften gilt dies für Stern und Spie-
Artikeln, meist von den Autoren* persönlich.
gel. Die Aussagen der Spiegel-Verantwortlichen
Künftig werden aber zunehmend Text-to-Speech-
machen deutlich: Die Medienstrukturkrise führt
Technologien zum Einsatz kommen und Podcasts
Vorrang für
dazu, dass Podcasts als journalistischer Mehr-
„von der Stange“ – wie sie das White-Label-Pro-
Kunden*bindung
wert in erster Linie helfen sollen, Abonnenten*
jekt von OMS und Deutscher Presseagentur ent-
zu halten. Erst in zweiter Linie geht es darum,
wickelt – könnten verstärkt Verbreitung finden.
neue Abos zu gewinnen. Eine dezidierte Werbe-
Klar scheint nur: Die Zeit neuer (Geschäfts)Mo-
strategie, die jüngere Mediennutzer* anspricht,
delle für Podcasts auch von privaten Verlags
ist dabei oftmals jedoch nicht zu erkennen.
häusern hat gerade erst angefangen.
96
Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten
8 Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten Wenn sich junge Menschen heutzutage über
bei jungen Mediennutzern* beitragen können.
das Weltgeschehen informieren, tun sie dies
Aber: Es gibt auch einige Mängel und Defizite
nicht mehr in erster Linie mit Hilfe traditioneller
(Kapitel 8.4).
Medien wie Tageszeitungen, Radio und Fernsehen. Die Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen sichtet und konsumiert Nachrichten zunehmend in sozialen Medien wie Instagram und
8.1 Das Nutzungsverhalten der Zielgruppe
Twitter. Seit einigen Jahren gewinnen aber
Je jünger die Nutzer*, desto mehr verlagert
auch Podcasts an Bedeutung (Kapitel 8.1).
sich ihr Nachrichtenkonsum ins Internet und
Zahlreiche Info- und Nachrichtenformate ran-
desto weniger werden TV, Radio und Print als
gieren in den Top-50 von Spotify, dem bevor-
Nachrichtenquelle genutzt. Das ergab eine Be-
Streamingdienst der jüngeren zugten Audio-
fragung des Reuters Instituts im Rahmen sei-
Nutzer* in Deutschland. Podcasts scheinen
nes jährlichen Digital News Reports. Im Jahr
also zu einem neuen und wichtigen Informa-
2020 informierten sich fast drei Viertel der
tionsmedium für Jüngere aufzusteigen. Dies
18- bis 24-Jährigen und knapp zwei Drittel der
wirft Fragen auf: Wie schaffen Podcasts das?
25- bis 34-Jährigen in Deutschland hauptsäch-
Was ist ihr Trumpf, mit dem sie junge Menschen
lich online über aktuelle Nachrichten (Hölig/
erreichen, die andere Anforderungen an Me-
Hasebrink 2020: 22, Abbildung 24). Mehr als
dien stellen als ältere Nutzer*? Und erfüllen
ein Drittel der 18- bis 24-Jährigen nutzt das
die Top-Politik-Podcasts dabei die klassischen
Internet sogar als alleinige Informationsquel-
Qualitätsansprüche des Journalismus wie zum
le. Dort greift allerdings nur die Minderheit der
Beispiel Glaubwürdigkeit (Kapitel 8.2)?
jungen Mediennutzer* auf Nachrichten-Websi-
Um hierauf Antworten zu finden, wurde
tes wie die Online-Angebote der Tagezeitungen
eine qualitative Inhaltsanalyse bei zehn popu-
und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
lären Info-Podcasts durchgeführt, die teils aus
zurück. Es sind die sozialen Medien, die als
Insta-Feed
klassischen Medienhäusern (Zeit, Süddeut-
Informationsquelle immer mehr an Bedeutung
statt Tageszeitung
sche Zeitung etc.) stammen, teils von privaten
gewinnen. Knapp ein Drittel der 18- bis 24-Jäh-
Audio-Dienstleistern (Gabor Steingart/Media
rigen nutzt im Internet hauptsächlich Social
Pioneer, Micky Beisenherz/Studio Bummens
Media als Quelle für nachrichtliche Inhalte.
etc.) und teils von unabhängigen Medienschaf-
Bei Instagram, Facebook, Twitter und anderen
fenden (z. B. Tanja Hille und Vincent Venus von
taucht das politische Tagesgeschehen aller-
Y Politik) produziert werden (Kapitel 8.3). Es
dings meist nur fragmentarisch, in Form von
zeigt sich im Ergebnis, dass die Podcasts ins-
Teasern und Kurzmeldungen, in der personali-
gesamt zwar hohen journalistischen Qualitäts-
sierten Timeline auf. Online-Nachrichtenmaga-
maßstäben gerecht werden und so auf posi-
zine und -Zeitungen sowie die Websites von TV-
tive Weise zur politischen Meinungsbildung
und Radioanbietern gaben beim Digital News
97
Den richtigen Ton treffen
Report weniger als halb so viele als Haupt-
eher zufällig in Kontakt, wann immer sie – in
nachrichtenquelle an. Zwar greifen immer noch
der Regel auf dem Smartphone – durch ihre
Personalisiertes
30 Prozent der jungen User* regelmäßig über
Media-Feeds scrollen. Welche NachSocial-
Weltgeschehen
bestimmte Websites oder Apps direkt auf Nach-
richtenmeldungen dort angezeigt werden,
richten zu. Die Mehrheit (37 Prozent) informiert
wird vom Algorithmus der jeweiligen Plattform
sich jedoch bei Facebook, Twitter und Co über
bestimmt und ist abhängig vom individuellen
das Tagesgeschehen (Hölig/Hasebrink 2020:
Kommunikationsverhalten sowie von den Kon-
20-25; 44).
takten und abonnierten Kanälen im jeweiligen
Der Nachrichtenkonsum junger Menschen
Netzwerk.
findet dadurch zunehmend im sozialen Kon-
Es findet also eine zeitlich unabhängige,
text statt: In den sozialen Medien sind jour-
zunehmend personalisierte und in der Regel
nalistische Inhalte eingebettet in die alltäg
ungezielte Nachrichtennutzung statt, die sich
liche Kommunikation der Mediennutzer* und
immer mehr auf einzelne Beiträge beschränkt.
verschmelzen mit Unterhaltungsmedien oder
Oder sogar nur auf den kurzen Umriss dieser
privat geteilten Inhalten aus dem Freundes-
Beiträge, denn in den sozialen Medien in-
kreis (Kümpel 2020: 11, Kramp/Weichert 2017:
formieren sich die User* überwiegend über
78). Mit dem politischen Tagesgeschehen
Nachrichten-Teaser und kommen mit den voll-
kommen die sogenannten Digital Natives also
ständigen Informationen oft gar nicht mehr
Abbildung 24
Hauptnachrichtenquellen nach Altersgruppen (2020, in Prozent)
17
72
18-24 Jahre 25-34 Jahre
21
60 31
50
35-44 Jahre
47
34
45-54 Jahre
55
22
55+ Jahre 0
20
40
13
60
80
5
6 12
7
12
7
13
6 10
100
Prozent Internet
TV
Radio
Quelle: Hölig/Hasebrink (2020: 22). Eigene Darstellung.
98
Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten
in Kontakt (Kümpel 2020: 13-15). Wenngleich
formiert zu sein, bleibt der tatsächliche, mithin
Nur vermeintlich
auch die etablierten Medienhäuser inzwischen
umfassende Überblick über das Weltgesche-
informiert?
in den sozialen Medien vertreten sind, so bie-
hen aus (Müller 2019: 232-233, 274-284). Es
ten auch deren Teaser im Vergleich zu integ-
lässt sich also festhalten: Das Informationsver-
rierten (Online-) Nachrichtenangeboten keine
halten junger Menschen ist geprägt von einem
originären Nachrichteninhalte. Aus Sicht der
Wandel in der Mediennutzung, der es immer
Medienmacher* sollen sie als Bindeglied zwi-
schwieriger macht, eine thematisch umfassen-
schen der eigentlichen Berichterstattung und
de und inhaltlich fundierte journalistische Be-
den Social-Media-Nutzern* fungieren. Werden
richterstattung an diese Zielgruppe zu bringen.
die verkürzten Informationen jedoch zur ei-
Mit der zweiten großen Podcast-Welle rü-
genständigen Nachrichtenquelle – wie es nach
cken Podcasts allerdings als neues, poten-
einer Studie von Patricia Müller bei über ei-
ziell auch politisches Medium in den Fokus
nem Viertel der 16- bis 29-Jährigen häufig der
der jungen Generationen: Laut der ARD/ZDF-
Fall ist –, kann das bei den Rezipienten* zu
Onlinestudie 2020 hört inzwischen fast die
einer „Überschätzung des eigenen Wissens“
Hälfte der 14- bis 29-Jährigen in Deutschland
(Müller 2019: 274) führen: Während bei den
mindestens selten Podcasts, rund jeder* Vierte
Mediennutzern* der Eindruck entsteht, durch
sogar wöchentlich oder öfter (Reichow/Schrö-
die Schlagzeilen im Social-Media-Feed gut in-
ter 2020: 504). Wie in Kapitel 3.2 dargestellt,
Abbildung 25
Meistgehörte Podcast-Genres (in Prozent) Prozent Infosendungen, Wissens- und Lernbeiträge
55,1
Unterhaltung/Comedy
46,6
Nachrichten
46,2
Hörbücher, Hörspiele
34,8
Musiksendungen
32,3
Service, Ratgeber und Coaching
28,5
Regionales und Lokales
27,7
Krimis/echte Kriminalfälle
21,4
Sportsendungen
18,0
Alle Nutzer*
14-29 Jahre
22
30-49 Jahre
50+ Jahre
Quelle: Bayerische Landeszentrale für neue Medien et al. (2020: 60). Eigene Darstellung.
99
Den richtigen Ton treffen
wird dabei vorwiegend die Audio-Plattform
Etwas komplexer gestaltet es sich, die in-
Spotify genutzt: Rund 60 Prozent der jungen
haltlichen Anforderungen der Zielgruppe an
Podcast-Hörer* in Deutschland nutzen den
journalistische Angebote zu ergründen: Ob-
Streamingdienst aus Schweden, Apple Pod-
wohl sich junge Mediennutzer* immer mehr in
casts mit rund 12 Prozent und YouTube mit cir-
den sozialen Medien über das Weltgeschehen
ca 8 Prozent bleiben dahinter mit deutlichem
informieren, stufen sie Facebook, Instagram
Abstand zurück (vgl. Abbildung 4).
und Co nämlich nicht als vertrauenswürdige
Die Zahlen des Online-Audio-Monitor
Informationsquelle ein. Lediglich 13 Prozent
2020 der Landesmedienanstalten verwei-
der 18- bis 34-jährigen Befragten im Reuters
sen außerdem darauf, dass Podcasts dabei
Digital News Report gaben an, den Nachrichten
nicht nur zur Unterhaltung, sondern sehr
in sozialen Medien zu vertrauen (Hölig/Hase-
stark auch zu Informationszwecken gehört
brink 2020: 33).
werden. Obwohl sich bei den 14- bis 29-jäh-
Eine Ursache für diese Einschätzung lässt
rigen Podcast-Hörern* Unterhaltung/Comedy
sich womöglich in der zunehmend schwierigen
als meistgenutztes Genre herausstellt, liegen
Abgrenzung nachrichtlicher Inhalte von ande-
Infosendungen und Nachrichten-Formate nur
ren Medienangeboten finden, wie Kommunika-
knapp dahinter (Abbildung 25) und machen
tionsforscherin Anna Sophie Kümpel deutlich
deutlich, dass Podcasts bereits jetzt einem re-
macht: Durch die „zunehmende Hybridisie-
Meinungsbildung
lativ großen Teil der jungen Mediennutzer* als
rung von Nachrichten- und Unterhaltungsan-
aufs Ohr
Informationsquelle dienen und so eine wichti-
geboten“ entstehe bei den Mediennutzern*
ge Rolle bei der politischen Meinungsbildung
eine Unsicherheit darüber, welche Inhalte
übernehmen könnten.
tatsächlich als Nachrichten einzustufen sind (Kümpel 2020: 16-17). Vor allem die Seriosität
8.2 Anforderungen junger Mediennutzer* an journalistische Angebote
der Quelle sei daher für junge Erwachsene ausschlaggebend, um vertrauenswürdige Inhalte zu identifizieren. Insbesondere die öffentlich-
Vertrauen in
Es lässt sich festhalten: Ein Medienangebot,
rechtlichen Rundfunkanstalten und etablierte
die „Etablierten“
das junge Mediennutzer* erreichen will, sollte
Tageszeitungen gelten bei den jungen Erwach-
jederzeit über mobile Endgeräte abrufbar sein
senen als zuverlässige Informationsquellen
und sich so an die individuellen Nutzungs-
(Kümpel 2020: 23). Auch eine Studie von Leif
gewohnheiten der Rezipienten* anpassen.
Kramp und Stephan Weichert im Auftrag des
Es sollte sich in den „täglichen Medienmix
Bundesverbands der Digitalpublisher und Zei-
aus Information, Kommunikation und Unter-
tungsverleger (BDZV) bestätigt, dass sich pro-
haltung“ integrieren und in diesem Rahmen
fessioneller Journalismus für Millennials vor
eine „konzentrierte Dosis“ (Kramp/Weichert
allem durch einen „verlässliche[n] Absender“
2017: 9) hochwertiger Information liefern.
(Kramp/Weichert 2017: 10) auszeichnet. Beide
100
Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten
Untersuchungen verweisen auch bereits auf
jekten kommt den Gesichtern des jeweiligen
konkrete Qualitätskriterien für junge Medien
Kanals daher eine große Bedeutung zu und es
formate. So legen Kümpels Studienteilnehmer*
entsteht eine starke Personalisierung der Be-
Wert auf eine thematische Vielfalt sowie auf
richterstattung. So bereitet zum Beispiel der
die Aktualität und Relevanz der Informationen
ehemalige Hörfunkmoderator Philipp Walulis
(Kümpel 2020: 23). Kramp und Weicherts Mille
im Satire-Format Walulis Daily (245.000 Abon-
nials wünschen sich, dass die Berichterstat-
nenten*) unter Provokativtiteln wie „Darum
tung „glaubwürdig, sachlich und unabhängig“
hassen alle Jens Spahn“ (Walulis Daily, 5.03.21)
erfolgt (Kramp/Weichert 2017: 10).
oder „Mordfantasien von SPDler spalten das
Obwohl sie auf eine seriöse und neutrale
Netz“ (Walulis Daily, 9.02.21) mehrmals wö-
Berichterstattung wertlegen, fordern die jun-
chentlich das „Thema des Tages“ auf. Auf Kanä-
gen Nutzer* jedoch eine zielgruppengerechte
len wie Y-Kollektiv oder STRG_F (beide deutlich
Ausgestaltung der Formate: Eine im Rahmen
über eine halbe Millionen Abonnenten*) führen
einer Studie von Kathrin Kühn durchgeführte
Reporter* durch ihre Investigativ-Recherchen,
Diskussionsrunde mit Schülern* und Studie-
kommentieren ihre Erlebnisse und teilen per-
renden ergab, dass der ideale Nachrichten-
sönliche Erfahrungen.
Podcast für die jungen Erwachsenen zwar
Abseits von funk kommentiert zum Beispiel
nachrichtliche Distanz wahren, in Gestaltung
Florian Diedrich alias LeFloid im meinungsstar-
und Präsentation jedoch „jung und lebendig“
ken YouTube-Format LeNews unterhaltsam und
sein sollte (Kühn 2010: 164). Kramp und Wei-
teils stark emotional das Tagesgeschehen und
chert (2017: 10) betonen, dass für die jungen
wird dadurch zur Identifikationsfigur für seine
Rezipienten* ein individueller Bezug zu den
Zuschauer*. Damit erzielte er bisher insgesamt
vermittelten Informationen wichtig ist.
über 700 Millionen Videoaufrufe. Dieses Phäno-
Hinweise darauf, wie diesem Bedürfnis
men scheint sich auf die Audiowelt übertragen
medial begegnet werden kann, finden sich
zu lassen: Bei der Nutzer*befragung für den
zum Beispiel in den Formaten von funk, dem
Online-Audio-Monitor 2020 gaben rund 70 Pro-
jungen Angebot von ARD und ZDF. Seit Ende
zent der 14- bis 29-Jährigen die Moderatoren*
2016 konzipieren und produzieren die Öffent-
eines Podcasts als expliziten Einschaltgrund an
lich-Rechtlichen in diesem Rahmen überwie-
(Bayerische Landeszentrale für neue Medien
gend Videoformate exklusiv für soziale Platt-
et al. 2020: 66). Auch hier kann der Moderator*/
formen (Kramp/Weichert 2017: 69-71). Dabei
Host* also durchaus als Erfolgsfaktor gelten.
tritt funk als Marke jedoch in den Hintergrund –
Es lässt sich festhalten: Die medialen Be-
die Produzenten* der einzelnen Formate prä-
dürfnisse der Zielgruppe der 14- bis 29-Jähri-
sentieren sich auf ihren YouTube-, TikTok- oder
gen stellen sich gewissermaßen widersprüch-
Instagram-Kanälen vorrangig als unabhängige
lich dar. Einerseits stellen die Mediennutzer*
Medienmacher*. Auch bei journalistischen Pro-
nach eigener Aussage einen klaren Qualitätsan-
funk macht’s vor
101
Den richtigen Ton treffen
spruch an journalistische Medienformate und
1. Spotify ist bei den 14- bis 29-Jährigen die
wünschen sich bei nachrichtlichen Formaten
mit Abstand meistgenutzte Plattform zum
eine seriöse und sachliche Berichterstattung.
