oead.news 92

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Jahrgang 23 | Nummer 3/92 |M채rz2014

Mobilit채t in der Berufsbildung

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INHALT

Hubert Dürrstein

Editorial Ernst Gesslbauer

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Berufsbildung und Mobilität Services des OeAD zur Mobilität in der Berufsbildung 4

Rita Michlits

Lehrlingspraktika: "Eine solche Chance muss man einfach nutzen" 8

Stephanie Mayer

Förderung von Mobilität im Bereich der berufsbildenden Schulen 9

Karoline Meschnigg | Alexander Hölbl

Duale Ausbildung und Mobilität: Rahmenbedingungen und Strategien 10

Alfred Freundlinger

Duale Ausbildung in Österreich als internationales Erfolgsmodell 11

Johannes Müllner

Gelebte Inklusion: Arbeitserfahrungen in der Türkei und in Deutschland 12 14

Gernot Grinschgl

Lehrling Goes Europe Silvia Schwaiger-Wöll

Tourismusschüler/innen nützen ihre Chance in der EU 16

oead.news im Gespräch mit

Volker Heyse, Kompetenztrainer 17

Lorenz Lassnigg

Berufsbildung und Arbeitsmarkt in Europa. Ein Vergleich 18 20

Regina Aichner

Qualitätssiegel „Bologna Labels“ Barbara Heindl

„Gemeinsam für nachhaltigeEntwicklung – The Future We Want“ 22 Andreas Hofer I Roland Krebs I Judith Lehner I Lisa Ringhofer urban_managua 24

Elke Stinnig

Die Kunst, die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen 26

Franz Gramlinger

Wichtig für Mobilitäten: Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement 30

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OeAD-Events

Veranstaltungskalender Discover Euraxess: Bus hält vor der Uni Wien International Lectures 32

Michael Dippelreiter

Historisch betrachtet Fotostrecke

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Erasmus+ Auftaktveranstaltung Filmtage 2014 | Impressum


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Hubert Dürrstein

© teresa zötl | apa, oead

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser, herzlich begrüßen möchte ich Dr. Stefan Zotti im OeAD. Er wird mir bis 2016 als Stellvertreter zur Seite stehen und danach die Geschäftsführung des Unternehmens übernehmen. Ich freue mich auf eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit. Die vorliegenden OeAD-News sind der Mobilität in der Berufsbildung gewidmet. Wir haben verschiedene Erfahrungsberichte zusammengetragen, die einen Einblick in die Vielfalt der Mobilitätsprojekte geben sollen. 5.000 österreichische Lehrlinge haben in den vergangenen Jahren ein Praktikum im Ausland absolviert. Im Vergleich zu den 5.000 Studierenden, die jedes Jahr ins Ausland gehen, mag diese Zahl klein erscheinen. Aber diejenigen, die diesen Schritt wagen, beweisen Mut und sind gleichzeitig Vorbild für andere. Große Unternehmen wie Kapsch oder Porsche haben Auslandspraktika für Lehrlinge bereits fix in ihre Personalentwicklung integriert. Wie sie dabei vorgehen, lesen Sie auf Seite 6 und 7.

Programm für Bildung, Jugend und Sport gaben die zuständigen Minister/innen Reinhold Mitterlehner, Gabriele Heinisch-Hosek, Sophie Karmasin und Gerald Klug gemeinsam mit EU-Kommissarin Androulla Vassilou. Knapp 900 Gäste besuchten die Veranstaltung. Nach der feierlichen Eröffnung in den Redoutensälen wurden erfolgreiche Projekte der abgelaufenen Programmperiode 2007 bis 2013 am Podium und in einer Ausstellung präsentiert und ein Ausblick auf die Zukunft gegeben. Viele dieser Projekte wurden von der Nationalagentur Lebenslanges Lernen abgewickelt. Der OeAD hat in diesem Zeitraum rund 18.000 jungen Menschen im Bereich Berufsbildung einen Auslandsaufenthalt ermöglicht. Im Jänner ist auch eine neue Publikation des OeAD erschienen: In „Gemeinsam für nachhaltige Entwicklung – The Future We Want“ berichten Schüler/innen über ihre Sommerpraktika in der Nachhaltigkeitsforschung. Das Buch können Sie beim Studienverlag erwerben.

Sehr erfreulich ist, dass auch das neue EU-Bildungsprogramm Erasmus+ Fördermöglichkeiten für Praktika, Weiterbildungskurse und ganze Ausbildungsabschnitte in der beruflichen Ausbildung bietet. Ziel bis 2020 ist es, dass sechs Prozent der Europäer/innen nach der Erstausbildung eine Ausbildungsphase im Ausland absolvieren. Transparenz und Anerkennung berufsbildender Abschlüsse müssten allerdings noch verbessert werden, meinen Expert/innen (dazu Beiträge auf Seite 9 und 16). Die Services des OeAD im Bereich Berufsbildung haben wir auf Seite 5 zusammengefasst.

Zum Schluss noch zwei Hinweise auf kommende Veranstaltungen: Am 19. März starten die sogenannten International Lectures mit einer Podiumsdiskussion im Juridicum. Die Veranstaltungsserie, die der OeAD in Kooperation mit uniko und den Universitäten konzipiert hat, befasst sich Rahmenbedingungen, Gestaltungsmöglichkeiten und Herausforderungen einer zunehmend internationalen und interkulturellen Realität an Universitäten. Mehr dazu auf Seite 27. Weiters möchte ich Sie einladen, von 12. bis 15. März spannende Filmtage 2014 zum Thema "Eat. Drink.Live." zu erleben (Seite 32).

Strategien in der Bildungs- und Jugendpolitik standen im Zentrum der hochrangig besetzten Auftaktveranstaltung für Erasmus+, die am 22. Jänner in der Hofburg stattfand. Den Startschuss für das neue

Ich wünsche eine interessante Lektüre, Ihr Hubert Dürrstein


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Ernst Gesslbauer

Berufsbildung und Mobilität

© sabine klimpt | oead

Das neue EU-Programm Erasmus+ bietet im Rahmen von Mobilitätsprojekten zahlreiche Fördermöglichkeiten für Personen in der beruflichen Ausbildung.

Praktika, Weiterbildungskurse oder ganze Ausbildungsabschnitte im Ausland stellen eine fixe Größe in nationalen und europäischen Strategien zur beruflichen Aus- und Weiterbildung dar. Bis 2020 sollen in Europa sechs Prozent der Menschen mit abgeschlossener beruflicher Erstausbildung eine Ausbildungsphase im Ausland absolviert haben. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen differenzierte Ausbildungssysteme, wie das österreichische eines ist, Möglichkeiten bieten, aber auch Rahmenbedingungen schaffen, welche eine sinnvolle, integrierte Einbindung solcher Lernmobilität erlauben und einen Nutzen für die Lernenden bzw. Auszubildenden, die Bildungseinrichtungen und

Unternehmen sowie die Arbeitsmärkte sicher stellen. Mit qualitätssichernden Maßnahmen, Instrumenten und Verfahren zur Feststellung und Anerkennung von im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen soll sichergestellt werden, dass Mobilität eine breite Wirkung erzielen – für das Individuum und für das Bildungssystem. Neben der Mobilität von Lernenden ist es wichtig, auch Ausbildner/innen und Lehrkräfte in der beruflichen Bildung internationale Erfahrungen sammeln zu lassen. Diese Ausgabe der OeAD-News versucht, den Strategien und Zielsetzungen nationale und europäische Praxisbeispiele gegenüberzustellen. Auf europäischer Ebene werden Lern-

aufenthalte in der beruflichen Bildung seit nahezu zwanzig Jahren gefördert. Allein im Programm für lebenslanges Lernen kamen in den Jahren 2007 bis 2013 mehr als 18.000 Menschen aus Österreich in den Genuss von Mobilität in der Berufsbildung. Die Nationalagentur Lebenslanges Lernen der OeAD-GmbH setzt die Bildungsprogramme auf nationaler Ebene um. Die Nachfrage übertrifft in Österreich das Angebot; Stünden mehr finanzielle Mittel zur Verfügung, würden noch deutlich mehr Menschen mobil werden. Erasmus+, das neue EU-Programm für Bildung, Jugend und Sport, bietet mehr Geld und mehr Möglichkeiten.

infopoint www.bildung.erasmusplus.at


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Services des OeAD zur Mobilität in der Berufsbildung eTwinning: Ein wichtiges Tool zur Vernetzung – auch für berufsbildende Schulen eTwinning ist Teil des Bereichs Schulbildung in Erasmus+ und verfolgt das Ziel, mit einfachen Mitteln die Zusammenarbeit zwischen den europäischen Schulen zu stärken und dabei den Einsatz der modernen Kommunikations- und Informationstechnologien zu fördern. Lehrer/innen aller Schultypen können mit ihren Klassen virtuelle Projekte auf www.etwinning.net durchführen oder selbst an internationalen Fortbildungen rund um das Thema Informationsund Kommunikationstechnologien teilnehmen. Die besten Projekte werden jährlich auf nationaler und europäischer Ebene mit wertvollen Sachpreisen prämiert. 2013 belegte das Projekt „BELL – Business Economics Language Learning“ den zweiten Platz beim europäischen eTwinning-Preis in der Kategorie für Schulen mit Schüler/innen zwischen 16 und 19 Jahren. www.etwinning.at

ECVET-Kontaktstelle in der OeAD GmbH (Nationalagentur) Das Programm Erasmus+ unterstützt im Rahmen von Mobilitätsprojekten (Key Activity 1) ausbildungs- und berufsrelevante Auslandsaufenthalte (z. B. Praktika). Diese sollen für die Teilnehmer/innen positive, langfristige und konkrete Auswirkungen haben. Zentrale Bedeutung kommt dabei einem gemeinsamen Verständnis von Lernergebnissen zu. Dadurch wird die Anerkennung beruflicher Fertigkeiten und Kompetenzen sichergestellt, die im Ausland an anderen Lernorten und in anderen Lernkontexten erworben wurden, und die Transparenz wird verbessert. Das Europäische Leistungspunktesystem für die berufliche Bildung (ECVET) bietet berufsbildenden Schulen und Lehrbetrieben „Werkzeuge“, die die Planung und Durchführung von Mobilität und die Anerkennung des im Ausland Gelernten im Inland erleichtern sollen. Nutzen Sie die Vorteile und Möglichkeiten von ECVET. Die Mitarbeiter/ innen der Nationalagentur (OeAD GmbH) sowie ein Netzwerk von nationalen ECVET-Expert/innen unterstützen Sie dabei. Die ECVET-Expert/innen kennen sehr gut die Herausforderungen, vor denen berufsbildende Schulen und Lehrbetriebe stehen. Die angebotenen Beratungs- und Schulungsleistungen sind kostenlos und werden von der ECVET-Kontaktstelle in der Nationalagentur vermittelt.

EUROPASS

www.ecvet-info.at | www.ecvet-toolkit.eu

Der Europass ist ein Portfolio aus fünf Dokumenten und bietet als kostenloser Service der Europäischen Union allen europäischen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, ihre in der Schule, an der Hochschule oder im Rahmen von Lern- oder Ausbildungsaufenthalten im Ausland erworbenen Fähigkeiten klar und einheitlich darzustellen. An der Europass-Initiative nehmen mehr als 30 europäische Länder teil. Die Europass Dokumente bestehen aus: ÆÆ Europass Lebenslauf ÆÆ Europäischer Skills-Pass mit: • Europass Sprachenpass • Europass Mobilitätsnachweis • Europass Diploma Supplement • Europass Zeugniserläuterung www.europass.at

Euroguidance Euroguidance Österreich informiert als Teil des europäischen Euroguidance-Netzwerks Bildungs- und Berufsberater/innen in Österreich und Europa über ÆÆ die Mobilitätsmöglichkeiten des Programms Erasmus+ für Bildungs- und Berufsberater/innen ÆÆ erfolgreiche europäische Projekte im Bereich der Information, Beratung und Orientierung für Bildung und Beruf (IBOBB) ÆÆ europäische und nationale Strategien im Bereich der Information, Beratung und Orientierung für Bildung und Beruf (IBOBB) ÆÆ Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten in Österreich und Europa (www.europa.eu/ploteus) ÆÆ das österreichische Bildungssystem (www.bildungssytem.at) Das europäische Euroguidance-Netzwerk mit Zentren in über 30 Ländern Europas ist im Programm Erasmus+ unter der Aktionslinie 3 „Aktivitäten zur Umsetzung politischer Agenden der EU“ angesiedelt.

www.euroguidance.at


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Rita Michlits

„Eine solche Chance muss man einfach nutzen“ Bislang absolvierten 5.000 österreichische Lehrlinge ein Praktikum im Ausland. Unternehmen wie Kapsch oder Porsche haben die Lehrlingsaustauschprogramme fix in ihre Personalentwicklung aufgenommen. Bei Kapsch können Lehrlinge im zweiten Lehrjahr ins Ausland. Im Bild: die angehende Industriekauffrau Julia Fuchs mit Ausbildungsleiter Alfred Benold

Dennoch wagten bislang 5.000 österreichische Lehrlinge den Schritt und absolvierten ein Auslandspraktikum im europäischen Ausland. Mit dem EUProgramm Leonardo da Vinci, das die Nationalagentur in der OeAD-GmbH (www.oead.at) abwickelt, werden diese Auslandspraktika gefördert. Pro Jahr nutzen rund 450 österreichische Lehrlinge diese Möglichkeit. Kapazität gäbe es für knapp doppelt so viele. Die Abwicklung der Auslandsaufenthalte koordinieren entweder Berufsschulen oder Unternehmen selbst, aber auch andere Organisationen wie IFA – Internationaler Fachkräfteaustausch, Wien Work oder die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol.

Perspektiven für die Zukunft Bei Kapsch hat jeder Lehrling die Möglichkeit, bis zu fünf Wochen im Ausland zu verbringen, üblicherweise im zweiten Lehrjahr. Die Lehrlingsentschädigung läuft während dieser Zeit weiter. Vom Selbstbehalt eines Aufenthalts in Höhe von 450 Euro übernimmt der

Betriebsrat 250 Euro. Somit räumt man bei Kapsch auch finanzielle Hürden weitgehend aus. Nicht jeder Arbeitgeber unterstützt so vorbildlich. Die Niederösterreicherin Julia Fuchs und ihr Landsmann Thomas Rumpler waren im Vorjahr mit einer Gruppe Jugendlicher aus allen Bundesländern im Ausland. Die angehende Industriekauffrau Julia sammelte Erfahrungen bei einem Uhrmacher in Malta. Ihre Arbeitgeber werden den Jugendlichen erst vor Ort zugeteilt. Thomas, der bei Kapsch BusinessCom zum IT-Techniker ausgebildet wird, hat bei einer kleinen NGO in der südenglischen Hafenstadt Portsmouth mitgearbeitet, wo auch immer Not am Mann war. „Ich habe die Website upgedatet, IT-Probleme gelöst, den IT-Einkauf abgewickelt, aber auch bei Veranstaltungen mitgeholfen“, sagt Thomas zu OeAD-News. „Wer die Chance hat, im Ausland zu arbeiten, sollte sie unbedingt nutzen“, so Thomas. Dass er mit anderen Menschen gelebt habe, gesehen habe, wie der Alltag in einem anderen Land laufe, was im Supermarkt wo liege, wie der öffentliche Verkehr funktioniere, habe ihn persönlich weitergebracht. „Es geht gar nicht anders als mit mehr Wissen zurückzukommen“, und das bringt aus seiner Sicht auch dem Unternehmen etwas. Ausbildungsleiter Alfred Benold ergänzt, dass ein Auslandsaufenthalt primär den Jugendlichen etwas bringe. Benold:

© michlits | oead

Vom europäischen Erfolgsprogramm Erasmus haben im Zeitraum 2007 bis 2013 über drei Millionen Studierende profitiert. Für Lehrlinge ist der Schritt ins Ausland weniger selbstverständlich. Für viele ist ein Auslandspraktikum die erste Reise überhaupt – ein wenig Mut ist also gefordert.

„Aber jeder Austausch – sei es auf beruflicher Ebene oder auf menschlicher – bringt eine Erweiterung der Perspektiven und Möglichkeiten für die eigene Karriere. Diese Chance sollte man nutzen.“

Englischunterricht in der Disco Englisch spricht Thomas heute mit weniger Scheu als vor seinem Besuch in Portsmouth, was gerade in seinem Berufsfeld wichtig sei. Heute traue er sich, Leuten auf der Straße auf Englisch den Weg zu weisen oder im benachbarten Ausland mit anderen jungen Menschen zu reden. „Das hätte ich vor meinem Englandaufenthalt nicht gemacht“, sagt der junge Niederösterreicher. „Nach zwei Wochen habe ich die Uhren auf Englisch gezählt“, bringt es Julia auf den Punkt. In der ersten Woche besuchte sie vormittags einen Englischkurs, danach lernte sie die Sprache: im Job, abends in der Disco und in der Appartement-Anlage, wo sie mit anderen jungen Europäer/innen lebte. Es sei aber schon eine Herausforderung, mit völlig fremden Menschen zu leben und zu arbeiten. Im Uhrengeschäft führte sie Bestandslisten, betreute Kund/innen und die Website.


© christian seculic | iStockphoto @ porsche

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Porsche schickt die besten 15 Lehrabsolventen auf ein Auslandspraktikum. 2008 reiste der "Best of Club" in die legendäre Automobilfabrik von Bentley Motors nach Crewe. Zwischendurch stand ein Besuch bei Manchester United am Programm.

„Der Chef hat mich total herzlich in seinem Familienbetrieb aufgenommen“, sagt Julia. „Ich war traurig, als ich zurück musste. Am Meer sind die Menschen einfach gut drauf. Bei uns hingegen ist alles so hektisch.“ Die Lebensqualität sei in Österreich höher, ergänzt Thomas, was er vor seinem Aufenthalt nicht dachte. Sein Fazit: „Manches ist anders und man könnte darüber nachdenken, ob besser als bei uns und damit Vorbild.“

Lehrlinge im zweiten Lehrjahr erhalten eine Studienreise zu Volkswagen nach Wolfsburg. Die Top 15-Lehrabsolventen erhalten für ihren besonderen Lernerfolg eine einmalige Auszeichnung: Ein Auslandspraktikum, das 2008 zum Beispiel nach England in die legendäre Automobilfabrik von Bentley Motors nach Crewe führte.

Eine Reise für die Besten

Mit diesem Praktikum sagt Porsche „Danke für die ausgezeichnete Mitarbeit“, heißt es von Seiten der Personalabteilung. „Wir fördern damit gezielt die vorhandenen Fähigkeiten und Kenntnisse. Die Top 15 erhalten einen tiefen Einblick in die Bau- und Konstruktionsweise komplexer Automobile und lernen den Gesamtzusammenhang von der Konstruktion bis zur Auslieferung eines Fahrzeuges besser kennen“, sagt Mag. Klaus Fetka, Leiter Personal & Personalentwicklung bei Porsche Inter Auto. Das zusätzlich erworbene Wissen soll in weiterer Folge bei speziellen Aufgabenstellungen im Betrieb angewendet werden. Fetka sieht in diesem außergewöhnlichen Praktikum aber vor allem eines: „einen wichtigen Baustein für den weiteren Karriereweg eines jungen, aufstrebenden Mitarbeiters".

© michlits | oead

Porsche Inter Auto ist mit über 600 Lehrlingen in den Lehrberufen Kfz-Techniker/in, Kfz-Elektriker/in, Karosseriebautechniker/in und Kfz-Lackierer/in der größte Lehrlingsausbildner im europäischen Kfz-Einzelhandel. In den vergangenen Jahren wurde ein Leistungsmonitoring eingeführt, wodurch in jedem Lehrjahr die 15 besten Lehrlinge erfasst werden können. Im sogenannten „Best of Club“ winkt im ersten Lehrjahr eine Studienreise zu Audi nach Ingolstadt. Die besten

IT-Techniker Thomas Rumpler hat in England seine Scheu vor der Sprache rasch abgelegt.

