OBS-Arbeitspapier 63 Lutz Frühbrodt
Konzerne im Klimacheck ‚Integrated Business Reporting‘ als neuer Ansatz der Unternehmensberichterstattung Kurzfassung der Studie
Frankfurt am Main, im Dezember 2023
Allgemeiner Kontext zur Studie
Auf einen Blick
Laut Umweltbundesamt lag der Anteil der Wirt-
Wirtschaftswissenschaften, Regulator:in-
schaft (inklusive Landwirtschaft) 2022 am Ge-
nen und Teile der Wirtschaft rücken öko-
samtausstoß von Treibhausgasen in Deutschland
logische und soziale Indikatoren bei der
bei rund 60 Prozent. Dieser hohe Wert steht im
Bewertung von Unternehmen verstärkt in
Missverhältnis zu der geringen Bedeutung, die
den Fokus.
Umwelt und Klima bislang im deutschen Wirt-
Der Wirtschaftsjournalismus bleibt hinge-
schaftsjournalismus spielen. Zwar greift der
gen weitgehend auf ökonomische Aspekte
Wirtschaftsjournalismus inzwischen grundsätz-
reduziert, die in der Studie untersuchten
lich Nachhaltigkeitsthemen auf. In erster Linie
Berichte nehmen bisher keine ganzheit
handelt es sich jedoch um Einzelaspekte (zum
liche Perspektive ein.
Beispiel klimafreundliche Technologien) oder
Insbesondere die Unternehmensbericht
einzelne Ereignisse (beispielsweise Greenwa
erstattung muss umdenken und systema-
shing-Skandale). Was dagegen fehlt, insbeson-
tisch messbare Öko-Indikatoren integrieren.
dere in der Unternehmensberichterstattung, ist
Die Studie zeigt an Hand von Beispielarti-
eine stärker systematische Herangehensweise
keln, wie eine integrierte Unternehmens-
auf Basis messbarer Parameter. Dies würde
berichterstattung aussehen kann.
die Voraussetzung dafür schaffen, dass Wirt-
Dargestellt wird, welche ökologischen Indi-
schaftsjournalist:innen – analog zur Bilanz-
katoren im Arbeitsalltag aufgegriffen wer-
Berichterstattung – auf fundierter Zahlenbasis
den können, wo diese zu finden sind und
und mit vergleichender Perspektive regelmäßig
welche Fallstricke es zu beachten gilt.
über Nachhaltigkeit und Klimaschutz berichten können.
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Konzerne im Klimacheck
Methode
verändert sich das Verständnis von Unternehmen als allein auf Gewinnmaximierung ausge-
Für den empirischen Teil der Studie wurden im
richteter Organisationen hin zu einem umfas-
Frühjahr 2023 die Bilanz-Pressekonferenzen von
senderen Bild: Konzepte wie das sogenannte
Deutsche Telekom, EnBW Energie Baden-Würt-
ESG-Konzept („Ecological/Social/Governance“)
temberg AG, Deutsche Bahn und Würth-Grup-
versuchen, auch soziale und ökologische Krite-
pe sowie zwei Hauptversammlungen (Deutsche
rien als inhärenten Bestandteil wirtschaftlicher
Telekom, EnBW) ausgewertet. Der jeweilige Ver-
Organisationen zu modellieren – und gewinnen
anstaltungsverlauf wurde protokolliert und ana-
für die Bewertung von Unternehmen in der Fi-
lysiert, ob die Reden des Managements sowie
nanzwirtschaft sowie für regulative Vorschriften
die Fragen der Journalist:innen einen Bezug zu
(unter anderem EU-Richtlinien) stetig an Bedeu-
ökologischen bzw. sozialen Themen aufwiesen.
tung. Allein in Deutschland wird der Kreis der Un-
In einem zweiten Schritt wurde eine Medien
ternehmen, die soziale und ökologische Kenn-
resonanzanalyse durchgeführt. Es wurde unter-
zahlen in Form von Nachhaltigkeitsberichten
sucht, welche Themenaspekte überregionale
publizieren müssen, von derzeit 500 auf rund
Tageszeitungen (Süddeutsche Zeitung, Frank-
15.000 im Jahr 2026 ausgeweitet. Die Daten
furter Allgemeine Zeitung, Welt, Handelsblatt,
basis und -zugänglichkeit einer ganzheitlichen
Börsenzeitung) sowie ausgewählte regionale Ta-
Betrachtung von Unternehmen wird dadurch
geszeitungen in ihrer Berichterstattung über die
enorm gestärkt. Insofern ist es von großer Be-
Unternehmen aufgegriffen haben. Die Recher-
deutung, dass der Wirtschaftsjournalismus mit
chen für die Medienresonanzanalyse greifen auf
dieser Entwicklung Schritt hält.
