Konzerne im Klimacheck

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OBS-Arbeitspapier 63

Frühbrodt – Konzerne im Klimacheck

OBS-Arbeitspapier 63

Lutz Frühbrodt

OBS-Arbeitspapier 63

Konzerne im Klimacheck

Konzerne im Klimacheck ‚Integrated Business Reporting‘ als neuer Ansatz der Unternehmensberichterstattung

‚Integrated Business Reporting‘ als neuer Ansatz der Unternehmensberichterstattung

www.otto-brenner-stiftung.de

EIN PROJEKT DER OTTO BRENNER STIFTUNG FRANKFURT AM MAIN 2023


OBS-Arbeitspapier 63 ISSN: 2365-1962 (nur online) Herausgeber: Otto Brenner Stiftung Jupp Legrand Wilhelm-Leuschner-Straße 79 D-60329 Frankfurt am Main Tel.: 069-6693-2810 Fax: 069-6693-2786 E-Mail: info@otto-brenner-stiftung.de www.otto-brenner-stiftung.de Autor: Prof. Dr. Lutz Frühbrodt Studiengangleiter „Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation“ (Master) Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt Münzstr. 19, 97070 Würzburg E-Mail: lutz.fruehbrodt@thws.de Redaktion & Lektorat: Benedikt Linden (OBS) Satz und Gestaltung: Isabel Grammes, think and act Druck: AC medienhaus GmbH, Wiesbaden Titelbild: FAHMI/AdobeStock.com Redaktionsschluss: 01. Oktober 2023

Die Otto Brenner Stiftung …

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Dieses Arbeitspapier ist unter der Creative Commons „Namens­nennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International“-Lizenz (CC BY-NCSA 4.0) veröffentlicht. Die Inhalte sowie Grafiken und Abbildungen dürfen, sofern nicht anders angegeben, in jedwedem Format oder Medium vervielfältigt und weiterverbreitet, geremixt und verändert werden, sofern keine Nutzung für kommerzielle Zwecke stattfindet. Ferner müssen angemessene Urheber- und Rechteangaben gemacht, ein Link zur Lizenz beigefügt und angeben werden, ob Änderungen vorgenommen wurden. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenz­ information auf https://creativecommons.org/licenses/ by-nc-sa/4.0/deed.de

In den Arbeitspapieren werden die Ergebnisse der Forschungsförderung der Otto Brenner Stiftung dokumentiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Für die Inhalte sind die Autorinnen und Autoren verantwortlich. Download und weitere Informationen: www.otto-brenner-stiftung.de

... ist die gemeinnützige Wissenschaftsstiftung der IG Metall. Sie hat ihren Sitz in Frankfurt am Main. Als Forum für gesellschaft­ liche Diskurse und Einrichtung der Forschungsförderung ist sie dem Ziel der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet. Besonderes Augen­merk gilt dabei dem Ausgleich zwischen Ost und West. ... initiiert den gesellschaft­ lichen Dialog durch Veranstaltungen, Workshops und Koopera­ tionsveranstaltungen (z. B. im Herbst die OBS-Jahrestagungen), organisiert Konferenzen, lobt jährlich den „Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus“ aus, fördert wissenschaftliche Untersuchungen zu sozialen, arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitischen Themen und legt aktuelle medienkritische und -politische Analysen vor. ... informiert regelmäßig mit einem Newsletter über Projekte, Publikationen, Termine und Veranstaltungen.

... veröffentlicht die Ergebnisse ihrer Forschungsförderung in der Reihe „OBS-Arbeitshefte“ oder als Arbeitspapiere (nur online). Die Arbeitshefte werden, wie auch alle anderen Publikationen der OBS, kostenlos abgegeben. Über die Homepage der Stiftung können sie auch elektronisch bestellt werden. Vergriffene Hefte halten wir als PDF zum Download bereit unter: www.otto-brennerstiftung.de/wissenschaftsportal/ publikationen/ ... freut sich über jede ideelle Unterstützung ihrer Arbeit. Aber wir sind auch sehr dankbar, wenn die Arbeit der OBS materiell gefördert wird. ... ist zuletzt durch Bescheid des Finanzamtes Frankfurt am Main V (-Höchst) vom 4. November 2020 als ausschließlich und unmittelbar gemeinnützig anerkannt worden. Aufgrund der Gemeinnützigkeit der Otto Brenner Stiftung sind Spenden steuerlich absetzbar bzw. begünstigt.

Unterstützen Sie unsere Arbeit, z. B. durch eine zweckgebundene Spende Spenden erfolgen nicht in den Vermögensstock der Stiftung, sie werden ausschließlich und zeitnah für die Durchführung der Projekte entsprechend dem Verwendungszweck genutzt. Bitte nutzen Sie folgende Spendenkonten: Für Spenden mit zweckgebundenem Verwendungszweck zur Förderung von Wissenschaft und Forschung zum Schwerpunkt: • Förderung der internationalen Gesinnung und des Völkerverständigungsgedankens Bank: IBAN: BIC:

HELABA Frankfurt/Main DE11 5005 0000 0090 5460 03 HELA DE FF

Aktuelle Ergebnisse der Forschungsförderung in der Reihe „OBS-Arbeitshefte“ OBS-Arbeitsheft 112

Leif Kramp, Stephan Weichert

Whitepaper Non-Profit-Journalismus

Handreichungen für Medien, Politik und Stiftungswesen

OBS-Arbeitsheft 111*

Janis Brinkmann

Journalistische Grenzgänger

Wie die Reportage-Formate von funk Wirklichkeit konstruieren

OBS-Arbeitsheft 110*

Henning Eichler

Journalismus in sozialen Netzwerken

ARD und ZDF im Bann der Algorithmen?

OBS-Arbeitsheft 109*

Barbara Witte, Gerhard Syben

Erosion von Öffentlichkeit

Freie Journalist*innen in der Corona-Pandemie

OBS-Arbeitsheft 108*

Victoria Sophie Teschendorf, Kim Otto

Framing in der Wirtschaftsberichterstattung

Der EU-Italien-Streit 2018 und die Verhandlungen über Corona-Hilfen 2020 im Vergleich

OBS-Arbeitsheft 107*

Leif Kramp, Stephan Weichert

Konstruktiv durch Krisen?

Fallanalysen zum Corona-Journalismus

OBS-Arbeitsheft 106*

Lutz Frühbrodt, Ronja Auerbacher

Den richtigen Ton treffen

Der Podcast-Boom in Deutschland

OBS-Arbeitsheft 105*

Hektor Haarkötter, Filiz Kalmuk

Medienjournalismus in Deutschland

Seine Leistungen und blinden Flecken

OBS-Arbeitsheft 104*

Valentin Sagvosdkin

Qualifiziert für die Zukunft?

Für Spenden mit zweckgebundenem Verwendungszweck zur Förderung von Wissenschaft und Forschung zu den Schwerpunkten:

Zur Pluralität der wirtschaftsjournalistischen Ausbildung in Deutschland

• Angleichung der Arbeits- und Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland (einschließlich des Umweltschutzes) • Entwicklung demokratischer Arbeitsbeziehungen in Mittel- und Osteuropa • Verfolgung des Zieles der sozialen Gerechtigkeit

Ingo Dachwitz, Alexander Fanta

Bank: IBAN: BIC:

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OBS-Arbeitsheft 103*

Medienmäzen Google

Wie der Datenkonzern den Journalismus umgarnt

OBS-Arbeitsheft 102*

Wolfgang Schroeder, Samuel Greef u. a.

Bedrängte Zivilgesellschaft von rechts

Interventionsversuche und Reaktionsmuster * Printfassung leider vergriffen; Download weiterhin möglich.

Diese und weitere Publikationen der OBS finden Sie unter www.otto-brenner-stiftung.de Otto Brenner Stiftung | Wilhelm-Leuschner-Straße 79 | D-60329 Frankfurt/Main


Vorwort

Vorwort

Die „Besitzer von Kapital“ sind in den letzten Jahren immer reicher geworden, während viele Menschen gleichzeitig mit niedrigen Löhnen zu kämpfen haben – um die daraus folgende gesellschaftliche Polarisierung zu vermeiden, sei es also nur gerechtfertigt von Unternehmen zu erwarten, dass sie nicht nur eine gute „finanzielle Performance“ liefern, sondern auch einen „positiven Beitrag für die Gesellschaft“ erbringen. Neben sozialen Aspekten müsse dabei auch transparent gemacht werden, „wie Unternehmen an das Thema Nachhaltigkeit herangehen“. Was sich nach einem Statement einer engagierten Aktivistin anhört oder wie die Forderung eines Politikers klingt, sind Zitate von Larry Fink, dem Vorstandsvorsitzenden des weltweit größten Vermögensverwalters BlackRock. Fink schrieb die Zeilen über die sozialen und ökologischen Verpflichtungen von Unternehmen 2018 und 2020 in seinem jährlichen Brief an Kolleg:innen in den Vorstandsetagen weiterer Vermögensverwaltungen, Fonds und Konzerne. Er verdeutlich damit eine Entwicklung, die seit einigen Jahren in Wirtschaftswissenschaften, Politik und Teilen der Wirtschaft bemerkbar ist und die mit einer zentralen Annahme des Neoliberalismus – das Unternehmen einzig und alleine ihren Investor:innen und damit der Profitmaximierung verpflichtet seien – bricht: Firmen werden zunehmend verstanden als in soziale, räumliche und ökologische Zusammenhänge eingebettete Akteur:innen, die Verantwortung für ihre Arbeitnehmer:innen, Kund:innen und Regionen tragen. Gewerkschaften, Umweltverbände und Aktive aus sozialen Bewegungen, die für soziale Gerechtigkeit und ein umweltverträgliches Wirtschaften streiten, dürften diesen (späten) Perspektivwechsel begrüßen. Die Schlussfolgerung Finks, dass „die Öffentlichkeit“ jetzt und künftig also mehr Informationen zu den genannten Aspekten unternehmerischen Wirkens brauche, scheint allerdings von denjenigen, die für die Herstellung dieser Öffentlichkeit verantwortlich sind – „die“ Medien – nicht unbedingt geteilt zu werden. Das ist zumindest die These von Lutz Frühbrodt, Professor für Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt, der sich für die Otto Brenner Stiftung mit Defiziten der deutschen Wirtschaftsberichterstattung beschäftigt hat. Nachdem die Stiftung in der Vergangenheit bereits mit zahlreichen Studien dem wirtschaftspolitischen Journalismus in Deutschland einen mangelnden Pluralismus an Perspektiven und zitierten Akteuren nachweisen konnte, rückt

1


Konzerne im Klimacheck

OBS-Autor Frühbrodt nun die klassische Unternehmensberichterstattung in den Mittelpunkt seiner Untersuchung. Die Ergebnisse sind bemerkenswert: Durch seine Analyse von Bilanz-Pressekonferenzen und Hauptversammlungen verschiedener deutscher Konzerne sowie der dazugehörigen Medienberichte zeigt er, dass Nachhaltigkeit generell nur ein Randphänomen der Unternehmensberichterstattung ausmacht. Obwohl gesetzliche Regelungen Unternehmen zunehmend verpflichten, Daten und Kennzahlen zu sozialen und ökologischen Aspekten zu publizieren, wird diese Datenbasis kaum für eine ganzheitliche Betrachtung der Firmen von den Medien genutzt. Es bleiben sogar Themen ausgeblendet, wenn sie auf den untersuchten Veranstaltungen durch Management, Investor:innen oder Aktivist:innen zur Sprache kommen. Ungeachtet der Veränderungen und Bedarfe in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft informieren die Berichte weiterhin nur über ‚klassische‘ Finanzkennzahlen und ökonomische Aspekte der Unternehmensstrategien. Frühbrodt, langjährig auch als Journalist mit Theorie und Praxis der Unternehmensberichterstattung bestens vertraut, bleibt nicht bei der Defizitbeschreibung stehen, sondern skizziert konkrete Schritte zur Verbesserung der misslichen Lage. Integrated

Business Reporting nennt der Autor seinen Ansatz, den er hier erstmals zur Diskussion und Anwendung in der Praxis vorstellt. Er identifiziert geeignete Messgrößen für die Klimabilanz einer Firma, liefert konkrete Hinweise, wo Journalist:innen die notwendigen Informationen erhalten, und verweist auf Fallstricke, die es zu vermeiden gilt. Mit seiner Checkliste für eine klimabewusste Unternehmensberichterstattung eignet sich die Untersuchung für die unmittelbare Anwendung in der Praxis. Und mit idealtypischen Beispielartikeln im Sinne einer ökonomische und ökologische Aspekte integrierenden Perspektive erweist sich die Untersuchung als wichtiges Angebot und Baustein für die journalistische Ausbildung. Hinsichtlich der anstehenden Veränderungen hätten Unternehmen „die Verantwortung und die ökonomische Pflicht, ihren Aktionären ein klares Bild [ihrer Aktivitäten diesbezüglich] zu vermitteln“, schreibt Fink am Ende seines klimabewegten Briefes 2020. Medien hingegen, so lässt sich anschließen, haben ihren Leser:innen gegenüber die Pflicht, diese Bilder zu prüfen, von schönen Worten zu reinigen und mit kritischem Blick auf Ziel- und Interessenkonflikte beständig zu hinterfragen. Das gilt im Übrigen auch für die Selbstdarstellungen von BlackRock.

Jupp Legrand Geschäftsführer der OBS

2

Frankfurt am Main, im Oktober 2023


Inhalt

Inhalt

1

Einleitung.................................................................................................................5 1.1 Das Ziel: Ein klimabewusster Wirtschaftsjournalismus.....................................................6 1.2 Aufbau und Methodik der Studie......................................................................................9

2

Der empirische Befund: Nachhaltigkeit als wirtschaftsjournalistisches Randphänomen................................ 11 2.1 Die Wandlungen des deutschen Wirtschaftsjournalismus................................................ 11 2.2 Wissenschaftliche Methodik und Untersuchungsobjekte................................................ 14 2.3 Die Bilanz-Pressekonferenzen........................................................................................17 2.4 Die Hauptversammlungen.............................................................................................. 24 2.5 Zwischenbilanz............................................................................................................. 30

3

Wie Unternehmen klimaneutral werden wollen und sollen........................................ 31 3.1 Unternehmen und Nachhaltigkeit: Von CSR zu ESG..........................................................31 3.2 Was es genau mit der Klimaneutralität von Unternehmen auf sich hat............................. 34 

Exkurs: Der europäische Green Deal und das deutsche Klimaschutzgesetz...................... 36

3.3 Europäische Berichtspflichten und deutsche Nachhaltigkeitsberichte............................38 3.4 Freiwillige Klimazertifikate: Moderner Ablasshandel?.................................................... 44 3.5 ‚Greenwashing‘ und wie die EU dagegen vorgehen will...................................................46 3.6 Zwischenbilanz............................................................................................................. 47

4

Integrated Business Reporting: Indikatoren zur Messung der Öko-Bilanz eines Unternehmens................................. 49 4.1 Scope 1-3: Der absolute Ausstoß an Treibhausgasen...................................................... 49 4.2 THG-Vergleiche innerhalb und zwischen Unternehmen................................................... 54 4.3 Anteil von Klimazertifikaten an der THG-Bilanz............................................................... 61 4.4 Weitere relevante Öko-Indikatoren................................................................................. 63 4.5 Zwischenbilanz.............................................................................................................68

3


Konzerne im Klimacheck

5

Integrated Business Reporting in der Praxis.............................................................72 5.1 Fallbeispiel: Bericht über die Jahresbilanz der Würth-Gruppe.......................................... 72 5.2 Fallbeispiel: Feature über die Hauptversammlung der Deutschen Telekom...................... 75 5.3 Zwischenbilanz............................................................................................................. 78

6

Handlungsempfehlungen und Ausblick....................................................................79 6.1 Das Klima-Thema in der Wirtschaftsredaktion................................................................ 79 6.2 Integrated Business Reporting reloaded: Soziales und Governance einbinden................82

Literaturverzeichnis..............................................................................................................86 Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen............................................................................ 91 Hinweis zum Autor................................................................................................................ 91

4


Einleitung

1 Einleitung

„Da gibt es einen riesengroßen Missstand!“

(2022). Das Forscherteam von der Universität

Luisa Neubauer geht mit den deutschen Medien

Hamburg hat die „Tagesschau“ im Zeitraum von

hart ins Gericht. „Jahrzehntelang gab es so et-

2007 bis 2022 analysiert und kam bei seiner

was wie einen regulären Klimajournalismus gar

quantitativen Auswertung zu dem Ergebnis, dass

nicht. Die Klimakrise hat in den Medien oft nur

die Nachrichtensendung bis 2018 fast nur über

in mikroskopischem Maße stattgefunden.“ Die

die UN-Klimakonferenzen und kaum über weite-

Klimaaktivistin kritisiert, dass auch jetzt noch

re Klima-Themen berichtet hat.

das Klima-Thema eine Randerscheinung in der medialen Berichterstattung bleibe. Umrahmt

2019 stieg die Berichterstattung stark an und

wird Luisa Neubauer bei ihrer Medienschelte

wurde thematisch vielfältiger, um danach aber

von jeweils zwei führenden Journalist:innen des

wieder abzuflachen. Auffällig dabei: Kurzfristige

öffentlich-rechtlichen Rundfunks und von Tages-

Krisenereignisse, aber auch medial konkurrie-

zeitungen. Das Quintett diskutiert Mitte Juni 2023

rende Dauerkrisen wie die Corona-Pandemie und

auf der Jahreskonferenz der Journalisten-Vereini-

der Ukraine-Krieg bekommen dabei offensicht-

gung Netzwerk Recherche. Der treffende Titel des

lich Vorrang in der redaktionellen Aufmerksam-

Podiums: „Wie eine zeitgemäße Klimaberichter-

keit. Die Klima-Krise hat hier aufgrund ihres eher

stattung aussehen müsste – und warum es sie

‚schleichenden‘ Charakters einen strukturellen

bis heute nicht gibt“ (Netzwerk Recherche 2023).

Malus hinsichtlich ihres Nachrichtenwertes.

Der Tenor bei den Medienverantwortlichen lau-

Darüber hinaus haben Tschötschel et al. (2022)

tet: „Ja, es gibt Versäumnisse, aber wir wollen

das Gesamtprogramm von Das Erste, ZDF und

besser werden und sind schon auf einem guten

WDR vom 25. Juli 2021 bis 30. September 2022

Weg.“ So sagt Barbara Junge, Chefredakteurin

ausgewertet. Ihr Ergebnis: „Klima“ findet vor-

der „taz“: „Die Gesellschaft hat versagt, die Jour-

nehmlich in Wissenschaftsmagazinen und Talk-

nalist:innen auch. Die Branche hat aber auch

shows statt. Selten seien mehr als vier Prozent

wahnsinnig aufgeholt.“ Entspricht dies wirklich

der Sendeminuten der Klima-Thematik gewid-

den Tatsachen? Oder ist das eher eine gefühlte

met. Das Fazit: „Die analysierten Fernsehpro-

Wahrnehmung? Bisher gibt es kaum Forschung

gramme sind bislang noch weit davon entfernt,

zum Thema – von wenigen Ausnahmen abge-

das Klima als wirkliches Top- und Querschnitts-

sehen. Die wichtigste, da umfassendste Unter-

thema ihrer Berichterstattung zu präsentieren.“

suchung ist die Studie von Tschötschel et al.

(Tschötschel et al. 2022: 580–81) Die Analyse

5


Konzerne im Klimacheck

der öffentlich-rechtlichen Sender bildet sicher

Hessischen Rundfunks, die neuen Kompetenz-

nur einen, wenngleich wichtigen Ausschnitt aus

zentren der ARD ins Spiel. Ab 2024 werden drei

der deutschen Medienlandschaft. Aber man

redaktionelle Pools auf den Themenfeldern

kann davon ausgehen, dass es bei der großen

Verbraucher, Gesundheit und eben Klima die

Mehrheit der anderen, privatwirtschaftlich orga-

ARD-Sender mit überregionaler Berichterstat-

nisierten Medien nicht sehr viel anders aussieht.

tung versorgen. „Wir sind aber auch noch nicht gut genug ausgebildet“, räumt Holzner ein. „Wir

Luisa Neubauer, führende Aktivistin der deut-

müssen auch innerhalb der jeweiligen Ressorts

schen Fridays-for-Future-Bewegung, ist deshalb

Klima-Kompetenz aufbauen. Mehr Klima-Exper-

nicht die einzige Klima-Bewegte, die mehr Klima­

tise bekommen wir ganz banal gesagt durch

berichterstattung fordert. Auch aus den Medien

Fortbildung.“ (Netzwerk Recherche 2023) Es geht

selbst kommen immer wieder Impulse. So haben

also nicht nur um die Quantität, sondern auch

engagierte Journalist:innen zusammen mit eini-

um die Qualität der Berichterstattung.

gen Wissenschaftler:innen die Initiative „Klima vor Acht“ ins Leben gerufen. Mit dem Titel wollen die Initiator:innen mehr TV-Sendezeit für das Klima-­Thema in der Primetime einfordern.

1.1 Das Ziel: Ein klimabewusster Wirtschaftsjournalismus

Zugleich spielt der Claim auf die Abendsendung

Auch für den Wirtschaftsjournalismus und sei-

„Wirtschaft vor Acht“ im ersten ARD-Programm an,

nen Bruder, den Finanzjournalismus, gilt si-

die bis vor einigen Jahren noch „Börse vor Acht“

cherlich, dass die Einbindung der Klimathema-

hieß (Klima vor Acht 2022). Es geht also um Prio­

tik bei weitem noch nicht optimal funktioniert.

ritäten. Klimajournalismus ist ohne Frage zu ei-

Ohne Frage ist der Wirtschaftsjournalismus

nem wichtigen Medienthema, stellenweise auch

über die Jahre ‚grüner‘ geworden – und zwar

zu einem eigenständigen Ressort gewachsen –

in dem Sinne, dass er verstärkt Nachhaltig-

das allerdings keinen besonderen Fokus auf die

keits- und Klimathemen aufgreift. So berichten

Wirtschaft und vor allem Unternehmen legt. Des-

Wirtschaftsreporter:innen regelmäßig über den

halb sollte das Klima auch nicht die Börsen- und

hohen Wasserverbrauch von Teslas „Gigafacto-

schon gar nicht die Wirtschaftsberichterstattung

ry“ in Brandenburg und mögliche Auswirkungen

ersetzen und verdrängen. In der Klima-Runde bei

auf die Grundversorgung. Verschiedene Medi-

der Netzwerk-Recherche-Konferenz besteht viel-

en haben über den chinesischen Ultra-Fast-­

mehr breiter Konsens darüber, dass sich Klima

Fashion-Händler Shein recherchiert und dessen

als Querschnittsthema durch alle Redaktionen

grüne Werbeversprechen als teilweise irrefüh-

ziehen sollte (vgl. hierzu auch Olanigan 2023).

rend kritisiert. Und Wirtschaftsmedien setzen sich durchaus auch mit strukturell relevanten

So bringt zum Beispiel Gaby Holzner, Programm-

Themen auseinander, beispielsweise damit,

direktorin und stellvertretende Intendantin des

wie die Luftfahrtbranche ihre CO2-Emissionen

6


Einleitung

reduzieren kann. Die Liste ließe sich beliebig

systematischer Weise das Gesamtbild eines Un-

fortsetzen.

ternehmens entstehen zu lassen.

Um diese stärker ereignisgetriebenen Einzelfälle

In der klimajournalistischen Fachöffentlichkeit

mit ihrem spezifischen ‚Öko-Einschlag‘ soll es

besteht weitestgehend Konsens darüber, dass

in der vorliegenden Arbeit jedoch nicht gehen.

sich dafür der Treibhausgas-Ausstoß (THG-Aus-

Sie sind richtig und wichtig. Das Postulat lautet

stoß) eines Unternehmens innerhalb eines Ge-

vielmehr, dass der ökologische bzw. klimapoliti-

schäftsjahres am besten eignet. Viele (vor allem

sche Aspekt grundsätzlich immer berücksichtigt

größere) Unternehmen haben inzwischen Klima­

werden soll – im Wirtschaftsjournalismus allge-

strategien entwickelt und in deren Rahmen Ziele

mein und in der Unternehmensberichterstattung

definiert, wie sie ihre Emissionen von CO2 sowie

im Besonderen. Dies bedeutet nicht, dass die

anderer klimaschädlicher Gase reduzieren und

Klima-Komponente die dominante Rolle spielen

mittelfristig Klimaneutralität erreichen können.

oder im Vordergrund stehen muss. Wenn Unter-

Zwischen 1990 und 2022 konnte die Bundesre-

nehmen heute jedoch nicht mehr nur als reine

publik ihren jährlichen CO2-Ausstoß von 1.055

„Geldmaschinen“, sondern ganzheitlich als so-

auf 666 Millionen Tonnen, also um fast 38 Pro-

ziale Akteure dargestellt werden sollten, muss

zent, reduzieren (vgl. Tabelle 1). Der Anteil der

die Klima-Komponente immer mitgedacht wer-

Wirtschaft (Energiewirtschaft, Industrieprozes-

den. Die vorliegende Arbeit will zeigen, dass dies

se, verarbeitendes Gewerbe, Landwirtschaft)

bei (fast) allen Formaten möglich ist: Bei den

am Gesamtausstoß ist in diesem Zeitraum von

Klassikern Bilanz-Pressekonferenz und Haupt-

64 auf 60 Prozent gesunken, was vor allem da-

versammlung, aber zum Beispiel auch beim Un-

ran liegt, dass die Energieerzeuger inzwischen

ternehmensporträt oder Aktiencheck.

in toto ‚grüner‘ produzieren. Allerdings bezieht sich dieser Wert nur auf ‚Wirtschaft‘ im enge-

Wie fast überall in den Medien haben sich auch

ren Sinne. So sind zum Beispiel die indirekten

im Wirtschaftsjournalismus zunehmend erzähle-

Auswirkungen der Autoproduktion, nämlich der

rische Formate durchgesetzt (Stichwort „Story-

CO2-Ausstoß von Fahrzeugen in privater und be-

telling“). Doch Müller (2017: 29–30) verweist zu-

ruflicher Nutzung (Logistik), separat im Sektor

recht darauf, dass die Grundlage des Wirtschafts-

‚Verkehr‘ erfasst (Umweltbundesamt 2023).

journalismus nach wie vor aus empirischen Daten besteht. Dazu zählen Inflationsraten und

Der jährliche THG-Ausstoß einzelner Unterneh-

Exportüberschüsse einer Volkswirtschaft ge-

men sollte jedoch in weiten Grenzen gemessen

nauso wie Absatzzahlen und Renditequotienten

werden, um die Folgen des Unternehmenshan-

von Unternehmen. Ganz in diesem Sinne sollte

delns für das Klima angemessen zu erfassen.

ein moderner Wirtschaftsjournalismus auch mit

Konkret bedeutet dies, dass die Emissionen aller

‚grünen‘ Daten arbeiten, um in messbarer und

Bereiche eines Unternehmens, von der Güter-

7


Konzerne im Klimacheck

produktion über den Energieverbrauch bis zu

Diese Form des klimabewussten, nachhaltigen

vor- und nachgelagerten Produktionsprozes-

Wirtschaftsjournalismus wird im Folgenden als

sen, erfasst werden sollten (in der Fachdebat-

Integrated Business Reporting (IBR) bezeichnet.

te werden die verschiedenen Bereiche auch als

Der Begriff setzt sich zusammen aus ‚Business

‚Scopes 1-3‘ bezeichnet, siehe Kapitel 4.1). Die-

Reporting‘, der englischen Bezeichnung für

ser – wohlgemerkt gängige – Ansatz der brei-

Unter­ nehmensberichterstattung, und ‚Integra-

ten Erfassung unterstreicht, dass Unternehmen

ted Reporting‘. Letzterer, in der Unternehmens-

nicht nur allein für sich, sondern für ihre gesamte

kommunikation gängiger Terminus steht dafür,

Lieferkette verantwortlich sind. Diese Sichtweise

dass Unternehmen nicht mehr in traditioneller

sollten auch Wirtschaftsjournalist:innen stärker

Weise ausschließlich Finanzkennzahlen bilanzi-

verinnerlichen.

ell ausweisen, sondern diese um ökologische

Tabelle 1:

Jährlicher CO2-Ausstoß der BRD nach Sektoren (1990, 2022)

1990 CO2-Menge (in Millionen Tonnen)

Anteil in Prozent

CO2-Menge (in Millionen Tonnen)

Anteil in Prozent

Energiewirtschaft

428

40,5

247

37

Verarbeitendes Gewerbe

184

17,5

111

17

Verkehr

161

15

147

22

Haushalte und Kleinverbraucher

203

19,5

116

17

Militär und weitere kleine Quellen

12

1

1

0,2

Diffuse Emissionen aus Brennstoffen

4

0,5

2

0,3

Industrieprozesse

60

5,5

41

6

Landwirtschaft

3

0,5

3

0,5

Gesamt

1.055

100

668

100

davon Wirtschaft

675

64

402

60,5

Quelle: Eigene Darstellung nach Umweltbundesamt (2023).

8

2022


Einleitung

und soziale Aspekte ergänzen, auch in quanti-

worden (siehe Kapitel 2.2 sowie den Online-An-

tativer Weise. Im Rahmen dieser Studie stehen

hang1 der Studie zur Begründung der Auswahl).

zwar ökologische und vor allem Klimaaspek-

Die untersuchten Unternehmen werden im Ver-

te im Vordergrund. In einem nächsten Schritt

lauf der Studie noch in anderen Kapiteln (vor al-

sollte das Integrated Business Reporting aber

lem Kapitel 4 und 5) beispielhaft mit ihren Klima­

auch verstärkt die soziale Dimension von Un-

maßnahmen erwähnt und analysiert.

ternehmen berücksichtigen, um einen rundum ganzheitlichen Blick auf Unternehmen zu ermög­

Kapitel 3 stellt die wirtschaftsphilosophischen

lichen (siehe Kapitel 6.2).

und regulierungspolitischen Grundlagen der anzustrebenden Klimaberichterstattung über Un-

1.2 Aufbau und Methodik der Studie

ternehmen dar. So ist in jüngerer Zeit ein Wandel im Selbstverständnis von Unternehmen zu

Der deutsche Wirtschaftsjournalismus hat sich

beobachten, weg von einer Organisation, die

gerade in den vergangenen drei Jahrzehnten als

ausschließlich der ökonomischen Transaktion

durchaus innovationsfreudig erwiesen. Er hat

dient, hin zu einem Sozialgefüge, das eine mo-

es allerdings bisher nicht vermocht, eine Unter-

ralische Verantwortung für Mensch und Umwelt

nehmensberichterstattung mit systematischer

trägt. Auch die Politik ist bezüglich der Transpa-

Klimabilanzierung zu adaptieren. Dabei sind

renzpflichten von Unternehmen klimapolitisch

die notwendigen Daten, um beispielweise den

aktiv geworden, vor allem die EU-Kommission.

jährlichen Treibhausgas-Ausstoß zu ermitteln,

Eine neue Richtlinie, die Unternehmensprakti-

mittlerweile meist verfügbar. Ein Teil der Unter-

ken des „Greenwashing“ unterbinden soll, wird

nehmen bindet sie sogar offensiv in ihre Presse-

ebenso vorgestellt wie der European Green Deal,

arbeit ein.

ein umfangreiches Set an Maßnahmen, mit dem deutlich mehr Nachhaltigkeit in die europäische

In Kapitel 2 soll die Hypothese der unzureichen-

Wirtschaft getragen werden soll. Bis 2026 weiten

den medialen Klimabilanzierung durch ausge-

sich die damit einhergehenden Berichtspflich-

wählte Beispiele empirisch belegt werden. Dazu

ten zu Öko- und Sozialindikatoren auf rund

sind die Bilanz-Pressekonferenzen der Unter-

15.000 Unternehmen in Deutschland aus – eine

nehmen Energie Baden-Württemberg (EnBW),

unschätzbare Quelle für die journalistische Ar-

Deutsche Bahn, Deutsche Telekom sowie der

beit (Müller 2023).

Würth-Gruppe analysiert und mit der jeweiligen Medienresonanz abgeglichen worden. In glei-

Kapitel 4 bildet den Kern der Studie und disku-

cher Weise sind die Hauptversammlungen von

tiert verschiedene Indikatoren für die Klima- und

EnBW und der Deutschen Telekom untersucht

Umweltbilanz von Unternehmen. Sie stellen das

1

Der Online-Anhang findet sich auf der Infoseite zur Studie unter www.otto-brenner-stiftung.de.

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Konzerne im Klimacheck

Handwerkszeug des Integrated Business Re-

in der Praxis einsetzen lässt. Zum einen wird ein

porting dar. Im Mittelpunkt steht die CO2-Bilanz

Bericht über die Bilanz-Pressekonferenz vom

eines Unternehmens, deren verschiedene As-

Mai 2023 des Industriekonzerns Würth-Gruppe

pekte erläutert werden. Anhand einer Reihe von

erstellt, zum anderen ein Feature über die Haupt-

Beispielen wird demonstriert, wie Wirtschafts-

versammlung der Deutschen Telekom im April

journalist:innen aussagekräftige Daten für ein

2023. Bei der Hauptversammlung hat die Tele-

Unternehmen erstellen können. Es wird zudem

kom selbst das Thema Nachhaltigkeit in den Mit-

gezeigt, wie sich Unternehmensvergleiche in-

telpunkt gestellt. Die Klima-Komponente muss

nerhalb einer Branche vornehmen lassen. Dabei

auch dann zwar nicht zwangsläufig die zentrale

wird der Indikator der Emissionsintensität einge-

Rolle in der Berichterstattung spielen. Die Bei-

führt, der vereinfacht gesagt aus dem jährlichen

spiel-Artikel zeigen jedoch, dass sie in angemes-

Treibhausgas-Ausstoß pro ‚Umsatzmilliarde‘ des

sener Weise berücksichtigt werden kann – und

Unternehmens besteht. Der Katalog möglicher

auch sollte.

Öko-Indikatoren wird sodann erweitert durch die Vorstellung weiterer geeigneter Kennzahlen. Ein

Kapitel 6 fasst in seinem ersten Teil die wich-

besonderes, kritisches Augenmerk wird auf den

tigsten Ergebnisse der Studie zusammen und

Anteil von Klima-Zertifikaten an der THG-Bilanz

gibt Handlungsempfehlungen für Redaktionen.

gelegt. Den Abschluss von Kapitel 4 bildet eine

Im zweiten Teil, dem Ausblick, sollen mögliche

Matrix für den Klima-Check von Unternehmen.

nächste Schritte erläutert werden. Ziel sollte

Sie soll als praktische Handreichung für die jour-

es sein, das Integrated Business Reporting auf

nalistische Arbeit dienen.

sozia­le Aspekte – und dabei vor allem auf das Thema Lieferketten – auszuweiten. Es wird klar:

In Kapitel 5 geht es anwendungsbezogen weiter.

Mit dem Ansatz des Integrated Business Repor-

Anhand von zwei journalistischen Artikeln wird

ting kann ein neues Verständnis von Wirtschafts-

gezeigt, wie sich Integrated Business Reporting

journalismus entstehen.

10


Der empirische Befund: Nachhaltigkeit als wirtschaftsjournalistisches Randphänomen

2 Der empirische Befund: Nachhaltigkeit als wirtschaftsjournalistisches Randphänomen Der deutsche Wirtschaftsjournalismus hat in

von EnBW und Deutsche Telekom verfahren (Ka-

jüngerer Zeit mehrere Wandlungen durchlau-

pitel 2.4).

fen, doch bei den Themenfeldern Ökologie und Soziales zeigt sich vor allem die Sparte Unternehmensberichterstattung bislang noch wenig verändert (Kapitel 2.1). Deutsche Wirtschafts-

2.1 Die Wandlungen des deutschen Wirtschaftsjournalismus

medien greifen zwar punktuell Nachhaltigkeits-

Nimmt man die Gründung der Bundesrepublik

themen auf, meist einzelne Projekte oder auch

1949 zum Ausgangspunkt, so hat sich der Wirt-

Skandale. Sie berichten aber weder systema-

schaftsjournalismus in (West)Deutschland in

tisch noch quantitativ nachvollziehbar, das

den ersten rund vier Jahrzehnten kaum verändert.

heißt anhand von messbaren Kennzahlen, über

Obgleich „Wirtschaft“ zu den klassischen Res-

die ökologische (und soziale) Nachhaltigkeit

sorts zählt und damit vor allem eine ‚General-In-

von Unternehmen. Mehr noch: Der deutsche

terest-Thematik‘ darstellt, kamen Wirtschaft- und

Wirtschaftsjournalismus ignoriert selbst dann

Finanzjournalismus selbst in Tageszeitungen in

ökologische Themen, wenn sie unmittelbar mit

der Regel als zielgruppenspezifischer Fachjour-

spezifischen Unternehmen zusammenhängen

nalismus daher. „Elitär“, „unverständlich“ und

und/oder von diesen selbst getriggert werden.

„abgehoben“ – mit diesen Etiketten versieht die Kommunikationswissenschaftlerin Claudia Mast

Für diese Hypothesen werden im vorliegenden

(2003: 79) den Wirtschaftsjournalismus alter

Kapitel empirische Belege geliefert. So wurden

Schule. Ein Insider-Journalismus, vornehmlich

die Bilanz-Pressekonferenzen der Unternehmen

ausgerichtet an den Interessen von Manager:in-

Energie Baden-Württemberg (EnBW), Deutsche

nen und Profi-Anleger:innen.

