Moderne Wirtschaftsberichterstattung?

OBS-Arbeitsheft 113

Janine Greyer-Stock, Julia Lück-Benz

Moderne Wirtschaftsberichterstattung?

Wie Podcasts auf Spotify und in der ARD Audiothek über Wirtschaft sprechen Kurzfassung der Studie

Frankfurt am Main, im Februar 2024

Allgemeiner Kontext zur Studie

Auf einen Blick

Wirtschaftsthemen sind seit jeher eine wichtige

Podcasts gewinnen im Bereich der Wirt-

Säule der Medienberichterstattung. Über Wirt-

schaftsberichterstattung an Relevanz.

schaftsgeschehen informiert zu sein und wirt-

Das Angebot auf Spotify ist mit 656 Wirt-

schaftliche Zusammenhänge zu verstehen, ist

schafts-Podcasts deutlich größer als das

hoch relevant, um in Wirtschaft und Gesellschaft

der ARD Audiothek (28 Angebote).

Entscheidungen treffen zu können. In den letz-

60 Prozent der Spotify-Podcasts werden

ten Jahren gewinnen Podcasts als Informations­

von Unternehmen produziert, 27 Prozent

medium – auch für den Bereich Wirtschaft – zu-

von Medienakteur:innen.

nehmend an Relevanz. Dabei sind sie in ihrer

Auf Spotify wird Wirtschaft oftmals in

Erscheinung besonders: So ist es theoretisch

Ratgeberformaten verhandelt. In der ARD

für jede:n möglich, eigenes Audiomaterial zu pro-

Audio­thek überwiegt die Darstellungsform

duzieren und damit den eigenen Podcast zu ver-

der Reportage.

öffentlichen. Dies bietet die Möglichkeit, neben

Auf Spotify stehen individuelle Perspek­

Mainstream-Themen auch Nischenthemen abzu­

tiven im Fokus. In der ARD Audiothek wer-

bilden – und diese nicht nur von professionellen

den die Angebote stärker in einen gesamt-

Medienakteur:innen, sondern auch von Unter-

gesellschaftlichen Kontext gestellt.

nehmen, Aktivist:innen oder Amateur:innen prä-

Auf beiden Plattformen werden viele The-

sentiert zu bekommen. Für den deutschen Markt

men angesprochen, aber Hörer:innen sel-

existieren bisher jedoch noch keine Studien, aus

ten in ihren Rollen als Verbraucher:innen

denen hervorgeht, wer welche Themen im Bereich

oder Arbeitnehmer:innen adressiert.

der Wirtschaftsberichterstattung via Podcasts be­ handelt oder vernachlässigt und in welcher Form

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und Aufmachung dies geschieht. Die Unter­

stammen, werden fast 60 Prozent der Wirtschafts-

suchung schließt diese Erkenntnislücke. So wird

podcasts auf Spotify von Unternehmen bzw.

nicht nur sichtbar, was Hörer:innen erwartet,

einzelnen Unternehmer:innen publiziert. Private

wenn sie sich per Podcasts über Wirtschaft in-

journalistische Medien folgen auf Platz zwei mit

formieren wollen, sondern auch, wie und worin

19 Prozent. Die Angebote der Öffentlich-Recht-

sich etablierte (öffentlich-rechtliche und private)

lichen sind dabei mit rund zwei Prozent aller

massenmediale sowie privatwirtschaftliche oder

Podcastsangebote zum Thema Wirtschaft wenig

zivilgesellschaftliche Akteur:innen in ihren Ange-

präsent, auch zivilgesellschaftliche Akteur:innen

boten unterscheiden.

sowie Wissenschaftler:innen spielen kaum eine Rolle (Abbildung 1).

