-ZEITSCHRIFT FÜR DIE ARBEITSWELT
Interview: ÖGB-Präsident Foglar über Verteilungsgerechtigkeit und was aus ÖGB-Sicht fehlt Seite 3
930 • Februar 2011
Arbeitszeit: Seit drei Jahren gilt Europa: ÖGB und EGB verbitten sich ein Mehrarbeitszuschlag bei TeilEinmischung in Lohnpolitik durch EUzeit – wird er eingehalten? Seite 5 Kommissions-Beamte Seite 11
Seite 2, 3 und12
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Online dabei sein Jedes Jahr höhere Löhne und Gehälter, geregelte Arbeitszeiten, Mindesturlaub, ArbeitnehmerInnenschutz – das und mehr gibt’s nur mit einem starken ÖGB. Stark ist der ÖGB, wenn viele Mitglieder ihn stark machen – und das geht jetzt noch einfacher. Wer noch nicht Gewerkschaftsmitglied ist, kann das jetzt auch online werden – und von vielen Angeboten profitieren. Also: Weitersagen! Mehr auf www.oegb.at/anmelden 02Z031764M
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VERLAGSPOSTAMT 1230 WIEN
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DIE
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Solidarität
editorial
930 • Februar 2011
AKTUELL AK-Studie: Unternehmen, die auf Kosten der Beschäftigten Geld „sparen“
Arbeitsrecht-Sünder Transportgewerbe, Gastronomie und Arbeitskräfteüberlasser dominieren Ranking.
Großes Europa 27 Länder gehören der Europäischen Union an. In wenigen Monaten können ArbeitnehmerInnen aus acht Staaten, die 2004 beigetreten sind, in der gesamten EU leben und arbeiten – nun also auch in Österreich und Deutschland (Seite 7). Manche Politiker nutzen diesen weiteren Schritt des Zusammenwachsens in Europa, um Ängste zu schüren, und um gegen „die Ausländer“ zu hetzen. Wir werden angeblich überschwemmt und sollten daher die Grenzen noch länger dicht machen. Viele fallen in diesen Chor ein – und finden es andererseits ganz selbstverständlich, dass unsere Kinder in Spanien oder England studieren, oder dass wir eine Saison im Tourismus vielleicht in Italien arbeiten – wir sind ja keine Ausländer ... So dürfen wir in Europa nicht mehr denken, denn wir sind ein großer, gemeinsamer Markt. Was es braucht sind Regeln, wie der Markt funktioniert, und nicht Hetze gegen Menschen. Der ÖGB hat mit dem Gesetz gegen Lohnund Sozialdumping für gute Regeln gesorgt, die Fairness am neuen, größeren Arbeitsmarkt bringen werden – und Unternehmen strafen, die die Regeln zum Nachteil aller Beschäftigten brechen.
Impressum: Herausgeber: Österreichischer Gewerkschaftsbund, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1. Medieninhaber: Verlag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96-0, Fax 01/662 32 96-39793, E-Mail: Renate.Wimmer@ oegbverlag.at, www.oegbverlag.at. Herstellerin: Leykam Druck GmbH & Co KG, 7201 Neudörfl, Bickfordstr. 21. Verlagsort: Wien. Herstellungsort: Neudörfl. Chefredaktion: Nani Kauer. Kaufmännische Leitung: Christoph Höllriegl. AutorInnen: Florian Kräftner, Amela Muratović, Mag. Christian Resei, Hermann Wackerle, Richard Solder, Carmen Janko, Milena Borovska, Michaela Hubweber, Katja Dämmrich. Layout/Grafik/Bildredaktion: Stephanie Guberner, Isabelle Carhoun. Anzeigen: Mag. Thomas AichelburgRumerskirch, www.brandcom.at, soli@brandcom.at. Sekretariat: Sonja Adler, Johanna Kastner. Lektorat: Renate Nebehaj-Neuber. Redaktionsadresse: 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel.: 01/534 44-39262, Fax: 01/534 44-39916, E-Mail: soli@oegb.at WWW: http://www.oegb.at/soli Für unverlangt eingesendete Manuskripte und Fotos keine Gewähr. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit Zustimmung der Redaktion und mit Quellenangabe. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.“
fenen Beschäftigten. Schwarze Schafe sichern sich auf Kosten ihrer Angestellten einen unlauteren Wettbewerbsvorteil. Sie benachteiligen die ehrlichen Mitbewerber ihrer Branche und damit die dort Beschäftigten“, stellt Kalliauer klar.
Faire Regeln In vielen Fällen wirkt der öffentliche Druck: Unternehmen, die noch in den ersten beiden Ausgaben des Schwarzbuchs im Ranking der Arbeitsrechtsbrecher aufschienen, sind aus der dritten Auflage verschwunden: Sie bemühten sich inzwischen gemeinsam mit der AK um faire Spielregeln, denn auf Dauer ist schlechtes Image auch schlecht fürs Geschäft. Das „Schwarzbuch“ gibt es im Internet unter: www.arbeiterkammer.com
Über 500.000 Euro Platz 1 geht an einen alten Bekannten: Die Spedition Stadler aus Peuerbach. 85 Fälle aus diesem Unternehmen wurden in den letzten drei Jahren von der Arbeiterkammer bearbeitet, 17 davon außergerichtlich, 52 gerichtlich erledigt. Die AK erstritt insgesamt 539.981,45 Euro, die Stadler seinen Beschäftigten vorenthielt. Lohndumping durch Auslagerung zu Tochterfirmen in anderen europäischen Ländern, unberechtigte Entlassungen oder zu geringe Entlohnung stehen auf Stadlers Sündenregister.
Carmen Janko Die Arbeiterkammer nennt Firmen, die Arbeitsrecht wiederholt verletzen, beim Namen. Transportgewerbe und Gastronomie stehen an der Spitze.
Beim Namen nennen „Wir nennen Unternehmen, die sich mit solchen Praktiken Geld sparen wollen, bewusst beim Namen. Ihr Verhalten schadet nämlich nicht nur den betrof-
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NANI KAUER
„Die Sklaven von heute werden nicht mit Peitschen, sondern mit Terminkalendern angetrieben.“ Dieser Spruch, aufs schwarze Brett gehängt, genügte bei einer Kirchdorfer Firma für eine fristlose Entlassung. Meist geht es aber ums Geld: Wie ein roter Faden ziehen sich Versuche, ArbeitnehmerInnen um Teile ihres Einkommens zu bringen, durch das „Schwarzbuch Arbeitswelt“, das die Arbeiterkammer Oberösterreich Anfang Jänner 2011 bereits zum dritten Mal veröffentlichte. „Unter den Top 10 der Arbeitsrechtsverletzer finden sich jene Unbelehrbaren, die systematisch ArbeitnehmerInnen um ihre Rechte prellen“, berichtet AK-OberösterreichPräsident Johann Kalliauer.
nahaufnahme Der 54-jährige Michael Leitner ist mit 25 Jahren Einsatz im Spielberger Motorenwerk ATB einer der längstdienenden BR-Vorsitzenden innerhalb der Gewerkschaft PRO-GE. Rund 535 ArbeiterInnen sind nach der Insolvenz im Oktober über die Runden zu bringen. Solidarität: Wie ist die Stimmung in der Belegschaft? Leitner: Viele haben Angst um ihren Job, da die Insolvenz noch
nicht ganz bereinigt ist. Grund: Die Wirtschaftspolitik unseres Eigentümers und sein Umgang mit uns und den Medien. Solidarität: Was kann/konnte der BR erreichen? Leitner: Viel Information an die Belegschaft, enge Zusammen-
arbeit mit Gewerkschaft und Politik, aufgrund unserer Arbeit in den vorigen Jahren, gibt’s großes Vertrauen zum Betriebsrat.