Bahn, Deutsche Telekom sowie der Würth-Gruppe beobachtet und ausgewertet (Kapitel 2.2). Mit

In den vergangenen drei Jahrzehnten hat sich

Hilfe einer Medienresonanzanalyse wird gezeigt,

der deutsche Wirtschaftsjournalismus in dy-

in welchem Umfang überregionale und ausge-

namischer Weise verändert und erlebte gleich

wählte lokale Medien ökologische und soziale

mehrere Häutungen. Im Zeichen des großen Ak-

Themen aufgegriffen haben, die die Unterneh-

tienbooms, ausgelöst durch die Börsengänge

men in ihren Pressekonferenzen angesprochen

von Deutscher Telekom und Deutscher Post ab

haben (Kapitel 2.3). Im selben Procedere wird

Mitte der Neunziger Jahre, florierte zunächst ein

für die zwei beobachteten Hauptversammlungen

Wirtschaftsjournalismus, der vor allem Kleinan-

11


Konzerne im Klimacheck

leger:innen die Welt der Wirtschaft erklären und

von Verbraucher:innen und Kleinanleger:in-

Anlagetipps geben wollte. Bekanntestes Beispiel

nen – war eine der einschneidenden Verände-

dürfte die „Börse vor Acht“ gewesen sein, pro-

rungen und Folge der Erschließung neuer Ziel-

minent platziert kurz vor der ARD-„Tagesschau“

gruppen. Komplexe Sachverhalte müssen nun

(Karle 2021). Als 2003 die Börsenblase platzte

verstärkt für ein Laienpublikum verständlich er-

und sich viele Kleinanleger:innen zurückzogen,

klärt, Einzelereignisse stärker in die größeren Zu-

entwickelte das Gros der Wirtschaftsredaktionen

sammenhänge eingeordnet werden. Hinzu tritt

Konzepte für Verbraucherjournalismus. Ob Tabel-

eine dritte Komponente: das Storytelling – eine

len mit Mobilfunk-Tarifen oder Leistungsverglei-

Entwicklung, die seit einigen Jahren im Journalis-

che von Hausratversicherungen, im Mittelpunkt

mus generell starken Anklang findet. Vereinfacht

stand und steht bei dieser Form des Wirtschafts-

formuliert geht es darum, Ereignisse und Ent-

journalismus der finanzielle Gebrauchswert.

wicklungen mit Akteur:innen zu verbinden und diese im Rahmen einer bestimmten Dramaturgie

Im Gefolge der großen Finanz- und Eurokrisen

handeln zu lassen. Zusammengefasst ließe sich

von 2008/09 und 2012/13, aber auch im Zuge

sagen: Im Wirtschaftsjournalismus geht es um

einer zunehmenden Ökonomisierung des Alltags

den Dreiklang aus „Erzählen, erklären, einord-

vieler Normalbürger:innen hat sich das Konzept

nen“ (Frühbrodt 2020: 3–9).

des Nutzwert-Journalismus erweitert. Welche konkreten Auswirkungen hat diese Krise für mich

Angesichts dieser Wandlungen stellt sich die

und meine Ersparnisse? Was bedeutet diese

Frage nach dem Status Quo des deutschen

wirtschaftspolitische Entscheidung für mich und

Wirtschaftsjournalismus. In einem Interview

meinen Arbeitsplatz? Diese und ähnliche Fragen

mit dem Fachmedium Wirtschaftsjournalist gab

greift moderner Wirtschaftsjournalismus auf und

Vendeline von Bredow, Korrespondentin für

versucht, möglichst (meist in Euro) messbare Ant-

euro­päische Wirtschaftspolitik des international

worten zu liefern. In den vergangenen Jahren hat

führenden Wirtschaftsmagazins Economist, ihre

sich zudem eine Art Crossover-Wirtschaftsjourna-

Einschätzungen diesbezüglich ab. So attestier-

lismus herausgebildet. Damit sind journalistische

te sie den Wirtschaftsjournalist:innen, dass sie

Produkte gemeint, die Aspekte aus den verschie-

gründlich recherchierten, sehr akkurat, ja fast

denen Unterressorts des Wirtschaftsjournalis-

schon granular berichteten und „dauernd mit

mus miteinander verbinden, zum Beispiel aus

den Unternehmen sprechen.“ Sie kritisierte aber

der Wirtschaftspolitik und dem Bereich Manage-

auch, dass die Journalist:innen Schwächen da-

ment/Personalführung (Frühbrodt 2020: 10).

bei zeigten, das „big picture“ zu zeichnen, und dass „der deutsche Wirtschaftsjournalismus

Die um 180 Grad gedrehte Berichtsperspektive –

generell sehr zahm ist“ (Messner 2022: 12, 14).

weg von der traditionellen Sicht der Unterneh-

Diese grundsätzlich affirmative Haltung gegen-

men und Manager:innen hin zu den Interessen

über Unternehmen resultiert offenbar daraus,

12


Der empirische Befund: Nachhaltigkeit als wirtschaftsjournalistisches Randphänomen

dass die große Mehrheit der Wirtschaftsjourna-

(beispielsweise Mobilität, Landwirtschaft oder

list:innen in Deutschland Wirtschaft prinzipiell

die ‚Freizeitindustrie‘).

nach den Gesetzen der Marktlogik erklärt. Kritik und Kontrolle beschränken sich somit meist auf

Insofern ist es von enormer Bedeutung, dass

strategische und persönliche Fehler, zielen aber

Wirtschaftsjournalist:innen neben dem rein

weniger auf Grundsätzliches ab.

ökonomischen den ökologischen und sozialen Aspekt stets mitdenken. Es gehört zur gesell-

Eine Reihe von Megatrends der vergangenen drei

schaftlichen Verantwortung von Wirtschafts-

Jahrzehnte spricht indes dafür, dass auch Wirt-

journalist:innen, ein ganzheitliches Bild von Un-

schaftsredaktionen ihren Blick weiten sollten:

ternehmen zu zeichnen – und dies umso mehr, wenn sich sogar die Unternehmen durch eigene

Die ökonomische Globalisierung hat dazu ge-

Aussagen und Handlungen verstärkt dazu be-

führt, dass viele Unternehmen, darunter auch

kennen, ihre gesellschaftliche Verantwortung

Mittelständler, weite Teile ihrer Produktion

wahrzunehmen. Ein ganzheitliches Unterneh-

von den Industrieländern in andere Teile der

mensbild erweitert die mit Finanzkennzahlen

Welt ausgelagert haben. Damit ist es auch

unterfütterten betriebswirtschaftlichen Aspekte

wichtiger geworden, die gesamte Lieferkette

um ökologische und soziale Indikatoren (Früh-

daraufhin zu analysieren, ob Menschen- und

brodt 2020: 49–50). Die dafür benötigten Fakten

Arbeitsrechte eingehalten werden.

und Zahlen liefern die meisten größeren Unter-

Die Digitalisierung, mithin die disruptive Ent-

nehmen schon seit einigen Jahren, in Gestalt von

wicklung Künstlicher Intelligenz, wird vermut-

Nachhaltigkeitsberichten.

lich zu Automatisierung und Rationalisierung und zum Verlust von Arbeitsplätzen bis hin

Henrik Müller (2017: 29–30) schreibt, dass –

zum Verschwinden ganzer Berufssparten füh-

ganz im Geiste der Zeit – hochkomplexe Wirt-

ren. Also drängt sich auch hier neben dem

schaftsthemen (wozu auch die Klima-Kompo-

ökonomischen der soziale Aspekt auf.

nente zählt) durch Storytelling verständlich und

Die Klimakrise evoziert den Handlungsimpe-

anschaulich gemacht werden sollten. Er regt aber

rativ, bei der Produktion von Wirtschaftsgü-

auch an, dass stets die „empirische Evidenz“ in

tern Treibhausgase zu vermeiden, aber auch

Form verlässlicher aggregierter Daten vorhanden

Erneuerbare Energien und klimafreundliche

sein müsse, als analytische Grundlage des Wirt-

Technologien zum Einsatz zu bringen.

schaftsjournalismus und um potenziellen „faktischen Verzerrungen“ entgegenzuwirken. Dieses

Gerade die Klima-Komponente betrifft nicht nur

Daten-Postulat wird noch durch den Umstand

die Energieerzeugung, sondern weite Teile der

verstärkt, dass es für Wirtschaftsjournalist:innen

industriellen Produktion wie Automobil-, Che-

zunehmend schwieriger wird, direkte Kontakte

mie- und Textilsektor sowie andere Branchen

in die Vorstandsetagen der Unternehmen auf-

13


Konzerne im Klimacheck

zubauen und Hintergrundgespräche zu führen

2. EnBW: Energie Baden-Württemberg, kurz:

(Kaden 2021: 37). Die Öko-Indikatoren von Un-

EnBW, ist nach Umsatz gerechnet (2022:

ternehmen sind dagegen (meist) frei zugänglich,

56 Milliarden Euro) die Nummer drei unter

Wirtschaftsjournalist:innen nutzen sie jedoch

Deutschlands Energiekonzernen. Die Ener-

bisher noch zu selten als Quellenmaterial – wie

gieerzeuger sind diejenigen Unternehmen

die folgende Stichprobe unterstreicht.

in der deutschen Wirtschaft, die bei weitem die meisten Treibhausgase ausstoßen. EnBW

2.2 Wissenschaftliche Methodik und Untersuchungsobjekte

agiert als integrierter Energiekonzern: Das Unternehmen hat zwar in den vergangenen Jahren seine Anstrengungen verstärkt, Strom

Um die vorangegangenen Aussagen empirisch

mit Erneuerbaren Energien zu erzeugen, setzt

zu unterfüttern, wurde eine Analyse auf Basis

aber auch weiterhin teilweise auf Kohle und

einer Stichprobe vorgenommen. Dafür wurde auf

Erdgas.

den in der Mediensoziologie verbreiteten Ansatz des „Theoretical Sampling“ (auch „Grounded

3. Deutsche Bahn AG: Der Staatskonzern (Um-

Theory“ genannt) zurückgegriffen: Es wurden

satz 2022: 56,3 Milliarden Euro) kämpft mit

Untersuchungsobjekte herangezogen, die sich

einem Imageproblem, das vor allem durch

am besten dazu eignen, ein Maximum an Aus-

die chronische Unpünktlichkeit seiner Züge

sagekraft zu erzielen und die Theoriebildung zu

entstanden ist. Die Bahn versucht, ihren Ruf

befördern (Dimbath/Ernst-Heidenreich/Roche

aufzupolieren, indem sie ihre Nachhaltigkeit

2018; Lamnek 2010: 183–186). Ein weiteres Aus-

hervorhebt, zum Beispiel mit wiederholten

wahlkriterium bestand darin, dass Medien in ih-

Verweisen darauf, dass sie ihre ICE-Flotte

rem jeweiligen Wirtschaftsteil regelmäßig über

ausschließlich mit Ökostrom betreibe. Zur

diese Unternehmen berichten.

Deutsche Bahn AG gehört allerdings auch die Logistik-Tochter Schenker, die hauptsächlich

So ist die Wahl auf die folgenden vier Unterneh-

mit LKWs unterwegs ist.

men gefallen: 4. Würth Gruppe: Der schwäbische „Schrau1. Deutsche Telekom: Der Bonner Konzern ist

benkonzern“ gilt als Weltmarktführer im Be-

im Börsenindex DAX notiert und zählt mit ei-

reich der Montage- und Befestigungstechnik

nem Umsatz von 114 Milliarden Euro (2022)

(Umsatz 2022: 20 Milliarden Euro). Das Fami-

zu den größten Unternehmen Deutschlands.

lienunternehmen rund um den Gründer Rein-

Telekom-Vorstandschef Timotheus Höttges

hold Würth ist durch seine Kunstförderung

gehört zu den ersten deutschen Konzern-

weithin bekannt geworden. Anfang 2023 geriet

chefs, die sich das Thema Nachhaltigkeit auf

der Konzern aber durch einen kleinen „Um-

die Fahnen geschrieben haben.

weltskandal“ in die Schlagzeilen (siehe un-

14


Der empirische Befund: Nachhaltigkeit als wirtschaftsjournalistisches Randphänomen

ten). Das Thema „messbare Nachhaltigkeit“

Charakter hinausreichen, müssen die besag-

ist relativ neu für das Unternehmen: 2023 hat

ten Events deswegen eine „Geschichte“ bie-

die Gruppe erstmals einen Nachhaltigkeits­

ten. Viele Unternehmen versuchen inzwischen

bericht vorgelegt.

jedoch durchaus erfolgreich, diesem medialen Anspruch gerecht zu werden. Darüber hinaus

Als fünftes Unternehmen sollte ursprünglich

sind Bilanz-PK und HV aus folgenden Gründen

Gerry Weber herangezogen werden, denn gera-

ausgewählt worden:

de in der Textilbranche spielen ökologische und soziale Fragen eine wichtige Rolle. Der börsen-

Bei der Bilanz-PK handelt sich um eine re-

notierte Konzern aus Halle/Westfalen erwirt-

gelmäßig stattfindende Veranstaltung sowohl

schaftete 2021 einen Umsatz von rund 260 Mil-

von größeren, börsennotierten Unternehmen

lionen Euro. Im April 2023 musste Gerry Weber

als auch Mittelständlern. Für die Unterneh-

jedoch Insolvenz in Eigenverwaltung anmelden

men ist sie von zentraler Bedeutung. Wie zu-

und führte deshalb im Untersuchungszeitraum

sätzlich die HV bei börsennotierten Unterneh-

vom 1. Februar 2023 bis 31. Juli 2023 weder

men gehört sie zum Standard-Repertoire der

eine Bilanz-Pressekonferenz noch eine ordent-

Unternehmensberichterstattung.

liche Hauptversammlung durch. Obwohl keine

Die relative Ähnlichkeit im Ablauf dieser

Veranstaltungen des Unternehmens beobach-

Events ermöglicht eine gute Vergleichbarkeit

tet werden konnten, finden Informationen zur

von Unternehmen verschiedener Größe und

Nachhaltigkeit von Gerry Weber an einigen Stel-

Branchen.

len Eingang in die Studie. Sie basieren auf dem

Einige Unternehmen wie die Deutsche Tele­

aktuellen Nachhaltigkeitsbericht des Konzerns

kom oder die Würth-Gruppe veröffent­lichen

(Gerry Weber 2023).

zur PK im nicht-finanziellen Teil ihrer Geschäftsberichte (meist knapp gehaltene)

Die wirtschaftlichen Events dieser Unter-

Kennzahlen zu ihrer ökologischen Perfoman-

nehmen, die analysiert wurden, sind deren

ce, während die expliziten Nachhaltigkeits-

Bilanz-Pressekonferenzen (BPK) für das Ge-

berichte mit ausführlicheren Informationen

schäftsjahr 2022. Bei der Deutschen Telekom

zu einem anderen Zeitpunkt veröffentlicht

und EnBW wurden außerdem die Hauptver-

werden. Andere Unternehmen (Deutsche

sammlungen (HV) untersucht. Die Deutsche

Bahn, EnBW) publizieren zeitgleich mit der

Bahn und die Würth-Gruppe sind nicht börsen-

Bilanz-PK einen integrierten Bericht, der

notiert und führen deshalb keine öffentlichen

den ‚klassischen Geschäftsbericht‘ mit dem

HV durch. Viele Redaktionen packen Bilanz-PK

Nachhaltigkeitsbericht kombiniert und somit

und HV in die Schublade eines weniger wich-

detaillierte Öko-Indikatoren auflistet (vgl.

tigen „Terminjournalismus“. Soll die Bericht-

zu den verschiedenen Berichtsformen Kapi-

erstattung über einen rein protokollarischen

tel 3.4 sowie Kapitel 4.2). Dies ermöglicht es

15


Konzerne im Klimacheck

zu überprüfen, ob diese unterschiedlichen

der Arbeitsbeziehungen betrifft (Mayer 2020:

Kommunikationsstrategien auch Auswirkun-

33). ESG gilt als wichtige Chiffre für Investor:in-

gen auf die Berichterstattung haben.

nen, gewinnt aber auch für Regulierungsfragen

Einige Unternehmen (wie hier die Deutsche

an Bedeutung (siehe für die Entwicklung des

Telekom) geben kurz vor ihrer Hauptversamm-

Konzeptes Kapitel 3.1).

lung ihren Nachhaltigkeitsbericht heraus. Der Hintergrund für diese zeitliche Nähe: Anle-

Über die Auswertung der Bilanz-PK und HV hi-

ger:innen interessieren sich zunehmend für

naus wurde die jeweilige Pressemitteilung des

Nachhaltigkeitsthemen. Diese thematisieren

Unternehmens berücksichtigt und ausgewertet.

sie auch zunehmend auf den HV. In einem zweiten Schritt wurde eine MedienWas genau wurde nun unter die Lupe genom-

resonanzanalyse durchgeführt. Es wurde ana-

men? Der Autor dieser Studie hat an allen sechs

lysiert, welche Themenaspekte die überregio-

Events – ob in Präsenz oder virtuell durchge-

nalen Tageszeitungen (Süddeutsche Zeitung,

führt – live teilgenommen; es handelt sich also

Frankfurter Allgemeine Zeitung, Welt, Han-

um eine teilnehmende Beobachtung. Er hat den

delsblatt, Börsenzeitung) sowie regionale Ta-

jeweiligen Veranstaltungsverlauf protokolliert

geszeitungen aus dem direkten geografischen

und Kategorien zugeordnet: Ob Reden des Ma-

Umkreis der Unternehmenszentrale in ihrer

nagements, Fragen der Journalist:innen, Fra-

Berichterstattung über die Unternehmen auf-

gen und Kommentare von Aktionär:innen sowie

gegriffen haben. Im Falle der Deutschen Tele-

die Antworten des Managements darauf einen

kom zum Beispiel der Bonner Generalanzeiger

ESG-Bezug aufweisen – oder nicht. ESG stellt

und die Rheinische Post. Die Recherchen für

ein Konzept dar, dass durch die Definition spe-

die Medienresonanzanalyse wurden mit Hilfe

zifischer Kriterien die Berücksichtigung von Um-

von „WISO – Die Datenbank für Hochschulen“

welt-, Nachhaltigkeits- und Sozialfragen in der

durchgeführt. Hierfür wurden Recherchen einen

Führung von Unternehmen erfassbar, messbar

Tag vor dem jeweiligen Ereignis und bis fünf

und dadurch vergleichbar macht. Das ‚E‘ steht

Tage nach dem Ereignis vorgenommen. Die

für ‚environmental‘, also die Klima- und Um-

Recherche wurde jeweils durch eine einfache

weltkomponente des Konzeptes, das ‚S‘ ist das

Google-­Suche ergänzt. Bei den Zeitungen, die

Synonym für ‚social‘, beschreibt folglich die so-

nicht in WISO verfügbar sind (Süddeutsche Zei-

zialen Standards innerhalb des Unternehmens

tung, Frankfurter Allgemeine Zeitung) wurde in

und bei allen weiteren Gliedern der Wertschöp-

den Archiven dieser Medien recherchiert (siehe

fungskette und das ‚G‘ ist der Symbolbuchstabe

den Online-Anhang zur Studie für die Protokol-

für ‚Governance‘, auf Deutsch so viel wie ‚(gute)

le der Pressekonferenzen und Hauptversamm-

Unternehmensführung‘, was beispielsweise for-

lungen sowie eine Auflistung aller analysierten

malisierte Führungsprozesse und die Gestaltung

Medienartikel).

16


Der empirische Befund: Nachhaltigkeit als wirtschaftsjournalistisches Randphänomen

2.3 Die Bilanz-Pressekonferenzen

Deutschen Telekom. Entsprechend zahlengespickt ist auch die Pressemitteilung gehalten.

Im Folgenden sind die Ergebnisse der Bilanz-Pressekonferenzen für jedes Unternehmen

An einigen Stellen bringt Höttges allerdings auch

aufgeführt. Zum Ende des Kapitels werden die

Nachhaltigkeitsaspekte ins Spiel, vor allem beim

Kernergebnisse in einer Tabelle gebündelt dar-

Thema Energiesicherheit des Unternehmens.

gestellt.

Dies greifen die anwesenden Journalist:innen in der anschließenden, rund 45minütigen Frage-­

Deutsche Telekom

und-Antwort-Runde allerdings in keiner Weise

Timotheus Höttges amtiert seit Anfang 2014 als

auf. Im Vordergrund stehen vielmehr Fragen zum

Vorstandschef des größten Telekommunika­

bevorstehenden Mehrheitserwerb an dem Toch-

tionsunternehmens in Europa. Relativ bald nach

terunternehmen T-Mobile USA, zum Ausbau des

seinem Amtsantritt hat er (ökologische) Nach-

Glasfasernetzes in Deutschland sowie zu Fein-

haltigkeit zu einem wichtigen Thema des Bonner

heiten der Gewinn- und Verlustrechnung.

Konzerns erklärt. Im Oktober 2022 veranstaltete die Telekom einen „Nachhaltigkeitstag“, an

Fast deckungsgleich zu den PK-Fragen fällt die

dem alle Vorstandsmitglieder teilnahmen und

Berichterstattung aus. Am Morgen der Bilanz-PK

Höttges – basierend auf konkreten Zahlen – die

stellt die Telekom auch ihren testierten Ge-

weitere Reduzierung der CO2-Emissionen seines

schäftsbericht der interessierten Öffentlichkeit

Unternehmens ankündigte. Es waren allerdings

zur Verfügung. Im nicht-finanziellen Teil, der

kaum Journalist:innen größerer Publikumsmedi-

24 Seiten umfasst, finden sich konkrete Anga-

en anwesend, entsprechend schwach fiel auch

ben zum THG-Ausstoß des Unternehmens. In der

das Medienecho aus.

Berichterstattung finden sie keinerlei Berücksichtigung.

Bei der Bilanz-PK (in Präsenz, mit der Möglichkeit der virtuellen Teilnahme) für das Geschäftsjahr 2022 am 23. Februar 2023 in der Bonner Konzernzentrale spielen Nachhaltigkeit und Öko-Indika-

Bilanz-Pressekonferenzen

toren so gut wie keine Rolle. Nicht nur Finanzvor-

Unternehmen nutzen die Bilanz-Pressekonfe-

stand Christian Illek dekliniert das Zahlenwerk

renz, kurz: Bilanz-PK, um Auskunft über das

der Finanzergebnisse durch, auch Höttges steigt

abgelaufene Geschäftsjahr zu geben. Börsen-

bei seinen Ausführungen tief in die Gewinn- und

notierte Aktiengesellschaften unterliegen ei-

Verlustrechnung des Konzerns ein. Daneben

ner Publizitätspflicht, das heißt sie müssen

redet er über strategische Entscheidungen und

in regelmäßigen Abständen bestimmte Fi-

Maßnahmen. Die Betonung von Kennziffern bei

nanzkennzahlen veröffentlichen. Sie nutzen

der Bilanz-PK hat eine längere Tradition bei der

diese Gelegenheit, um nicht nur pflichtgemäß

17


Konzerne im Klimacheck

Investor:innen und andere Interessierte am

zerne eine Pressemitteilung sowie ihren Ge-

Kapitalmarkt, sondern auch eine breitere

schäftsbericht bzw. integrierten Bericht. Die

interessierte Öffentlichkeit zu informieren –

Bilanz-PK ist dann unterteilt in den Redepart

über die Bilanz-PK und die darüber wiede-

des Managements sowie die Frage-und-Ant-

rum berichtenden Wirtschafts- und Finanz-

wort-Runde zwischen Journalist:innen und

medien.

Management. Teilnehmer:innen auf Unternehmensseite sind neben dem Kommunika-

Bei seiner Bilanz-PK präsentiert das Unter-

tionschef als Moderator die/der Vorstands-

nehmen seine „Jahresbilanz“, deren Zahlen

chef/in und der Finanzvorstand, manchmal

meist aber nicht aus der Bilanz im engeren

auch andere Vorstände.

buchhalterischen Sinne stammen, sondern aus der Gewinn- und Verlustrechnung, also

Der Vorstand versucht in aller Regel, das

Umsatz, Reingewinn, Gewinn-Zwischengrö-

Unternehmen von seiner betriebswirtschaft­

ßen oder auch Finanzkennzahlen für einzelne

lichen Schokoladenseite zu präsentieren oder

Kontinental- oder Ländermärkte ausweisen.

zumindest plausible Erklärungen zu präsentie-

Weitere Kernelemente sind Ausführungen des

ren, wenn das Geschäftsjahr nicht besonders

Managements zur Unternehmensstrategie

gut gelaufen ist. Die Journalist:innen stellen

sowie aktuelle oder künftige Vorhaben (wie

oft sehr spezifische und teils auch kritische

etwa Firmenübernahmen). Hinzu kommt eine

Fragen, um Informationen für ihren Bilanz-

Prognose für das laufende Geschäftsjahr, die

check in Artikelform zu bekommen. Während

meist auch quantitative Zielgrößen definiert.

es früher in der Berichterstattung vor allem da-

Die Bilanz-PK findet meist im ersten oder spä-

rum ging, ein Bild vom Gesamtzustand eines

testens zu Beginn des zweiten Quartals eines

Unternehmens zu zeichnen, sind in jüngerer

Geschäftsjahres statt.

Zeit andere Herangehensweisen hinzugekommen. So wird zum Beispiel ein spezifischer,

Auch viele größere, zum Teil auch mittelstän-

besonders interessant erscheinender Aspekt

dische Unternehmen, die nicht börsennotiert

wie etwa der mögliche Verkauf eines Tochter-

sind, richten Bilanz-PK aus. Da sie aber we-

unternehmens herausgegriffen, während die

niger Zahlen präsentieren müssen oder auch

wichtigsten Kennzahlen nur kurz referiert wer-

wollen, liegt der Schwerpunkt hier stärker auf

den (Frühbrodt 2020: 20–26).

qualitativen Aussagen. Oft laden diese Unternehmen dann zu einer „Jahrespressekonferenz“ und nicht zu einer „Bilanz-PK“ ein.

Energie Baden-Württemberg (EnBW) Die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) ist

18

Der Ablauf hat meist eine feste Dramaturgie.

mit 56 Milliarden Euro Umsatz (2022) das dritt-

Einige Stunden vor Beginn der Bilanz-PK ver-

größte Energieunternehmen in Deutschland. Ur-

öffentlichen vor allem börsennotierte Kon-

sprünglich setzte der Konzern auf fossile Ener-


Der empirische Befund: Nachhaltigkeit als wirtschaftsjournalistisches Randphänomen

gien und Atomkraft. Das Land Baden-Württem-

Die Pressemitteilung zur Bilanz-PK konzentriert

berg, das mit 46,75 Prozent an EnBW beteiligt ist,

sich auf Zahlen der Gewinn- und Verlustrech-

hat unter ihrem grünen Ministerpräsidenten Win-

nung, verbunden mit der Information zum früh-

fried Kretschmann einen Kurswechsel durchge-

zeitigen Kohle-Ausstieg (EnBW 2023b). In sei-

setzt: Der langjährige Vorstandschef Frank Mas-

nem Redepart deutet Finanzvorstand Thomas

tiaux (2012–2022) baute den Anteil Erneuerbarer

Kusterer die einzelnen Kennzahlen und greift an

Energien an der Stromerzeugung auf 40 Prozent

einigen Stellen auch das Thema Nachhaltigkeit

aus. Ende 2022 übernahm Andreas Schell den

auf. So habe EnBW am Kapitalmarkt einige „grü-

Staffelstab von Mastiaux.

ne“ Anleihen begeben, die bei den Investor:innen auf großes Interesse gestoßen seien. In der

Die Bilanz-PK von EnBW fand am 27. März 2023

fast einstündigen Frage-und-Antwort-Runde stel-

in Stuttgart statt; Journalist:innen konnten sich

len die Journalist:innen insgesamt 36 Fragen,

aber auch virtuell zuschalten. Die Nachricht des

sieben davon fallen in den Bereich ‚ökologische

Tages lautete: EnBW zieht seinen Ausstieg aus

Nachhaltigkeit‘. Diese Fragen drehen sich um ei-

der Energieproduktion mit Kohle um zwei Jahre

nen vermeintlichen Bearbeitungsstau beim Bau

auf 2028 vor. In seiner Rede lässt Vorstandschef

von Photovoltaik-Anlagen sowie um die geplante

Schell Finanzkennzahlen weitgehend außen vor

Umstellung von Kohle auf Wasserstoff als Ener-

und konzentriert sich auf die strategische Aus-

gieträger. Die meisten Fragen der Journalist:in-

richtung des Konzerns: Der vorgezogene Kohle-­

nen zielen jedoch auf andere Themen, die, wenn

Ausstieg dient als „Beweis“ dafür, dass EnBW

überhaupt, eher indirekt mit Nachhaltigkeit zu-

seinen Kurs in Richtung Erneuerbare Energien

sammenhängen: einzelne Aspekte der Finanz-

forciert – mit Solarparks und Offshore-Großpro-

kennzahlen, Auswirkungen des Kohleausstiegs

jekten für Windkraft. Vorstandschef Schell hebt

auf die Arbeitsplätze und einzelne Versorgungs-

aber auch hervor, dass EnBW seine THG-Emissio­

standorte, die mögliche Wiederinbetriebnahme

nen von der „Science-Based Targets initiative“

von Atomkraftwerken etc.

(SBTi) überprüfen lasse, um seine definierten Klimaziele zu erreichen. Die SBTi ist eine Initiati-

Zum Tag der Bilanz-PK hat EnBW seinen integrier-

ve mehrerer Organisationen, unter anderem der

ten Bericht für 2022 veröffentlicht, der alle we-

Umweltorganisation World Wildlife Fund (WWF),

sentlichen Öko-Indikatoren aufweist. Die Presse­

um Unternehmen bei der Festlegung von Emis-

mitteilung zur Bilanz-PK enthält im tabellari-

sionsreduktionszielen zu unterstützen, die im

schen Teil neben vielen Finanzkennzahlen auch

Einklang mit aktuellen Erkenntnissen der Klima-

drei Öko-Indikatoren (zum Beispiel den Anteil

wissenschaft stehen (vgl. dazu auch Kapitel 4.2).

Erneuerbarer Energien an der gesamten Energie-

Zu der Zusammenarbeit mit der SBTi hat EnBW

produktion), wenn auch keine Angaben zu den

eine separate Pressemitteilung veröffentlicht,

THG-Emissionen. Das Zahlenmaterial zur Nach-

um die Relevanz der Nachricht herauszustellen

haltigkeit fällt bei der Berichterstattung aller-

(EnBW 2023a).

dings völlig unter den Tisch. Die meisten Medien, 19


Konzerne im Klimacheck

egal ob bundesweit erscheinend oder regional,

an der Bilanz-PK teil. Bahn-Chef Richard Lutz

tun das Naheliegende: Sie beschäftigen sich vor-

und Minister Wissing als Vertreter des Kapital-

wiegend mit dem früheren Kohle-Ausstieg von

eigners geben zunächst jeweils kürzere State­

EnBW, dem weiteren Ausbau der Erneuerbaren

ments zu den Koalitionsbeschlüssen ab. Da-

Energien sowie den wichtigsten Finanzkennzah-

nach können die teilnehmenden Journalist:in-

len. Dies alles mit jeweils unterschiedlichen Ge-

nen Fragen zu diesem Themenkomplex stellen.

wichtungen. Allerdings bringen die Autor:innen

Nachhaltigkeit spielt hierbei überhaupt keine

keine belastbare Zahlen ins Spiel, wenn es zum

Rolle. Die ursprünglich geplanten Reden von

Beispiel um die Erneuerbaren Energien geht.

Vorstandschef Lutz und Finanzvorstand Levin Holle entfallen wegen Zeitmangels – sie liegen

Deutsche Bahn

aber in Schriftform vor. In seiner Rede hebt Lutz

Bei der Deutschen Bahn handelt es sich nicht

an zwei Stellen in allgemeiner Form hervor, dass

nur um einen sehr großen Mobilitäts- und Lo-

die Deutsche Bahn mit ihren klimafreundlichen

gistikkonzern, sondern auch um ein hochgradig

Mobilitätslösungen zum Kampf gegen den Kli-

politisiertes Unternehmen. Die DB AG befindet

mawandel beitrage. Ansonsten ist von Nach-

sich zu 100 Prozent in Staatsbesitz und wird im-

haltigkeit keine Rede. Zum Tag der Bilanz-PK

mer wieder zum Objekt, man könnte auch sagen:

legt die DB AG ihren integrierten Bericht vor,

Spielball verkehrspolitischer Debatten. Ihr teils

der auch die wichtigsten Öko-Indikatoren ent-

marodes Schienennetz, ruppige Tarifauseinan-

hält. Zur PK erhalten die Journalist:innen außer-

dersetzungen und ihre scheinbar chronische Un-

dem ein digitales Kompendium mit aktuellen

pünktlichkeit bringen die Bahn immer wieder in

„Daten und Fakten“ des Konzerns. Darin sind

die Schlagzeilen.

neben Leistungs- und Qualitätszahlen (Zahl der Reisenden, Kundenzufriedenheit etc.) und

So ist es auch kein Wunder, dass die Bilanz-PKs

vielen Finanzkennzahlen auch Öko-Indikatoren

der Deutsche Bahn AG meist einen verkehrspoli­

(zum Beispiel der Anteil Erneuerbarer Energien

tischen Einschlag aufweisen. So auch bei der vir-

am Stromverbrauch, der THG-Ausstoß und die

tuellen Bilanz-PK für das Geschäftsjahr 2022 am

Recyclingquote) aufgelistet.

30. März 2023. Kurz zuvor hat der Koalitionsausschuss der „Ampel“-Regierung getagt und dabei

Weder in dem 20-minütigen Frage-Antwort-Part

unter anderem beschlossen, die Deutsche Bahn

nach den Statements von Vorstandschef und

mit einem 20-Milliarden-Euro Paket zur Netz­­

Verkehrsminister noch in der 40-minütigen

sanierung auszustatten und eine Netzinfrastruk-

Frage-­und-Antwort-Runde zum Unternehmen

turgesellschaft ins Leben zu rufen.

thematisieren die Journalist:innen Nachhaltigkeitsaspekte. Im Vordergrund stehen im ersten

Aus diesem Anlass nimmt Bundesverkehrs­

Teil die geplante Infrastrukturgesellschaft und

minister Volker Wissing (FDP) außerplanmäßig

die Frage, wann etwaige Qualitätsverbesserun-

20


Der empirische Befund: Nachhaltigkeit als wirtschaftsjournalistisches Randphänomen

gen bei der Bahn spürbar werden. Im zweiten

Nachhaltigkeit nur am Rande vor. Das Manage-

Teil sind die Fragenden vor allem daran interes-

ment präsentiert zunächst Geschäftszahlen,

siert, warum der Verkauf des Tochterunterneh-

dann folgen Video-Einspieler, mit denen Würth

mens DB Schenker noch nicht über die Bühne

zeigen will, wie es seine Logistik digitalisiert

gegangen sei und wie die kränkelnde Gütersparte

und automatisiert. Hierbei wird unter anderem

DB Cargo wieder auf Vordermann gebracht wer-

angesprochen, dass durch das spezifische Zu-

den könne.

schneiden von Kartonagen Ressourcen eingespart werden können. Am Ende seiner Ausfüh-

Dies spiegelt sich in der Medienresonanz wider,

rungen betont der Vorstandsvorsitzende Robert

auch wenn hier teils andere Akzente gesetzt wer-

Friedmann, dass „Nachhaltigkeit ein zentraler

den. So liegt der Schwerpunkt auf der Sanierung

Bestandteil der Unternehmensstrategie“ sei,

des maroden Schienennetzes und der schwa-

ohne weitere Ausführungen diesbezüglich. Er

chen Pünktlichkeitsquote. Sofern Zahlen refe-

verweist auf den ersten Nachhaltigkeitsbericht,

riert werden, sind es reine Finanzkennzahlen.

den die Würth-Gruppe für die Jahre 2020–2022

Klimapolitische Aussagen und Aspekte werden,

parallel zur BPK veröffentlicht habe. Darin ste-

wenn überhaupt, meist nur in einem Halbsatz

hen Zahlen zu eng definierten THG-Emissio-

erwähnt, so etwa bei der FAZ und der WAZ. Die

nen – solche, die durch vor- und nachgelagerte

Ausnahme bildet die Berliner Zeitung, die in ei-

Prozesse anfallen, werden nicht eingerechnet.

nem Absatz auf die Klimaziele der Bundesregie-

Auch in der Pressemitteilung findet der Bericht

rung in Zusammenhang mit der Bahn eingeht.

kurze Erwähnung, ohne auf Inhalte einzuge-

Öko-Indikatoren sucht man bei allen untersuch-

hen – im Vordergrund stehen ökonomisch-­

ten Medien vergebens.

finanzielle Aussagen.

Würth-Gruppe

Die Frage-und-Antwort-Runde im Anschluss an

Die Würth-Gruppe hat im Jahr 2022 einen Umsatz

die Reden des Managements und die Video-Ein-

von fast 20 Milliarden Euro erzielt und gilt damit

spieler dauert nur 15 Minuten; die Fragen zielen

als Weltmarktführer für Montage- und Befesti-

in erster Linie auf die Investitionen in die Un-

gungstechnik. Das im schwäbischen Künzelsau

ternehmenslogistik und finanzielle Einzelaspek-

ansässige Familienunternehmen ist vornehmlich

te. Von den überregionalen Medien berichten

im Großhandel aktiv, genießt aber auch eine ge-

die FAZ, die Welt sowie das Handelsblatt. Hier

wisse Bekanntheit in einer breiteren Öffentlich-

wie auch in den untersuchten Regionalmedien

keit – vor allem durch seine hauseigenen Kunst-

(Heilbronner Stimme, Südwestpresse) stehen

museen.

die Finanzkennzahlen sowie die Würth-Logistik eindeutig im Mittelpunkt, Nachhaltigkeitsthe-

Bei der virtuellen Bilanz-PK für das Geschäfts-

men sowie ESG-Kriterien und Kennzahlen zum

jahr 2022 am 4. Mai 2023 kommt das Thema

THG-Ausstoß kommen nicht vor.

21


22

Termin/ Ort

23.02.2023/ Bonn

27.03.2023/ Stuttgart (digital)

Unternehmen

Deutsche Telekom

EnBW

Integrierter Bericht. Aktueller THG-Ausstoß im Wirtschaftsbericht ‚versteckt‘. Positiv: Längerfristiger Vergleich über den THG-Ausstoß in der angehängten „Mehrjahresübersicht“ möglich.

Klassischer Geschäftsbericht, veröffentlicht am Morgen der PK. Ausführliche THG-Infos im nicht-finanziellen Teil leicht auffindbar.