Daten der „WISO – Datenbank für Hochschulen“ zurück.
Nachhaltigkeit ist bisher ein wirtschaftsjournalistisches Randphänomen
Ergebnisse
Eine Medienresonanzanalyse der Bilanz-Presse konferenzen von Deutsche Bahn, Deutsche
Kontinuierliche Ausweitung der Berichtspflicht:
Telekom, Energie Baden-Württemberg und der
Genügend Daten sind da
Würth-Gruppe sowie zweier Hauptversammlungen
Die Untersuchung zeichnet nach, dass es durch
macht deutlich, dass Wirtschaftsjournalist:innen
gesellschaftliche Megatrends (Globalisierung,
fast ausschließlich über ‚klassische‘ Finanzkenn-
Digitalisierung, Klimakrise) notwendig gewor-
zahlen und Fragen der Unternehmensstrategie
den ist, den bisherigen engen Blick auf Unter-
berichten. Sogar dort, wo Management oder In-
nehmen über Finanzkennzahlen und ‚klassisch‘
vestor:innen Nachhaltigkeitsaspekte zur Sprache
betriebswirtschaftliche Aspekte hinaus zu wei-
bringen, fragen die anwesenden Journalist:innen
ten, da sich ökonomische zunehmend mit öko-
nur selten nach und greifen diese Themen bes-
logischen und sozialen Fragen verbinden. Auch
tenfalls marginal in ihrer anschließenden Bericht
in der wirtschaftswissenschaftlichen Debatte
erstattung auf.
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Lutz Frühbrodt
‚Integrated Business Reporting‘ als zeitgemäße Form der Unternehmensberichterstattung Mit dem ‚Integrated Business Reporting‘ skizziert
Tabelle 1:
Checkliste für ein ,Integrated Business Reporting‘ (Schwerpunkt Klima)
die Studie einen neuen, praxisnahen Ansatz der Unternehmensberichterstattung, der neben rein ökonomisch-finanziellen auch ökologische (und künftig auch soziale) Aspekte aufgreift.
Kerngrößen Direkte Emissionen Indirekte Emissionen
Zunächst arbeitet die Untersuchung heraus, dass – Stand heute – der Treibhausgas-Ausstoß (THG) eines Unternehmens innerhalb eines Jahres die am besten geeignete Messgröße für die Klimabilanz eines Unternehmens ist und somit die erste Wahl für eine entsprechende Berichterstattung bildet. In den THG-Ausstoß muss dabei neben der eigenen Güterproduktion auch die vor- und nachgelagerte Wertschöpfung einbezogen werden, um ein umfassendes Bild der Klimabilanz des Unternehmens zu zeichnen. Denn oft entsteht erst bei der Nutzung von Endprodukten (z. B. benzin betriebener Autos) der Großteil der Emissionen. Mit Hilfe dieses Indikators ist nicht nur ein aktu-
Emissionen aus der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette Direkte + Indirekte Emissionen (sofern nur diese Werte angegeben werden) Treibhausgas-Gesamtausstoß
Vergleiche Mehrjahresvergleich innerhalb eines Unternehmens Veränderung absolut Veränderung relativ Emissionsintensität (Mehrjahres)Vergleich zwischen mehreren Unternehmen THG-Ausstoß insgesamt Emissionsintensität
eller Status abrufbar, der THG-Ausstoß lässt sich
Anteil von Klimazertifikaten an den gesamten THG-Emissionen
auch über einen längeren Zeitraum verfolgen und
Weitere Indikatoren
bei Bedarf mit den offiziellen Klimazielen des Unternehmens abgleichen.
Zertifizierung durch die Science Based Targets initiative (SBTi)
Mit Hilfe der Messgröße ‚Emissionsintensität‘, die
Taxonomie-Konformität: „Grüner“ Anteil an Gesamtinvestitionen und -umsatz
den THG-Ausstoß pro ‚Umsatzmilliarde‘ angibt, sind darüber hinaus Vergleiche der Klimafreund-
Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Energieverbrauch
lichkeit zwischen Unternehmen einer Branche so-
Energieeffizienz
wie branchenübergreifende Perspektiven möglich.