Methode

Diese unternehmerische Dominanz hat Folgen:

In der Studie werden Podcast-Angebote zum

Fast die Hälfte (47,6 Prozent) aller Wirtschafts-

Thema Wirtschaft analysiert. Basis der Untersu-

Pod­casts auf Spotify sind Ratgeber-Angebote.

chung ist die Wirtschaftskategorie „Business &

Insbesondere Unternehmen greifen – in fast zwei

Technologie“ der Audio-Streaming Plattform

Dritteln ihrer Angebote (61 Prozent) – auf diese

Spotify als Marktführer für Podcasts in Deutsch-

Präsentationsform zurück. Medienakteur:innen

land. In einer Überschneidungsanalyse werden

sind vielfältiger in der Form. Sie setzen häufi-

die Ergebnisse anschließend mit der Wirtschafts-

ger auf Hintergrundberichte, Kommentare oder

rubrik des gemeinsamen Audio-Portals der Lan-

Meinungsstücke (51 Prozent) und nutzen neben

desrundfunkanstalten der ARD und des Deutsch-

Ratgebern (24 Prozent) auch Nachrichtenformate

landradios (ARD Audiothek) abgeglichen. Mit-

(15 Prozent) und Reportagen (vier Prozent). In der

tels einer quantitativen Inhaltsanalyse an drei

ARD Audiothek werden die verschiedenen Dar-

verschiedenen Zeitpunkten (31.01.23, 15.02.23,

stellungsformen insgesamt ausgewogener ge-

01.03.23) werden 656 Podcasts mit 1.390 Episo-

nutzt. Die dominierende Form ist die Reportage

den (Spotify) und 28 Podcasts mit 51 Episoden

(32,1 Prozent), während Ratgeber hier auf Platz

(ARD Audiothek) unter anderem hinsichtlich ihrer

fünf liegen (10,7 Prozent).

Produzent:innen, Themen, Formate, der Darstellungsformen und des Blickwinkels auf Wirtschaft

Auch die Perspektive auf Wirtschaft in den

untersucht.

Spotify-­Shows ist durch die starke Präsenz von Unternehmen auf Produzent:innenseite geprägt:

Ergebnisse

Fast die Hälfte (46,1 Prozent) der Angebote behandelt die jeweiligen Themen aus der Perspek­tive

Wenn Wirtschaft Wirtschaft erklärt

einzelner Unternehmen oder Branchen (Meso-­

Während in der ARD Audiothek aufgrund des ge-

Ebene). Ein Drittel (33,9 Prozent) der Angebote

schlossenen Charakters der Plattform alle Pod-

bezieht sich auf das Individuum. Nur jeder fünfte

casts von öffentlich-rechtlichen Anbieter:innen

Beitrag nimmt die gesamtgesellschaftliche Ebene

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in den Blick (19,9 Prozent). In der ARD Audiothek

Unternehmen eine wichtige Rolle. Daneben wer-

adressiert die Hälfte der Berichte (49 Prozent)

den auch spezielle Themen (bspw. Technologie

die gesamtgesellschaftliche Ebene, 23,5 Prozent

und Marketing) ebenso bedient wie wirtschafts-

verhandeln Wirtschaft primär als Angelegenheit

politische Informationen bzw. solche zum allge-

Einzelner.

meinen Wirtschaftsgeschehen. Hinsichtlich der thematischen Priorisierung sind die Unterschie-

Thematische Vielfalt …

de zwischen den verschiedenen Akteur:innen auf

Insgesamt findet sich auf Spotify eine große the-

Spotify marginal. Den größten Einfluss auf die

matische Vielfalt: Die plattformweiten Topthemen

Themensetzung scheint die Plattformumgebung

„Finanzen/Aktien“ (35,3 Prozent), „Arbeitswelt/

an sich zu haben. Im Vergleich zu Spotify setzen

Karriere“ (31,8 Prozent) und „Spezifische Bran-

die Angebote der ARD Audiothek sehr viel stärker

chen/Unternehmen“ (30,1 Prozent) spielen so-

auf Informationen zum allgemeinen Wirtschafts-

wohl in den Podcasts der öffentlich-rechtlichen

geschehen (41,4 Prozent) und zu wirtschafts­

wie privaten Medienakteur:innen als auch der

politischen Themen (20,7 Prozent) – auch wenn

Abbildung 1:

Funktion der Podcast-Produzent:innen (Angaben in Prozent, Spotify)

Unternehmen/ Unternehmer:innen

60 %

Medien

19 %

Sonstige

7%

Bildung

4 % 0,3 % 0%

2% 3% 3%

2 % 0,5 %

10 %

20 %

30 %

40 %

50 %

60 %

Unternehmen/ Unternehmer:innen

Journalist:innen

staatliche Akteure

private Medien

Produktionsfirmen

Bildung/Wissenschaft

Amateur:innen

Autor:innen

öffentlich-rechtliche Medien

Zivilgesellschaft

Quelle: Eigene Darstellung (vgl. Langfassung S. 55).