Geschäftsbericht

Titelzeile: „EnBW zeigt Stabilität in einem herausfordernden Geschäftsjahr 2022“. Appell des Vorstandschefs, die Energiewende zu beschleunigen, deshalb vorgezogener Kohleausstieg 2028. Finanzkennzahlen und Ausblick. Tabellarische Übersicht der Kennzahlen enthält auch Angaben zur „Ziel-Dimension“ Umwelt.

Titelzeile: „Deutsche Telekom hält Kurs und übertrifft Jahresziele für 2022“. Umsatz und Gewinn, Geschäft in Deutschland/USA/Europa. Verkauf einer Tochtergesellschaft.

Pressemitteilung

Verbunden mit dem Kohleausstieg 2028 legen Vorstandschef Schell wie Finanzvorstand Kuster den Schwerpunkt auf den Ausbau Erneuerbarer Energien.

Umsatz, andere Finanzkennzahlen und Strategie stehen im Vordergrund. Vorstandschef greift an einigen Stellen ESG-Aspekte auf.

Reden der Vorstände

Der Großteil der Fragen hat keinerlei ESG-Bezug, sondern rein ökonomischen Charakter. Einige Fragen zu Photovoltaik-Anlagen und zur Umstellung von Kohle auf Wasserstoff bei der Strom­ erzeugung.

Keine Frage zu ESG-Themen vonseiten der Journalist:innen. Vorstandschef thematisiert selbst ESG-Kritierien sowie langfristige Energielieferverträge.

Frage-undAntwort-Runde

Der Kohleausstieg und dessen Folgen stehen im Vordergrund. Einige Medien thematisieren zudem den Ausbau der Erneuerbaren Energien und deren Bedeutung für die Finanzkennzahlen. Keine konkreten Werte für den THG-Ausstoß.

Keine ESG-Thematisierung.

Medienresonanz

Ökologische und soziale Nachhaltigkeit als Thema bei den Bilanz-Pressekonferenzen 2023 ausgewählter Unternehmen

Tabelle 2:

Konzerne im Klimacheck


04.05.2023/ Künzelsau (digital)

WürthGruppe

Quelle: Eigene Darstellung.

30.03.2023/ Berlin (digital)

Deutsche Bahn

Erster Nachhaltigkeitsbericht der Würth Gruppe für 2020–2022 wird zur PK veröffentlicht. Die gelisteten Emissionen sind eng definiert.

Integrierter Bericht. Ausführliche Informationen zum THG-Ausstoß im Kapitel „Grüne Transformation“. Tabellarischer Dreijahres-Vergleich des THG-Ausstoßes.

Titelzeile: „Würth-Gruppe mit zweistelligem Umsatzplus erneut auf Rekordkurs“. Finanzkennzahlen dominieren, daneben neue Automatisierungsstrategie in der Logistik. In einem Absatz wird kurz erwähnt, dass Würth seinen ersten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht.

Titelzeile: „Kunden kommen nach Pandemie zurück. Mit Rekordumsatz wieder schwarze Zahlen“. Finanzkennzahlen und verkehrsbezogene Zahlen (Fahrgastaufkommen etc.) dominieren. Ergänzungsmaterial zur PK („Daten und Fakten“) enthält Abschnitte über „Soziales“ und „Ökologie“ mit konkreten Angaben zu THG-Ausstoß, Lärmschutz und Abfall-Recycling. Lediglich Verweis auf Premiere des Nachhaltigkeitsberichts sowie einige kurze Verweise (z. B. in Video-­Einspielern über die Logistik).

Vorstandschef bezeichnet die DB AG zwei Mal als treibende Kraft der Klimaund Verkehrswende. Keine konkreten Zahlen.

Keine Frage zu ESG-Themen vonseiten der Journalist:innen.

Keine Frage zu ESG-Themen vonseiten der Journalist:innen.

Keine Erwähnung.

Spärliche ESGThematisierung.

Der empirische Befund: Nachhaltigkeit als wirtschaftsjournalistisches Randphänomen

23


Konzerne im Klimacheck

Keiner der Journalist:innen kommt indes auf

sammlungen der Deutschen Telekom und von

die Idee, den ersten Nachhaltigkeitsbericht der

Energie Baden-Württemberg aufgeführt. Zum

Würth-Gruppe unter die Lupe zu nehmen. Einen

Ende des Kapitels werden die Kernergebnisse in

Anlass mit Nachrichtenwert hätte es gegeben.

einer Tabelle gebündelt dargestellt.

Denn zu Beginn des Jahres 2023 deckten die

Süddeutsche Zeitung und der NDR in einer ge-

Für die einzelnen Unternehmen ist Folgendes be-

meinsamen Recherche auf, dass das Würth-Ma-

obachtet worden:

nagement 2022 sehr viele Flüge von weniger als 300 Kilometer Entfernung unternommen hat.

Deutsche Telekom

Solche Kurzstreckenflüge verursachen durch die

Da die Deutsche Telekom bei ihren insgesamt

kurzen Start- und Landeintervalle einen beson-

drei Börsengängen zwischen 1996 und 2001 ihr

ders hohen THG-Ausstoß (Heubl 2023). Würth

Stammkapital breit in sogenannte Volksaktien

gelobte daraufhin, die Zahl dieser klimaschäd­

gestreut hat, sind die Hauptversammlungen des

lichen Flüge zu reduzieren (Stegmaier 2023). Der

Konzerns immer gut besucht. Zur Präsenz-HV am

Würth-Vorstandschef referierte bei der Bilanz-PK

5. April 2023 im Bonner World Conference Center

auch über den Geschäftsverlauf im ersten Quar-

kommen mehr als 2.000 Aktionär:innen. Schnell

tal – Journalist:innen hätten ihn diesbezüglich

wird klar, dass an diesem Tag das Thema Nach-

beispielsweise fragen können, wie die ‚Flug­

haltigkeit gespielt werden soll, zumindest von

bilanz‘ von Würth in diesen ersten drei Monaten

Seiten des Managements. Auf der Bühne steht

des Jahres ausgefallen ist.

ein großes Logo der Telekom, das ‚T‘, aber nicht wie üblich im konzerntypischen Magentarot,

Die Hauptergebnisse der empirischen Auswer-

sondern auf der Vorderseite mit Grünpflanzen

tung der vier Bilanz-Pressekonferenzen sind in

dekoriert.

Tabelle 2 zusammengefasst. Beide Parts der zweiteiligen, insgesamt fast ein-

2.4 Die Hauptversammlungen

stündigen Rede von Telekom-Chef Timo Höttges drehen sich um Nachhaltigkeit, wobei der Be-

Bei den Hauptversammlungen haben die Jour-

griff hier als eine Art Klammer dient und eher

nalist:innen reinen Beobachterstatus. Das Privi­

für strategisches, langfristiges Handeln steht. So

leg des Fragens und Kommentierens fällt den

werden etwa auch „solides Haushalten“, „bes-

Aktionär:innen zu. Dies ist insoweit bedeutsam,

tes Netz bauen“, „verlässlicher Partner für die

als vor allem für institutionelle Anleger wie In-

Kund:innen“ und „Digitalisierung vorantreiben“

vestmentfonds Nachhaltigkeitsaspekte für ihre

unter das Dach der Nachhaltigkeit geschoben.

Anlageentscheidungen von zunehmender Be-

Trotz dieses dramaturgischen Kunstgriffs spricht

deutung sind (Index Association Industry 2023).

Höttges an diesem Tag aber auch ökologisch und

Im Folgenden sind die Ergebnisse der Hauptver-

sozial relevante Themen an. So will die Telekom

24


Der empirische Befund: Nachhaltigkeit als wirtschaftsjournalistisches Randphänomen

künftig ihre Handys nicht mehr allein nach dem

rinnen entlasten Vorstand und Aufsichtsrat

Preis einkaufen, sondern auch auf eine möglichst

für deren Arbeit im abgelaufenen Geschäfts-

klimaneutrale Produktion der Geräte achten. Mit

jahr – oder auch nicht, was allerdings eher

Hilfe von digitalen „Bewegungsmeldern“ sollen

die Ausnahme bildet. Denn die viel zitierte

nachts die Übertragungsnetze heruntergefahren

„Aktionärsdemokratie“ bedeutet nicht „Ein:e

und so erheblich Strom eingespart werden. Hött-

Investor:in, eine Stimme“. Vielmehr bemisst

ges nennte weitere Projekte, teils verbunden mit

sich das Gewicht der Stimmen nach der An-

konkreten Zahlen, teils ohne.

zahl der Aktien, die ein:e Anleger:in hält. Konkret: Große internationale Fondsgesellschaften wie Black Rock haben ungleich größeren

Die Hauptversammlung Zu den Hauptversammlungen (HV) der großen

Einfluss als Kleinaktionär:innen, den sie eher hinter den Kulissen und im Vorfeld einer HV ausüben.

DAX-Konzerne strömen oft mehrere Tausend Aktionär:innen. Insofern bildet die HV ein

Der Ablauf einer Hauptversammlung ist zwei-

Barometer für die Stimmungslage unter den

geteilt: Im ersten Teil eröffnet die/der Vorsit-

Anteilseigner:innen eines Unternehmens.

zende des Aufsichtsrats die Veranstaltung.

Zu den HV von Unternehmen der kleineren

Danach hält die/der Vorstandvorsitzende

Börsen-Indizes (MDAX, SDAX etc.) kommen

eine bis zu einstündige Grundsatzrede.

deutlich weniger Aktionär:innen. Bis vor rund zehn Jahren galten Hauptversammlungen als

Im zweiten und deutlich längeren Teil findet

Routine-Veranstaltungen, heute verlaufen sie

die sogenannte Generaldebatte statt. Dabei

oft sehr viel kontroverser und haben dadurch

melden sich verschiedene Redner:innen zu

Nachrichtenwert.

Wort:

Rein nominell bildet die Hauptversammlung

Vertreter:innen großer deutscher Fonds-

das oberste Beschlussorgan einer Aktien-

gesellschaften wie der DWS der Deutschen

gesellschaft – über dem Aufsichtsrat und

Bank, Union Investment der Volks- und Raif-

dem Vorstand. Im Umkehrschluss bedeutet

feisenbanken sowie die Deka, der Vermö-

dies, dass Unternehmen mit anderen Gesell-

gensverwalter der Sparkassen. Inzwischen

schaftsformen (GmbH, OHG, KG etc.) keine

schicken die Fondsgesellschaften oft auch

Hauptversammlungen durchführen. Die HV

ihre Nachhaltigkeitsexperten als Redner:in-

findet einmal pro Jahr statt, nachdem das

nen zu den HV.

Unternehmen seinen testierten Geschäftsbe-

Sprecher:innen der Aktionärsvereinigungen

richt veröffentlicht und die Bilanz-PK durch-

DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wert-

geführt hat. Die anwesenden Anteils:eigne-

papierbesitz) und SdK (Schutzgemeinschaft

25


Konzerne im Klimacheck

der Kapitalanleger), die rund 40.000 Aktio-

‚hinter der Bühne‘ die PR-Manager:innen zu-

när:innen vertreten. Sie nehmen auf der HV

sammen mit Fachpersonal aus den jeweiligen

meist Stellung zu Strategie, Aktienkurs und

Konzernbereichen nach intensiver Recherche

Dividende des Unternehmens.

die Antworten erstellen, die die Vorstände

Eine Sonderrolle unter den Aktionärsvereini-

dann auf der HV vortragen (Frühbrodt 2020:

gungen spielt der Dachverband der Kritischen

27–32).

Aktionärinnen und Aktionäre. Die Kritischen Aktionäre prangern traditionell menschen­ unwürdige Arbeitsverhältnisse von Partner-

In der folgenden Generaldebatte kommen zu-

unternehmen an. Sie haben sich also schon

nächst die Vertreter der großen Investmentfonds

früh beim Thema Lieferkette engagiert. Zu-

zu Wort. Union Investment, der Fonds der Volks-

sätzlichen Aufwind hat der Dachverband in

und Raiffeisenbanken, hat sogar seinen für

den vergangenen Jahren durch eine punk-

Nachhaltigkeit zuständigen Experten entsandt.

tuelle Zusammenarbeit mit der „Fridays for

Zwei der drei Fonds-Repräsentanten sprechen

Future“-­Bewegung erfahren, insbesondere

Nachhaltigkeitsaspekte an. Einer von ihnen will

durch sporadische Redeauftritte von Klima­

wissen, inwieweit die Nachhaltigkeitsverspre-

aktivistin Luisa Neubauer bei Hauptversamm-

chen der Telekom konkret an die Pariser Klima-

lungen von Energiekonzernen.

ziele gebunden seien, ein anderer, wie stark sich

„Freie“ Kleinaktionär:innen, manchmal aber

das „von oben“ propagierte Nachhaltigkeits­

auch Einzelaktionär:innen mit größeren

bewusstsein auch bei den Telekom-Mitarbei-

Aktien­ paketen. Auch ihre meist sehr sub-

ter:innen in der Fläche etabliert habe. Die Fonds-

jektiven und emotional vorgetragenen Ein-

vertreter stellen allerdings auch kritische Fragen

lassungen sind häufig von inhaltlicher Rele-

zu anderen Themen wie der Dividendenhöhe und

vanz. Oft sprechen sie Aspekte der Corporate

der politisch brisanten Zusammenarbeit mit dem

Governance (‚gute Unternehmensführung‘)

chinesischen Netzausrüster Huawei.

an, zum Beispiel mutmaßlich überzogene Vorstandsvergütungen. Kleinaktionär:innen

Die Vertreter der Aktionärsvereinigungen schla-

thematisieren aber auch zunehmend Nach-

gen in eine ähnliche Kerbe. Die Deutsche Schutz-

haltigkeitsaspekte.

gemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) und die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK)

26

Die Redner:innen in der Generaldebatte kom-

sind grundsätzlich stärker an Themen wie Un-

mentieren in der Regel bestimmte Aspekte

ternehmensgewinn, Aktienkurs und Dividende

des Unternehmens, genauso oft richten sie

interessiert. Nur der Vertreter des Dachverbands

aber auch Fragen an das Management. Diese

der Kritischen Aktionär:innen will unter ande-

sind oft zahlreich und sehr spezifisch, sodass

rem vom Management wissen, ob der Telekom


Der empirische Befund: Nachhaltigkeit als wirtschaftsjournalistisches Randphänomen

Menschenrechtsverletzungen in ihrer Lieferkette

weils nur auf ein bis zwei Absätzen. Die Telekom

bekannt seien.

hat ihren jährlichen Nachhaltigkeitsbericht am 28. März 2023 veröffentlicht, also eine Woche

Auf Hauptversammlungen sprechen Aktionär:in-

vor der HV. Dieser findet bei den Publikums­

nen häufig auch Probleme bei der Unternehmens-

medien keinerlei Resonanz.

führung, dem dritten ESG-Pfeiler, an. So auch bei der Telekom-HV. Einige institutionelle Vertreter,

Energie Baden-Württemberg (EnBW)

aber auch diverse Kleinaktionär:innen kritisieren

EnBW gehört größtenteils dem Land Baden-Würt-

zum Beispiel die mangelnde fachliche Kompetenz

temberg sowie den Verbünden südwestdeut-

neuer Mitglieder des Aufsichtsrats und die aus

scher Gebietskörperschaften. EnBW ist dennoch

ihrer Sicht überhöhten Vergütungen für den Vor-

an den Börsen Frankfurt und Stuttgart gelistet,

stand. Einige Aktionär:innen fordern aber auch

allerdings befinden sich noch nicht einmal

Auskünfte zu Spezifika der Nachhaltigkeitsstra-

0,4 Prozent in Streubesitz. Diese geringe Zahl

tegie der Telekom ein, etwa zur Reduktion des

könnte suggerieren, dass die Hauptversammlun-

CO2-Ausstoßes. Einer will wissen, warum die Stra-

gen von EnBW reine Formsache seien. Dies ist

tegie aus seiner Sicht erst so spät komme.

jedoch nicht der Fall, zumindest nicht bei der virtuellen HV am 3. Mai 2023 in Stuttgart.

In der folgenden HV-Berichterstattung kommt das Thema Nachhaltigkeit indes kaum vor, die

Der Vorstandsvorsitzende Andreas Schell greift

Medien ignorieren die Schwerpunktrede von

in seiner Rede nicht nur finanzielle Aspekte wie

Vorstandschef Höttges fast vollständig. Aufge-

die Dividende auf, sondern schneidet auch eine

griffen wird dagegen ein kurzes Statement von

ganze Reihe von Nachhaltigkeitsthemen an. Er

ihm, das er in seine Rede eingeflochten hat:

betont, dass EnBW den Ausbau der Erneuerba-

der nun abgeschlossene Mehrheitserwerb an T-­

ren Energien weiter vorantreiben wolle und stellt

Mobile USA. Dies ist – verständlicherweise – die

dabei auch regulierungspolitische Forderungen.

Nachricht des Tages. Da es sich allerdings nur

Er hebt aber auch hervor, dass EnBW einen „kla-

um den Vollzug eines Geschäfts handelt, eher

ren Plan“ habe, wie es seine eigenen, breit ge-

eine kleine. Das zweite große Thema lautet: Hua-

fassten THG-Emissionen reduzieren werde, um

wei. Denn die Kooperation mit dem chinesischen

bis 2035 klimaneutral zu werden. Zum Schluss

Netzausrüster könnte der Telekom gerade in den

seiner Ausführungen erklärt Schell, dass EnBW

USA Ärger bereiten. Das Thema ist ohne Frage

seinen „Strategieprozess 2030“ eingeleitet

brisant, aber auch nicht eben neu. Lediglich

habe, um die Energiewende zu beschleunigen –

der Bonner Generalanzeiger und der der WDR

dazu gehörten unter anderem die Bereinigung

in einem Online-Artikel greifen die Nachhaltig-

des Produktportfolios und eine veränderte Un-

keitsversprechen von Höttges auf, allerdings je-

ternehmenskultur.

27


Konzerne im Klimacheck

In der anschließenden Generaldebatte melden

zu Erneuerbaren Energien. Auch er zeigt sich

sich die Vertreter:innen der bekannten Aktio-

skeptisch, ob EnBW die Energiewende im eige-

närsvereinigungen zu Wort sowie auch einige

nen Haus ernsthaft genug verfolge. Ein anderer

Kleinaktionäre. Während die Vertreter von SdK

Kleinaktionär will wissen, wie nachhaltig das

und DSW wie gewohnt Fragen stellen und Kom-

Unternehmen jenseits der Energieproduktion

mentare abgeben, die sich in Einzelaspekten auf

wirtschafte. So will er den Energieausstoß aller

die Wirtschaftlichkeit und Rentabilität des Unter-

Vorstandsmitglieder im Jahr 2022 in Erfahrung

nehmens beziehen, spricht der Dachverband der

bringen. Die meisten seiner Fragen zielen auf

Kritischen Aktionär:innen vor allem ökologische

Coporate-Governance-Aspekte ab, etwa auf die

und teils soziale Themenpunkte an. So kritisiert

Vorstandsvergütung im Verhältnis zur allgemei-

dessen Vertreter scharf den strategischen Kurs

nen Einkommensspreizung im Unternehmen.

von EnBW, der zum effektiven Gegensteuern

Insgesamt sprechen die HV-Redner:innen ne-

gegen den Klimawandel bei weitem nicht aus-

ben ökonomisch-finanziellen und Aspekten der

reiche. Obwohl sich EnBW als grün verkaufe,

Unternehmensführung somit zahlreiche ökolo­

sei es in Wirklichkeit nach wie vor „ein fossiler

gische und soziale Themen an.

Brennstoffkonzern“. So seien die CO2-Emissionen in den vergangenen Jahren um 17 Prozent

Diese finden allerdings keinen Eingang in die

angestiegen.

Berichterstattung der Medien, die die EnBW-HV ohnehin nur mit wenig Aufmerksamkeit beden-

Zudem will der Vertreter wissen, welche men-

ken. Die Welt, die Heilbronner Stimme sowie die

schenrechtlichen Risiken EnBW bei seiner Liefer-

Stuttgarter Zeitung bringen längere (Agentur-)

kette identifiziert und welche Gegenmaßnahmen

Meldungen, deren Schwerpunkt auf dem neu-

man bisher getroffen habe. EnBW beziehe wegen

en Strategie-Prozess von EnBW und den Investi­

des Ukraine-Krieges keine Kohle aus Russland

tionsplanungen von Vorstandschef Schell liegen.

mehr und habe diese durch Steinkohle-Impor-

Die Aktionär:innen kommen überhaupt nicht zu

te aus Kolumbien ersetzt. Es sei aber weithin

Wort. Einzig die FAZ veröffentlicht einen ausführ-

bekannt, dass es im kolumbianischen Bergbau

lichen Korrespondenten-Bericht: Er ist ein Pot-

immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen

pourri aus verschiedenen Aspekten. Immerhin

komme. Eine Kleinaktionärin, die sich als Funk-

wird darin erwähnt, dass einige Aktionär:innen

tionärin von zwei regionalen Umweltverbänden

die Unwägbarkeiten der Wasserstoff-Strategie

zu erkennen gibt, vertieft später das Thema noch

von EnBW kritisieren.

einmal. Die Hauptergebnisse der empirischen AuswerEin weiterer Kleinaktionär konfrontiert den Vor-

tung der zwei untersuchten Hauptversammlun-

stand mit einem umfangreichen Fragenkatalog

gen sind in Tabelle 3 zusammengefasst.

28


05.04.2023/ Bonn (Präsenz)

03.05.2023/ Stuttgart (virtuell)

Deutsche Telekom

EnBW

Quelle: Eigene Darstellung.

Termin/ Ort

Unternehmen

Integrierter Bericht zur BPK am 27. März 2023 erschienen.

Nachhaltigkeitsbericht am 28. März 2023 erschienen.

Geschäftsbericht

Titelzeile: „EnBW-Hauptversammlung: massive Investitionen in die Beschleunigung der Energiewende geplant“. Dividendenvorschlag, Ergebnissteigerung 2023 geplant, Strategieprozess „EnBW 2030“ gestartet.

Titelzeile: „Deutsche Telekom stellt Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt ihres Handelns“. Zentrale Punkte der Rede des Vorstandschef stehen im Mittelpunkt. Nur kurze Erwähnung der abgeschlossenen Übernahme der Mehrheit bei T-Mobile USA.

Pressemitteilung

Vorstandschef geht sehr spezifisch auf die Rolle des Unternehmens bei der Energiewende ein.

Zweiteilige Rede, bei der jeweils „Nachhaltigkeit“ (eher breit definiert) im Mittelpunkt steht. Klare Aussagen zu Klimapolitik und sozialer Verantwortung bzw. über einschlägige Maßnahmen des Unternehmens.

Rede Vorstandschef

Fragen, Kommentare und Kritik von den Aktionär:innen zielen vor allem auf den Konzernkurs bei der Energiewende ab, thematisieren aber auch Fragen der Lieferkette.

Einzelne Vertreter:innen von Fondsgesellschaften thematisieren Aspekte der ökologischen Nachhaltigkeit, die Redner:innen der Aktionärsvereinigungen hingegen nicht. Auch die Kleinaktionär:innen stellen kritische Fragen und kommentieren in Einzel­aspekten die ökologische Nachhaltigkeit. Der Dachverband der Kritischen Aktio­näre fragt zudem nach der Lieferketten-Verantwortung der Telekom. Alle Vertreter:innen greifen Fragen der Unternehmensführung auf.

Generaldebatte

Ökologische und soziale Nachhaltigkeit als Thema auf der Hauptversammlung 2023 ausgewählter Unternehmen

Tabelle 3:

Geringes Medienecho. Fokus liegt auf dem Strategiewechsel. Ökologische Aspekte werden nicht spezifisch thematisiert.

Eindeutiger Schwerpunkt liegt auf der aktuellen Nachricht des Mehrheitserwerbs an T-Mobile USA sowie auf den vermeintlichen Risiken der Zusammenarbeit mit dem chinesischen Netzausrüster Huawei. Die Nachhaltigkeitsrede des Vorstandschef wird fast vollständig ignoriert – mit Ausnahme des Bonner Generalanzeigers und des WDR, die das Thema kurz streifen.

Medienresonanz

Der empirische Befund: Nachhaltigkeit als wirtschaftsjournalistisches Randphänomen

29


Konzerne im Klimacheck

2.5 Zwischenbilanz

nete Rolle. Meist werden sie von den Manager:innen und Aktionär:innen thematisiert,

Der deutsche Wirtschaftsjournalismus hat in den

dagegen so gut wie gar nicht von den Me-

vergangenen Jahrzehnten mehrere Wandlungen

dienvertreter:innen.

durchlaufen und damit sowohl seine Anpas-

Die Berichterstattung über die Ereignisse wird

sungsfähigkeit als auch seine Innovationsdy-

eindeutig von Finanzkennzahlen (Umsatz,

namik unter Beweis gestellt. In einem nächsten

Gewinn/Verlust, Höhe der Dividende etc.)

Schritt sollte der Wirtschaftsjournalismus – und

dominiert sowie von strategischen Fragen

dabei vor allem die Unternehmensberichterstat-

(Neuausrichtung des Geschäfts, Firmenüber-

tung – verstärkt dazu übergehen, einen ganz-

nahmen u. Ä.). Damit folgt sie Mustern, wie

heitlichen Blick auf Unternehmen zu wagen.

sie sich bereits vor Jahrzehnten ausgeprägt

Neben den rein ökonomisch-finanziellen sind

haben.

somit auch ökologische und soziale Aspekte als Teil des Tagesgeschäfts aufzugreifen. Die empi-

Frappierend dabei ist, dass die Wirtschaftsjour-

rische Stichproben-Analyse der (Berichterstat-

nalist:innen sogar dort, wo das Thema Nachhal-

tung über die) Bilanz-Pressekonferenzen und

tigkeit durch Management oder Investor:innen

Hauptversammlungen der vier untersuchten Un-

zur Sprache kommt, nicht auf den Zug aufsprin-

ternehmen zeigt indes, dass die Klima-Thematik

gen. So scheint es, als hätten zum Beispiel bei

bisher so gut wie keine Rolle spielt und schon gar

der Hauptversammlung der Deutschen Telekom

nicht messbare Werte zur Anwendung kommen:

im April 2023 die anwesenden Journalist:innen eine teils völlig andere Veranstaltung erlebt als

30

Quantitative Öko-Indikatoren, vor allem in

die teilnehmenden Aktionär:innen. Darüber hi­

Gestalt des THG-Ausstoßes, werden so gut

naus sind die Unternehmen meist auskunftsbe-

wie gar nicht bei den Bilanz-PK erwähnt, nur

reit und bieten Informationen zum Beispiel in ih-

marginal bei den HV. Dies gilt für die Aus-

ren Berichten auch offensiv an – nicht nur in Hin-

führungen des Managements, die Fragen der

blick auf vermeintliche ‚Öko-Highlights‘, die sich

Journalist:innen und Aktionär:innen und vor

gut in die PR einbinden lassen, sondern auch

allem für die später folgende Berichterstat-

auf konkrete Daten. So drängt sich der Eindruck

tung.

auf, als wären Unternehmen, Investor:innen und

Auch qualitative Aspekte ökologischer Nach-

Aktionär:innen den Wirtschaftsjournalist:innen

haltigkeit spielen nur eine sehr untergeord-

beim Thema Nachhaltigkeit weit voraus.


Wie Unternehmen klimaneutral werden wollen und sollen

3 Wie Unternehmen klimaneutral werden wollen und sollen Inzwischen nennt sich fast jedes Unternehmen

ternimmt die EU einen Vorstoß, um das ‚Green­

‚nachhaltig‘. Viele geben zudem an, ‚klimaneu-

washing‘, den Missbrauch umweltbezogener

tral‘ werden zu wollen. Oder es schon zu sein.

Werbe­aussagen, einzudämmen (Kapitel 3.5).

Stehen in der Regel ernsthafte Absichten dahinter? Oder ist das vor allem grünes Marketing? Um diese Frage zu beantworten, muss zunächst genauer untersucht werden, ob und wie Unter-

3.1 Unternehmen und Nachhaltigkeit: Von CSR zu ESG

nehmen ihr Selbstverständnis in der jüngeren

Was ist ein Unternehmen? Welche Rolle spielt

Vergangenheit verändert haben (Kapitel 3.1) und

es in der Wirtschaft, welche in der Gesellschaft?

was es mit dem Begriff ‚klimaneutral‘ bzw. dem

Und: Welche konkreten Funktionen hat ein Un-

Konzept der Klimaneutralität auf sich hat (Kapi-

ternehmen, welche Ziele soll es verfolgen? Lange

tel 3.2). Danach wird in einem Überblick gezeigt,

Zeit waren die vorherrschenden Antworten inner-

welche klimapolitischen Auflagen Unternehmen

halb der akademischen Disziplinen der Volks-

befolgen müssen – in der Europäischen Union

wirtschaftslehre und vor allem der Betriebs-

und in Deutschland („Exkurs“). In den vergan-

wirtschaftslehre recht eindeutig. Die meisten

genen Jahren ist zudem eine EU-weite Berichts-

orientierten sich dabei an dem wegweisenden

pflicht von Konzernen für ökologische und sozia­

Aufsatz „The Nature of the Firm“ des britischen

le Standards eingeführt worden, die bis 2026

Wirtschaftswissenschaftlers Ronald Coase aus

ausgeweitet wird (Kapitel 3.3).

dem Jahr 1937 (Coase 1937). Demnach sind Unternehmen in marktwirtschaftlichen Systemen

Die Europäische Union will bis 2050 klimaneutral

Organisationen der Güter- und Leistungsproduk-

werden, Deutschland sogar schon bis 2045. So-

tion, die allein auf Gewinnmaximierung ausge-

viel vorweg: Um dieses Ziel zu erreichen, genie-

legt sind und dazu vor allem die sogenannten

ßen die einzelnen Unternehmen ein hohes Maß

Transaktionskosten – alle Kosten, die für die

an Freiheit, das sie oft auch ausnutzen – im posi-

Organisation und Abwicklung des Güteraustau-

tiven, allerdings auch im negativen Sinne. So kau-

sches entstehen (Vertrags- und Verhandlungs-

fen viele Klima-Zertifikate auf dem ‚freien‘ Markt,

kosten, Transportkosten etc.) – verringern sollen.

der aber nicht nur intransparent ist, sondern auch

Unternehmen können demnach per Definition

durch fragwürdige Praktiken auffällt (Kapitel 3.4).

keine moralische bzw. gesellschaftliche Verant-

Viele Unternehmen nutzen diese Zertifikate, um

wortung tragen, bestenfalls Einzelpersonen wie

sich ein grünes Image zu geben. Immerhin un-

Manager:innen (Minssen 2008: 247–254).

31


Konzerne im Klimacheck

Ziele wie Umwelt- und Klimaschutz, wie sie seit

Wirtschaftsphilosophie, die im Mainstream der

einigen Jahrzehnten verschiedene gesellschaft-

Wirtschaftswissenschaften meist wenig Gehör

liche Akteure einfordern, ordnen Unternehmen

gefunden haben (Hübscher/Neuhäuser 2021:

diesem Bild zufolge dem Ziel der Gewinnmaxi-

226). Allerdings hatten beispielsweise die Wirt-

mierung unter bzw. setzen sie nur dann um, wenn

schaftswissenschaftler Berle und Means (1932)

dies der Rendite förderlich ist. So wurden zum

bereits kurz vor Coase ein Buch veröffentlicht,

Beispiel Konzepte wie das des „Shared Value“,

nach dem Unternehmen durchaus soziale Ver-

des ‚geteilten Gewinnes‘, entwickelt, bei dem

antwortung tragen – nicht zuletzt auch für ihr

sowohl das Unternehmen als auch die Gesell-

eigenes Handeln und dessen Auswirkungen.

schaft vom Klimaschutz profitieren, das Unter-

Dieser Ansatz fand zunächst jedoch kaum Be-

nehmen vor allem durch ein besseres Image und

achtung. In den 1970ern wurde er in den USA

eine höhere Wettbewerbsfähigkeit (Hübscher/

allerdings verstärkt in der unternehmerischen

Neuhäuser 2021: 224). Genau diese Vorgehens-

Praxis aufgegriffen – auch vor dem Hintergrund

weise lässt in Teilen der Öffentlichkeit und damit

des ideologischen Wettstreits zwischen Markt-

auch der Wirtschaftsmedien den Eindruck entste-

wirtschaft und einer (zumindest der eigenen The-

hen, dass Unternehmen unaufrichtig agieren und

orie und Rhetorik nach) auch soziale Aspekte

sich nur für den Klimaschutz oder soziale Belan-

berücksichtigenden Planwirtschaft – bevor er

ge einsetzen, wenn es unumgänglich erscheint

in den 1990ern ein weiteres Comeback feierte:

und/oder weil es bei den Kund:innen besser

Diesmal in Gestalt der sogenannten Corporate

ankommt. Vorbehalte entstehen aber auch da-

Social Responsibilty (CSR).

durch, dass Unternehmen einzelne Aktionen in verzerrender Weise für sich zu nutzen suchen

Als integraler CSR-Bestandteil gilt das Konzept

(Stichwort ‚Greenwashing‘, vgl. Kapitel 3.5).

der Corporate Citizenship (CC), der ‚unternehmerischen Bürgerschaft‘, nach dem ein Unterneh-

Allerdings war diese Konzeptualisierung von

men quasi wie ein:e Bürger:in – nur nicht als na-

Unternehmen in den Wirtschaftswissenschaften

türliche, sondern als juristische Person – Teil der

nie unumstritten. So gibt es immer wieder Versu-

Gesellschaft und deshalb mit entsprechenden

che von Wissenschaftler:innen, die systemische

Rechten wie Pflichten ausgestattet ist. Konkrete

Logik ökonomischer Marktstrukturen konzep-

Form nimmt das CC vor allem durch von Unter-

tionell in die moralische Logik der Lebenswelt

nehmen finanzierte Projekte der (meist lokalen)

der Bürger:innen zu integrieren. Das Ziel dieser

Kulturförderung oder der Förderung von gesell-

Überlegungen besteht darin, Unternehmen stär-

schaftlich benachteiligten Personengruppen an.

ker als soziales Gefüge und nicht nur als „Trans-

CSR ist dagegen breiter definiert als unterneh-

aktionsraum“ zu verstehen und so die Markt-

merische Verantwortung für soziale und umwelt-

wirtschaft lebensdienlicher auszurichten. Doch

politische Belange, die durch die Einhaltung be-

handelt es sich vowiegend um Ansätze aus der

stimmter Kriterien bzw. durch Ergreifen spezifi-

32


Wie Unternehmen klimaneutral werden wollen und sollen

scher Maßnahmen wahrgenommen werden soll.

Vor allem institutionelle Investoren haben be-

Wichtig dabei: CSR-Maßnahmen erfolgen immer

reits vor längerer Zeit erkannt, dass durch die

auf freiwilliger Basis, die über die gesetzlichen

Klimakrise grundlegende Transformationspro-

Vorgaben, sofern vorhanden, hinausgehen.

zesse auf die Wirtschaft zukommen, die mit enormen unternehmerischen Risiken verbunden

Den CSR-Maßnahmen liegen ethische Leitlinien

sein können. Die Investoren-Perspektive hat Ein-

für Unternehmen zugrunde, die sich meist aus der

gang gefunden in verschiedene nichtstaatliche

pragmatisch-lösungsorientierten akademischen

Initiativen (zum Beispiel dem Carbon Disclosure

Disziplin der ‚Business Ethics‘ – verwandt, aber

Project, vgl. Kapitel 5.3) und in die sogenannte

nicht identisch mit der deutschen ‚Wirtschafts-

EU-Taxonomie, dem 2020 von der EU-Kommis­

ethik‘ – aus dem angelsächsischen Kulturraum

sion lancierten Klassifikationssystem zur Bewer-

ableiten. Diese Disziplin entwickelt in erster Li-

tung von Technologien und Unternehmensinves-

nie bestimmte Standards, deren (Nicht-)Erfül-

titionen unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit

lung durch Unternehmen dabei in Kennzahlen

(vgl. Kapitel 4.4 und siehe Mayer 2020: 121–123).

gemessen werden kann. Insbesondere von der

Über die so in Regulierungsvorschriften gegosse-

abstrakter philosophisch angelegten deutschen

ne ESG-Logik und damit verbundene Kennzahlen

‚Wirtschaftsethik‘ wird dieser Ansatz zuweilen

und Kriterien lässt sich eine weitgehend quanti-

auch als „Katalog-Ethik“ abgetan, „an die sich

tative Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen

Unternehmen dann hauptsächlich zum Zweck der

herstellen, die sich auch Wirtschaftsjournalist:in-

Berichterstattung und des Reporting […] halten.“

nen für ihre Analysen zunutze machen können

(Heidbrink/Lorch/Rauen 2019: 141–142)

und sollten. Die Klima-Indikatoren finden Eingang in die Nachhaltigkeitsberichte von größe-

An dieser quantitativen Herangehensweise lässt

ren Unternehmen, die durch EU-Richtlinien zu

sich sicher kritisieren, dass so eine tiefe Veran-

dieser Berichterstattung verpflichtet sind (vgl.

kerung von CSR-Prinzipien in der Unternehmens-

Kapitel 3.4).

kultur nicht automatisch vorangetrieben wird. Sie bietet aber auch den Vorteil einer zahlenbasierten

Das ESG-Konzept korrespondiert mit dem

Transparenz und damit Kontrollmöglichkeiten –

Mode­begriff der Nachhaltigkeit (im Englischen

was gerade auch für die wirtschaftsjournalisti-

‚sustainability‘). Dieser etwas schwammige

sche Arbeit sehr hilfreich und sinnvoll sein kann.

und mittlerweile geradezu inflationär einge-

Investor:innen sehen dies schon länger so (Index

setzte Terminus bedeutet ursprünglich, dass

Association Industry 2023). In der Finanzwelt hat

bei Produktion und Konsum vor allem auch die

sich deshalb das bereits erwähnte ‚ESG‘-Konzept

Bedürfnisse nachfolgender Generationen be-

etabliert, das mittlerweile den klassischen CSR-

rücksichtigt werden sollen, was vor allem eine

Dreiklang aus „Wirtschaft-Ökologie-Soziales“ er-

Gegenposition zum Raubbau an natürlichen

setzt bzw. weiterentwickelt hat.