Fakten zum Leonardo da Vinci-Programm Leonardo da Vinci ist Teil des EU-Programms Lebenslanges Lernen. Praktika werden in Österreich vom BMBF (Bundesministerium für Bildung und Frauen) kofinanziert. Die geförderten Aufenthalte dauern mindestens zwei Wochen. Die maximale Aufenthaltsdauer wurde 2014 von sechs auf zwölf Monate verdoppelt. Die Fördersumme beträgt etwa 1.000 Euro bei einer durchschnittlichen Dauer von drei bis vier Wochen. Von der Europäischen Kommission werden online Sprachkurse angeboten, die Lernende ab einem einmonatigen Praktikumsaufenthalt gratis nützen können. Die OeAD-GmbH ist seit 1995 Trägerin der Nationalagentur Lebenslanges Lernen und der Vorgängerprogramme. In der Agentur für internationale Mobilität und Kooperation in Bildung, Wissenschaft und Forschung wird auch das neue Bildungsprogramm Erasmus+ abgewickelt. Erasmus+ startete mit 1. Jänner 2014 und läuft bis 31. Dezember 2020. Leonardo da Vinci wird im neuen Programm fortgeführt und von der Nationalagentur Lebenslanges Lernen in Österreich koordiniert. Der erste Call ist seit 12. Dezember 2013 geöffnet.

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Stephanie Mayer

Förderung von Mobilität in berufsbildenden Schulen © gianmaria gavra| oead

Bis 2020 sollen mindestens sechs Prozent der 18- bis 34-Jährigen mit Berufsbildungsabschluss einen Auslandsaufenthalt absolviert haben.

Die Bedeutung von Auslandspraktika und Mobilitätsphasen im Zuge der beruflichen Erstausbildung steht außer Frage und ist in vielen Sektoren fester Bestandteil beruflicher Anforderungsprofile geworden. Arbeitgeber schätzen nicht nur den fachlichen Zugewinn, welchen Schüler/innen nach solchen Perioden vorweisen können, zunehmend rücken sogenannte transversale Kompetenzen in das Zentrum von Anforderungsprofilen. Soziale Kompetenzen, sprachliche Kompetenzen, kulturelles Verständnis und Selbstständigkeit erfahren immense Aufwertung. Sie wirken sich positiv auf die Langzeitbeschäftigungsfähigkeit von Absolvent/innen der berufsbildenden Schulen aus. In diesem Sinne fördert Leonardo da Vinci seit 1995 berufsbildende Auslandspraktika. Die Beliebtheit des Programms zeigt sich deutlich anhand der steigenden Teilnehmer/innenzahlen. Seit Beginn des Programms hat sich die Gesamtanzahl der jährlich genehmigten Mobilitätsprojekte mehr als verdoppelt. Aus dem Bereich der berufsbildenden Schulen nehmen jährlich rund 1.400 Schüler/innen diese Möglichkeit der finanziellen Förderung ihrer Auslandspraktika in Anspruch. Während die europäischen Initiativen der vergangenen Jahre erheblich zum Abbau (vor allem) finanzieller Hürden zur Lernmobilität beigetragen haben, wird mit Blick auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 20. Dezember 2011 dennoch rasch erkennbar, dass die Teilnahmeraten an Mobilitätsperioden in der Berufsbildung jenen an Hochschulen weit hinterherhinken. Die in den Schlussfolgerungen definierten MobilitätsBenchmarks legen fest, dass bis zum Jahr 2020 mindestens sechs Prozent der 18- bis 34-Jährigen mit Berufsbildungsabschluss im Zuge ihrer Erstausbildung eine Mobilitätsperiode von mindestens zwei Wochen absolviert haben sollen. Im Vergleich dazu sollen mindestens 20 Prozent

der Studierenden einen Auslandsaufenthalt im Umfang von mindestens 15 ECTS absolvieren. Neben finanziellen und versicherungstechnischen Hürden bleiben vor allem logistische und bürokratische Hürden im Zusammenhang mit fehlenden Mechanismen zur Anerkennung der im Ausland erworbenen Lernergebnisse bestehen. Die im Kontext des KopenhagenProzesses gelaunchten Europäischen Transparenzinstrumente haben zum Ziel, diese Hindernisse abzubauen, Schulen bei der Organisation, Durchführung und Nachbereitung von Mobilitätsperioden zu unterstützen und somit den Zugang für Schüler/innen zu wertvollen Lernaufenthalten im Ausland zu erleichtern. Der Europäische Qualifikationsrahmen klassifiziert Qualifikationen auf Systemebene und macht sie anhand von Lernergebnissen für Lernende, Bildungsanbieter und Arbeitgeber transparent und vergleichbar. Das Europäische Leistungspunktesystem für die Berufsbildung (ECVET) will bürokratische Hürden abbauen, indem es Mobilitätsverantwortlichen Instrumente zur Durchführung von Auslandsaufenthalten bereitstellt. Die im Kontext der Umsetzung von ECVET bereitgestellten Dokumente wie Lernvereinbarungen, Partnerschaftsvereinbarungen und Personal Transcripts führen zu verbesserter Kommunikation zwischen entsendender und aufnehmender Ein-

richtung, steigern Transparenz und Qualität von Mobilitätsperioden und erleichtern somit zwangsläufig die Dokumentation und Anerkennung erbrachter Lernleistungen. Somit können im Ausland erworbene Kompetenzen besser in die Gesamtausbildung integriert werden, und Schüler/innen können ihre Lern-erfahrungen besser dokumentieren und nutzen. In den kommenden Jahren wird es zentrales Ziel sein, durch sinnvolle Nutzung der entwickelten Instrumente verbleibende Hürden zu beseitigen und somit zur Erreichung der Mobilitäts-Benchmark für die Berufsbildung bis zum Jahr 2020 beizutragen. Dazu soll auch in der neuen, mit 2014 startenden und bis 2020 laufenden, Programmgeneration von Erasmus+ Leonardo da Vinci Mittel und Möglichkeiten bieten, Auslandsaufenthalte für Lernende der Berufsbildung flexibel und zielgruppengerecht zu gestalten. Es ist Aufgabe der Schulen, Schüler/innen den Erwerb wertvoller Auslandserfahrungen zu ermöglichen, sie an Mobilitätsperioden heranzuführen und sie erfolgreich zu begleiten. Zur Organisation individueller Lernbedürfnisse in Mobilitätsperioden sollen die organisierenden Einrichtungen weiterhin Unterstützung durch die Umsetzung der Europäischen Transparenzinstrumente erhalten. ECVET und Europass sollen verstärkt als Instrumente zur Qualitätssicherung von Auslandspraktika zum Einsatz kommen. Sie unterstützen Schulen in ihrer Wahrnehmung dieser wichtigen Aufgabe zur Mobilitätsförderung, maximieren den Mehrwert für individuelle Lernende und leisten langfristig einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Ziele von Education and Training 2020. Stephanie Mayer ist Mitarbeiterin im Bundesministerium für Bildung und Frauen, Sektion Berufsbildung. Sie ist dort für die Umsetzung von EQR und ECVET sowie für die Unterstützung der europäischen Transparenzinstrumente zuständig.


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Karoline Meschnigg | Alexander Hölbl

Duale Ausbildung und Mobilität: Rahmenbedingungen und Strategien Instrumente für Transparenz und Anerkennung von berufsbildenden Abschlüssen innerhalb Europas werden weiterentwickelt

Hier hat die Europäische Union v. a. mit den Mobilitäts- und Innovationsprojekten im Berufsbildungsprogramm Leonardo da Vinci bereits sehr gute Arbeit geleistet. 2013 haben insgesamt mehr als 500 Lehrlinge ein betriebliches Auslandspraktikum absolviert. Auf diesen „Vorarbeiten“ baut Erasmus+, das neue EU-Mobilitätsprogramm für Bildung, Jugend und Sport, auf. Für den Zeitraum 2014 bis 2020 stehen europaweit 40 Prozent mehr Fördermittel als in der vorangegangenen Finanzperiode zur Verfügung. Leonardo da Vinci wird als Teilprogramm von Erasmus+, durch das u. a. Auslandspraktika von Lehrlingen unterstützt werden, weitergeführt. Die Abwicklung liegt bei der Nationalagentur für Lebenslanges Lernen im OeAD. Als Serviceeinrichtung für Lehrlinge und Lehrbetriebe steht der Verein für Internationalen Fachkräfteaustausch (IFA) zur Seite. Ergänzend zu den europäischen Unterstützungen berufsbezogener Auslandspraktika, insbesondere für Lehrlinge, wurden auch auf nationaler Ebene Initiativen gesetzt: Neben Beratung der Unternehmen und Lehrlinge durch den Verein für Internationalen Fachkräfteaustausch erhalten Ausbildungsbetriebe,

© karoline meschnigg

Karoline Meschnigg und Alexander Hölbl sind sich einig, dass ein Vergleich des Lehrabschlusses mit anderen berufsbildenden Abschlüssen nur über die erreichten Lernergebnisse erfolgen kann.

die ihren Lehrlingen ein Auslandspraktikum ermöglichen, die auf den Praktikumszeitraum aliquot entfallene Lehrlingsentschädigung (diese ist von Unternehmen grundsätzlich weiterzubezahlen) im Rahmen der betrieblichen Lehrstellenförderung ersetzt. Um die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verbessern, können seit 2010 bis zu sechs Monate pro Lehrjahr an Ausbildung im Ausland auf die Lehrzeit angerechnet werden. Im neuen Programm sind es zwölf Monate. Zur Verbesserung des Transfers und der Vergleichbarkeit von Qualifikationen innerhalb Europas wurden zahlreiche Entwicklungen initiiert. Bereits seit einigen Jahren wird, basierend auf einer EU-Empfehlung, auf europäischer Ebene am Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) und auf nationaler Ebene an der Entwicklung und Implementierung eines nationalen Qualifikationsrahmens (NQR) gearbeitet. Im NQR werden alle relevanten österreichischen Ausbildungen einem von acht Qualifikationsniveaus zugeordnet, wobei der Zuordnungsprozess auf die mit der Qualifikation erworbenen – abstrakt beschriebenen – Kompetenzen (Lernergebnisse) abstellt. Ziel ist es, die Transparenz berufsbildender Abschlüsse und damit deren Anerkennungsmöglichkeiten innerhalb Europas zu verbessern. Die NQR der einzelnen Mitgliedsstaaten können verschiedene Zuordnungskriterien aufweisen, sie müssen aber mit den Stufen des einheitlichen EQR korrespondieren, sodass sich alle zugeordneten Abschlüsse via NQR im EQR wiederfinden. Der Stellenwert der dualen Ausbildung im Gesamtbildungssystem ist in den europäischen Staaten sehr unterschiedlich ausgeprägt, duale Ausbildungswege überdies nicht einheitlich gestaltet. Ein Vergleich des Lehrabschlusses mit anderen berufsbildenden Abschlüssen kann daher sinnvollerweise nur über die erreichten Lernergebnisse erfolgen. Daher bietet die-

© alexander hölbl

Durch den europäischen Binnenmarkt und die wirtschaftliche Verflechtung der europäischen Staaten und Regionen werden neue Qualifikationsanforderungen sowohl an Management als auch an Arbeitnehmer/innen gestellt. Zu Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit, Problemlösungskompetenz, Verantwortungsgefühl, Qualitätsbewusstsein etc. kommen interkulturelle Kompetenzen hinzu. Durch Auslandserfahrungen und bessere Fremdsprachenkenntnisse wird, wie viele Befunde zeigen, auch die Fähigkeit zum Innovationstransfer in Wirtschaft und Gesellschaft gefördert. Gemäß dem Move-iT-Abschlussbericht haben Auslandspraktika für Betriebe neben der Kompetenzentwicklung der künftigen Mitarbeiter/innen folgende Vorteile: potenziell mehr international ausgerichtete Arbeitskräfte, Kenntnisse über neue Märkte, neue Lösungsansätze und neue Arbeitsmethoden im Unternehmen sowie Verbesserung des Profils und der Attraktivität der entsprechenden Branche. Berufsbildung in Europa muss dem Bedarf nach Internationalität gerecht werden. Dazu sind entsprechende Rahmenbedingungen notwendig.

ses Transparenzinstrument eine gute Möglichkeit, die in der Lehrlingsausbildung erworbenen Kompetenzen auch in anderen Lern- und Arbeitsumgebungen sichtbar zu machen und kann die Chancen am Arbeitsmarkt erhöhen. Eine adäquate formale Zuordnung des Lehrabschlusses in den österreichischen NQR sollte bis 2015 erfolgen. Für die duale Ausbildung kommt eine Einstufung auf dem Niveau vier in Frage. Karoline Meschnigg ist Abteilungsleiterin für Berufsschulen im Bundesminsterium für Bildung und Frauen (BMBF). Alexander Hölbl ist im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) für Berufsausbildung und Ingenieurwesen zuständig.


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Alfred Freundlinger

Duale Ausbildung in Österreich als internationales Erfolgsmodell Ein gut ausgebautes Berufsbildungssystem wirkt sich positiv auf die Jugendarbeitslosigkeit aus.

Die Jugendarbeitslosigkeit ist in vielen europäischen Staaten in den letzten Jahren stark gestiegen. In Spanien und Griechenland nähert sich die Arbeitslosigkeit der unter 25-Jährigen der 60-Prozent-Marke, im EU-Durchschnitt liegt der entsprechende Wert bei knapp 23 Prozent. Angesichts dieser Situation rücken die Berufsbildung, und hier ganz besonders die duale Berufsbildung, ins Zentrum der Aufmerksamkeit vieler Mitgliedsstaaten und auch der EUKommission. Jene Mitgliedsstaaten, die über gut ausgebaute Berufsbildungssysteme und vor allem über eine Lehrlingsausbildung verfügen (vor allem Österreich, Deutschland, Dänemark und Niederlande) sind in deutlich geringerem Ausmaß von Jugendarbeitslosigkeit betroffen als jene Staaten, die primär auf allgemeinbildende und hochschulische Qualifizierung setzen. Dass Österreich im europäischen Vergleich besonders gute Werte bei den Beschäftigungsdaten allgemein, speziell aber bei der Jugendbeschäftigung aufweist, ist in hohem Ausmaß auf das gut ausgebaute Berufsausbildungssystem zurückzuführen. Mit 80 Prozent Schüler/innen der Sekundarstufe II in einer Berufsausbildung liegt Österreich weltweit an der Spitze. Vor allem ist es die duale Berufsbildung, welche eine überwiegend reibungsfreie Integrati-

on von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt ermöglicht. Lehrlinge haben den Vorteil, dass sie bereits während der Ausbildung im Arbeitsmarkt sind, und deshalb nach Abschluss ihrer Ausbildung bereits über Berufserfahrung verfügen. Ein wesentliches Erfolgskriterium der dualen Berufsbildung ist, dass sowohl die Unternehmen als auch die Arbeitnehmer/innen, vertreten durch die Sozialpartner, starken gestaltenden Einfluss auf die Inhalte und Rahmenbedingungen der Ausbildung haben. Diese Verbundenheit stärkt bei den Unternehmen die Bereitschaft, Lehrlinge aufzunehmen und auszubilden, und bei den Jugendlichen und ihren Eltern das Vertrauen in die duale Berufsbildung. Es ist die Verbindung von Arbeiten und Lernen, welche die besondere Stärke der dualen Berufsbildung ausmacht. Unmittelbar zu wissen, wozu man das Gelernte brauchen kann, und es auch

sofort anwenden zu können, ist in höchstem Maße förderlich für die Lernmotivation. Vor allem aber ist die Nachhaltigkeit des Lernens dank des unmittelbaren Sinnzusammenhangs und der laufenden Anwendung besonders gegeben. Da Unternehmen sich in der Konkurrenz am Weltmarkt behaupten müssen, ist auch in sehr hohem Ausmaß sichergestellt, dass die Ausbildung am aktuellsten Stand ist. Die Wirtschaftskammer setzt seit einigen Jahren einen Schwerpunkt zum Thema „Bildungsexport“, unter anderem auch auf Projekte zur Unterstützung der Entwicklung einer dualen Ausbildung in interessierten Ländern. Im Herbst 2014 startet in der Slowakei ein Pilotprojekt mit zwei Lehrberufen. Unter dem Eindruck eines steigenden Fachkräftemangels bei gleichzeitig hoher Jugendarbeitslosigkeit soll in den nächsten Jahren in der Republik Slowakei wieder eine duale Berufsbildung etabliert werden. Im Jahr 2014 werden die gesetzlichen Grundlagen geschaffen bzw. angepasst. Gestartet wird mit einem Projekt im Bereich Maschinenbau/Kfz im „Automotive Sector“ in der Region Nitra. Zur Unterstützung des Arbeitsund Entscheidungsprozesses in der Slowakei zur Entwicklung des Berufsbildungssystems in Richtung einer dualen Ausbildung wurde vom IBW-Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft eine Studie erstellt. Diese Studie wurde im November 2013 fertiggestellt und präsentiert sieben Erfolgsfaktoren, die für eine erfolgreiche und nachhaltige Etablierung einer dualen Lehrlingsausbildung notwendig erscheinen. Auch mit China, Rumänien und der Türkei sind konkrete Projekte in Planung. Um entsprechende Initiativen zu starten, wird eine Kooperation österreichischer Unternehmen mit Niederlassungen in den betroffenen Ländern und Schulen vor Ort organisiert. Weitere Hinweise unter www.wko.at/bildung Dr. Alfred Freudlinger ist Stv. Leiter der Abteilung für Bildungspolitik der Wirtschaftskammer Österreich. Er ist Mitglied des Bundes-Berufsausbildungsbeirats und unter anderem zuständig für die duale Berufsausbildung (Lehre).


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Johannes Müllner

Gelebte Inklusion: Arbeitserfahrungen in der Türkei und in Deutschland Lernende und Lehrende mit und ohne Behinderungen sammeln Auslandserfahrungen. Wien Work fördert die Mobilität und damit die beruflichen Chancen junger Menschen mit Benachteiligung.

Soweit die Idee. Es erwies sich allerdings als schwierig, in der Türkei eine geeignete Partnerinstitution zu finden. Einrichtungen, wie jene, die in Österreich die sogenannten überbetrieblichen Ausbildungen pflegen, scheint es weder in der Türkei noch im ehemaligen Jugoslawien zu geben. Schließlich gelang es über die Vermittlung eines türkischstämmigen Mitarbeiters Kontakt zu einem Hotel in Istanbul herzustellen, dessen Management sich bereit erklärte, Auszubildende von Wien Work im Rahmen eines Leonardo da Vinci-Projekts aufzunehmen. Der Ablauf in der Türkei unterschied sich wesentlich von Projekten früherer Jahre, welche mit Partnern aus Deutschland durchgeführt wurden, wie z. B. mit dem Berufsbildungswerk BBW Südhessen, dem Jugendaufbauwerk (JaW) Koppelsberg oder der Werkstätte Frankfurt. Das Konzept des BBW Südhessen weist zahlreiche Parallelen zu Wien Work auf. Eine vergleichbare Zielgruppe und ein ähnliches Betreuungskonzept wirkten sich positiv auf das Kooperationsprojekt aus. Aus dem Ausbildungssystem des BBW Südhessen konnten in der Vergangenheit Anregungen gewonnen werden, die in angepasster Form Eingang in das Ausbildungskonzept von Wien Work fanden: ÆÆ eine Einführungswoche für Neueinsteiger/innen, in der diese auf die Besonderheiten der Ausbildung bei Wien Work vorbereitet werden ÆÆ die sogenannte „verzahnte Ausbildung“, d. h. dass Jugendliche, die ausgebildet werden, Teile ihrer Ausbildung in einem Betrieb absolvieren können ÆÆ die Einbeziehung der Auszubildenden; einmal im Jahr gibt es Entwicklungsbesprechungen, in denen der Ausbildungsverlauf reflektiert wird

© carina waldbauer | wien work

Die Idee, mit einem türkischen Partner oder einem Partner aus Ex-Jugoslawien ein Mobilitätsprojekt durchzuführen, wird bei Wien Work schon seit Langem diskutiert. Die Idee ist naheliegend, hat doch ein beträchtlicher Teil (zirka ein Viertel) der Auszubildenden einen Migrationshintergrund. Viele dieser jungen Menschen sprechen ihre eigentliche Muttersprache noch sehr gut. Das ständig präsente Thema „Migration und Integration“ könnte durch ein derartiges Projekt sehr anschaulich in den Ausbildungsbetrieb bei Wien Work eingebracht werden. Jugendliche aus Wien absolvierten ein Auslandspraktikum an der Ausbildungsstätte der BBW Südhessen.