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„Arbeitswelt/Karriere“ und „Finanzen/Aktien“

schaft meist in Ratgeberformaten mit indivi-

ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Der stärke-

dueller Perspektive vermittelt, während die öf-

re gesamtgesellschaftliche Anspruch wird auch

fentlich-rechtlichen Angebote häufiger eine ge-

dadurch deutlich, dass Nischenthemen in den

samtgesellschaftliche Perspektive in Form von

Podcasts der ARD Audiothek deutlich seltener

Reportagen aufgreifen.

vertreten sind. Über die Autorinnen

… aber geringe Pluralität der Adressat:innen

Janine Greyer-Stock, M.A., ist Kommunikationswissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Freien Universität Berlin und Co-Geschäftsführerin der h1 medienanalyse GmbH.

Weniger vielfältig geht es in der Frage zu, in welcher Rolle die Wirtschafts-Podcasts ihre Hörer:innen offenkundig adressieren. Insgesamt lässt sich für 42,5 Prozent der Spotify-Angebote eine konkrete Zielgruppe identifizieren, an die sich das jeweilige Angebot laut Podcast-Beschreibung richtet. In

Dr. Julia Lück-Benz ist Kommunikationswissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Freien Universität Berlin und bei der h1 medienanalyse GmbH.

37 Prozent dieser Fälle werden die Hörer:innen als Individuen mit speziellen Interessen angesprochen, in knapp 30 Prozent als Unternehmer:innen (bspw. als Start-Up-Gründer:innen) und in rund 24 Prozent als Investor:innen oder Anleger:innen.

Kaum repräsentiert sind die Perspektiven von Ver-

Impressum

braucher:innen oder Arbeitnehmer:innen. Dieser

Herausgeber: Otto Brenner Stiftung, Jupp Legrand, Wilhelm-­ Leuschner-Straße 79, 60329 Frankfurt am Main, Tel.: 069-6693-2810, E-Mail: info@otto-­brennerstiftung.de, www.otto-brenner-­stiftung.de

Befund gilt auch für die Angebote von Medienakteur:innenen auf Spotify, die ihre Hörer:innen lediglich in zwei Prozent als Verbraucher:innen und in vier Prozent als Arbeitnehmer:innen adres­ sieren.

Veröffentlicht unter CC BY-NC-SA 4.0-Lizenz.

Fotos: privat

turelle Analyse der Wirtschaftsberichterstattung in Podcast-Angeboten für die Anbieter Spotify und die ARD Audiothek vor. Im Ergebnis zeigt sich ein differenziertes Bild: Während auf beiOBS-Arbeitsheft 113

Moderne Wirtschaftsden Plattformen eine große thematische Vielfalt berichterstattung?

Wie Podcasts auf Spotify und in der ARD Audiothek über Wirtschaft sprechen

herrscht, ist die Pluralität der angesprochenen Adressat:innen begrenzt. Auf Spotify wird Wirt-

www.otto-brenner-stiftung.de

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Mit der Untersuchung liegt erstmalig eine struk-

Greyer-Stock, Lück-Benz – Moderne Wirtschaftsberichterstattung?

Fazit

Janine Greyer-Stock, Julia Lück-Benz

Moderne Wirtschaftsberichterstattung?

Wie Podcasts auf Spotify und in der ARD Audiothek über Wirtschaft sprechen IG METALL EIN PROJEKT DER OTTO BRENNER STIFTUNG Gliederungsname FRANKFURT AM MAIN 2024

Mehr Infos sowie die Lang­fassung der Studie finden Sie auf unserer Website: www.ottobrenner-­stiftung.de

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