Ressourcen darstellt. Der Kerngedanke geht

33


Konzerne im Klimacheck

auf den sächsischen Berghauptmann Hanß Carl von Carlowitz zurück, der Anfang des 18. Jahr-

3.2 Was es genau mit der Klimaneutralität von Unternehmen auf sich hat

hunderts das Postulat aufstellte, dass sich der Holzeinschlag bei der Waldbewirtschaftung an

Der Begriff ‚klimaneutral‘ wird mittlerweile fast

der natürlichen Produktivität der Wälder orien-

so inflationär genutzt wie ‚nachhaltig‘. Viele Un-

tieren solle, um so ihren Erhalt für nachfolgen-

ternehmen strengen ihn an, um ihre Produkte

de Generationen zu sichern. Dieser ökologische

besser zu vermarkten. Mittlerweile reicht das An-

Nachhaltigkeitsansatz verweist aber auch auf

gebot vom klimaneutralen Babybrei über ‚100 %

einen systemimmanenten Konflikt: Bereits Carlo­

CO2-neutrale‘ Wandfarbe bis hin zum klima­

witz’ Diktum rief sogleich Proteste der Unter-

freundlichen SUV. Unternehmen heften sich aber

schichten hervor, denn diese betrachteten den

auch als gesamte Organisation das Label klima-

Kahlschlag beim damals vorherrschenden Wild-

neutral an. Wie zum Beispiel der US-Tech-Konzern

wuchs als Gewohnheitsrecht zur Existenzsiche-

Google. Doch was genau bedeutet ‚klimaneutral‘

rung. Bis in die Gegenwart hinein werden gegen

bzw. neutral für das Klima zu sein? Eine gängige,

ökologische Maßnahmen immer wieder Vorwür-

sehr allgemeine Definition besagt, dass mensch-

fe vorgebracht, diese gingen zulasten sozialer

liche Aktivitäten in Summe das Klima nicht be-

Belange – beispielsweise wenn es heißt, es

einflussen (dürfen). Es ließe sich auch von einer

würde in Kauf genommen, Kinder (ver)hungern

Netto-­Null-Emission (‚Net Zero‘) sprechen, es

zu lassen, nur um seltene Käferarten zu schüt-

also insgesamt zu keinem Konzentrationsanstieg

zen.

von klimaschädlichen Gasen kommt.

Ott (2021: 308–313) verweist zudem auf die aus

Im öffentlichen Sprachgebrauch, vor allem der

seiner Sicht teilweise konfligierenden 17 „Sus-

Unternehmen selbst, kann ‚klimaneutral‘ Ver-

tainable Development Goals“ (SDG), die die

schiedenes bedeuten. Die am stärksten verbrei-

Vereinten Nationen 2015 als globalen Leitfaden

teten Varianten sind:

verabschiedet haben. Neben primär sozialethischen Zielen wie Geschlechtergleichheit, hoch-

CO2-Neutralität: Gemeint sind ausschließlich

wertige Bildung und Verhinderung von Hunger

die Kohlendioxid-Emissionen, die in Deutsch-

bilden hier Maßnahmen zum Klimaschutz eben-

land 87 Prozent der gesamten Treibausgase

falls ein Ziel. Ähnlich ausgerichtete Ziele wie die

ausmachen.

Sicherung einer guten Wasserversorgung und

Treibhausgas-Neutralität: Hier sind neben

-qualität und der Biodiversität kommen hinzu

CO2 auch alle weiteren Treibhausgase einbe-

und sind eingebettet in ein – im Vergleich zum

zogen. Zu diesen weiteren klimaschädlichen

ESG-Konzept – sehr viel breiteres Verständnis

Gasen gehören vorwiegend Distickstoffmono-

von Nachhaltigkeit, das sich inzwischen auch

xid (N2O, ‚Lachgas‘) und Methan (CH4), das

immer mehr im öffentlichen Gebrauch etabliert.

vor allem in der Landwirtschaft entsteht und

34


Wie Unternehmen klimaneutral werden wollen und sollen

um ein Vielfaches schädlicher ist als CO2. Um

nen Wertschöpfung liegen. Bei dieser – auch

eine THG-Gesamtbilanz erstellen zu können,

‚Offsetting‘ genannten – Variante finanziert

werden die Emissionseinheiten anderer Gase

das Unternehmen meist Klimaprojekte wie

in CO2-Äquivalente (in Millionen Tonnen) um-

Aufforstungen im globalen Süden (vgl. Kapi-

gerechnet, das heißt die einzelnen Gasarten

tel 3.4). Diese Klimamaßnahmen können die

erhalten einen ‚CO2-Faktor‘.

Unternehmen mit ihrer eigenen Klimabilanz verrechnen. Einige Unternehmen werden ohne

Darüber hinaus sind noch zwei weitere Parame-

solche Kompensationsgeschäfte klimaneutral

ter für die Bestimmung von Klimaneutralität rele­

(Grothe/Teller 2021; Stiftung Familienunter-

vant:

nehmen 2023: 3–5), aber nicht alle Unternehmen (beispielsweise in der Zementindustrie)

Die Bilanzierungsgrenzen: Einige Unterneh-

können ihren THG-Ausstoß produktionsbe-

men bezeichnen sich als ‚klimaneutral‘ und

dingt massiv verringern. Deshalb erscheinen

meinen damit ausschließlich ihre direkten

Kompensationen an bestimmten Stellen der

Emissionen, also ihre eigene Produktion plus

Wirtschaft als notwendiges Übel. Allerdings

den dafür notwendigen Energieeinsatz, zum

nutzen Unternehmen das Offsetting auch, um

Beispiel durch Heizen oder Kühlen (dies wird

sich ‚freizukaufen‘ bzw. um Marketing zu be-

unter der Bezeichnung Scope 1 – Produk­

treiben: Bestimmte Produkte – oder gar das

tion – und 2 – Energieeinsatz – erfasst, vgl.

gesamte Unternehmen – können so als klima-

Kapitel 4.1). Genau genommen gehören aber

neutral deklariert werden.

auch die indirekten Emissionen in der vorund nachgelagerten Wertschöpfung dazu,

Die verschiedenen Komponenten abwägend,

zum Beispiel die Emissionen von Zulieferern

soll hier im weiteren Verlauf eine engere Defi-

und der THG-Ausstoß, den Kund:innen durch

nition von Klimaneutralität Anwendung finden:

die Nutzung der Produkte erzeugen (Scope 3).

Gemeint ist eine Netto-Null-Treibhausgas-Neu­

Grundsätzlich gibt es drei Wege, um sich als

tralität, die direkte wie indirekte Emissionen

Unternehmen der Klimaneutralität anzu­

einbezieht. Da sich in einigen Branchen THG-

nähern: Vermeiden, vermindern, verrechnen.

Emis­sionen (noch) nicht vollständig vermeiden

Klimapoli­tisch gilt das Vermeiden als Königs-

lassen, wird ein einstelliger Prozentanteil von

weg, etwa durch den Einsatz erneuerbarer

Kompensationen an der THG-Gesamtmenge ak-

Energien. Reduzieren lässt sich der THG-Aus-

zeptiert. Die Gesamtmenge bezieht sich auf ein

stoß zum Beispiel durch den Verzicht auf

Basisjahr, in dem das Unternehmen seine Klima-

Dienstreisen und das Nutzen von recycelbaren

ziele bekanntgegeben hat. Es erscheint sinnvoll,

Verpackungen. Beim Verrechnen oder Kom-

dass Wirtschaftsjournalist:innen diese Defini­

pensieren fördert das Unternehmen klima­

tion als Basis und Maßstab für ihre eigenen Be-

freundliche Projekte, die außerhalb der eige-

wertungen nutzen.

35


Konzerne im Klimacheck

Exkurs: Der europäische Green Deal und das deutsche Klimaschutzgesetz

sollen vor allem durch Regulierung und finanzielle Förderung sowie durch öffentlichen Dialog diese Ziele erreicht werden (Dröge 2022).

Die meisten Unternehmen in Deutschland genießen weitgehende Freiheit, in welchem Ausmaß

Dazu gehören unter anderem ein Europäisches

und in welcher Weise sie ihren THG-Ausstoß re-

Klimaschutzgesetz, ein Aktionsplan für die Kreis-

duzieren und Klimaneutralität erreichen wollen.

laufwirtschaft sowie das Maßnahmenpaket „Fit

Allerdings haben die äußeren Einflüsse stetig

for 55“, mit dem der THG-Ausstoß bis 2030 auf

zugenommen. So etwa der Druck von Investor:in-

55 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 sin-

nen (vgl. Kapitel 3.1) und aus der Öffentlichkeit

ken soll. Die Standardisierung umweltbezoge-

durch Klimabewegungen wie Fridays for Future.

ner Angaben bzw. eine CSR-Berichtspflicht zählt

Viele Unternehmen versprechen sich aber auch

ebenfalls dazu (vgl. Kapitel 3.4) sowie eine Straf-

einen Imagegewinn durch nachhaltiges Han-

fung des Europäischen Systems für Emissions-

deln. Vor allem größere Unternehmen haben

handel, das gewissermaßen das Herzstück der

sich deshalb in den vergangenen Jahren mess-

europäischen Klima-Regulierung bildet.

bare Klimaziele gesetzt und zu deren Erreichen Klimastrategien entwickelt. Über die vergange-

Mit Hilfe des Emissionshandels reguliert die Eu-

nen zwei Jahrzehnte ist zudem ein größeres poli­

ropäische Union die stärksten ‚Klimaverschmut-

tisches Rahmenwerk auf europäischer und na-

zer‘ unter den Unternehmen. 2005 hat die EU

tionaler Ebene entstanden, das aus staatlichen

das sogenannte Emission Trading System ein-

Regulierungsvorschriften wie aus finanziellen

geführt, um die THG-Emissionen dieser Unter-

Förderprogrammen besteht. Davon sind vor al-

nehmen schrittweise zu senken. Das marktba-

lem energieintensive Branchen direkt betroffen,

sierte Instrument funktioniert so: Die EU gibt in

andere Teile der Wirtschaft aber zumindest in-

Form von Zertifikaten ‚Verschmutzungsrechte‘ an

direkt.

Unternehmen aus, die über Börsen-Plattformen gehandelt werden können. Ein Unternehmen hat

Seit 2005 hat die Europäische Union umfassen-

nun drei Optionen:

de Maßnahmenpakete entwickelt, um in ihren Mitgliedsländern den THG-Ausstoß spürbar zu

Es nutzt seine Zertifikate vollständig.

reduzieren (vgl. dazu Europäischer Rat o. D.).

Es reduziert seine Emissionen und verkauft

2019 hat die EU-Kommission mit dem European

seine überschüssigen Zertifikate.

Green Deal einen Strategieplan verabschiedet,

Es stößt mehr THG aus, als es an Zertifikaten

mit dem die Europäische Union bis 2050 zum

erstanden hat – und muss dafür entweder

ersten klimaneutralen Kontinent avancieren

vorab mehr Zertifikate von anderen Unter-

soll. Im Zieldreieck von Sicherung der Energie-

nehmen kaufen oder aber eine Strafe zahlen,

versorgung, Umweltverträglichkeit und Wirt-

wenn es diese zusätzlichen Zertifikate nicht

schaftlichkeit (inklusive Wirtschaftswachstum)

vorweisen kann.

36


Wie Unternehmen klimaneutral werden wollen und sollen

Die Zahl der jährlich ausgegebenen, gültigen

Verkehrsbetreiber, vor allem der Flugverkehr

Zertifikate wird kontinuierlich reduziert, womit

innerhalb der EU, aber auch die Schifffahrt

sich der Marktpreis für das einzelne Zertifikat

und der Straßenverkehr.

immer weiter erhöht – es sei denn, die Nachfrage sinkt, weil sehr viele Unternehmen gleich-

Mit dem Emission Trading System werden indes

zeitig ihre THG-Emissionen gesenkt haben. Der

nur ca. 40 Prozent der Emissionen erfasst, die

große Vorteil des Systems besteht darin, dass

in der Europäischen Union in die Atmosphäre

das Gesamtergebnis in Gestalt der politisch

steigen. Um auch die anderen Emissionen mit

vorgegebenen Mengenziele erreicht wird, ohne

zu berücksichtigen, sind zusätzlich nationale

dass jeder Akteur die gleiche THG-Menge ein-

Regelungen und Maßnahmen erforderlich. Ende

sparen muss (Umweltbundesamt 2022; Zenke/

2019 hat in Deutschland die Große Koalition aus

Telschow 2022).

Union und SPD zu diesem Zweck das Brennstoff­ emissionshandelsgesetz verabschiedet, das auf

2023 hat die EU die Bestimmungen für den Emis-

nationaler Ebene ein Emissionshandelssystem

sionshandel verschärft. So werden die Ziele zur

für die Sektoren Wärme und Verkehr eingeführt

THG-Reduktion von 43 auf 62 Prozent bis 2030

hat (nEHS). Dieses System sieht ab 2021 eine

erhöht. Um dies zu erreichen, wird die Menge der

steigende CO2-Bepreisung für die Sektoren Ver-

Zertifikate doppelt so schnell reduziert wie bisher

kehr und Wärmeerzeugung vor, ab 2024 auch

(um 4,4 Prozent pro Jahr). Auch die größtenteils

für die Abfallwirtschaft. Bis 2025 legt das Gesetz

kostenlos ausgegebenen Zertifikate für Unterneh-

Festpreise fest, danach werden CO2-Zertifikate

men aus besonders energieintensiven Branchen

versteigert. Das nEHS gilt nur für Bereiche, die

sollen schrittweise auslaufen (o. V. 2023a).

nicht vom Europäischen Emissionshandel erfasst werden und setzt dort an, wo die Brenn-

Zudem ist der Kreis der Branchen, die am Emis-

stoffe in Verkehr gebracht werden, etwa beim

sionshandel teilnehmen müssen, ausgeweitet

Heizen oder Autofahren (Stiftung Familienunter-

worden. Er umfasst nach aktuellem Stand:

nehmen 2023: 21; Vollmer 2022). Ab 2024 sind die nEHS-Emissionen zudem berichtspflichtig.

Energiewirtschaft: Unternehmen, die mit Hilfe fossiler Brennstoffe (Kohle, Öl, Gas) Ener-

Das nEHS bildet den Kern des Klimaschutzplans

gie erzeugen.

vom Oktober 2019. Dazu gehört ebenso das Bun-

Produzierendes Gewerbe: Unternehmen, die

des-Klimaschutzgesetz. Es soll – wie der Euro­

Stahl, Aluminium, Zement, Glas oder Papier

pean Green Deal – dazu dienen, das vom Pariser

herstellen, sowie große Teile der chemischen

Klimaschutzabkommen gesetzte Ziel zu errei-

Industrie.

chen, die Erderwärmung bis 2050 unter 1,5 Grad

Weitere energieintensive Branchen, vor allem

im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu hal-

im Rohstoffsektor (Steinkohlebergbau, Raffi-

ten. Im Bundes-Klimaschutzgesetz wird das Jahr

nerien, Kokereien etc.).

2045 (ursprünglich 2050) als Deadline für das 37


Konzerne im Klimacheck

Erreichen der Klimaneutralität festgeschrieben –

arden Euro. Hinzu kommen die Einnahmen aus

also fünf Jahre vor der Europäischen Union ins-

dem europäischen und deutschen Emissions-

gesamt (Bundesministerium für Wirtschaft und

handelssystemen, die sich 2022 auf 13 Milliar-

Klimaschutz 2022; Saurer 2022).

den Euro summierten und in den sogenannten Klima- und Transformationsfonds flossen, mit

Für die Jahre 2030 und 2040 sind Zwischenziele

dem die Energieeffizienz von Unternehmen er-

definiert. Im März 2021 erklärte das Bundesver-

höht werden soll (Stiftung Familienunternehmen

fassungsgericht allerdings Teile des Bundes-­

2023: 20–21).

Klimaschutzgesetz für verfassungswidrig, weil für die Zeit nach 2030 keine konkreten Etappenziele formuliert wurden. Damit werde die Last der THG-Reduktion unverhältnismäßig auf die

3.3 Europäische Berichtspflichten und deutsche Nachhaltigkeitsberichte

jüngeren Generationen verlagert. Die Ampel-­

Die in Kapitel 3.1 vorgestellte ‚Katalog-Ethik‘ hat

Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat das Bun-

sich in Forschung und Praxis weitestgehend als

des-Klimaschutzgesetz deshalb im August 2022

Konsens zur Erfassung und Messung der Unter-

novelliert und die quantitativen Ziele verschärft,

nehmensnachhaltigkeit etabliert – und ist ten-

ohne allerdings konkrete Maßnahmen für die Re-

denziell an quantitativ messbaren Zielen ausge-

duktion des THG-Ausstoßes zu beschließen. Für

richtet. Der Begriff ‚Katalog‘ suggeriert allerdings,

den Zeitraum 2031-2040 hat die Koalition Etap-

dass Unternehmen selbst entscheiden, welche

penmarken eingeführt, jedoch nur für die Wirt-

‚besten Stücke‘ sie für ihre öffentliche Übersicht

schaft insgesamt (plus Gebäude) und nicht für

ausstellen. Dies stimmt insofern, als Unterneh-

die einzelnen Sektoren (wie es für das Jahrzehnt

men bisher relativ frei entscheiden können, wel-

zuvor der Fall war). 2023 hat die Ampel-Koalition

che Indikatoren sie für ihre ESG-Berichterstattung

die Sektoren-Ziele schrittweise wieder zurückge-

auswählen und welche sie lieber unter den Tisch

nommen, obwohl einige Sektoren in den Vorjah-

fallen lassen. Die Katalog-Metapher ist aber auch

ren ihre Klimaziele deutlich verfehlt hatten (o. V.

tendenziell irreführend, denn über die Zeit hat

2023b). Dies passt in das Gesamtbild: Wenn

sich ein relativ festes Set an relevanten Öko-In-

Deutschland seine Treibhausgase weiter nur in

dikatoren herausgebildet, das fast alle Unterneh-

der jetzigen Größenordnung verringert, wird es

men in ihr Reporting aufnehmen (vgl. Kapitel 4).

die angestrebte Klimaneutralität im Jahr 2045 auf keinen Fall erreichen (Reyer 2023).

Wie aber entscheiden Unternehmen, welche Indikatoren sie berichten und welche nicht? Um diese

Ein weiterer Pfeiler des deutschen Klimaschutz-

Priorisierung nachvollziehen zu können, bietet es

plans: Der Bund unterstützt klimapolitische Maß-

sich für Wirtschaftsjournalist:innen an, sich die

nahmen der Wirtschaft von 2021 bis 2025 durch

‚Wesentlichkeitsanalyse‘ der Unternehmen anzu-

diverse Förderprogramme in Höhe von 93 Milli-

schauen. Eine solche Analyse ist ab 2024 gesetz-

38


Wie Unternehmen klimaneutral werden wollen und sollen

lich vorgeschrieben und macht auch auf meist

zumindest bei zukunftsgerichteten Aussagen

ansehnliche Weise transparent, welche Aspekte

spekulativen Charakter haben müssen (May-

von Nachhaltigkeit zu den Topthemen des Unter-

er 2020: 106). Diese Schätzungen werden in

nehmens gehören (Mayer 2020: 45–47).

der Regel auch nicht veröffentlicht. Wie das Ergebnis einer auf dieser Grundlage erstellten

Allgemein verbindlicher Ausgangspunkt für die

Wesentlichkeitsanalyse in grafischer Darstel-

entsprechende Analyse der Unternehmen ist der

lung aussieht, zeigt Abbildung 1 am Beispiel

Grundsatz der ‚doppelten Wesentlichkeit‘ (vom

des mittelständischen Unternehmens Schwörer

englischen ‚double materiality‘), der aus der

­Haus.

klassischen Rechnungslegung stammt. Es wird erfasst, was relevant ist – alles andere findet

Die Wesentlichkeitsmatrix des schwäbischen

keine Erwähnung. Das Adjektiv ‚doppelt‘ bezieht

Holzfertighaus-Herstellers listet auf, welche The-

sich dabei auf zwei Perspektiven, die das Unter-

men und Einflüsse für das Unternehmen relevant

nehmen einnimmt:

sind (outside-in) und welche Unternehmenseinflüsse für die Außenwelt in Gestalt der Stakehol-

outside-in: Alle Außeneinflüsse auf das Un-

der (inside-out) Bedeutung haben. Dazu hat das

ternehmen, die das Geschäftsmodell und da-

Unternehmen zunächst eine interne Analyse vor-

mit auch das Geschäftsergebnis beeinflussen

genommen und dann eine Umfrage unter seinen

(können), darunter eben auch die Auswirkun-

Stakeholdern durchgeführt. Die in der Wesent-

gen der Klima-Krise.

lichkeitsanalyse zusammengeführten Ergebnis-

inside-out: Alle Einflussfaktoren des Unter-

se können zu einer Anpassung der Nachhaltig-

nehmens nach außen, vor allem auf seine An-

keitsstrategie oder gar des Geschäftsmodells

spruchsgruppen (‚Stakeholder‘) im weitesten

führen.

Sinne – nicht nur Inverstor:innen, Kund:innen und Anwohner:innen, sondern auch ‚stum-

Die Wesentlichkeitsanalyse ist aber – wie ein-

me‘ Stakeholder wie Klima und Biodiversität

gangs erläutert – auch wichtig für die Kommuni-

(Mayer 2020: 45–48, 101–102).

kation des Unternehmens, das heißt die als herausragend identifizierten Themen finden meist

Die jeweiligen Auswirkungen (‚Impacts‘) sollen

Eingang in die entsprechenden Berichte, be-

in der Analyse möglichst in messbaren Größen

vorzugt sollte dies basierend auf validen Kenn-

dargestellt werden, etwa welche Auswirkungen

zahlen geschehen. Dabei können verschiedene

CO2-Emissionen auf das Geschäftsergebnis

Dokumente als Kommunikationsformat dienen:

und dessen künftige Entwicklung haben. Es ist allerdings auch klar, dass sich solche Ursa-

Im jährlichen Geschäftsbericht von Unterneh-

che-Wirkung-Zusammenhänge bestenfalls auf

men müssen wesentliche Nachhaltigkeits­

Basis von Schätzungen ermitteln lassen und

aspekte zumindest kurz erfasst werden.

39


Konzerne im Klimacheck

atz 1),

arbeiter/innen

erantwortung

Der jährliche Nachhaltigkeitsbericht enthält

Seit einigen Jahren veröffentlichen Unterneh-

ausführliche ESG-Informationen. Meist er-

men auch sogenannte integrierte Berichte.

scheint er zu einem anderen, meist späteren

Diese kombinieren den Geschäftsbericht mit

Zeitpunkt als der Geschäftsbericht.

dem Nachhaltigkeitsbericht.

EITSANALYSE

wortung

ng in der Lieferkette

chaftliches Umfeld

Abbildung 1: Bewerten Sie die einzelnen Nachhaltigkeitsaspekte nach ihrer derzeitigen Relevanz Wesentlichkeitsmatrix von SchwörerHaus 2021/22 für Unternehmen wie Schwörer

erantwortung

ortung

itarbeiter/innen

schnittliche n der Lieferkette Kapitel in der

chaftliches Umfeld

Wirtschaftlicher Erfolg und Stabilität

wortung

g in der Lieferkette

chaftliches Umfeld

tung der defiShortlist“, unhaltigkeitskatedie aktuelle ktiven Einschätden kommenen für die stellung bildet ende Priorisie-

121 externe r an der Befran transparentes bnis ist in diend. So gehören her Erfolg“, sungen“ und entlichsten Fakmen wie rantwortung“ ung zu sein.

sehr hoch

Bedeutung für unser Unternehmen (Outside-in)

arbeiter/innen

Zukunftsfähige Innovationen und Baulösungen Rohstoffverfügbarkeit Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung Kundengesundheit und -sicherheit

Nachhaltiger Einsatz von Ressourcen

Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz

Maßnahmen zum Klimaschutz

Rechtskonformes Handeln

Klimafreundliche Produkte

Krisenmanagement

Lokale Partnerschaften

Nachhaltige Logistik Aus- und Weiterbildung zur Qualifizierung

Diversität, Chancengleichheit und faire Arbeitsbedingungen Standards in der Lieferkette Digitale Verantwortung

hoch

erantwortung

Regionaler Mehrwert

Beteiligung Anspruchsgruppen

hoch

sehr hoch

Wirkung unserer Geschäftsaktivitäten (Inside-Out)

tungen aller ichkeitsanalyse:

Unternehmen

Produkt- und Kundenverantwortung

Gesellschaftliches Umfeld

Verantwortung in der Lieferkette

Verantwortung für Mitarbeiter/innen

Ökologische Verantwortung

Quelle: SchwörerHaus (o. D.: 21). Der Nachhaltigkeitsbericht deckt den Berichtszeitraum 01.10.21–30.9.2022 ab.

40

21


Wie Unternehmen klimaneutral werden wollen und sollen

Wie ist der aktuelle Stand? Es gibt Unternehmen,

Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (2011) ist

vor allem Konzerne, die ihre Nachhaltigkeits-Per-

im Aktiengesetz verankert und fordert börsen-

formance schon seit Längerem in jähr­lichen

notierte Unternehmen dazu auf, sich jährlich zu

Nachhaltigkeitsberichten bilanzieren. Und zwar

den 20 Empfehlungen des Kodex (Strategie, An-

freiwillig. Größere Unternehmen müssen seit

reizsysteme, klimarelevante Emissionen, Men-

einigen Jahren jedoch öffentlich über ihre Öko-

schenrechte etc.) zu erklären (Deutscher Nach-

und Sozialbilanz Auskunft geben. Und ande-

haltigkeitskodex o. D.). Bei Nicht-Einhaltung

re, vornehmlich kleinere und mittelständische

muss eine Erklärung für die Gründe abgegeben

Unternehmen, werden in den nächsten Jahren

werden. Der Nachhaltigkeitskodex ist letztlich ein

berichtspflichtig. Die Menge der öffentlich ver-

freiwilliges Transparenzinstrument und dient(e)

fügbaren Klimadaten von Unternehmen nimmt

eher als Übergangslösung, bis neue gesetzliche,

also stetig zu, was die journalistische Berichter-

EU-basierte Regelungen gegriffen haben oder

stattung enorm erleichtern dürfte.

noch greifen werden. Gleichwohl ist vor allem die Datenbank des Deutschen Nachhaltigkeits­kodex

Insgesamt wurde und wird die Berichtspflicht in

von journalistischem Interesse, in der auch mit-

Deutschland bzw. in der EU sukzessive ausge-

telgroße, nicht börsennotierte Unternehmen

weitet, sie ist aber auch zunehmend spezifiziert

ihre Entsprechenserklärungen veröffentlichen.

worden, wie die nachfolgend dargestellten, ein-

Dort sind mehr als 1.000 Unternehmen erfasst,

zelnen Entwicklungsstufen belegen:

die zum Großteil bisher nicht berichtspflichtig sind – von den Berliner Verkehrsbetrieben bis

Mit dem Bilanzmodernisierungsgesetz (2004) hat

zum Zweiten Deutschen Fernsehen.

der deutsche Gesetzgeber die Pflicht für große Kapitalgesellschaften eingeführt, wesentliche

Im Jahr 2014 hat die EU-Kommission eine Richt­

Nachhaltigkeitsaspekte in einer sogenannten

linie verabschiedet, die vor allem größeren Un-

nicht-finanziellen Erklärung zu erläutern. Diese ist

ternehmen eine Berichtspflicht auferlegt. 2017

in der Regel Teil des Lageberichts im Geschäfts-

ist mit dem CSR-Richtlinien-Umsetzungsgesetz

bericht, kann aber auch separat veröffentlicht

das deutsche Recht an die EU-Richtlinie ange-

werden. Wenn Unternehmen ihren ausführlichen

passt worden. Seitdem unterliegen folgende

Nachhaltigkeitsbericht zu einem späteren Zeit-

Unternehmensarten einer Berichtspflicht (vgl.

punkt veröffentlichen, kann auch der nicht-finan-

Mayer 2020: 109):

zielle Teil des Geschäftsberichts journalistisch genutzt werden, zum Beispiel anlässlich einer

große Kapitalgesellschaften mit mehr als

Bilanz-Pressekonferenz. Denn in der Regel ste-

40 Millionen Euro Jahresumsatz und 250 Be-

hen dort bereits valide Zahlen (zum Beispiel zum

schäftigten,

Treibhausgas-Ausstoß des Unternehmens), die

kapitalmarktorientierte Unternehmen in der

sich dann meist noch ausführlicher im späteren

Rechtsform von Handels- und Kommandit­

Nachhaltigkeitsbericht finden.

gesellschaften, 41


Konzerne im Klimacheck

Unternehmen, die mehr als 500 Mitarbei-

eine durchschnittliche Mitarbeiterzahl im

ter:innen im Jahresdurchschnitt beschäftigen

Geschäftsjahr von mindestens zehn Beschäf-

sowie

tigten.

Banken und Versicherungen. Damit wird die Zahl der berichtspflichtigen Die betroffenen Unternehmen müssen Risiken

Unternehmen von derzeit 500 auf schätzungs-

und Ergebnisse auf den ESG-Feldern Umwelt,

weise 15.000 ansteigen (Müller 2023; Stiftung

Soziales und Unternehmensführung dokumen-

Familien­unternehmen 2023: 15–16).

tieren. Dabei lehnen sich die meisten an die Systematik der Global Reporting Initiative (GRI)

Die Berichte unterliegen dann auch einer – aller-

an. Die internationale Multi-Stakeholder-Stif-

dings beschränkten – externen Prüfpflicht. Das

tung (Investoren, Vereinte Nationen etc.) hat

zweite große Ziel, die Vereinheitlichung, steht in

umfassende Standards für die ESG-Berichter-

engem Zusammenhang mit dem Anspruch der

stattung einzelner Branchen ausgearbeitet und

EU-Kommission, die nicht-finanzielle Bericht-

entwickelt diese ständig weiter. Nach dem Ge-

erstattung mit der klassischen Finanzberichter-

setz von 2017 haben Unternehmen allerdings

stattung gleichzustellen. Die betroffenen Unter-

weitgehende Freiheit, worüber sie in welchem

nehmen müssen dann ihre Nachhaltigkeitsstra-

Umfang berichten. Zudem gibt es bisher auch

tegie, ihre Klimaziele und Zwischenergebnisse

keine Pflicht, den Nachhaltigkeitsbericht von

veröffentlichen. Darüber hinaus müssen sie

einem/einer externen Prüfer:in testieren zu las-

ihre Maßnahmen und quantitativen Ergebnis-

sen – wie dies bei Geschäftsberichten der Fall

se nach der Logik der Taxonomie-Verordnung,

ist, die von Wirtschaftsprüfer:innen zertifiziert

des EU-Klassifikationssystems für betriebliche

werden müssen.

Finanzströme (vgl. Kapitel 4.4), dokumentieren. Das Klassifikationssystem sieht für die Oberka-

Mit ihrer im Dezember 2022 vorgestellten neuen

tegorie ‚Umwelt‘ (‚enviromental‘) die Unterkate-

CSR-Richtlinie will die EU-Kommission die Be-

gorien Klimaschutz, Anpassung an den Klima-

richterstattung stärker vereinheitlichen und wei-

wandel, Wasser und Meeresressourcen, Kreis-

tet zudem die Berichtspflicht sukzessive aus:

laufwirtschaft, Umweltverschmutzung sowie

So sollen die neuen Standards (siehe unten) ab

biologische Vielfalt und Ökosysteme vor. Hinzu

2024 für alle Unternehmen gelten, die bereits

kommen unter ‚Soziales‘ (‚social‘) vier weitere

jetzt berichtspflichtig sind. In zwei Schritten

Kategorien (Gleichberechtigung, Arbeitsbedin-

müssen dann bis 2027 auch kleinere Unterneh-

gungen, Menschenrechte, demokratische Pinzi-

men berichten, die zum Bilanzstichtag mindes-

pien) sowie die Einzelkategorie ‚Unternehmens-

tens zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen:

führung‘ (‚Governance‘, vgl. Müller 2023).

42

Bilanzsumme ab 350.000 Euro,

Diese sogenannten Standards waren anfänglich

Umsatzerlöse ab 700.000 Euro oder

mit insgesamt 84 Offenlegungspflichten verbun-


Wie Unternehmen klimaneutral werden wollen und sollen

den, die im Laufe des Konsultationsprozesses

dagegen bisher eher selten für ihre Arbeit ge-

zur Richtlinie bis Juli 2023 allerdings keine wirk-

nutzt (vgl. Kapitel 2).

lichen Pflichten mehr waren. Die EU-Kommission relativierte die Anforderungen insofern, als sie lediglich in einer Wesentlichkeitsanalyse thematisiert sein müssen – die das Unternehmen selbst durchführt. Ein Wegfall des Themas ‚Kli-

Die Nachhaltigkeitsberichte in Deutschland tätiger Unternehmen

maschutz‘ in den Berichten des Unternehmens

Seit 1994 hat das Institut für ökologische Wirt-

ist dadurch möglich, auch wenn er begründet

schaftsforschung zusammen mit dem Verein

werden muss. Andere Aspekte, beispielsweise

„future“ ein Ranking von Nachhaltigkeitsbe-

derjenigen der biologischen Vielfalt, können je-

richten in Deutschland tätiger Unternehmen

doch ohne weitere Begründung in der Bericht-

durchgeführt – letztmalig für das Berichtsjahr

erstattung des Unternehmens weggelassen

2021. Dabei wurden die nach Umsatz bzw.

werden. Die Umweltschutzorganisation WWF

Bilanzsummer 100 größten Unternehmen un-

kritisiert daher, dass der Wegfall einer durchge-

tersucht sowie kleine und mittelständische

henden Offenlegungspflicht zu erheblichen Da-

Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsbe-

tenlücken führen wird und so die Vergleichbar-

richte aus eigener Initiative einreichen (2021

keit von Unternehmen erschwert (World Wildlife

waren es 39 freiwillige Einreichungen). Die

Fund 2023).

wichtigsten Ergebnisse dieser Analysen:

Tatsächlich ist die bisherige Qualität der Bericht-

Nur 62 der 100 größten Unternehmen veröf-

erstattung in Hinsicht auf Verständlichkeit, Re-

fentlichten einen eigenständigen Nachhaltig-

levanz, Repräsentativität sowie Vergleichbarkeit

keitsbericht oder einen integrierten Bericht.

sehr durchwachsen und deshalb verbesserungs-

Jeder fünfte Bericht war ein integrierter Be-

bedürftig. Die meisten Unternehmen nutzen ihre

richt.

Nachhaltigkeitsberichte gezielt als PR-Instru-

Fast drei Viertel der Großunternehmen gab

ment, selbst wenn sie ihre objektive Berichts-

an, klimaneutral werden zu wollen, bei den

pflicht in Hinblick auf die bereitgestellten Daten

kleinen und mittleren Unternehmen war es

erfüllen. Einige berichten sehr ausführlich und

knapp die Hälfte. Oft blieb aber offen, was

präzise, andere wiederum ergehen sich in wol-

die Unternehmen genau unter Klimaneutrali-

kigen Ausführungen und führen lediglich eigene

tät verstehen (vgl. Kapitel 3.2).

Highlights an, die kein fundiertes Gesamtbild

Die qualitativ besten Nachhaltigkeitsberich-

vom Unternehmen zulassen. Nachhaltigkeits­

te lieferten bei den Konzernen die Deutsche

berichte richten sich in der Regel an Investor:in-

Telekom, die Rewe-Gruppe und der Pharma­

nen, Partnerunternehmen, einschlägig engagier-

hersteller Merck. Bei den kleinen und mittle-

te Nichtregierungsorganisationen sowie interes-

ren Unternehmen waren es der Möbelherstel-

sierte Laien. Journalist:innen haben die Berichte

ler Assmann, die Pure Taste Group (Lebens­ 43


Konzerne im Klimacheck

baum) und die Brauerei Neumarkter Lamms-

vollständig zu vermeiden. Teils können Unter-

bräu.

nehmen auch sehr hohe Kosten entstehen, wenn

Die quantitativen Angaben der Unternehmen

sie klimaschädliche Emissionen reduzieren woll-

zum Klimaschutz und zu Menschenrechten in

ten oder müssten – ein Grund für die Etablierung

der Lieferkette, also außerhalb des Unterneh-

des EU-Zertifikate-Handel (Kreibich et al. 2021:

mens, waren oft lückenhaft.

13). Diese Unternehmen sind darauf angewie-

Die meisten Unternehmen sind deutlich aus-

sen, ihre Klimabilanz zumindest teilweise durch

kunftsfreudiger, wenn es um Ziele und He­

sogenanntes Offsetting, also Klimaschutz-Maß-

rausforderungen geht als bei konkreten Maß-

nahmen außerhalb der eigenen Wertschöp-

nahmen und messbaren Indikatoren (vgl. In-

fungskette, auszugleichen.

stitut für ökologische Wirtschaftsforschung/ future e. V. 2022: 3).

‚Außerhalb‘ meint in der Regel, dass in völlig anderen sozioökonomischen Bereichen und auch anderen geografischen Regionen als denen der

3.4 Freiwillige Klimazertifikate: Moderner Ablasshandel?

eigenen unternehmerischen Tätigkeit ein Ausgleich vorgenommen wird. In geringem Maße werden beim Offsetting technische Maßnah-

Da nur knapp die Hälfte des THG-Ausstoßes in

men zur CO2-‚Beseitigung‘ (zum Beispiel durch

der Europäischen Union direkt über den Zertifi-

CO2-Abscheidung und Speicherung) finanziert,

kate-Handel reguliert und auch in der Bundesre-

die bisher aber in keinem günstigen Kosten-Nut-

publik nur Teile erfasst werden, haben die meis-

zen-Verhältnis stehen (Franck 2022; Stiftung Fa-

ten Unternehmen weitgehende Wahlfreiheit, wie

milienunternehmen 2023: 4). Vielmehr handelt

und in welchen Etappen sie ihre Klimaneutralität

es sich meist um die Schaffung von natürlichen

erreichen. Es gilt zwar der Grundsatz: „Vermeiden

CO2-Senken in Ländern des globalen Südens,

ist besser als kompensieren“, doch hat dieser

vornehmlich Aufforstungsprojekte oder den Bau

in erster Linie die Wirkmacht eines moralischen

von Windparks und Solaranlagen.