Die Ausbildungsstätten des BBW befinden sich am Rande der Großstadt Frankfurt. Auf dem Gelände gibt es auch Unterkunftsmöglichkeiten (eine Art Internat) für die entsandten Projektteilnehmer/innen, was sowohl für die Jugendlichen als auch für die die begleitenden Betreuungspersonen angenehm war. Ganz anders in Istanbul: Schauplatz war ein kleineres Hotel mitten im historischen Zentrum der hektischen Millionenstadt. Die Gruppe hatte es mit einer anderen Sprache, völlig unterschiedlichen kulturellen Hintergründen und einem Partner zu tun, der nicht auf den Umgang mit jungen Menschen mit besonderen Bedürfnissen vorbereitet war und der in erster Linie geschäftliche Interessen verfolgt. Umso erstaunlicher war die Reaktion der Jugendlichen: Mit einem hohen Maß an Flexibilität und Improvisationsfähigkeit gingen die jungen Menschen, die auf Grund ihrer festgestellten Benachteiligung oft unterschätzt werden, an ihre Aufgaben heran. Es kam gewissermaßen zu einer Umkehrung des angestrebten Ziels: Sollten die entsandten Jugendlichen

in ihrem Praktikum Fertigkeiten erwerben, die dort landesüblich sind und das österreichische Berufsbild ergänzen, fanden sie sich vor Ort ohne Anleiter/innen wieder und mussten selbst initiativ werden. Mit den spärlich vorhandenen Mitteln versuchten die Jugendlichen das in Wien Gelernte dem durchwegs neu eingestellten Personal zu vermitteln, anstatt die Besonderheiten der türkischen Küche in ihr Repertoire aufzunehmen. Die Hotelgäste waren freilich verwundert über das Wiener Frühstück, lobten die jungen Auszubildenden aber für dessen Qualität. Je einer der Jugendlichen begleitete morgens einen HotelBediensteten zum Einkauf, um jene Grundnahrungsmittel zu besorgen, die für die Wiener Küche gebraucht werden. Nachdem das Wiener Frühstück so hohen Anklang fand, bereitete man ab sofort auch Wiener Mehlspeisen zu. Auszubildende wie Betreuer/innen bezeichneten das Praktikum nach der Rückkehr als „Abenteuer“ und Herausforderung. Manche unvorhergesehene Situation war zu bewältigen gewesen, aber den Jugendlichen brachte der Aufenthalt eine große Portion an Selbsterkenntnis, Selbsteinschätzung und Selbstsicherheit. Johannes Müllner ist pädagogischer Leiter von Wien Work und Mitglied des Geschäftsleitungsteams.

infopoint www.wienwork.at


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Gernot Grinschgl

Lehrling Goes Europe

Mit dem EU-Programm Leonardo da Vinci gab es erstmals wieder die Möglichkeit, dass angehende Handwerker in Europa unterwegs sind. Die alte Tradition der „Walz“ scheint neu aufzuleben, wenn auch leicht abgeändert: die Chance – damals eher Verpflichtung – für den Gesellen, nach der Lehrzeit auf eine einjährige Wanderung zu gehen. Heute haben bereits Lehrlinge die Möglichkeit, im Ausland – mit Bezuschussung von Mitteln der Europäischen Union – andere Arbeitstechniken, Materialien und Werkzeuge, aber auch andere Menschen und Kulturen kennenzulernen.

© lbs eibiswald

Mehr als 200 Lehrlinge und 80 Ausbildungskräfte der Landesberufsschule Eibiswald haben in verschiedenen Ländern der EU Erfahrungen gesammelt.

Schüler und Betreuer/innen der Landesberufsschule Eibiswald auf Teneriffa

Seit jeher war ein Aufenthalt in der Fremde ein wichtiger und anerkannter Teil einer beruflichen Ausbildung – damals wie erwähnt erst als Geselle. Viele Firmen, Organisationen und Ausbildungsbetriebe geben jungen Menschen heute die Möglichkeit, für einige Wochen oder Monate im Ausland berufliche Erfahrung zu sammeln. Das Leben in einem anderen Land prägt die Persönlichkeit und die Jugendlichen wachsen daran. Auffällig sind die positiven Veränderungen, die im Weiteren noch dargestellt werden. Doch auch Fachkräften in der beruflichen Bildung steht der Weg einer europäischen Horizonterweiterung offen.

Die erste Gruppe, die während des Berufsschulunterrichts 1996 mit einem Lehrer und einem Projektauftrag als Praxisprojekt losgeschickt wurde, bestand aus sechs Lehrlingen. Gemeinsam mit spanischen und deutschen Lehrlingen arbeitete man am Aufbau und an der Inbetriebnahme einer Wetterstation. Gleichzeitig wurden während des Auslandsaufenthaltes natürlich die Kernthemen des versäumten Unterrichts mitgelernt.

Doch nicht immer lässt sich die berufliche Mobilität aus dem betrieblichen Umfeld heraus gestalten. Seit über 15 Jahren werden an der Landesberufsschule Eibiswald, ganz im Süden Österreichs, Projekte aus dem Programm Leonardo da Vinci durchgeführt. Für eine lehrgangsmäßig geführte Berufsschule (vier Lehrgänge pro Schuljahr) ist es natürlich eine Herausforderung, eine mehrwöchige Mobilität für Lehrlinge im Ausland in den Schulalltag einzubetten. Lassen Sie mich dies bitte anhand unserer Schule darstellen:

JAHR PROJEKTTITEL 1996 - 1997 EOS & EOS Solar 1998 - 1999 BIOTEC I & BIOTEC II 1999 - 2000 SOLARTEC ALPHA - BETA 1 - BETA 2 2001 / 2003 EDU-PUENTE I und II 2004 EDU-PUENTE ESTUDIANTES 1a / 1b 2005 - 2007 EDU-PUENTE ESTUDIANTES 2a / 2a1 / 2b 2009 - 2010 Ausstellung - LEONARDO@LBS-EIBISWALD 2012 - 2014 S-CONTEC 1 S-CONTEC 2 S-CONTEC 3 2013 - 2014 CISCOTEC 1 CISCOTEC 2 CISCOTEC 3

Dieses ungewöhnliche Konzept einer LeonardoMobilität hat sich an der LBS Eibiswald als Erfolgkonzept durchgesetzt. Bis heute wurden über 200 Lehrlinge und 80 Ausbildungskräfte nach diesem Schema entsandt. Hier eine kurze Übersicht, eine detaillierte Auflistung finden Sie unter www.verwaltung.steiermark.at/cms/ziel/81034876/DE/

Das bisherige Festhalten an diesem Konzept begründet sich darin, dass Lehrlinge im Rahmen ihrer betrieblichen Ausbildung kaum oder gar nicht in Mobilitätsprojek-

te einbezogen werden. Dies gilt mehrheitlich für den Sektor der Starkstromtechnik. Natürlich sind hiervon international tätige Firmen ausgenommen, wo im Rahmen von Auslandsprojekten Lehrlinge mitfahren dürfen oder zur Belohnung eine Reise geschenkt bekommen. Die Abwesenheit des jungen Auszubildenden im Betrieb wird nach wie vor als ein Fehlen betrachtet. Dass der junge Mensch aber nur seinen Lernort gewechselt hat, ist nicht auf den ersten Blick erkennbar. Erst nach der Rückkehr werden die Veränderungen offenkundig. Der Mehrwert, den die Lehrlinge im Rahmen von Auslandspraktika wie den Leonardo-Projekten erfahren, wäre innerbetrieblich oder in der Berufsschule gar nicht erzielbar, ist aber für das weitere Leben des Lehrlings und auch für sein Umfeld von großem Vorteil. Die Mehrbelastungen, denen die Lehrlinge durch eine Teilnahme an den Leonardo-Projekten der LBS Eibiswald ausgesetzt sind, lassen sich dennoch nicht von der Hand weisen: ÆÆ Oft sind die Jugendlichen zum ersten Mal weg von zu Hause und vom Freundeskreis. ÆÆ Sie verbringen drei Wochen alleine in einem fremden Umfeld. ÆÆ Sie betreten sprachliches Neuland (sind mit Französisch, Italienisch oder Spanisch konfrontiert). ÆÆ Sie lernen und arbeiten eigenverantwortlich. ÆÆ Sie arbeiten im Team. ÆÆ Sie lernen selbstständiges Zeitmanagement.


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© lbs eibiswald

Zur Eröffnung der Ausstellung "Berufsschüler lernen von europäischen Nachbarn", bei der die Ergebnisse der Leonardo da Vinci-Projekte der Öffentlichkeit präsentiert wurden, konnte Projektleiter Gernot Grinschgl neben der Vizepräsidentin des Landesschulrates Steiermark Elisabeth Meixner und der Eibiswalder Bürgermeisterin Margarete Franz auch Landeshauptmann Franz Voves begrüßen.

Unter Beachtung der neunwöchigen Berufsschulzeit – in den mittleren drei Wochen findet die Auslandsmobilität statt – ist es leicht vorstellbar, dass der Wiedereinstieg in den Regelbetrieb der Berufsschule auch eine Herausforderung darstellt. Dieses Zeitfenster wurde aber bewusst so gewählt, damit das heimgekehrte Team die Erfahrungen und Erlebnisse auch präsentieren kann. Dies erfolgt nicht nur in eigenen Veranstaltungen für die Lehrlinge der gesamten Schule, sondern auch in einer gesonderten Veranstaltung für die Ausbildungsbetriebe, die Eltern und die interessierte Öffentlichkeit. Die Präsentation ihrer Person, der Leistungen, die sie erbracht haben, und der drei Wochen mit allen Höhepunkten und Herausforderungen stellt für die Teilnehmer/innen stets ein besonderes Ereignis dar. In ihren Feedbacks betonen die Teilnehmer/innen immer wieder, durch ihre Teilnahme an den LeonardoProjekten eine „unerwartete“ persönliche Entwicklung erfahren zu haben: ÆÆ Erleben ihres Leistungsspektrums ÆÆ Änderung des Lebensplans ÆÆ Abbau von Vorurteilen ÆÆ mehr Akzeptanz und Toleranz Diese persönlichen Veränderungen in einer relativ kurzen Zeit sind sicherlich eine Folge des Mottos „Fördern durch Fordern“, wobei dies immer mit Einverständnis des Projektteams erfolgt. Durch die Vorbereitungsphase – in der nicht nur sprachliche und kulturelle Grundlagen vermittelt werden, sondern auch der Projektablauf möglichst realistisch dargestellt wird – entsteht nicht nur eine positive, gespannte Erwartungshaltung, auch Enttäuschungen im Projektablauf werden so verhindert. Es gibt einige besondere Vorteile, die unsere Art der Umsetzung von Leonardo-Projekten mit sich bringt. Einige davon wurden schon beschrieben. Ein besonderer Aspekt: Da vor allem Lehrlinge im dritten Ausbildungsjahr teilnehmen, ist ein persönliches Feedback ein Jahr später, im vierten Lehrjahr, möglich. Immer wieder hat ein Satz besonderes Gewicht : „Ich würde so gerne wieder fahren!“ Alle

Teilnehmer/innen haben sich in dieser Evaluierung äußerst positiv und vor allem nachhaltig begeistert gezeigt. Eine weitere Besonderheit der LeonardoMobilitätsprojekte der LBS Eibiswald ist, dass etwas Konkretes entsteht. Jedes Auslandsprojekt hat ein Produkt zur Folge, das – dem Naturell der Ausbildungsberufe entsprechend – ein technisches Gerät ist. Die darauf abgestimmten pädagogischen und didaktischen Grundlagen werden von einem Lehrer/innen-Team ausgearbeitet. Ein Teil dieses Teams ist in den Auslandsaufenthalt direkt eingebunden, der andere mit den Vor- und Nachbereitungsarbeiten beschäftigt. Die so entstandenen Produkte werden in einer eigenen Ausstellung „Leonardo@LBS-Eibiswald“ gezeigt. Die Dokumentation und die Fotos der am Projekt Beteiligten sind natürlich essenzieller Bestandteil. Lehrlinge beginnen sich für Leonardo-Projekte zu interessieren, wenn sie im Foyer der LBS Eibiswald die Ausstellung durchwandern und dabei ihre Kolleg/innen, Ausbildner/innen oder sogar Firmenchefs auf den Fotos wiederfinden.

sozusagen „platziert“ werden, ein noch höherer Kompetenzzuwachs möglich ist – insbesondere im Bereich des persönliches „Er-wachsens“. Es liegt aber auch in der Natur der Sache, dass in solchen Placements höchst unterschiedliche Erfahrungswelten bei den Teilnehmer/innen entstehen, die von vielen unbeherrschbaren Faktoren abhängig sind. Dem gegenüber steht der Vorteil, dass in unseren Projekten die Partizipation am Programm für jede Teilnehmer/in gegeben ist. Begriffe wie Lerninhalte, Lernziele, Anerkennung und Transparenz bzw. Bewertung und Benotung sind seit über 15 Jahren integrierter Bestandteil der Leonardo-Projekte der LBS Eibiswald. Wir werden auch in Zukunft unseren Weg fortsetzen, uns aber auch Placements im ursprünglichen Sinn zuwenden. Immer mehr Ausbildungsbetriebe sehen bessere Chancen und Möglichkeiten, wenn Lehrlinge in ihrer Lehrzeit einen erweiterten Horizont und mehr Selbstvertrauen bekommen. Im Sinne eines lebenslangen Lernens ist es ein großer Vorteil, bereits in jungen Jahren einen Standpunkt einnehmen zu können, der den Blick über den eigenen Tellerrand hinaus in eine persönliche berufliche Zukunft zulässt. Ing. Gernot Grinschgl ist Direktorstellvertreter der LBS Eibiswald und war Leonardo-Botschafter 2012.

Die entstandenen Produkte werden aber andererseits auch im Regelschulunterricht eingesetzt. Somit fließen die Ergebnisse der Leonardo-Projekte in das Curriculum der Schule ein und schaffen damit einen einmaligen Mehrwert. Ich weiß, dass durch Placements innerhalb des Programms Erasmus+, wo Lehrlinge ins betriebliche Umfeld intergriert,

infopoint www.bildung.erasmusplus.at/berufsbildung


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Silvia Schwaiger-Wöll

Tourismusschüler/innen nützen ihre Chance in der EU: Praktika im Ausland Aus dem Tagebuch einer Koordinatorin des Programms für lebenslanges Lernen Leonardo da Vinci.

Die Schülerinnen Schülerinnen Elisabeth Meindl, Michaela Exenberger, Nathalie Mitterer und Julia Hermann (von li nach re) bei hrem Praktikum im Hotel Palace ***** in Milano Marittima

Meine Kolleg/innen befinden sich noch in den wohlverdienten Ferien. Ich nutze die Ruhe im Schulhaus, um Vorbereitungen für den Sommer des kommenden Jahres zu treffen: Ich erstelle Listen mit Hotels in Italien, die bereit sind, wieder Schüler/innen für das Praktikum aufzunehmen, Aushänge für die Anschlagtafel, auf denen ich erkläre, welche Unterlagen für die Antragstellung des Projekts notwendig sind, setze Fristen fest, innerhalb derer Bewerbungen, Lebensläufe, Verträge etc. abgegeben werden müssen. Der erste Schultag: die ersten Schüler/innen melden sich bei mir, denn die Praktikumsplätze am Meer sind die begehrtesten. Absolut überzeugt von der Sinnhaftigkeit des Projekts, bitte ich Fremdsprachenkolleg/innen, mich auf der Suche nach weiteren Partnerbetrieben in Frankreich, Spanien und England zu unterstützen, ermuntere sie, an Hotels zu denken, die sie vielleicht selber besucht haben, schlage vor, bei Schüler/innen nachzufragen, die durch Zufall selber in den vergangenen Jahren ein Hotel für ein Praktikum gefunden haben und dieses weiterempfehlen könnten. Es laufen also bereits die Vorbereitungen für die neue Antragsrunde. Daneben gilt es, das Projekt des vergangenen Sommers abzuschließen, d. h.

Arbeitszeugnisse müssen eingeholt, Teilnehmer/innenberichte erstellt werden. Hierfür muss ein Termin gefunden werden, an dem alle Schüler/innen außerhalb des regulären Stundenplans Zeit haben (so versiert unsere Schüler/innen im EDV-Bereich auch sind, die Fragen, wie sie im Teilnehmer/innenbereich gestellt werden, sind für sie nicht immer verständlich). Oktober: Pausenlos suchen mich Schüler/innen auf und bitten um die Korrektur von Lebensläufen, um Auskunft bezüglich Vor- und Nachteile der jeweiligen Betriebe, Kolleg/innen beklagen sich über die Schwierigkeit, geeignete Partnerbetriebe zu finden, weil die meisten Betriebe nur volljährige Schüler/innen akzeptieren und viele Betriebe sind nicht bereit, den Praktikant/innen freie Kost und Logis zur Verfügung zu stellen. In diesem Schuljahr fällt mir die Zuteilung der Schüler/innen nicht schwer. Ich kenne alle Betriebe und alle Direktoren der Hotels in Italien, ja sogar alle Maîtres. Und, weil ich fast alle Teilnehmer/-innen unterrichte, kann ich beurteilen, wer in welchen Betrieb passt. Schwierig wird die Zuteilung, wenn ich die Schüler/innen nicht selber unterrichte, dann gilt es, Kolleg/innen über die Sprachkenntnisse sowie die praktischen Fähigkeiten der Schüler/innen zu befragen. Nicht ganz unwichtig sind außerdem die familiären

© hbla für tourismus

September, vor Schulbeginn:

Hintergründe. Manche Mütter meinen, ihre Kinder während des Praktikums unbedingt besuchen zu müssen – diese schicke ich an den Gardasee –. Andere trauen ihren Kindern den Aufenthalt im Ausland für zwei Monate zu, diese schicke ich weiter in den Süden. Eine häufig gestellte Frage lautet: Warum fällt die Entlohnung im Ausland weit geringer aus als in Österreich. Die Erklärung ist banal: In Ländern wie Italien oder England ist es üblich, sein Praktikum in der Hotellerie und in der Gastronomie im Rahmen einer Schulausbildung „gratis“ zu absolvieren. Demnach stellt eine Entlohnung nichts weiter als ein Entgegenkommen der Betriebe dar, nicht zuletzt dank langjähriger Verhandlungen meinerseits. Viel wichtiger jedoch scheint mir, den Schüler/innen deutlich zu machen, dass es nicht nur darum gehen soll, ein Pflichtpraktikum positiv zu absolvieren, um in die nächste Schulstufe aufzusteigen, dass nicht der Lohn alleine darüber entscheidet, ob ein Praktikum gut oder schlecht ist. Dank der Teilnahme am Projekt können einerseits fachliche und praktische Kenntnisse umgesetzt werden. Andererseits eignen sich die Praktikant/innen wertvolle Qualifikationen im sozialen und kulturellen Bereich an. Ich erkläre den Teilnehmer/innen eindringlich, dass es erstens darum geht , die Möglichkeit zu nützen, eine Fremdsprache im Land zu erlernen, andere Mentalitäten und Kulturen kennenzulernen, auf eigenen Beinen zu stehen, seine Probleme in Eigenre-


© gianmaria gavra | oead

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Die Ausbildung in Österreich hat eine hohe Qualität. Auch Auslandspraktika sollen daher bezahlt werden, meint Autorin Silvia Schwaiger-Wöll.

gie zu lösen, Selbstbewusstsein aufzubauen, seinen persönlichen und fachlichen Horizont zu erweitern, Freundschaften zu schließen und so weiter. Dies ist umso wichtiger, als heute – neben fachlichem Wissen – in einem wirtschaftlichen Umfeld vor allem Mobilität, Flexibilität, Durchsetzungsvermögen, Team- und Integrationsfähigkeit sowie Sozialkompetenz gefragt sind. Die Teilnahme an diesem Projekt bzw. ein Auslandsaufenthalt bietet die Chance, all diese erforderten Fähigkeiten zu erwerben und für die eigene Karriere zu nutzen.

telefonisch und via E-Mail in Verbindung, um über den Ausbildungsstand der Schüler/innen zu informieren. Es werden die Abteilungen, in denen die Praktikant/innen zum Einsatz kommen, bestimmt.

auch nur der Antrag wäre. Daneben existieren noch weitere Datenbanken, die alle mit Personaldaten der Teilnehmer/innen, Daten der Partnerbetriebe sowie Daten zu den Kontaktpersonen gefüttert werden wollen.