ZVR-Nr.: 576439352 DVR-Nr. 0046655
Solidarität: Zukunftsszenario? Leitner: Mit einem neuen Investor, der bereit ist in Forschung
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und Entwicklung zu investieren, die vorhandenen Arbeitsplätze abzusichern und auszubauen.
Offenlegung gemäß Mediengesetz, § 25: Verlag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1. Unternehmensgegenstand: Herstellung und Verbreitung literarischer Werke aller Art, Datenverarbeitung für Dritte, Handelsgewerbe und Handelsagenden, Werbung und Marktkommunikation. Geschäftsführung: Mag. Gerhard Bröthaler, MBA, DI (FH) Roman Grandits. Einziger Gesellschafter: Österreichischer Gewerkschaftsbund, Österreichische Gewerkschaftliche Solidarität Privatstiftung. Sitz: Wien. Betriebsgegenstand: Herstellung und Verbreitung sowie der Verlag literarischer Werke aller Art, insbesondere von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften, Kunstblättern, Lehrmitteln und Buchkalendern; die Erbringung von Dienstleistungen in der Informationstechnik, der Handel mit dem Adressänderungen: Betriebsgegenstand dienenden Waren sowie das Ausüben der Tätigkeiten einer Werbeagentur. Die Blattlinie entspricht jenen GrundMontag–Donnerstag 8–16.30 Uhr, sätzen, die in den Statuten und Freitag 8–13 Uhr. der Geschäftsordnung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes Oder unter www.oegb.at (Fassung gemäß Beschluss durch den 17. Bundeskongress des ÖGB) festgehalten sind.
Tel. 01/534 44-39100
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Solidarität
FAIR TEILEN
Interview: ÖGB-Schwerpunkt Verteilungsgerechtigkeit
Sozialpartner:
Noch fairer teilen
Image gut Das Vertrauen der ÖsterreicherInnen in die Sozialpartner ist weiter groß. Das ergab der aktuelle APA/OGMVertrauensindex. Nummer 1 bei den Sozialpartnern ist WKÖ-Präsident Christoph Leitl, gefolgt von AK-Präsident Herbert Tumpel und ÖGB-Präsident Erich Foglar. Der Vertrauensindex basiert auf einer OGM-Umfrage unter 500 ÖsterreicherInnen, die einschätzen, ob sie einem Politiker vertrauen oder eben nicht. Aufsteiger des Jahres ist der Chef der Industriellenvereinigung, Veit Sorger, der im Vergleich zum Vorjahr um neun Punkte zulegen konnte.
ÖGB-Präsident Erich Foglar zu Steuergerechtigkeit, „kleinen Leuten“ und dem Mittelstand.
Solidarität: Wie soll die Finanztransaktionssteuer erreicht werden? Erich Foglar: Da müssen wir uns einen langen Atem bewahren und nicht vorschnell aufgeben. Alle europäischen Staaten werden Geld brauchen, und die Finanzindustrie ist genau der Bereich, von dem die Krise ausgegangen ist. Sich aus diesem Sektor etwas zurückzuholen ist daher nur fair. Solidarität: Zurück nach Österreich: Was kann noch zu mehr Gerechtigkeit im Steuersystem beitragen? Erich Foglar: Wir brauchen auch eine breitere Basis bei der Finanzierung der sozialen Sicherheit. Bisher geht es um Lohn- und Gehaltssummen,
also je mehr Beschäftigte eine Firma hat, desto mehr trägt sie bei. Betriebe mit wenig Beschäftigten und mit großen Gewinnen tragen weniger bei, das finden wir ungerecht, deshalb wollen wir eine Wertschöpfungsabgabe. Die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe würde aus unserer Sicht mehr Gerechtigkeit schaffen: Es würden jene Unternehmen, die mit wenigen Beschäftigten große Gewinne machen, mehr beitragen, und beschäftigungsintensive Branchen könnten dafür entlastet werden. Solidarität: Dann kommt der Vorwurf, die Abgabenquote ist in Österreich ohnehin schon sehr hoch. Erich Foglar: All jene, die meinen, neue Steuern würden die Abgabenquote weiter erhöhen, betrachten nur die eine Seite der Medaille. Wir wollen ja nicht bloß neue zusätzliche Einnahmen, sondern eine Umschichtung: weg von der Belastung des Faktors Arbeit, dafür mehr Beiträge von jenen, die bisher zu wenig zur Finanzierung der sozialen Sicherheit leisten. Die Höhe der Abgabenquote allein sagt noch wenig über Gerechtigkeit im System, man muss sich schon näher anschauen, wer wie viel zu dieser Quote beiträgt. Da sehen wir derzeit wie gesagt eine große Schieflage.
Erich Foglar: Bei der höheren Besteuerung von Vermögen geht es uns natürlich nicht um den viel zitierten Mittelstand oder die „kleinen Leute“. Es geht um sehr große Vermögen, da ist noch viel mehr möglich. Im EU-Schnitt liegt Österreich mit seiner geringen Vermögensbesteuerung ganz weit hinten. Freibeträge können garantieren, dass Vermögenssteuern nicht die ArbeitnehmerInnen, die sich hart etwas erarbeitet haben treffen. Es muss daher Ausnahmen geben, zum Beispiel für geförderte Eigentumswohnungen, Einfamilienhäuser und dergleichen.
Häusern oder mit ihrem Ersparten zur Kasse gebeten werden. Wenn wir bedenken, dass zehn Prozent aller Haushalte zwei Drittel aller Immobilien-, Geld- und sonstiger Vermögen besitzen, dann sind das genau die, die wir meinen, und die sich bisher erfolgreich ihrer Verantwortung für das Gemeinwohl entzogen haben. Wir meinen nicht die 90 Prozent, die sich ein Drittel der Vermögen und des Eigentums teilen, die sind sicher nicht der Mittelstand.
Banken:
Gut verdient!
Solidarität: Was ist eigentlich „Mittelstand“? Erich Foglar: Für den Mittelstand gibt es zig Definitionen, je nachdem wie es in der politischen Diskussion gerade gelegen kommt. Fakt muss jedenfalls sein, dass nicht die ArbeitnehmerInnen mit ihren geförderten Eigentumswohnungen oder
Solidarität: Bei Vermögenssteuern wird kritisiert, der Mittelstand und die Besitzer von Eigentumswohnungen würden belastet, was ist darauf die Antwort des ÖGB?
© ÖGB/Walter Schreiner
Solidarität: Der ÖGB hat beim Budget neue Einnahmen begrüßt, verlangt aber weiterhin FAIR TEILEN. Was fehlt im Budget? Erich Foglar: Einige unserer Forderungen wurden erfüllt, und das bringt neue Einnahmen, aus der Bankensteuer, der Stiftungsbesteuerung und anderem. Das sind aber noch nicht die Systemänderungen, die wir dringend brauchen. Arbeitseinkommen müssen entlastet werden, denn die Finanzierung der sozialen Sicherheit kommt zu zwei Dritteln von ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen, die großen Vermögen tragen viel zu wenig bei. Daher brauchen wir eine Steuer auf große Vermögen, reformierte Erbschafts- und Schenkungssteuer und auf internationaler, zumindest aber europäischer Ebene eine Finanztransaktionssteuer.