Imperativs. Also greifen viele Unternehmen auf das Instrument der freiwilligen Kompensation

So führt etwa das Aufforsten von Gebieten zu ei-

zurück. Dieser Markt wird teils von öffentlichen

nem größeren Baumbestand. Ökologisch intakte

Anbietern wie der UN, zum großen Teil aber von

Bäume wiederum ziehen CO2 aus der Atmosphäre

Privatunternehmen organisiert.

und speichern es. Die (geschätzte) Menge an Treibhausgasen, die durch diese Projekte redu-

Ohne Frage gibt es Sektoren (zum Beispiel die

ziert wird, kann sich das projektfinanzierende

Landwirtschaft) und Branchen in der Wirtschaft

Unternehmen gutschreiben und mit seinem ei-

(beispielsweise die Zementindustrie), in denen

genen THG-Ausstoß verrechnen. Theoretisch

es bisher keine technisch hinreichenden Lösun-

könnte ein Unternehmen also seine THG-Emis-

gen gibt, um den THG-Ausstoß weitestgehend

sionen in der eigenen Wertschöpfung nicht nur

44


Wie Unternehmen klimaneutral werden wollen und sollen

reduzieren, sondern sich mit Hilfe von Zertifika-

Kunden sind neben US-Konzernen wie Boeing

ten vollständig ‚freikaufen‘, ohne an der eigenen

und Disney auch deutsche Unternehmen wie

Produktionsweise etwas zu verändern. Die NGO

SAP und Bayer. Der italienische Modekonzern

Foodwatch hat diesen Mechanismus daher –

Gucci hat auf seiner Webseite damit gewor-

nicht ganz zu Unrecht – als „modernen Ablass-

ben, klimaneutral zu produzieren – auf Basis

handel“ gebrandmarkt (Foodwatch 2022: 9, 48).

von Verra-zertifizierten Zertifikaten. Kurz nach

So gibt es einige Konzerne wie die Modemarke

der Veröffentlichung von Zeit und Guardian hat

Gucci, die ihre Klimabilanz ausschließlich über

das Unternehmen diese ‚Information‘ wieder

solche Zertifikate finanziert haben. Die meisten

entfernt. Und der Verra-Vorstandschef hat in-

Unternehmen nutzen Klimaschutz-Zertifikate je-

zwischen sein Amt ohne Angabe von Gründen

doch ‚nur‘ partiell, um beim Klimaschutz besser

aufgegeben (Fischer/Knuth 2023b).

dazustehen. Der Zeit-Artikel beruft sich unter anderem auf Eine vollständige Finanzierung der Klimabilanz

zwei wissenschaftliche Studien, die Autor:innen

über Zertifikate ist auch nicht kompatibel mit

haben aber auch ausgiebig vor Ort und in Daten-

den Klimaschutzzielen des Pariser Abkommens

banken recherchiert. Ihr erschreckendes Ergeb-

von 2015. Mit dem Abkommen haben sich zu-

nis: 94 Prozent der Zertifikate dürften „wertlos“

dem viele Schwellen- und Entwicklungsländer

sein, weil mit ihnen de facto kein CO2 eingespart

verpflichtet, nationale Klimaschutzziele zu set-

worden sei. Ein gemeinsames Rechercheprojekt

zen und zu realisieren. Damit ist der ‚offene‘

des Online-Magazins Flip und der Wirtschafts-

Bereich für Zertifikate geschrumpft. Offiziell

woche agiert zwar nur auf der Basis einer Stich-

zumindest. Der Markt boomt dessen ungeach-

probe („Selbstversuch“), ist aber nicht minder

tet weiter. Was umso fataler ist, als sich der

aufschlussreich. Hier kauft der Autor äußerst

freie Markt für Klimaschutz-Zertifikate nicht nur

preisgünstig CO2-Zertikate für ein brasiliani-

als sehr intransparent, sondern obendrein als

sches Staudamm-Projekt im Online-Shop der

teilweise unseriös erwiesen hat. Wie Recher-

Vereinten Nationen. Die Zertifikate verkauft ein

chen der Wochenzeitung Die Zeit sowie des bri-

brasilianisches Handelsunternehmen, das sich

tischen Guardian zeigen, „wurden über Jahre

mehr oder minder als Briefkastenfirma ent-

offenbar Millionen CO2-Zertifikate verkauft, die

puppt. Zudem kommen bei einer Vor-Ort-Recher-

es nicht hätte geben dürfen. Die Recherchen le-

che durch den Journalisten starke Zweifel auf,

gen nahe, dass zahlreiche Waldschutzprojekte

ob das Projekt nicht auch ohne den Verkauf der

ihre Kompensation um ein Vielfaches überbe-

Zertifikate realisiert worden wäre (Dietsch 2023).

werteten, weil die Regeln des wichtigsten Zer-

Damit würde das Zertifizierungskriterium der so-

tifizierers auf dem Markt das zulassen – und

genannten Zusätzlichkeit nicht erfüllt werden.

die Aufsicht versagt.“ (Fischer/Knuth 2023a:

Was bedeutet, dass das Projekt nicht ohne den

19) Der besagte Zertifizierer heißt Verra und

zusätzlichen Anreiz eines Zertifikats in Angriff

kontrolliert rund 80 Prozent des Marktes. Seine

genommen worden wäre. 45


Konzerne im Klimacheck

Die Beispiele machen deutlich, dass es haupt-

gemeinhin als effektives Marketinginstrument,

sächlich an der Überprüfbarkeit und tatsäch­

um vor allem jüngere Generationen zu erreichen.

lichen Überprüfung der aufgestellten Kriterien

Deshalb ist der Anreiz hoch, sich als Unterneh-

mangelt. So gibt es zwar noch eine Reihe weite-

men mit diesen Etiketten zu schmücken oder für

rer Kriterien, um die Seriosität einer Maßnahme

einzelne Produkte den Eindruck zu erwecken, sie

zu prüfen, zum Beispiel:

würden klimaneutral hergestellt.

Das Projekt muss dauerhaften Charakter

Eine aktuelle Studie des Verbraucherzentrale

haben, mithin kein vorübergehendes Vor-

Bundesverband zeigt, dass das Etikett „Klima-

führ-Projekt sein und

neutral – CO2-kompensiert“, also basierend auf

die Umweltintegrität muss gewährleistet

zugekauften Zertifikaten, dabei noch größere

sein, das heißt das Projekt darf keine negati-

Imagegewinne erzielt als einfach nur „klimaneu-

ven sozialen Nebeneffekte haben – sich also

tral“, wahrscheinlich aus mangelnder Kenntnis

nicht negativ auf die Arbeits- und Lebensbe-

der Verbraucher:innen (Zühlsdorf et al. 2023:

dingungen der Menschen in der betroffenen

58). So hebt zum Beispiel der Mineralöl-Konzern

Region auswirken (vgl. Franck 2022; Kreibich

Shell hervor, dass er den Wert seiner THG-Emis-

et al. 2021: 14).

sionen (im Vergleich zu 2016) bis 2030 halbieren wolle. Der angegebene Wert bezieht allerdings

Erkennbar wird jedoch, welche genaue Prüfung

nicht die Emissionen mit ein, die durch die Nut-

notwendig ist, um beide Ansprüche fundiert

zung von Shells Mineralöl-Produkten entstehen.

evaluieren und einschätzen zu können. Wirt-

Werden diese mitbetrachtet, machen Autoab-

schaftsjournalist:innen sollten grundsätzlich

gase und Heizemissionen mehr als 90 Prozent

dem Einsatz von Klima-Zertifikaten kritisch ge-

der THG-Emissionen des Konzerns aus (Heuser/

genüber stehen und überprüfen, dass gemäß

Rohrbeck 2023; Shell o. D.)

der Definition von Klimaneutralität in Kapitel 3.2 höchstens ein einstelliger Prozentanteil an Zer-

Mit diesen Praktiken laufen Unternehmen aller-

tifikaten zum Erreichen des Null-Emission-Ziels

dings auch Gefahr, Vorwürfe des ‚Greenwashings‘

eingesetzt wird.

auf sich zu ziehen, sich also ein nachhaltiges Image zu geben, das nicht oder zumindest nicht

3.5 ‚Greenwashing‘ und wie die EU dagegen vorgehen will

vollständig den Tatsachen entspricht. Greenwashing ist mittlerweile zu einem gesellschaftspolitischen Problem geworden, jedenfalls aus Sicht

Trotz aller fragwürdigen Praktiken auf dem ‚frei-

von Bundesumweltministerin Steffi Lemke. „Fakt

en‘ Zertifikate-Markt scheinen viele Unterneh-

ist: Wir erleben seit einiger Zeit eine regelrechte

men gern zuzugreifen. Mit Begriffen wie ‚bio‘,

Flut an Greenwashing“, sagte die Umweltminis-

‚nachhaltig‘ oder ‚klimaneutral‘ zu werben, gilt

terin im Mai 2023 in einem Interview mit Zeit

46


Wie Unternehmen klimaneutral werden wollen und sollen

Online und Flip. „Es gibt massive Versuche, die

diese vor allem eine Reaktion auf verstärkten

eigenen Gewinne zu steigern, indem mit frag-

öffentlichen Druck ist, beispielsweise vonseiten

würdigen Umweltversprechen geworben wird.“

der Klima-Bewegung. Wahrscheinlich haben die

(Heuser/Rohrbeck 2023)

Erwartungen von Investor:innen sogar eine noch größere Rolle gespielt. Entscheidend ist jedoch,

Bereits jetzt haben Unternehmen und Verbän-

dass sich langsam aber sicher eine ganzheit­liche

de die Möglichkeit, über das Gesetz gegen

Betrachtung von Unternehmen Bahn bricht, was

unlauteren Wettbewerb gegen falsche Werbe-

sich beispielweise in der EU-Taxonomie und im

sprechen, also auch gegen Greenwashing, ju-

ESG-Konzept niederschlägt.

ristisch vorzugehen. Eine neue Richtlinie der EU-Kommission wird die Werbung mit umwelt-

Während sich viele Unternehmen in Richtung

bezogenen Aussagen allerdings noch stärker

eines ganzheitlichen Selbstverständnisses ent-

und spezifischer regulieren. Nach der „Green

wickeln, heften sich inzwischen noch mehr

Claims Directive“ vom März 2023 müssen Unter-

Unternehmen die Labels ‚nachhaltig‘ oder so-

nehmen künftig den ökologischen Nutzen eines

gar ‚klimaneutral‘ an, weil es dem Zeitgeist ent-

Produkts verständlich und präzise formulieren

spricht und Vorteile im Marketing bringt. Wie

und diesen Nutzen außerdem unabhängig wis-

gezeigt wurde, ist ‚Klimaneutralität‘ aber ein

senschaftlich nachweisen. Allerdings muss die

recht dehnbarer Begriff – vor allem in Bezug auf

EU-Richtlinie noch vom Rat der Europäischen

Unternehmen. Strikt ausgelegt bedeutet Klima-

Union und vom Europäischen Parlament ver-

neutralität, dass ein Unternehmen sämtliche

abschiedet werden und dürften in diesem Pro-

Treibhausgas-Emissionen (inklusive Methan,

zess eher aufgeweicht als verschärft werden.

Lachgas etc.) auf Null herunterfährt und dieses

Die nationale Umsetzung der Richtlinie wird

Ziel ausschließlich durch die technische Re-

wahrscheinlich erst ab 2025 erfolgen (Courten

duktion und/oder Einsparung klimaschädlicher

2023).

Emissionen erreicht.

3.6 Zwischenbilanz

Großzügig interpretiert lässt sich der Begriff allerdings auch so verstehen, dass ein Unterneh-

Bei vielen Unternehmen hat sich das Selbst-

men rein rechnerisch seine CO2-Emissionen auf

verständnis darüber, was ein Unternehmen ist

Null reduziert, dies also allein über den Erwerb

bzw. sein sollte, mit der Zeit gewandelt – von

von Klimaschutz-Zertifikaten auf dem ‚freien‘

einer reinen ‚Transaktionsmaschine‘ hin zu ei-

Markt erreichen kann. In einigen Branchen lässt

nem Sozialgefüge mit großem Einfluss auf die

sich dieser Offsetting genannte Vorgang kaum

Außenwelt, gerade auch auf das Klima. Man

vermeiden, in den meisten anderen kommt die-

mag die Ernsthaftigkeit dieser Positionierung

ses Prozedere jedoch einem modernen Ablass-

bezweifeln und kann darauf verweisen, dass

handel gleich, denn die ‚Klimasünden‘ werden

47


Konzerne im Klimacheck

nicht abgestellt, sondern einzig bezahlt – und

ren Gesamtzahl über die nächsten zweieinhalb

dies offenbar zu Vorzugspreisen.

Jahrzehnte kontinuierlich verringert wird. Auf Bundesebene gibt es (abgesehen von wenigen

Wer zumindest auf dem Papier ‚klimaneutral‘ ist,

Ausnahmen) nur Zielvorgaben für grob definierte

setzt dieses Label gerne für sein eigenes Marke-

Sektoren wie Verkehr und Industrie. Eine Steue-

ting ein, um vor allem jüngere, klimabewusste

rung erfolgt allein über die jeweils zuständigen

Zielgruppen zu erreichen. Wenn sich die ‚Um-

Ministerien. Damit überlässt die Politik den ein-

rechnung‘ insbesondere auf einzelne Produkte

zelnen Unternehmen viel Freiheit und Verantwor-

bezieht, sind werbliche Behauptungen wie ‚kli-

tung.

maneutral produziert‘ in ethischer Hinsicht problematisch, wenn nicht gar rechtlich bedenklich.

Eine Stellschraube gegenüber Unternehmen –

Die EU-Kommission hat deshalb eine Richtlinie

und ein reicher Fundus für eine klimabewusste

gegen ‚Greenwashing‘ auf den Weg gebracht –

Unternehmensberichterstattung – besteht aller-

die allerdings erst ab ca. 2025 in Deutschland

dings in der Transparenzpflicht. So hat die EU

greifen dürfte. Sobald das Greenwashing kon-

sukzessive eine obligatorische Dokumentation

sequent unterbunden wird, wird sich auch das

eingeführt, in deren Rahmen zunächst Großun-

Vertrauen von Wirtschaftsjournalist:innen ge-

ternehmen jährliche Nachhaltigkeitsberichte mit

genüber Unternemensangaben erhöhen und so

qualitativen Aussagen und quantitativen Anga-

möglicherweise eine größere Neigung entste-

ben vorlegen müssen. 2023 hat die EU-Kommis-

hen, verstärkt Klimaaspekte in die Unterneh-

sion die Berichtspflicht ausgeweitet, sodass

mensberichterstattung einzubinden.

in einigen Jahren in Deutschland schätzungsweise 15.000 Unternehmen Angaben zu Klima,

Die EU-Kommission agiert darüber hinaus als

Sozialem und Unternehmensführung machen

Treiber für die grüne Transformation, allerdings

müssen. Auf den letzten Metern ist die Berichts-

stets unter starker Berücksichtigung von Wirt-

pflicht zwar noch verwässert worden – gerade

schaftsinteressen. Immerhin: Bis 2050 will die

in Hinblick auf einheitliche Angaben. Doch ins-

Europäische Union als erster Kontinent volle

gesamt zeichnet sich ab, dass Journalist:innen

Klimaneutralität erreichen, Deutschland sogar

künftig einen deutlich besseren Zugang und eine

schon bis 2045. Die EU setzt bei besonders

breitere Datenbasis für den Klimacheck von Un-

energieintensiven Branchen an, die im Rahmen

ternehmen haben werden. Ein Potential, das un-

des Europäischen Emissionshandelssystems

bedingt für die Unternehmensberichterstattung

Verschmutzungsrechte erwerben müssen, de-

genutzt werden sollte.

48


Integrated Business Reporting: Indikatoren zur Messung der Öko-Bilanz eines Unternehmens

4 Integrated Business Reporting: Indikatoren zur Messung der Öko-Bilanz eines Unternehmens Wie klimafreundlich agieren Unternehmen jen-

teil dieses sogenannten Offsetting zu recher-

seits öffentlichkeitswirksamer Aktionen, mit

chieren (Kapitel 4.3).

denen sie sich als besonders grün und nachhaltig präsentieren wollen? Wie zielführend ist

Das ‚Klima-Bild‘ eines Unternehmens lässt sich

die Klimastrategie eines Unternehmens? Um

durch weitere Öko-Indikatoren abrunden: Die

diese und ähnlich gelagerte Fragen beantwor-

Konformität von Investitionen mit der EU-Taxono-

ten zu können, ist es notwendig, eine quantitativ

mie, den Wasserverbrauch, die Energieeffizienz,

basierte Analyse vorzunehmen und in das ein-

die Recyclingquote und andere. Die Informatio-

schlägige Zahlenwerk einzusteigen. Die zentrale

nen und Zahlenwerte finden sich in den Nachhal-

Größe für den Klima-Check eines Unternehmens

tigkeitsberichten und integrierten Berichten von

ist der Ausstoß von Treibhausgasen pro Zeitein-

Unternehmen. Eine Stichprobe zeigt allerdings,

heit (zum Beispiel ein Jahr). Dabei werden diese

dass sie dort mitunter nur bruchstückhaft do-

Werte in die sogenannten Scopes 1 bis 3 diffe-

kumentiert sind (vgl. Kapitel 4.4). In Kapitel 4.5

renziert, die die jeweiligen Emissionsquellen in-

wird nicht nur eine Zwischenbilanz gezogen,

nerhalb des Unternehmens und außerhalb des

sondern auch eine Matrix für einen Klima-Check

Unternehmens berücksichtigen (Kapitel 4.1).

entwickelt, die die zuvor diskutierten Kriterien zusammenführt. Die Matrix dient als grundlegen-

Um fundierte Bewertungen vornehmen zu kön-

de Orientierungshilfe für ein Integrated Business

nen, müssen die THG-Werte eines Unternehmens

Reporting.

allerdings über einen längeren Zeitraum betrachtet werden. Um Klimabewusstsein und -strategie von Unternehmen beurteilen zu können, sollten auch Wettbewerber einer Branche miteinander

4.1 Scope 1-3: Der absolute Ausstoß an Treibhausgasen

verglichen werden. Eine sinnvolle Messgröße

Wenn Klimaneutralität als Netto-Null-Emission

bildet dazu die „Emissionsintensität“, die den

von Treibhausgasen eines Unternehmens de-

jährlichen THG-Ausstoß ins Verhältnis zur Größe

finiert wird (vgl. Kapitel 3.2), dann erscheint

des jeweiligen Unternehmens setzt, abgebildet

es nur folgerichtig zu messen, wie weit dieses

über den Jahresumsatz (Kapitel 4.2). Da relativ

Unternehmen von diesem Ziel noch entfernt ist

viele Konzerne ihre THG-Emissionen bilanziell

oder sich ihm schon angenähert hat. Im Umkehr-

durch gekaufte CO2-Zertifikate kompensieren

schluss bedeutet dies: Der zentrale Indikator ist

(vgl. Kapitel 3.5), erscheint es geboten, den An-

die absolute Menge an Treibhausgasen (CO2 und

49


Konzerne im Klimacheck

andere), die das Unternehmen innerhalb eines

Business Council for Sustainable Development/

bestimmten Zeitraums ausstößt.

World Resources Institute 2004).

Die „THG-Bilanz“ eines Unternehmens lehnt

Bei den THG-Emissionen wird zwischen drei Ar-

sich an das Greenhouse Gas Protocol (GHG

ten unterschieden:

Protocol) von 2001 an und gilt als international etablierter Standard, an dem sich die meisten

Scope 1: Umfasst alle direkten Emissionen des

großen Unternehmen orientieren. Im internatio-

Unternehmens (Verbrennung fossiler Energieträ-

nalen Kontext wird bei Unternehmen auch vom

ger, Herstellungsprozess von Gütern und Dienst-

„Corporate Carbon Footprint“ gesprochen. Das

leistungen, vorgelagerte Transporte und Distri-

GHG Protocol hat der US-amerikanische Think

bution etc.).

Tank World Resources Institute gemeinsam mit dem wirtschaftsnahen World Business Council

Scope 2: Bündelt alle indirekten Emissionen aus

for Sustainable Development entwickelt (World

zugekauften Energien (Strom, Wärme, Kälte).

Abbildung 2:

Schematische Darstellung der Emissionsquellen Scope 1-3 bei Gerry Weber

CO2 & weitere Emissionen Geschäftsreisen

Vermietete Objekte

Abfälle aus dem Betrieb Gemietete Objekte

Transport (nachgelagert)

Brennstoff- oder Energiebezogene Emissionen

Weiterverarbeitung

kt

kt

ire

ind e3 Sc op

ire

Quelle: Gerry Weber (2023: 37), eigene Darstellung.

ind

Vorgelagerte Wertschöpfungskette

Direkte Emissionen des Fuhrparks

e3

Eingekaufter Strom für den Eigenbedarf

Direkte Emissio­ nen aus Einrichtungen des Unternehmens

op Sc

Eingekaufte Güter und Dienstleistungen

Eingekaufte Wärme, Dampf und Kühlung

Scope 1 indirekt

Nutzung der verkauften Produkte

Scope 2 indirekt

Anfahrt der Mitarbeitenden

Transport (vorgelagert)

50

Franchise Betriebe

GERRY WEBER

Nachgelagerte Wertschöpfungskette


Integrated Business Reporting: Indikatoren zur Messung der Öko-Bilanz eines Unternehmens

Scope 3: Berücksichtigt alle Emissionen der vor-

Das Bilden von Näherungswerten ist nicht die ein-

und nachgelagerten Wertschöpfungskette. Da-

zige (mögliche) Kritik am GHG-Ansatz. Des Weite-

bei wird unterschieden zwischen:

ren wird oft angeführt, dass er zu grobkörnig und damit lückenhaft sei. Und dass die Unternehmen

Upstream (vorgelagert): THG-Emissionen aus

quasi nach Belieben bestimmen könnten, wie und

den sogenannten Vorketten, die aus der Her-

in welchem Umfang sie ihre THG-Werte ermitteln

stellung von Roh- und Grundstoffen entste-

(vgl. dazu auch Kapitel 3.3). So können Unter-

hen (etwa Kunststoffe, Stahl, Aluminium),

nehmen beispielsweise selbst definieren, wo ihre

sowie Emissionen aus der Abfallbehandlung

‚Außengrenzen‘ verlaufen. Da die Ermittlung und

inkl. der Entsorgung verkaufter Endprodukte.

Veröffentlichung der Scope 3-­Emissionen freiwil-

Außerdem Geschäftsreisen und Arbeitswege

lig ist, hätte ein Unternehmen somit die Möglich-

der Beschäftigten von Zuhause zur Arbeits-

keit, zumindest einen Teil seiner Scope 1- und

stätte und zurück.

Scope 2-Emissionen definitorisch und rechne-

Downstream (nachgelagert): Emissionen, die

risch in den Scope 3-Bereich auszulagern. Und

durch Transporte und Nutzung der verkauf-

nicht alle Unternehmen geben öffentlich Auskunft

ten Endprodukte sowie durch deren Recycling

über ihre Scope 3-Emissionen (Franck 2022; Gro-

entstehen.

the/Teller 2021: 7).

Der Modehersteller Gerry Weber aus dem west-

Die Kritikpunkte mögen größtenteils berechtigt

fälischen Halle stellt in seinem Nachhaltigkeits-

sein. Fakt ist jedoch: Die erdrückende Mehrheit

bericht 2022 dar, aus welchen Quellen die ver-

der Unternehmen in Deutschland wie weltweit

schiedenen Scope 1-3-Emissionen kommen (sie-

arbeitet mit den GHG-Protokoll-Standards. Al-

he Abbildung 2). Diese Quellen sind weitgehend

ternative Ansätze haben sich bisher noch nicht

typisch für Unternehmen.

durchgesetzt. Andere Zugänge zu unternehmensspezifischen Daten existieren nicht. So lautet die

In den meisten Fällen werden die THG-Emissio­

Erkenntnis unter Abwägung aller Faktoren: Für

nen nicht in vollem Umfang direkt vor Ort ge-

Wirtschafts- und Finanzjournalist:innen bleibt

messen. Die Werte werden vielmehr auf Basis

es das Mittel der Wahl, auf die Scope 1-3-Werte

des tatsächlichen Verbrauchs von Brennstoffen

zurückzugreifen, wenn sie die Öko-Bilanz eines

und emissionserzeugender Aktivitäten des je-

Unternehmens bewerten wollen. Dabei sollten

weiligen Unternehmens berechnet. Dafür wer-

ihnen die Unzulänglichkeiten dieser Methode

den sogenannte Emissionsfaktoren angesetzt,

stets bewusst sein. Eine vertrauensbildende

aus denen der THG-Ausstoß ermittelt wird. Es

Maßnahme von Seiten der Unternehmen bestün-

handelt sich also nicht um punktgenau reale,

de sicherlich darin, ihre Klimabilanz von einem/

sondern um Näherungswerte.

einer externen Prüfer:in testieren zu lassen. Eine

51


Konzerne im Klimacheck

neue EU-Richtlinie zur Berichtspflicht sieht dies

Insofern erscheint also immer die Gesamtschau

auch für die Zukunft vor (vgl. Kapitel 3.4).

von Scope 1, 2 und 3 sinnvoll, wenn nicht gar zwingend. Folglich sollte von journalistischer

Die Debatte – gerade um die Scope 3-Werte –

Seite immer überprüft werden, ob der von ei-

kommt nicht von ungefähr. So zeigt ein Blick

nem Unternehmen angegebene Gesamtwert des

auf Tabelle 4, dass der THG-Fußabdruck der

THG-Ausstoßes auch tatsächlich Scope 1 bis 3

Deutschen Bahn sich zu zwei Dritteln aus Sco-

umfasst und nicht nur Scope 1 und 2. Vorsicht

pe 3-Emissionen zusammensetzt. Dies ist bei

ist auch angesagt, wenn Unternehmen neue Kli-

den meisten Unternehmen der Fall, vor allem in

maziele ausrufen. Dann ist zu checken, ob diese

den Branchen Logistik und Verkehr. So entste-

auch Scope 3 berücksichtigen. Auch das ist nicht

hen zum Beispiel bei Autos rund ein Drittel der

immer der Fall, wird von Unternehmensseite je-

Emissionen bei der Herstellung (Scope 1 und 2),

doch längst nicht so klar und offensiv kommuni-

zwei Drittel erst während der Nutzungsphase

ziert wie das vermeintlich ambitionierte Klima-

(Scope 3). Es gibt aber auch Branchen, in denen

ziel.

die Verteilung umgekehrt ist: Ein Hersteller von Dämmmaterialien dürfte einen hohen THG-Aus-

Einige Klimawissenschaftler:innen wie Kreibich

stoß bei seiner Herstellung und in den vorgela-

et al. (2021: 10) sehen die Berücksichtigung

gerten Produktionsstufen haben. Der praktische

der Scope 3-Werte eher skeptisch, weil sie die

Einsatz der klimaschädlich produzierten Dämm-

Gefahr der Doppelzählung in sich trügen. So

stoffe dürfte sich aber positiv auf die Klimabilanz

würde dann zum Beispiel die Auslieferung von

privater Haushalte auswirken und damit einen

Kleidungsstücken an Händler in der Klimabilanz

tendenziell niedrigen Scope 3-Wert erzeugen.

eines Modeherstellers erscheinen, aber eben auch beim beauftragten Logistik-Unternehmen.

Tabelle 4:

Der Klimawissenschaftler Jens Teubler hält dem

THG-Bilanz der Deutsche Bahn AG im Jahr 2022 (in Millionen Tonnen CO2-Äquivalente)

entgegen, dass es bei der Berücksichtigung von Scope 3 vor allem um einen „Perspektivwechsel“ gehe, der die Folgewirkungen einzelner

Scope 1

3,07

Scope 2

3,05

Scope 3

12,11

Gesamtmenge

17,92

Quelle: Deutsche Bahn (2023: 78), eigene Darstellung.

52

Wertschöpfungsprozesse nachvollziehbar und messbar machen solle. Bei einer gesamtwirtschaftlichen Bilanzierung von THG-Emissionen der Wirtschaft fällt dieser Perspektivwechsel weg, hier müssen Doppelzählungen – die auch für Scope 2-Emissionen anfallen können – vermieden werden (vgl. Franck 2022).


Integrated Business Reporting: Indikatoren zur Messung der Öko-Bilanz eines Unternehmens

Interview

„Wie hält es die Telekom mit dem Klima, Frau Kubin?“ Viele Unternehmen werben mit ihrer Nachhaltig-

wickelt, die in Hinblick auf ihre Nachhaltigkeit

keit. Doch wie laufen die Prozesse hinter den Ku-

überprüft werden müssten? Wir passen also kon-

lissen, im Unternehmen selbst, ab? Ein Interview

tinuierlich an und schärfen immer wieder nach.

mit Melanie Kubin-Hardewig, Konzernverantwortliche für Nachhaltigkeit bei der Deutschen

Nehmen Sie dabei auch externe Expertise in An-

Telekom. Das Interview wurde am 10. August

spruch?

2023 per Videokonferenz geführt.

Wir arbeiten mit Beratungsfirmen und Wissenschaftler:innen zusammen, engagieren uns aber

Frau Kubin-Hardewig, wie legt die Deutsche

auch in Verbänden, um bei dem Thema vorne

Tele­kom ihre Klimastrategie fest?

dabei zu sein. Das ist schon seit vielen Jahren

Wir setzen uns schon seit den 1990er Jahren

unser Anspruch.

strategische Klimaziele und berichten seit fast zehn Jahren sehr umfangreich darüber. Im Haus

Welche Rolle spielt dabei Telekom-Chef Hött-

haben wir speziell für das Klima ein kleines

ges? Hat er bestenfalls ein offenes Ohr für Ihre

Team, das aber mit allen anderen Abteilungen

Anliegen? Oder gibt er selbst Impulse?

des Konzerns zusammenarbeitet. Sei es mit dem

Das geht in beide Richtungen. Tim Höttges gibt

Einkauf, dem Controlling oder dem Reporting.

selbst Anregungen wie übrigens auch andere

Wie bei einem klassischen Strategieprozess fin-

Vorstandsmitglieder. Wir gehen aber natürlich

den regelmäßig Reviews statt.

auch auf den Vorstand zu, denn unsere Aufgabe besteht darin, Trends zu erkennen und zu analy-

Was passiert da genau?

sieren. Das Thema Nachhaltigkeit ist zudem eine

Kontinuierlich, aber bezüglich der Klimastrate-

Angelegenheit des Vorstands. Entscheidungen,

gie spätestens alle zwei Jahre überprüfen wir,

wie zum Beispiele neue Klimaziele, werden dort

welche neuen strategischen Themen kommen

getroffen. Die Wege sind übrigens kurz, denn un-

von außen auf uns zu, was machen Zulieferer

ser Bereich ist direkt dem Vorstand zugeordnet.

und Wettbewerber auf dem Feld, was wünschen sich die Konsument:innen und, natürlich, was

Das klingt nach einem einfachen Job und nicht

hat sich zwischenzeitlich bei uns getan. Haben

nach dicken Brettern, die durchbohrt werden

sich beispielsweise neue Geschäftsmodelle ent-

müssen.

53


Konzerne im Klimacheck

Bei einem Thema, das in einem Unternehmen

wir sind natürlich durch die steigende CO2-Be-

auch mit weiteren Zielsetzungen konkurriert,

preisung für Heizen und Verkehr betroffen. Wir

müssen Sie Wege finden, wie Sie Türen öffnen

haben zudem staatliche Vorgaben für die Ener-

und Alliierte finden, wie Sie mit Ihren Ideen über-

gieeffizienz, was vor allem unsere Rechenzen­

zeugen. Sie müssen aber auch akzeptieren, dass

tren betrifft. Und es gibt eine zunehmende Pro-

es beim Thema Nachhaltigkeit oft verschiedene

duktregulierung in Richtung Kreislaufwirtschaft

Wege zum Ziel gibt.

und Abfallvermeidung.

Die Deutsche Telekom gehört als Dienstleister

Macht das die Produkte dann nicht teurer?

zu den weniger energieintensiven Unterneh-

Nicht unbedingt. Wir engagieren uns seit Jah-

men. Haben Sie weitgehende Freiheit darin, wie

ren für nachhaltige Produktverpackungen. So

nachhaltig Sie agieren bzw. wie ambitioniert die

haben wir zunächst einen Standard für unse-

Klimaziele sind, die Sie sich setzen? Anders for-

re hauseigenen Produkte gesetzt: Kein Plastik

muliert: Werden Sie als Telekom so gut wie gar

mehr, keine Mineralölfarben, möglichst wenig

nicht staatlich reguliert?

Innenverpackung, alles recycelbar. Da kam an-

Eine staatliche Regulierung sollte meiner An-

fänglich auch die Frage auf, ob Seidenpapier

sicht nach nur immer dann stattfinden, wenn

nicht mehr Geld koste als ein Plastik-Layer.

die Marktakteure keine vernünftige Selbstregu-

Aber wir haben bisher bei nur einem einzigen

lierung hinbekommen. In der Tat sind wir nicht

Produkt wirklich ein Kostenthema gehabt, das

verpflichtet, am europäischen und deutschen

unsere Designer dann aber auch lösen konn-

Handel für Emissionsrechte teilzunehmen. Aber

ten.

4.2 THG-Vergleiche innerhalb und zwischen Unternehmen

ten. Entweder haben die Journalist:innen selbst den Vorjahreswert parat oder – noch besser – das betreffende Unternehmen stellt offensiv

Wenn die Werte über den THG-Ausstoß von Un-

Vergleichswerte und Veränderungsraten zur Ver-

ternehmen regelmäßig(er) publiziert werden,

fügung. Bis es soweit ist, sollten klimabewuss-

werden Wirtschaftsjournalist:innen sehr schnell

te Wirtschaftsjournalist:innen darauf drängen,

beurteilen können, ob der Scope-Wert des Vor-

diese Zahlen künftig automatisch von den Un-

jahres eines Unternehmens eine positive oder

ternehmen zur Verfügung gestellt zu bekommen.

negative Entwicklung darstellt – ähnlich wie bei

Bis auf Weiteres müssen und können sie die

Umsatz und Gewinn von Unternehmen, die sie

THG-Werte allerdings in den einschlägigen Doku-

bereits über einen längeren Zeitraum beobach-

menten selbst recherchieren (siehe Info-Kasten).

54


Integrated Business Reporting: Indikatoren zur Messung der Öko-Bilanz eines Unternehmens

die Scope 1-3 von vornherein eigeninitiativ Wo können Zahlen zum THG-Ausstoß

veröffentlichen.

recherchiert werden? Bisher veröffentlichen nur wenige Unter-

Dies ist oft unvermeidbar, wenn man – zumal

nehmen aus eigener Initiative offensiv ihre

längere – Zeitreihen erstellen möchte, um mit-

Scope 1-3-Bilanzen, zum Beispiel im Rahmen

tel- bis längerfristige Entwicklungen aufzeigen

ihrer Bilanzpressekonferenz. Dies dürfte sich

zu können. Dazu noch einmal zurück zum Bei-

allerdings im Laufe der nächsten Jahre än-

spiel Deutsche Bahn. Der integrierte Bericht der

dern, wenn das ‚Klima-Thema‘ auch für Unter-

DB AG für das Geschäftsjahr 2022 zieht zwar

nehmen zunehmend an Relevanz gewinnt.

rein prozentuale Vergleiche der Jahre 2018 bis 2022 mit dem Basisjahr 2006, absolute Zahlen

Die Scope-Werte befinden sich meist im

werden jedoch nur für den Zeitraum 2020 bis

nicht-finanziellen Teil der Geschäftsberichte

2022 angegeben (Deutsche Bahn 2023: 69, 78).

von Unternehmen, wo sie auch erläutert und

Die Deutsche Bahn hat als Ziel ausgegeben, bis

kommentiert werden. Sie werden bei größe-

2040 klimaneutral zu werden, also eine Netto-­

ren Unternehmen aber spätestens mit dem

Null-Emissionsbilanz vorweisen zu können. Ein

Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. In inte-

relativ ambitioniertes Ziel, denn die Bundes­

grierten Geschäftsberichten sind sie auf je-

republik im Ganzen soll erst fünf Jahre später

den Fall enthalten.

klimaneutral werden.

Für Wirtschaftsjournalist:innen ist die Recher-

Um eine längere Entwicklung bei den Scope-Wer-

che der Scope-Werte mit einem gewissen Auf-

ten aufzeigen zu können, müssen folglich auch

wand verbunden, der vor allem hinderlich ist,

frühere integrierte Berichte der Deutschen Bahn

wenn sie tagesaktuell unter Zeitdruck arbei-

konsultiert werden. Abbildung 3 zeigt, wie sich

ten. Hierbei können aber KI-Software-Tools

der THG-Ausstoß (Scope 1-3) bei der Deutschen

behilflich sein, die auch pdf-Dokumente sys-

Bahn in den vergangenen zehn Jahren verändert

tematisch durchkämmen. Der Einsatz dieser

hat.

