ÖGB Aktuell September 2019

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3450 l September 2019

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6. Urlaubswoche & 4-Tage-Woche

Zeit für mehr Die Arbeitsbelastung und der Druck auf ArbeitnehmerInnen steigen. Überlange Arbeitszeiten, zu wenig Personal und Überstunden wirken sich negativ auf die Work-Life-Balance vieler Menschen aus. Es ist eindeutig Zeit für mehr Erholung, Urlaub und Freizeit.

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Mit der Freizeitoption kann man die Lohnerhöhung in Zeit umwandeln. Regina Assigal, BR Siemens

FREIZEIT Die Arbeitswelt wird härter und die Work-Life-Balance verschlechtert sich. Gründe dafür sind steigender Druck und immer mehr Arbeitsstunden. Laut einer Erhebung des Beratungsunternehmens EY unter 1.001 ArbeitnehmerInnen ist die Arbeitsbelastung in den vergangenen fünf Jahren spürbar gestiegen. Jeder Zweite würde für mehr Freizeit auf Gehalt verzichten. Freizeitoption statt Gehaltserhöhung

Die Gewerkschaften haben reagiert und die Freizeitoption bei einigen Kollektivverträgen verankert. „Die Elektro- und Elektronikindustrie war eine der ersten Branchen, die die Umwandlung der Lohnerhöhung von Geld in Freizeit ermöglicht hat“, erklärt Regina Assigal, Betriebsrätin bei Siemens. Insgesamt kann jeder und jede Beschäftigte während des Arbeitsverhältnisses die Option viermal wählen, vor dem 50. Geburtstag höchstens zweimal. Die Verteilung unter den Altersgruppen ist unterschiedlich. „Die unter 40-Jährigen verdienen natürlich im Verhältnis weniger als ältere KollegInnen und können teilweise in dieser Phase nicht so leicht auf Einkommensteile verzichten. Dafür haben ältere MitarbeiterInnen die Möglichkeit für mehr Freizeit. Das entspricht auch der ursprünglichen Intention.“

W!NKERL

Klare Regeln statt Urlaub nach Lust und Laune

Urlaub machen, so lang

und so viel man will! Das

klingt super. Zustimmung dazu kommt von vielen ArbeitnehmerInnen. Aber auch von Arbeitgebern, die ihren Beschäftigten bisher nicht einmal die sechste Urlaubswoche

zugestehen

gewerkschaftlichen

wollten.

Alarmglocken.

Da

läuten

Versuche

die

zeigen:

Wenn nicht definiert ist, wie lang der Urlaub zu sein

URLAUB Die 6. Urlaubswoche nach 25 Jahren beim gleichen Dienstgeber zu erreichen, ist für viele unmöglich. Daher verhandeln immer mehr BetriebsrätInnen zusätzliche freie Tage in die Kollektivverträge. So auch Thomas Faulhuber und David John vom Betriebsrat am Flughafen Wien. Seit 1. Mai 2018 haben dort alle ArbeitnehmerInnen Anspruch auf

Die 6. Urlaubswoche ist für alle Beschäftigten am Flughafen Realität. Thomas Faulhuber, BR Flughafen Wien

fünf zusätzliche freie Tage pro Jahr. Die sechste Urlaubswoche ist damit für die 10.000 Beschäftigten bei öffentlichen Flughäfen Realität. „30 Millionen Passagiere im Jahr passieren den Flughafen“, erzählt Faulhuber, Betriebsratsvorsitzender am Flughafen Wien. „Die Arbeit wird mehr, aber die Belegschaft bleibt gleich. Da brauchen die Leute mehr Zeit, sich zu erholen.“ 6. Urlaubswoche: Mehr Erholung – weniger Stress

Dass die ArbeiterInnen am Flughafen Wien körperlich anstrengende Tätigkeiten verrichten und laufend vor neuen Herausforderungen stehen, bestätigt auch John, BR-Vorsitzender-Stv.„Mehr Freizeit zur Erholung ist der richtige Schritt, um dem steigenden Druck am Arbeitsplatz entgegenzuwirken. Mit der Verankerung der 6. Urlaubswoche im Kollektiv-