Nun versende ich die Bewerbungen, Lebensläufe, Verträge in den jeweiligen Sprachen, Letters of Intent via E-Mail an alle Betriebe, mit der Bitte, diese auszufüllen und in Originalversion per Post an mich zurückzuschicken, was in sehr vielen Fällen mehrmaliges Urgieren erfordert, weil die Betriebe in Südeuropa im Winter meistens geschlossen haben. Sehr oft sind die Verantwortlichen auch schwer zu erreichen, weil sie in der Zeit zwischen November und Jänner ihre Urlaube machen.

Manche Schüler/innen wären bereit, in einem namhaften, vielleicht weltbekannten Betrieb auch ohne jegliche Bezahlung ihr Praktikum zu absolvieren, einfach nur um in ihrer Bewerbungsmappe ein Arbeitszeugnis mit dem Namen des Betriebes vorweisen zu können. Davon versuche ich sie abzuhalten. Erstens, weil ich von der Qualität der Ausbildung unserer Schüler/innen überzeugt bin und auch ganz klar ist, dass sie in vielen Fällen eine vollwertige Arbeitskraft darstellen. Zweitens, weil ich nicht möchte, dass andere Betriebe sich ein Beispiel nehmen und ebenfalls nur noch Schüler/innen einstellen, die keine Bezahlung fordern.

Dezember:

Dann wird es allerhöchste Zeit, den Besuch der Hoteldirektoren vom Gardasee zu organisieren: Sie kommen jedes Jahr an einem Freitag im Jänner an die Schule, um sich und ihre Betriebe vorzustellen und mit den Schüler/innen, die sich für ein Praktikum in Italien interessieren, persönlich zu reden, dabei Informationen bezüglich Unterkunft, Kleidung, Arbeitszeiten, freie Tage, Anmeldung, Versicherung weiterzugeben und sogleich alle notwendigen Verträge und erforderlichen Unterlagen zu unterzeichnen. Durch den Besuch der Direktoren wissen die Schüler/innen bereits im Jänner, wer sie als Hoteldirektor und zukünftiger Arbeitgeber Ende Juni bzw. Anfang Juli empfangen wird.

November: Ich dränge alle Teilnehmer/innen dazu, sich für einen Betrieb zu entscheiden und die Unterlagen abzugeben. Ich setze mich daraufhin mit allen Partnerbetrieben

Die Anspannung steigt: Im alltäglichen Schulbetrieb stehen Schularbeiten und Tests an, die korrigiert werden wollen. Tag für Tag schaue ich auf die Website, ob der neue Antrag bereits online gestellt ist. Seit ich mich um dieses Projekt kümmere, also seit 2006, wurde ich meist auf den Jänner vertröstet.

Jänner: Der Druck wächst, die Semesternoten müssen fertig gestellt werden, Konferenzen stehen an, ein Ausfüllen der Anträge während des normalen Schulbetriebs ist zeitlich nicht möglich. Dankenswerterweise hat sich vor ein paar Jahren eine Kollegin bereit erklärt, mir beim Eintippen der Anträge, die jeweils an die 80 Seiten umfassen, behilflich zu sein. Wir bunkern uns also an einem Wochenende von früh bis spät in der Schule ein und geben für alle Partnerbetriebe (im Durchschnitt sind es an die 30) immer wieder dieselben Angaben ein: Größe, Personalanzahl, Zimmer- bzw. Platzkapazität, Beschreibung der Lage, Aufgaben der Kontaktperson und, und, und. Ach ja, wenn es dann

Februar: Der Antrag ist ausgefüllt, unterschrieben, der Großteil des Projekts ist geschafft. Oder doch nicht? In den kommenden Monaten heißt es, die Teilnehmer/innen über alle Gegebenheiten vor Ort noch genauestens zu informieren. Erst gegen Sommer, wenn das Praktikum dann in greifbare Nähe rückt, gilt es, noch viele konkrete Fragen zu beantworten: Muss ich mich selber versichern? Wie sieht die medizinische Versorgung vor Ort aus? Wie komme ich zu meinem Praktikumsort? Was muss ich alles mitnehmen? Dürfen mich meine Freund/innen besuchen? Vor der Abreise müssen dann auch noch die Europässe erstellt werden (darüber könnte man einen eigenen Artikel verfassen!). Ja, und dann gilt es, die Praktikumsbesuche vorzubereiten, aber das ist eine andere Geschichte. Mag. Silvia Schwaiger-Wöll unterrichtet an den Tourismusschulen Am Wilden Kaiser in St. Johann in Tirol vorwiegend Italienisch . Sie ist zuständig für die Ausbildung Reiseleitung, für die Praktika in Italien und sie ist Koordinatorin des EU-Projketes Erasmus+.


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oead.news im Gespräch mit

Volker Heyse Der Kompetenztrainer hielt bei der Auftaktveranstaltung für das neue EU Bildungsprogramm Erasmus+, die am 22. Januar 2014 in der Hofburg in Wien stattfand, einen Vortrag über Europäische Transparenzinstrumente: Schlüsselkompetenzen im Zusammenhang mit dem europäischen, bzw. deutschen Qualifikationsrahmen.

© volker heyse

Die Orientierung auf Schlüsselkompetenzen währt schon (oder erst) rund 20 Jahre. Wahrscheinlich bedarf es einer weitere Generation, bevor der Regen, der zur Zeit nur die Baumgipfel erreicht, auch auf den Waldboden trifft und diesen befruchten wird. Wir haben es hier mit Entwicklungen im Sinne langer Wellen zu tun.

oead.news: Herr Professor Heyse, Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit Kompetenzdiagnostik und –entwicklung. Wie sehen Sie die Entwicklung und Auswirkung der acht europäischen Schlüsselkompetenzen*? Volker Heyse (VH): Die EU beschreitet einen völlig richtigen, zwangsläufigen Weg, der allerdings sehr langwierig und mühsam ist. Die Unterschiede in der Bildung- und Erziehungspolitik und in den Auffassungen gegenüber den Schlüsselkompetenzen zwischen den EU-Ländern sind zum Teil sehr beträchtlich. Nach meiner Beobachtung sind Deutschland und Österreich hier am weitesten in der Entwicklung und Umsetzung einzelner europäischer Schlüsselkompetenzen. * Die acht vom EU Parlament empfohlenen Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen sind: 1. Muttersprachliche Kompetenz 2. Fremdsprachliche Kompetenz 3. Mathematische Kompetenz und grundlegende naturwissenschaftlich -technische Kompetenz 4. Computerkompetenz 5. Lernkompetenz 6. Soziale Kompetenz und Bürgerkompetenz 7. Eigeninitiative und unternehmerische Kompetenz 8. Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

oead.news:Bezüglich der europäischen Schlüsselkompetenzen fallen immer wieder die Begriffe Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen. Wir klar sind diese Begrifflichkeiten voneinander abgegrenzt? Kommt es hier zu Verwechslungen oder Vermischungen der Begriffe? VH: Im Alltag sind diese Begriffe nicht gründlich voneinander abgegrenzt. An einem inhaltlich völlig überdehnten Begriff sei das kurz illustriert: Wenn Sie im Internet Synonyme zu „Skills“ suchen, dann finden Sie Sammlungen mit 20 bis 100 unterschiedlichen Begriffen. Skills werden überhäufig gleichgesetzt mit Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnissen, Kompetenzen, Können, Fachkunde und „further skills“ mit „sonstigen Kenntnissen“. Sie sehen, wenn ich an Kompetenzen im Sinne von Handlungsfähigkeiten denke und den Begriff skill wähle, können andere ausschließlich an Kenntnisse denken. Andererseits werden Kompetenzen – entgegen der EU-Orientierungen – in der Regel auf den Nachweis juristischer Befugnisse und hoher Fachlichkeit verengt. Banker nutzen zum Teil noch einen Rundstempel mit den Initialen „KT“ und weisen damit einen „KompetenzTräger“ mit eingegrenzten Entscheidungsbefugnissen aus. Bofrost wirbt

mit der „Frost-Kompetenz“, ein BetonHersteller in Deutschland mit „Unsere Kompetenz in Beton“. Die EU ist hier viel weiter. Schlüsselkompetenzen als Handlungsfähigkeiten setzen nach ihrer Auffassung stets Wissen/Kenntnisse und Fertigkeiten voraus, beziehen diese ein, dürfen jedoch eben nicht auf diese reduziert werden. Aber eben dieses geschieht immerfort im Alltag. Wie oft hören wir über Lehrende im Hochschulbereich, sie hätten eine enorm hohe „Fachkompetenz“, jedoch noch nicht „das richtige Händchen in der Lehre“. Genauer: Es handelt sich hier mit hoher Wahrscheinlichkeit um „in der Lehre inkompetente Fachidioten“. Ein umfassendes Fachwissen allein ist kein Ausweis für Fach-Kompetenz. Um Wissen kompetent vermitteln zu können bedarf es hoher Verständlichkeit, einer Begeisterungsfähigkeit, ein Neugierig- und Betroffen-Machen auf der Seite der Lernenden, ja einer „Emotionalisierung“ des Wissens in der Vermittlung. Ebenso muss deutlich zwischen den Begriffen Schlüsselkompetenz und Schlüsselqualifikation unterschieden werden. Ich möchte es zuspitzen: Kompetenzen umfassen die Bereitschaft und Fähigkeit, selbstorganisiert neuen (auch nicht vorhersehbaren, ungelösten) Aufgaben, Situationen, Herausforderungen aktiv zu begegnen, angemessene Handlungsoptionen zu entwickeln und diese erfolgreich umzusetzen. Hieran erkennen wir auch den Unterschied zu Kenntnissen, Fertigkeiten und (abgeschlossenen) Qualifikationen.


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Um Wissen kompetent vermitteln zu können bedarf es einer „Emotionalisierung“ des Wissens in der Vermittlung.

oead.news: Kürzlich wurden die aktuellen Daten der PIAAC Studie der OECD über die Schlüsselkompetenzen der Erwachsenenbevölkerung veröffentlicht, welche erneut und recht deutlich auf die Bedeutung und die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens hinweisen. Bergen die Transparenzinstrumente Ihrer Ansicht nach Potential, die Teilnahme am LLL zu fördern und wie sehen Sie diese Wirkung in der Praxis? VH: Ja, sie bergen viel Potenzial in sich und können viel bewirken, wenn sie auch in den „Niederungen“ des gesellschaftlichen Alltags bekannt, kreativ und sinnvoll eingesetzt werden. Ich frage mich allen Ernstes: Warum werden in den Schulen nicht konkret einzelne Schlüsselkompetenzen im Sinne der EUOrientierungen entwickelt? Warum gibt es keinen Rückbezug auf die EU? Es reicht eben nicht mehr aus, zum Beispiel die Zensuren in Mathematik als Nachweis „umfassender mathematischer Kompetenzen“ zu verwenden. Ferner: Der Europass wird kaum zur Lebensertüchtigung der Schüler einbezogen – und damit erfolgt auch keine umfassende Berücksichtigung und individuelle Förderung von Handlungsfähigkeiten. Das setzt sich so in der Berufsausbildung und im Studium fort. In den meisten Unternehmen spielt der Europass für die Beurteilung sowie für die Aus- und Weiterbildung ebenfalls kaum eine Rolle. Es wird in der Regel nur kurzfristig gedacht, und Impulse für LLL begnügen sich in der Mehrzahl mit ebenfalls kurzfristigen Weiterbildungsveranstaltungen, in denen die Kenntnisvermittlung im Vordergrund steht. Personalentwicklung wird zum Beispiel an der Anzahl besuchter Weiterbildungsmaßnahmen, an Stunden oder Tagen, an formalen Teilnahmebestätigungen nachgewiesen, nicht jedoch an erworbenen Handlungsfähigkeiten, an der Erhöhung individueller Performanz, obwohl es heute schon Mittel und Instrumente zur Erfassung, Validierung und Zertifizierung von zum Beispiel informell und non-formal erworbener Kompetenzen

gibt. Gerade letzteres fordert und fördert ja auch die EU mit internationalen Projekten. oead.news: Das Portfolio von Europass bietet eine Plattform, die Verzahnung der Transparenzinstrumente zu zeigen. Wo sehen Sie die größten Chancen und Herausforderungen, die sich aus der Entwicklung und Umsetzung und dem Zusammenspiel der Transparenzinstrumente ergeben? Welchen Mehrwert bringen sie für Bildungssysteme, welchen für Individuen? VH: Das viel beschriebene, von der EU kontinuierlich vertretene neue Selbstverständnis muss – angefangen bei den Bildungspolitikern alle Bereiche der Bildung und Erziehung durchdringen. Das ist die Voraussetzung zum Ernstnehmen und zur effizienten Nutzung des Portfolios von Europass. Es müssen offensiv Best-Practice-Beispiele aus allen Bereichen des Bildungssystems (Schüler, Jugendliche, Erwachsene unterschiedlichen Alters, einschließlich Personen in der zweiten Lebenshälfte) öffentlich diskutiert und verallgemeinert werden. Ferner müssen m. E. die Transparenzinstrumente weiter operationalisiert und auf unterschiedliche Bildungsanforderungen hin untersetzt werden. Beim Europass sollte zum Beispiel auch aufgezeigt werden, wie bestimmte Fähigkeiten nachgewiesen und gemessen werden können und – m.E. besonders wichtig – wie solche Handlungsfähigkeiten konkret angeregt und gefördert werden können. Kompetenzen können eben nicht wie Kenntnisse verbal oder schriftlich vermittelt werden, sondern benötigen ein Learning by doing, Herausforderungen, viel Feedback, Erfahrungsaustausch, Coaching…Damit würde ein enormer gesellschaftlicher Mehrwert, aber auch ein Mehrwert für das einzelne Individuum eintreten. In unserem im März 2014 erscheinenden Sammelband „Aufbruch in die Zukunft. Erfolgreiche Entwicklungen von Schlüsselkompetenzen in Schulen und Hochschulen“ gehen 36 Autorinnen und Autoren aus Deutsch-

land, Österreich und der Schweiz auf solche Fragen wie hier im Interview konkret ein und bieten eine Fülle von Best-Practice-Beispielen für Schulen, Hochschulen und für die Erwachsenen-Weiterbildung. Das Gespräch führte Alexandra Enzi, OeAD-GmbH Literaturempfehlung: Volker Heyse (Hrsg.) (2014): Aufbruch in die Zukunft. Waxmann Verlag, Münster ISBN 978-3-8309-3052-5

Prof. Volker Heyse ist Geschäftsführer der TfP(Trainingszentrum für Personalentwicklung) und ACT SkoM GmbH (Systematisches Kompetenzmanagementsystem) Regensburg und Gründungsrektor der Privaten Fachhochschule des Mittelstands Bielefeld. Er ist Autor/Herausgeber von 21 Büchern und über 300 Artikeln zum Thema OE/PE/Kompetenzdiagnostik- und –entwicklung. Volker Heyse hat – zusammen mit Prof. Dr. John Erpenbeck – seit 1996 intensiv auf dem Gebiet Kompetenzdiagnosik und -entwicklung gearbeitet und wichtige theoretische und methodische Grundlagen für die heute im deutschsprachigen Raum breite Anwendung ihres Kompetenzmodells entwickelt.


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Lorenz Lassnig

Berufsbildung und Arbeitsmarkt. Österreich in vergleichender Perspektive. Duale’ oder ‘dualistische’ Berufsbildung: Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Österreich, Schweiz und Deutschland Vergleiche spielen in der bildungs- und arbeitsmarktpolitischen Diskussion eine große Rolle, und meistens hat Österreich dabei nicht viel zu lachen – eine Durchschnittsposition scheint geradezu abonniert. Als rühmliche Ausnahmen fungieren die Indikatoren zur Arbeitslosigkeit und Berufsbildung. Leider ist die politische Verwendung dieser Vergleiche in Form von Länderrankings oder herausgegriffenen Teilinformationen häufig mit Halbwahrheiten oder sogar Informationsmissbrauch verbunden. Oft erfolgt eine litaneihafte Wiederholung von vorgefassten Meinungen und Glaubensüberzeugungen (‚Education Gospel‘). Wenn man näher in die Vergleichsdaten hineinsieht, so zeigt sich in den meisten Fällen ein komplexeres Bild, das weniger gut in die vereinfachten politischen Wunschbilder passt. In diesem Beitrag werden mehrere Aspekte in einer erweiterten vergleichenden Perspektive angesprochen.

Das Ausmaß von Jugendarbeitslosigkeit in anderen Ländern wird stark übertrieben Österreich ist zu Recht stolz auf eine der niedrigsten Arbeitslosenraten von Jugendlichen. Die vergleichende politische Rede beginnt hier meistens mit der Aussage, wir könnten besonders stolz auf unsere guten Werte sein, da in anderen Ländern ‚die Hälfte der Jugendlichen‘ arbeitslos sei. Dieser Stolz ist aber stark übertrieben, da in keinem EU-Land die Hälfte der Jugendlichen arbeitslos ist, obwohl die Arbeitslosenrate bis zu 50 Prozent beträgt. Hier liegt der aktuell sicher häufigste Missbrauch vergleichender Indikatoren, indem die Arbeitslosenrate mit dem Anteil der Arbeitslosen an den Jugendlichen verwechselt wird. Die Grafik 1 zeigt, dass zwischen diesen Indikatoren eine große Diskrepanz klafft und eine AL-Rate von 50 Prozent einen Anteil an arbeitslosen Jugendlichen von etwa 20% ausdrückt, was schlimm genug ist! Auch wenn diese Übertreibung vordergründig einen ‚guten Zweck‘ verfolgt, um Gegenmaßnahmen zu unterstützen, so wird die ‚Aufdeckung‘ dieser – an sich längst bekannten – Verwechslung dann eben entsprechenden ‚Gegenwind‘ auslösen (wie bereits z. B. an verschiedenen Beiträgen in der ‚Neuen Züricher Zeitung‘ im Januar zu beobachten: „Aufgebauschte Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit. Oberflächliche Problemanalyse führt zu politischem Aktivismus und fragwürdigen Massnahmen“ 22.1.2014).

Erklärung durch Berufsbildung oder durch wirtschaftliche Entwicklung und Arbeitsmarktpolitik Die niedrigen Jugendarbeitslosigkeit in Österreich wird dann als Erfolg der Berufsbildung, insbesondere auch der Lehrlingsausbildung im ‚Dualen System‘ dargestellt, wobei Österreich mit Deutschland und der Schweiz mehr oder weniger in Eins gesetzt wird. Dabei werden wiederum die verfügbaren vergleichenden Informationen nicht ausreichend berücksichtigt. In der Forschung wird die Rolle der Berufsbildung für die wirtschaftliche Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit, und daher auch für die Arbeitslosigkeit, ambivalent eingeschätzt, da ihre Rolle im Innovationsprozess nicht klar ist und mit der Hochschulbildung abgewogen wird. Für Österreich gibt es hier seit langem viele offene Fragen, die im Zusammenhang mit der Innovationsstrategie auch thematisiert werden: Braucht man mehr Wissenschaft und Hochschulbildung oder mehr Berufsbildung? – diese Frage wird sich angesichts des demografischen Rückganges verstärken.