Tools ist vor allem dann sinnvoll, wenn Vergleichswerte über mehrere Jahre innerhalb ei-

Die Abbildung verdeutlicht, dass die Deutsche

nes Unternehmens bzw. zwischen Unterneh-

Bahn ihren THG-Ausstoß in den vergangenen

men ermittelt werden sollen (vgl. Kapitel 4.2).

zehn Jahren keineswegs konsequent verringert

Denn dafür müssen mehrere pdf-Dokumente

hat. Eine positive Entwicklung setzt erst ab 2017

ausgelesen werden.

ein. Lag der THG-Ausstoß 2012 bei 21,85 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, so schwankte der

Die einfachste Variante für den Klima-Check

Wert in den Folgejahren, um sich bis 2017 auf

besteht freilich darin, dass die Unternehmen

einen Höchststand von 22,0 Millionen Tonnen 55


Konzerne im Klimacheck

CO2-Äquivalente einzupendeln. Bis 2022 sank

dahinter‘ zu recherchieren und zu erzählen, das

er auf 17,92 Millionen Tonnen CO2-Äquivalen-

heißt die quantitativen Werte mit den qualitati-

te, also um knapp 20 Prozent. Wenn die Bahn

ven Hintergründen anzureichern.

die CO2-Ausstoß Verminderung im Tempo von 2012–2022 fortschreibt, erreicht sie erst 2069

Ein Benchmarking, also der Vergleich auf Grund-

die Null-CO2-Emissionsgrenze (bei einer Ver-

lage einer festgelegten Bewertungssystematik,

minderung wie 2017–2022 im Jahre 2042, eigene

liegt natürlich auch nahe. So lassen sich die

Berechnung).

Werte beispielsweise mit den eigenen Prognosen der Deutschen Bahn abgleichen. Die Bahn

Besonders auffällig ist allerdings der ‚Corona-Ef-

hat im Rahmen ihrer Klima- und Umweltstrategie

fekt‘ im Jahr 2020: Wie in der gesamten deut-

außerdem noch weitere Ziele ausgegeben. Dazu

schen Wirtschaft hat hier ein Einbruch der wirt-

zählen unter anderem:

schaftlichen Aktivitäten infolge der Pandemie auch zu spürbar niedrigeren Emissionen geführt.

Bis 2030 sollen die ‚spezifischen‘ – also al-

Die Zahlenreihen sprechen einerseits für sich.

lein auf die Verkehrsleistung bezogenen –

Andererseits laden sie dazu ein, die ‚Geschichte

THG-Emissionen halbiert werden.

Abbildung 3:

THG-Ausstoß der Deutschen Bahn AG 2012–2022 (in Millionen Tonnen CO2-Äquivalente) 25

Millionen Tonnen CO2

20 15 10 5

Scope 1

Scope 2

20 22

20 21

20 20

20 19

20 18

20 17

20 16

20 15

20 14

20 13

20 12

0

Scope 3

Quellen: Deutsche Bahn (2023: 78); Deutsche Bahn (2021: 260); Deutsche Bahn (2019: 263); Deutsche Bahn (2017: 275); Deutsche Bahn (2015: 275), eigene Darstellung.

56


Integrated Business Reporting: Indikatoren zur Messung der Öko-Bilanz eines Unternehmens

Ebenfalls bis 2030 will die Bahn den Anteil

Eine weitere Möglichkeit, THG-Werte nicht nur

Erneuerbarer Energien am DB-Bahnstrommix

isoliert zu betrachten, besteht in Branchenver-

auf 80 Prozent erhöhen.

gleichen. Wie klimafreundlich produzieren ein-

Bis spätestens 2038 sollen alle Eisenbahn-

zelne Unternehmen in einer Branche? Welche

unternehmen der Deutschen Bahn (also Per-

Wettbewerber schaffen es, ihren THG-Ausstoß

sonennah- und -fernverkehr sowie Güterver-

kontinuierlich zu reduzieren – und welche nicht?

kehr) auf Ökostrom umgestellt werden.

Wie gerade beim ‚Corona-Effekt‘ der Deutschen

Ab 2025 werden alle Werke, Gebäude und

Bahn zu sehen war, führt geringere wirtschaft-

Bahnhöfe der DB AG vollständig mit Ökostrom

liche Aktivität und damit weniger Umsatz – in

versorgt.

absoluten Zahlen gerechnet – auch zu einem niedrigeren THG-Ausstoß. Um folglich sinnvolle

Für einen Check, wie gut oder schlecht die Deut-

Vergleiche zwischen Unternehmen zu ermög­

sche Bahn auf dem Weg zu diesen Einzelzielen

lichen, muss der THG-Ausstoß ins Verhältnis

ist, sind die Scope 1-3-Werte zu grobkörnig. Hier

zum Umsatz des Unternehmens gesetzt werden.

muss man tiefer in den integrierten Berichten der

Diese Größe lässt sich als „Emissionsintensität“

Deutschen Bahn recherchieren.

(Zepelin 2022) bezeichnen.

Tabelle 5:

THG-Ausstoß, Umsatz und Emissionsintensität führender deutscher Energieerzeuger (2020–2022)* Unternehmen/Jahr

2020

2021

2022

Scope 1-3 (in Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten)

60,1

77,7

55,7

Umsatz (Mrd. €)

19,7

32,1

56

Emissionsintensität (CO2/Mrd. €)

3,1

2,42

0,99

Scope 1-3 (in Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten)

93,2

112,3

114,5

Umsatz (Mrd. €)

13,7

24,6

38,4

Emissionsintensität (CO2/Mrd. €)

6,8

4,57

2,98

Scope 1-3 (in Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten)

115,3

108

86,8

Umsatz (Mrd. €)

60,9

77,4

115,7

Emissionsintensität (CO2/Mrd. €)

1,9

1,39

0,75

EnBW

RWE

E.ON

Quellen: EnBW (2023c: 305); E.ON (2023: 338); RWE (2023: 7). *Uniper als größter Anbieter (Umsatz 2022: 274 Milliarden Euro) fehlt in diesem Vergleich, da es hier für 2020 keine ver­gleichbaren Scope 3-Daten gab.

57


Konzerne im Klimacheck

Ein Vergleich der Emissionintensitäten erfolgt in

THG-Ausstoß verantwortlich ist und welche Fort-

Tabelle 5 am Beispiel führender Konzerne der

schritte die Unternehmen zwischen 2020 und

Energiebranche. So weist E.ON 2020 zwar in ab-

2022 dabei gemacht haben, ihre Produktion auf

soluten Zahlen noch den höchsten THG-Ausstoß

Erneuerbare Energien umzustellen.

aus, macht aber auch bei weitem den höchsten Umsatz. Bereits ab 2021 ändert sich das Bild:

Dies sind sicher nur erste, relativ einfache Fin-

RWE wird absolut zur größten ‚CO2-Schleuder‘,

gerübungen für ein Integrated Business Repor-

obwohl es nur ein Drittel des Umsatzes von

ting, das den Klima-Faktor beim wirtschafts-

E.ON macht. Relativ betrachtet – gemessen am

journalistischen Berichten über Unternehmen

THG-Ausstoß pro ‚Umsatzmilliarde‘ (pro eine

berücksichtigt. Es geht zweifellos noch aus-

Milliarde Euro Umsatz) – produziert RWE durch-

gefeilter, was allerdings auch den Aufwand

gehend am umweltschädlichsten, weist also die

deutlich erhöht. So hat das Wirtschaftsmaga-

höchste Emissionsintensität auf.

zin Capital 2021 und 2022 zusammen mit dem Marktforschungsunternehmen Statista ein

Abbildung 4 zeigt die Emissionsintensität der

Ranking der 100 klimafreundlichsten Unter-

Konzerne im direkten Vergleich. Dadurch lässt

nehmen vorgenommen. Dazu wurden Emissi-

sich noch einmal sehr plastisch darstellen, wel-

onsdaten von mehr als 2.000 börsennotierten

cher der drei Player für den relativ niedrigsten

Unternehmen, großen Mittelständlern und Fami-

Abbildung 4:

Die Emissionsintensität führender deutscher Energieerzeuger 2020–2022 (Millionen Tonnen CO2-Äquivalente/Milliarde Euro Umsatz) 8

6,8

Emissionsintensität

7 6

4,57

5 4 3

3,1 1,9

2

2,98

2,42 1,39

1 0

2020

2021 EnBW

RWE

2022 E.ON

Quelle: EnBW (2023c: 305); E.ON (2023: 338); RWE (2023: 7), eigene Darstellung.

58

0,75

0,99


Integrated Business Reporting: Indikatoren zur Messung der Öko-Bilanz eines Unternehmens

lienunternehmen ausgewertet (Zepelin 2022;

Gerade mit den beiden letzten Punkten werden

Zepelin 2021).

zwei wichtige Komponenten für einen Umweltcheck von Unternehmen thematisiert. Beim Car-

Neben dem Ranking (vgl. Tabelle 6) lautete eines

bon Disclosure Project (CDP) handelt es sich um

der Hauptergebnisse der Auswertung: Die 100 Un-

eine ursprünglich britische, inzwischen weltweit

ternehmen mit dem stärksten Klimabewusstsein

agierende Nichtregierungsorganisation. CDP wird

haben ihre Emissionen 2019/20 gegenüber dem

zwar teilweise von der Industrie finanziert, hat

Vorjahreszeitraum um 50 Prozent senken kön-

sich aber seine politische Unabhängigkeit und

nen. Dies klingt nach einer imposanten Quote,

damit seine klare klimapolitische Ausrichtung

bezieht sich aber eben nur auf die Top 100-Unter-

bewahrt. So haben CDP-Analysen für die zu-

nehmen teils sehr unterschiedlicher Größe aus

nehmende Zahl klimabewusster Investor:innen

unterschiedlich energieintensiven Branchen. Was

großes Gewicht. Im Wesentlichen reichen Mit-

aber fast noch schwerer wiegt: Es wurden nur die

gliedsunternehmen Klimadaten ein – vorrangig

Scope 1 und Scope 2-Werte bei der Berechnung

zum THG-Ausstoß, aber auch anderen Öko-Indi-

zugrunde gelegt, weil die Datenbasis für die Sco-

katoren wie Wasserverbrauch – sowie Informa­

pe 3-Werte zu „rudimentär“ gewesen sei. Dies

tionen zu ihrer Klimastrategie und zum Stand der

schränkt die Validität des Capital-Ranking ein.

Umsetzung.

Gleichwohl weist das Studiendesign auch ei-

CDP sammelt das Material in einer umfassen-

nige bemerkenswerte Charakteristika auf. So

den Datenbank und wertet die Daten aus. Die

wurde die Bewertung in zwei Säulen unterteilt.

öffentlich zugänglichen Auswertungen bezie-

Die erste bestand allein aus der Emissionsre-

hen sich allerdings nicht auf die spezifische

duktion und ging mit 80 Prozent in die Bewer-

Klima-Performance von Unternehmen (zum

tung ein. Die übrigen 20 Prozent setzten sich

Beispiel ‚Welche Fortschritte hat Unternehmen

aus sogenannten Zusatzkriterien zusammen:

XY bei der Reduzierung seines THG-Ausstoßes gemacht?‘). Vielmehr wird mit dem „Corporate

Seit wann erhebt das Unternehmen systema-

Environmental Action Tracker“ die Transparenz

tisch Emissionsdaten?

und Vollständigkeit bei der Klimaberichterstat-

Veröffentlicht es Scope 3-Daten bzw. zumin-

tung von Unternehmen, Branchen, Ländern und

dest Teile davon (upstream/downstream)?

Kommunen überprüft und in Gestalt aggregier-

Welches Rating hat das Unternehmen beim

ter Datensätze publiziert (vgl. zum Beispiel CDP

Klimastandard „Carbon Disclosure Project“

2023). Insofern eignen sich die CDP-Daten in

(CDP) erhalten?

erster Linie, um zu checken, ob und in welchem

Lässt das Unternehmen seine THG-Emissio-

Ausmaß ein Unternehmen seine Klimabilanz of-

nen von der Science Based Targets initiative

fenlegt und wie es dabei innerhalb einer Bran-

(SBTi) kontrollieren?

che abschneidet.

59


Konzerne im Klimacheck

Tabelle 6:

Klima-Ranking deutscher Unternehmen von Capital und Statista (2022)

Rang

Unternehmen

Bewertung zur Treibhausgas-Reduktion Gewichtung: 80 Prozent

Gewichtung: 20 Prozent

Compound Annual Reduction Rate (CARR)(*1) (max. 100 Prozent)

Berichtszeitraum

Zusatzkriterien (S3 = Scope-3-Daten werden erhoben, R15 = CO2-Report ab 2015, SBTiEngagement, CDP-Rating A bis D)

Ergebnis

Bewertung der Zusatzkriterien (von max. 20 Punkten)

Gesamtpunktzahl (von max. 100 Punkten)

1

Bergfreunde

60,24 %

2018–2020

S3; SBTi

12

79,70

2

Zalando

33,35 %

2015–2020

R15, S3; SBTi; CDP: A

20

79,39

3

Puma

39,76 %

2015–2020

R15, S3; SBTi; CDP: B

18

79,37

4

Porsche (VW-Tochter)

32,29 %

2015–2020

R15, S3; SBTi; CDP: A-

19

78,06

5

Telefónica Deutschland

41,59 %

2015–2020

R15, S3; CDP: A

14

75,94

6

Nürnberger Versicherung

70,31 %

2017–2020

S3

5

75,82

7

Bayer

16,23 %

2015–2020

R15, S3; SBTi; CDP: A

20

74,09

8

Deutsche Telekom

14,87 %

2015–2020

R15, S3; SBTi; CDP: A

20

73,67

9

Siemens

14,46 %

2015–2020

R15, S3; SBTi; CDP: A-

20

73,54

10

BMW

14,24 %

2015–2020

R15, S3; SBTi; CDP: A

20

73,48

Quelle: Eigene Darstellung nach Zepelin (2022).

60


Integrated Business Reporting: Indikatoren zur Messung der Öko-Bilanz eines Unternehmens

Die zweite Komponente ist die Zertifizierung

„Compound Annual Reduction Rate“, vgl. Zepe-

durch die Science Based Targets initiative (SBTi).

lin 2022). Durch diverse weitere Umrechnun-

Die SBTi wird gemeinsam vom CDP, dem WWF,

gen unter Berücksichtigung der Zusatzkriterien

dem World Resources Institute und UN Global

steht am Ende eine maximal mögliche Summe

Impact getragen. Unternehmen, die sich von

von 100 Punkten für jedes Unternehmen (siehe

der SBTi zertifizieren lassen, entwickeln eine

Tabelle 6).

Klimastrategie, deren CO2-Reduktionsziele im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen ste-

Das Capital/Statista-Projekt, das 2023 nicht

hen, mithin dazu beitragen, dass sich die Erde

fortgeführt wurde, zeigt die Unzulänglichkeiten

bis 2050 nicht mehr als 1,5 bzw. höchstens zwei

und Beschränkungen solcher Vergleichsindizes

Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen

mit einem branchenübergreifenden, wenn nicht

Niveau erwärmt. Zu den SBTi-Standards gehört

gesamtwirtschaftlichen Radius auf. Es hat aber

beispielsweise, dass alle Scope 3-Emissionen

auch deren Möglichkeiten ausgelotet. Wenn sich

erfasst werden müssen und Klimazertifikate

in den kommenden Jahren die Datenbasis bei

nicht auf die eigene THG-Bilanz angerechnet

den Unternehmen verbessern wird, allein schon

werden dürfen. Die Maßstäbe sind also stren-

durch klimapolitische Vorgaben der EU, werden

ger als beispielsweise die des GHG-Protokolls

zunehmend fundierte und präzise Vergleiche

(Science Based Targets initiative o. D.). Wie in

und Indizes möglich werden.

Kapitel 2 beschrieben, will auch das in dieser Studie untersuchte Unternehmen EnBW seine THG-Emissionen mit Begleitung durch die SBTi ‚Paris-konform‘ machen (EnBW 2023a).

4.3 Anteil von Klimazertifikaten an der THG-Bilanz Unternehmen sollten in erster Linie THG-Emissio­

Für die Hauptkomponente des Capital/Statis-

nen vermeiden und reduzieren. Die Kompensa­

ta-Rankings – die Emissionsreduktion bzw. die

tion durch den Kauf von Klimazertifikaten gilt als

jährliche Reduktionsrate – wurden zunächst

die ökologisch und klimapolitisch schlechteste

die THG-Emissionen eines Unternehmens zum

Alternative, zumal ihr der Ruch des „modernen

Stichjahr 2020 (oder falls nicht verfügbar: 2019)

Ablasshandels“ (Foodwatch) anhaftet (vgl. Ka-

durch den Umsatz dividiert (wie beim Vergleich

pitel 3.5). Der Anteil des THG-Ausstoßes, der mit

der Energiekonzerne oben, vgl. Tabelle 5 und

Kompensationsprojekten außerhalb des Unter-

Abbildung 4). In einem weiteren Schritt wurde

nehmens verrechnet wird, an den Scope 1-3-Ge-

die Emissionsintensität ins Verhältnis zu einem

samtemissionen ist folglich ein Indikator dafür,

Vergleichswert gesetzt, der zwischen drei und

wie engagiert und ernsthaft ein Unternehmen

fünf Jahre zurücklag. Daraus wurde die durch-

an seiner ökologischen Ernsthaftigkeit arbeitet.

schnittliche Prozentrate der jährlichen THG-Re-

Vereinfacht kann festgehalten werden: Je gerin-

duktion errechnet (Capital bezeichnet diese als

ger der Anteil, desto größer das Engagement.

61


Konzerne im Klimacheck

Viele Projekte, mit denen Konzerne in Entwick-

einem Monitoring der Science Based Targets

lungs- und Schwellenländern CO2-Senken finan-

ini­tiative (SBTi) unterzieht, rechnet die Telekom

zieren, gelten entweder als unseriös oder werden

die Kompensationen allerdings sowieso nicht

zu großzügig mit der CO2-Bilanz des Projektfinan-

auf die THG-Bilanz an (vgl. Kapitel 4.2 und siehe

ziers verrechnet. Möglicherweise ist dies auch der

Deutsche Telekom 2023: 88, 120).

Grund, warum Unternehmen bei diesem Thema gegenüber der Öffentlichkeit eher einsilbig sind

Inwiefern sich dies in Zukunft ändert, wird sich

und es für Wirtschaftsjournalist:innen schwer ist,

zeigen. So will die Telekom bis Ende 2025 bei

an valide Informationen heranzukommen. Dies

den Scopes 1 und 2 klimaneutral werden: „Ver-

gilt teilweise auch für die vier Untersuchungs­

bleibende Emissionen [sollen] über geeignete

objekte dieser Studie.

Offsetting-Maßnahmen ausgeglichen werden.“ (ebd.) Dies soll zum Beispiel durch Aufforstung

Am konkretesten gibt die Deutsche Telekom

gelingen, die dann vornehmlich auf freien Flä-

Auskunft. So heißt es in ihrem Nachhaltigkeits-

chen in Deutschland angestrebt wird. Damit

bericht, dass 2022 fast 58.000 Tonnen CO2 kom-

steigt allerdings wieder der Anteil der Kompen-

pensiert worden seien. Rund 37.000 Tonnen sei-

sationen, der dann nicht mehr Veranstaltungen,

en durch Erneuerbare-Energien-Projekte ausge-

sondern vornehmlich die THG-Emissionen der

glichen worden, rund 12.000 Tonnen durch ‚Car-

Telekom-Autoflotte und Konzerngebäuden aus-

bon-Removal-Projekte‘, bei denen CO2 dauerhaft

gleichen soll.

der Luft mit Hilfe einschlägiger Technologien entnommen wird. Das Offsetting der restlichen

Auch das SBTi-Mitglied EnBW verrechnet seine

9.000 Tonnen CO2 wird nicht erläutert. Auf Nach-

Kompensationen nicht. In ihrem integrierten Be-

frage heißt es, dass damit Veranstaltungen des

richt für 2022 heißt es in einem Absatz mit dem

Unternehmens durch Klimaprojekte im globalen

Titel „Der letzte Schritt zur Klimaneutralität“,

Süden kompensiert worden sind (Kubin-Harde-

dass EnBW bei Scope 1 und 2 bis 2035 klima-

wig 2023).

neutral werden wolle. Und: „Nicht reduzierbare, verbleibende Treibhausgasemissionen werden

58.000 Tonnen CO2 machen knapp 25 Prozent

wir durch die Unterstützung anerkannter Klima-

des Telekom-Gesamtemissionen Scope 1-2 im

schutzprojekte nach höchsten Standards kom-

Jahr 2022 in Höhe von 233.000 Tonnen aus. Der

pensieren.“ (Energie Baden-Württemberg 2023:

Löwenanteil der Telekom-Emissionen entsteht

38) Unklar bleibt, ob und in welchem Umfang

jedoch im Scope 3-Sektor, sodass sich die Ge-

EnBW bereits jetzt kompensiert. Dies wird von

samtemissionen Scope 1-3 auf 12,5 Millionen

der Konzernpressestelle auch nicht auf Nachfra-

Tonnen CO2-Äquivalente beliefen. Der Kompen-

ge beantwortet. Dort heißt es, dass bei Tochter-

sationsanteil würde damit auf ein halbes Pro-

gesellschaften, die bereits nach Scope 1 und 2

zent schrumpfen. Da sich die Deutsche Telekom

klimaneutral seien, kompensiert werde, so auch

62


Integrated Business Reporting: Indikatoren zur Messung der Öko-Bilanz eines Unternehmens

teilweise bei Geschäftsreisen und klimaneutralen

von CO2-Emissionen, an zweiter die Reduktion.

Veranstaltungen. „Bei den CO2 Kompensa­tionen

„Im letzten Schritt werden alle nicht vermeid-

ist es für uns grundsätzlich essenziell, dass es

baren und nicht reduzierbaren Treibhausgas­

sich um tatsächliche, zusätzlich eingesparte

emissionen in zertifizierte Klimaschutzprojekte

Emissionen handelt“, schreibt EnBW-Presse-

investiert, favorisiert im Bereich Biodiversität.“

sprecherin Martina Evers (Evers 2023).

(Würth-Gruppe 2023a: 44) Auf weitere Angaben verzichtet der Konzern. Auf Nachfrage macht

Im Integrierten Bericht der Deutschen Bahn feh-

Würth keine quantitativen Angaben zu den er-

len konkrete Angaben zu CO2-Klimaschutzzertifi-

worbenen Klima-Zertifikaten, verweist aber da­

katen und deren Bedeutung für die THG-Emissi-

rauf, dass diese auch nicht mit den tatsäch­lichen

onen des Konzerns. Es gibt lediglich an einigen

THG-Emissionen verrechnet würden, die im

Stellen indirekte Hinweise darauf, wenn zum Bei-

Nachhaltigkeitsbericht angegeben werden. Das

spiel in einem Abschnitt über Materialaufwand

Offsetting betreibt der Konzern laut Pressestelle

von gestiegenen Bezugspreisen für CO2-Zerti-

vor allem im Bereich der Biodiversität, da diese

fikate die Rede ist oder wenn bei der bilanziel-

„ein wesentlicher Bestandteil für ein intaktes

len Bewertung der Vorräte (Roh- und Betriebs-

Ökosystem“ sei (Würth 2023c).

stoffe etc.) angemerkt wird, dass dabei auch die Klima­zertifikate berücksichtigt seien (Deutsche

Für Wirtschaftsjournalist:innen ist das Zertifi-

Bahn 2023: 150, 236). Da der Staatskonzern

kate-Thema ohne Frage ein ‚dickes Brett‘. Denn

auch SBTi-Mitglied ist, rechnet er sich Kompen-

entweder machen die Unternehmen gar keine

sationszertifikate nicht auf seine CO2-Bilanz an,

quantitativen Angaben oder sie befinden sich

heißt es auf Nachfrage (Stötzel 2023). Und weiter

gut versteckt und oft noch unvollständig in den

heißt es: „Restemissionen, die sich nicht vermei-

Nachhaltigkeitsberichten. Hier gilt es aus jour-

den lassen, werden wir ab dem Jahr 2040 gemäß

nalistischer Perspektive, immer wieder nachzu-

SBTi neutralisieren. Hierzu erarbeiten wir eine

haken und zu insistieren, dass diese zentralen

Strategie zur dauerhaften Entfernung und Bin-

Informationen vollumfänglich veröffentlicht wer-

dung von THG-Emissionen aus der Atmosphäre –

den – bis die Unternehmen beginnen, diese Da-

zum Beispiel durch technische Verfahren oder

ten freiwillig zu publizieren.

naturbasierte Lösungen.“ Konkrete Angaben zum Umfang der aktuell eingesetzten Zertifikate macht die Deutsche Bahn jedoch nicht.

4.4 Weitere relevante Öko-Indikatoren In Deutschland existiert derzeit kein Gesetz,

Die Würth-Gruppe hat 2023 erstmals einen Nach-

das alle Unternehmen verpflichtet, regelmä-

haltigkeitsbericht für den Zeitraum 2020 bis

ßig bestimmte messbare Klima-Indikatoren zu

2022 veröffentlicht. In diesem heißt es kurz und

veröffentlichen. Eine begrenzte Berichtspflicht

knapp, an erster Stelle stehe die Vermeidung

ist durch die EU-Taxonomie eingeführt worden,

63


Konzerne im Klimacheck

gemäß der Großunternehmen Angaben darüber

gehend zu vereinheitlichen (vgl. Kapitel 3.3). Die

machen müssen, inwieweit ihre Investitionen

gängige Berichtspraxis mit ihren vielen Wahl­

und Umsätze ‚grünen‘ Charakter haben. Das

freiheiten führt zu einer gewissen Unübersicht-

nach wie vor zentrale Regelwerk jedoch, das

lichkeit und begrenzt so die Vergleichbarkeit

CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz von 2017, das

von Nachhaltigkeits- und integrierten Berichten.

2022/23 novelliert wurde, gibt lediglich vor, dass

Immerhin gibt es eine Reihe von Indikatoren, zu

kapitalmarktorientierte Unternehmen eine We-

denen die meisten berichtspflichtigen Unterneh-

sentlichkeitsprüfung vornehmen müssen: Sie

men bereits jetzt präzise Angaben machen, wenn

müssen alle diejenigen nicht-finanziellen Fakto-

auch oft in unterschiedlichen Systematiken und

ren in ihrem Geschäftsbericht berücksichtigen,

Reihenfolgen. Dazu gehören:

die Auswirkungen auf das finanzielle Geschäftsergebnis haben könnten. Dabei wird nicht kon-

Taxonomie-Konformität

kretisiert, welche Indikatoren das sind (vgl. Ka-

2019 hat die EU-Kommission ihr Maßnahmen­

pitel 3.4).

paket „Green Deal“ lanciert, das die Europäische Union bis 2050 klimaneutral machen soll. Bei

Die Unternehmen nutzen diese Freiheiten mal

der sogenannten EU-Taxonomie handelt es sich

weniger, oft aber auch mehr, so wie der Modeher-

um ein System zur Klassifizierung ökologisch

steller Gerry Weber. Der inzwischen insolvente

nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten, die zu den

Konzern verkündet zwar, bis 2030 klimaneutral

EU-Umweltzielen

werden zu wollen. Dies allerdings „mithilfe von Kompensation der verbliebenen Emissionen“

Klimaschutz

(Gerry Weber 2023: 38) und – was noch schwerer

Anpassung an den Klimawandel

wiegt als diese vage Aussage – ohne konkrete

Nachhaltige Wassernutzung

Angaben, wie überhaupt der Weg zur Klimaneu-

Übergang zur Kreislaufwirtschaft

tralität aussehen soll und ob die angestrebte

Minimierung der Umweltverschmutzung

Klimaneutralität auch die Scope 3-Emissionen

Schutz von Biodiversität und Ökosystemen

einschließt. Es werden lediglich Werte für die THG-Emissionen der Jahre 2021 und 2022 aufge-

beitragen – oder auch nicht. Auf dieser Grund-

führt und diese auch nur für die Konzernzentrale

lage sollen private Anbieter nachhaltige Finanz-

in Halle/Westfalen. Weitergehende Vergleichs-

produkte entwickeln können. So müssen zum

möglichkeiten bietet der Nachhaltigkeitsbericht

Beispiel Investmentfonds den konkreten Anteil

von Gerry Weber nicht.

nachhaltiger Aktivitäten in „grünen“ Fonds belegen. Anders formuliert: Wenn Investor:innen

In der Europäischen Union laufen derzeit Ver-

bzw. der Kapitalmarkt insgesamt bei Entschei-

handlungen, um die Berichterstattung für Klima,

dungen stärker Nachhaltigkeitsaspekte einbe-

Soziales und gute Unternehmensführung weit-

ziehen, erhalten Unternehmen zusätzliche An-

64


Integrated Business Reporting: Indikatoren zur Messung der Öko-Bilanz eines Unternehmens

reize, um nachhaltiger zu werden. Umweltver-

Der Anteil erneuerbarer Energien

bände kritisieren die EU-Taxonomie allerdings,

am gesamten Energieverbrauch

weil diese an vielen Stellen zu schwammig sei

Dieser Indikator soll Aufschluss darüber geben,

und zum Beispiel auch Erdgas und Atomkraft als

in welchem Maße ein Unternehmen versucht,

nachhaltig gelistet werden (o. V. 2022).

seine Scope 2-Emissionen zu reduzieren bzw. vollständig abzubauen. Denn erneuerbare Ener-

Die Taxonomie-Verordnung der EU ist seit An-

gien werden als Netto-Null-Emission gezählt. Ein

fang 2022 in Kraft. In der ersten Stufe müssen

weiterer Teilindikator stellt die Eigenproduk­

berichtspflichtige Unternehmen allerdings nur

tion von Energie dar, zum Beispiel durch eigene

Auskunft geben zu den Themengebieten „Kli-

Solar­panels oder Kraftwerke. Streng genommen

maschutz“ und „Anpassung an den Klimawan-

bildet der Indikator ‚Anteil erneuerbarer Ener­

del“. Gerry Weber, Würth und die Deutsche

gien‘ aber nur einen Teilaspekt der gesamten

Bahn machen keine quantitativen Angaben zur

Scope 1-3-Bilanz ab.

Konformität ihrer Investitionen mit der EU-Taxonomie. Die Deutsche Telekom und EnBW lis-

Von den Triebwagen der ICE-Flotte der Deut-

ten dagegen minutiös auf, inwieweit ihre Wirt-

sche Bahn AG prangen die Claims „Das ist

schaftsaktivitäten konform mit der Taxonomie

grün: Unterwegs mit Ökostrom“ und „Deutsch-

sind, also einen wesentlichen Beitrag zu den

lands schnellster Klimaschützer“. Tatsächlich

Umweltzielen des Green Deal leisten. Bei der

jedoch nutzen zahlreiche Züge im Personen-

Deutschen Telekom belief sich – freilich be-

nah- und Güterverkehr noch andere Energie-

dingt durch das Geschäftsmodell – der Anteil

quellen, bis hin zu Diesel. Ein Blick in den

der Taxonomie-konformen Wirtschaftsaktivitä-

integrierten Bericht der Bahn zeigt, dass sich

ten am Umsatz 2022 gerade einmal auf 0,5 Pro-

der Gesamtanteil der erneuerbaren Energien

zent (Deutsche Telekom 2023: 54). Bei EnBW

2022 auf 65,2 Prozent belief, eine Steigerung

betrug der entsprechende Anteil 2022 immer-

um knapp drei Prozentpunkte gegenüber dem

hin 13,5 Prozent (EnBW 2023: 116).

Vorjahr (Deutsche Bahn 2023: 71). Doch der Anteil der erneuerbaren, das heißt klimaneu-

Um valide Aussagen treffen zu können, muss

tralen Energien bezieht sich allein auf den

zum einen die Berichterstattung auch auf die

„Bahnstrommix“. Was vollständig ausgeklam-

anderen Green-Deal-Ziele ausgeweitet werden.

mert und an keiner anderen Stelle erwähnt

Zum anderen müssen die Unternehmen über

wird, ist wie hoch der Anteil der Erneuerbaren

einen längeren Zeitraum berichten, um größere

am Energieverbrauch des Gesamtkonzerns ist.

Veränderungen belegen zu können. Die Umwelt-

Eine wichtige Frage, denn dem Bahn-Konzern

ziele des Green Deal können aber als Richtschnur

gehört mit DB Schenker eine sehr große Toch-

genutzt werden, um Unternehmen auf andere

tergesellschaft, deren Logistik-Aktivitäten in

Öko-Indikatoren hin zu kontrollieren.

erster Linie LKW ausführen.

65


Konzerne im Klimacheck

Transparenter kann die Deutsche Telekom mit ih-

sene IP-Datenvolumen (IP-Telefonie, Internet, IP-

ren Erneuerbare-Energien-Zahlen umgehen, denn

TV etc.) dividiert, das in dieser Zeiteinheit durch

deren Anteil liegt seit 2021 bei 100 Prozent. Dies

die Telekom-Netze gelaufen ist. Der Quotient

gilt auch für alle Telekom-Netze, Mobilfunk wie

bildet den Indikator für die Energieeffizienz, der

Highspeed-DSL (Deutsche Telekom 2023: 87).

vor allem im Vergleich mit früheren Jahren oder

Der Energieerzeuger EnBW macht zum Anteil er-

anderen Unternehmen aus der Branche Aussa-

neuerbarer Energien sehr ausführliche qualitative

gekraft besitzt. Bei der Telekom sank er von 119

wie quantitative Angaben, denn die nachhaltigen

im Jahr 2019 auf 91 im Jahr 2022. Die Energieeffi-

Energieformen bilden inzwischen die wichtigste

zienz der Deutschen Telekom hat sich folglich in

Säule des EnBW-Geschäftsmodells (EnBW 2023c:

vier Jahren um rund ein Viertel verbessert, weil

33–39). Die Würth-Gruppe kommuniziert abso-

ein kleinerer Quotient für eine Steigerung steht

lute Zahlen zum Einsatz erneuerbarer Energien.

(Deutsche Telekom 2023: 125).

Unklar bleibt aber, wie hoch ihr Anteil am Energieverbrauch ist (Würth-Gruppe 2023a: 85–89).

Im integrierten Bericht der Deutschen Bahn gehört „Energieeffizienz“ offensichtlich zu den

Energieeffizienz

bevorzugt eingesetzten Begriffen: Sie kommt

(Energieeinsatz/Produktionseinheit)

84 Mal vor. Dabei definiert die Bahn Energieeffi-

Kann man den gesamten THG-Ausstoß eines

zienz als Verhältnis der eingesetzten Primärener-

Unternehmens als eine Makro-Einheit verste-

gie zu gefahrenen Kilometern für Personen- und

hen, so hat die Energieeffizienz den Charakter

Gütertransporte. Die Daten werden zwischen

einer Mikro-Größe. Sie beschreibt die Menge an

den verschiedenen Verkehrsträgern (Bahn, Luft-

Energie, die ein Unternehmen einsetzen muss,

fracht, Straßengüterverkehr etc.) und der Art des

um eine für die Produktion relevante Einheit zu

Transports (Personen/Güter) aufgeschlüsselt.

realisieren. Insofern steht die Energieeffizienz

Einen (gewichteten) Gesamtwert für alle Ver-

für die Produktivität der aufgewendeten Energie,

kehrsmittel weist die Deutsche Bahn indes nicht

und ist damit sowohl ein ökonomischer als auch

aus. Als zweiter Indikator für Energieeffizienz lis-

ein ökologischer Indikator. Denn eine steigende

tet die Deutsche Bahn die stationären Energie-

Energieeffizienz zeigt an, dass das Unternehmen

verbräuche (Schienennetz, Bahnhöfe) auf – hier

entweder weniger Energien einsetzt oder sie ef-

dann allerdings nicht als Quotient, sondern in

fektiver nutzt.

absoluten Zahlen (Deutsche Bahn 2023: 72).

So errechnet zum Beispiel die Deutsche Telekom

Die Würth-Gruppe und Gerry Weber machen kei-

ihre Energieeffizienz, indem sie ihren gesamten

nerlei quantitative Angaben zu ihrer jeweiligen

Energieverbrauch einer Zeiteinheit (Treibstoff,

Energieeffizienz. Auch EnBW benutzt den Begriff

Gas, Fernwärme, Strom), gemessen in Millionen

nur in klimapolitischen Zusammenhängen. Folg-

Kilowattstunden, durch das in Terabyte gemes-

lich sollte bei diesem Öko-Indikator immer da-

66


Integrated Business Reporting: Indikatoren zur Messung der Öko-Bilanz eines Unternehmens

rauf geachtet werden, zu welcher spezifischen

genüber den Vorjahren gestiegen, von 2021 auf

Größe der Energieeinsatz Bezug nimmt und ob

2022 um fünf Prozent. Und der Wert der durch

dies logisch nachvollziehbar ist.

Sammelaktionen zurückgenommenen Mobil­ geräte stagniert seit Jahren schon bei 3,8 Ein-

Kreislaufwirtschaft

heiten von jährlich 100 in Umlauf gebrachten

(Abfallmenge/Recyclingquote)

Geräten (Deutsche Telekom 2023: 110, 113).