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Österreichs Banken haben 2010 ihre Gewinne gesteigert: Die österreichsche Notenbank (OeNB) beziffert den Jahresüberschuss der Kreditinstitute heuer mit 3,06 Milliarden Euro. Im Vorjahr waren es 0,04 Milliarden Euro. Grund: geringere Kreditrückstellungen und ein besseres operatives Ergebnis. Attac Österreich kommentiert die Jahresgewinnsumme mit der Forderung, die Banken sollen so lange die Hälfte ihrer Gewinne abliefern, bis die Rettungskosten beglichen sind. „Unverständlich, dass die Regierung bei allen Schwachen spart und kürzt, und die Banken gleichzeitig mit 35 Milliarden Euro stützt und diese ihre Gewinne behalten dürfen“, kritisiert Christian Felber von Attac Österreich.
Unternehmensmonitor:
Schieflage Schwerpunkt: Bildung
Schwerpunkt: Arbeitsmarktöffnung
„Unser Bildungssystem muss grundlegend reformiert werden“, sagte ÖGB-Vizepräsidentin Sabine Oberhauser: „Wir müssen Defizite ausgleichen, Begabungen fördern statt Fehler abstrafen sowie die Bildungs- und Berufsberatung ausbauen.“ Ein weiterer Grundsatz ist „Investieren statt sparen“. Hier gehe es u. a. um Ganztagsschulen und Tagesbetreuung statt teurer Nachhilfe. Oberhauser: „Eine Bildungsreform braucht aber auch bessere Arbeitsbedingungen für die LehrerInnen.“ Der ÖGB fordert ein Gesamtkonzept für die Bildung statt Fleckerlteppich-Reformen. Auch die Weiterbildung Erwachsener muss eingebunden werden. Der ÖGB fordert, dass Bildungsabschlüsse bis zur Matura auch für Erwachsene kostenlos angeboten werden. Die Sozialpartner haben schon 2007 ein ganzheitliches Bildungskonzept erarbeitet, es umfasst Kindergärten, Schule, Berufsausbildung, Universitäten, Fachhochschulen und Erwachsenenbildung. 2011 werden ÖGB und Gewerkschaften bei diesem wichtigen Zukunftsthema Tempo machen. Mehr dazu in der nächsten Ausgabe der Solidarität
Ab Mai können ArbeitnehmerInnen aus acht EU-Staaten uneingeschränkt in Österreich arbeiten. Der ÖGB will Ängste und Vorurteile aufgreifen und BetriebsrätInnen und Mitglieder zum Thema Arbeitsmarkt/Integration informieren. Das Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping, das der ÖGB zur Vorbereitung der Arbeitsmarktöffnung erreicht hat, wird „Wild-West-Zustände“ verhindern, denn dann wird Entlohnung unter dem Kollektivvertrag für die jeweilige Branche zum Straftatbestand. Auch jetzt arbeiten schon Menschen aus den betroffenen Ländern legal in Österreich, z. B. 23.000 UngarInnen. Dass wir ab Mai von arbeitslosen Massen aus dem Osten bedroht sind, ist nichts als Panikmache. Der ÖGB hat sich, gemeinsam mit den Gewerkschaften aus den Nachbarstaaten, schon auf die Arbeitsmarktöffnung vorbereitet. Zahlreiche Projekte in den Grenzregionen wurden ins Leben gerufen. Die ArbeitnehmerInnen in den Grenzregionen wurden umfassend über die Grundzüge des österreichischen Arbeits- und Sozialrechts informiert. Mehr dazu auf Seite 7
Die Arbeiterkammer erstellte erstmals einen Unternehmensmonitor anhand der veröffentlichten Jahresabschlüsse. Unternehmen können für 2009 auf sehr gute Bilanzdaten bauen und satte Eigenkapitalrenditen feiern. Im gleichen Jahr waren viele Beschäftigte mit Kurzarbeit, Kündigungen und Einkommenseinbußen konfrontiert. Die Schieflage in der Verteilung zwischen Unternehmern und ArbeitnehmerInnen hat sich durch die Krise deutlich verfestigt. Obendrein zahlten die Unternehmen mit Gewinnen geringe Steuern, laut AK nämlich nur 17,5 Prozent an effektiven Zinsen.
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Solidarität
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ARBEITSWELT Weiterbildung: ÖGB will berufliche Weiterbildung bei Frauen forcieren
Bildung Männersache? Besonders Frauen brauchen bessere Rahmenbedingungen für Weiterbildung.
Europafragen
Familiäre Verpflichtungen Die Gründe sind vielfältig. Weiterbildungswilligen erwerbstätigen Frauen standen, laut Studien, viel öfter familiäre Verpflichtungen im Wege als erwerbstätigen Männern. Frauen wurden auch von ArbeitgeberInnenseite weniger unterstützt als ihre männlichen Kollegen. Brigitte Ruprecht, Bundesfrauenvorsitzende des ÖGB, kennt diese Probleme: „Frauen leiden oft an Zeitmangel aufgrund der Betreuungspflicht. Außerdem sind Teilzeitbeschäftigte oft von den innerbetrieblichen Weiterbildungsmöglichkeiten ausgeschlossen. Dabei ist Teilzeitarbeit typisch für Frauen.“ 42,9 Prozent der Frauen waren im Jahresdurchschnitt 2009 teilzeitbeschäftigt. Das ist auch mit ein Grund, warum Frauen im Schnitt weniger verdienen und sich umso
Frauen dürfen bei der Kinderbetreuung nicht auf sich allein gestellt bleiben.
»Wir brauchen ausreichend Betreuungsplätze, damit auch Frauen der Weg zur Bildung erleichtert wird.« Brigitte Ruprecht schwerer private Weiterbildung leisten können.
Bildung schützt vor Armut
ÖGB-Frauenvorsitzende Brigitte Ruprecht
„Damit der Kreislauf ein Ende findet, müssen endlich ausreichend Kinderbetreuungsplätze geschaffen werden. Denn Bildung schützt vor Armut und gewährt gerade Frauen die Selbstständigkeit“, so Ruprecht. Da-
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ÖGB-Präsident Erich Foglar debattierte im Rahmen einer Initiative der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) am 25. Jänner mit etwa 60 SchülerInnen über Europa, die europäische Integration und den möglichen EU-Beitritt der Türkei. Aber auch über die Arbeit des ÖGB auf europäischer Ebene berichtete Foglar seinen „NachfolgerInnen“, denn auch er absolvierte die Hauptschule, mittlerweile Kooperative Mittelschule, in der Spallartgasse. Faire Arbeitsbedingungen, Arbeitslosen- oder auch Krankenversicherung sind Beispiele dafür, wie wichtig es ist, die Interessen der ArbeitnehmerInnen in der EU geltend zu machen, und dabei europaweit gewisse Mindeststandards zu schaffen. Das war der Auftakt einer Diskussionsreihe, bei der die Präsidenten der Sozialpartner ihre ehemaligen Schulen besuchen. www.oegfe.at
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SchülerInnen diskutieren:
Mehr als zwei Drittel (68 Prozent) der erwerbstätigen Frauen waren überzeugt, dass Lernen Spaß macht. Männer empfanden immerhin zu 52 Prozent Freude an der Weiterbildung. Laut einer aktuellen Statistik-Austria-Studie sind Frauen hoch motiviert und überdurchschnittlich stark an Weiterbildung interessiert. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede schmelzen bei der tatsächlichen Inanspruchnahme aber weitgehend dahin: 2009 nahmen 14,7 Prozent der Frauen und 12,2 Prozent der Männer an Weiterbildungsmaßnahmen teil.