Wenn man vorhandene Lehrlingssysteme in Bezug auf Jugendarbeitslosigkeit betrachtet so zeigt sich, dass die Art der Systeme die Arbeitslosigkeit nicht per se reduzieren. In allen drei Ländern – Deutschland, Schweiz und Österreich – ist die Jugendarbeitslosigkeit gering. Vergleicht man die Jugendarbeitslosigkeit mit der Gesamtarbeitslosigkeit (Grafik 2), entwickelt sich diese in Österreich relativ zum EU-Schnitt ganz proportional. Es gibt also keinen besonderen Erklärungsbedarf für die niedrige Jugendarbeitslosigkeit, diese ist eine Funktion der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung. Stellt man diesen Vergleich mit der Schweiz und Deutschland an, so zeigt die Schweiz das gleiche Bild wie Österreich, nur in Deutschland ist die Jugendarbeitslosigkeit deutlich niedriger als die Gesamtarbeitslosigkeit. Hier könnte die Ausbildung also eine besondere Rolle spielen. Zusätzlich muss betont werden, dass in Österreich das Ausmaß der arbeitsmarktpolitischen Interventionen für Jugendliche sowohl im Bereich der Lehrstellenförderung, der überbetrieblichen Ausbildung als auch der sonstigen Maßnahmen für Jugendliche so stark ausgeprägt ist, dass dies allein schon einen gewichtigen Erklärungsfaktor abgibt. Dies zeigt auch der internationale Vergleich. 1

Berufsbildung im Vergleich: Unterschiedliche Systeme in Österreich, Deutschland und Schweiz In den politischen Diskussionen werden die drei Systeme mehr oder weniger identisch gesehen. Sie haben in der Grundstruktur auch Ähnlichkeiten, näher betrachtet sind die Unterschiede aber wichtiger. Diese Unterschiede bestehen erstens im Governance-System, das in Österreich viel stärker dem unmittelbaren politischen Zugriff unterliegt und schwächer institutionell und durch Expertise abgesichert ist; zweitens sind die Investitionen in die Qualität der betrieblichen Ausbildung in den beiden anderen Ländern – in unterschiedlichen Formen – viel stärker ausgeprägt; drittens, und dieser Faktor soll hier näher betrachtet werden, ist die Stellung im Bildungswesen so unterschiedlich, dass man von unterschiedlichen Bildungsstrukturen sprechen muss. ÆÆ In Österreich besteht eine Arbeitsteilung zwischen der Lehrlingsausbildung und den Berufsbildenden Schulen (v.a. den BHS), die diese Ausbildungswege – bei allen Überschneidungen – grundsätzlich vertikal-hierarchisch anordnet. Die BHS sind hoch selektiv und bedienen einen Bedarf an der Schnittstelle zum Hochschulwesen (bzw. fungieren substantiell auch als Zubringer zu den Hochschulen), die Lehrlingsausausbildung schließt unmittelbar an die Pflichtschule an, und ist an einfachen praktischen Berufsqualifikationen orientiert. In den Bildungskarrieren konzentriert sich die österreichische Lehre im Bereich der 15- bis 19-Jährigen, und


19 Grafik 1: Jugendarbeitslosigkeit in Europa 2012, AL-Rate und AL-Anteil (dunkle Balken: Länder mit regulierter Lehrlingsausbildung)

weitere Anschlüsse waren bis jetzt nur in Ausnahmefällen gegeben. ÆÆ In Deutschland bedient das ‚Duale System‘ beide Segmente, das der BHS und der Lehre. Der Zugang ist zur ‚Mittleren Reife‘ gedriftet (das Durchschnittsalter der Anfänger/innen liegt bei 20 Jahren), und etwa ein Viertel der Zugänge verfügt auch über eine Studienberechtigung.2 ÆÆ In der Schweiz ist die Lehre über den Fachhochschulzugang an die höhere Berufsbildung angebunden, was ebenfalls das Ausbildungsspektrum wesentlich erweitert. Hier ist die Lehre einerseits am stärksten in jüngeren Altersgruppen, und ‚duale Ausbildungsformen‘ spielen auch eine wichtige Rolle bei den 20- bis 24-Jährigen, sowohl in formalisierter als auch in nicht formalisierter Kombination von Bildung und Beschäftigung. Insgesamt ist im Rahmen der Bildungsstruktur in Österreich ein viel geringerer und engerer Ausschnitt des Ausbildungsspektrums in die Lehrlingsausbildung einbezogen. In Österreich findet der Prozess der Höherqualifizierung über den Zugang zu den BHS – also eine Bewegung aus der Lehre heraus – statt. In Deutschland

und in der Schweiz ist diese in die Lehre bzw. das duale System integriert. Damit ist in den Vergleichsländern auch eine Anbindung an ein viel breiteres Spektrum des Arbeitsmarktes gegeben, und unter den 20- bis 24-Jährigen sind um zehn Prozentpunkte mehr Jugendliche noch in Ausbildung. Studien belegen, dass die Arbeits- und Beschäftigungslosigkeit in der älteren Gruppe in allen drei Ländern nicht unwesentlich ansteigt.

Fazit Anstatt die internationalen Vergleichsdaten als Anlass für oberflächliche Selbstbeweihräucherung zu nehmen, sollten diese dafür verwendet werden, die unterschiedlichen Berufsbildungsstrukturen und die damit zusammenhängenden Entwicklungsprobleme besser zu verstehen. In Österreich liegen diese im Verhältnis zwischen Berufs- und Hochschulbildung einerseits und in der Qualität der betrieblichen Ausbildung andererseits.

Quelle: eigene Darstellung aufgrund von EUROSTAT, und H.Steedman (2012) OVERVIEW OF APPRENTICESHIP SYSTEMS AND ISSUES. ILO contribution to the G20 Task Force on Employment (November) International Labour Office, Skills and Employability Department - Geneva: ILO. Quelle: Eigene Berechnung aufgrund von EUROSTAT Quelle: eigene Darstellung und Berechnung aufgrund OECD EAG 2012; NEET = not in employment, education & training.

Vgl. http://www.lline.fi/en/article/policy/20135/what-are-theydoing-right-3-cases#title0; Herausforderungen für die Berufsbildung: http://www.equi.at/de/downloads/vortraege/#150 2 Vgl. http://datenreport.bibb.de/media2013/BIBB_Datenreport_2013.pdf 1

Dr. Lorenz Lassnigg wirkt neben seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit am Institut für Höhere Studien (IHS) als Gastwissenschafter und Gutachter an nationalen und internationalen Universitäten. Forschungsschwerpunkte: Sozialwissenschaftliche Bildungsforschung an der Schnittstelle zwischen sozialen, politischen und ökonomischen Fragestellungen.

Grafik 2: Vergleich von Jugendarbeitslosigkeit und Gesamtarbeitslosigkeit In Österreich, Deutschland und Schweiz relativ zu EU15 1999-2011


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Regina Aichner

Qualitätssiegel „Bologna Labels“ Die Europäischen Kommission zeichnet neun österreichische Hochschulen mit insgesamt elf Diploma Supplement und ECTS Labels aus

FH-Geschäftsführer Thomas Madritsch (FH Kufstein)

Die beiden so genannten „Bologna Labels“ sind ein im gesamten Europäischen Hochschulraum verwendetes Qualitätssiegel für transparente Anerkennung und Lehrinformation. Komplexe Informationen müssen dabei gebündelt, vereinfacht und für unterschiedliche Zielgruppen gedacht werden. Diese umfassen Studierende, mögliche Kooperationspartner/innen der Hochschule, zukünftige Arbeitgeber/innen, die sich Informationen aus einem verständlichen und hochwertigen Diploma Supplement holen, oder ausländische Anerkennungsstellen. Label Träger denken und arbeiten nachweislich studierendenfreundlich und lernergebnisorientiert, haben sich auf den hochschulischen Reformprozess eingelassen, und wenden ECTS korrekt an. ECTS steht für European Credit Transfer and Accumulation System – das europäische Erfassungssystem für zu erbringende und erbrachte Leistungen von Studierenden.

Stichwort Studierendenzentriertheit: die Label Vergabe setzt voraus, dass akademische und studentische Informationen auf der eigenen Hochschulwebsite leicht auffindbar sind. Darunter fallen das Curriculum, die Prüfungsordnung, aber auch Angebote zur Unterstützung des studentischen Lebens. Um eines der beiden Labels zu erlangen, müssen, je nach Größe und Art des Hochschultyps, teilweise aufwändige, hausinterne Entscheidungen getroffen werden, die gute Kommunikationskultur voraussetzen sowie Zeit und organisatorische Kreativität beanspruchen. Die Wirtschaftsuniversität Wien, die Medizinische Universität Graz und die Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik (UMIT) Innsbruck konnten sich erstmals erfolgreich für das DS Label mit der Gültigkeit bis 2016 qualifizieren. Sie gewährleisten die kostenlose Ausgabe des Anhangs zum Diplom an alle Graduierten in einer weit verbreiteten europäischen Sprache. Die Verwendung von Standard DiplomaSupplement-Modellen, die von der Europäischen Kommission, dem Europarat bzw. der UNESCO entwickelt wur-

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Die Erfolgsquote war wieder hoch: Ende 2013 wurden so gut wie alle österreichischen Hochschulen, die sich um das Diploma Supplement (DS) oder das ECTS Label bemüht hatten, von der Exekutivagentur der Europäischen Kommission ausgezeichnet. Warum haben sie sich auf das Bewerbungsverfahren eingelassen? Welche Vorteile ziehen die Hochschulen daraus? Warum haben sich alle bisherigen Label Träger für 2013-2016 nochmals beworben? Und wie geht es weiter mit den so genannten Bologna Labels? Die Nationalagentur hakte bei den Betroffenen sowie im Wissenschaftsministerium nach.

den, sind ebenso ein Muss wie ein ausgefülltes Musterexemplar auf der Website der Hochschule. Klingt einfach? Der Teufel steckt oft im Detail, wenn es um die Beantragung für das Diploma Supplement Label geht. Heidemarie Neges schätzt den Wert für die eigene Hochschule trotz der insgesamt drei notwendigen Anläufe als hoch ein. Jede Antragsrunde hat das an der Medizinischen Universität Graz seit Jahren in Deutsch und Englisch ausgestellte DS ein Stück weit verständlicher und aussagekräftiger gemacht. Somit war das Label für die Universität ein perfekter Motor zur kontinuierlichen Verbesserung der Inhalte in Richtung Lernergebnisformulierung und transparente Informationsaufbereitung.


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Die Wirtschaftsuniversität Wien hatte bereits im Vorfeld der Antragstellung ein gutes Gefühl, und dennoch: „Die zeitgerechte technische Umsetzung der erforderlichen Anpassungen war für uns eine besondere Aufgabe, da diese zeitgleich mit den Vorbereitungen auf die Übersiedelung auf den neuen Campus erfolgen musste“, so die Leiterin des Studiensupport, Ute Steffl-Wais. Eine weitere Herausforderung lag in der Koordination und Motivation der betroffenen Einheiten, für die sich ein zusätzlicher Änderungsbedarf ergeben hat. Und wofür der Aufwand? „In erster Linie werden unsere Absolventinnen und Absolventen davon profitieren. Damit setzen wir aber auch ein wichtiges Zeichen, dass wir die Bologna-Idee ernst nehmen und unseren Beitrag dazu leisten.“ Auch die Rektorin der UMIT, Christa Them, manövrierte ihr Team zusammen mit den zuständigen akademischen Gremien parallel durch den DS Label Antrag und die laufende Erstellung von einheitlichen Modulhandbüchern für alle angebotenen Studienrichtungen. „Und genau aus diesem Knackpunkt entwickelte sich erfreulicherweise ein Katalysator, was die Abstimmung relevanter Studienprozesse und Regelungen nach internationalen Standards anbelangt.“ Die Erwartungen über den Mehrwert des Diploma Supplement Labels sind klar: „Die Möglichkeit, einen bestehenden und international etablierten Qualitätsstandard in 3 Worten auszudrücken. Und verlässliche Partnerschaften durch mehr Information, Strukturiertheit und Transparenz zu lukrieren.“ Als erfolgreiche „Label-Wiederholungstäter“ können sich die Fachhochschule des bfi Wien, das Management Center

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v.l.n.r.: Vize-Rektorin Berta Leeb (Private Pädagogische Hochschule Linz), Mireia Fàbrega Iglesias (Exekutivagentur für Bildung, Audiovisuelles und Kultur), Ernst Gessebauer (OeAD-GmbH, Nationalagentur Lebenslanges Lernen)

Innsbruck MCI, die Fachhochschule Vorarlberg, die Universität Wien, die Leopold-Franzens-Universität Innsbruck sowie die IMC Fachhochschule Krems demnächst feiern lassen. In der „Königsdisziplin“ dem ECTS Label, weil besonders herausfordernd, konnten dabei erneut Hochschulen punkten, wie z.B. das MCI oder die FH des bfi Wien. Geschäftsführer und FHK-Präsident Helmut Holzinger, erinnert sich an die 1. Antragsrunde: „Wesentlich war die Vermittlung des Nutzens von Diploma Supplement und ECTS für Lehrende und Studierende. Da gab es, besonders am Beginn des Prozesses, durchaus auch Skepsis bezüglich der Sinnhaftigkeit bezogen auf das ECTS.“ Und dennoch hat es sich gelohnt, denn: „Die Prinzipien der beiden Labels korrespondieren sehr gut mit dem Selbstverständnis der FH des bfi Wien als international orientierte Hochschule. Die Labels bilden für externe Personen einen objektiven Maßstab bei der Beurteilung der Implementierung der Bologna Prinzipien durch die Hochschule.“ Alle Label Holder sind sich einig, dass die von den nationalen Bologna Experten und Expertinnen in den vergangenen Jahren angebotenen Trainings und vorOrt-Beratungsbesuche äußerst hilfreich waren, und danken ihnen dafür redlich. Und die Bologna Expertinnen selbst? Berta Leeb, Vize-Rektorin der Privaten Pädagogischen Hochschule Linz, fieberte gemeinsam mit allen Antragstellern bis zum Ergebnis mit. Als größte Herausforderung sah sie „die notwendigen technischen Umsetzungen und die daraus folgenden inhaltlichen Diskussionen“. Wie war es für Berta Leeb, 2012 selbst das Label zu erhalten? „Es war ein sehr schönes Gefühl, vor allem da wir es auch einige Male zuvor schon probiert hatten und – auch aus nicht von

uns verschuldeten Gründen – gescheitert sind. Qualitätssicherung, Transparenz gegenüber den Partnern, Überlegungen zur Formulierung von Lernergebnissen – das war unsere Motivation für die Einreichung.“ Die Zukunft der Labels… Bedauerlicherweise ist mit der neuen Programmgeneration Erasmus+ das DS Label eingestellt, und das ECTS-Label wird 2014 seitens der Europäischen Kommission überprüft. SC Elmar Pichl vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (ehemals Wissenschaft und Forschung) möchte die Hochschulen auch weiterhin in ähnlicher Weise unterstützen: „Wir sehen uns mehr denn je gefordert, hier zielgerichtet und bedarfsorientiert zu agieren. Daher werden wir uns unter Einbeziehung der Hochschulen bemühen, ein entsprechendes Arbeitsprogramm ab 2014 zu erstellen und alle sich im Rahmen von Erasmus+ bietenden Möglichkeiten zur Unterstützung der Umsetzung des Europäischen Hochschulraumes auf nationaler Ebene optimal zu nutzen.“ Die neun ausgezeichneten Hochschulen nehmen die Zertifikate bei einer feierlichen Zeremonie im Zuge des Bologna Tages am 24. März 2014 durch SC Pichl entgegen. Der Bologna Tag befasst sich mit dem Schwerpunkt „Anerkennung – Bildungswege qualitätsvoll gestalten“, Anmeldung unter www.bildung. erasmusplus.at/bolognatag2014 ist noch bis zum 10. März möglich

infopoint www.oead.at/bologna


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Barbara Heindl

„Gemeinsam für nachhaltige Entwicklung – The Future We Want“ Zukunftsvisionen von Schüler/innen und Wissenschaftler/innen

Ein Modul der Initiative umfasste dabei 100 Praktika im Sommer 2013, die Schülerinnen und Schülern im Alter von 16 bis 19 Jahren eine unmittelbare Auseinandersetzung mit österreichischer Nachhaltigkeitsforschung ermöglichten.

einen Bericht, der mit dem Best Paper Award ausgezeichnet wurde, aus. Die Themen der einzelnen Beiträge reichten dabei von Öko-Marketing über Facility Management, die Konzeption von Lehrveranstaltungen bis hin zu Weltraummüll. Herausgegeben wurde die Publikation von Hubert Dürrstein und Petra Siegele unter dem Titel „Gemeinsam für nachhaltige Entwicklung. Zukunftsvisionen von Schüler/innen und Wissenschaftler/innen“. Sie erschien im Jänner 2014 im StudienVerlag. Sämtliche Praktikumsberichte finden sich zum Nachlesen auf der Homepage von Young Science unter www.youngscience.at/fokus_nachhaltigkeit/praktikumsberichte_2013 Auf der nächsten Seite finden Sie eine gekürzte Version des mit dem Best Paper Award ausgezeichneten Bericht.

Die Jugendlichen arbeiteten vier Wochen lang gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in sehr unterschiedlichen Fachbereichen und entwickelten von diesen ausgehend Visionen für die Zukunftsgestaltung. Diese waren nach Abschluss des Praktikums unter Bezugnahme auf die jeweiligen Forschungsergebnisse in einem kurzen Bericht darzustellen. Eine Jury aus einer Lehrerin, einer Journalistin und einem Wissenschaftler wählte anschließend die 25 aussagekräftigsten Berichte für die Veröffentlichung in einer eigenen Publikation und

Praktikantin beim Anlegen von Pilzkulturen zur Forschung an Symbiosen zwischen Wald-Heidelbeeren und Pilzen.

© Christoph Mutz | Bundeslehranstalt Klosterneuburg

Aufbauend auf den Erfahrungen der Initiative „Rio+20 – Wissenschaftler/innen und Jugendliche ziehen Bilanz“ im Jahr 2012 förderte das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung auch 2013/2014 Vorhaben, um junge Menschen im Bereich „Nachhaltige Entwicklung“ zu sensibilisieren. Mit der Koordination und Abwicklung der Initiative „Gemeinsam für nachhaltige Entwicklung – The Future We Want“ wurde Young Science, das beim OeAD angesiedelte Zentrum für die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Schule, beauftragt.


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© Andreas Steinwidder | , LFZ Raumberg-Gumpenstein

Praktikant bei der „Feldarbeit“ im Auftrag der Nachhaltigkeitsforschung

Die Verpackung der Zukunft – The Future We Want

Lisa Köck/ Karin Tschiggerl Green Marketing (Kurzfassung) Die vierwöchige Zusammenarbeit an der Fachhochschule der Wirtschaft CAMPUS 02 gestaltete sich sehr abwechslungsreich, beginnend mit der Erarbeitung von theoretischem Wissen bis hin zu Interviews mit Firmen. Aus diesem Praktikum habe ich sehr viele Erfahrungen, neues Wissen und vor allem Motivation, die Zukunft positiv zu verändern, mitgenommen.