Podcast-hören (vgl. Kapitel 8.1 sowie Abbil-
Andererseits scheinen bei der tiefergehenden
dung 4). Die Verbrauchs- und Medienanaly-
Themenberichterstattung vor allem emotiona-
se VuMa (2020) zeigte außerdem, dass im
lisierte Narrativ-Formate gefragt zu sein. Hier
Jahr 2020 über die Hälfte der Spotify-Nut-
wird ein Spannungsverhältnis deutlich: zwi-
zer* (54 Prozent) der Altersgruppe 14 bis 29
schen den Unterhaltungselementen der Er-
angehörten. Damit haben die Spotify-Pod-
folgsformate und dem traditionellen Verständ-
cast-Charts eine vergleichsweise große
nis journalistischer Qualität. Es steht die Frage
Aussagekraft darüber, welche Formate tat-
im Raum, ob und wie sich Qualitätskriterien
sächlich von der Zielgruppe gehört werden.
wie Neutralität und Glaubwürdigkeit mit Unter-
2. Die Spotify-Podcast-Charts basieren auf
haltungsfaktoren (z. B. Emotionalität und Per-
aktuellen Abrufzahlen. Das kommunizier-
sonalisierung) zu einem zielgruppengerechten
te der Streamingdienst zur Einführung
Qualitätsmaßstab für journalistische Formate
des Rankings im Juli 2020 explizit in einer
vereinen lassen.
Pressemitteilung (Spotify 2020b). Nicht so die Konkurrenz: Während es bei YouTube
8.3 Führende Politikformate der deutschen Podcast-Landschaft
noch gar keine separate Podcast-Sparte gibt, lässt Apple Podcasts User* und Podcaster* darüber im Unklaren, welche Krite-
Als Untersuchungsgegenstand für die qua-
rien für die Platzierung im Podcast-Ranking
litative Inhaltsanalyse sollen hier die erfolg-
eine Rolle spielen.
reichsten Politik-Formate der deutschen Podcast-Landschaft dienen. Sie geben Aufschluss
Um die erfolgreichsten Formate mit Politik-
darüber, welche Formate von jungen Medien-
Bezug aus den Spotify-Charts zu extrahieren,
nutzern* tatsächlich gehört werden und welche
wurden an insgesamt sieben Stichtagen im
Qualitätskriterien diese Podcasts erfüllen. Um
November 2020 die Top-50-Formate des Ran-
die meistgehörten Politik-Podcasts aus dem
kings erfasst (siehe Anhang C, insbesondere
breiten Gesamtangebot herauszufiltern, wurde
Abbildungen C1 und C2) und nach Genre (Poli
im Monat November 2020 eine systematische
tik, Nachrichten, True Crime, Wissen, Come-
Erfolgsindikator
Auswertung der Spotify-Podcast-Charts durch-
dy/Unterhaltung, Lifestyle & Sonstiges) und
Spotify
geführt. Der Streamingdienst Spotify bietet
Produktion (öffentlich-rechtlich, etabliertes
sich aus zwei maßgeblichen Gründen als em-
Medienhaus, private Audio-Dienstleister, freie
pirische Basis für die Analyse an:
Medienschaffende) kategorisiert.21 Die Aus-
21 Die Zuordnung der Genres erfolgte sowohl in Orientierung an den Kategorisierungen bei Spotify als auch nach eigener Einschätzung der Inhalte.
102
Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten
wertung der Stichproben verzeichnete in den
Formate, die sich auf die Berichterstat-
Top-50 der Spotify-Podcast-Charts insgesamt
tung über ein aktuell brisantes Thema be-
16 Nachrichten- und Politik-Podcasts. Trotz ei-
schränken und daher befristet sind (z. B.
niger Verschiebungen bei den Platzierungen
Das Coronavirus-Update – NDR Info):
blieben die Formate der beiden Genres über
Es ist anzunehmen, dass die Popularität
den gesamten Monat gleich. Dennoch wurden
dieser Podcasts weniger auf strukturelle
nicht alle 16 Podcasts als Untersuchungs
Merkmale als auf die Brisanz der behan-
gegenstand in die Inhaltsanalyse eingebracht.
delten Thematik zurückzuführen ist. Damit
Ausschluss-
Nicht untersucht wurden:
bilden sie Ausnahmefälle, die potenziell zu
kriterien
einer Verfälschung der Analyse-Ergebnisse Formate aus dem öffentlich-rechtlichen
führen könnten.22
Hörfunk, die lediglich als Podcast zweitver-
Formate aus dem Genre „True Crime“ (z. B.
wertet werden (z. B. Hielscher oder Haase –
Serienkiller – Mörder und ihre Geschich-
Deutschlandfunk Nova):
ten – Spotify, Parcast):
Da diese Studie Podcast-spezifische Merk-
Zwar kann das Genre True Crime von Produ-
male erforschen will, sollen auch nur sol-
zenten*seite her durchaus mit journalisti-
che Formate untersucht werden, die ex-
schem Qualitätsanspruch angegangen wer-
plizit für das Medium Podcast konzipiert
den (Beispiel Serial, vgl. Kapitel 4.1). Den-
wurden.
noch leistet das Nacherzählen spektakulärer
Formate mit reinem Nachrichtencharakter,
Kriminalfälle – egal in welcher journalisti-
die keine dialogischen oder narrativen Ele-
schen Tiefe – kaum einen Beitrag zur politi-
mente aufweisen (z. B. Spiegel Update – die
schen Meinungsbildung der Podcast-Hörer*.
Nachrichten): Formate wie das Nachrichten-Update des
Die für die Analyse relevanten Podcasts redu-
Spiegel oder die IT-News des Tages von hei-
zieren sich damit auf acht Top-50-Formate. Von
se online beschränken sich auf die sachliche
diesen sind jeweils drei Folgen (die jeweils ak-
Meldung aktueller Ereignisse und orientie-
tuellsten am 01.12.2020) in die Analyse ein-
ren sich damit strukturell an traditionellen
bezogen worden. Es handelt sich um folgende
Hörfunk-Nachrichten. Sie enthalten daher
Pod casts (durchschnittliche Platzierung ge-
aufgrund ihrer Struktur weder dialogische
mäß Stichprobenanalyse in Klammern):
Die Top-Formate
noch unterhaltende Elemente. Obwohl sie Was jetzt? – Zeit Online (Platz 12)
explizit als Podcast produziert werden, bieten sie damit für eine Inhaltsanalyse keine zielführende Grundlage.
In rund 10 Minuten besprechen wechseln-
Hier geht’s zu
de Moderatoren* im täglichen Nachrichten-
Was jetzt?
22 Die POD-Ratings von Goldmedia (2020) zeigen außerdem, dass das Coronavirus-Update zwar eine große Hörer*schaft verzeichnet, von der jedoch nur 17 Prozent der Altersgruppe 14 bis 29 zuzuordnen sind. Der Podcast könnte also nur schwerlich als „Erfolgsformat“ bei der Zielgruppe gewertet werden.
103
Den richtigen Ton treffen
Apokalypse & Filterkaffee – Micky Beisen-
Podcast von Zeit Online das Tagesgesche-
herz/Studio Bummens (Platz 33)
hen. Neben kurzen Nachrichtenmeldungen sind in der Regel auch zwei Interviews mit
Der Moderator und Gag-Schreiber Micky
Hier geht’s zu
Zeit-Autoren* und -Korrespondenten* Teil
Beisenherz präsentiert und kommentiert
Apokalypse &
des Formats.
gemeinsam mit wechselnden Gästen im
Der Tagesschau Zukunfts-Podcast: mal an-
Filterkaffee,
lockeren Ton die „frisch gebrühten Schlag-
genommen – ARD-aktuell (Platz 17)
zeilen des Tages“. Der ca. halbstündige
Wöchentlich spielen zwei Moderatoren* im
Podcast erscheint dreimal wöchentlich
Tagesschau Zukunfts-Podcast ein gesell-
und kommt mit festen Kategorien eher im
schaftliches Gedankenexperiment durch
Magazin-Charakter daher.
… zu mal
und befragen dafür mehrere Experten* zum
angenommen,
Thema. Abschließend werden die Ergebnisse der knapp halbstündigen Folge in einem
Auf den Punkt – Süddeutsche Zeitung (Platz 34)
In gut zehn Minuten informiert die Süddeut-
Worst-Case- und einem Best-Case-Szenario
sche Zeitung täglich über aktuelle Themen.
zusammengefasst. Die besprochenen Ideen
Den zeitlichen Großteil des Podcasts nimmt
reichen vom zentral organisierten Schul-
ein ausführliches Interview zum Schwer-
… zu
system bis zum „Bruttonationalglück“ als
punkt-Thema des Tages ein, danach folgen
Auf den Punkt,
Wirtschaftsindikator (vgl. das Fallbeispiel
zwei bis drei unkommentierte Nachrichten-
in Kapitel 6.2).
meldungen. Moderiert wird das Format im
Zurück zum Thema – detektor.fm (Platz 21)
Wechsel von unterschiedlichen Redakteu-
Das „Podcast-Radio“ detektor.fm widmet
ren* der SZ (vgl. das Fallbeispiel in Kapi-
sich täglich zehn Minuten lang einem ak-
tel 7.1).
… zu Zurück
tuellen kontroversen Thema. Kern des Pod-
zum Thema,
casts sind meist zwei Experten*-Interviews, die von wechselnden Redakteuren* durchgeführt und präsentiert werden. Lage der Nation – Philip Banse, Ulf Buermeyer (Platz 21)
Steingarts Morning Briefing – Gabor Steingart (Platz 33) Der ehemalige Handelsblatt-Herausgeber und Gründer des Medienunternehmens Media Pioneer berichtet in seinem täglichen Morning-Briefing vergleichsweise ausführ-
… zu Steingarts
Einmal pro Woche besprechen Jurist Ulf
lich über das Weltgeschehen. Interviews
Morning Briefing
Buermeyer und Journalist Philip Banse im
mit Experten* und prominenten Persönlich-
ausführlichen Dialog die aktuellen politi-
keiten sind dabei regelmäßiger Bestandteil
schen Ereignisse. Regelmäßig enthält der
des ca. 30-minütigen Podcasts, genauso
Podcast auch kurze Experten*-Interviews.
wie ein Börsenbericht aus New York.
Die Folgenlänge variiert zwischen einer und … und zu Lage der Nation
104
zwei Stunden.
Handelsblatt Morning Briefing – Hans- Jürgen Jakobs, Handelsblatt-Redaktion (Platz 42)
Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten
Das tägliche „Morning Briefing“ von
Podcast-Kultur interpretiert werden können.
Hans-Jürgen Jakobs, dem Senior Editor des
Ausgewählt wurden zwei Podcasts, die auf
Handelsblatt, informiert in knapp zehn Mi-
einschlägigen Medien-Websites häufiger als
nuten meinungsstark über das Weltgesche-
hochwertige Formate empfohlen werden:
hen. Der wirtschaftliche Fokus der Düssel Die Wochendämmerung – Katrin Rönicke,
dorfer Tageszeitung spiegelt sich auch im
Holger Klein (hauseins)
Podcast deutlich wider.
Am Ende jeder Woche bespricht Katrin Rö-
Mit mal angenommen ist ein PC aus dem öffent-
nicke, Gründerin des Podcast-Labels haus-
Von ARD
lich-rechtlichen Bereich dabei. Was jetzt? von
eins, mit dem Hörfunkjournalisten Holger
bis „Indie“
der Zeit, Auf den Punkt von der Süddeutschen
Klein im lockeren Dialog aktuelle politische
Zeitung und das Handelsblatt Morning Brie-
Themen. Angereichert werden die ein- bis
fing stammen aus etablierten Medienhäusern.
zweistündigen Folgen regelmäßig mit ein-
Lage der Nation von Banse/Buermeyer wird
gespielten Rechercheinterviews sowie jede
als einziges Format von „freien Medienschaf-
Woche mit einem Beitrag der Politikwissen-
fenden“ produziert. Zurück zum Thema von
schaftlerin Sham Jaff. Y Politik – Tanja Hille, Vincent Venus
detektor.fm sowie Apokalyse und Filterkaffee von Beisenherz/Studio Bummens werden bei
Die Politikwissenschaftler* Tanja Hille und
aller Verschiedenartigkeit unter dem Dach der
Vincent Venus diskutieren in ihrem Pod-
„privaten Audio-Dienstleister“ geführt. Dies
cast-Projekt einmal im Monat „Lösungen für
gilt auch für Gabor Steingarts Morning Brie-
das dritte Jahrtausend“. Das Konzept: Einer*
fing, an dessen Unternehmen Media Pioneer
von beiden präsentiert das Problem mit ent-
Hier geht’s zum
die Axel Springer SE zwar mit über einem Drit-
sprechendem Lösungsvorschlag, die andere
Handelsblatt
tel Stammkapital beteiligt ist. Steingart dürfte
Person geht unvorbereitet in die Folge.
Morning Briefing,
sein Unternehmen jedoch nicht als „etabliert“ im Sinne von „lange bestehend“ betrachten, sondern eher als Start-up. Als Gegenprobe zu den acht Top-50-Pod-
8.4 Die journalistische Qualität deutscher Politik-Podcasts
casts werden zwei politische Podcasts in die
Inwiefern werden die zehn ausgewählten Pod-
… zu Die Wochen-
Analyse aufgenommen, die nicht in den Charts
casts nun den Maßstäben journalistischer Qua-
dämmerung
gelistet sind. So kann stichprobenartig über-
lität gerecht? Und inwieweit sind diese Maß-
prüft werden, ob gewisse Qualitätsmerkmale
stäbe mit den Ansprüchen jüngerer Nutzer*-
entweder als Reichweitenfaktor gelten oder
gruppen an journalistische Formate vereinbar?
auch weniger populäre Formate journalistische
Dazu wurden die zehn Podcasts im Rahmen
Qualitätsansprüche erfüllen – und die Ansprü-
einer qualitativen Inhaltsanalyse untersucht.
che somit als potentiell universaler Aspekt der
Zentrales Element dieser Methode ist die Be-
… und zu Y Politik
105
Den richtigen Ton treffen
Methodik der
wertung des Untersuchungsmaterials (Text
schiedlicher Podcast-spezifischer Indikatoren
Untersuchung
und Ton von insgesamt 30 Folgen der zehn PC)
innerhalb der jeweiligen Kategorie (vgl. den
anhand eines Kategoriensystems (vgl. Mayring
Codierleitfaden in Anhang D).23 Dabei werden
2015, Rössler 2017, Schreier 2014). Die Grund-
sowohl die einzelnen thematischen Beiträge
lage dafür bildet im Fall dieser Studie ein Kri-
jeder Podcast-Folge als auch – basierend auf
terienkatalog, der sowohl klassische journa-
diesen Einzelwertungen – die gesamte Folge
listische Qualitätsmerkmale als auch die Be-
bewertet. Beiträge ohne eindeutigen Themen-
dürfnisse der jungen Zielgruppe miteinbezieht
bezug (zum Beispiel Intro und Outro) werden
(Tabelle 6).
in die Gesamtbewertung der Folgen allerdings
Dabei definieren sich übergeordnete Krite-
nicht miteinbezogen, da sie in der Regel in
rien wie zum Beispiel Glaubwürdigkeit durch
allen Kategorien einen recht hohen Wert auf-
mehrere Unterkriterien. Die Ausprägungen
weisen und dadurch den Gesamteindruck ver-
jeder (Unter)Kategorie bilden eine Skala von
fälschen würden.
1 (Kriterium nicht erfüllt) bis 5 (Kriterium voll-
Insgesamt definieren sechs Haupt- und
ständig erfüllt), mit den dazwischenliegenden
sieben Unterkriterien den in dieser Studie an
Abstufungen 2 (kaum erfüllt), 3 (teilweise er-
die Podcasts angelegten Maßstab für zielgrup-
Journalistische
füllt) und 4 (überwiegend erfüllt). Bestimmt
pengerechte journalistische Qualität. Zu den
Qualitätskriterien
werden die Ausprägungen anhand unter-
grundlegenden Qualitätsmerkmalen zählen:
Tabelle 6 Katalog der erfassten journalistischen Qualitätskriterien
Hauptkriterien
Unterkriterien
Funktion
Vielfalt Relevanz
Themenselektion
Aktualität Glaubwürdigkeit
Transparenz Neutralität
Zugänglichkeit
Verständlichkeit Kontext & Kritik
Unterhaltsamkeit
Narrative Elemente Emotionalität Personalisierung
Inhaltliche Qualität
Quelle: Eigene Darstellung.