Begriffe wie „Circular Economy“ und „Cradle-­toCradle“-Prinzip sind in jüngerer Zeit zu Mode-

Wasserverbrauch

begriffen avanciert, die Unternehmen dankbar

Wasser, zumal Grundwasser gilt inzwischen als

aufgegriffen haben, um sich ein grünes Image

knappes Gut. Deshalb ist es geboten, mit die-

zu geben – bis hin zu Autobauern. Entscheidend

ser gemeinsam genutzten Ressource sparsam

sind aber nicht nur Technologien und Prozesse,

und wertschätzend umzugehen. Gerade bei

sondern auch messbare Zahlen, die belegen,

der industriellen Verwendung von Wasser ent-

dass ein Unternehmen Fortschritte dabei macht,

stehen oft umweltschädliche Abwässer, deren Rückführung in den Biokreislauf entsprechen-

grundsätzlich seine absolute Abfallmenge zu

den Qualitätsstandards genügen muss. Wich-

reduzieren,

tige umweltpolitische Parameter sind deshalb

für nicht wiederverwertbaren Abfall umwelt-

die Wasserentnahme und -rückführung sowie vor

freundliche Entsorgungsmethoden zu finden,

allem der Wasserverbrauch als Makro-Indikator.

die Nutzung von Produkten und Materialien

Wasser spielt nicht immer eine wesentliche Rolle

durch Kund:innen bestmöglich zu verlängern

für wirtschaftliche Prozesse, in einigen wasser­

sowie die Rückgabe alter Produkte zu fördern,

intensiven Branchen sind entsprechende Mess-

um diese ganz oder teilweise wiederzuver-

größen aber ein wichtiger Öko-Indikator. Dazu

werten.

zählen vor allem die Landwirtschaft und die Getränkeindustrie, die Stahl- und chemische Indus-

Beispiel: Deutsche Telekom. Der Konzern gibt ein

trie, die Zellstoff- und Papierindustrie sowie die

klares Ziel aus: „Bis 2030 wollen wir erreichen,

Energieerzeugung.

dass alle von uns in Umlauf gebrachten Produkte in den Kreislauf zurückgegeben werden.“ (Deut-

Eine Stichprobe zeigt, dass die Unternehmen

sche Telekom 2023: 97) Der Nachhaltigkeits­

dazu bisher eher spärlich Informationen heraus-

bericht listet eine Reihe von Aktionsfeldern und

geben. Der Energiekonzern EnBW tritt auch als

Einzelmaßnahmen auf wie papiervermeidendes

Trinkwasserversorger auf und produziert rund

Arbeiten der Beschäftigten, nachhaltige Pro-

acht Prozent seiner Energie mit Wasserkraft.

duktverpackungen und die Rücknahme von Mo-

Darüber hinaus wird Wasser zur Kühlung von

bilgeräten. Ein Blick auf die Zahlen zeigt jedoch:

Kraftwerken eingesetzt. Der integrierte Bericht

Trotz aller Bemühungen ist die Abfallmenge ge-

listet sowohl den Gesamtverbrauch als auch die

67


Konzerne im Klimacheck

Wasserentnahme aus dem Grundwasser und aus

gungskraft des berichtenden Unternehmens

Gewässern für den Zeitraum 2018 bis 2022 auf

überprüfen oder gegebenenfalls auch bei Natur-

(jeweils gemessen in Kubikmetern). Eine kom-

schutzorganisationen (BUND, Nabu, WWF etc.)

mentierende Einordnung, wie das Unternehmen

um Einschätzungen und Bewertungen bitten.

seinen Verbrauch in diesem Zeitraum um fast ein Drittel reduzieren konnte, fehlt dagegen (Energie

In ihrem integrierten Bericht für 2022 hebt die

Baden-Württemberg 2023: 305).

Deutsche Bahn beispielsweise hervor, dass Schienenwege, Gebäude und Flächen des Kon-

Auch die Textilindustrie gehört zu den großen

zerns oft „einen einzigartigen Lebensraum für

‚H2O-Schluckern‘, denn Unternehmen brauchen

geschützte Arten“ böten. Bei Eingriffen in be-

Wasser zum Färben, Veredeln und Waschen

stehende Ökosysteme würde die DB AG umwelt-

von Textilien. Der Modekonzern Gerry Weber

verträgliche Lösungen entwickeln. So seien für

verzichtet in seinem Nachhaltigkeitsbericht je-

das Bauvorhaben „Ausbau Knoten Bamberg“ auf

doch vollständig auf Angaben zum Wasserver-

rund 33 Hektar Hauptmoorwald verschiedene

brauch, sondern beschränkt sich darauf, auf die

Artenschutzmaßnahmen für Zauneidechsen und

Wasserersparnis bei bestimmten ‚sanften‘ Pro-

Fledermäuse ergriffen worden. Beim Ausbau des

duktionsmethoden hinzuweisen. Der Montage­

schwäbischen Schienennetzes und des Stuttgar-

technik-Konzern Würth liefert zwar Zahlen für

ter Hauptbahnhofs (Projekt „Stuttgart 21“) seien

den Zeitraum 2020 bis 2022, diese umfassen

„adäquate Ausgleichsflächen“ für 8.600 Mauer­

jedoch nur die Gesellschaften der Würth-Grup-

eidechsen geschaffen worden. Sehr konkret: Ab

pe, „für welche Wasser elementar ist für ihre Ge-

2023 nutzt die Deutsche Bahn nicht mehr das

schäftsaktivitäten“ (Würth-Gruppe 2023a: 93),

potenziell krebserregende Pflanzenschutzmittel

was nicht einmal ein Viertel aller Gesellschaften

Glyphosat (Deutsche Bahn 2023: 74, 79).

ausmacht. Damit verlieren die Zahlen an Aussage­ kraft.

4.5 Zwischenbilanz

Naturschutz und Biodiversität

Auch wenn er meist noch etwas mühsam in den

Biodiversität, mithin der Schutz biologischer

Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichten recher-

Vielfalt in definierten geografischen Räumen,

chiert werden muss, ist der THG-Ausstoß der

gilt als wichtiger Stabilisator von Ökosystemen.

Scopes 1-3 ohne jede Frage die zentrale Mess-

Gerade für Unternehmen, die im Freien tätig sind

größe für die Klima-Performance von Unterneh-

oder gar Eingriffe in die Natur vornehmen, ist bio-

men. Sinnvoll ist hier freilich eine dynamische

logische Vielfalt deshalb ein relevanter Öko-In-

Betrachtung: Wie sich die Werte über einen

dikator. Dieser lässt sich allerdings nur schwer

bestimmten Zeitraum verändert haben – im Ab-

quantitativ messen. Wirtschaftsjournalist:innen

gleich mit selbst gesetzten CO2-Zielmarken der

können hier bestenfalls die logische Überzeu-

Unternehmen. Diese sind oft ohne Etappenziele,

68


Integrated Business Reporting: Indikatoren zur Messung der Öko-Bilanz eines Unternehmens

sondern nur mit Endmarken veröffentlicht. Doch

zeigt an, ob ein Unternehmen es schafft, trotz

lässt eine diachronische Betrachtung möglicher-

Wachstums bzw. trotz steigender Umsätze pa­

weise erkennen, ob die Entwicklung in die richti-

rallel dazu seinen THG-Ausstoß zu senken – oder

ge Richtung geht und das Endziel überhaupt rea-

nicht. Ein ähnlicher Indikator ist die Energieeffi-

listisch ist. Der THG-Ausstoß ist auch deshalb der

zienz, bei dem die eingesetzte Energie für eine

am besten geeignete Klima-Indikator, weil die

unternehmensrelevante Einheit (zum Beispiel

Unternehmen – etwa im Gegensatz zum Wasser-

ein Produkt oder eine Dienstleistung) gemessen

verbrauch – oft nur für diese Kategorie Zielgrößen

wird. Hier kommt es aber, wie erwähnt, stark auf

definieren. Aber auch bei anderen Aspekten wie

die jeweilige Bezugsgröße an.

beispielsweise dem Wasserverbrauch oder der Abfallquote sollten Wirtschaftsjournalist:innen

Eine sehr wichtige Rolle spielen die Klima-Zerti-

bei den Unternehmen Zielgrößen erfragen, wenn

fikate. Unternehmen kompensieren damit rech-

sie nicht von vornherein veröffentlicht werden.

nerisch Emissionen, die sie in der eigenen Wertschöpfung nicht beseitigen können oder wollen,

Wie ernst es ein Unternehmen mit seinen Klima-

indem sie beispielsweise CO2-Senken (Auffor-

zielen und seiner Nachhaltigkeitsstrategie meint,

stungsprojekte etc.) in Entwicklungsländern fi-

lässt sich unter anderem daran erkennen, ob es

nanzieren. Nach der Vermeidung und Reduktion

sich von der Science Based Targets initiative zer-

von CO2 bilden Klima-Zertifikate allenfalls ledig-

tifizieren lässt und sich an den Zielen des Pariser

lich die drittbeste Lösung beim Klimaschutz. Des-

Klimaabkommens orientiert. Eine wichtige Rolle

halb ist es wichtig, den Anteil dieser Zertifikate

spielt sicher auch das jährliche Ranking beim Car-

an der CO2-Gesamtbilanz des Unternehmens zu

bon Disclosure Project (CDP). Beim CDP, das vor

ermitteln. Diese Informationen sind (derzeit) in

allem auf Transparenz und klare Klimaziel-Defi-

den einschlägigen Berichten entweder gar nicht

nitionen abhebt, werden allerdings fast nur sehr

oder nur bruchstückhaft zu finden und müssen

große, transnationale Konzerne erfasst.

von Journalist:innen dezidiert nachgefragt werden.

Um die Klima-Performance von Unternehmen bewerten zu können, sind über die Betrachtung

Neben den Scope 1-3-Werten und dem Anteil

des einzelnen Unternehmens hinaus branchen-

der CO2-Kompensation gibt es noch eine Reihe

interne Vergleiche mit Wettbewerbern nahelie-

weiterer wichtiger Öko-Indikatoren. Dazu gehört

gend. Da diese Unternehmen meist nicht gleich

die Angabe, in welchem Ausmaß Investitionen

groß sind, bietet es sich an, als Indikator die

und Umsatz von Unternehmen konform sind mit

Emissionsintensität heranzuziehen: den Sco-

der EU-Taxonomie für Nachhaltigkeit. Aus den

pe 1-3-Ausstoß, dividiert durch den Umsatz – be-

Klimazielen der Taxonomie leiten sich wiederum

zogen auf einen bestimmten Zeitraum, beispiels-

weitere relevante Indikatoren ab wie der Wasser-

weise ein Kalenderjahr. Die Emissionsintensität

verbrauch, die Orientierung an der Kreislaufwirt-

69


Konzerne im Klimacheck

Abbildung 5:

Matrix für ein Integrated Business Reporting (Schwerpunkt Klima) Messgröße

Maßeinheit

Kerngrößen Scope 1 (direkte Emissionen)

Tonnen CO2-Äquivalente

Scope 2 (indirekte Emissionen)

Tonnen CO2-Äquivalente

Scope 3 (Emissionen aus der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette)

Tonnen CO2-Äquivalente

Scope 1+2 (sofern nur diese Werte angegeben werden)

Tonnen CO2-Äquivalente

Scope 1-3 (THG-Gesamtausstoß)

Tonnen CO2-Äquivalente

Vergleiche Mehrjahresvergleich innerhalb eines Unternehmens Veränderung absolut Veränderung relativ Emissionsintensität (Mehrjahres)Vergleich zwischen mehreren Unternehmen THG-Ausstoß insgesamt Emissionsintensität Anteil von Klimazertifikaten an den gesamten THG-Emissionen

Tonnen CO2-Äquivalente Prozent Tonnen CO2-Äquivalente/Umsatz (in €) Tonnen CO2-Äquivalente Tonnen CO2-Äquivalente/Umsatz (in €) Prozent

Weitere Indikatoren Zertifizierung durch die Science Based Targets initiative (SBTi)

Ja/nein

Taxonomie-Konformität: „Grüner“ Anteil an Gesamtinvestitionen und -umsatz

Prozent

Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Energieverbrauch

Prozent

Energieeffizienz

Einheiten CO2-Äquivalente/ „Produkteinheit“

Kreislaufwirtschaft Abfallmenge Recyclingquote

Tonnen Prozent

Wasserverbrauch

Kubikmeter

Naturschutz/Biodiversität

Fallbezogene qualitative Bewertung

Quelle: Eigene Darstellung.

70


Integrated Business Reporting: Indikatoren zur Messung der Öko-Bilanz eines Unternehmens

schaft (Abfallmenge, Recyclingquote) sowie der

land. Bis dahin müssen wichtige Kennzahlen

Beitrag zum Naturschutz und zur Artenvielfalt.

von Wirtschaftsjournalist:innen bei den Unter-

Stichprobenartige Recherchen in den integrier-

nehmen aktiv erfragt sowie gegebenenfalls aus

ten Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichten

den Berichten selbst recherchiert und errechnet

der in dieser Studie untersuchten Unternehmen

werden.

zeigen, dass die entsprechenden Informationen teils sehr umfassend, oft sehr selektiv und

Um die Arbeit für Wirtschafts-, Finanz- und auch

bruchstückhaft und teilweise sogar gar nicht ge-

Klimajournalist:innen zu erleichtern, wurden die

liefert wurden. Die Berichte zeichnen sich durch

bisherigen Erkenntnisse in eine Matrix für ein

eine gewisse Uneinheitlichkeit und damit auch

Integrated Business Reporting gegossen (Abbil-

durch Unübersichtlichkeit aus. Um dies positiv

dung 5). Diese Schablone listet die relevanten

zu verändern, bedarf es noch einiger Anstren-

Öko-Indikatoren einzeln auf, um eine systemati-

gungen – durch die Unternehmen wie durch die

sche Bewertung der Klima-Performance von Un-

politischen Institutionen in der EU und Deutsch-

ternehmen zu erleichtern.

71


Konzerne im Klimacheck

5 Integrated Business Reporting in der Praxis

Wie lässt sich das Integrated Business Reporting

einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht, ge-

in der wirtschaftsjournalistischen Praxis einset-

wissermaßen rückwirkend für die Jahre 2020 bis

zen? Eigentlich ganz einfach. Wie genau, soll

2022.

anhand konkreter Beispiele von zwei der analysierten Unternehmen demonstriert werden. Im

Mit dem folgenden journalistischen Bericht

ersten Fall wird gezeigt, wie die Klima-Kompo-

über die digitale Bilanzpressekonferenz der

nente bei einem Bericht über die Bilanz-Presse-

Würth-Gruppe am 4. Mai 2023 soll zum einen

konferenz des schwäbischen Industriekonzerns

der Charakter eines klassischen Berichts über

Würth angemessen berücksichtigt wird (Kapi-

die Bilanz eines Unternehmens gewahrt wer-

tel 5.1). Beim zweiten Beispiel steht die Haupt-

den, wie er beispielsweise im Unternehmens-

versammlung 2023 der Deutschen Telekom im

ressort von Handelsblatt oder Frankfurter Allge-

Mittelpunkt. Auch hier ist es das Ziel, stärker –

meine Zeitung oder bei Nachrichtenagenturen

vor allem messbare – ökologische Aspekte für

wie dpa und Reuters erscheinen könnte. Zum

die Berichterstattung aufzugreifen (Kapitel 5.2).

anderen soll er aber – deutlich sichtbar – um die Klima-Komponente ergänzt werden (vgl. für

5.1 Fallbeispiel: Bericht über die Jahres­ bilanz der Würth-Gruppe

die geringe Präsenz des Klimathemas auf der Veranstaltung die Beschreibung in Kapitel 2.3). Dazu gehört vor allem, dass die entsprechenden

Wie in Kapitel 2 knapp skizziert, handelt es sich

Messgrößen (THG-Ausstoß, Emissionsintensität)

bei der Würth-Gruppe um ein schwäbisches

in die Übersicht (Tabelle 7) mit den wichtigsten

Familienunternehmen, das international füh-

Kennzahlen integriert und dann im Fließtext er-

rend ist als Hersteller von Befestigungs- und

wähnt und eingeordnet werden.

Montage­technik. Würth hat sich neben seinen wirtschaftlichen Aktivitäten vor allem als Kunst-

Beim vorliegenden Beispieltext ist es notwen-

förderer hervorgetan, als Vorreiter in Sachen

dig, für eine Leserschaft, die in Klimafragen, die

ökologischer Nachhaltigkeit bisher jedoch nicht

zumal auf ein Unternehmen bezogen sind, wahr-

(vgl. Kapitel 4.3 und 4.4). Die Würth GmbH & Co.

scheinlich geringe Vorkenntnisse mitbringt, die

KG, das Kernunternehmen der Würth-Gruppe,

Öko-Indikatoren kurz zu erklären. Sobald diese

hat seit 2017 drei Nachhaltigkeitsberichte vorge-

Kenntnisse ins Allgemeinwissen übergegangen

legt. Die Würth-Gruppe selbst hat 2023 erstmals

sind, wird dies nicht mehr notwendig sein.

72


Integrated Business Reporting in der Praxis

Beispielartikel

Schwäbischer Schraubenkonzern Würth will digitaler werden Die Würth Gruppe konnte trotz krisenhafter weltpolitischer Lage 2022 ihren Umsatz und Gewinn deutlich steigern. Nun will sie verstärkt ihre Logistik automatisieren, um diese effizienter, aber auch nachhaltiger zu gestalten. Beim Klimaschutz ist der Konzern besser geworden. Die Würth-Gruppe ist nach eigener Aussage „stabil“ durch das Krisenjahr 2022 gekommen. Die Zahlen, die der Weltmarktführer für Montage- und Befestigungstechnik nun bei seiner Bilanz-Pressekonferenz vorlegte, scheinen dies zu bestätigen. Ihren Umsatz konnte die Würth-Gruppe um fast 17 Prozent auf knapp 20 Mrd. Euro steigern, den Netto­ gewinn um fast ein Viertel auf 1,2 Mrd. Euro. Wahrscheinlich wirkte dabei aber auch die hohe Inf la­tionsrate als Treiber. Würth hat frühzeitig Vorkehrungen vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges getroffen. „Wir haben unsere Bestände massiv aufgestockt, um Lieferprobleme zu verhindern“, sagte der scheidende Finanzvorstand Joachim Kaltmaier. Mehr als zwei Drittel der Würth-Lieferanten kämen zudem aus Europa. Auf diese Weise konnten Probleme in der Lieferkette reduziert werden. Besonders stark wuchsen im Vorjahr die Bereiche Elektronik und Elektrogroßhandel, der vom Boom bei

regenerativer Energietechnik profitiert hat. Für das laufende Jahr ist die Würth-Gruppe indes nur verhalten optimistisch. So werde sich das Geschäftsergebnis eher auf dem Niveau des Vorjahres bewegen, kündigte Vorstandssprecher Robert Friedmann an. Der schwäbische „Schraubenkonzern“ ist bekannt für seinen offensiven Außendienst. So sind rund die Hälfte der 86.000 Mitarbeiter:innen im Vertrieb tätig. Beschleunigt durch die Corona-­ Pandemie habe Würth aber kontinuierlich sein E-Business ausgebaut, so Friedmann. 2022 seien erstmals mehr als 20 Prozent des Umsatzes über digitale Vertriebskanäle erzielt worden. Das Familienunternehmen aus Künzelsau will mit einer konsequenten Digitalisierung und Automatisierung zugleich dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Ein wichtiger Baustein dafür ist die Logistik innerhalb und außerhalb des Unternehmens. „Bisher sind 35 Prozent unserer Logistik automatisiert“, sagte Friedmann. „Bis

2030 streben wir einen Automatisierungsgrad von 75 Prozent an.“ Um technischen wie finanziellen Aufwand zu sparen, will Würth für seine weltweit rund 400 Tochtergesellschaften einheitliche IT-Lösungen schaffen. Dabei handelt es sich in erster Linie um speziell programmierbare Roboter, die zum Beispiel für Lieferungen an die Kundschaft Verpackungen passgenau zuschneiden. Diese Technik soll Transportkosten reduzieren, aber auch aus ökologischen Gründen Material sparen. „Nachhaltigkeit ist ein zentraler Bestandteil unsere Unternehmensstrategie“, hob Friedmann bei der Bilanzvorlage hervor. Die Würth-Gruppe hat erstmals einen freiwilligen Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt, der den Zeitraum 2020 bis 2022 abdeckt. Aus dem Bericht geht hervor, dass alle Würth-Unternehmen weltweit jährlich rund 365.000 Tonnen an CO2 und anderen Treibhausgasen (THG) an die Atmosphäre abgeben. Über den

73


Konzerne im Klimacheck

Zeitraum hat der Konzern seine Umsätze deutlich stärker erhöht als seinen CO2-Ausstoß. Damit konnte Würth seine Emissions­ intensität (THG-Ausstoß pro „Umsatzmilliarde“) innerhalb von drei Jahren um rund ein Drittel reduzieren. Allerdings veröffentlicht das schwäbische Familienunternehmen nur seine Scope 1 und -2-­ Werte, die direkte Emissionen bei der Produktion und von Dritten gelieferte Energie berücksichtigen. Angaben über die oft viel umfangreicheren Scope 3-Emissionen macht Würth nicht. Bei diesen werden unter anderem Treibhausgase erfasst, die in der vorgelager-

ten Wertschöpfung (zum Beispiel Transporte und Geschäftsreisen) entstehen und wenn Kund:innen die Produkte nutzen. Auch auf Nachfrage macht der Konzern keine Angaben darüber, in welchem Umfang er Klima-Zertifikate einsetzt. Unternehmen nutzen diese Zertifikate, mit denen zum Beispiel Aufforstungsprojekte im globalen Süden finanziert werden, um sie mit ihrem tatsächlichen Treibhausgas-Ausstoß zu verrechnen. Die Würth-Gruppe gibt an, dass sie vor allem Biodiversitätsprojekte fördere und die Kompensation nur in Betracht ziehe, „wenn sämtliche Maßnahmen ausge-

Tabelle 7:

Kennzahlen der Würth-Gruppe (2020–2022)*

Kennzahl/Jahr

2020

2021

2022

Umsatz

Mrd. €

14,4

17,0

19,9

Ebitda

Mrd. €

1,6

2,0

2,4

Betriebsergebnis (Ebit)

Mrd. €

0,8

1,2

1,6

Nettogewinn

Mrd. €

0,6

1,0

1,2

Investitionen

Mrd. €

0,9

0,9

1,2

Beschäftigtenzahl

Tsd

79.139

83.183

85.637

THG-Emissionen (Scope 1/2)

t eCO2

353.851

365.248

364.869

t eCO2/ „Umsatzmilliarde“

24.573

21.485

18.335

Emissionsintensität

Quellen: Würth-Gruppe (2023a: U5; 2023b; 2023d: U2), eigene Darstellung. *Zahlen teilweise gerundet.

74

schöpft wurden, die den realen Fußabdruck reduzieren.“ Im Januar dieses Jahres berichtete die „Süddeutsche Zeitung“, dass Manager:innen der Unternehmensgruppe auf auffällig vielen Kurzstreckenflügen innerhalb Deutschlands und nach Österreich unterwegs seien. Das Unternehmen rechtfertigte sich damit, dass aufgrund seiner geografisch ungünstigen Verkehrslage Flüge zu Konzernniederlassungen notwendig seien, gelobte für die Zukunft aber größere Zurückhaltung beim Fliegen. Die „Süddeutsche“ hatte für ihren Artikel Flugdaten ausgewertet. Die nun veröffentlichten offiziellen Angaben des Nachhaltigkeitsberichts unterstreichen die Vielfliegerei des Würth-­Managements: So sind die durch Kerosin-Verbrauch verursachten Emissionen von 2020 auf 2021 um rund 30 Prozent gestiegen, im Folgejahr dann sogar um 85 Prozent auf 4.600 Tonnen. Ihr Anteil am gesamten THG-Ausstoß der Würth-Gruppe ist mit rund einem Prozent aber minimal. Vorstandssprecher Friedmann kündigte an, dass die Würth-Gruppe künftig eine jährliche Nachhaltigkeitsbilanz vorlegen werde. Ab 2026 sollen dann auch die Scope 3-Werte in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette berücksichtigt werden. Dann ist der Konzern durch EU-Vorgaben ohnehin berichtspf lichtig.

Anmerkung: Der im Beispielbericht erwähnte Artikel der Süddeutschen Zeitung stammt von Heubl (2023).


Integrated Business Reporting in der Praxis

5.2 Fallbeispiel: Feature über die Hauptversammlung der Deutschen Telekom

(vgl. Kapitel 2.4) und konzentrierten sich auf die ‚Nachricht des Tages‘, den abgeschlossenen Mehrheitserwerb von T-Mobile USA, sowie auf

Die Deutsche Telekom nimmt für sich in Anspruch,

die potenziellen Gefahren, die von chinesischer

zu den Vorreitern in Sachen Nachhaltigkeit zu ge-

Technik im Netz der Telekom ausgehen könnten.

hören und kommuniziert dies auch offensiv. So zum Beispiel auf dem ersten „Nachhaltigkeits-

Das folgende beispielhafte Feature zeigt, wie

tag“ im Oktober 2022, bei dem alle Vorstände des

eine Berichterstattung aussehen könnte, die

Bonner Konzerns auftraten. Und so auch bei der

den Fokus auf die Nachhaltigkeits-Rede von Te-

Hauptversammlung (HV) der Telekom am 5. April

lekom-Chef Höttges und auf die Kommentare der

2023 in Bonn, auf der Vorstandschef Tim Höttges

Aktionär:innen legt – ohne die ‚Nachricht des

eine einstündige Rede hielt, bei der das Thema

Tages‘ zu ignorieren. Dabei werden die Aussagen

Nachhaltigkeit im Mittelpunkt stand. Auch viele

des Vorstandschefs, die zumindest partiell als

Aktionär:innen, die sich zu Wort meldeten, kom-

‚Greenwashing‘ gelten könnten, wo nötig, mit

mentierten die Performance der Telekom beim

den ‚harten‘ Zahlen des Telekom-Nachhaltig-

Klimaschutz und bei Fragen der Unternehmens-

keitsberichts gegengecheckt. Der Text ist relativ

führung sowie – deutlich weniger – beim sozia-

lang (ca. 8.000 Zeichen inklusive Leerzeichen),

len Engagement. Die meisten Medien ignorierten

könnte aber je nach Medium entsprechend an-

diese Aspekte jedoch in ihrer Berichterstattung

gepasst werden.

Beispielartikel

Wie sich der Magenta-Konzern in einen grünen Riesen verwandeln soll Mit fast 115 Mrd. Euro Umsatz (2022) gehört die Deutsche Telekom zu den fünf größten Unternehmen Deutschlands. Künftig will sich der Konzern aber nicht nur an seinen Finanzzahlen, sondern auch an seinen Nachhaltigkeitszielen messen lassen – verkündet Telekom-Chef Tim Höttges und vermeldet quasi en passant auf der Hauptversammlung des Bonner Konzerns, dass nun endgültig die Mehrheit an T-Mobile USA gesichert sei. Das überdimensionale Telekom-­ „T“ auf der Bühne des Bonner World Conference Center ist ausnahmsweise einmal nicht im auf-

fälligen Magenta-Ton gehalten. Vielmehr strahlt es grün, weil das Innere des Telekom-Logos mit lauter Topfpf lanzen ausstaffiert

ist. Als Vorstandschef Tim Höttges auf die Bühne steigt, macht er mit Verweis auf das grüne „T“ schnell klar, worum es heute ge-

75


Konzerne im Klimacheck

hen soll: „Ohne Moos nix los!“ Der lockere Spruch ist durchaus doppeldeutig gemeint und soll signalisieren, dass die Telekom Ökologie und Ökonomie mitei­ nander vereinen will. Knapp eine Stunde lang widmet sich Höttges in seiner Aktio­ närs-Ansprache dem Thema Nachhaltigkeit, denn dieses werde für die institutionellen Investoren, aber auch die Kund:innen immer wichtiger. Etwas weniger für die rund 2.500 Telekom-Aktionär:innen im World Conference Center, die meist kleinere Aktienpakete halten: Sie applaudieren am lautesten, als Höttges die positive Kursentwicklung der T-Aktie hervorhebt. Freude kommt auch auf, als der Telekom-Chef mit knappen Worten, aber mit unverhohlener Genugtuung den Vollzug des Mehrheitserwerbs an T-Mobile USA bekanntgibt – nach Jahren zähen Ringens. T-Mobile USA ist seit einiger Zeit der große Gewinnbringer für den Konzern, während das deutsche Kerngeschäft zuweilen etwas zäh läuft. In der Generaldebatte üben die Aktionär:innen aber auch Kritik. Vor allem an der vermeintlich zu dürftigen Dividende von 70 Cent je Aktie und an der chronisch defizitären Geschäftskundensparte T-Systems, die doch endlich verkauft werden solle, wie mehrere Redner:innen fordern. Unbequeme Fragen muss sich Höttges auch zur „China-­

76

Connection“ gefallen lassen. In den Netzen der Telekom, zum Beispiel bei Sendemasten, sind im großen Stil Komponenten des chinesischen Ausrüsters Huawei verbaut. Durch die zunehmenden Spannungen zwischen China und der westlichen Welt ist in der öffentlichen Debatte vermehrt darüber spekuliert worden, dass der chinesische Staat die Technik seiner Unternehmen in westlichen Telekommunika­ tionsnetzen missbrauchen könnte, etwa um geheime Daten abzugreifen.

Auf kritische Fragen zu Huawei reagiert Höttges leicht gereizt – heute will er lieber über Klimaschutz reden Die Aktionär:innen im Saal wollen unter anderem wissen, welche Auswirkungen diese brisante Konstellation auf das Geschäft in den USA haben könnte, wo die Vorbehalte gegenüber China besonders groß sind. „Sendemasten sind im Wesentlichen nichts Anderes als Antennen“, kontert Höttges. „Das Gleiche gilt für Handys. Also müsste man dann auch Smartphones aus China verbieten.“ Der Telekom-Chef reagiert leicht gereizt auf die vielen kritischen Fragen zu Huawei. Heute will er lieber über Nachhaltigkeit reden – so wie kurz zuvor in seiner Grundsatzrede.

Darin benutzt Höttges „Nachhaltigkeit“ als begriff liche Klammer für ein breites Spektrum an Themen und summiert darunter auch solides Haushalten, „immer das beste Netz bauen“, als verlässlicher Partner der Kund:innen auftreten sowie die Bereitschaft zur konsequenten Digitalisierung. Breiten Raum nehmen aber auch die Nachhaltigkeitsklassiker Klimaschutz und soziale Verantwortung ein. 2022 habe die Telekom, so Höttges, für die Ausbildung im Unternehmen, für die Förderung sozial benachteiligter Menschen, für die Erdbebenhilfe in der Türkei und Syrien sowie für die Unterstützung von Gef lüchteten aus der Ukraine Leistungen im Gegenwert von 2,3 Mrd. Euro erbracht. Dies entspricht rund zehn Prozent der Telekom-Investitionen in diesem Jahr. Beim Klimaschutz will der Vorstandschef mehr Tempo machen. Bis 2025 soll die Telekom in ihrem Kerngeschäft und beim dazugehörigen Energiebezug von Dritten komplett klimaneutral werden (Scope 1-2), bis 2040 die gesamte vor- und nachgelagerte Wertschöpfungskette (Scope 3). Höttges verkündet für das Scope 1-3-Gesamtpaket ein neues Zwischenziel, nämlich minus 55 Prozent CO2 bis 2030, verglichen mit 2020. Ein Blick in den Nachhaltigkeitsberichts der Telekom zeigt, dass der Konzern bereits von 2020 auf 2021 seine Scope 1-2-Emissionen auf ein Zehntel herunter-


Integrated Business Reporting in der Praxis

geschraubt hat, vor allem durch den Einsatz erneuerbarer Energien. Weit über 90 Prozent machen hingegen noch die Scope 3-Emissionen aus, vor allem die vorgelagerten. Hier sind 2020 114,4, 2022 sogar 12,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente entstanden. Wie will die Telekom ihre Ziele erreichen? Der Vorstandschef listet eine ganze Reihe von Maßnahmen auf. „Das wichtigste Zukunftsprojekt“ ist für Höttges der zügige Ausbau des neuen bundesweiten Glasfasernetzes. Das soll die schnellstmögliche Abschaltung des alten Kupfernetzes ermöglichen, denn der Betrieb von zwei, teilweise pa­rallelen Netzen führt zu erhöhten Emissionen. Derzeit werden die Telekom-Antennen bereits mit einer Art „Bewegungsmelder“ ausgerüstet, sodass die Funkzelle nur aktiviert wird, wenn sich auch Menschen darin bewegen und Telekom-Dienste in Anspruch nehmen. Damit ließen sich zehn Prozent Strom in den Netzen sparen, so Höttges, vor allem nachts. Um die Kreislaufwirtschaft anzukurbeln, spielt für die Telekom das Recycling alter Hardware wie Router und Telefone eine zentrale Rolle. „200 Millionen alte Handys schlummern in den Schubladen“, mahnt Höttges. „Sie alle sollten recycelt werden, denn sie bestehen zu 45 Prozent aus Metallen, vor allem aus Kupfer.“ Der Appell kommt nicht von ungefähr, wie der aktuelle Nach-

haltigkeitsbericht des Konzerns zeigt: Zwar können alte Geräte in den Telekom-Shops zurückgegeben werden, bisher kommen aber gerade einmal rechnerisch 2,3 von 100 Geräten tatsächlich wieder zurück – die Rücklaufquote stagniert seit Jahren. Ab 2030 will die Telekom alle Endgeräte wieder in den Verwertungskreislauf zurückbringen – bis dahin scheint es jedoch noch ein weiter Weg. Zudem drängt der Konzern auf die klimaneutrale Produktion von Handys. So soll gerade in der vorgelagerten Wertschöpfung (Teil von Scope 3) der CO2-Fußabdruck drastisch verkleinert werden. „Dafür kaufen wir anders ein“, verkündet Höttges. Man schaue nicht mehr allein auf den Preis des Produkts, sondern auch auf den für die Umwelt. „Wer die grüne Produktion nicht schafft, f liegt irgendwann aus dem Sortiment.“ Es liefen bereits Gespräche. Unklar bleibt indes, was konkret unter „grüner Produktion“ zu verstehen und wann genau dieses „irgendwann“ erreicht ist.

Die Ausführungen des Telekom-Chefs stoßen bei den Aktionär:innen auf geteiltes Echo Höttges’ Ausführungen finden bei den Aktionär:innen ein geteiltes Echo. So lobt Henrik Pontzen, beim Volksbanken-Fonds Union

Investment für Nachhaltigkeit zuständig, den Telekom-Kurs. „Sie haben sich hier systematisch nach vorne gearbeitet“, sagt Pontzen in der Generaldebatte. „Dabei können wir Sie nur unterstützen.“ Ein anderer Fondsvertreter, Ingo Speich von der Deka Invest­ment, will aber auch wissen, wie stark die Beschäftigten der Telekom nachhaltiges Denken bereits verinnerlicht hätten. Der freie Aktionär Christian Strenger kritisiert zwar, dass Nachhaltigkeit als Leistungsindikator bei den Vorstandsvergütungen noch nicht ausreichend berücksichtigt sei, lobt aber die Strategie insgesamt. Markus Dufner, Geschäftsführer des Dachverbands Kritischer Aktionär:innen, tut die Höttges-Rede dagegen als „reine Image-Politur“ ab und kritisiert die vermeintlich schlechte Nachhaltigkeits-Performance der Telekom. Ein Einzelaktionär glaubt, die Telekom hätte besser schon vor 50 Jahren mit dem Stromsparen beginnen sollen. Und ein weiterer Kleinaktionär hält am Ende seiner Rede eine Fotomontage in die Höhe, die eine Müllhalde voller Windräder zeigt. Auch dies eine, wenn auch recht drastische Meinungsäußerung zum Thema Nachhaltigkeit. Aber die T-Aktie soll ja schließlich eine „Volksaktie“ sein, die alle Teile der Bevölkerung repräsentiert. Telekom-Chef Höttges wird sich nicht groß da­ran gestört haben.

77


Konzerne im Klimacheck

5.3 Zwischenbilanz

Bruchteil des CO 2-Gesamtausstoßes ausmachen.

In diesem Kapitel wurde anhand der Beispiele der Bilanz-PK der Würth-Gruppe und der Haupt-

Zweitens, Unternehmen sollten den Journalist:in-

versammlung der Deutschen Telekom gezeigt,

nen die Arbeit erleichtern, indem sie ihnen nicht

dass sich Integrated Business Reporting relativ

nur umfassende, sondern auch kohärente Daten

leicht für die aktuelle wirtschaftsjournalistische

zur Verfügung stellen. Bei der Würth-PK wurde

Berichterstattung einsetzen lässt. Die kleine Re-

lediglich auf den neuen Nachhaltigkeitsbericht

lativierung bezieht sich auf die zwei zentralen

des Unternehmens verwiesen. Wichtige Daten

Parameter des Integrated Business Reporting:

muss sich die/der interessierte Journalist:in

Erstens, die jeweilige Haltung bzw. Vorgehens-

selbst zusammensuchen oder noch einmal bei

weise von Wirtschaftsjournalist:innen und, zwei-

der Pressestelle nachfragen. Bei der Telekom

tens, die der Unternehmen.

hat Vorstandschef Höttges einerseits Klimaziele benannt und zahlreiche Einzelmaßnahmen auf-

Erstens, Wirtschaftsjournalist:innen müssen

gelistet. Andererseits hat er bei den CO2-Minde-

gewisse Kenntnisse des Klimajournalismus

rungen nur unzureichende Prozentangaben zu

haben und auch bereit dazu sein, diese in

Vergleichsjahren gemacht und die Maßnahmen

angemessenem Maße einzusetzen. Dadurch

nicht mit den konkreten Klimazielen verbunden.

bekommt das journalistische Produkt frei-

Das vermittelt den Eindruck von PR-Blasen, wenn

lich eine andere Gewichtung, es entfallen

nicht gar Greenwashing – selbst dort, wo dieses

zwangsläufig Details zu anderen, rein wirt-

gar nicht vorhanden ist. Das ist wiederum ein

schaftlich-finanziellen Themen. Der analyti-

Hinweis für die Journalist:innen, die von den Un-

sche Blick auf das große Ganze, gekoppelt

ternehmen gelieferten Zahlen stets kritisch zu

mit konkreten Öko-Indikatoren, hat im Fall von

hinterfragen – was allerdings auch für die ‚klas-

Würth gezeigt, dass vermeintliche Skandale

sische‘ Unternehmensberichterstattung gilt:

wie die vielen Kurzstreckenflüge des Manage-

Auch dort stellen Unternehmen positive Zahlen

ments zwar nicht gerade von einem vorbildlich

in den Vordergrund und räumen ungünstigeren

nachhaltigen Handeln zeugen, aber nur einen

Entwicklungen deutlich weniger Raum ein.