Einblicke in den B2B-Bereich Um Einblicke in Unternehmen zu erhalten, die Verpackungen herstellen, wurden zwei Betriebe befragt. Im Rahmen leitfadengestützter Interviews wurde nach nachhaltigen Produkten, Märkten, Kundinnen bzw. Kunden und nachhaltigem Handeln im Betrieb gefragt. Das Verpackungsunternehmen Brüder Volckmar ist sesshaft in Graz und ein Familienunternehmen. In eigener Produktion stellt es Papiersäcke, Folien und biogene Säcke her. Laut Mag. Eva Volckmar, der Geschäftsführerin, sind nachhaltige Verpackungen genau zu hinterfragen. Nur des Images wegen ist es nicht sinnvoll, nachhaltige Verpackungen zu vermarkten bzw. zu produzieren. Es müssen dabei alle Umweltfaktoren berücksichtigt werden. Beispielsweise verbraucht die Produktion von Papier viel mehr Strom als die von Plastik. Papier ist außerdem schwerer und benötigt beim Transport mehr Platz, so können z.B. 30.000 Plastiktaschen auf einer Palette transportiert werden, aber nur 5.000 Papiertaschen. Wie Frau Susanne Meininger berichtet, gibt es zwischendurch auch Komplikationen, wie z.B. beim Wiener Donauinselfest. Die Organisatorinnen und Organisatoren wollten der Umwelt etwas Gutes tun

und wollten statt Kunststoffbecher Bioplastikbecher verwenden, die allerdings sehr temperaturempfindlich sind. Der LKW stand stundenlang mit den Bechern in der Sonne, sodass diese alle zusammenklebten und somit unbrauchbar waren. Also blieben sie doch bei Kunststoffbechern, denn für die Bioplastikbecher wäre ein Kühltransporter benötigt worden, der wiederum umweltschädigender ist, als wenn man herkömmliche Kunststoffbecher verwendet. Der Markt für biogene Verpackungen vergrößert sich immer mehr. Laut Frau Volckmar kommt die größte Nachfrage von den Apotheken, die die höheren Kosten nicht scheuen. Auch die Bio-Linien der Supermärkte setzen laut dem VPZ Graz auf nachhaltige Verpackungen. Der Preisunterschied zwischen konventionellen und biogenen Verpackungen ist noch immer sehr groß, dies wird jedoch durch diverse Abgaben wie bspw. an die ARA etwas ausgeglichen. Bei der Beschaffung von Rohstoffen achten beide Unternehmen darauf, dass die Materialien möglichst nah produziert werden. Teilweise werden ebenfalls Altstoffe eingesetzt, doch recycelbares Papier ist problemhaft, denn es hat eine weniger hohe Reißfestigkeit und ist in der Bäcker-Branche somit unbrauchbar. Bei Lebensmitteln sind recycelte Verpackungen nicht möglich, da diese möglicherweise kontaminiert sind. Die Gefahr eines Krankheitserregers ist höher und somit sind Altstoffe in Lebensmittelverpackungen nur dort erlaubt, wo sich das Lebensmittel bereits selbst verpackt, wie es bei Eiern durch die Schale der Fall ist. Den Markt in fünf Jahren sehen Volckmar sowie auch das VPZ Graz so, dass die Nachfrage nach biogenen Verpackungen seitens der Konsumentinnen und Konsumenten wächst. Auch der Staat wird hier eingreifen und nachhaltige Verpackungen fördern.

In der Zukunft wird vieles modernisiert werden, aber auch die Verpackung? Bereits jetzt gehen viele Unternehmen in Richtung Nachhaltigkeit: Maßnahmen sind bspw. Energie und Ressourcen zu sparen, erneuerbare Energien zu nutzen und Rohstoffe möglichst nah zu beziehen, sprich Transportwege zu vermeiden. Im Produktlebenszyklus kommt auch die Verpackung vor. Bei dieser gibt es bereits einige Ansatzpunkte zur Nachhaltigkeit, wie z.B. die Biopolymere. Aber reicht das auch, um die Umwelt langfristig zu entlasten? In der Zukunft wird alles anders, aber wird es auch besser? Wenn wir nicht anfangen, uns um 180 Grad zu drehen, werden wir irgendwann im Müll versinken. Wollen wir das wirklich? Treffen sich die Erde und der Mars. Sagt der Mars zur Erde: „Du siehst aber schlecht aus. Was hast du denn?“ Antwortet die Erde: „Ich habe Menschen.“ „Ach, die hatte ich auch, geht aber wieder vorbei!“, sagt der Mars. Als Konsumentinnen und Konsumenten müssen wir anfangen umzudenken und zu handeln – indem wir z.B. indem wir die 20 Cent mehr ausgeben, dafür aber eine kompostierbare Verpackung erhalten. Die Zukunft liegt in unseren Händen. Wir entscheiden, was daraus gemacht wird. Jede Einzelne und jeder Einzelne kann das entscheiden, indem sie bzw. er auf das eigene Konsumverhalten achtet und versucht, möglichst nachhaltig einzukaufen und Verpackungen möglichst zu vermeiden oder auf biogene Verpackungen zu setzen. Der Markt und die Technologien dafür sind bereits vorhanden – nun zählt unsere Entscheidung!


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Andreas Hofer I Roland Krebs I Judith Lehner I Lisa Ringhofer

urban_managua Ein appear-Projekt zur sozialverträglichen Entwicklung informeller Siedlungen in Managua, Nicaragua.

Das Projekt heißt urban_managua, Synonym für „Academic Partnership in integrated urban Development Studies – an interdisciplinary Approach for the sustainable Development of spontaneous human Settlements in the central Area of Managua/Nicaragua“. Es umfasst mehrere konzeptuelle und methodische Komponenten zur Curriculumsentwicklung der Ausbildung von Architekt/innen und Stadtplaner/innen an der Universidad Centroamericana (UCA). Das Projektziel fokussiert die Anwendung multidisziplinärer Strategien zur städtebaulichen Aufwertung informeller Siedlungen. Dabei kommen partizipative Ansätze der empirischen Sozialforschung mit der lokalen Bevölkerung zum Einsatz. Den Kontext des Projekts urban_managua bilden die anhaltenden globalen Urbanisierungsprozesse und ihre besonders krisenanfälligen Konsequenzen für die Gestaltung städtischer Lebensräume. Managua ist dabei ein sehr spezifisches Beispiel. Die Stadt hat zwar mit ihren zwei Mio. Einwohner/innen die durchschnittliche Dimension einer lateinamerikanischen Großstadt, ihre Physiognomie ist allerdings kaum mit anderen Städten des Kontinents vergleichbar. Die Stadtstruktur Managuas ist deutlich von zwei schweren Erdbeben, 1931 und 1972, gekennzeichnet. Nach dem Beben vom 23. Dezember 1972 wurden große Teile der fast vollständig zerstörten Stadt nicht wieder aufgebaut. Zurück blieb ein fragmentierter Stadtkörper mit geringer Dichte und fragiler Bebauung, die selbst dem ehemaligen Stadtzentrum peripheren Charakter verlieh. In diesen historischen Stadtquartieren haben sich Bevölkerungsgruppen, die seit Mitte der 1990er Jahre zurückgekehrt waren, sowie Migrant/innen aus den ländlichen Regionen Nicaraguas Grundstücke angeeignet und (meist) informelle Wohnquartiere geschaffen. urban_managua fokussiert im Besonderen auf diese Quartiere der sogenannten „informellen Stadt“ sowie deren Planbarkeit und Entwicklungsperspektiven. Informelle Siedlungsstrukturen bedeuten für ihre sozial benachteiligten Bewohner/innen meist den unfreiwilligen Verzicht

© andreas hofer | appear

April 2013: Zum Abschluss des Urban Design Laboratory trafen sich die Teilnehmer/innen auf der Plaza von La Candelaria in Managua.

auf Grundversorgung des urbanen Lebens: Trinkwasser, Elektrizität oder Sanitäreinrichtungen. Sie bedeuten oft enorme Defizite im Zugang zu Mobilität, Information und Gesundheitsversorgung sowie zu Bildungs-, Kultur- und Erholungseinrichtungen. Gleichzeitig bildet die informelle Stadt ein vielfältiges Reservoir, ihre Entwicklung von innen heraus, also Bottom-up zu steuern. Die Akteur/innen der informellen Stadt schaffen ihre eigene Teilökonomie auf der Basis sozialer Verflechtungen und Netzwerke, sie gestalten mit einfachen Mitteln ihren urbanen Lebensraum und generieren ihre eigene Architektur. Die Anerkennung und Stärkung dieses Potenzials ist Voraussetzung für eine inklusive Stadtentwicklung und der Ansatz von urban_managua. Um das eingangs genannte Projektziel zu konkretisieren, haben die Projektpartner eine informelle Siedlung in Managua als Case Study Area ausgewählt. La Candelaria ist eine zentral gelegene, etwa 7,5 Hektar große Siedlung mit etwa 2.500 Bewohner/innen, die sich das Areal nach dem Erdbeben von 1972 angeeignet und seither mit einfachen Mitteln weiterentwickelt haben. La Candelaria liegt zwischen der alten Kathedrale von Managua und dem Mercado Oriental und grenzt

unmittelbar an den Managua-See. Das Viertel besteht aus meist sehr einfach ausgestatteten, ausschließlich eingeschossigen Gebäuden, die sich in mehreren Blocks um einen kleinen Park gruppieren. Einige kleine Möbelwerkstätten und kleinteiliger Handel bestimmen die knappen ökonomischen Perspektiven dieses mit öffentlichen Verkehrsmitteln schlecht angebundenen Stadtquartiers. Trotz eines Parks und der Lage am See bleibt das Potenzial des öffentlichen Raums aufgrund ungelöster Sicherheitsfragen weitgehend ungenutzt. Auch das über den Tageszyklus mehrfach genutzte Schulareal kann die Defizite an Bildungs- und Erholungsangeboten vor allem für Kinder und Jugendliche nicht ausreichend kompensieren. urban_managua beinhaltet mehrere methodologische Bausteine, die in integrativer Form sowohl im Rahmen des akademischen Diskurses als auch im praxisnahen Dialog gemeinsam mit der Bevölkerung von La Candelaria konkrete Strategien zur Verbesserung der lokalen Lebensqualität formulieren sollen. Die wichtigsten Komponenten dabei sind: ÆÆ das so genannte „Urban Design Laboratory“ ÆÆ verschiedene Formen von Süd-Süd-Kooperationen ÆÆ sowie die Förderung der lokalen urbanen Kultur Das zweiwöchige Urban Design Laboratory mit Studierenden und Lehrenden der UCA und der TU Wien sowie dem Instituto de Estudios Interdisciplinarios (IEI) und den Bewohner/innen von La Candelaria fand bereits im ersten Projektjahr in Managua statt. Dabei waren weitere in der Stadtentwicklung tätige Institutionen, etwa das Stadtplanungsamt, sowie einige lokale und internationale NGOs eingebunden. Im Rahmen des Laboratory traten die Teilnehmer/-


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La Candelaria: private und öffentliche Stadträume in Entwicklung, Collage von Eva Händler und Evamaria Schmidthaler

Das mehrstufige Konzept der Süd-Süd-Kooperation verfolgt das Ziel, internationales Know-how zur Verbesserung informeller Siedlungen in den akademischfachlichen Diskurs Nicaraguas zu integrieren. Besonders die Erfahrungen aus Brasilien, Argentinien und Kolumbien sind dabei sehr wertvoll. Demnach wurden zu dem im September 2013 veranstalteten "Simposio Internacional de Desarrollo Urbano Integrado" gezielt Fachleute aus den genannten Ländern eingeladen. Aktuell läuft ein Stipendienprogramm mit dem Titel „UrbanistXCHANGE“. Es sieht Forschungsaufenthalte nicaraguanischer Kolleg/innen in ausgewählten lateinamerikanischen Städten mit erfolgreichen Stadtentwicklungsprogrammen vor. Die Veröffentlichung dieser Forschungsergebnisse im urban_managuaBlog sowie auf dem Abschlusssymposium im September 2014 soll dieses Know-how in Nicaragua weiter verbreiten. Im Rahmen von kulturellen und künstlerischen Aktivitäten werden in La Candelaria über den gesamten Projektzeitraum Kultur- und Freizeitpro-

gramme für Kinder und Jugendliche angeboten. Studien von Best Practice-Beispielen aus anderen Städten Lateinamerikas zeigen, dass diese sogenannten Cultural Actions den Dialog mit der Bevölkerung fördern und kreative Potenziale mobilisieren. Die Initiativen zur Förderung der lokalen urbanen Kultur werden vom IEI und von der Casa de los Tres Mundos organisiert und beinhalten Theater-, Musik- und Tanzunterricht sowie sportliche Aktivitäten. Zusammengefasst sei angemerkt, dass das Projekt urban_managua durch einen multidisziplinären Ansatz darauf abzielt, Stadtplanung als Prozess mit zahlreichen Akteur/innen zu verstehen. Die kleinteiligen, praxisorientierten Bausteine tragen dazu bei, räumlich-materielle Komponenten gleichermaßen wie soziale, ökonomische, ökologische und kulturelle Aspekte der Stadtentwicklung in Lehre und Praxis zu verankern. Um es mit den Worten des argentinischen Architekten Jorge Mario Jauregui, der seit vielen Jah-

ren in der Stadtentwicklung tätig ist, zu sagen: „Architekt/innen müssen eine Atmosphäre schaffen, die in der Lage ist, die bislang unartikulierten Wünsche der lokalen Bevölkerung der informellen Stadt zu visualisieren.“ Das multidisziplinäre Projektteam des Fachbereichs Städtebau der TU Wien besteht aus Judith Lehner (Architektin), Lisa Ringhofer (Soziologin), Roland Krebs (Raumplaner) und Andreas Hofer (Architekt). Das Team arbeitet von Oktober 2012 bis September 2014 mit Kolleg/innen der Universidad Centroamericana, Managua (UCA), dem Instituto de Estudios Interdisciplinarios, Granada (IEI) und der Bevölkerung der Siedlung „La Candelaria“ an dem von der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit geförderten Hochschulkooperationsprojekt.

Studierende der UCA und der TU Wien mit Bewohner/innen von La Candelaria während des Urban Design Laboratory im April 2013

infopoint www.appear.at

© andreas hofer | appear

innen in einen Dialog mit der lokalen Bevölkerung, der vor allem zur Erfassung der konkreten Lebensbedingungen der Bewohner/innen von La Candelaria diente und im anschließenden Entwurfsprozess zur Visualisierung von Entwicklungsperspektiven führte. Daraus entstanden Konzepte zur Gestaltung und Verbesserung des Wohnumfeldes und des öffentlichen Raums für La Candelaria. Die Ergebnisse wurden im Rahmen eines internationalen Symposiums in Managua am Ende des ersten Projektjahrs öffentlich präsentiert und diskutiert. Zeitgleich entstand der Dokumentarfilm „La Candelaria Sueña“, der kontrastreich Alltag und Visionen der Bewohner/innen artikuliert. Er wird erstmals am 1. April 2014 in Österreich gezeigt.


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Elke Stinnig

Die Kunst, die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen Gendertrainings für Studierende und Lehrende gegen die Ungleichbehandlung und Diskriminierung von Frauen im Hochschulbereich.

Ungleichbehandlung und Diskriminierung von Frauen auch im Hochschulbereich sind nach wie vor leider keine Seltenheit. Es beginnt bei der geringeren Anzahl weiblicher Studierender oder Lehrender, der mangelnden Beteiligung von Frauen in Führungspositionen und Entscheidungsgremien und reicht bis zu geschlechterblinden Lerninhalten oder gar sexueller Belästigung. Mit welchen Maßnahmen dagegen angekämpft wird, und welche Rolle die Universitäten bei der Erreichung von Gleichstellung spielen, diskutierten Elisabeth Klatzer, Wirtschaftsuniversität Wien, und Janestic Twikirize von der Makerere Universität in Uganda, bei der Veranstaltung „appear in practice_3: Ugandan Experiences. The art of pursuing gender equity“ am 28. November 2014 in Wien. Anhand ihrer Erfahrungen mit Gender-Mainstreaming in zwei appear-Projekten wurden die Bedingungen von Frauen an ugandischen Universitäten dargestellt und mögliche Handlungsfelder aufgezeigt, durch welche Gleichstellung erreicht werden könnte. Gender-Mainstreaming bedeutet, die Perspektive der Geschlechterverhältnisse in sämtliche Prozesse, Aktivitäten und Maßnahmen einzubeziehen. Sollten Frauen in einem Bereich stark unterrepräsentiert sein, dann werden ergänzend spezielle frauenfördernde Maßnahmen (Affirmative Action) durchgeführt. Elisabeth Klatzer betonte am Beginn ihrer Präsentation, dass Uganda für seine progressive Verfassung aus dem Jahre 1995, und der Verankerung der Geschlechtergleichstellung in dieser, bekannt ist. Seit 15 Jahren gibt es eine „National Gender Policy“, die Richtlinien für Gender-Mainstreaming und das Empowerment von Frauen vorgibt. Außerdem wurde bereits Anfang 2000 Gender Budgeting, also die konkrete Finanzierung von Gleichstellungsmaßnahmen, in die Budgetprozesse integriert. Diese Prozesse wurden maßgeblich von der Zivilgesellschaft und von Frauenorganisationen beeinflusst. Ebenso wurde an der Makerere Universität die Institutionalisierung von Gender-Mainstreaming in-

© nikoleta nikisianli | appear

Podiumsdiskussion bei der Veranstaltung appear in practice: Elisabeth Klatzer, Téclaire Ngo Tam, Janestic Twikirize

tensiv diskutiert. Dies führte 1991 zur Gründung des Departments of Women‘s Studies, das mittlerweile zu einer School of Gender Studies ausgeweitet wurde.

Was passiert in den appear-Projekten? Die School of Gender Studies implementiert gemeinsam mit der Kyambogo Universität und der WU Wien das einzige im Rahmen des appear-Programms geförderte explizite Gender-Projekt. Mit Unterstützung der Makerere Universität und aufbauend auf einer Situationsanalyse wird in der ersten Komponente ein Gleichstellungsplan für die Kyambogo Universität mit dem Ziel erarbeitet, auf sämtlichen universitären Ebenen eine geschlechtersensible Sichtweise einzuführen. Beispielsweise wurden Gendertrainings für Studierende, Lehrende und das Top Management durchgeführt, außerdem wurden der Lehrplan und die Lehrinhalte überprüft. Um jedoch langfristig die Anzahl von Frauen in Hinblick auf die Studierenden, das Lehrpersonal oder Führungspositionen zu erhöhen, werden Affirmative Action-Maßnahmen empfohlen. Als weiteres wichtiges Anliegen wurde der Kampf gegen sexuelle Belästigung an der Universität genannt. In der zweiten Komponente wird erforscht, inwieweit die nationale Genderpolitik und Gender Budgeting die Planungs- und Budgetprozesse auf den verschiedenen Verwaltungsebenen beeinflusst hat, und ob in der Bevölkerung, speziell bei Frauen und Mädchen, positive Auswirkungen dieser Politik zu spüren sind. Janestic Twikirize vom Department of Social Work and Administration an der Makerere Universität stellte das zweite appear-Projekt zur „Professionalisierung von So-

zialarbeit in Ostafrika und deren Beitrag zur Armutsminderung“ vor, an dem neben der Makerere Universität noch drei weitere Hochschulen in Kenia, Ruanda und Tansania sowie die FH Kärnten beteiligt sind. Soziale Arbeit existiert beispielsweise in Uganda und Kenia seit fast 50 Jahren, hat aber als Profession einen geringen Stellenwert und ihr Beitrag zu sozialem Wandel und Armutsbekämpfung wird vielfach unterschätzt. Begonnen wurde das Projekt mit empirischer Forschung zum Stand der sozialen Arbeit. Es wurde erhoben, wo die Sozialarbeiter/innen arbeiten, was ihre Aufgaben sind und wie sie von außen wahrgenommen werden. Zudem wurden die bestehenden Lehrpläne evaluiert und überarbeitet, politisches Lobbying für soziale Arbeit betrieben sowie institutionelle und individuelle Kapazitäten aufgebaut. Von besonderer Bedeutung ist außerdem auch die Publikation von Handbüchern zu sozialer Arbeit für die jeweiligen Länder und eine bis jetzt einmalige regionale Vernetzung der Institutionen im Bereich Sozialarbeit in Ostafrika. Janestic Twikirize betonte, dass die soziale Arbeit als primäres Ziel die Veränderung der Gesellschaft hat und Werte wie Gleichheit, soziale Gerechtigkeit und die Würde des Menschen diesen Beruf prägen. Die Anwendung eines


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Frauen bei einem Projektmeeting in Rakai/Uganda

© elke stinnig | appear

Elisabeth Klatzer bezeichnete das Phänomen, dass sich die am Papier geltenden gesetzlichen Regelungen in der Praxis langsam in Luft auflösen, als Politik-Evaporation.

geschlechterkritischen Ansatzes ist somit ein zentrales inhaltliches Thema im Projekt. Zudem wird aber auch im Projektteam auf die gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen geachtet.