23 Ein gewisses Maß an Subjektivität bei der Beurteilung des Untersuchungsmaterials ist hier unvermeidbar. Annähernde Objektivität könnte höchstens durch eine repräsentative Nutzer*befragung erzielt werden.
106
Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten
Vielfalt: Durch eine Vielfalt an Themen,
der Aspekt der „Vielfalt“ kurz erläutert werden.
Argumenten, Akteuren* und Quellen soll
Denn aus der Anzahl der behandelten Themen
Qualitätsjournalismus die Teilbereiche der
sowie der Zahl der Akteure* im Podcast lassen
Gesellschaft in ihrer Diversität darstellen.
sich Rückschlüsse über die Themen- und Mei-
Der Kommunikationswissenschaftler Klaus
nungsvielfalt der einzelnen Formate ziehen.
Arnold weist jedoch darauf hin, dass vom Journalismus dabei „keine unbegrenzte
Vielfalt der untersuchten Podcasts
Vielfalt erwartet werden [könne]“ (Arnold
Die größte Themenvielfalt ist mit deutlichem
2009: 168). Journalistische Berichterstat-
Abstand der Wochendämmerung von hauseins
tung erfordert stets einen Selektionspro-
zuzuschreiben (Abbildung 26). Katrin Rönicke
zess, der unter anderem auch nach den
und Holger Klein besprechen in den über ein-
Kriterien Relevanz und Aktualität erfolgt.
einhalbstündigen Folgen im Durchschnitt gan-
Relevanz: Berichtet werden soll über die
ze 14 Themen. Philip Banse und Ulf Buermeyers
Ereignisse, die „für möglichst große Teile
Lage der Nation sowie Apokalypse & Filterkaf-
der Gesellschaft“ (Arnold 2009: 172) von
fee mit Micky Beisenherz weisen mit acht bis
Bedeutung sind, also für die breite Bevöl-
neun Themen ebenfalls eine hohe Vielfalt pro
kerung Relevanz haben. Freilich variiert da-
Folge auf. Allerdings ist anzumerken, dass eine
bei der Relevanzbegriff je nach Medium und
große Themenanzahl nicht in jedem Fall auf
dessen Rezipienten*kreis.
eine qualitativ hochwertige Berichterstattung
Aktualität: Auch die Aktualität eines Er-
schließen lässt. So widmen sich Banse und
eignisses gilt als Kriterium für den Ent-
Buermeyer in Lage der Nation einem Thema
scheidungsprozess, der einer vielfältigen
durchschnittlich zehn Minuten lang und liefern
Berichterstattung vorausgeht. Die ver-
dadurch eine weitaus tiefgreifendere Bericht-
mittelten Informationen sollen für die Ge-
erstattung als zum Beispiel Micky Beisenherz,
sellschaft „aktuell und zukünftig“ (Arnold
der in Apokalypse & Filterkaffee zwar eine grö-
2009: 172) von Bedeutung sein.
ßere Anzahl an Themen behandelt, jedoch im Schnitt nur knapp drei Minuten pro Thema auf-
Die drei Kriterien Vielfalt, Relevanz und Ak-
wendet (vgl. Anhang C, Abbildung C3). Außer
tualität zählen zwar zu den grundlegendsten
dem bestimmt sich die Themenvielfalt eines
journalistischen Qualitätsmerkmalen, finden
Formats nicht aus der bloßen Anzahl, sondern
in der Berichterstattung jedoch vorrangig bei
auch aus der inhaltlichen Ausrichtung seiner
der Selektion der Themen Anwendung (siehe
Beitragsthemen. So behandelt beispielswei-
Tabelle 6). Für die inhaltliche Ausgestaltung
se das Handelsblatt Morning Briefing vom
einzelner Medienformate nehmen sie eine
1. Dezember 2020 zwar fünf unterschiedliche
eher untergeordnete Rolle ein. Daher wurden
Themen, allein drei davon sind jedoch den
sie im Rahmen der Inhaltsanalyse nicht expli-
Themengebieten
zit berücksichtigt. Trotzdem soll insbesondere
und „Unternehmensaktivitäten“ zuzuordnen.
Viel ≠ vielfältig
„Unternehmensbilanzen“
107
Den richtigen Ton treffen
Die Vielfalt der Akteure*24, hier gemessen
Glaubwürdigkeit der untersuchten Podcasts
an der Anzahl, liegt bei einem Großteil der
Eine glaubwürdige Berichterstattung ist nach-
Podcasts deutlich unter der Themenanzahl
vollziehbar und unparteiisch. Folgende Unter-
(Abbildung 26). Lediglich beim tagesschau Zu-
kriterien zahlen auf das Qualitätskriterium ein:
kunfts-Podcast: mal angenommen, und Gabor Steingarts Morning Briefing sind durchschnitt-
Transparenz: Glaubwürdiger Journalismus
lich mehr als fünf Akteure* involviert. Die ge-
legt seiner Berichterstattung eine umfas-
ringe Zahl der beteiligten Akteure*, insbeson-
sende Recherche zugrunde. Dabei werden
dere im Verhältnis zur größeren Themenvielfalt
alle relevanten Informationen zum jewei-
Defizite bei der
ist mit Verweis auf das Qualitätsmerkmal der
ligen Thema zusammengetragen und an-
Meinungsvielfalt?
Meinungsvielfalt vor allem bei nachrichtlichen
hand seriöser Quellen überprüft und be-
Formaten kritisch zu sehen. Allerdings sei auch
legt, um die Richtigkeit der Informationen
hier angemerkt, dass die Anzahl der beteiligten
zu gewährleisten. Um es den Rezipienten*
Akteure* nur bedingt Rückschlüsse auf die Viel-
zu ermöglichen, die Glaubwürdigkeit der
falt der im Podcast repräsentierten Meinungen
Informationen selbstständig zu beurteilen,
zulässt: So können Gegenpositionen zum Bei-
müssen diese Quellen und die Recherche-
spiel auch im kritischen Dialog zwischen den
wege für die Nutzer* nachvollziehbar sein.
Hosts* zur Erwähnung kommen.
Konkret geht es hier um folgende Indikato-
Abbildung 26
Vielfalt von Themen und Akteuren* in den untersuchten Formaten (Anzahl pro Folge, Mittelwert) 15
10 Themen Akteure*
5
m al
W as je t
zt ? an ge no m Zu m rü en ck zu m Th em La a ge de rN at io n Ap ok Fi al lte yp rk se aff & Au ee fd en St Pu ei nk ng t ar ts M Br orn ie in fin g M or Ha g ni n d ng e Br lsb ie la fin tt Di g e dä W m o m ch er en un g Y Po lit ik
0
Quelle: Eigene Darstellung. Untersucht wurden die jeweils zum 01.12.2020 drei aktuellsten Folgen pro Podcast.
24 Als Akteure* wurden in der Inhaltsanalyse sowohl die Moderatoren* als auch Interviewpartner* und O-Ton-Geber* gewertet. Lediglich anonyme Stimmen, zum Beispiel bei Hörer*-Umfragen, wurden nicht berücksichtigt.
108
Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten
ren: Die Überprüfbarkeit von Quellen, die
Meinungen und Akteuren*) erfasst, ebenso
Nachvollziehbarkeit des Recherchewegs,
wie überprüft wurde, ob Nachricht und Mei-
das korrekte Belegen von Aussagen (zum
nung deutlich getrennt werden (zum Bei-
Beispiel durch O-Töne), die Offenlegung
spiel durch eine explizite Kennzeichnung in
persönlicher Interessen (beispielsweise
Form von akustischen Signalen oder ent-
finanzieller Natur) und die Kennzeichnung
sprechenden sprachlichen Hinweisen).
persönlicher Einschätzungen. Neutralität: Eine glaubwürdige Bericht-
Um die Podcasts in den (Unter)Kategorien ver-
Unser Bewertungs-
erstattung ist außerdem unabhängig von
gleichen zu können, wurden aus den Bewer-
schema
fremden Interessen und externen Einflüs-
tungen der einzelnen Podcast-Folgen relative
sen – gemeint sind hier insbesondere die
Werte errechnet. Sie zeigen an, wie viel Prozent
wirtschaftliche und die politische Einfluss-
der maximal möglichen Punktebewertung ein
nahme. Aus Hörer*perspektive ist dieser
Podcast in einer bestimmten Kategorie erreicht
Aspekt allerdings kaum überprüfbar. Da
hat. Um die PC-Formate direkt vergleichbar zu
rüber hinaus zeichnet sich glaubwürdiger
machen – den Vergleich also über die Folgen
Journalismus auch durch eine unpartei
ebene hinaus zu ermöglichen – werden im Fol-
ische und ausgewogene Darstellung von
genden die Mittelwerte aus den Bewertungen
Akteuren* und Meinungen sowie durch eine
der jeweils drei analysierten Podcast-Folgen
klare Trennung von Nachricht und Meinung
gegenübergestellt. Bei der inhaltlichen Ein-
aus (Arnold 2009: 497-498). Konkret wur-
ordnung der Werte findet folgende Abstufung
de als Indikator die Ausgewogenheit (von
Anwendung (vgl. Tabelle 7):
25
Tabelle 7 Bewertungskategorien Prozentualer Wert
Ausprägung der jeweiligen Kategorie
100–81 %
Kriterium durchweg erfüllt
80–61 %
Kriterium überwiegend erfüllt
60–41 %
Kriterium teilweise nicht erfüllt
40–21 %
Kriterium kaum erfüllt
20–1 %
Kriterium nicht erfüllt Quelle: Eigene Darstellung.
25 Ähnlich wie beim Kriterium der Vielfalt ist eine vollständige Unabhängigkeit im Journalismus aber aufgrund der strukturellen Gegebenheiten unmöglich: So ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch die Rundfunkgesetze an das politische System geknüpft und anzeigenfinanzierte Zeitungen sind unweigerlich auch in wirtschaftliche Prozesse eingebunden.
109
Den richtigen Ton treffen
Der Großteil der analysierten Podcast-For-
jedoch keine Belege für eine entsprechende
mate stellte sich im Mittel nur als „überwiegend
Aussage des Landeschefs (Jakobs 1.12.20, TC:
transparent“ heraus (Abbildung 27). Lediglich
00:02:47 – 00:02:56). Und Vincent Venus be-
der tagesschau Zukunfts-Podcast: mal ange-
zieht sich in Y Politik auf „eine Studie zu den
nommen und Zurück zum Thema von detektor.
[politischen] Talkshows 2019“, ohne aber deren
fm liegen mit ihren Durchschnittswerten von
Titel oder Herausgeber zu nennen (Hille/Venus
86 und 90 Prozent im Bereich der Ausprägung
16.11.20, ab TC 00:23:46).
Unbelegte Fakten
„durchweg transparent“ – jedoch weisen da-
In der Unterkategorie Neutralität schnei-
mit Meinungs-
bei nicht alle der drei analysierten Folgen den
den die meisten Podcasts im Vergleich zur
einschlag?
entsprechenden Wert auf. Das bedeutet im
Transparenz jedoch noch deutlich schlechter
Umkehrschluss: Alle analysierten Formate und
ab (Abbildung 27). Am prägnantesten zeigt
nahezu alle einzelnen Folgen enthalten Infor-
sich der Unterschied bei den Dialog-Formaten
mationen, die für die Hörer* nicht ausreichend
Lage der Nation, Wochendämmerung und Apo-
nachvollziehbar sind. So berichtet Hans-Jürgen
kalypse & Filterkaffee, die nicht nur von einer
Jakobs im Handelsblatt Morning Briefing, Sach-
lockeren Gesprächsatmosphäre, sondern auch
sen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff
verstärkt von persönlichen Einschätzungen der
wolle „einfach den Rundfunkstaatsvertrag wie-
Moderierenden geprägt sind. So findet es zum
der aufbohren und nachverhandeln“, liefert
Beispiel Philip Banse „sicherlich eine gute
Abbildung 27
Die Glaubwürdigkeit (Transparenz/Neutralität) der untersuchten Formate 100 %
100–81 %: Kriterium durchweg erfüllt 80–61 %: Kriterium überwiegend erfüllt 60–41 %: Kriterium teilweise nicht erfüllt 40–21 %: Kriterium kaum erfüllt 20–1 %: Kriterium nicht erfüllt
80 % 60 % 40 % 20 %
Transparenz Neutralität
om Zu m rü en ck zu m Th em La a ge de rN at io n Ap ok Fi al lte yp rk se aff & Au ee fd en St Pu ei nk ng t ar ts M Br orn ie in fin g M or Ha g ni n ng de l Br sb ie la fin tt Di g dä e W m o m ch er en un g Y Po lit ik
m al
an ge n
W as je t
zt ?
0 %
Quelle: Eigene Darstellung.
110
Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten
Idee“, die Elektromobilität weiterhin zu för-
nachzuvollziehen und die individuellen Folgen
dern (Banse/Buermeyer 21.11.20, TC 01:28:57)
der Ereignisse abzuschätzen. Die dazugehöri-
und Holger Klein hat in der Wochendämmerung
gen Unterkriterien lauten:
„das Gefühl, dass die Industriestruktur im Osten lange nicht so rosig [ist] wie im Westen“
Verständlichkeit: Mit Rückgriff auf das
(Rönecke/Klein 13.11.20, TC 00:35:45). Zudem
Mediennutzungsverhalten
der
jungen
wird hier eine Diskrepanz zwischen etablierten
Ziel gruppe, kommt der Verständlichkeit
Medienhäusern und den Produktionen priva-
als Unterkriterium eine entscheidende
ter Audio-Dienstleister sichtbar: Während sich
Rolle zu. So gaben Kümpels Studienteil-
die Formate von Zeit Online (Was jetzt?), der
nehmer* an, Nachrichten lediglich als
Süddeutschen Zeitung (Auf den Punkt) und der
Nebenbei-Beschäftigung zu konsumieren,
Tagesschau (mal angenommen) mit Werten
„die fragmentarisch, unterwegs auf dem
zwischen 67 und 71 Prozent als „überwiegend
Smartphone und primär zur Bekämpfung
neutral“ einstufen lassen, fallen die meisten
von Langeweile stattfindet“ (Kümpel 2020:
Tendenziöse
Podcasts privater Audio-Dienstleister* in die
24). Die verständliche und kompakte Über-
Privat-
Ausprägungen „teilweise wertend“, Apoka-
mittlung komplexer Informationen scheint
produktionen
lypse & Filterkaffee von Micky Beisenherz wird
daher unabdingbar, um die Inhalte auch
sogar als „überwiegend wertend“ eingestuft.
beim Nebenbei-Konsum ohne Informa
Zwei Ausnahmen bilden hier das Handelsblatt
tionsverlust an die Zielgruppe zu übermit-
Morning Briefing, das sich mit 57 Prozent Neu
teln. Überprüft wurde daher, ob komplexe
tralität eher im Stellenbereich der Privatpro-
Sachverhalte ausreichend erläutert, ohne
duktionen bewegt, sowie das Kurzformat Zu-
Informationsverlust vereinfacht und ob an-
rück zum Thema vom Privatradio detektor.fm,
schauliche Darstellungen von Sachverhal-
das mit 69 Prozent den zweithöchsten Neutra-
ten und Zusammenhängen (zum Beispiel
litätswert im gesamten Ranking aufweist.
durch konkrete Beispiele oder O-Töne) geliefert wurden.
Zugänglichkeit der untersuchten Podcasts
Kontext und Kritik: Zugänglicher Journalis-
Eine zugängliche Berichterstattung vermittelt
mus bildet relevante Ereignisse nicht bloß
komplexe Sachverhalte verständlich und an-
ab. Er ordnet das Weltgeschehen im größe-
schaulich an die breite Bevölkerung, liefert
ren Kontext ein, macht dadurch übergeord-
anwendbare Lösungsansätze für gesellschaft-
nete Systemzusammenhänge sichtbar und
liche Probleme und bettet Ereignisse in den
liefert Mediennutzern* so eine differen-
übergeordneten Kontext ein (Arnold 2008: 495,
zierte Wissensgrundlage zur Meinungsbil-
Arnold 2009: 216). Eine kritische Einordnung
dung (Arnold 2009: 178). Anschaulich wird
des Geschehens ermöglicht es dem Publikum,
das zum Beispiel bei der Berichterstat-
die Handlungsmotive politischer Akteure*
tung zur US-Präsidentschaftswahl 2020.