Mehr Freizeit zur Erholung ist der richtige Schritt gegen steigenden Arbeitsdruck. David John,

BR Flughafen Wien

vertrag ist uns ein großer Erfolg gelungen.“ Mehr Erholung und weniger Stress seien die Schlüssel dafür, dass die Menschen gesünder, leistungsfähiger und motivierter sind und mehr Zeit für ihr Privatleben haben.

hat, gehen die ArbeitnehmerInnen kürzer statt länger

ENTWICKLUNG DES

auf Urlaub. Man will nicht unsozial gegenüber den KollegInnen sein. Und wer weiß, wie lang man den Job noch hat, wenn man zu lang auf Urlaub geht. Und wenn der Urlaubsanspruch nicht exakt definiert ist, dann gibt es bei Ausscheiden aus dem Unternehmen keinen Resturlaub, den die ArbeitnehmerInnen ausbezahlt bekommen. Statt Freiwilligkeit braucht es also klare Regelungen für Urlaub und Erholung – zum Beispiel die sechste Urlaubswoche für alle!

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❮ Florian Kräftner

1945 1946

1965

1977

1 Woche 2 Wochen

3 Wochen

4 Woch


FAMILIENZEIT Studien zeigen: Beschäftigte in Unternehmen mit 4-TageWoche sind motivierter und arbeiten produktiver. Außerdem bringt ihnen eine verkürzte Arbeitswoche mehr Zeit für Familie, Freizeit und Erholung. Das wirkt sich sowohl auf die Gesundheit als auch auf den Unternehmensgewinn positiv aus. Als Ausgleich für den 12-Stunden-Tag fordern nun auch viele BetriebsrätInnen, die 4-Tage-Woche in den Kollektivverträgen zu verankern. Gelungen ist das 2019 für den Handel und das Baugewerbe. Dort haben die Beschäftigten Anspruch auf eine 4-TageWoche, außer bei Gefährdung von Betriebsabläufen. Mit einem schriftlichen Antrag beim Arbeitgeber kann die tägliche maximale Arbeitszeit auf 10 Stunden ausgedehnt und die Wochenarbeitszeit auf vier oder weniger Tage verteilt werden.

Vor allem bei PendlerInnen mit weiter Anfahrt ist die 4-Tage-Woche sehr beliebt. Marie-Theres Reisenauer, BR Buchhandelskette Thalia

4-Tage-Woche bei Thalia

Bei der Buch- und Medienhandelskette Thalia gibt es diese Möglichkeit schon länger, und sie kommt bei den Beschäftigten gut an. „Vor allem bei PendlerInnen, die eine weite Anfahrt haben. Die KollegInnen sparen sich mit der 4-TageWoche unnötige Zeit im Auto oder Zug und natürlich auch Geld“, berichtet Marie-Theres Reisenauer, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende bei Thalia. „Natürlich benötigt das eine gewisse Kreativität bei der Dienstplanerstellung, aber dort wo es möglich ist, wird es gemacht.“ Wichtig sei auch, auf die individuellen Bedürfnisse der MitarbeiterInnen einzugehen. Wenn man miteinander redet, finde man eine Lösung, so Reisenauer. Die Möglichkeit zur 4-Tage-Woche mache den Handel als Arbeitgeber außerdem attraktiver.