Kreislaufwirtschaft Abfallmenge Recyclingquote
Für einen umfassenden Klima-Check gilt es, weitere Öko-Indikatoren wie die Energieeffizienz, die Recyclingquote sowie den Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Energieverbrauch eines Unternehmens zu beachten (vgl. Tabelle 1).
OBS-ARBEITSPAPIER 63 | KURZFASSUNG
Wasserverbrauch Naturschutz/Biodiversität Quelle: Eigene Darstellung (vgl. Langfassung auf S. 70).
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Konzerne im Klimacheck
Die Untersuchung liefert konkrete Hinweise, wo
mäßig in ihre Berichterstattung aufnehmen. Der
Journalist:innen die notwendigen Informatio-
Treibhausgas-Ausstoß sollte zügig als feste Größe
nen erhalten und verweist auf Fallstricke, die es
bei wirtschaftsjournalistischen Standards, wie Be-
zu umschiffen gilt. So gibt es Versuche von Un-
richten über Bilanz-Pressekonferenzen, verankert
ternehmen, die eigene Klimabilanz zu schönen –
werden – langfristig aber auch bei weiteren wirt-
beispielsweise durch den Kauf von ‚freiwilligen‘
schaftsjournalistischen Formaten (beispielswei-
Zertifikaten, die mit dem THG-Ausstoß verrechnet
se Unternehmensporträts) zum Einsatz kommen.
werden. Wirtschaftsjournalist:innen müssen die
In einem nächsten Schritt können weitere Öko-
Entstehung der Zahlen in ihren Recherchen somit
Indikatoren adaptiert werden.
auf entsprechende Hinweise prüfen. Der Check der Unternehmensangaben wird erleichtert, wenn eine
Über den Autor
hohe Konformität mit der sogenannten EU-Taxono-
Lutz Frühbrodt ist seit 2008 Professor für Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS). Der promovierte Volkswirt ist Autor zahlreicher mediensoziologischer und medienökonomischer Publikationen und beschäftigt sich seit einigen Jahren mit Nachhaltigkeitsthemen. Foto: Dietmar Modes
mie, dem europäischen System zur Klassifizierung ökologisch nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten, besteht. Die Zertifizierung des unternehmerischen Klimaengagements durch unabhängige Organisationen wie die Science Based Targets Initiative stellt einen weiteren Indikator dar. Anhand von zwei eigens erstellten Beispielartikeln – einem Bericht über die Bilanz-Pressekonfe-
Impressum
renz der Würth-Gruppe sowie einem Feature über
Herausgeber: Otto Brenner Stiftung, Jupp Legrand, Wilhelm- Leuschner-Straße 79, 60329 Frankfurt am Main, Tel.: 069-6693-2810, E-Mail: info@otto-brennerstiftung.de, www.otto-brenner-stiftung.de
die Hauptversammlung der Deutschen Telekom – wird demonstriert, dass ,Integrated Business Reporting‘ bereits heute im wirtschaftsjournalistischen Alltag ohne großen Aufwand umsetzbar ist.
Veröffentlicht unter CC BY-NC-SA 4.0-Lizenz.
Fazit
Weise nähert und mit messbaren Größen arbeitet, kann in Redaktionen ohne größeren Aufwand
Frühbrodt – Konzerne im Klimacheck
menkomplex Nachhaltigkeit in systematischer
OBS-Arbeitspapier 63
OBS-Arbeitspapier 63
Ein Wirtschaftsjournalismus, der sich dem The-
etabliert und auch in der Unternehmensbericht-
Lutz Frühbrodt
erstattung umgesetzt werden. Dazu müssen sich Konzerne im Klimacheck
Konzerne im Klimacheck
OBS-Arbeitspapier 63
‚Integrated Business Reporting‘ als neuer Ansatz der Unternehmensberichterstattung
die Mitarbeitenden zunächst Klima-Expertise aneignen und die Klima-Komponente standard-
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‚Integrated Business Reporting‘ als neuer Ansatz der Unternehmensberichterstattung IG METALL EIN PROJEKT DER OTTO BRENNER STIFTUNG Gliederungsname FRANKFURT AM MAIN 2023
Mehr Infos sowie die Langfassung der Studie finden Sie auf unserer Website: www.ottobrenner-stiftung.de
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