111
Den richtigen Ton treffen
Auch hierzulande gaben die meisten Quali
Zwischen den Unterkriterien Verständlichkeit
tätsmedien nicht nur den Verlauf der TV-
und „Kontext und Kritik“ wird bei nahezu allen
Debatten oder aktuelle Umfrageergebnisse
Podcasts eine erhebliche Diskrepanz deutlich
wieder, sondern lieferten ihrem Publikum
(Abbildung 28): Der Großteil der Podcasts kann
weiterführende Einschätzungen: Sie klär-
mit Werten über 80 Prozent als „durchweg ver-
ten zum Beispiel über die entscheidende
ständlich“ bewertet werden. Die einzigen Aus-
Rolle der sogenannten Swing States auf
nahmen bilden hier Die Wochendämmerung
(vgl. Pickert/Gaus 2020, Gatzke et. al 2020,
und Apokalypse & Filterkaffee, die bei ihren Hö-
Kohlwes 2020) oder diskutierten potenziel-
rern* zuweilen ein breites aktuelles oder fach-
le Folgen der möglichen Wahlausgänge (vgl.
liches Vorwissen voraussetzen. So vermeldet
Infos
Utz 2020, Der Spiegel 2020). Erfasst wurde
Micky Beisenherz zum Beispiel die Genesung
ohne Kontext
somit, ob mögliche Handlungsmotive der
von Romain Grosjean, erwähnt jedoch weder
Akteure* beleuchtet und mögliche Folgen
die Profession des Formel1-Fahrers, noch er-
des Geschehens aufgezeigt wurden. Zudem
läutert er die Umstände seines Unfalls (Beisen-
floss in das Unterkriterium „Kontext und Kri-
herz/Studio Bummens 30.11.20, TC 00:18:50–
tik“ ein, ob Lösungsansätze diskutiert und
00:19:53). Und Katrin Rönicke spricht in der
Aussagen und Ereignisse kritisch eingeord-
Wochendämmerung gut vier Minuten lang
net wurden.
über ein Online-Portal für „Green ETFs“, ohne
Abbildung 28
Die Zugänglichkeit (Verständlichkeit/Kontext & Kritik) der untersuchten Formate 100 %
100–81 %: Kriterium durchweg erfüllt 80–61 %: Kriterium überwiegend erfüllt 60–41 %: Kriterium teilweise nicht erfüllt 40–21 %: Kriterium kaum erfüllt 20–1 %: Kriterium nicht erfüllt
80 % 60 % 40 % 20 %
Verständlichkeit Kontext und Kritik
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0 %
Quelle: Eigene Darstellung.
112
Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten
nicht börsenaffine Hörer* über die Begrifflich-
raschungen“ darum, durch szenische Erzäh-
keit oder das grundsätzliche Vor gehen bei
lung und emotionalisierende Elemente „ein Er-
der Geldanlage aufzuklären (Rönicke/Klein
lebnis zu liefern und den Prozess erfahrbar zu
20.11.20, TC 00:53:38–00:57:51).
machen“ (Preger 2019: 265-266). Dazu könnte
Die kontextuelle Einordnung des Welt
auch die Personalisierung, also das Darstellen
geschehens bleibt bei allen Formaten hingegen
von Inhalten anhand der Erlebnisse einzelner
stellenweise aus. So fallen mit vier von zehn
Personen, beitragen: Die jeweiligen Protago-
fast die Hälfte der Podcasts mit Werten unter
nisten* werden zu Identifikationsfiguren für
40 Prozent in die Ausprägung „kaum einord-
die Rezipienten* und lassen sie die Geschichte
nend“, drei weitere Formate werden mit Wer-
„miterleben“ (vgl. Kapitel 8.2). Laut Preger ist
ten zwischen 40 und 60 Prozent immerhin als
die narrative Ebene für den Erfolg journalis-
„teilweise einordnend“ eingestuft. Eine „über-
tischer Angebote entscheidend. Auch „doku
wiegend einordnende“ Berichterstattung und
mentarische Narrationen“ wie Serial (vgl.
Werte über 60 Prozent können jedoch lediglich
Kapitel 4.1) verortet Preger dadurch im System
Lage der Nation, Y Politik und mal angenom-
Journalismus und betont, dass sie journalis-
men vorweisen.
tischen Wertevorstellungen genauso unter lägen wie die traditionelle Berichterstattung.
Unterhaltsamkeit der untersuchten Podcasts
Das heißt im Umkehrschluss: Ein journalisti-
Eine unterhaltsame Ausgestaltung macht Me-
sches Format kann Unterhaltungswert haben
dienformate insbesondere für die jungen Nut-
und dennoch ein „angemessenes Abbild der
zer* attraktiv (vgl. Kapitel 8.2) und stellt damit
Realität liefern“ (Preger 2019: 266).
auf Publikumsebene ein entscheidendes Qua-
Das Kriterium der Unterhaltsamkeit reprä-
litätskriterium dar. So steigern zum Beispiel
sentiert in der Inhaltsanalyse also die Anfor-
emotionalisierende Elemente wie szenische
derungen der jungen Mediennutzer* und um-
O-Töne oder Musik, aber auch eine lebendige
fasst sowohl narrative als auch emotionale und
sprachliche Gestaltung den Unterhaltungswert
personalisierende Elemente. Konkret wurden
der Berichterstattung. Gemeinhin wird jour-
folgende Unterkategorien mit ihren jeweiligen
nalistische Unterhaltung durch das Erzählen
Indikatoren erfasst:
spannender Geschichten erzeugt, durch sogenanntes Storytelling. Hörfunk-Journalist und
Narrative Elemente: Dazu wurde unter-
Podcaster Sven Preger (2019: 264) spricht hier
sucht, inwiefern mit Musik, Hintergrund-
bei PC lieber von „Story-Faktoren“. Während
geräuschen (sogenannter Atmo) oder Jing-
Nachrichtenfaktoren wie Aktualität oder Rele-
les, also kurzen und einprägsamen Erken-
vanz vor allem für die Auswahl eines bestimm-
nungsmelodien, gearbeitet und O-Töne
ten Themas ausschlaggebend seien, gehe es
(zum Beispiel Veranstaltungsmitschnitte,
bei Story-Faktoren wie „Botschaft“ oder „Über-
Filmausschnitte, Interviews) verwendet
Aufs Storytelling kommt es an
113
Den richtigen Ton treffen
Emotion vs.
wurden. Zudem wurde erfasst, ob Zitate
Erzählungen – vor allem auf emotionaler Ebene
Narration
(beispielsweise aus Zeitungsartikeln) und
unterhalten (und mit Werten über 60 Prozent als
Erzählsprache (zum Beispiel in Form erzäh-
„überwiegend emotionalisiert“ zu bezeichnen
lerischer Schilderungen des Recherchevor-
sind), setzen Magazin- und News-Formate wie
gangs) zum Einsatz kamen.
mal angenommen, Steingarts Morning Briefing
Emotionalität: Hierunter fielen emotionali-
und Zurück zum Thema verstärkt auf narrati-
sierte Sprache (zum Beispiel Superlative,
ve Elemente wie den Einsatz von O-Tönen oder
Häufung von Adjektiven), Tonalität (bei-
musikalische Untermalung. Auffällig ist aller-
spielsweise erhöhte Lautstärke, Sprech-
dings, dass alle analysierten Podcasts in der
geschwindigkeit, veränderter Stimmklang)
Unterkategorie Emotionalität einen Wert von
und Humor (Lachen, Witze, Ironie etc.). Zu-
über 40 Prozent aufweisen, also allesamt als
sätzlich wurden persönliche Erzählungen
mindestens „teilweise emotional“ einzustufen
(wenn der Host* beispielsweise Details
sind. Der Einsatz emotionalisierender Elemente
aus seinem Privatleben preisgibt) und der
scheint bei der Unterhaltsamkeit von PC also
direkte Einbezug der Hörer* (zum Beispiel
insgesamt eine bedeutsame Rolle zu spielen.
über Fragen wie „Kennt ihr das?“ oder die
Alle untersuchten Podcasts weisen auch
Vorstellung der Hosts*) als Indikatoren für
gewisse Tendenzen zur Personalisierung auf,
die Emotionalität der Podcasts erfasst.
eine übermäßige Personalisierung der Bericht-
26
Personalisierung: Als Indikator für die
erstattung ist bei den meisten Podcasts jedoch
Personalisierung wurde erfasst, inwiefern
nicht zu beobachten: Sieben der zehn Formate
in den Podcasts Sachverhalte anhand der
lassen sich mit Mittelwerten zwischen 23 und
persönlichen Geschichte einzelner Protago-
35 Prozent als „kaum personalisiert“ einord-
nisten* dargestellt werden.
nen. Eine höhere Personalisierung lässt sich
27
lediglich bei Apokalypse & Filterkaffee, SteinAbbildung 29 verdeutlicht, dass das Ausmaß
garts Morning Briefing und vor allem beim
unterhaltsamer Elemente bei den analysierten
Handelsblatt Morning Briefing feststellen, das
Podcasts stark variiert. Jedoch lassen sich eini-
mit 70 Prozent den höchsten Wert in der Kate-
ge formatspezifische Regelmäßigkeiten erken-
gorie verzeichnet. Bei den drei Formaten wer-
nen: Während Dialogformate wie Die Wochen
den allerdings unterschiedliche Ausprägun-
dämmerung, Y Politik und Lage der Nation
gen einer personalisierten Berichterstattung
ihre Hörer* – zum Beispiel durch persönliche
deutlich. So stehen im Handelsblatt Morning
26 Zwar dient die namentliche Vorstellung der Moderatoren* auch der Transparenz und trägt damit zur Glaubwürdigkeit eines Podcasts bei. Sie stärkt jedoch vor allem die Rolle des Hosts* als Identifikationsfigur für die Hörer*schaft. Um die Trennschärfe zwischen den einzelnen Kategorien zu wahren, soll sie daher ausschließlich in der Kategorie „Emotionalität“ verzeichnet werden. 27 Erfahrungsberichte in Form von Experten*-Interviews werden dabei nicht als personalisierendes Element gewertet, sofern sie keine persönlichen Erzählungen des Interviewpartners* beinhalten.
114
Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten
Briefing bei Meldungen zu Wirtschaftsereig-
Persönlichkeiten berichtet. So zum Beispiel
nissen und Unternehmensaktivitäten oft die
über einen Kommentar des Philosophen Peter
agierenden Führungspersönlichkeiten stark im
Sloterdijk zur Zukunft von Bundestrainer Jogi
Fokus der Berichterstattung: Die Jahresbilanz
Löw (Beisenherz/Studio Bummens 27.11.20,
der Deutschen Bahn sorge zum Beispiel dafür,
TC 00:19:34–00:22:56) oder über den Tod von
dass „die Welt von [Vorstandschef] Richard
Darth Vader-Darsteller David Prownes (Beisen-
Lutz ziemlich von Angst geprägt“ sei (Jakobs
herz/Studio Bummens 30.11.20, TC 00:00:37–
1.12.20, TC 00:01:54) und die (wirtschaft
00:02:13). Bei Steingarts Morning Briefing
lichen) Entwicklungen in der Corona-Pandemie
lassen sich zuweilen beide Ausprägungen
werden über die persönliche Einschätzung von
feststellen.
Der „Promifaktor“
Kanzleramtschef Helge Braun abgehandelt (Jakobs 30.11.20, TC 00:05:20–00:06:42). Bei
Glaubwürdigkeit, Zugänglichkeit und
Apokalypse & Filterkaffee hingegen zeigt sich
Unterhaltsamkeit im Vergleich
die Tendenz zur Personalisierung bereits in
Abbildung 30 stellt die Ergebnisse der einzel-
der Themenauswahl: Neben dem politischen
nen Hauptkategorien in der Gesamtschau dar.
Tagesgeschehen wird häufig auch über Erfol-
Dabei wurden für die Errechnung der Werte in
ge, Misserfolge oder Schicksale prominenter
den drei Hauptkategorien einzelne Unterkrite-
Abbildung 29
Die Unterhaltsamkeit (Narrative Elemente/Emotionalität/Personalisierung) der untersuchten Formate
100 %
100–81 %: Kriterium durchweg erfüllt 80–61 %: Kriterium überwiegend erfüllt 60–41 %: Kriterium teilweise nicht erfüllt 40–21 %: Kriterium kaum erfüllt 20–1 %: Kriterium nicht erfüllt
80 % 60 % 40 % 20 %
Narrative Elemente Emotionalität Personalisierung
m al
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0 %
Quelle: Eigene Darstellung.
115
Den richtigen Ton treffen
Gewichtung der
rien stärker gewichtet. So wurde in der Katego-
weiterführend ein, stellt die Thematik jedoch
Qualitätskriterien
rie Glaubwürdigkeit die Unterkategorie Trans-
so komplex dar, dass sie ohne Vorwissen nicht
parenz mit dem Faktor 1,5 gegenüber der Unter
zu verstehen ist, verfehlt er seinen Zweck
kategorie Neutralität gewichtet. Der Grund ist,
gänzlich. Das Unterkriterium Verständlichkeit
dass eine meinungsstarke, aber nachvollzieh-
wird daher doppelt so stark gewichtet wie das
bare Berichterstattung eine glaubwürdigere
Unterkriterium „Kontext und Kritik“. Lediglich
Grundlage zur Meinungsbildung darstellt als
in die Kategorie Unterhaltsamkeit fließen alle
Informationen, die zwar sachlich präsentiert
Unterkriterien gleichberechtigt ein.
werden, jedoch nicht ausreichend belegt
Im Wesentlichen lassen sich aus der qua-
sind – Transparenz ist hier also das wichtigere
litativen Inhaltsanalyse der zehn Politik-Pod-
Kriterium. Ähnlich ist es mit den Unterkriterien
casts folgende Ergebnisse herausdestillieren:
Verständlichkeit und „Kontext und Kritik“ in der Hauptkategorie Zugänglichkeit: Eine ver-
1) Gute Zugänglichkeit: Insgesamt fällt bei
ständliche, aber wenig tiefgreifende Bericht-
allen analysierten Podcasts zunächst ihr
erstattung bietet immer noch eine brauchbare
hoher Wert in der Kategorie Zugänglichkeit
Informationsgrundlage für die Rezipienten*.
auf, der von einer überwiegend verständ-
Ordnet ein Beitrag das Geschehen hingegen
lichen und kritischen Berichterstattung
Abbildung 30
Glaubwürdigkeit, Zugänglichkeit und Unterhaltsamkeit der untersuchten Formate im Vergleich 100 %
100–81 %: Kriterium durchweg erfüllt 80–61 %: Kriterium überwiegend erfüllt 60–41 %: Kriterium teilweise nicht erfüllt 40–21 %: Kriterium kaum erfüllt 20–1 %: Kriterium nicht erfüllt
80 % 60 % 40 %
Unterhaltsamkeit Zugänglichkeit Glaubwürdigkeit
20 %
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0 %
Quelle: Eigene Darstellung.
116
Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten
zeugt. Die guten Werte kommen allerdings
2) Nicht durchgehend glaubwürdig und zuwei-
primär dadurch zustande, dass die unter-
len tendenziös: In der Gesamtschau stellen
suchten Podcasts vor allem in Sachen Ver-
sich die meisten Podcasts als „überwie-
ständlichkeit punkteten. Schwächen offen-
gend glaubwürdig“ heraus. Dabei schnei-
barten sich hingegen in der Unterkategorie
den die Podcasts fast durchgehend bei der
„Kontext und Kritik“. Dies ist ein durchaus
Quellen-Transparenz besser ab als in der
bemerkenswertes Ergebnis, denn gerade
Unterkategorie Neutralität, denn stellen-
weitgehend monothematische Podcasts
weise wirken die Podcasts tendenziös. Zu-
sollten die Möglichkeit bieten, Ereignisse
dem lässt sich festhalten, dass die Formate
in größere gesellschaftspolitische Kontex-
privater Audio-Dienstleister tendenziell als
te einzuordnen. An der Spitze der Gesamt
weniger glaubwürdig einzustufen sind als
kategorie Zugänglichkeit liegt der tages-
die Podcasts etablierter Medienhäuser. So
schau Zukunfts-Podcast: mal angenommen
liegen die Werte bei den etablierten Medi-
mit einem Wert von 87 Prozent. Ebenfalls als
en zwischen 63 und 80 Prozent, bei Privat-
„durchweg zugänglich“ erwiesen sich die
produktionen zwischen 59 und 63 Prozent.
privaten Podcasts Y Politik und Lage der Na-
Der Podcast von detektor.fm bildet hier mit
tion sowie Zurück zum Thema vom Podcast-
ungeschlagenen 82 Prozent allerdings eine
Radio detektor-fm. Alle anderen Formate
Ausnahme und erreicht als einziges Format
schneiden als „überwiegend zugänglich“
den Schwellenwert zur Ausprägung „durch-
ab. Lediglich der witzlastige News-Pod-
weg glaubwürdig“.