In Österreich hat Arbeit, die überwiegend von Frauen geleistet wird, noch immer nicht denselben Stellenwert, wie jene von Männern. Fair wäre daher, Arbeitsplätze endlich fair zu bewerten, und so gleichen Lohn bzw. gleiches Gehalt für gleichwertige Arbeit gezahlt zu bekommen.
mit die hohe Motivation auf günstige und gute Angebote trifft, bietet der ÖGB unter anderem das Bildungsprogramm für lebenslanges Lernen an. Weitere Möglichkeiten sind das Berufsförderungsinstitut, das speziell auf Frauen ausgerichtete Kurse anbietet, oder der Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds (waff ), der einen Schwerpunkt auf Förderungen für geringer qualifizierte Frauen und WiedereinsteigerInnen setzt. Milena Borovska
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Solidarität
REPORTAGE
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Johann Böhm:
125 Jahre
© ÖGB/Walter Schreiner
Mona Lenz freut sich über Zuschläge zur Weihnachtszeit.
Arbeitszeit: Zeitausgleich statt Mehrarbeitszuschlag
Teilzeit mit Gleitzeit
Johann Böhm, 1886 geboren, gehörte 1945 zu den Gründern des ÖGB, dessen Präsident er bis 1959 war. Böhm und seine Weggefährten haben nicht nur den ÖGB geprägt, sie haben auch die Mitbestimmung der ArbeitnehmerInnen als wesentlichen Teil der Gesellschaft, der Wirtschaft und der sozialen Sicherheit in dieser Republik verankert. Böhm habe sich schon vor dem Ausbruch des 2. Weltkriegs zum Wohle der ArbeitnehmerInnen einge-
Schon jeder vierte Mensch in Österreich muss in Teilzeit arbeiten. Es gibt auch Zuschläge für Mehrarbeit, doch einige Firmen versuchen, diese Zuschläge zu vermeiden. Betriebsrätin, die von Erfolgen berichten kann: „Bei uns hat sich einiges verändert, denn nach harten Kämpfen wurden Teilzeitverträge mit Unterstützung der Gewerkschaft PROGE zu Vollzeitarbeitsverträgen umgewandelt.“
Lokalaugenschein
Annemarie Weichselbaumer baut ihre Mehrarbeit als Zeitausgleich ab.
Arbeiten und arm bleiben. Das gilt für 880.000 Teilzeitkräfte, rund 84 Prozent sind Frauen. Wurde bis 1. Jänner 2008 oft unentgeltlich weit über den Teilzeitvertrag hinaus gearbeitet, müssen Arbeitgeber heute einen Mehrarbeitszuschlag von 25 Prozent zahlen (ab 1,5 Stunden Mehrarbeit pro Monat). Dem untersten Viertel – die am schlechtesten bezahlten TeilzeitarbeitnehmerInnen – blieben nur 5.956 Euro jährlich und weniger (Statistik Austria).
Die Praxis sieht anders aus Nach der Einführung des Mehrarbeitszuschlags stieg dieser Wert auf 6.674,05 Euro. Theoretisch. Denn die Umset-
zung in der Praxis hinkt. Franz Georg Brantner, Bundesvorsitzender des Wirtschaftsbereiches Handel in der GPA-djp und Chefverhandler: „Im Handel kommt im Regelfall der Mehrarbeitszuschlag nicht zur Anwendung, weil die Arbeitgeber alle Möglichkeiten zum Zeitabbau im Rahmen der Regelung ausnützen.“ Dabei muss das Zeitguthaben 1:1 als Zeitausgleich innerhalb von drei Monaten abgebaut werden, oder die Arbeitszeitvereinbarungen wurden der tatsächlichen Arbeitsdauer angeglichen (die vereinbarte Arbeitszeit innerhalb der Gleitzeitperiode wird nicht überschritten). Unfair: „Schon bei der ersten KV-Verhandlung nach der gesetzlichen Regelung, wollte die Arbeitgeberseite einen noch längeren Durchrechnungszeit-
gewinnspiel
raum als die drei Monate vereinbaren.“
Teilzeit-Schmäh Günter Köstelbauer, Arbeitsrechtsexperte der Wiener Arbeiterkammer und Teamleiter der Rechtsberatung: „Besonders im Gastgewerbe sind ArbeitnehmerInnen oft nur für einige Stunden angemeldet, arbeiten aber in Wirklichkeit Vollzeit.“ Expertentipp: Arbeitszeiten immer selbst aufzeichnen. Köstelbauer rät zur Vorsicht: „Es gibt Firmen, die ‚All-in‘-Verträge für Teilzeitarbeitskräfte anbieten.“ Heißt: Länger arbeiten wird nicht bezahlt. Der Experte warnt auch vor Betrieben, die Arbeitszeiten in Verträgen laufend ändern. Zu viele ArbeitnehmerInnen lassen sich das gefallen. Lieber anonym bleibt eine steirische
„Auch bei uns wird die Mehrarbeit in der Regel als Zeitausgleich abgebaut“, berichtet Peter Grund, Betriebsratsvorsitzender bei Interspar in Vösendorf. Kassiererin Annemarie Weichselbaumer ist seit 13 Jahren bei Interspar und arbeitet 30 Stunden die Woche. Ebenso Mona Lenz. Sie ist vor allem mit dem Lohnzettel vom Dezember zufrieden: „Es ist angenehm ein bisschen mehr Geld zu haben.“ Dabei machen verschiedene Zuschläge das Plus im Börserl aus, erklärt der Betriebsrat: „Denn neben dem Mehrabeitszuschlag gibt es Zuschläge, wenn Montag bis Freitag nach 18.30 Uhr und an Samstagen nach 13 Uhr gearbeitet wird. Auch für den 8. Dezember gilt eine eigene Vereinbarung.“ Mehrarbeitsstunden, die noch aus dem September übrig geblieben sind, kann Lenz im arbeitsreichen Weihnachtsgeschäft nicht durch Zeitausgleich abbauen – ihr Mehrarbeitszuschlag fällt aber kaum ins Gewicht. Christian Resei
Beantworten Sie nachfolgende Frage und gewinnen Sie!