Mehr Information: oegb.at

URLAUBSANSPRUCHS

hen

1986

5 Wochen

2019

Es geht um gerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen, um gerechte Steuern, aber auch um bessere Verteilung von Arbeitszeit und Freizeit. Weil Zeit eines der wichtigsten Güter ist. Kein Wunder also, dass Arbeitszeit in Geld aufgewogen wird und die Gewerkschaften nicht nur bei den jährlichen Kollektivvertragsverhandlungen stark beschäftigt. Um mehr Gerechtigkeit zu schaffen, muss bei mehreren Themen angesetzt werden. An einer Arbeitszeitverkürzung, um die vorhandene Arbeit gerechter zu verteilen, wird kein Weg vorbeiführen. Während die einen mit unterbezahlten Teilzeitjobs abgespeist werden, was sich negativ auf ihr Lebenseinkommen auswirkt, müssen andere haufenweise Überstunden leisten. Oftmals leider auch unbezahlt.

Verteilungsgerechtigkeit hat viele Seiten Ebenfalls im Fokus der Gewerkschaften: Immer mehr ArbeitnehmerInnen fühlen sich im Arbeitsalltag gehetzt, Abhilfe könnten längere Regenerationsphasen schaffen. Wir fordern den Rechtsanspruch auf die 4-Tage-Woche bei voller Bezahlung, wie das beim aktuellen KV-Abschluss im Handel gelungen ist, in allen Branchen. Ein weiterer Schritt zur effektiven Arbeitszeitverkürzung ist die Erhöhung des Urlaubsanspruches. Sechs Wochen gibt es derzeit (wenn es der Kollektivvertrag nicht besser regelt) nur für diejenigen, die 25 Jahre im selben Betrieb beschäftigt sind. Das ist unzeitgemäß. Die Menschen sind mobiler geworden und wechseln ihren Arbeitsplatz oft – in vielen Fällen nicht freiwillig. Der Arbeitsdruck wird nicht nachlassen. Gleiches gilt auch für unser Engagement: Wir wollen faire Arbeitszeiten. Dafür suchen wir das Gespräch und die Zusammenarbeit mit Bündnispartnern, die bereit sind, mit uns am guten Leben für alle ArbeitnehmerInnen zu arbeiten. Diese Verbündeten braucht es auch in der Politik – entscheiden Sie also gut, wer sich für die Verbesserung Ihrer Lebenssituation einsetzt. Wolfgang Katzian, ÖGB-Präsident


So erreichen Sie die 6. Urlaubswoche schneller Lassen Sie Ihre Vordienstzeiten, Schul- und Studienzeiten anrechnen.

ohne ArbeitnehmerInnen al xim ma en nn kö Studium sen las en hn rec an re 7 Jah Dienst-/Lehrzeiten,

wenn diese mindestens 6 Monate ge dauert haben, bis insgesamt höch stens 5 Jahre

Insgesamt können max imal 12 Jahre an gerechnet w erden

lossene HochMit Erfolg abgesch im Ausschulstudienzeiten 5 Jahren maß von maximal

Vordienstzeiten

Lehrzeit

Schulzeiten einer hö

heren oder berufsbildend en Schule bis höchste ns 4 Jahre

Schulzeit

en ehrzeit n und L e it e tz s Vordien en und chulzeit en sowie S aktuell en beim it e z en s n s ie Stud hnen la r anrec e b e g it Arbe

Mehr Information: http://bit.ly/sechsteurlaubswoche NACHRICHTENDIENST ZVR-Nummer: 576439352

Herausgeber: ÖGB, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Leitung: Andreas Berger Redaktion: Barbara Kasper, Florian Kräftner Alle: 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1 Tel.: 01/534 44-39263, Fax: 01/534 44-39916, E-Mail: presse@oegb.at Medieninhaber und Hersteller: Verlag des ÖGB GmbH 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1

Layout: Stephanie Guberner Fotos: digifoto – helmreich (2), ÖGB Fotoarchiv (3), Fritz Zorn, Miriam Reither Zu bestellen unter Tel. 01/534 44-39738 Verlags- und Herstellungsort: Wien Adressänderungen: Tel.: 01/534 44-39100, E-Mail: service@oegb.at, Mo bis Do: 8.00–16.30, Fr: 8.00–12.00 Uhr Offenlegung gemäß Mediengesetz, § 25: www.oegb.at/offenlegung

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