78


Handlungsempfehlungen und Ausblick

6 Handlungsempfehlungen und Ausblick

Der Wirtschaftsjournalismus und das Klima – wie

hensweise nicht mehr völlig zeitgemäß ist.

geht das zusammen? Im abschließenden Kapitel

Unternehmen und Wirtschaftsmedien scheinen

sollen die wichtigsten Erkenntnisse dieser Stu-

zumindest teilweise aneinander vorbeizureden.

die zusammengetragen und daraus Handlungs-

Zudem erfüllt der Wirtschaftsjournalismus nicht

empfehlungen abgeleitet werden (Kapitel 6.1).

vollständig die Erwartungen seiner Publika. Als

Ein Ausblick soll aber auch nicht fehlen. Denn

klassisches Ressort, das fest in den General-­

ein ganzheitlicher Wirtschaftsjournalismus zeigt

Interest-Medien verankert ist, versorgen die

sich nicht nur klimabewusst, sondern greift im

Wirtschaftsredaktionen die gesamte Bevölke-

nächsten Schritt auch soziale Aspekte und The-

rung, die in weiten Teilen und dies immer mehr

men aus der Unternehmensführung in systema-

an den Themenfeldern Nachhaltigkeit und Klima

tischer und messbarer Weise auf (Kapitel 6.2).

interessiert ist, offenbar nicht ausreichend mit klimarelevanten Informationen über Unterneh-

6.1 Das Klima-Thema in der Wirtschafts­ redaktion

men. Dies gilt umso stärker für die Zielgruppe der Investor:innen, sodass auch Special-Interest- und Fachmedien stärker darauf reagieren

Alle reden vom Klima, nur der Wirtschaftsjour-

sollten – und zwar ähnlich, wie es viele, vor al-

nalismus nicht. Zumindest wenn es um eine

lem größere Unternehmen bereits getan haben.

systematische Unternehmensberichterstattung

Nicht zuletzt durch öffentlichen Druck, der sich

auf Basis messbarer Daten geht. Eine stich-

in weiten Kreisen inzwischen sogar aus einem

probenartige Analyse der Bilanz-Pressekonfe-

Grundmisstrauen gegenüber ‚der Wirtschaft‘

renzen von vier Unternehmen (Deutsche Bahn,

speist, haben Unternehmen ihr Selbstverständ-

Deutsche Telekom, Energie Baden-Württemberg,

nis verändert – weg vom rein betriebswirtschaft-

Würth-Gruppe) sowie der Hauptversammlungen

lichen Apparat hin zu einem Sozialgefüge mit

von zwei Konzernen (Deutsche Telekom, Energie

gesellschaftlich-moralischer Verantwortung. Da­

Baden-Württemberg) hat gezeigt, dass die Unter-

raus hat sich in den vergangenen Jahren zunächst

nehmen Klima- und Umweltaspekte eigeninitia-

das Konzept der Corporate Social Responsibility

tiv kommunizieren und dies mitunter sogar mit

entwickelt, welches in jüngerer Zeit vom Kapital-

prominenter Platzierung, die Medienresonanz

markt in das ESG-Konzept umgewandelt worden

darauf aber bestenfalls marginal ausfällt.

ist. Ob man die Aktivitäten, die Unternehmen davon herleiten, als ‚Greenwashing‘ klassifiziert

Dies legt den Rückschluss nahe, dass die be-

oder nicht – man sollte sie auf jeden Fall da­

stehende wirtschaftsjournalistische Herange-

ran messen, wie sie es mit der Umwelt halten 79


Konzerne im Klimacheck

(‚Environmental‘), wie sozial sie sich im eigenen

der Klimafreundlichkeit zwischen Unternehmen

Hause und gegenüber Zulieferern verhalten (‚So-

einer Branche sowie auch branchenübergreifen-

cial‘) und wie es um die Qualität ihrer Unterneh-

de Perspektiven sind möglich, um fundierte, da

mensführung bestellt ist (‚Governance‘).

datenbasierte Aussagen über die Klima-Performance von Unternehmen und Branchen treffen

Vor allem die EU-Kommission und mit ihr der

zu können.

Bund haben einen Regulierungsrahmen geschaffen, der den Weg von Unternehmen zur

Anhand von zwei Beispielartikeln – einem Be-

Klimaneutralität beschleunigen soll. Dazu ge-

richt über die Bilanz-PK der Würth-Gruppe so-

hören auch EU-Richtlinien, die die Transparenz

wie einem Feature über die Hauptversammlung

fördern sollen und die börsennotierte Konzerne

der Deutschen Telekom – wurde demonstriert,

verpflichten, jährliche Nachhaltigkeitsberichte

dass Integrated Business Reporting praktisch

zu veröffentlichen. In den kommenden Jahren

problemlos umsetzbar ist. Wenn auch mit einer

wird die Berichtspflicht auf einen sehr viel grö-

kleinen Einschränkung. So waren einige Daten

ßeren Kreis von Unternehmen ausgeweitet und

in den Nachhaltigkeitsberichten nicht verfügbar,

der Aufbau der Berichte wird stärker vereinheit-

sodass das jeweilige Unternehmen noch einmal

licht, was Journalist:innen die Arbeit erheblich

extra kontaktiert werden musste. Für die aktu-

erleichtern kann. Wirtschaftsjournalist:innen

elle Berichterstattung kann dies zu arbeitshin-

können und sollten die Nachhaltigkeitsberichte

derlichen Zeitverlusten führen. Dies galt insbe-

allerdings schon jetzt stärker für ihre Arbeit nut-

sondere für Informationen zu Klima-Zertifikaten,

zen als bisher.

mit denen sich Unternehmen von der eigenen CO2-Vermeidung ‚freikaufen‘, wenn sie dafür

Dies gilt zuvorderst für ein breites Set an umwelt-

Klima­schutz-Maßnahmen in anderen Ländern fi-

und klimabezogenen Daten wie Energieeffizienz,

nanzieren. Selbst auf Nachfrage lieferten einige

Recyclingquote oder Wasserverbrauch. Zentrale

Unternehmen keine konkreten Angaben dazu.

Messgröße ist jedoch der Treibhausgas-Ausstoß eines Unternehmens innerhalb eines Jahres,

Aber auch jenseits des Zertifikate-Themas müs-

unter Berücksichtigung der eigenen Güterpro-

sen Unternehmen eine grundsätzliche Entschei-

duktion, aber auch der vor- und nachgelagerten

dung treffen: Ob sie ihre Nachhaltigkeitsberich-

Wertschöpfung (Scope 1-3). Im Rahmen dieser

te in erster Linie als PR-Instrument einsetzen

Studie ist gezeigt worden, dass sich mit den

und sich damit unter Umständen den Vorwurf

Scope 1-3-Daten nicht nur ein aktueller Status

des Greenwashings einhandeln. Oder ob sie

abrufen, sondern auch der THG-Ausstoß über

die Berichte in sachlicher, allumfassender Form

einen längeren Zeitraum verfolgen lässt, bei Be-

mit validen Datensätzen veröffentlichen wollen,

darf auch im Abgleich mit den offiziellen Klima-

die eine konstruktive Zusammenarbeit mit Wirt-

zielen des Unternehmens. Aber auch Vergleiche

schaftsjournalist:innen erheblich erleichtern

80


Handlungsempfehlungen und Ausblick

würde und dazu beitrüge, ein fundiert-seriö-

2. Der Treibhausgas-Ausstoß (Scope 1-3) wird

ses Gesamtbild des Unternehmens entstehen

als feste Größe bei wirtschaftsjournalisti-

zu lassen. Unternehmen, die sich für die zwei-

schen Standards etabliert, zum Beispiel bei

te Variante entscheiden, sollten zudem dafür

Berichten über Bilanz-Pressekonferenzen.

Sorge tragen, dass die Berichte möglichst ver-

Der THG-Ausstoß wird als feste Größe in der

ständlich aufbereitet sind. Dazu gehört zum

tabellarischen Übersicht der Unternehmens-

Beispiel auch, Angaben darüber zu machen, ob

bilanz eingeführt. Autor:innen nehmen die

bestimmte Maßnahmen aufgrund bestimmter

Klima-Komponente standardmäßig in ihre

gesetzlicher Vorgaben oder rein freiwillig ergrif-

Berichterstattung auf und sind dazu bereit,

fen worden sind.

dafür andere Aspekte (möglicherweise Details wie die x-te Untergröße des Unterneh-

Es steht außer Frage, dass Journalist:innen kom-

mensgewinns) wegzulassen. Dies gilt es auch

plexe Sachverhalte wie das Klima besser mit Hilfe

bei der redaktionellen Bearbeitung zu berück-

von spannend erzählten Beispielen ‚rüberbrin-

sichtigen.

gen‘ können – handele es sich um den Einsatz einer E-Transporterflotte oder ein neues Produkt,

3. Schrittweise werden die THG-Daten auch bei

das vollständig aus recycelten Materialien her-

anderen wirtschaftsjournalistischen Forma-

gestellt ist. Darüber sollten sie aber – analog zur

ten eingeführt (Unternehmensporträt, Aktien­

klassischen Unternehmensberichterstattung –

analyse etc.).

nicht den Blick auf die Zahlen vergessen, insbesondere den THG-Ausstoß (Scope 1-3) des Un-

4. Die Wirtschaftsredaktion entwickelt und setzt

ternehmens. Andernfalls laufen sie Gefahr, am

eigene Klima-Schwerpunkte in der Unterneh-

beispielhaften Phänomen festzukleben, das aber

mensberichterstattung und/oder kombiniert

keineswegs pars pro toto stehen muss.

sie mit anderen Unterressorts wie Finanzen oder Wirtschaftspolitik.

Wie kann nun ein klimabewusster Wirtschaftsjournalismus in Redaktionen etabliert und in

Mitte 2022 erschien auf ntv.de beispielsweise

der praktischen Arbeit umgesetzt werden? Dazu

ein Artikel mit dem Titel: „Gutes Gewissen im

folgende Überlegungen und Handlungsempfeh-

ICE: Wie klimafreundlich ist die Bahn?“ (Arnold/

lungen:

dpa 2022) Es handelte sich um einen sehr gut recherchierten Hintergrundbericht der Nach-

1. Die Mitarbeitenden müssen sich zunächst

richtenagentur dpa – der dann bei ntv.de aus-

eine zumindest basale Klima-Expertise aneig-

gerechnet in der Rubrik „Panorama“ landete.

nen (z. B. durch Schulungen), um beurteilen

Solche Ausrutscher sollten der Vergangenheit

zu können, welche Relevanz der Aspekt beim

angehören. Diese und ähnliche Artikel gehören

jeweiligen Thema hat.

in die Wirtschaftsberichterstattung.

81


Konzerne im Klimacheck

6.2 Integrated Business Reporting reloaded: Soziales und Unternehmensführung einbinden

funkkarten für Geflüchtete aus der Ukraine, Katastrophenhilfe nach den Erdbeben in der Türkei und in Syrien, sein Engagement für digitale Teilhabe in Deutschland, allerdings auch aus sozia-

Ohne Frage hat das Klima-Thema eindeutig Vor-

len Gründen subventionierte Mobilfunkverträge

rang, denn es ist das drängendste und dring-

der Tochtergesellschaft T-Mobile USA.

lichste. Zum ESG-Konzept gehören aber auch die Bereiche ‚Social‘ und ‚Governance‘. In folgenden

Dieses sehr weit gefasste Verständnis von Corpo-

Schritten könnten und sollten deshalb auch so-

rate Citizenship (vgl. Kapitel 3.1) spiegelt sich we-

ziale Aspekte und solche der Unternehmensfüh-

der in den Angaben der Deutschen Bahn nieder

rung mit in die Bilanzierungspraxis aufgenom-

noch in denen von Energie Baden-Württemberg

men werden. Dies ist allerdings leichter gesagt

wider. Der Bahn-Konzern steuert sein soziales

als getan, denn die Bereiche „Soziales“ und

Engagement über die Deutsche Bahn Stiftung,

„Governance“ sind kein homogener Schirm für

die 2022 rund drei Millionen Euro in 24 gemein-

eng miteinander verwandte Komponenten, wie

nützige Projekte investiert hat. Zudem hat die

dies bei „Environmental“ der Fall ist, sondern

Bahn 6,6 Millionen Euro für ihr Bahn-Museum

bilden eher eine Klammer für viele verschiedene

in Nürnberg aufgewendet (Deutsche Bahn 2023:

Themenbereiche.

32–35). Mitzählen oder nicht? EnBW hat 2022 rund zwei Millionen Euro für soziale Zwecke ge-

Hinzu kommt, dass sie zwar in Teilen quantifi-

spendet, 2021 waren es noch 3,7 Millionen (Ener-

zierbar sind, doch fehlt die eine zentrale Kenn-

gie Baden-Württemberg 2023: 49). Würden die

zahl wie sie der THG-Ausstoß beim Klima dar-

Deutsche Bahn und EnBW ihr soziales Engage-

stellt. Es gibt durchaus Ansätze, allerdings zeigt

ment ähnlich breit wie die Deutsche Telekom

ein Vergleich der vier analysierten Unternehmen,

definieren, kämen sie aber auch auf wahrschein-

wie weit man hier noch von einer einheitlichen

lich deutlich höhere Summen. Würth macht zu

Berichterstattung entfernt ist. So ließe sich zum

diesem Bereich überhaupt keine quantitativen

Beispiel ein Indikator nutzen, der alle Aufwen-

Angaben. Hier scheint eine vereinheitlichte Klas-

dungen für soziale und gemeinnützige Zwecke

sifizierung und Zählweise also dringend geboten.

summiert. Die Deutsche Telekom fasst dies unter „Community Contribution“ zusammen

Ein weiterer möglicher Indikator ist die Zufrie-

und kommt für 2022 auf die stolze Summe von

denheit der Mitarbeitenden2. Solche Indizes

2,35 Milliarden Euro (Deutsche Telekom 2023:

setzen sich meist aus mehreren Komponen-

141). Dazu zählt der Konzern kostenlose Mobil-

ten zusammen wie Stimmung im Betrieb und

2 Ein verwandter sehr wichtiger Indikator ist in diesem Zusammenhang die Kundenzufriedenheit. Viele Unternehmen machen hier inzwischen – unabhängig ermittelte – Angaben. Dieser Indikator gehört allerdings in die ökonomische Berichterstattung.

82


Handlungsempfehlungen und Ausblick

Sinnhaftigkeit der Arbeit, aber auch Arbeitge-

auch gewisse rechtliche Grenzen der Bericht-

ber-Attraktivität und Markenidentität. Solche

erstattung, sodass meist nur binär zwischen

umfassenden Befragungen durch unabhängige

Männer- und Frauenanteil unterschieden und

Dienstleister erfolgen meist alle zwei Jahre. Zwi-

zum Beispiel die ethnische Herkunft nicht do-

schenzeitlich, meist halbjährig werden kürzere

kumentiert wird. Aufgefächert wird dabei meist

Umfragen durchgeführt, die aufschlussreicher

zwischen Gender Diversity bei der Gesamtbe-

sein können, wenn sie nur die Stimmung ein-

legschaft, Führungskräften und Neueinstellun-

fangen. Bei der Deutschen Bahn lag der Wert

gen. Das Zahlenwerk kann durchaus aufschluss-

der Mitarbeitenden-Zufriedenheit 2022 bei 3,9

reich sein. So liegt der Anteil der weiblichen

auf einer Skala von 1 bis 5 (bestmöglicher Wert)

Führungskräfte bei der Würth-Gruppe gerade

und hielt damit das Niveau von 2020. Allerdings

einmal bei 18 Prozent – bei einem Frauenanteil

haben auch nur knapp 60 Prozent der Beschäf-

von rund 28 Prozent an der Gesamtbelegschaft

tigten an der Umfrage teilgenommen (Deutsche

(Würth-Gruppe 2023a: 83). Bei der Deutschen

Bahn 2023: 85). Bei EnBW können maximal

Telekom arbeiten immerhin 28 Prozent Frauen

100 Punkte erreicht werden, 2022 erreichte der

im mittleren und oberen Management – bei ei-

„People Engagement Index“ einen Wert von 81,

nem Frauenanteil von knapp 36 Prozent an der

einen Zähler weniger als 2020. Wie hoch die Be-

Gesamtbelegschaft (Deutsche Telekom 2023:

teiligung der Mitarbeitenden war (84 Prozent),

159–160).

muss der Lesende allerdings selbst errechnen (Energie Baden-Württemberg 2023: 39–41, 104).

Daneben können je nach Unternehmen und Branche noch weitere Sozialindikatoren relevant

Der Indikator „Mitarbeitenden-Zufriedenheit“

sein. Für wahrscheinlich die meisten Unterneh-

ist insofern von großer Relevanz, als er bis zu

men dürfte in Zeiten des Fachkräftemangels die

einem bestimmten Grad Auskunft darüber gibt,

Zahl der Neueinstellungen eine bedeutende Rol-

inwieweit ein Unternehmen als Sozialgefüge

le spielen, aber auch Daten zur Aus- und Weiter-

funktioniert. Die hohen Zustimmungswerte der

bildung. Nicht minder wichtig bleiben allerdings

genannten Beispiele deuten allerdings auch da-

auch ‚Klassiker‘ wie der Arbeitsschutz, quantifi-

rauf hin, dass die Befragten zumindest teilweise

ziert in meldepflichtigen Arbeitsunfällen. Dieser

nach dem Prinzip der sozialen Erwünschtheit ge-

Indikator mag vielleicht weniger in Deutschland

antwortet haben und so bessere Werte zustande

und Westeuropa ins Gewicht fallen, in Zeiten ei-

gekommen sein könnten, als wenn sich die Be-

ner globalisierten Produktion dürfte es sich al-

schäftigten zum Beispiel unter Kolleg:innen oder

lerdings um einen nicht unwichtigen Faktor vor

außerhalb des Unternehmens gegenüber Dritten

allem bei Produktionsstätten in Ländern des glo-

geäußert hätten.

balen Südens handeln.

Ein ‚objektiver‘ Indikator ist die Diversität un-

Damit kommt die sogenannte Lieferkette ins

ter den Mitarbeitenden. Hier gib es allerdings

Spiel, die Wertschöpfung durch Zulieferer. Vor 83


Konzerne im Klimacheck

allem die Textilindustrie, die Elektronik-Branche,

von öffentlichen Ausschreibungen führen kann.

Chemie und Pharma sowie die Autohersteller und

Die Sorgfaltspflicht bezieht sich vor allem darauf,

der Maschinenbau sind in hohem Maße abhängig

dass Unternehmen Präventions- und gegebenen-

von der Beschaffung im Ausland (Stiftung Fami-

falls Abhilfemaßnahmen ergreifen müssen gegen

lienunternehmen 2023: 22). Als 2013 in Bangla-

eine Reihe möglicher Gesetzesverstöße durch

desch eine auch von deutschen Modekonzernen

ausländische Zulieferer. Dazu zählen vor allem:

genutzte Textilfabrik in Bangladesch einstürzte und dabei mehr als 1.000 Menschen ums Le-

Kinder- und Zwangsarbeit

ben kamen, drangen die Arbeitsbedingungen in

Unzureichender Arbeitsschutz

den Ländern des globalen Südens erstmals auf

Diskriminierung jedweder Art (nach Rasse,

drastische Weise ins öffentliche Bewusstsein.

Geschlecht, Religionszugehörigkeit etc.)

Ähnliche Vorfälle in den Jahren danach sorgten

Unfaire Entlohnung

für insgesamt größere Aufmerksamkeit. Da die Auslagerung von Teilen der Produktion an soge-

Der Konnex zwischen ‚Social‘ und ‚Environmen-

nannte Zulieferer vor allem kostengetrieben ist,

tal‘ wird dadurch deutlich, dass das Gesetz auch

hat das zunehmende Offshoring zugleich auch

ausdrücklich Umweltschädigungen einschließt.

die globale Ökobilanz verschlechtert. Denn in

Dazu zählen unter anderem

Entwicklungs- und Schwellenländern spielen Umwelt- und Klimaschutz meist keine vorrangige

schädliche Bodenveränderungen

Rolle (Zeisel 2021: 3). All diese Entwicklungen

Luftverunreinigung

haben dazu geführt, dass Mitte 2021 die Große

übermäßiger Wasserverbrauch

Koalition aus Unionsparteien und SPD das „Lie-

widerrechtliche Zwangsräumung von Land,

ferkettengesetz“ verabschiedet hat – gegen Wi-

Wäldern und Gewässern

derstände aus der Wirtschaft, die zur Abschwä-

Verbot der Nutzung gefährlicher Stoffe wie

chung der Regelungen führten (Bierbrauer 2022).

etwa verbotene Chemikalien (Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in

Der offizielle Name lautet „Gesetz über die un-

Lieferketten 2021).

ternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“, was bereits darauf hindeutet, dass deut-

Um ihrer Sorgfaltspflicht für internationale Zulie-

sche Unternehmen nicht unter Erfolgspflicht ste-

ferer nachzukommen, müssen die Unternehmen

hen und schon gar keine Haftung übernehmen

ein internes Risikomanagement einrichten und

müssen, wenn sie nicht dafür sorgen, dass die

regelmäßig Risikoanalysen durchführen. Zudem

Sozial- und Umweltstandards in ihren Gastlän-

muss ein Beschwerdeverfahren organisiert und

dern nicht eingehalten werden. Die Unternehmen

der gesamte Prozess dokumentiert werden. Ab

müssen vielmehr einer eher niedrigschwelligen

2024 müssen alle Unternehmen in Deutschland

Sorgfaltspflicht nachkommen, die bei Verletzun-

mit mehr als 1.000 Beschäftigten ihrer Sorg-

gen maximal zu Bußgeldern und dem Ausschluss

faltspflicht für die Lieferkette nachkommen. Seit

84


Handlungsempfehlungen und Ausblick

2023 gilt das Gesetz bereits für Unternehmen

Ins Fadenkreuz der Kritik geraten oftmals auch die

mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden. Sie müssen

vermeintlich überhöhten Gehälter der Vorstände,

2024 erstmals einen Bericht veröffentlichen.

die vor allem durch üppig wirkende Boni zustande kommen. Vorstandsboni werden traditionell nach

Da dieser streng formalisiert ist und wahrschein-

ökonomischen Kriterien vergeben (Höhe des Be-

lich eher typische Experten-Lektüre darstellt,

triebsergebnisses und der Investitionen, Erschlie-

kann davon ausgegangen werden, dass zumin-

ßung neuer Geschäftsfelder etc.). Laut einer Stu-

dest die wesentlichen Teile dieser Dokumenta­

die von Beile/Schmid (2023) haben gerade in den

tion Eingang in die Nachhaltigkeitsberichte

vergangenen Jahren alle 40 DAX-Konzerne und

finden dürften. Die Würth-Gruppe hat dies be-

fast alle der 50 MDAX-Unternehmen ihren Katalog

reits in ihrem aktuellen Nachhaltigkeitsbericht

zentraler Kriterien für die Auszahlung von Boni

umgesetzt (Würth-Gruppe 2023a: 67–77). Wie

(„Boni-Key Performance Indicators“) um ESG-Kri-

aufschlussreich die Lieferketten-Infos der Unter-

terien erweitert. Vor allem ökologische und etwas

nehmen für die wirtschaftsjournalistische Arbeit

weniger soziale Kritierien machen mittlerweile

sind, wird sich erst herausstellen, wenn 2024 der

bis zu 25 Prozent der variablen Vorstandsver-

erste große Veröffentlichungsschub kommt.

gütung aus. Die Spannbreite ist allerdings groß und die Kriterien sind mal weicher, mal präziser

Bleibt schließlich noch das weite Feld der ‚Go-

formuliert. Aus wirtschaftsjournalistischer Sicht

vernance‘, der Unternehmensführung. Hie­runter

lohnt es sich also, einen genauen Blick auf die

fällt ein Sammelsurium verschiedenster Tätig-

Boni-Konditionen zu werfen, dienen sie doch als

keitfelder eines Unternehmens: die Arbeit von

zentrales Steuerungsinstrument dafür, welche

und Koordination zwischen Vorstand und Auf-

kurzfristigen wie auch strategischen Ziele der

sichtsrat, Datenschutz, Cybersecurity sowie Com-

Vorstand verfolgt – gerade auch in Bezug auf ESG.

plicance, also das Einhalten von Regeln durch Mitarbeitende, um zum Beispiel Vorteilsnahme

An diesem wie an den anderen Faktoren zeigt

und Korruption zu unterbinden. Dass Unterneh-

sich, dass es möglicherweise gar nicht mal so ein

mensführung gerade auch für Investor:innen ein

weiter, aber doch ziemlich verästelter Weg mit di-

enorm wichtiges Thema darstellt, zeigt sich an

versen Möglichkeiten zum Abzweigen ist, um ein

deren zahlreichen Wortmeldungen auf Hauptver-

ganzheitliches Bild von Unternehmen zu zeich-

sammlungen. Im Mittelpunkt stehen dabei oft

nen. Zunächst einmal sind offene Debatten und

vermeintliche Verletzungen von Übergangsfris-

ein erstes konkretes Experimentieren mit neuen

ten von Manager:innen beim Wechsel vom Vor-

Konzepten notwendig. Das Integrated Business

stand in den Aufsichtsrat sowie die angeblich

Reporting stellt hierbei sicher eine probate Vari-

oder tatsächlich mangelnde fachliche Kompe-

ante dar. Über lang und noch besser über kurz

tenz neuer Aufsichtsratsmitglieder. Bei beiden

sollte der deutschsprachige Wirtschaftsjourna-

handelt es sich um Themen, die eher qualitativ

lismus so das Ziel einer integrierten Unterneh-

beurteilt werden müssen.

mensberichterstattung erreichen. 85


Konzerne im Klimacheck

Literaturverzeichnis

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Anhang

Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen Tabelle 1:

Jährlicher CO2-Ausstoß der BRD nach Sektoren (1990, 2022)............................................... 8

Tabelle 2:

Ökologische und soziale Nachhaltigkeit als Thema bei den Bilanz-Pressekonferenzen 2023 ausgewählter Unternehmen................................ 22

Tabelle 3:

Ökologische und soziale Nachhaltigkeit als Thema auf der Hauptversammlung 2023 ausgewählter Unternehmen ............................................................................................ 29

Tabelle 4:

THG-Bilanz der Deutsche Bahn AG im Jahr 2022 (in Millionen Tonnen CO2-Äquivalente)..............................................................................52

Tabelle 5:

THG-Ausstoß, Umsatz und Emissionsintensität führender deutscher Energieerzeuger (2020–2022)...........................................................57

Tabelle 6:

Klima-Ranking deutscher Unternehmen von Capital und Statista (2022)............................ 60

Tabelle 7:

Kennzahlen der Würth-Gruppe (2020–2022).....................................................................74

Abbildung 1:

Wesentlichkeitsmatrix von SchwörerHaus 2021/22........................................................... 40

Abbildung 2:

Schematische Darstellung der Emissionsquellen Scope 1-3 bei Gerry Weber..................... 50

Abbildung 3:

THG-Ausstoß der Deutsche Bahn AG 2012–2022 (in Millionen Tonnen CO2-Äquvalente).............................................................................. 56

Abbildung 4:

Die Emissionsintensität führender deutscher Energieerzeuger 2020–2022 (Millionen Tonnen CO2-Äquivalente/Milliarde Euro Umsatz).............................................. 58

Abbildung 5:

Matrix für ein Integrated Business Reporting (Schwerpunkt Klima).................................... 70

Hinweis zum Autor Lutz Frühbrodt ist seit 2008 Professor für Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS). Zuvor hat er unter anderem als Technologie-Reporter in der Wirtschaftsredaktion der Welt-Gruppe und beim Deutschlandfunk Kultur gearbeitet. Frühbrodt hat zahlreiche mediensoziologische und medienökonomische Bücher, Aufsätze und Studien veröffentlicht, darunter einige bei der Otto-Brenner-Stiftung. Seit einigen Jahren beschäftigt sich der promovierte Volkswirt zunehmend mit Nachhaltigkeitsthemen.

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Konzerne im Klimacheck

OBS-Arbeitspapiere Infos und Download: www.otto-brenner-stiftung.de

Nr. 62

Auf der Suche nach Halt. Die Nachwendegeneration in Krisenzeiten (Simon Storks, Rainer Faus, Jana Faus)

Nr. 61

Desiderius-Erasmus-Stiftung. Immer weiter nach rechts außen (Arne Semsrott, Matthias Jakubowski)

Nr. 60

Vom Winde verdreht? Mediale Narrative über Windkraft, Naturschutz und Energiewandel (Georgiana Banita)

Nr. 59

Radikalisiert und etabliert. Die AfD vor dem Superwahljahr 2024 (Wolfgang Schroeder, Bernhard Weßels)

Nr. 58

Antisemitismus. Alte Gefahr mit neuen Gesichtern (Michael Kraske)

Nr. 57

Gut beraten? Zur Rolle der Zivilgesellschaft in Sachverständigengremien (Siri Hummel, Laura Pfirter)

Nr. 56

Mehr Wählen wagen? Ungleichheiten beim „Wählen ab 16“ und ihre Folgen (Thorsten Faas, Arndt Leininger)

Nr. 55

Arbeitsdruck – Anpassung – Ausstieg. Wie Journalist:innen die Transformation der Medien erleben (Burkhard Schmidt, Rainer Nübel, Simon Mack, Daniel Rölle)

Nr. 54

Mediale Routinen und Ignoranz? Die Sahel-Einsätze der Bundeswehr im öffentlichen Diskurs (Lutz Mükke)

Nr. 53

Das Verblassen der Welt. Auslandsberichterstattung in der Krise (Marc Engelhardt)

Nr. 52

Soziale Rhetorik, neoliberale Praxis. Eine Analyse der Wirtschafts- und Sozialpolitik der AfD (Stephan Pühringer, Karl M. Beyer, Dominik Kronberger)

Nr. 51

Desiderius-Erasmus-Stiftung. Politische Bildung von Rechtsaußen (Arne Semsrott, Matthias Jakubowski)

Nr. 50

Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Die digitale Transformation in den (sozialen) Medien (Derya Gür-Şeker)

Nr. 49

Alternative Fakten im Gespräch. AfD-Diskussionen auf Facebook (Hannah Trautmann, Nils C. Kumkar)

Nr. 48

Aufstocker im Bundestag IV. Bilanz der Nebenverdienste der Abgeordneten in der 19. Wahlperiode (Sven Osterberg)

Nr. 47

Tragische Einzelfälle? Wie Medien über Gewalt gegen Frauen berichten (Christine E. Meltzer)

Nr. 46

Wenn Politik Presse macht. Gastbeiträge von Politiker*innen in ausgewählten Tageszeitungen (Marvin Oppong)

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OBS-Arbeitspapier 63 ISSN: 2365-1962 (nur online) Herausgeber: Otto Brenner Stiftung Jupp Legrand Wilhelm-Leuschner-Straße 79 D-60329 Frankfurt am Main Tel.: 069-6693-2810 Fax: 069-6693-2786 E-Mail: info@otto-brenner-stiftung.de www.otto-brenner-stiftung.de Autor: Prof. Dr. Lutz Frühbrodt Studiengangleiter „Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation“ (Master) Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt Münzstr. 19, 97070 Würzburg E-Mail: lutz.fruehbrodt@thws.de Redaktion & Lektorat: Benedikt Linden (OBS) Satz und Gestaltung: Isabel Grammes, think and act Druck: AC medienhaus GmbH, Wiesbaden Titelbild: FAHMI/AdobeStock.com Redaktionsschluss: 01. Oktober 2023

Die Otto Brenner Stiftung …

Hinweis zu den Nutzungsbedingungen:

Dieses Arbeitspapier ist unter der Creative Commons „Namens­nennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International“-Lizenz (CC BY-NCSA 4.0) veröffentlicht. Die Inhalte sowie Grafiken und Abbildungen dürfen, sofern nicht anders angegeben, in jedwedem Format oder Medium vervielfältigt und weiterverbreitet, geremixt und verändert werden, sofern keine Nutzung für kommerzielle Zwecke stattfindet. Ferner müssen angemessene Urheber- und Rechteangaben gemacht, ein Link zur Lizenz beigefügt und angeben werden, ob Änderungen vorgenommen wurden. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenz­ information auf https://creativecommons.org/licenses/ by-nc-sa/4.0/deed.de

In den Arbeitspapieren werden die Ergebnisse der Forschungsförderung der Otto Brenner Stiftung dokumentiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Für die Inhalte sind die Autorinnen und Autoren verantwortlich. Download und weitere Informationen: www.otto-brenner-stiftung.de

... ist die gemeinnützige Wissenschaftsstiftung der IG Metall. Sie hat ihren Sitz in Frankfurt am Main. Als Forum für gesellschaft­ liche Diskurse und Einrichtung der Forschungsförderung ist sie dem Ziel der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet. Besonderes Augen­merk gilt dabei dem Ausgleich zwischen Ost und West. ... initiiert den gesellschaft­ lichen Dialog durch Veranstaltungen, Workshops und Koopera­ tionsveranstaltungen (z. B. im Herbst die OBS-Jahrestagungen), organisiert Konferenzen, lobt jährlich den „Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus“ aus, fördert wissenschaftliche Untersuchungen zu sozialen, arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitischen Themen und legt aktuelle medienkritische und -politische Analysen vor. ... informiert regelmäßig mit einem Newsletter über Projekte, Publikationen, Termine und Veranstaltungen.

... veröffentlicht die Ergebnisse ihrer Forschungsförderung in der Reihe „OBS-Arbeitshefte“ oder als Arbeitspapiere (nur online). Die Arbeitshefte werden, wie auch alle anderen Publikationen der OBS, kostenlos abgegeben. Über die Homepage der Stiftung können sie auch elektronisch bestellt werden. Vergriffene Hefte halten wir als PDF zum Download bereit unter: www.otto-brennerstiftung.de/wissenschaftsportal/ publikationen/ ... freut sich über jede ideelle Unterstützung ihrer Arbeit. Aber wir sind auch sehr dankbar, wenn die Arbeit der OBS materiell gefördert wird. ... ist zuletzt durch Bescheid des Finanzamtes Frankfurt am Main V (-Höchst) vom 4. November 2020 als ausschließlich und unmittelbar gemeinnützig anerkannt worden. Aufgrund der Gemeinnützigkeit der Otto Brenner Stiftung sind Spenden steuerlich absetzbar bzw. begünstigt.

Unterstützen Sie unsere Arbeit, z. B. durch eine zweckgebundene Spende Spenden erfolgen nicht in den Vermögensstock der Stiftung, sie werden ausschließlich und zeitnah für die Durchführung der Projekte entsprechend dem Verwendungszweck genutzt. Bitte nutzen Sie folgende Spendenkonten: Für Spenden mit zweckgebundenem Verwendungszweck zur Förderung von Wissenschaft und Forschung zum Schwerpunkt: • Förderung der internationalen Gesinnung und des Völkerverständigungsgedankens Bank: IBAN: BIC:

HELABA Frankfurt/Main DE11 5005 0000 0090 5460 03 HELA DE FF

Aktuelle Ergebnisse der Forschungsförderung in der Reihe „OBS-Arbeitshefte“ OBS-Arbeitsheft 112

Leif Kramp, Stephan Weichert

Whitepaper Non-Profit-Journalismus

Handreichungen für Medien, Politik und Stiftungswesen

OBS-Arbeitsheft 111*

Janis Brinkmann

Journalistische Grenzgänger

Wie die Reportage-Formate von funk Wirklichkeit konstruieren

OBS-Arbeitsheft 110*

Henning Eichler

Journalismus in sozialen Netzwerken

ARD und ZDF im Bann der Algorithmen?

OBS-Arbeitsheft 109*

Barbara Witte, Gerhard Syben

Erosion von Öffentlichkeit

Freie Journalist*innen in der Corona-Pandemie

OBS-Arbeitsheft 108*

Victoria Sophie Teschendorf, Kim Otto

Framing in der Wirtschaftsberichterstattung

Der EU-Italien-Streit 2018 und die Verhandlungen über Corona-Hilfen 2020 im Vergleich

OBS-Arbeitsheft 107*

Leif Kramp, Stephan Weichert

Konstruktiv durch Krisen?

Fallanalysen zum Corona-Journalismus

OBS-Arbeitsheft 106*

Lutz Frühbrodt, Ronja Auerbacher

Den richtigen Ton treffen

Der Podcast-Boom in Deutschland

OBS-Arbeitsheft 105*

Hektor Haarkötter, Filiz Kalmuk

Medienjournalismus in Deutschland

Seine Leistungen und blinden Flecken

OBS-Arbeitsheft 104*

Valentin Sagvosdkin

Qualifiziert für die Zukunft?

Für Spenden mit zweckgebundenem Verwendungszweck zur Förderung von Wissenschaft und Forschung zu den Schwerpunkten:

Zur Pluralität der wirtschaftsjournalistischen Ausbildung in Deutschland

• Angleichung der Arbeits- und Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland (einschließlich des Umweltschutzes) • Entwicklung demokratischer Arbeitsbeziehungen in Mittel- und Osteuropa • Verfolgung des Zieles der sozialen Gerechtigkeit

Ingo Dachwitz, Alexander Fanta

Bank: IBAN: BIC:

HELABA Frankfurt/Main DE86 5005 0000 0090 5460 11 HELA DE FF

Geben Sie bitte Ihre vollständige Adresse auf dem Überweisungsträger an, damit wir Ihnen nach Eingang der Spende eine Spendenbescheinigung zusenden können. Oder bitten Sie in einem kurzen Schreiben an die Stiftung unter Angabe der Zahlungsmodalitäten um eine Spendenbescheinigung. Verwaltungsrat und Geschäftsführung der Otto Brenner Stiftung danken für die finanzielle Unterstützung und versichern, dass die Spenden ausschließlich für den gewünschten Verwendungszweck genutzt werden.

OBS-Arbeitsheft 103*

Medienmäzen Google

Wie der Datenkonzern den Journalismus umgarnt

OBS-Arbeitsheft 102*

Wolfgang Schroeder, Samuel Greef u. a.

Bedrängte Zivilgesellschaft von rechts

Interventionsversuche und Reaktionsmuster * Printfassung leider vergriffen; Download weiterhin möglich.

Diese und weitere Publikationen der OBS finden Sie unter www.otto-brenner-stiftung.de Otto Brenner Stiftung | Wilhelm-Leuschner-Straße 79 | D-60329 Frankfurt/Main


OBS-Arbeitspapier 63

Frühbrodt – Konzerne im Klimacheck

OBS-Arbeitspapier 63

Lutz Frühbrodt

OBS-Arbeitspapier 63

Konzerne im Klimacheck

Konzerne im Klimacheck ‚Integrated Business Reporting‘ als neuer Ansatz der Unternehmensberichterstattung

‚Integrated Business Reporting‘ als neuer Ansatz der Unternehmensberichterstattung

www.otto-brenner-stiftung.de

EIN PROJEKT DER OTTO BRENNER STIFTUNG FRANKFURT AM MAIN 2023


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