Die berühmtesten Pferde der Welt
„Für wie viele EU-Staaten gilt ab Mai die Arbeitsmarktöffnung?“
Im Bundesgestüt Piber (Stmk.) verbringen die Lipizzaner ihre ersten Lebensjahre. Die besten Hengste kommen dann für mehrere Jahre zur Ausbildung auf den Heldenberg (NÖ), um später ihr Können in der Spanischen Hofreitschule in Wien zu zeigen. Die Lipizzaner können ab sofort auch am Heldenberg besichtigt werden. Von Juli bis Mitte August sind alle Hengste aus Wien in ihrem Sommerquartier am Heldenberg. Neu am Heldenberg: Kindererlebnisweg. Nähere Informationen: Der Heldenberg, 3704 Kleinwetzdorf, Wimpffen-Gasse 5, Telefon 02956/812 40, E-Mail: office@derheldenberg.at, www.derheldenberg.at www.srs.at (Spanische Hofreitschule)
Hauptpreis: Eine Familienkarte für eine Vorführung der Spanischen Hofreitschule in Wien mit Privatführung durch die Stallungen in der Stallburg sowie Privatempfang in den Repräsentationsräumen der Spanischen Hofreitschule Weitere Preise: 20 Eintrittskarten für die Führung durch die Stallungen am Heldenberg in Niederösterreich Einsendungen mit der richtigen Antwort, dem Kennwort „Gewinnspiel“, Namen, Adresse und Telefonnummer bis 21. März an: ÖGB, Redaktion Solidarität, Johann-Böhm-Platz 1, 1020 Wien, oder einfach per E-Mail an: soli@oegb.at
setzt. „Bereits 1945, in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs, haben Böhm und andere GewerkschafterInnen schon mit Hochdruck am Wiederaufbau der Gewerkschaftsbewegung gearbeitet“, sagte ÖGB-Präsident Foglar anlässlich des 125. Geburtstags des ersten ÖGB-Präsidenten bei der Gedenkveranstaltung im Jänner im Parlament und betonte, dass Böhm die Gewerkschaft auch gegen den Widerstand der Besatzungsmächte auf neue Beine gestellt hat: „Damit war der Grundstein gelegt für den überparteilichen ÖGB – ein Modell, an dem der ÖGB bis heute festgehalten hat.“
Bildungszugang:
Platz 24 Soziale Gerechtigkeit ist in Österreich hoch, aber große Mängel sind beim Zugang zu Bildung vorhanden. Das geht aus der neuen Studie der Bertelsmann-Stiftung hervor. Österreich punktet vor allem in Sachen Armutsvermeidung und Einbeziehung in den Arbeitsmarkt. Beim Thema Bildungszugang rutscht Österreich jedoch weit nach hinten. Von 31 Ländern liegt Österreich beim erstgenannten Thema auf Platz 9, in Sachen Bildungszugang aber nur auf Platz 24. Die Studienautoren des „Sustainable Governance Indicators 2011“ haben zur Erstellung ihrer Rankings OECD-Daten ausgewertet und mit Einschätzungen von 70 internationalen Experten verknüpft.
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Solidarität
ARBEITSWELT
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AK-Studie: Gesundheit am Arbeitsplatz
Arbeiten im Alter Schlechte Arbeitsbedingungen und hoher Druck zwingen immer mehr Arbeitnehmer und Arbeitnehmeri nnen in die Frühpension. IFES hervor. Insgesamt 46 Prozent der unselbstständig Beschäftigten halten es für unwahrscheinlich, bis zum Alter von 60 beziehungsweise 65 Jahren in ihrem Beruf tätig sein zu können.
Schlechtes Klima Die Gründe dafür sind jedoch nicht in einer mangeln-
den Selbstmotivation der ArbeitnehmerInnen zu suchen, sondern vielmehr in ungenügenden Arbeitsbedingungen und schlechtem Arbeitsklima: Wer etwa unter dem Verhalten seiner Vorgesetzten oder unter starkem Zeitdruck leidet, rechnet häufiger damit, in Frühpension gehen zu müssen, so das Ergebnis der Studie.
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Unter den österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern glaubt inzwischen nur jeder Zweite daran, bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter arbeiten zu können. Das geht aus dem aktuellen „Arbeitsgesundheitsmonitor“ der Arbeiterkammer Oberösterreich (AK) und des Meinungsforschungsinstitutes
Ältere Beschäftigte muss man nicht in Frühpension schicken – und auch junge Menschen wollen Arbeitsbedingungen, die nicht krank machen.
Nicht nur ältere ArbeitnehmerInnen fühlen sich dem Druck oft nicht gewachsen: Während bei den über 50-jährigen ArbeitnehmerInnen genau die Hälfte meint, ihren Beruf nicht bis zum regulären Pensionsantritt ausüben zu können, sind es bei den jüngeren Beschäftigten mit 44 Prozent nur unwesentlich weniger.
Druck macht krank Die Zahlen der AK zeigen auch deutlich den Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen und körperlicher und psychischer Verfassung: Wer sich durch Vorgesetzte, Kollegen und Kolleginnen, hohen Zeitdruck oder unregelmäßige Arbeitszeiten belastet fühlt, leidet auch wesentlich häufiger an Beschwerden wie Rückenschmerzen und Verspannungen, Erschöpfungszuständen, Schlafstörungen, Kopfschmerzen oder Migräne.
Gesundheit fördern Viele Unternehmen schieben die Verantwortung einfach ab und raten ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen schlicht zu gesünderer Ernährung, mehr Bewegung oder mehr (Selbst-)Motivation, um länger im Erwerbsleben bleiben zu können. Dabei könnten die ArbeitgeberInnen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, damit ihre MitarbeiterInnen bis zur Pensionierung fit, zufrieden und gesund bleiben. ÖGB und AK fordern daher bessere Arbeitsbedingungen, umfassende Gesundheitsförderung und Prävention sowie Maßnahmen für alternsgerechtes Arbeiten – damit Arbeit nicht krank macht. Mehr Informationen zum Thema Gesundheit und Arbeit gibt‘s online: www.gesunde arbeit.at Michaela Hubweber
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Solidarität
ARBEITSWELT EUROPA
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Schon jetzt sind viele UngarInnen (im Bild Budapest) in Österreich beschäftigt. Ob sich ihre Zahl durch die Arbeitsmarktöffnung erhöht, wird der Mai zeigen.
Arbeitsmarkt: Offene Grenzen
Europa wächst zusammen Ab 1. Mai 2011 dürfen ArbeitnehmerInnen aus acht EU-Staaten in der gesamten EU arbeiten. Slowenien, Ungarn, Tschechien und die Slowakei grenzen an Österreich und sind uns daher nicht ganz unbekannt. Anders ist das mit Estland, Lettland, Litauen und Polen. Was aber sollten wir über die acht Staaten wissen, denen in Zukunft unser Arbeitsmarkt offensteht? Und werden wirklich Tausende Esten, Litauer, Letten oder Polen am 1. Mai mit gepackten Koffern an Österreichs Grenzen stehen?
Wie dem auch sei: Aus Rumänien und Bulgarien dürfen ohnehin bis auf weiteres Personen nicht so einfach in Österreich arbeiten, für sie gelten die Übergangsbestimmungen weiterhin.
Gut vorbereitet Der ÖGB hat sich, gemeinsam mit den Gewerkschaften aus den Nachbarstaaten, schon vor Jah-
slowakischen und tschechischen ArbeitnehmerInnen wurden bereits im Vorfeld der Arbeitsmarktöffnung umfassend über die Grundzüge des österreichischen Arbeits- und Sozialrechts informiert. Im Rahmen der Projekte fanden unter anderem Konferenzen, Seminare, Informationsveranstaltungen und Betriebsbesuche
statt. Damit auch slowakische und tschechische StaatsbürgerInnen über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt sind, wird seit dem Jahr 2007 auch eine kostenlose Rechtsberatung in der Muttersprache angeboten. www.zuwins.at www.zuwinbat.at
in Postämtern, Bibliotheken oder Dorfläden ins Netz.
6. Juni 2010 wurde in einem Volksentscheid beschlossen, diese Streitigkeiten mit Hilfe einer internationalen Kommission unter Führung der EU beizulegen.
Dvorský sind zwei große, über die Slowakei hinaus bekannte Opernstimmen.