Welchen Beitrag können die Universitäten zur Förderung der Gleichstellung leisten? Die Verbesserung der Situation und die Ermächtigung (Empowerment) von Frauen werden im Entwicklungsdiskurs als wesentliche Strategie zur Armutsbekämpfung betrachtet. Die Universitäten spielen dabei eine wichtige Rolle. Prinzipiell sollten die Universitäten gewährleisten, dass Frauen in allen Bereichen und auf allen Ebenen ein gerechter Zugang ermöglicht wird. Bei beiden vorgestellten Projekten steht die Kapazitätenentwicklung im Vordergrund und es werden Frauen konkrete Möglichkeiten geboten, ihre Kapazitäten zu stärken. Studentinnen und auch (junge) Forscherinnen sollen explizit angesprochen und gefördert werden. Gendersensible Trainings führen außerdem dazu, dass alle Beteiligten den gleichen Wissensstand haben und das Thema verinnerlichen. Gender-Dimensionen sind ein impliziter Bestandteil eines zeitgemäßen Wissenschaftsdiskurses, und Universitäten sollten eine gendersensitive Herangehensweise an wissenschaftliche Fragen, Analysen und Problemlösungsstrategien einfordern. Die Forschungsergebnisse sollten dann wiederum in Lehr- und Forschungsinhalte einfließen. Universitäten wirken aber auch nach außen und stellen ein wichtiges Bindeglied zur Zivilgesellschaft dar. Im Gender-Projekt wird beispielsweise intensiv mit dem Forum for Women in Democracy (FOWODE) zusammengearbeitet. Diese NGO setzt sich für das Empowerment von Frauen ein, damit sie sich ihrer Rechte bewusst sind und sich verstärkt in politische Entscheidungsprozesse einbringen können. Ganz konkret organisiert FOWODE auf lokaler Ebene „Village Budget Clubs“. Die Dorfbevölkerung wird in Trainings geschult, damit sie in ihrer Gemeinde die Verteilung der Budgetmittel überprüfen und ihre politischen Vertreter/innen zur Rechenschaft ziehen kann. Diese „Village Budget Clubs“ bzw. ihre Mitglieder wurden nun im Rahmen des Projekts besucht und interviewt. Die Forschungs-

ergebnisse werden einerseits in Form von Berichten und Publikationen in internationalen Journalen veröffentlicht und sollen andererseits auch als konkrete Empfehlungen in den nächsten nationalen Entwicklungsplan einfließen. Das PROSOWO-Team organisiert im März 2014 erstmals in Afrika eine Konferenz zu sozialer Arbeit. Auch hier gibt es einen expliziten Call für Beiträge zum Thema Gender. Jenseits des akademischen Diskurses soll die Konferenz auch eine wichtige Vernetzungsplattform für alle in der sozialen Arbeit Tätigen darstellen und auch auf politischer Ebene Lobbyarbeit betreiben. Die Konferenz wird zeitgleich mit dem World Social Day stattfinden und soll mit einer Demonstration in Kampala auf diese wichtigen Anliegenaufmerksam machen.

Rollen- und Machtverhältnisse müssen verändert werden Gerade im Entwicklungsdiskurs ist das Thema Gender omnipräsent, verkommt dabei aber oft zu einer Pflichtübung. Janestic Twikirize beschrieb dies auch anhand der School of Gender Studies an der Makerere Universität, die sehr oft für die Gender-Angelegenheiten zuständig erklärt wird. Die Projektbeteiligten entledigen sich somit ihrer Verantwortung. Als weitere Schwierigkeit wurden von Elisabeth Klatzer die nach wie vor existierenden Geschlechterklischees genannt. Neben der Gleichstellung muss natürlich eine Veränderung der Rollen- und Machtverhältnisse erfolgen. Die beiden diskutierten Projekte können während der dreijährigen Laufzeit sicher wichtige Impulse setzen, allerdings benötigt eine nachhaltige institutionelle bzw. gesellschaftliche Transformation einen längeren Zeitraum. Im Rahmen des Gender-Projekts wurden Gespräche mit Vertreter/innen der Lokalregierung geführt. Dabei stellte sich heraus, dass es bisher, trotz der vielen Bekenntnisse, erst zu einer geringen Umsetzung von Gleichstellung in Budget– und Planungsprozessen gekommen ist. Es fehlt vor allem an Mechanismen, um die Politiker/-innen zur Rechenschaft zu ziehen.

Abschließend ist positiv anzumerken, dass in Uganda in vielen Bereichen bereits eine rechtliche Gleichstellung erreicht wurde. Diese muss aber im Alltag noch sehr oft erkämpft und durchgesetzt werden. Für einen nachhaltigen gesellschaftlichen Wandel ist sicher mehr gendersensitive Forschung, eine stärkere Sensibilisierung der Öffentlichkeit und schlussendlich eine verbesserte Vernetzung und Zusammenarbeit über die Grenzen der Universität hinaus nötig. Dokumentation der Veranstaltung appear in practice unter www.appear.at/appear_infos/events/appear_ in_practice/appear_in_practice_3/

Infos zu appear Das Programm appear fördert Hochschulpartnerschaften zwischen Österreich und den südlichen OEZA Partnerländern. Basierend auf Austausch und bedarfsorientierter Zusammenarbeit sollen die beteiligten Institutionen unterstützt und gestärkt werden. Das Programm wird finanziert durch die OEZA und durchgeführt vom OeAD und dem Lateinamerika-Institut. Aktuell werden 17 Partnerschaften und 60 Stipendiat/ innen gefördert. Erfahren Sie mehr über Projektziele, Resultate, beteiligte Institutionen und die Stipendien auf der appear-Website: www.appear.at

infopoint www.appear.at


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Franz Gramlinger

Wichtig für Mobilitäten: Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement ARQA-VET hat zwei Pilot-Lehrgänge zur Qualifizierung von Qualitätsprozessmanager/innen (QPM) und Führungskräften in der Bildung entwickelt. Ein Thema, das im Zusammenhang mit Mobilität, internationalem Austausch und Anrechnungen sowohl national, aber vor allem auch im EU-Kontext sehr schnell erwähnt wird, ist Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement (QM). Viele Vereinbarungen und Regelungen in der EU basieren auf dem Prinzip des „Mutual Trust“. Gemeint ist, dass man über Ländergrenzen hinweg darauf vertrauen kann, dass das, was vereinbart, bestätigt oder bescheinigt wird, auch tatsächlich stimmt. Eine gute Basis für gegenseitiges Vertrauen sind Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement, ein damit einhergehendes Ziel ist die Schaffung bzw. die Steigerung von Transparenz. ARQA-VET, eine Organisationseinheit der OeAD-GmbH, hat als expliziten Aufgabenschwerpunkt Qualität, Qualitätssicherung und –entwicklung und Qualitätsmanagement: Die Österreichische Referenzstelle für Qualität in der Berufsbildung unterstützt die Sektion Berufsbildung des Bundesministeriums für Bildung und Frauen bei ihrer Arbeit mit der Qualitätsinitiative Berufsbildung (QIBB). Mit QIBB wurde vor knapp zehn Jahren ein Projekt gestartet, das zum Ziel hatte, für alle berufsbildenden Schulen Österreichs ein gemeinsames QM-System zu entwickeln und flächendeckend zu implementieren. Es hat acht Jahre gedauert, bis 2012 die Verpflichtung aller Schulen – auch der allgemeinbildenden Schulen – zu einem systematischen Qualitätsmanagement gesetzlich verankert wurde. Parallel dazu gewann das Thema Qualität in der Berufsbildung auch in der EU an Bedeutung. Es wurde durch das Netzwerk EQAVET (European Quality Assurance in Vocational Education and

Training) – nicht zuletzt zur Unterstützung der Entwicklung von EQR (Europäischer Qualifikationsrahmen) und ECVET (European Credit System for Vocational Education and Training) – zumindest teilweise organisatorisch verankert. Als ein Beispiel für die Arbeit und Wirkungsweise von ARQA-VET sei hier eine Maßnahme kurz vorgestellt, die das Ziel verfolgt(e), dass diejenigen, die in Berufsbildenden Schulen für das Qualitätsmanagement verantwortlich sind, dieses auch durchführen können. ARQA-VET hat das Leonardo da Vinci-Projekt VETCERT beantragt und koordiniert, das nach zweijähriger Laufzeit im Jänner 2013 abgeschlossen wurde. Die Projektergebnisse wurden dahingehend umgesetzt, dass im Oktober 2013 zwei Pilot-Lehrgänge zur Qualifizierung von Qualitätsprozessmanager/innen (QPM) und Führungskräften gemeinsam mit der PH Oberösterreich starteten. Unter der Überschrift „QUALI-QIBB – Qualifizierung in und für QIBB“ laufen nun zwei bundesweit ausgeschriebene, schulübergreifende Lehrgänge. Verwendet werden die in VET-CERT erarbeiteten Kompetenzprofile, Grundlage ist das VET-CERT-Rahmencurriculum: ÆÆ Lehrgang zur zertifizierten Qualitätsprozessmanager/in für QIBB (12 ECTS, zwei Semester) ÆÆ Qualitätsmanagement für Führungskräfte in QIBB (sechs ECTS, ein Semester)

Die Adressaten dieser Qualifizierungsangebote – die operativen und strategischen Funktionsträger/innen in QIBB – haben im Pilot-Durchgang das Angebot sehr gut angenommen, beide Lehrgänge sind voll ausgelastet und weisen eine gute Verteilung auf die Bundesländer und die verschiedenen Schulformen (berufsbildende mittlere und höhere Schulen sowie Berufsschulen) auf. Der Führungskräftelehrgang mit zwei Modulen endet im März 2014, der Lehrgang für die Qualitätsmanager/innen umfasst fünf Module und endet mit der Zertifikatsverleihung am 1. Juli 2014. Das Zertifikat hat eine Gültigkeit von vier Jahren, Voraussetzung für die Re-Zertifizierung ist die Absolvierung eines Weiterbildungsmoduls. Die Vorbereitungen für den zweiten Durchgang haben bereits Ende 2013 begonnen. Alle Informationen zu QUALI-QIBB finden Sie online unter: www.arqa-vet.at/quali-qibb Weitere Online-Quellen: www.qibb.at www.arqa-vet.at www.eqavet.eu


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OeAD-Events

Veranstaltungskalender Der OeAD informiert nicht nur zielgruppengerecht in zahlreichen Workshops zu Stipendienprogrammen und Förderungen, er bietet auch Plattformen zur öffentlichen Diskussion rund um Mobilität und Internationalisierung. 19. März 2014, 19 Uhr | Wien Informationsveranstaltung

Fulbright-Stipendien: Studieren, Forschen & Lehren in den USA Ort: OeAD-Haus, Ebendorferstraße 7, 1010 Wien Das Fulbright-Programm wurde 1946 ins Leben gerufen. Sinn und Zweck ist es, die internationale Völkerverständigung durch bilaterale Austauschprogramme mit den Vereinigten Staaten zu fördern. Es hat über 285.000 Alumni und ist derzeit in 155 Ländern tätig, in 51 davon mittels binationaler Fulbright-Kommissionen wie der Austrian-American Educational Commission (AAEC). Hauptsächlich durch direkte Unterstützung der Regierungen der Vereinigten Staaten und Österreichs finanziert, bietet das Fulbright-Programm Stipendien für österreichische Studierende, Wissenschaftler/innen oder Professionals, die in den USA studieren, lehren oder forschen möchten.

24. März 2014, 9 bis 17 Uhr | Wien

Bologna Tag 2014: Anerkennung. Bildungswege qualitätsvoll gestalten Ort: Wirtschaftsuniversität Wien Der 7. Bologna Tag steht unter dem Motto "Anerkennung. Bildungswege qualitätsvoll gestalten" und findet am Montag, den 24. März 2014 an der Wirtschaftsuniversität Wien von 9 bis 17 Uhr statt. Der Bologna Tag bietet als größte Bologna-relevante Veranstaltung der OeAD-GmbH eine alljährliche Plattform zum Erfahrungsaustausch zwischen den österreichischen Hochschulen und anderen interessierten Akteuren. 2014 steht im Zeichen des aktuellen europäischen Diskurses zur Anerkennung – ein Kernthema des Bologna-Prozesses, dessen Verständnis sich laufend erweitert und von einem studierbaren lebensbegleitenden Lernen bis hin zu Mobilitätsfragen im globalen Kontext reicht.

1. April 2014, 16.30 Uhr | Wien

appear in practice_4: The art of creating spaces for rural and urban communities – Examples from Nicaragua and Palestine Ort: OeAD-Haus, Ebendorferstraße 7, 1010 Wien Die Veranstaltungsreihe „appear in practice“ lädt Projektpartner/innen aus Österreich und aus den Partnerländern ein, gemeinsam über ein Thema zu reflektieren. Die nächste Veranstaltung steht im Zeichen der Raumplanung und deren Rolle in der Entwicklung städtischer und ländlicher Gemeinden. Eine Vertreterin des appear-Projekts urban_managua aus Nicaragua und ein Vertreter des appear-Projekts RURAL_DEV aus den Palästinensischen Gebieten berichten über die Herausforderungen und Möglichkeiten der Raumplanung im jeweiligen Kontext. Als Rahmenprogramm wird ein Kurzfilm gezeigt, den Studierende aus Nicaragua in einem Stadtteil der Hauptstadt Managua gedreht haben. Martin Grabner stellt Fotos aus, die im Rahmen eines Projektbesuchs in den Palästinensischen Gebieten entstanden sind.

3. April 2014, 9 bis 17 Uhr | Wien

Schule grenzenlos – Schule außerhalb von Zwängen. Normen versus Kreativität. Ort: Vienna Business School, Hamerlingplatz 5-6, 1080 Wien Die 3. Fachtagung im Rahmen von "OeAD macht Schule" steht unter dem Motto "Schule außerhalb von Zwängen. Normen versus Kreativität." Im Fokus der Konferenz stehen heuer schulische und außerschulische Bildungsangebote abseits des breit genutzten Regelunterrichts. Freuen Sie sich auf spannende Keynotes von Danielle Spera (Jüdisches Museum Wien) und Harald Katzmair (FAS.research GesmbH Wien) – beide werden mit weiteren renommierten Fachleuten auch an der Podiumsdiskussion zum Tagungsthema teilnehmen. Am Nachmittag diskutieren Expert/innen aus der Praxis in den Fachkreisen aktuelle bildungspolitische Fragen und beziehen die Teilnehmer/innen in die Diskussion ein.


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Discover Euraxess: Bus hält vor der Uni Wien Die Euraxess-Roadshow geht auf Tour und kommt am 20. März 2014 nach Wien.

Unter dem Motto "We take your research further" geht der Euraxess-Bus auf Tour und hält am 20. März 2014 vor der Universität Wien, Universitätsring 1, 1010 Wien. Parallel zu Informationsaktivitäten an der Bushaltestelle gibt es im Hauptgebäude Diskussionsrunden und zwei Workshops sowie Infostände österreichischer Fördergeber und Serviceeinrichtungen. Zielgruppen dieser Veranstaltung sind Human Resources-Abteilungen sowie Studierende und Forschende. Die Euraxess-Roadshow ist eine Informationskampagne der Europäischen Kommission, Generaldirektion Forschung und Innovation (DG RTD). Der Euraxess-Bus wird vom 3. März bis 28. April 2014 unterwegs sein und 29 Städte in 22 Ländern besuchen.

Weitere Informationen: www.euraxess.at www.facebook.com/Euraxess.On.Tour @Euraxess.OnTour, #Euraxess.OnTour, #EU4Jobs


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Neue Veranstaltungsreihe: International Lectures Gemeinsame Veranstaltung von OeAD, uniko und den Universitäten, in Kooperation mit der österreichischen Hochschüler/innenschaft.

Die Zukunft der Universitäten wird maßgeblich durch die Entwicklung nachhaltiger Internationalisierungsstrategien und Ziele im Kontext globaler Herausforderungen mitbestimmt. Am 19. März 2014 startet eine Veranstaltungsreihe zu diesem Thema. INTERNATIONAL LECTURES beschäftigen sich mit der Internationalisierung an österreichischen Universitäten. Kontexte – Strategien – Perspektiven stehen im Fokus. Die Vortragsreihe befasst sich mit Rahmenbedingungen, Gestaltungsmöglichkeiten und Herausforderungen einer zunehmend internationalen und interkulturellen Realität an Universitäten. Im Zusammenhang damit stehen Fragen der weiteren Internationalisierung von Forschung, Lehre und Curricula (auch aktuelle wirtschafts- und gesellschaftspolitische Diskurse) sowie Handlungsnotwendigkeiten und –optionen. Angesichts der bereits bestehenden internationalen Vernetzung, Kooperation, Kommunikation und Mobilität von Wissenschaftler/ innen und Studierenden (aus unterschiedlichen Ländern) besteht die Herausforderung für qualitätsvolle Forschung und Lehre in Europa heute auch zunehmend darin, Probleme und Forschungsgegenstände aus einer globalen Perspektive in den Blick zu rücken. Diese Öffnung für eine globale Perspektive erfordert Wertschätzung der kulturellen Vielfalt und Diversität aller Wissenschaftler/innen, Studierenden und der Administration als wichtiges, innovatives und kreatives Potenzial der Universität. Es ist geplant, die Vortragsreihe INTERNATIONAL LECTURES mobil zu gestalten, das heißt, sie wandert an verschiedene Universitäten in verschiedenen österreichischen Bundesländern, um globale und lokale Fragestellungen miteinander zu verknüpfen. Es ist vorgesehen, Wissenschaftler/innen und Studierende gleichberechtigt als Respondent/innen der Vorträge zu integrieren, um dadurch verschiedene Perspektiven kennenzulernen und um Diskussionen anzuregen (Vorträge: 35 Min., Respondenz: je zehn Min., anschließend Diskussion: 30 Min.). Internationale Studierende werden neben anderen Expert/innen auch zu Podiumsdiskussionen eingeladen. Die Moderation wird von Journalist/innen übernommen, um die gesellschaftliche Relevanz der Themen zu unterstreichen. Die INTERNATIONAL LECTURES starten mit drei Veranstaltungen in Wien. Die Podiumsdiskussion setzt sich mit der Frage auseinander, was die Universität als "Integrationsmotor" leisten kann. Prof. Hans de Wit behandelt in seinem Vortrag institutionelle Strategien und gibt einen Überblick über Trends der Internationalisierung in Europa. Schließlich hinterfragt Prof. Paul Mecheril das Konzept der Internationalisierung aus einer migrationspädagogischen Perspektive.