Verständlich und meinungsstark
cast Apokalypse & Filterkaffee rutscht mit einem Mittelwert von 60 Prozent knapp in
3) Bewertung vor Transparenz? Als proble-
die Ausprägung „teilweise unzugänglich“:
matisch zu werten ist auch die relativ hohe
Moderator Micky Beisenherz liefert zu den
Diskrepanz zwischen Zugänglichkeit und
thematisierten Ereignissen reihenwei-
Glaubwürdigkeit, die sich bei fast allen
se mehr oder weniger spitze Pointen, die
Podcasts abzeichnet. So bleibt der Wert in
vom Informationskern der Nachricht eher
der Kategorie Glaubwürdigkeit bei sieben
ablenken und dem Publikum keinen infor-
der zehn Formate deutlich hinter dem Zu-
mativen Mehrwert bieten. Oft erfordern sie
gänglichkeitswert zurück. Beim semi-pro-
außerdem ein gewisses Spezialinteresse
fessionellen Podcast Y Politik liegen ganze
auf Hörer*seite. So zum Beispiel Beisen-
26 Prozentpunkte zwischen den beiden
herz‘ Kommentar zum AfD-Parteitag: „Wenn
Werten. Gabor Steingarts Morning Briefing
ich ältere, ramponierte Herren sehen will,
(18 Prozentpunkte) und Lage der Nation
da hätte ich auch den Kampf Tyson gegen
(17 Prozentpunkte) weisen ebenfalls eine
Jones gucken können“ (Beisenherz/Studio
besonders hohe Diskrepanz auf. Dies lässt
Bummens 30.11.20, TC 00:07:21).
darauf schließen, dass die Podcasts das
Transparenz kommt zu kurz
117
Den richtigen Ton treffen
Geschehen zwar ausführlich einordnen und
kaffee sogar nur ein Prozentpunkt. Kritisch
diskutieren, dabei jedoch stark wertend
betrachtet könnte dies bedeuten: Der hohe
oder wenig transparent vorgehen.
Unterhaltungsfaktor der privat produzierten Podcasts gefährdet die Glaubwürdigkeit
4) Unterhaltsamkeit spielt nur eine unterge-
ihrer Berichterstattung. Denn emotionale
ordnete Rolle: Die Kategorie Unterhaltsam-
Kommentare und persönliche Erzählungen
keit scheint in keinem direkten Zusammen-
tragen nicht nur zum Unterhaltungswert des
hang mit den beiden anderen Kriterien zu
jeweiligen Formats bei. Sie verstärken auch
stehen, jedenfalls sticht kein eindeutiges
seine subjektive Prägung und gehen damit
Muster ins Auge. Klar ist dagegen: Bei al-
auf Kosten der Neutralität – was gemäß dem
len Formaten ist der „Unterhaltungsfaktor“
Kriterienkatalog letztlich auch zu einem Ver-
geringer als die Werte von Glaubwürdig-
lust an Glaubwürdigkeit – und damit an jour-
keit und Zugänglichkeit, oft liegt er sogar
nalistischer Qualität – führen kann.
deutlich dahinter. Den geringsten Unterhaltungswert in der hier gewählten Definition weisen die beiden Podcasts Lage der Nation
8.5 Zwischenfazit
und Y Politik auf. Als Ursache lässt sich hier
Die empirischen Studien von Kramp/Weichert
vermuten, dass den Machern* deutlich we-
(2017) und Kümpel (2020) haben gezeigt, dass
niger (finanzielle) Ressourcen für die narra-
junge Menschen etablierte Medien als ver-
tive Ausgestaltung (Musikbett, O-Töne etc.)
lässliche Informationsquelle einschätzen und
zur Verfügung stehen als etablierten Pro-
diesen daher einen gewissen Vertrauensvor-
Vor allem bei den von
schuss entgegenbringen. Dieses Vertrauen
privaten Audio-Dienstleistern produzier-
scheint nach den Ergebnissen der Inhaltsana-
ten Podcasts fällt allerdings auf, dass sich
lyse zunächst gerechtfertigt: Die Podcasts der
die Werte der Kategorien Glaubwürdigkeit
Öffentlich-Rechtlichen und etablierten Medien-
und Unterhaltsamkeit einander annähern.
häuser erscheinen insgesamt deutlich glaub-
Während zum Beispiel bei Auf den Punkt,
würdiger als Privatproduktionen, wenn man
dem Nachrichten-Podcast der Süddeut-
Glaubwürdigkeit über die Parameter Quellen-
schen Zeitung, ganze 32 Prozentpunkte
transparenz und Neutralität definiert.
duktionshäusern.
28
Mit Vorsicht
zwischen den beiden Werten liegen, sind
Problematisch ist jedoch, dass ausnahms-
zu genießen
es bei der Wochendämmerung von haus-
los alle analysierten Formate in nicht unerheb-
eins nur 18 Prozentpunkte, bei Steingarts
lichem Maße unbelegte Informationen ent-
Morning Briefing und Apokalypse & Filter-
halten. Ausgerechnet die News-Podcasts Was
28 Hinter dem Verzicht auf unterhaltende Elemente könnte hier wie bei anderen Podcasts aber auch die Überzeugung stehen, einen möglichst seriös wirkenden Podcast ohne großen „Schnickschnack“ produzieren zu wollen.
118
Politik für junge User*: Eine qualitative Inhaltsanalyse von zehn populären Info-Formaten
jetzt? von Zeit Online und Auf den Punkt der
wurde, in der gesamten Medienwelt immer
Süddeutschen Zeitung weisen in der Katego-
weniger Geltung zu haben. Insofern bilden die
rie Transparenz mit die geringsten Werte auf.
Podcasts keine Ausnahme.
Dies mag zumindest teilweise auf die Formate
Dies muss jedoch nicht zwangsläufig dazu
zurückzuführen sein, bei denen Gespräche mit
führen, dass Journalismus im digitalen Zeitalter
Redakteuren* und Korrespondenten* aus dem
an Glaubwürdigkeit verliert. Die Ergebnisse der
eigenen Hause im Mittelpunkt stehen und da-
Inhaltsanalyse bestätigen die These von Pre-
bei oft auch Einschätzungen gefragt sind. Aller
ger (2019), dass narrative Strukturen mit einer
dings sollten es versierte Journalisten* noch
glaubwürdigen Berichterstattung grundsätz-
besser verstehen als zum Beispiel interviewte
lich vereinbar sind. Von wenigen Ausnahmen
Experten*, ihre Aussagen mit Quellen zu un-
abgesehen, nutzen die untersuchten Podcasts
termauern.
allerdings narrative, mithin unterhaltende Ele-
Darüber hinaus ist zu beobachten, dass
mente in erstaunlich geringen Dosen – beson-
dem Publikum bei den meisten Formaten eine
ders im Vergleich mit Info-Formaten auf You-
geschulte Medienkompetenz abverlangt wird,
Tube und anderen Plattformen. Was also ist
Das
die Fakten von Meinungen zu unterscheiden
dann der große Trumpf, der Politik-Podcasts
Erfolgsrezept?
weiß. Denn eine ausdrückliche Abgrenzung
wie mal angenommen, Was jetzt? oder Lage
von nachrichtlichen Inhalten zu persönlichen
der Nation auf bemerkenswert hohe Plätze in
Meinungsäußerungen lässt sich bei keinem
den Spotify-Charts katapultiert und zur großen
der Podcasts feststellen. Möglicherweise ist
Beliebtheit bei jungen Menschen führt? Jeder
dies so beabsichtigt, um den Redefluss im PC
dieser Podcasts weist Besonderheiten auf, die
nicht zu beeinträchtigen. Gleichwohl sollten
offenbar ein größeres Publikum anziehen. Ein
die redaktionell Verantwortlichen zwischen
lösungsorientierter Ansatz etwa oder ein spezi-
Dramaturgie und Glaubwürdigkeit abwägen.
fisch dialogischer Moderationsstil. Was jedoch
Allerdings scheint das Postulat einer traditio-
alle gemeinsam haben, ist ihr hohes Maß an
nellen „Trennung von Nachricht und Meinung“,
Zugänglichkeit. Womit sich einmal mehr zeigt:
wie es im 20. Jahrhundert, im Zeitalter des klas-
Beim Podcasting geht es Machern* wie Hörern*
sischen Nachrichtenjournalismus, formuliert
vor allem um das Verstehen.
119
Den richtigen Ton treffen
9 Fazit: Wie sich die zeitgenössische Podcast-Kultur bewahren lässt Podcasts sind drauf und dran, zu einer festen
das politische Gemeinwohl zu nutzen und nicht
Größe des Medienensembles zu avancieren.
sehenden Auges in eine neue Abhängigkeit zu
Dies birgt vor allem Chancen, aber auch Gefah-
schlittern, wie dies gegenüber YouTube und an-
ren in sich. Die deutsche Podcast-Landschaft
deren sozialen Medien geschehen ist.
hat sich in einer Weise entwickelt, dass sie zur Informiertheit der Bürger* und damit zur politischen Meinungsbildung beitragen kann – gerade auch bei den Jüngeren. Im Idealfall kann das Podcasting auch eine neue Form des öf-
9.1 Zusammenfassung der Ergebnisse und Handlungsempfehlungen für Politik-Podcasts
fentlichen politischen Diskurses vorantreiben:
Die Studie hat gezeigt, dass es bisher zwei
Zuhören
Den Dialog, der das gegenseitige Zuhören und
große Podcast-Wellen gegeben hat. Die erste
und Verstehen
Verstehen der vorschnellen Positionierung vo-
„Experimentierwelle“ zwischen 2005 und 2010
ranstellt. Der bundesdeutschen Gesellschaft
verebbte wieder, weil vor allem die technischen
täte es sicher gut, ihr medial orchestriertes
Rahmenbedingungen noch nicht gegeben wa-
Selbstgespräch (wieder) verstärkt in wohltem-
ren: Smartphones, Breitband-Übertragung,
perierter Manier zu führen. Bei allem Lob: Auch
Audiostreaming-Plattformen. Dies hat sich bin-
beim Podcasting gibt es noch ein gewisses
nen weniger Jahre geändert, wodurch 2017 der
Nachhaltige
Optimierungspotenzial in Hinblick auf die (jour-
zweite, noch größere und nachhaltigere Schub
Etablierung
nalistischen) Qualitätsmaßstäbe (Kapitel 9.1).
in Deutschland ausgelöst wurde: die „Etablie-
Der Siegeszug der Podcasts bringt auch
rungswelle“. Zunächst hat das technische und
Konfliktpotenziale mit sich. Im Mittelpunkt
inhaltliche Angebot in Gestalt eines umfassen-
steht dabei das „YouTube-Syndrom“. Ähnlich
den Katalogs mit derzeit allein rund 50.000 in
wie schon Jahre zuvor auf der größten Video
Deutschland produzierten Podcasts stark ex-
sharing-Plattform der Welt drängen Profis die
pandiert, in jüngerer Zeit hat auch die Nach
unabhängigen Medienmacher* zunehmend
frage deutlich angezogen. Zwar hört sich „erst“
an den Rand der Nutzer*-Aufmerksamkeit. Mit
ein Viertel der Bevölkerung über 14 Jahren min-
der Professionalisierung geht in der Regel eine
destens einmal pro Monat einen Podcast an,
Kommerzialisierung einher. Darüber hi naus
aber die Zahl der Hörer* steigt und bei den
besteht die Gefahr, dass sich die Plattform
14- bis 29-Jährigen hört bereits ein Viertel min-
Spotify zu einer Art „YouTube der Audio-Strea-
destens einmal wöchentlich Podcasts. Und der
Gefahr der
mingdienste“ emporschwingt und mittelfristig
Podcast-Konsum diffundiert zwar nicht extrem
Monopolisierung
ein Monopol aufbaut. So könnte der Konzern
rasant, aber doch kontinuierlich in die älteren
aus Schweden aufgrund seiner Reichweite und
Hörer*gruppen hinein. All dies sind deutliche
mittels seiner Auswahlmechanismen (wie sei-
Hinweise darauf, dass es sich nicht um eine
nem Algorithmus) wesentlichen Einfluss auf
vorübergehende Modeerscheinung handelt,
die Inhalte ausüben (Kapitel 9.2). Folglich gilt,
sondern dass der erneute Aufschwung des
die Chancen dieses noch jungen Mediums für
Podcastings Teil eines strukturellen und tief-
120
Fazit: Wie sich die zeitgenössische Podcast-Kultur bewahren lässt
greifenden Medienwandels ist – weg von der
dass sich dies zum Negativen ändern könnte,
linearen Nutzung hin zu einem personalisier-
sobald Podcasts noch stärker zum Massen-
ten, situationsbedingten On-Demand-Abruf.
medium und für kommerzielle wie politische
Es konnte dargestellt werden, dass es enor-
Zwecke instrumentalisiert werden. Sollte sich
me Wechselwirkungen zwischen dieser grund-
die Podcast-Community diese Kultur jedoch
legenden Veränderung in der Mediennutzung
bewahren, kann dies wiederum die deutsche
und der Infrastruktur von Medien gibt: Media
Debattenkultur im Großen positiv beeinflussen
theken bzw. Streaming-Plattformen gewinnen
und ihr eine konstruktive Note verleihen.
Einfallstor für PR
stark an Bedeutung. Dessen ungeachtet zeigte
Die Untersuchung hat auch einen Blick auf
sich beim Blick auf die Mikroebene, dass die
die Seite der Podcasts-Hörer* geworfen. Für
DNA des Podcastings eine nahe Verwandt-
diese besteht der große Reiz des Podcast-Uni-
schaft zum klassischen Hörfunk aufweist, vor
versums in seiner unglaublichen Vielfalt der
allem bei journalistischen Formaten. Es domi-
Themenfelder wie seiner Macher*. Die Erhe-
nieren Magazine und Reportagen, vor allem
bungen des Online Audio Monitors haben ge-
aber Interviews. Auch das oft dialogische Mo-
zeigt, dass vor allem jüngere Nutzer* großen
ment zwischen zwei Moderatoren* entstammt
Wert darauf legen, wer ihnen den Podcast
ursprünglich dem Radio. Allerdings bestechen
präsentiert, mithin hinter dem Mikro agiert.
Podcasts durch ihre Ausführlichkeit, ihre
Von weit geringerer Bedeutung sind dagegen
thematische Tiefe, zuweilen auch durch die
der Absender bzw. die Medienmarke. Eine sol-
intime Atmosphäre, die sich zwischen ihren
che Offenheit kann Podcasts aber auch zum
Protagonisten* aufbaut und den Hörer* zu-
Einfallstor für die Öffentlichkeitsarbeit von
mindest virtuell darin mit einbezieht. All dies
Unternehmen und Organisationen machen,
sind Phänomene, die beim Hörfunk meist nur
selbst wenn diese sich (wie viele NGOs und
die Nachtprogramme von Nischensendern er-
öffentliche Einrichtungen) vermeintlich ge-
zeugen. Die Autoren* dieser Arbeit sehen noch
meinnützige Ziele auf die Fahnen geschrie-
ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des Pod-
ben haben. Anhand einiger Beispiele wurde
casts: die Betonung des friedfertigen Dialogs.
gezeigt, dass es in der Tat Podcast-Angebote
Ganz offensichtlich hat sich in der deutschen
gibt, die interessengeleitete Kommunikation
Podcast-Kultur das Prinzip des gepflegten
unterschiedlichster Art betreiben. Den Nut-
Austauschs durchgesetzt, ein gegenseitiges
zern* wird also ein hohes Maß an Medien-
Zuhören, das zunächst einmal auf das Verste-
kompetenz abverlangt, denn für sie ist nicht
hen des jeweiligen Gesprächspartners* setzt.
immer offensichtlich, welches konkrete Inte
Diese Dialogbereitschaft setzt einen sympa-
resse der Absender* verfolgt. Damit wird es
thischen Kontrapunkt zur auf Meinungsver-
zugleich schwerer, unabhängigen und quali-
Kontrapunkt zu
schiedenheit und Konfrontation, ja oft auch
tativ hochwertigen Journalismus zu erkennen,
den TV-Talkshows
auf Krawall gebürsteten Debattenunkultur bei
was zum Vorteil der etablierten und bekann-
TV-Talkshows. Es besteht jedoch die Gefahr,
ten Medienmarken gereichen könnte. 121
Den richtigen Ton treffen
Die durchgeführte qualitative Inhaltsana-
einsetzen, um die Hörer* zu ihrem Kern-
Mängel auch bei
lyse von zehn Podcasts mit Schwerpunkt auf
angebot hinüber zu ziehen. Zum anderen
Qualitätsmedien
(gesellschafts)politischer Information lässt
darauf, dass keine personellen und finan-
aber durchaus noch einen gewissen Optimie-
ziellen Ressourcen zur Verfügung stehen,
rungsbedarf auch bei den Absendern erken-
um ein Magazin-Programm mit Beiträgen
nen, die nach eigenem Verständnis explizit für
zu verschiedenen Themen und mit diversen
die journalistischen Tugenden der Transparenz
O-Tönen zu bestücken. Aber: Die etablierten
und redaktionellen Qualität stehen, nämlich
Medien genießen gerade bei der jüngeren
den etablierten Medienhäusern. Beispielswei-
Zielgruppe einen Vertrauensvorschuss,
se bieten die wenigsten der zehn analysierten
dem sie mit einer angemessenen Themen-
Politik-Podcasts ihren Hörern* einen umfas-
und Meinungsvielfalt auch gerecht werden
senden Überblick über das Weltgeschehen.
sollten. Politische Podcasts von privaten
Besonders bei nachrichtlichen Formaten ist
Audio-Dienstleistern hingegen sollten eine
dieser Mangel an thematischer Vielfalt pro
Themenauswahl fokussieren, die mehr von
blematisch – suggerieren sie doch, dass die
gesellschaftlicher Relevanz, weniger vom
Hörer* dort täglich mit allen relevanten Infor-
Promi- oder Unterhaltungsfaktor getrieben
mationen zum Weltgeschehen versorgt werden.
ist. Eine umfassende Themenabdeckung
Von den Ergebnissen der Inhaltsanalyse lassen
ist unabdingbar, um einen tatsächlichen
sich für journalistische Podcast-Produzenten*,
Beitrag zur politischen Informiertheit der
die aktuelle Informationen in den Vordergrund
(jüngeren) Mediennutzer* zu leisten und
stellen, einige grundlegende Handlungsemp-
der fragmentarischen Nachrichtennutzung
fehlungen ableiten:
in den sozialen Medien entgegenzuwirken.