Florian Kräftner, Amela Muratović
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Wer wandert wohin? Ab Mai dürfen BürgerInnen aus acht zusätzlichen EU-Staaten ungehindert in Österreich arbeiten. Was nicht heißt, dass nicht jetzt schon Menschen aus unseren Nachbarländern – legal – bei uns ihrer Beschäftigung nachgehen. 2009 waren etwa 23.000 UngarInnen hier erwerbstätig. In Ungarn sagen 65 Prozent der dort verbliebenen Menschen, dass sie nicht beabsichtigen, im Ausland zu arbeiten. Ähnlich verhält sich das in allen Ländern, für die ab Mai die freie Arbeitsortwahl gilt: Von den Menschen aus Tschechien können sich gerade einmal elf Prozent theoretisch vorstellen, irgendwann einmal in einem anderen Land zu arbeiten. Auch in Rumänien und Bulgarien ist der Auswanderwille nicht ausgeprägter als anderswo – obwohl das Lohnniveau viel weiter unter dem EU-Durchschnitt liegt als etwa in unseren Nachbarländern.
ren auf die Arbeitsmarktöffnung vorbereitet. Zahlreiche Projekte in den Grenzregionen wurden ins Leben gerufen: Unter anderem die Projekte ZUWINS (Zukunftsraum – Wien – Niederösterreich – Südmähren) und ZUWINBAT (Zukunftsraum Wien – Niederösterreich – Bratislava – Trnava) in Niederösterreich und im Burgenland. Die
Polen Die Gründung der Gewerkschaft Solidarność unter Lech Wałęsa löste in Polen den gesellschaftlich-politischen Umschwung aus und führte zu den Ereignissen von 1980 bis 1989, die zuerst zur Verhängung des Kriegsrechts und schließlich zu den ersten freien Wahlen im Ostblock am 4. und 18. Juni 1989 führten.
Estland In Estland kam es in nur wenigen Jahren zu einer elektronischen Revolution: 93 Prozent der Bevölkerung haben Mobiltelefone (2004). Im ganzen Land gibt es W-LanZugangspunkte zum Internet, wer keinen eigenen Computer hat, darf gratis an einem von 700 öffentlichen Terminals
Litauen In der litauischen Mythologie spielt der Teufel eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zu mitteleuropäischen Vorstellungen gilt er nicht als die Verkörperung des Bösen, sondern mehr als eine Art Schlawiner, der den Menschen auch hilft. In der Öffentlichkeit gibt es daher auch relativ viele TeufelsStatuen und -Abbildungen. In der Stadt Kaunas gibt es ein Teufelsmuseum.
Slowenien Im äußersten Südwesten des Landes liegt die nur 46,6 km lange Adria-Küste. Noch immer ist der genaue Grenzverlauf zwischen Slowenien und Kroatien nicht geklärt. Am
Ungarn Ein beliebtes Gericht der Ungarn ist pörkölt (nicht zu verwechseln mit dem gulyás). Pörkölt wird häufig fälschlicherweise als Gulasch bezeichnet. Das in Ungarn gekochte gulyás ist aber eine Suppe. Die deutsche Bezeichnung „Gulaschsuppe“ ist also korrekt (ungarisch gulyásleves).
Slowakei Die Eltern des US-Pop-Art Künstlers Andy Warhol wurden in der Slowakei geboren. Edita Gruberová und Peter
Lettland Die lettische Flagge stellt das weiße, blutgetränkte Leinentuch dar, in das ein lettgallischer Stammesfürst zur letzten Ruhe gebettet worden war. Die roten Streifen symbolisieren seine im Todeskampf ausgestreckten Arme, der weiße Strich in der Mitte die Stelle, auf der der Stammesfürst lag.
Tschechien Die tschechischen Beckenlandschaften sind äußert fruchtbar. In Böhmen – eines der traditionellen Bierbrauerländer, vor allem im Saazer Becken, wird Hopfen, in Mähren Wein angebaut.
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Solidarität
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RECHT
Arbeitsunfall: GBH Kärnten leistet sozialrechtliche Hilfestellung
Unfall mit Folgen Ein Lastkraftwagen fährt über die Beine des Bauarbeiters. Langer Aufenthalt im Rehazentrum soll wieder ins Arbeitsleben verhelfen.
Kämpferisch Der Mann ist zäh, telefoniert noch mit seiner Frau, wird ins Krankenhaus geflogen, bleibt dort zwei lange Monate und weitere fünf im Rehabilitationszentrum Tobelbad. Unterberger gilt dort als Musterpatient und absolviert ein zusätzliches Führerscheintraining, um gegebenenfalls wieder Auto fahren zu können. Am 25. Jänner 2011 wird er entlassen, bleibt noch bis Ende Februar im Krankenstand und ist danach beim Arbeits-
19. März 2011: Mach mit! Aufruf zur Demonstration für Frauenrechte am 19. März in Wien. Gründe zum Hingehen gibt’s genug.
© GBH
Ein schwarzer Tag im Leben des 55-jährigen Straßenbaupoliers Johann Unterberger: Im Juni 2010 überhört er bei Asphaltierungsarbeiten im Osttiroler Silian einen rückwärts fahrenden Lastkraftwagen (Lkw) und wird zu Boden gestoßen. Unterberger kann gerade noch seinen Oberkörper retten, während der 40 Tonnen schwere Lkw über seine Beine fährt. Die Verletzungen sind gravierend: Brüche und Quetschungen von Sprunggelenk bis Knie mit einhergehender Nervenlähmung.
Johann Unterberger mit Alois Peer am Tag der Entlassung aus der Reha.
marktservice (AMS) gemeldet. Alois Peer, Rechtsschutzsekretär der Gewerkschaft BauHolz (GBH), war während der ganzen Zeit in Kontakt mit dem langjährigen Betriebsratsmitglied Unterberger.
GBH unterstützt Es wartet noch viel Arbeit: Die Staatsanwaltschaft hat zur Klärung des Falles einen Zivilprozess eingeleitet. Im Weiteren gilt es, die Beeinträchtigung prozentuell einzustufen und die Spätfolgen zu bewerten. Das kann etwa ein Jahr dauern. Aktuell interveniert die Gewerkschaft
GBH Kärnten in Privatrechtsschutzverhandlungen, sie wird die Solidaritätsversicherung des ÖGB zur Unterstützung während des Krankenhausaufenthalts heranziehen, und – sollte ein Wiedereintritt ins Arbeitsleben nicht möglich sein – auch die Verhandlungen mit der Pensionsversicherung begleiten. So weit soll es nicht kommen: Unterberger will zu Saisonbeginn (etwa ab Ostern) zurück ins Arbeitsleben und kann auch mit Rückendeckung des Arbeitgebers Swietelsky rechnen. Hermann Wackerle
Vor 100 Jahren, am 19. März 1911, gingen 20.000 Frauen in Wien für ihre Rechte auf die Straße. Sie forderten unter anderem ein allgemeines Frauenwahlrecht, gleichen Lohn für gleiche Arbeit und Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs. Viele der eingeforderten Rechte sind umgesetzt, manche werden wieder in Frage gestellt, andere noch gar nicht eingelöst und neue Forderungen sind dazugekommen. 100 Jahre nach der ersten großen Demonstration für Frauenrechte wird daher die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern erneut lautstark eingefordert. Es sind auch Ihre Rechte! Ein breites Bündnis aus verschiedenen Frauenorganisationen und -initiativen ruft dazu am 19. März 2011 zu einer Demonstration am Wiener Ring auf. Auch die ÖGB-Frauen beteiligen sich. Denn: Frauen sind besser ausgebildet und erwerbstätiger als je zuvor, verdienen aber noch immer um ein Viertel weniger als Männer und machen nach wie vor zwei Drittel der unbezahlten Arbeit wie Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen. Damit Chancengleichheit Realität wird, müssen alle an einem Strang ziehen. Alle Informationen dazu gibt es unter: www.20000frauen.at
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Solidarität
SERVICE
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Information: Förderungen, Beihilfen und Stipendien
Initiative lohnt sich Gerade in Krisenzeiten kann Unterstützung weiterhelfen. Auch der ÖGB bietet Stipendien.