Mittwoch, 19. März 2014, 17 bis 19 Uhr: Podiumsdiskussion

Integrationsmotor Universität? Zuwanderung und Bleiberecht internationaler Studierender & Forscher/innen Veranstaltungsort: Universität Wien, Juridicum/Dachgeschoß, Schottenbastei 10-16, 1010 Wien Begrüßung: Hubert Dürrstein, OeAD-GmbH • Heinz Faßmann, Universität Wien • Vladima Elena Gönku, Österreichische Hochschüler/innenschaft • Margit Kreuzhuber, Wirtschaftskammer Österreich • Elmar Pichl, Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft • Johannes Schnizer, Universitätsrat der Universität Wien Moderation: Judith Brandner, Ö1

Mittwoch, 21. Mai 2014, 16.30 bis 18.30 Uhr: Lecture

Challenges and Opportunities for Internationalising Higher Education in Europe (in englischer Sprache) Veranstaltungsort: OeAD-Haus, Ebendorferstraße 7, 1010 Wien, Saal 1 Begrüßung: Elisabeth Fiorioli, Österreichische Universitätenkonferenz Vortrag: Hans de Wit, Professor of Internationalisation of Higher Education, Amsterdam University of Applied Sciences Respondenzen von Roberta Maierhofer (Universität Graz) und Karin Stanger (ÖH Universität Wien) Moderation: Joe Remick, FM4

Mittwoch, 11. Juni 2014, 16.30 bis 18.30 Uhr: Lecture

Internationalisierung der Universität: eine migrationspädagogische Kritik Veranstaltungsort: OeAD-Haus, Ebendorferstraße 7, 1010 Wien, Saal 1 Begrüßung: Heinz Faßmann, Universität Wien Vortrag: Paul Mecheril, Professor für Interkulturelle Pädagogik, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Respondenzen von Eva Vetter (Universität Wien) und Safiatou Sakiliba (Universität Wien) Moderation: Natascha Gruver, Philosophin und Radiomacherin

Im Anschluss wird zu einem kleinen Buffet gebeten. Weitere Informationen und Anmeldung unter www.international-lectures.at


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Michael Dippelreiter

Historisch betrachtet Berufliche Weiterbildung und Mobilität hat Tradition. Im frühen Mittelalter zogen die Baumeister und Steinmetze von Baustelle zu Baustelle. Vor dem Fall des eisernen Vorhangs schickte Meinl seine Mitarbeiter/innen nach Ungarn. Ein Streifzug durch die Geschichte der beruflichen Mobilität.

Die Erweiterung des studentischen Mobilitätsprogramms Erasmus auch auf den berufsbildenden Bereich ist derzeit ein großes Thema. Aber, ist das alles wirklich so neu? Hat es früher schon ähnliche Bestrebungen gegeben? Die sogenannten „Bauhütten“ praktizierten berufliche Mobilität seit dem frühen Mittelalter. Zusammenschlüsse der verschiedenen Handwerksbereiche, vom Baumeister über Maurer, Zimmerleute bis zu Steinmetze zogen von Baustelle zu Baustelle und boten, teils gemeinsam, teils auch alleine, ihre Dienste an, gaben ihr Wissen weiter, lernten aber auch neue Methoden und Praktiken. Darüber aber vielleicht mehr in einem gesonderten Artikel. Zu Beginn der Neuzeit verlangte die Ausdehnung des Fernhandels eine Professionalisierung der Handelsmitarbeiter. Lag die Leitung und Führung der Geschäfte bislang ausschließlich in den Händen der Handelsherren und ihrer Familienmitglieder, so erforderte die rasche Expansion der Handelshäuser nicht nur die Einstellung zahlreicher familienferner Mitarbeiter, sondern auch deren qualifizierte „kaufmännische Ausbildung, die häufig in Italien absolviert wurde“.1 Diese Ausbildung wurde professionalisiert, indem sie einer Institutionalisierung und einer neuen Form des Wissensmanagement

unterzogen wurde. Desgleichen wurden die neuen Mitarbeiter an die verschiedensten Handelsniederlassungen zur Weiterbildung geschickt. Sie konzentrierten sich "für die niederdeutsche Kaufmannschaft auf die Kontore der Hanse (Bergen, Brügge, Antwerpen, London und Nowgorod)“ 2, während die süddeutschen Gesellschaften ihre jungen Mitarbeiter in die Kontore befreundeter Handelsgesellschaften im Mittelmeerraum schickten. Als wichtigstes Beispiel für Weiterbildung durch Mobilität galt die über viele Jahrhunderte praktizierte Gesellenwanderung. „Wandernde Handwerker waren bereits im frühen Mittelalter keine Seltenheit. Die Tradierung des beruflichen Wissens und Könnens dürfte in ihnen gewerbespezifisch in der 'Urform der Berufserziehung', also der sprachbegleitenden Imitatio erfolgt sein.“3 Eine der bekanntesten Definitionen der Gesellenwanderung stammt von Rudolf Wissel aus dem Jahre 1971. Dabei bezeichnet er diese als „(…) die Hochschule des Handwerks, eine Art Hochschulstudium in der freien Schule des Lebens, von einer entsprechenden Organisation in bestimmten fachlichen Bahnen gehalten – ein Hochschulstudium, wie es für das Handwerk, ja für die Mehrzahl aller Berufe, durch nichts ersetzt werden kann“4. Wissels Definition der Wanderzeit umfasst drei, nach seiner Begriffswahl sehr weit zu interpretierende wichtige Aspekte, nämlich den Erwerb neuer Lernerfahrungen („Hochschule des Handwerks“), die Erfahrungen des Gesellen außerhalb der Lehrwerkstätte („freie Schule des Lebens“) und den durch die zünftigen Bestimmungen gegebenen Rahmen („von einer entsprechenden Organisation in bestimmten fachlichen Bahnen gehalten“).5 Die wandernden Gesellen sollten ihre handwerklichen Kenntnisse erweitern und manche Kennt-

nisse und Kunstgriffe kennenlernen, die ihnen ihr Meister nicht hatte zeigen können. Wandernde Gesellen gehörten ins Bild des frühneuzeitlichen Europas. „Mit den Reformen des 18. und 19. Jahrhunderts war in Österreich die rechtliche Bedeutung der Gesellenwanderung als Voraussetzung für die Erlangung der Meisterwürde stark zurückgegangen.“6 Schon 1776 wurde den sogenannten CommerzProfessionalisten (das sind unter anderem Personen, die für den überregionalen Markt arbeiten, wie etwa Leinen- und Seidenweber oder Nagel- und Kupferschmiede) das Wandern freigestellt, die Gesellen konnten nicht mehr dazu angehalten werden. Vielmehr wurden als Reaktion auf den Vormärz polizeiliche Kennkarten und Pässe, aus denen sich später die Arbeitsbücher entwickelten, eingeführt. Mit dem Inkrafttreten der neuen Gewerbeordnung von 1859 im darauffolgenden Jahr, wurden die Wanderungen rechtlich obsolet. Allerdings war die Walz, wie die Gesellenwanderung im deutschsprachigen Raum hieß, weiterhin sehr beliebt. Ökonomische Aspekte waren weiterhin wichtig, ebenso die berufliche Weiterbildung. Hinzu kamen neuerdings die „Sehnsucht nach der Ferne“ ebenso dazu wie gewisse Aspekte einer Bildungsreise. Angeregt durch Publikationen eigener Erlebnisse während der Wanderungen durch viele ehemalige Wandergesellen und durch romantisierende Wanderlieder und Gedichte, zogen immer mehr junge Männer durch Europa, auf der Suche nach Arbeit, Weiterbildung, Abenteuer und Erfahrungen. Dass ein Wandergeselle auch zu gesellschaftlichem Aufstieg kommen konnte, zeigt das Beispiel des Johann Dietz, der im 17. Jahrhundert das Handwerk des Barbiers und Chirurgen erlernte und viele


© michael dippelreiter

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In diesem Arbeitsbuch wird Johann Dippelreiter (Großvater des Autors) der Arbeitsaufenthalt in Bukarest/ Rumänien 1913/14 bestätigt.

Jahre durch Osteuropa wanderte, wobei er zahlreiche Arzneien und Behandlungsmethoden kennenlernte. Dadurch erzielte er später, als er in die Dienste des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg trat, oft bessere Heilerfolge als an Universitäten ausgebildete Mediziner, und so konnte er diesen ebenbürtig entgegentreten. Die Gesellenwanderung war eine rein männliche Angelegenheit. „Zwar gab es die Mobilität weiblichen Gesindes, ein wirkliches Pendant zur Gesellenwanderung existierte jedoch nicht.“8 Der Geselle wurde durch seine Wanderung zum Mann und erwarb damit nicht nur die Kompetenz, als Meister zu wirken, sondern auch eine Familie zu gründen und dieser vorzustehen. Abschließend noch ein Beitrag zur beruflichen Weiterbildung und Mobilität aus der jüngeren Vergangenheit. Die ehemalige Feinkosthandelskette Julius Meinl, die während der K.-u.-k.-

Monarchie sowie während der Zwischenkriegszeit zahlreiche Filialen in Ungarn betrieb, wurde 1945 enteignet, und zirka 60 Geschäfte wurden von der ungarischen Firma Csemege übernommen. Bereits 1981 kam es zu einem Abkommen beider Konzerne, welches eigene Meinl-Verkaufsabteilungen in bestimmten Csemege-Filialen ermöglichte. Noch vor dem Fall des Eisernen Vorhangs wurden auch ungarische Verkaufsabteilungen in Wien eingerichtet, und ein gegenseitiger Personalaustausch wurde vereinbart. „Die guten Verbindungen zwischen den beiden Unternehmen werden jetzt auch auf dem Sektor der Ausbildung kultiviert. Jeweils zehn Lehrlinge des Lebensmittelverkaufs wurden in das befreundete Land eingeladen, um hier gegenseitig die Kultur des Gastlandes und die Besonderheiten des einladenden Unternehmens kennenzulernen.“ 9 Für die ungarischen Lehrlinge waren besonders die Verpackungssysteme und das Vertriebssystem von Interesse sowie die Kenntnis von Konkurrenz und Wettbewerb. Die österreichischen Lehrlinge wiederum mussten erstaunt zur Kenntnis nehmen, dass die technische Ausrüstung in Ungarn hinterher hinkte und es sogar vorkommen konnte, dass die Wurst mit der Hand aufgeschnitten werden musste. Es war dies ein bemerkenswertes Beispiel internationaler Zusam-

menarbeit in beruflicher Fortbildung in einer Zeit, als sich ein Umbruch zwar bereits abzeichnete, aber doch zwei gegensätzliche politische und gesellschaftliche Systeme aufeinander trafen.

Mark Häberlein, Die Fugger. Stuttgart 2006. S 120 Jürgen Zabeck, Geschichte der Berufserziehung und ihre Theorie. Paderborn 2009. S 63 3 Ebenda. S 43 4 Rudolf Wissel, Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit. Berlin 1971. S 301 5 Vgl. dazu Bertram Frantz, Die Gesellenwanderung als berufliche Bildung: die Wanderbücher des Rotgerbers Samuel Friediger (1812 – 1902). Graz, Dipl.-Arb. 1995. Insb. S 94-96 6 Ernst Bruckmüller, Ludwig Funder. Aus meinem Burschenleben: Gesellenwanderung und Brautwerbung eines Grazer Zuckerbäckers 1862 bis 1865. Wien 2000. S 21 7 Vgl. dazu Sven Halse, Eine Reise für das Leben: deutsche Handwerker-Autobiographien 1700 bis 1910. Bremen 2002. S 98-120 8 Sigrid Wadauer, Die Tour des Autobiographen: der Raum der Gesellenmobilität im 18. und 19. Jahrhundert. Wien Phil. Diss. S 21 9 CASH. Das Handelsmagazin 5/89 1 2


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Fotostrecke

Erasmus+ Auftaktveranstaltung 22. Jänner 2014 in der Wiener Hofburg

"Investition in die allgemeine und berufliche Bildung sind grundlegend für die Zukunft und die Jugend Europas." EU-Kommissarin Androulla Vassilou (Bild rechts) bei der Pressekonferenz zur Auftaktveranstaltung Erasmus+.

Knapp 900 Gäste besuchten die Auftaktveranstaltung in den Redoutensälen der Hofburg. Die vier zuständigen Minister/innen für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Sport eröffenten gemeinsam mit der EU-Kommissarin die Veranstaltung.

Alle Fotos © OeAD-GmbH | APA | Hinterramskogler

Knapp 900 Gäste besuchten die Auftaktveranstaltung und wollten wissen, was das Plus des neuen Programms konkret bringt. Bild rechts: Ernst Gesslbauer, Leiter der Nationalagentur Lebenslanges Lernen im Bild mit xxxx

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Bild oben: Vier Minister/innen und die EUKommissarin f端r Bildung, Kultur, Mehrsprachigkeit und Jugend geben den Startschuss f端r das neue EU-Programm: (v.l.n.r.) Reinhold Mitterlehner (Wissenschaft), Sophie Karmasin (Jugend), Androulla Vassiliou (EU-Kommissarin), Gabriele Heinisch-Hosek (Bildung) und Gerald Klug (Sport)

Vorzeigeprojekte aus Bildung, Jugend und Sport (was haben sie konkret gemacht????)

Alle Fotos 息 oead | apa | hinterramskogler

Bild rechts: Ernst Gesslbauer, Leiter der Nationalagentur Lebenslanges Lernen, begleitet Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek durch die Projektausstellung. Im Bild mit G端nther Jedliczka, Chef der OeAD-Wohnraumverwaltung.

Bild rechts: v.l.n.r.: xxxxx????


© paola vriesi

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Wissen.Schafft.Entwicklung.

Filmtage 2014: Eat.Drink.Live. Das Austrian Partnership Programme in Higher Education and Research for Development (appear) und die Kommission für Entwicklungsforschung (KEF) bei der OeAD-GmbH fördern entwicklungsrelevante wissenschaftliche Projekte zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen in Österreich und in Less und Least Developed Countries. Mit den Filmtagen ›Wissen.Schafft.Entwicklung.‹ werden aktuelle Forschungsarbeiten einer breiten Öffentlichkeit auf verständliche Weise zugänglich gemacht. Die dritten Filmtage mit dem Thema ›Eat.Drink.Live.‹ richten ihr Augenmerk auf Klimawandel, Gesundheit und Agrarökologie.

Filmtage ›Eat.Drink.Live.‹ Die Filmtage finden von 12. bis 15. März 2014 (Mittwoch bis Samstag) im Top Kino, in 1060 Wien, Rahlgasse 1, statt. Der Veranstalter nähert sich dem Thema ›Eat.Drink.Live.‹ mittels Filmen (Spielfilme, Dokumentarfilme), Projektpräsentationen und Diskussionen an.

Das Projekt ›Wissen.Schafft.Entwicklung.‹ vermittelt entwickungspolitische Forschungsergebnisse an einem klassischen Ort der Begegnung – dem Kino. Die Projektidee basiert auf folgender Überlegung: ›Wie erreichen entwicklungspolitisch relevante Forschungsergebnisse an generellen 'Entwicklungen' interessierte Menschen in unserer Gesellschaft?‹

In Kooperation mit der dänischen Botschaft in Wien werden Kurzfilme aus dem Projekt ›Youth & Film Uganda‹ vorgestellt, die vom dänischen Filminstitut gefördert werden. Der Film ›God loves Uganda‹ wird in Kooperation mit der Österreichischen Hochschülerschaft präsentiert.

Ernährungssouveränität ist ein dezentrales Konzept. Ziel ist eine Landwirtschaft, die den Zugang zu gesunden, leistbaren und ökologisch nachhaltig produzierten Lebensmitteln für alle garantiert. Eine Landwirtschaft, die Produzent/innen von Lebensmitteln ein gerechtes Einkommen und die Lebensgrundlagen kommender Generationen sichert. Ein weiteres Phänomen, mit dem sich die Filmtage beschäftigen wollen, ist der Klimawandel und seine Folgen. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Verfügbarkeit von Wasser, dargestellt am Beispiel Ostafrika. Spannend wird auch der Beitrag zur medizinischen Anthropologie, denn im ethnografischen Feld werden Krankheit und Verwundung fast ausnahmslos ›spirituell‹ interpretiert. Ein Weg von der Pflanzenheilkunde über die Hexerei bis hin zu Public Health.

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Die Filmtage legen einen Schwerpunkt auf Projekte in Uganda und Kenia, wo aktuell im Rahmen von appear und KEF zu den Themen Ernährungssouveränität, Klimawandel und Gesundheit geforscht wird.

Filmbeiträge: Earth & Water (Marcel Kolvenbach, D/Uganda, 2011, je neun Min.) Pumzi (Wanuri Kahiu, Kenia, 2010, 21 Min.) Afrikas Stimme gegen den Klimawandel (Marc Engelhardt, D/Kenia, 2007, 23 Min.) Faces of Climate Change (Tanja Jorgensen, DK/Uganda, 2011, 34 Min.) Fighting Spirits (Barbara Meier, D, 2010, 51 Min.) The Power of Spirits (Great Lakes Film, Uganda, 2007, 17 Min.) God loves Uganda (Roger Ross Williams, USA, 2013, 83 Min.)

infopoint www.kef-research.at/filmtage

Impressum: Medieninhaber & Herausgeber: OeAD (Österreichische Austauschdienst)-Gesellschaft mit beschränkter Haftung | Austrian Agency for International Cooperation in Education and Research (OeAD-GmbH) | 1010 Wien, Ebendorferstraße 7 | Sitz: Wien | FN 320219 k | Handelsgericht Wien | Chefredaktion und für den Inhalt verantwortlich: Eva Müllner, KIM – Kommunikation, Information, Marketing | Schlussredaktion: Rita Michlits | Mitarbeiter/innen dieser Ausgabe: Regina Aichner, Michael Dippelreiter, Hubert Dürrstein, Alexandra Enzi, Alfred Freundlinger, Ernst Gesslbauer, Franz Gramlinger, Gernot Grinschgl, Barbara Heindl, Andreas Hofer, Roland Krebs, Lorenz Lassnig, Judith Lehner, Alexander Hölbl, Stephanie Mayer, Karoline Meschnigg, Rita Michlits, Eva Müllner, Johannes Müllner, Lisa Ringhofer, Silvia Schwaiger-Wöll, Elke Stinnig | 1010 Wien | Ebendorferstraße 7 | T +43 1 534 08-0 | F +43 1 535 08-999 | info@oead.at | www.oead.at | Grafisches Konzept: Fineline, graphic-design & typography, 1040 Wien | Layout: Eva Müllner | Fotos: Wenn nicht gesondert vermerkt, im Eigentum der OeAD-GmbH, Coverfoto: © Gianmaria Gava | Druck: Gerin, 2120 Wolkersdorf | Finanziert aus Mitteln des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Abt. II/7 | Hinweis: Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider und müssen sich nicht mit der des Herausgebers decken | P.b.b. Erscheinungsort Wien | Verlagspostamt 1010 Wien | GZ: 02Z032 994M | Wien, März 2014 Offenlegung gemäSS § 25 Mediengesetz: Unternehmensgegenstand: Unternehmensgegenstand ist die Durchführung von Maßnahmen der europäischen und internationalen Kooperation im Bereich der Wissenschaft und Forschung sowie der Erschließung der Künste, der Hochschulbildung, der Bildung und der Ausbildung (§3. (2) OeAD-Gesetz) | Geschäftsführer: Univ.-Prof. Dr. Hubert Dürrstein | Stv. Geschäftsführer: Dr. Stefan Zotti | Mitglieder des Aufsichtsrates: SC Mag. Elmar Pichl, SC Mag. Hanspeter Huber, Botschafter Dr. Martin Eichtinger, Dr. Marlies Krainz-Dürr, Mag. Kurt Koleznik, Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr. Arthur Mettinger, Mag. Gottfried Schellmann, VR Univ.-Prof. Mag. Dr. Barbara Sporn, Mag. Franz Salchenegger, Mag. Verena Katscher, Mag. Bernhard Muzik, Mag. Alexandra Wagner | Die OeAD-GmbH steht zu einhundert Prozent im Eigentum des Bundes (§1.(2) OeAD-Gesetz) | Grundlegende Richtung: Information zu Bildungsmobilität & Bildungskooperation – national und international.


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