Umfassend informieren Podcast-Formate, die sich als Nachrich-
Meinungen kennzeichnen
Jungen Mediennutzern* fällt es zunehmend
ten-Podcasts deklarieren, sollten umfas-
schwer, in den sozialen Medien seriöse
send oder zumindest umfassender, als sie
Inhalte zu identifizieren (Kapitel 8.1). Ein
dies bislang oft tun, über das politische
ähnliches Problem könnte auch beim Pod-
Geschehen informieren. Viele der Info- und
cast-Konsum auftreten, das sich dann aller-
Häufig
Nachrichtenpodcasts sind weitgehend
dings nicht nur auf die Jüngeren beschränkt:
monothematische
mono thematisch gestaltet und bestehen
Anders als zum Beispiel bei (Online-)Tages-
Ausrichtung
aus einem Interview und Verweisen auf
zeitungen findet bei Podcasts wie in den
einige andere wichtige Themen. Dies mag
sozialen Medien bisher keine Rubrizierung
zum einen darauf zurückzuführen sein,
hinsichtlich der journalistischen Darstel-
dass viele etablierte Medienhäuser noch
lungsform (Bericht, Kommentar, Reportage
mit Podcasts experimentieren und sie oft
usw.) statt, auch in den untersuchten Pod-
noch primär als Marketing-Instrument
casts, egal ob diese von Einzelpersonen oder
122
Fazit: Wie sich die zeitgenössische Podcast-Kultur bewahren lässt
großen Medienhäusern produziert wurden,
private Audio-Dienstleister. Von den unter-
wurde dies nicht praktiziert. Um subjekti-
suchten Podcasts scheinen insbesondere
ve Wertungen für die Nutzer* kenntlich und
„Infotainment“-Formate Gefahr zu laufen,
von der faktenbasierten Berichterstattung
durch übermäßige Emotionalität Teile ihrer
unterscheidbar zu machen, sollten persön-
Glaubwürdigkeit einzubüßen. Gerade hier
liche Meinungsäußerungen in den Podcasts
ist eine Nachvollziehbarkeit der Informa
sprachlich explizit gekennzeichnet werden.
tionsquellen und die klare Kennzeichnung
Konkret könnte das – zum Beispiel vor län-
persönlicher Meinungen erforderlich, um
geren Kommentaren – durch musikalische
den Hörern* eine journalistisch saubere
Trenner geschehen, oder aber durch klare
Berichterstattung zu bieten.
sprachliche Hinweise der Akteure* selbst („Das ist meine persönliche Meinung“). Quellen transparent machen
9.2 Strategischer Ausblick: Das Spotify- Dilemma der Podcast-Macher*
Zwar ist bei den Podcasts renommierter Me-
Ein intensiver Blick auf die PC-Charts von
dienhäuser in der Regel davon auszugehen,
Spotify, Apple Podcasts und anderen Audio
dass der Berichterstattung eine umfassen-
streaming-Plattformen zeigt, dass dort zwar
de Recherche zugrunde liegt, welche die
Unterhaltungs- und Comedy-Formate die
Richtigkeit der übermittelten Informationen
Spitzen plätze beherrschen. Doch können
gewährleistet. Diese Recherchewege für die
sich auch nicht wenige Informations- und
Recherchen sollten
Rezipienten* nachvollziehbar zu machen, ist
Politikformate in den Top-50 platzieren. Hin-
nachvollziehbarer
jedoch wesentlicher Bestandteil einer glaub-
zu kommen Podcasts aus dem Bereich Bildung
werden
würdigen Berichterstattung. Nur so können
und Wissen. Dies spiegelt sich auch in den
sich Mediennutzer* auch in Eigeninitiative
Nutzungsmotiven von Hörern* wider, die ge-
über das Weltgeschehen informieren, ihr
nau diese Felder als Prioritäten angeben. Dass
Wissen zu relevanten Themen vertiefen und
Podcasts hier so erfolgreich sind, demons
sich eine fundierte politische Meinung bil-
triert die Macht des Wortes, die die Nutzer*
den. Einige Medien haben eigene Podcasts
eben diesem zuweisen. Eine wichtige Rolle
eingerichtet, um Einblick in ihre Recherchen
spielt aber offenbar auch die (vermeintliche)
zu geben. Damit sprechen sie aber vornehm-
Intimität des Zwiegesprächs, die dem Podcast
lich ein Fachpublikum an. Sinnvoller wäre
anscheinend innewohnt. Bei der politischen
es, wo dies geboten scheint, die Recherche-
Meinungsbildung zeitigt die interpersonale
wege zumindest kurz bei der Besprechung
Kommunikation, also der Austausch mit der
konkreter Themen selbst zu erläutern. Der
Familie, mit Verwandten und Freunden* die
Das heimlich
Appell zur Transparenz gilt dabei für öffent-
größte Wirkung. Beim Podcast vermählt sich in
belauschte
lich-rechtliche und etablierte Medienhäu-
gewisser Hinsicht das („belauschte“) persön-
persönliche
ser genauso wie für freie Podcaster* und
liche Gespräch mit der journalistischen Kom-
Gespräch 123
Den richtigen Ton treffen
petenz, die die Nutzer* den meisten Massen
ansprechen. Diese meist gezielte Verflachung
medien zuschreiben.
hat meist unwillkürlich zur Folge, dass Medien-
Die Analyse legt jedoch auch Gefahren für
inhalten in Graf-Dracula-Manier jedwede gesell-
diesen erfreulichen Zustand offen: Tatsache
schaftspolitische Problemorientierung aus den
ist, dass das Podcasting bereits seit rund fünf
Kapillaren gesaugt wird. Diese Entwicklung ist
Professionali-
Jahren eine fortschreitende Professionalisie-
allerdings nicht zwangsläufig, wie die Erfah-
sierung =
rung durchläuft. Die redaktionelle wie techni-
rungen aus den USA zeigen. Dort befinden sich
Kommerziali-
sche Produktionsqualität hat sich in der Brei-
auch Politik-Podcasts beim Rennen um Werbe-
sierung?
te des Marktes hörbar verbessert. Es ist ein
gelder auf guten Positionen. Allerdings dürften
Ökosystem aus Produktionsfirmen, Vermark-
mit zunehmender Kommerzialisierung für die
tern* und Full-Service-Audio-Dienstleistern
Masse der Politik-Podcasts die Weichen stärker
entstanden, in deren Mittelpunkt die großen
in Richtung „Infotainment“ gestellt werden.
Streaming-Plattformen stehen. Wie zentral
Die größere Herausforderung oder auch
Podcasts im weltweiten Audio-Business gewor-
Gefahr für die Kultur des Podcastings wie für
den sind, lässt sich nicht zuletzt daran ablesen,
die Meinungsvielfalt identifiziert die Unter
dass Spotify Podcasts als strategischen Hebel
suchung jedoch woanders: In der Konvergenz
Konvergenz
einsetzt, um durch exklusive Produktionen und
von Streamingdiensten und Hörfunk. Die Er-
zwischen Hörfunk
eine längere Verweildauer seiner Nutzer* eine
wartungen der Nutzer* in Hinblick auf Unterhal-
und Streaming-
globale Vormachtstellung zu erringen. Und
tung, Personalisierung und Nutzwert zwischen
diensten
schließlich sind auch unzählige professionelle
den beiden Gattungen nähern sich an. Spotify
Medienschaffende und Medienhäuser auf den
hat diesen Trend offensichtlich längst erkannt
Zug aufgesprungen, um vom Aufstieg dieses
und bedient seine Abonnenten* mit Ange-
neuen Massenmediums zu profitieren.
boten, die durch ihren Mix aus Podcasts und
124
Sollte die öffentliche Hand die bisherige
Musiktiteln Magazinsendungen im Radio äh-
cast-Kultur nicht durch kartellrechtliche Pod
neln – wenn auch (bisher) noch der Moderator*
und regulatorische Maßnahmen (wie etwa
fehlt. Zudem hat sich der Konzern in eine stra-
Werbe beschränkungen) schützen, folgt der
tegisch mächtige Position bewegt. Wie andere
Professionalisierung in der Regel bald auch die
Betreiber digitaler (Medien)Plattformen wirkt
Kommerzialisierung. Dies bedeutet im Falle des
Spotify wie ein Flaschenhals zwischen den Pro-
PC-Marktes, dass Podcasts in einem weit grö-
duzenten* der Inhalte und den Nutzern*: Bis zu
ßeren Maße als bisher von automatisierter Wer-
einem bestimmten Grad kann die Plattform die
bung durchsetzt würden. Dies bedeutet auch,
Nutzungsbedingungen bestimmen und die tat-
dass wie in anderen Medienmärkten verstärkt
sächliche Nutzung von Podcasts beeinflussen.
Produzierende auf den Plan treten, die vor allem
Spotify ist zwar nicht in allen Ländern der
unterhaltende Inhalte verbreiten, die wiederum
Marktführer. Es ist aber offensichtlich, dass
eine möglichst große Zahl an Konsumenten*
das schwedische Unternehmen mit seiner sehr
Fazit: Wie sich die zeitgenössische Podcast-Kultur bewahren lässt
offensiven Gangart eine marktbeherrschende
allem die kleineren Titel experimentieren noch
Stellung anstrebt – FYEO von ProSiebenSat.1
und verstehen Podcasts sehr stark als Marke-
kann als „Opfer“ dieses Vorgehen angesehen
ting-Instrument, um Bestandskunden* an sich
werden. Apple Podcasts und YouTube verfü-
zu binden und um jüngere Zielgruppen zu errei-
gen zwar noch über starke Positionen, agieren
chen. Sie werden wahrscheinlich auch zukünftig
aber deutlich defensiver. Zudem drängt sich der
auf die großen Plattformen angewiesen sein.
Eindruck auf, als würden die anderen wichtigen
Bemerkenswert ist allerdings der Befund,
Akteure im Markt immer nur mit einer starken
dass sich einige Medienhäuser sehr konkret
auf die Spotify-
Verzögerung und zuweilen auch unentschlos-
darüber Gedanken machen, wie sie ihre Inhal-
Offensive
sen reagieren. So hat zum Beispiel der ARD
te nicht an Plattformen Dritter verschenken.
Hörfunk Ende 2017 seine Audiothek gestartet,
So plant die Funke Mediengruppe eine eigene
diese aber drei Jahre lang erst einmal stark
Audio-App und der Spiegel hat seine App für
an den Interessen seiner größtenteils älteren
sein publizistisches Gesamtangebot so gestal-
Stammhörer*schaft ausgerichtet. Erst jetzt be-
tet, dass Podcasts hier auf sehr geschickte Art
ginnt die ARD, verstärkt auch politische und
und Weise integriert sind. Darüber hinaus soll-
„junge“ Angebote aus den Audiotheken seiner
ten die Akteure* die Möglichkeiten einer Zu-
Kooperationen
Mitgliedssender für die zentrale Audiothek zu
sammenarbeit ausloten. Funktionierende Ko-
ausloten
kuratieren. Parallel dazu bestücken die Öffent-
operationen in Deutschland gibt es beispiels-
lich-Rechtlichen schon seit Jahren Spotify und
weise zwischen der ARD und RTLs Audio Now.
andere kommerzielle Plattformen recht offensiv
Und in Großbritannien besteht das Modell BBC
mit ihren Podcasts. Das klare Ziel lautet: Jün-
Sounds nicht allein aus Magazin-artigen Pod
gere Zielgruppen dort erreichen, wo sie primär
casts, sondern auch aus Kooperationen mit
als Mediennutzer* unterwegs sind. Nun wäre es
teilweise externen Partnern* aus dem gemein-
jedoch an der Zeit, den Hebel umzulegen, um
nützigen Bereich.
sich als öffentlich-rechtliche Institution nicht
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die
auf Dauer an privatwirtschaftliche Unternehmen
extrem zerklüftete und damit zugleich sehr
und deren Auswahl-Algorithmen zu „ketten“.
heterogene und vielfältige Podcast-Landschaft
Vor dem skizzierten Spotify-Dilemma stehen
mit basisdemokratischem Graswurzel-Flair
auch die etablierten Medienhäuser, die Tages-
definitiv der Vergangenheit angehört. Der Pod
und Wochenzeitungen sowie die Nachrichten-
cast-Markt hat sich vielmehr in eine Richtung
magazine und Zeitschriften mit gesellschafts
bewegt, die von erster Kommerzialisierung
politischem Anspruch. Auch ihr Ziel besteht
und Tendenzen zur Monopolisierung geprägt
darin, dass so viele Medienkonsumenten* wie
ist. Noch erscheint es aber nicht zu spät, um
möglich ihre Podcasts auf ihren Apps und Web-
mit vereinten Kräften die Vielfalt, das Niveau
seiten hören, damit sie auch noch andere An-
und den diskursiven Charakter der deutschen
gebote des Medienhauses wahrnehmen. Vor
Podcast-Kultur zu bewahren.
Späte Reaktionen
125
Den richtigen Ton treffen
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129
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130
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Interviews Die Interviews wurden über das Videokonferenz-System Zoom geführt und aufgezeichnet. Heberlein, Marcel (2021): Hörfunk-Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio, Berlin. Geführt am 25.3.2021. Leitgeb, Vinzent-Vitus (2021): Teamleiter Audio der Süddeutschen Zeitung. Geführt am 19.1.2021. Liss, Martin (2021): Geschäftsführender Gesellschafter von Podcast360, Berlin. Geführt am 26.2.2021. Schlei, Schiwa (2021): Leiterin des ARD Partnermanagements Audio & Voice, Köln. Geführt am 15.3.2021. Sperber, Sandra (2021): Ressortleiterin Audio Der Spiegel. Geführt am 26.2.2021. 131
Den richtigen Ton treffen
Anfragen Kansky, Holger (2020): Leiter Digitales, Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger. 17.12.2020. Müller, Thomas (2021): Verantwortlicher Channel-Manager der ARD Audiothek. 11.03.2021. Leibiger, Johannes (2021): Senior Referent Medienwirtschaft Vaunet – Verband privater Medien. 20.01.2021.
Analysierte Podcasts (zuletzt geprüft am 01.04.2021) ARD-aktuell: Der tagesschau Zukunfts-Podcast: mal angenommen, https://open.spotify.com/show/4vokVN2zKuyGZc3tprzNoa?si=t5mFJ-93SzurjnfnVAc4OQ. Banse, Philip/Buermeyer, Ulf: Lage der Nation – der Politik-Podcast aus Berlin, https://open.spotify.com/show/7a3LWj5xSFhFRYmztS8wgK?si=GSAL-GhETIuctLUljEPB-w. Beisenherz, Micky/Studio Bummens: Apokalypse & Filterkaffee, https://open.spotify.com/show/6kyGUIbKUH7G506XGX4lNk?si=UBT7PBHKQ3i-7Wl3spnd7w. detektor.fm – Das Podcast-Radio: Zurück zum Thema, https://open.spotify.com/show/2Wu6s3wtqlqNezSBmDqfK2?si=D8oz2gmuRleLzWOyvWpwig. Hille, Tanja/Venus, Vincent: Y Politik. Lösungen für das 3. Jahrtausend, https://open.spotify.com/show/58GSlc6ZUsg5t8bVWDdvMC?si=oCEgJkjsSF25AldNcAW3kg. Jakobs, Hans-Jürgen/Handelsblatt: Handelsblatt Morning Briefing, https://open.spotify.com/show/1QZr5NinuorbELLt2SwLJU?si=wmGZvrJ6TomUsq_Lzbpdag. Rönicke, Katrin/Klein, Holger (hauseins): Die Wochendämmerung, https://open.spotify.com/show/7HJs0wjFCNDBdqtluWaGyq?si=YYKGzhKDTbC5wqjccgyGtw Süddeutsche Zeitung: Auf den Punkt, https://open.spotify.com/show/7vFmyZR3rDf61V69UpRXbA?si=A4Ig01krT5GBjqvjTRVC3w. Steingart, Gabor: Steingarts Morning Briefing, https://open.spotify.com/show/3tMwolVmLPxyXuZPQu26kQ?si=yZX57mA4TgKYnCnFcFOqHg. Zeit Online: Was jetzt?, https://open.spotify.com/show/4ymTKvZm5SGMtk4NlmRyKv?si=y7evUxC9R8uatU9t5Fq_Jg.