Leichter lachen Seit vier Jahren arbeitet Summ beim Alten- und Pflegedienst der Stadt Wien als Heimhilfe: „Ich genieße es“, sagt die gebürtige Nigerianerin, die ältere Menschen pflegt, sie zum Arzt begleitet und ihren Haushalt schupft. Wenn die 43-Jährige davon erzählt, wie sie mit Klienten und Klientinnen redet und lacht, leuchten ihre Augen: „In der Freizeit vermisse ich das“, sagt sie. So zufrieden war Summ nicht immer. Vor ihrem jetzigen Job arbeitete sie als Reinigungskraft. Über Freunde erfuhr sie vom Wiener ArbeiternehmerInnen Förderungsfonds (waff ) und nahm am Programm FRECH („Frauen ergreifen Chancen“) teil, das Frauen bei beruflichen
ÖGB im Web
Veränderungen unterstützt. Dadurch konnte sie eine Ausbildung zur Heimhilfe machen, die sie sich allein nicht hätte finanzieren können.
Stipendium mit Mehrwert Bei Florian Burger war es der Dissertationsbetreuer, der den entscheidenden Tipp gab: Das Johann-Böhm-Stipendium des ÖGB honoriert Forschungsarbeiten, die sich thematisch der ArbeitnehmerInnen-Vertretung widmen. „Ich habe mich sofort daran gemacht, die erforderlichen Unterlagen zusammenzusuchen, weil es ein großzügiges Angebot ist“, erzählt der 24-Jährige. Das Ergebnis: Er bekam das Stipendium, und seine Dissertation „Das Ende des Streikrechts: Grundrechte versus Marktfreiheiten“ wird zudem dieses Jahr im ÖGBVerlag veröffentlicht. „Ich habe neben der finanziellen Hilfe das Gefühl bekommen, dass die Ergebnisse meiner Forschung interessieren“, sagt der 24-jährige Salzburger. Sein Tipp: Nicht zu viel Respekt vor dem ersten Schritt. Folashade Summ stimmt zu: „Man muss es ganz einfach probieren!“ Richard Solder
© Christoph Papsch / vario images / picturedesk.com
Jeder kennt das: Beim Surfen im Internet stößt man auf eine interessante Möglichkeit zur Weiterbildung oder gar einen Job, der neugierig macht. Man nimmt sich vor, den Fund später genauer unter die Lupe zu nehmen und vergisst es, weil tausend andere Dinge dazwischenkommen. Das Beispiel von Folashade Summ zeigt, dass es sich lohnt, gleich aktiv zu werden.
Onlineservice 1:
Nur Mut – ArbeitnehmerInnen haben viele Chancen auf Weiterbildung.
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Ob jährlich steigende Einkommen oder kostenloser Rechtsschutz – es gibt viele gute Gründe, warum die Mitgliedschaft beim Gewerkschaftsbund immer noch ihr Geld wert ist. Und damit ArbeitnehmerInnen möglichst schnell und bequem in den Genuss dieser Vorteile kommen, gibt es seit Ende 2010 die Möglichkeit, sich mit nur wenigen Klicks auch online anzumelden. So geht’s: Unter www.oegb. at/anmelden gelangt man direkt zur Mitgliedsanmeldung. Das Formular einfach ausfüllen und abschicken. Dann nur noch dem Bestätigungslink folgen, der an die angegebene E-MailAdresse geschickt wird.
Das Johann-Böhm-Stipendium (Bewerbungsfrist für 2011 endet am 15. Mai!) ist eines von vielen Förder- und Beihilfeangeboten des ÖGB. Eine Übersicht gibt’s bei allen ÖGB-Beratungsstellen und im Web unter www.oegb.at/stipendien In Wien bietet der waff umfassende Beratung bei Weiterbildung und beruflichen Veränderungen. Infos und Kontakt: waff, Tel. 01/217 48-555 www.waff.at Die Abeiterkammern unterstützen Weiterbildungswillige ebenfalls, je nach Bundesland unterschiedlich, Infos: www.arbeiterkammer.at, dann Bundesland anklicken.
Service: Angebote für ÖGB-Mitglieder und Interessierte Onlineservice 2:
Immer up to date sein!
AMS im Web
Regelmäßige Informationsabende waren das erweiterte Angebot 2010 des ÖGB-Servicecenters.
Solidarität: Über welche Themen wird dieses Mal informiert? E. Rolzhauser: Die Termine und Themen für das erste Halbjahr stehen bereits fest. Themenbereiche, die sowohl für junge als auch für ältere Personen interessant und wichtig sind, werden
ausführlich erläutert. Die erste Veranstaltung fand unter dem Titel „Gewalt am Arbeitsplatz – was kann ich tun?“ bereits im Jänner statt. Weitere Themen für die kommenden Monate sind: „ArbeitnehmerInnenveranlagung“, „Hurra, wir werden Eltern!“, „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“ und der letzte Informationsabend kurz vor Beginn der Sommerferien ist unseren Jugendlichen gewidmet: „Was du unbedingt für den Ferialjob wissen solltest!“ Solidarität: Ist eine Beratung während der Infoveranstaltungen möglich? E. Rolzhauser: Nein. ExpertInnen bieten an diesem Abend ausschließlich einen Überblick zum jeweiligen Thema, individuelle Beratungen finden aber nicht statt. Wer einen Beratungstermin benötigt, kann das Servicecenter telefonisch oder per E-Mail kontaktieren oder persönlich vorbeikommen. Die Angebote reichen von Beratungen für freie Dienstneh-
merInnen und WerkvertragsnehmerInnen, Mobbingberatungen, muttersprachliche Beratungen im Arbeitsrecht, ArbeitnehmerInnenveranlagung bis hin zum Pensionsrecht. Solidarität: Wann findet der nächste Informationsabend statt? E. Rolzhauser: Der nächste Infoabend findet am 22. Februar unter dem Motto „Hol‘ dir dein Geld zurück!“ statt. Jedes Jahr schenken ArbeitnehmerInnen dem Finanzminister Millionen von Euro, weil sie die ArbeitnehmerInnenveranlagung nicht machen. ExpertInnen informieren, wie man sich Geld zurückholen kann. Weiters unterstützt das ÖGBServicecenter ÖGB-Mitglieder bei der Einreichung der ArbeitnehmerInnenveranlagung über FinanzOnline. Diese Beratungen finden jeden ersten Montag im Monat von 13.00 bis 16.00 Uhr statt. Hier sowie zu den Infoabenden ist eine Anmeldung erforderlich.
© ÖGB/Thomas Reimer
Solidarität: Werden die Informationsveranstaltungen auch dieses Jahr fortgesetzt? E. Rolzhauser: Ja, auch heuer können sich ÖGB-Mitglieder und Interessierte über verschiedenste Themen informieren lassen. Aufgrund des großen Interesses im Vorjahr haben wir uns entschieden, dieses Jahr jeweils einen Informationsabend pro Monat zu veranstalten. Im Interesse der BesucherInnen wurde auch der Veranstaltungsbeginn auf 18.00 Uhr verschoben. Als zusätzliches Angebot bieten wir heuer bei den Infoveranstaltungen auch Übersetzungsunterstützung in Türkisch/Kurdisch und Bosnisch/Kroatisch/Serbisch bei Bedarf an.
Elisabeth Rolzhauser, Leitung ÖGB-Servicecenter
ÖGB-Servicecenter Anmeldungen für Beratungen und Informationsveranstaltungen erforderlich: 01/534 44-39100 oder servicecenter@oegb.at Hier können Sie auch die neue ÖGB-Servicecenter-Broschüre und den Veranstaltungsfolder für das erste Halbjahr 2011 bestellen.