Erwähnte YouTube-Kanäle (zuletzt geprüft am 01.04.2021) LeFloid, https://www.youtube.com/channel/UCLm6s42r_wCbBX0QqXNCTwg. STRG_F, https://www.youtube.com/channel/UCfa7jJFYnn3P5LdJXsFkrjw. Walulis Daily, https://www.youtube.com/channel/UCo4693Ony4slDY5hR0ny-bw. Y Kollektiv, https://www.youtube.com/channel/UCLoWcRy-ZjA-Erh0p_VDLjQ. 132
Anhang
Anhang Anhang A.......................................................................................................134 Anhang B.......................................................................................................134 Anhang C.......................................................................................................135 Anhang D.......................................................................................................137 Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen..................................................... 140 Hinweise zu den Autoren*............................................................................. 142
133
Den richtigen Ton treffen
Anhang
Anhang A Liste der in Kapitel 6.3 recherchierten und ausgewerteten Podcasts ausgewählter privater Radiosender in Deutschland 1. Antenne Bayern
21. Radio Bob
2. Antenne Mecklenburg-Vorpommern
22. 105,5 Spreeradio
3. Antenne Niedersachsen
23. Radio Brocken
4. Antenne Thüringen
24. Radio ffn
5. BB Radio
25. Radio Hamburg
6. Berliner Rundfunk
26. Radio PSR
7. Big FM
27. Radio Regenbogen
8. Die Neue 107,7
28. R.SA
9. Energy Stuttgart
29. Radio Salü
10. Energy Nürnberg
30. Radio SAW
11. Energy Berlin
31. R.SH Radio Schleswig-Holstein
12. Energy Hamburg
32. Radio 7
13. Energy München
33. RPR 1
14. Energy (bundesweit)
34. 94,2 rs2
15. Hit Radio Antenne 1
35. Radio NRW (15 Lokalwellen)
16. Hit Radio FFH
36. Radio Gong
17. Klassik Radio
37. Funkhaus Würzburg (Radio Gong/Charivari)
18. Landeswelle Thüringen
38. Radio Charivari
19. Ostseewelle Hit-Radio MV
39. Radio Chemnitz
20. Planet Radio
Anhang B Fragenkatalog an deutsche Medienhäuser/Tageszeitungen 1 Wie viele und welche Podcasts betreibt Ihr Haus? (bitte namentlich auflisten) 2a Falls Sie Podcasts betreiben: Mit welcher Absicht tun Sie dies?
Geht es primär um Kunden*bindung?
Geht es um Kunden*gewinnung?
Steht die Markenpflege im Vordergrund?
Sollen damit zusätzliche Umsätze gemacht werden, z. B. durch integrierte Werbung?
Skizzieren Sie bitte kurz die Strategie Ihres Hauses! 2b Falls Sie keine Podcasts betreiben: Können Sie mir Ihre Gründe nennen? 134
Anhang
3 Haben Sie seit 2017 Podcasts auch wieder eingestellt? Arbeiten Sie auch mit Staffeln, die inzwischen beendet worden sind? 4 Welche Rolle spielen in dieser Strategie / Ihren Erwägungen die jüngeren Mediennutzer*, vor allem die Altersgruppe zwischen ca. 18 und 35 Jahren? Versuchen Sie, diese Zielgruppe z. B. mit Hilfe von Podcasts für Digital-Abonnements zu gewinnen (z. B. mit Hilfe von in den Podcasts geschalteter Eigenwerbung)? Bitte kurz erläutern! Medienhäuser/Tageszeitungen, die geantwortet haben: 1. Axel Springer SE/Berlin
11. Nordkurier/Neubrandenburg
2. Weser-Kurier/Bremen
12. Bauer Media Group/Hamburg
3. VRM-Gruppe/Mainz
13. Traunsteiner Tagblatt/Traunstein
4. Straubinger Tagblatt/Straubing
14. Süddeutsche Zeitung/München
5. Der neue Tag/Weiden
15. Main-Echo/Aschaffenburg
6. Südwestpresse/Ulm
16. Frankfurter Allgemeine Zeitung/
7. Rheinische Post/Düsseldorf
8. Börsenzeitung/Frankfurt/Main
17. Augsburger Allgemeine/Augsburg
9. Der Freitag/Berlin
18. Funke Mediengruppe/Essen
Frankfurt/Main
10. Zeit-Verlag*/Hamburg *Mit Verweis auf ein Kress-Pro-Interview von Zeit-Online-Chef Jochen Wegner (Wegner 2020).
Anhang C Um sowohl die unterschiedlichen Veröffentlichungstage und Turnusse der einzelnen Podcasts als auch eine potenziell erhöhte Podcast-Nutzung am Wochenende zu berücksichtigen, erfolgte die Auswahl der Stichtage in Form einer „künstliche Woche“ (Abbildung C1). Abbildung C1 Stichtage für die Auswertung der Spotify-Podcast-Charts (November 2020) MO
DI
MI
DO
FR
SA
SO
2
3
4
5
6
7
8
1 9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30 Quelle: Eigene Darstellung.
135
Den richtigen Ton treffen
Die Landesmedienanstalten zeigen im Online-Audio-Monitor 2020, dass Podcasts schwerpunktmäßig in den Abendstunden gehört werden (Abbildung C2): Rund 40 Prozent der mindestens monatlichen Podcast-Hörer* gaben an, zwischen 17 und 20 Uhr Podcasts zu konsumieren. Danach sinkt der Anteil auf rund 35 Prozent zwischen 20 und 23 Uhr und schließlich auf nur 10 Prozent nach 23 Uhr. Erst morgens zwischen 9 und 12 Uhr ist vorübergehend wieder ein kleiner Anstieg zu beobachten (Bayerische Landeszentrale für neue Medien et. al 2020: 65). Um auch diese Schwankungen der Podcast-Nutzung im Tagesverlauf zu berücksichtigen, wurden die Top-50-Podcasts an den Stichtagen zwei Mal erfasst: um 12 und um 21 Uhr. Abbildung C2
Podcast-Nutzung nach Tageszeiten 80 % 60 %
Nutzer* von Podcasts & Radiosendungen auf Abruf 2020
40 %
Nutzer* Online-AudioInhalte gesamt 2020
20 % 0 % 5-9 Uhr
9-12 Uhr
12-14 Uhr
14-17 Uhr
17-20 Uhr 20-23 Uhr nach 23 Uhr
Quelle: Bayerische Landeszentrale für neue Medien et al. (2020: 65). Eigene Darstellung.
Abbildung C3
Ausführlichkeit der Themenbehandlung Was jetzt?
Ø 02:04
mal angenommen
Ø 22:19
Zurück zum Thema
Ø 08:51
Lage der Nation
Ø 09:59
Apokalypse & Filterkaffee
Ø 02:44
Auf den Punkt
Ø 02:44
Steingarts Morning Briefing Das Handelsblatt Morning Briefing Die Wochendämmerung Y Politik
Folge 1 Folge 2 Folge 3 Ø Durchschnittszeit (in Minuten)
Ø 04:02 Ø 01:28 Ø 06:07
Ø 42:31
12,6 Zeit
136
Quelle: Eigene Abbildung.
Anhang
Anhang D Ausführliche Erläuterung des methodischen Vorgehens und des Codier-Leitfadens in Kapitel 8. Extraktion Sind alle Podcast-Folgen in ihre einzelnen thematischen Beiträge zergliedert und die formalen Kategorien (Format, Folgenlänge etc.) bestimmt, beginnt die Extraktion des relevanten Textmaterials. Dafür werden gemäß den im Kategoriensystem dargestellten Indikatoren alle relevanten Textstellen im Transkript markiert. Dies geschieht computergestützt mit der Software MAXQDA. Um auch tonale und musikalische Aspekte vollständig zu berücksichtigen, wird jeder Beitrag anschließend nochmals anhand der jeweiligen Audioaufnahme überprüft. Zusätzlich werden Jingles, Nachrichtentrenner oder andere musikalische Elemente im Transkript verschriftlicht. Sich wiederholende Elemente werden in jedem Beitrag als narratives Element markiert. Codierung Anhand des extrahierten Materials wird die Codierung vorgenommen: Die Ausprägungen der einzelnen Kategorien werden als Zahlen verschlüsselt im Codebogen festgehalten. Dabei gliedert sich der Prozess in drei wesentliche Schritte. 1. Unterkategorien auf Beitragsebene codieren: Anhand des markierten Transkripts werden zunächst die Ausprägungen der Unterkategorien (z. B. Transparenz und Neutralität für das Oberkriterium Glaubwürdigkeit) codiert. Zwar ist eine gewisse Subjektivität bei dieser Einschätzung unvermeidbar, die Bewertung erfolgt jedoch strikt anhand der definierten Indikatoren und mit stetigem Blick auf das Vergleichsmaterial. Dabei wird bei der Bewertung auch das Verhältnis der identifizierten Indikatoren zur Gesamtlänge des Beitrags berücksichtigt. Füllt ein Host* den Großteil eines kurzen Nachrichtenbeitrags zum Beispiel mit einer persönlichen Erzählung, trägt er damit deutlich zur Emotionalität des Beitrags bei. Handelt es sich hingegen um eine Randnotiz im 20-minütigen Erklärbeitrag, kann der Beitrag dennoch als „kaum emotional“ bewertet werden. 2. Oberkategorien auf Beitragsebene errechnen: Sind die Unterkriterien für alle Beiträge einer Podcast-Folge bestimmt, werden daraus die Werte für die jeweilige Oberkategorie errechnet. Glaubwürdigkeit Sind seine Quellen und Recherchewege für die Rezipient*innen nachvollziehbar, kann auch ein meinungsstarker Beitrag durchaus als glaubwürdig gelten. Zwar beurteilt er das Geschehen in diesem Fall aus einer subjektiven Perspektive, die Beurteilung kann jedoch vom Publikum nachvollzogen und nach eigenem Ermessen kritisch eingeordnet werden. Nicht so umgekehrt: Berichtet ein
137
Den richtigen Ton treffen
Beitrag zwar ohne erkennbare Wertung über das Weltgeschehen, liefert jedoch keinerlei Belege für die getätigten Aussagen, stellt er für die Rezipienten*keine nachvollziehbare Informationsgrundlage dar und erscheint daher als weniger glaubwürdig. Um diesen Sachverhalt in der Inhaltsanalyse angemessen abzubilden, soll das Unterkriterium Transparenz (t) mit dem Faktor 1,5 in die Bewertung der Glaubwürdigkeit eingehen. Es wird also um 50 Prozent stärker gewichtet als das Kriterium Neutralität (n). Zur Errechnung ergibt sich daraus die Formel (1,5t+n)/2,5. Zugänglichkeit Noch ausgeprägter stellt sich die Diskrepanz zwischen den Unterkriterien beim Kriterium der Zugänglichkeit dar: Informiert ein Beitrag in anschaulicher und nachvollziehbarer Weise über das aktuelle Geschehen, ohne dabei jedoch mögliche Folgen oder Handlungsmotive zu beleuchten, bildet er zwar eine wenig tiefgreifende, dennoch aber eine brauchbare Informationsgrundlage für die Rezipienten*. Ein Beitrag, der hingegen ausführlich auf alle Aspekte der Thematik eingeht, diese jedoch so komplex darstellt, dass sie ohne Vorwissen nicht zu verstehen sind, verfehlt seinen Zweck gänzlich (dies gilt freilich nicht für Fachmedien, bei deren Zielgruppe ein entsprechendes Vorwissen angenommen wird). Die Unterkriterien Verständlichkeit (v) und Kritik (k) sollen daher im Verhältnis 2:1 auf das Kriterium Zugänglichkeit einzahlen. Es ergibt sich zur Berechnung also die Formel (2v+k)/3 . Unterhaltsamkeit Die Unterhaltsamkeit eines Beitrags ergibt sich in der Regel aus einer Kombination emotionaler (e), narrativer (n) und personalisierender Elemente (p). In die Bewertung der Unterhaltsamkeit fließen daher alle Unterkriterien gleichberechtigt ein. Der Unterhaltungswert ergibt sich also aus der Formel (e+n+p)/3. Aus den Berechnungsformeln ergeben sich Werte zwischen 1 und 5, die auf ganze Zahlen gerundet29 die Ausprägungen der jeweiligen Kategorie ergeben.
138
Glaubwürdigkeit
Zugänglichkeit
Unterhaltsamkeit
5
durchweg glaubwürdig
durchweg zugänglich
durchweg unterhaltsam
4
überwiegend glaubwürdig
überwiegend zugänglich
häufig unterhaltsam
3
teilweise unglaubwürdig
teilweise unzugänglich
teilweise unterhaltsam
2
kaum glaubwürdig
kaum zugänglich
kaum unterhaltsam
1
nicht glaubwürdig
durchweg unzugänglich
nicht unterhaltsam
29 Ab einem Dezimalwert von 0,5 auf die nächste ganze Zahl aufgerundet, bei niedrigerem Dezimalwert wird abgerundet.
Anhang
3. Kategorien und Unterkategorien auf Folgenebene codieren Um die Kriterien Glaubwürdigkeit, Zugänglichkeit und Unterhaltsamkeit auf Folgenebene vergleichbar zu machen, muss hier ein relativer Wert errechnet werden. Andernfalls würde die unterschiedliche Anzahl der Beiträge zu einer Verfälschung der Bewertung führen. Die Berechnung der Folgenbewertung soll an einem Beispiel deutlich werden: Eine Podcast-Folge gliedert sich in vier Themenbeiträge. Der maximal erreichbare Wert in der Kategorie Glaubwürdigkeit – wenn also alle Beiträge als „durchweg glaubwürdig“ bewertet werden – beträgt damit 4*5=20. Tatsächlich wurden die Beiträge jedoch nur als „überwiegend glaubwürdig“, einmal sogar als „teilweise unglaubwürdig“ eingeschätzt. Der Tatsächliche Wert beträgt also 4+4+4+3=15. Die gesamte Folge gilt damit zu 15/20, also zu 75 Prozent als glaubwürdig. Der absolute Wert für die Analyseeinheit Folge ergibt sich schließlich nach folgender Abstufung, wonach die Beispielfolge mit dem Wert „4“ und damit als „überwiegend glaubwürdig“ codiert werden würde: Prozentualer Wert
Ausprägung der Kategorie „Glaubwürdigkeit“
Codierung
100–81 %
durchweg glaubwürdig
5
80–61 %
überwiegend glaubwürdig
4
60–41 %
teilweise unglaubwürdig
3
40–21 %
kaum glaubwürdig
2
20–1 %
nicht glaubwürdig
1
Anders als im oben dargestellten Beispiel wird der prozentuale Wert in der Inhaltsanalyse aus den ungerundeten Werten der einzelnen Beiträge berechnet, um das Ergebnis durch die Rundung nicht zu verfälschen.
139
Den richtigen Ton treffen
Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen
140
Abbildung 1:
Konkrete Themenfelder bei der Nutzung von Podcasts 2020 (in Prozent)...................... 14
Abbildung 2:
Schematische Darstellung des technisch-ökonomischen Ökosystems des Podcastings...................................................................................................... 21
Abbildung 3:
Länder der Welt mit Marktdominanz von Apple und Spotify (Mai 2020)........................25
Abbildung 4:
Meistgenutzte Podcast-Plattformen und -Apps in Deutschland nach Altersgruppen (2020)...................................................................................... 28
Abbildung 5:
Werbeumsätze im deutschen Radio- und Podcast-Markt (2015-2024)..........................3
Abbildung 6:
Anteil der erwachsenen Bevölkerung, der im letzten Monat Podcasts genutzt hat (2020).................................................................................................. 40
Abbildung 7:
Audionutzung im Internet (2017-2020)......................................................................45
Abbildung 8:
Anteil der deutschen Audio-Podcasthörer* ab 14 Jahren.............................................45
Abbildung 9:
Anteil der gelegentlichen und intensiven Nutzer* an allen Podcast-Hörern* in Deutschland 2018-2020 (in Prozent)......................................................................47
Abbildung 10:
Podcast-Nutzung in Deutschland 2018-2020 nach Häufigkeit (Anteil an allen Podcast-Hörern* in Prozent)..............................................................47
Abbildung 11:
Soziodemografische Merkmale von Podcast-Nutzern* in Deutschland im Jahr 2020.....................................................................................49
Abbildung 12:
Nutzungssituationen für Podcasts (2020)..................................................................49
Abbildung 13:
Optimale Länge eines Podcasts nach Ansicht deutscher Podcast-Hörer*...................... 51
Abbildung 14:
Nutzungsmotive für Audioangebote nach Anbieter in der Gesamtbevölkerung (2020, in Prozent)........................................................... 62
Abbildung 15:
Nutzungsmotive für Audioangebote nach Anbieter in der Altersgruppe 14-29 Jahre (2020, in Prozent)......................................................63
Abbildung 16:
Leistungsbewertungen von Audioangeboten nach Anbieter in der Gesamtbevölkerung (2020, in Prozent)........................................................... 64
Abbildung 17:
Leistungsbewertungen von Audioangeboten nach Anbieter in der Altersgruppe 14-29 Jahre (2020, in Prozent)..................................................... 64
Abbildung 18:
Anteil verschiedener Inhaltskategorien an den Abrufen der ARD Audiothek (März 2021)................................................................................ 68
Abbildung 19:
Nutzung verschiedener Audiostreaming-Plattformen in Deutschland nach Alter im Jahr 2020 (in Prozent)..........................................................................69
Abbildung 20:
Aufteilung der Podcasts (n=128) privater Radiosender in verschiedene Inhaltskategorien............................................................................ 75
Abbildung 21:
Ziele von Zeitungsverlagen beim Aufbau von Podcasts (2020, in Prozent)................... 82
Abbildung 22:
Der „Podcast-Prozess“ bei klassischen Medienhäusern............................................. 84
Abbildung 23:
Anzahl der betriebenen Podcasts bei Tages- und Wochenzeitungen (in Prozent).......... 86
Abbildung 24:
Hauptnachrichtenquellen nach Altersgruppen (2020, in Prozent)............................... 98
Abbildung 25:
Meistgehörte Podcast-Genres (in Prozent).................................................................99
Anhang
Abbildung 26:
Vielfalt von Themen und Akteuren* in den untersuchten Formaten (Anzahl pro Folge, Mittelwert).................................................................................108
Abbildung 27:
Die Glaubwürdigkeit (Transparenz/Neutralität) der untersuchten Formate................. 110
Abbildung 28:
Die Zugänglichkeit (Verständlichkeit/Kontext & Kritik) der untersuchten Formate....... 112
Abbildung 29:
Die Unterhaltsamkeit (Narrative Elemente/Emotionalität/Personalisierung) der untersuchten Formate........................................................................................115
Abbildung 30:
Glaubwürdigkeit, Zugänglichkeit und Unterhaltsamkeit der untersuchten Formate im Vergleich.................................................................... 116
Abbildung C1:
Stichtage für die Auswertung der Spotify-Podcast-Charts (November 2020)............... 135
Abbildung C2:
Podcast-Nutzung nach Tageszeiten......................................................................... 136
Abbildung C3:
Ausführlichkeit der Themenbehandlung.................................................................. 136
Tabelle 1:
Genres und Produzenten* der Top-50-Podcasts von Spotify (November 2020)............... 6
Tabelle 2:
Vergleich der Charakteristika von Radio und Podcast.................................................. 11
Tabelle 3:
Einteilung von Podcasts in verschiedene Kategorien.................................................. 13
Tabelle 4:
Die Podcast-Aktivitäten ausgewählter Gesellschafts-, Politik- und Wirtschaftszeitschriften (Stand: Februar 2021)........................................................... 91
Tabelle 5:
Ausgewählte Spiegel-Podcasts und ihre Hörer*zahlen (Februar 2021)......................... 94
Tabelle 6:
Katalog der erfassten journalistischen Qualitätskriterien......................................... 106
Tabelle 7:
Bewertungskategorien........................................................................................... 109
141
Den richtigen Ton treffen
Hinweise zu den Autoren*
Prof. Dr. Lutz Frühbrodt Der promovierte Volkswirt ist seit 2008 Professor für Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt und leitet dort den gleichnamigen Master- Studiengang. Zuvor arbeitete Lutz Frühbrodt als Technologie-Reporter im Wirtschaftsressort der „Welt“-Gruppe sowie für den Deutschlandfunk. In seiner Forschung nimmt Frühbrodt vor allem verschiedene Formen der Unternehmenskommunikation kritisch unter die Lupe, so zum Beispiel das sogenannte Content Marketing (2016) und das Influencer Marketing auf YouTube (2019) in viel beachteten Studien der Otto Brenner Stiftung. Darüber hinaus hat er das Standardwerk „Wirtschaftsjournalismus – ein Handbuch für Ausbildung und Praxis“ (2007) verfasst, das 2020 in einer überarbeiteten Neuauflage erschienen ist.
Ronja Auerbacher Die studierte Theater- und Medienwissenschaftlerin ist Absolventin des Masterstudiengangs Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation und seit mehreren Jahren als freie Autorin für Agenturen und Unternehmen tätig. In ihren Texten beschäftigt sie sich vorrangig mit technischen und naturwissenschaftlichen Themen. Auerbacher war an der Umsetzung eines hochschulübergreifenden Projekts zum „Wissenschaftsjahr 2020/21 Bioökonomie“ beteiligt und übernahm in diesem Rahmen auch Lehrtätigkeiten an den Würzburger Hochschulen. Sie hat zudem bereits eigene Erfahrungen als Wissenschafts-Podcasterin gesammelt.
142
Anhang
Weitere OBS-Publikationen von Lutz Frühbrodt
Unboxing YouTube
OBS-Arbeitsheft 98
Im Netzwerk der Profis und Profiteure
Frühbrodt/Floren – Unboxing YouTube
Lutz Frühbrodt/Annette Floren
Die sozialen Medien haben die Welt verändert und die politische Kommunikation umgewälzt.
OBS-Arbeitsheft 98
Doch was wird dort eigentlich „gesendet“, welche Botschaften werden vermittelt? Die Studie geht diesen Fragen nach, klärt aber auch grundsätzlich über die Funktionsweise der beliebten Videoplattform auf.
Unboxing YouTube Im Netzwerk der Profis und Profiteure
Download unter: www.otto-brenner-stiftung.de
Ein Projekt der Otto Brenner Stiftung Frankfurt am Main 2019
Otto Brenner Stiftung
Lutz Frühbrodt – Content Marketing
OBS-Arbeitsheft 86
Content Marketing Wie „Unternehmensjournalisten“ die öffent liche Meinung beeinflussen Seit einigen Jahren verbreitet sich unter dem
OBS-Arbeitsheft 86
Namen „Content Marketing“ eine Form des „Unternehmensjournalismus“. Die Studie stellt das Phänomen vor, ermittelt, inwiefern deutsche Großunternehmen schon „MarkeLutz Frühbrodt
Content Marketing Wie „Unternehmensjournalisten“ die öffentliche Meinung beeinflussen Eine Studie der Otto Brenner Stiftung Frankfurt am Main 2016
ting mit journalistischen Mitteln“ betreiben und warnt vor den potentiellen Auswirkungen auf die Medienbranchen und die öffentliche Meinungsbildung. Download unter: www.otto-brenner-stiftung.de
143
Den richtigen Ton treffen
OBS-Arbeitspapiere Infos und Download: www.otto-brenner-stiftung.de
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Nr. 48
Aufstocker im Bundestag IV. Bilanz der Nebenverdienste der Abgeordneten in der 19. Wahlperiode (Sven Osterberg)
Nr. 47
Tragische Einzelfälle? Wie Medien über Gewalt gegen Frauen berichten (Christine E. Meltzer)
Nr. 46
Wenn Politik Presse macht. Gastbeiträge von Politiker*innen in ausgewählten Tageszeitungen (Marvin Oppong)
Nr. 45
30 Jahre staatliche Einheit – 30 Jahre mediale Spaltung. Schreiben Medien die Teilung Deutschlands fest? (Lutz Mükke)
Nr. 44
„Alleine ist man zerbrechlich“. Perspektiven auf die Interessenvertretung von Arbeitnehmer*innen in Ost und West (Simon Storks, Jana Faus, Rainer Faus)
Nr. 43
Streitfall Vermögenssteuer. Defizite in der Medienberichterstattung (Hendrik Theine, Andrea Grisold)
Nr. 42
Mauer in den Köpfen? Einstellungen zur deutschen Einheit im Wandel (Ayline Heller, Ana Nanette Tibubos, Manfred Beutel, Elmar Brähler)
Nr. 41
Wählen mit 16? Ein empirischer Beitrag zur Debatte um die Absenkung des Wahlalters (Thorsten Faas, Arndt Leininger)
Nr. 40
Armutszeugnis. Wie das Fernsehen die Unterschichten vorführt (Bernd Gäbler)
Nr. 39
Stumme Migranten, laute Politik, gespaltene Medien. Die Berichterstattung über Flucht und Migration in 17 Ländern (Susanne Fengler, Marcus Kreutler)
Nr. 38
Rechte Allianzen in Europa. Wie sich NationalistInnen gegen die EU verbünden (Malene Gürgen, Patricia Hecht, Christian Jakob, Sabine am Orde [Redaktion])
Nr. 37
Zwischen „Flüchtlingskrise“ und „Migrationspakt“. Mediale Lernprozesse auf dem Prüfstand (Michael Haller)
Nr. 36
Krimis, Kontroversen, Kochrezepte. Das Regionale in den Dritten der ARD – mit aktuellen Programmanalysen von rbb und SWR (Joachim Trebbe, Eva Spittka)
Nr. 35
Agenda-Setting bei ARD und ZDF? Analyse politischer Sendungen vor der Bundestagswahl 2017 (Marc Liesching, Gabriele Hooffacker)
Nr. 34
Demoskopie, Medien und Politik. Ein Schulterschluss mit Risiken und Nebenwirkungen (Thomas Wind)
Nr. 33
Zwischen Fanreportern und Spielverderbern. Fußballjournalismus auf dem Prüfstand (Tonio Postel)
Nr. 32
Unsichere Arbeit – unsichere Mitbestimmung. Die Interessenvertretung atypisch Beschäftigter (Berndt Keller)
Nr. 31
Aufstocker im Bundestag III. Eröffnungsbilanz der Nebenverdienste der Abgeordneten zu Beginn der 19. Wahlperiode (Sven Osterberg)
Nr. 30
Netzwerk AfD. Die neuen Allianzen im Bundestag (Malene Gürgen, Christian Jakob, Sabine am Orde)
Nr. 29
Lindners FDP. Profil – Strategie – Perspektiven (Michael Freckmann)
OBS-Arbeitsheft 106 ISSN-Print: 1863-6934
Die Otto Brenner Stiftung …
ISSN-Online: 2365-2314
... ist die gemeinnützige Wissenschaftsstiftung der IG Metall. Sie hat ihren Sitz in Frankfurt am Main. Als Forum für gesellschaftliche Diskurse und Einrichtung der Forschungsförderung ist sie dem Ziel der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Ausgleich zwischen Ost und West.
Herausgeber: Otto Brenner Stiftung Jupp Legrand Wilhelm-Leuschner-Straße 79 D-60329 Frankfurt am Main
... initiiert den gesellschaft lichen Dialog durch Veranstaltungen, Workshops und Koopera tionsveranstaltungen (z. B. im Herbst die OBS-Jahrestagungen), organisiert Konferenzen, lobt jährlich den „Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus“ aus, fördert wissenschaftliche Untersuchungen zu sozialen, arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitischen Themen und legt aktuelle medienkritische und -politische Analysen vor.
Tel.: 069-6693-2810 Fax: 069-6693-2786 E-Mail: info@otto-brenner-stiftung.de www.otto-brenner-stiftung.de Autor*innen: Prof. Dr. Lutz Frühbrodt Hochschule Würzburg-Schweinfurt Münzstraße 19 D-97070 Würzburg
... informiert regelmäßig mit einem Newsletter über Projekte, Publikationen, Termine und Veranstaltungen.
E-Mail: Lutz.Fruehbrodt@fhws.de
... veröffentlicht die Ergebnisse ihrer Forschungsförderung in der Reihe „OBS-Arbeitshefte“ oder als Arbeitspapiere (nur online). Die Arbeitshefte werden, wie auch alle anderen Publikationen der OBS, kostenlos abgegeben. Über die Homepage der Stiftung können sie auch elektronisch bestellt werden. Vergriffene Hefte halten wir als PDF zum Download bereit unter: www.otto-brennerstiftung.de/wissenschaftsportal/ publikationen/ ... freut sich über jede ideelle Unterstützung ihrer Arbeit. Aber wir sind auch sehr dankbar, wenn die Arbeit der OBS materiell gefördert wird. ... ist zuletzt durch Bescheid des Finanzamtes Frankfurt am Main V (-Höchst) vom 4. November 2020 als ausschließlich und unmittelbar gemeinnützig anerkannt worden. Aufgrund der Gemeinnützigkeit der Otto Brenner Stiftung sind Spenden steuerlich absetzbar bzw. begünstigt.
Ronja Auerbacher E-Mail: ronja.auerbacher@gmail.com
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Benedikt Linden (OBS)
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Agentur für strategische Kommunikation In den Arbeitsheften werden die Ergebnisse der ForschungsDruck:
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14. Juli 2021
zogen werden – solange der Vorrat reicht. Es besteht dort
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Hektor Haarkötter, Filiz Kalmuk Seine Leistungen und blinden Flecken
OBS-Arbeitsheft 104 Valentin Sagvosdkin
Qualifiziert für die Zukunft?
Zur Pluralität der wirtschaftsjournalistischen Ausbildung in Deutschland
OBS-Arbeitsheft 103*
Ingo Dachwitz, Alexander Fanta
Medienmäzen Google
Wie der Datenkonzern den Journalismus umgarnt
OBS-Arbeitsheft 102*
Wolfgang Schroeder, Samuel Greef u. a.
Bedrängte Zivilgesellschaft von rechts
Interventionsversuche und Reaktionsmuster
OBS-Arbeitsheft 101*
Leif Kramp, Stephan Weichert
Nachrichten mit Perspektive
Lösungsorientierter und konstruktiver Journalismus in Deutschland
OBS-Arbeitsheft 100* Tim Engartner
Wie DAX-Unternehmen Schule machen
Bitte nutzen Sie folgende Spendenkonten: Für Spenden mit zweckgebundenem Verwendungszweck zur Förderung von Wissenschaft und Forschung zum Schwerpunkt:
• Förderung der internationalen Gesinnung und des Völkerverständigungsgedankens
OBS-Arbeitsheft 105
Medienjournalismus in Deutschland
Spenden erfolgen nicht in den Vermögensstock der Stiftung, sie werden ausschließlich und zeitnah für die Durchführung der Projekte entsprechend dem Verwendungszweck genutzt.
Lehr- und Lernmaterial als Türöffner für Lobbyismus
OBS-Arbeitsheft 99*
Tobias Gostomzyk, Daniel Moßbrucker
„Wenn Sie das schreiben, verklage ich Sie!“
Studie zu präventiven Anwaltsstrategien gegenüber Medien
OBS-Arbeitsheft 98*
Lutz Frühbrodt, Annette Floren
Unboxing YouTube Bank: IBAN: BIC:
HELABA Frankfurt/Main DE11 5005 0000 0090 5460 03 HELA DE FF
Für Spenden mit zweckgebundenem Verwendungszweck zur Förderung von Wissenschaft und Forschung zu den Schwerpunkten: • Angleichung der Arbeits- und Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland (einschließlich des Umweltschutzes) • Entwicklung demokratischer Arbeitsbeziehungen in Mittel- und Osteuropa • Verfolgung des Zieles der sozialen Gerechtigkeit
aber auch die Möglichkeit, sowohl aktuelle als auch bereits Wir danken der Hans-Böckler-Stiftung für die Unterstüt-
Aktuelle Ergebnisse der Forschungsförderung in der Reihe „OBS-Arbeitshefte“
Bank: IBAN: BIC:
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Im Netzwerk der Profis und Profiteure
OBS-Arbeitsheft 97*
Wolfgang Schroeder, Stefan Fuchs
Neue Mitglieder für die Gewerkschaften
Mitgliederpolitik als neues Politikfeld der IG Metall
OBS-Arbeitsheft 96*
Rainer Faus, Simon Storks
Im vereinten Deutschland geboren – in den Einstellungen gespalten?
OBS-Studie zur ersten Nachwendegeneration
OBS-Arbeitsheft 95* Bernd Gäbler
AfD und Medien
Erfahrungen und Lehren für die Praxis
* Printfassung leider vergriffen; Download weiterhin möglich.
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OBS-Arbeitsheft 106
Lutz Frühbrodt/Ronja Auerbacher
OBS-Arbeitsheft 106
Frühbrodt/Auerbacher – Den richtigen Ton treffen
OBS-Arbeitsheft 106
Den richtigen Ton treffen Der Podcast-Boom in Deutschland
Den richtigen Ton treffen Der Podcast-Boom in Deutschland
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Ein Projekt der Otto Brenner Stiftung Frankfurt am Main 2021