Jobwechsel oder Wiedereinstieg sind große Herausforderungen, bringen aber auch Chancen für eine neue berufliche Zukunft. Das Arbeitsmarktservice (AMS) unterstützt Arbeitsuchende mit einem neuen, erweiterten Online-Service, dem eAMS-Konto. Mit diesem Konto erhalten Arbeitsuchende einen persönlichen Zugang zum AMS via Internet. Schnell und übersichtlich kann vieles bei der Jobsuche online erledigt werden. Persönliche Daten stehen den Kunden/-innen jederzeit zur Verfügung und werden automatisch für den Antrag auf Arbeitslosengeld übernommen. Das eAMSKonto schafft einen Überblick über Bewerbungen, Auszahlungen des Arbeitslosengeldes und bringt viele weitere Vorteile. So können An- und Abmeldungen online erledigt oder Bestätigungen für Gebührenbefreiungen selbst erstellt werden. Mehr Infos zum eAMS-Konto finden Sie auf: www.ams.at
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Solidarität
SERIE
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Mahlzeit: Tschechische Republik
Allerlei vom Schwein „Nicht umsonst nannten unsere Alten den Dezember prasinec, den Schweinemonat. Und nur gezwungenermaßen wurde er umgetauft in prosinec, den Betmonat.“ Der frühere tschechische Botschafter in Österreich, Jiří Gruša, weiß um die Wichtigkeit schweinischer Produkte in seiner Heimat. „Schweinsbraten mit Kraut und Knödel“ ist einfach zu finden, aber kompliziert aufzuschrei-
ben, sodass dafür meist nur die Kurzform „Vepřo-knedlo-zélo“ gebraucht wird. In böhmischen oder mährischen Wirtshäusern firmiert eine Portion frischer Grammeln mit roten Zwiebeln (Beilage: Schmalzbrot) als „Salat“ auf der Speisekarte. Im Dezember, dem Schweinemonat, wurde geschlachtet, und da galt es traditionell, vom wertvollen Tier so wenig wie möglich überzulassen. Was nicht auf
© fotolia
Wir wollen wissen, was die Menschen essen, die ab Mai in Österreich arbeiten dürfen. Ein Blick in die Küchen der „neuen“ EU-Länder.
Der Schweinsbraten mit Kraut und Knödel ist eine der Spezialitäten der tschechischen Küche.
den Rost, in die Pfanne oder in die Würscht gekommen ist, das landete – im Suppentopf. Die „Prdelačka“, wörtlich so circa „Arschsuppe“, besteht aus Blut und was eben gerade so anfällt. Heutzutage, wo man selten ein schlachtreifes Schwein zur Hand hat, kann man sich auch mit einer Blutwurstsuppe behelfen. Dafür werden Zwiebeln und ordentlich Knoblauch in Schmalz angebraten, dann kommt die Blutwurst dazu. Mit Brühe aufgießen, Salz, Pfeffer, Majoran hinein sowie (vorher gekochte) „Kroupy“ (Graupen, Rollgerste). Mit frischer Petersilie oder Ähnlichem schaut das Ergebnis ein bisschen gesünder aus. Natürlich ernähren sich moderne Tschechen und Tschechinnen nicht ausschließlich vom fetten Schweinernen, so wie ja auch die ÖsterreicherInnen hin und wieder etwas anderes auf den Teller lassen als ein Wiener Schnitzel. In Praha (Prag) findet man natürlich Restaurants aus allen Ländern der Welt – und von der KlobásaBude bis zum Haubenlokal.
Nicht nur schwere Kost Doch auch in der traditionellen tschechischen Küche gibt es leichte Genüsse. Tvarůžky zum Beispiel, auf deutsch: Quargel. Der hat kaum Kalorien (125 pro100 Gramm) und Fett (2 Gramm), weil er aus Sauermilch gemacht wird, ursprünglich im mährischen Olomouc (Olmütz). Und den, nun ja, intensiven Geruch und Geschmack kann man mit dem wunderbaren tschechischen Bier (pivo) hinunterspülen, zum Beispiel aus Pilsen, wo man unter der Urquell-Brauerei endlose Kellergänge voll mit Holzfässern besichtigen kann. Oder mit mährischem Wein, etwa aus Mikulov (Nikolsburg), gleich nördlich der österreichischen Grenze. Ein vielfältiges Land, wie Ex-Botschafter Gruša weiß: „Pivo und víno sind Worte, die Sie sich merken sollten (…) Tschechien vereinigt beide Getränke.“ Florian Kräftner
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Solidarität
EU & INTERNATIONAL
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EU: Lohnpolitik und Sozialdialog
Brüssel:
Keine Einmischung
Empfang 2011 „Heuer entscheidet sich, ob die Finanzmärkte wirksam reguliert, ob die EUWirtschaftsregierung ein gutes gemeinsames Steuerungsinstrument wird oder nur neoliberale Konzepte festgeschrieben werden“, sagte ÖGB-Präsident Erich Foglar beim Neujahrsempfang des ÖGB und der AK in Brüssel. Die bevorstehende Arbeitsmarktöffnung war auch Tagesthema. „Die Sozialpartner haben mit dem Lohn- und Sozialdumpinggesetz einen Meilenstein geschaffen.“ „Es ist erhöhter Regulierungsbedarf für die Finanzwirtschaft angesagt“, so AK-Präsident Herbert Tumpel. „Es kann nicht sein, dass die Situation jetzt umgedeutet und behauptet wird, die Menschen hätten über ihre Verhältnisse gelebt, das Europäische Parlament ist bei der Umsetzung der Finanztransaktionssteuer nun gefordert.“
Gewerkschafter aus Irland und Griechenland berichten über bedenkliche Vorgänge. ropäischen Union und auch EU-Verträgen, die einen Lohnwettbewerb in der EU dezidiert ausschließen würden.
Sonntagsreden
© EGB
Dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) wurden von Gewerkschaften in Irland und Griechenland bedenkliche Entwicklungen mitgeteilt: Mitarbeiter der EU-Kommission in Irland und Griechenland haben im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU/Weltwährungsfonds-Rettungspakete Druck auf die nationale Lohnpolitik und den nationalen sozialen Dialog gemacht, Mindestlöhne und Pensionen sollten gekürzt und die Arbeitsmärkte flexibler gemacht werden. Der Europäische Gewerkschaftsbund und auch ÖGB-Präsident Erich Foglar kritisierten das heftig. „Die Idee der Europäischen Union war nicht ein Lohnwettbewerb nach unten“, sagt Foglar. Die Berichte der irischen und griechischen Gewerkschafter machen klar, dass die Vertreter
John Monks vom Europäischen Gewerkschaftsbund verbittet sich Einmischung in die Lohnpolitik der Gewerkschaften.
der Kommission den sozialen Dialog dieser Länder und das Kollektivvertragssystem ignorieren. ÖGB-Präsident Foglar: „Die angedachten Eingriffe in die Arbeitsbeziehungen stehen in krassem Widerspruch dazu, wie in die Finanzwirtschaft, die
ja der Ausgangspunkt der Krise war, nur sehr zögerlich eingegriffen wird, und wie man ganz entspannt dabei zuschaut, wie die Kurse und die Bonuszahlungen wieder steigen“, sagt Foglar. Das widerspricht dem ursprünglichen Geist der Eu-
„Alle Sonntagsreden darüber, dass die EU eine Union der BürgerInnen ist, und dass man näher an die Menschen will, die sind hinfällig, wenn die Kommission weiter alles dazu tut, die EU zu einer neoliberalen Spielwiese zu machen“, sagt Foglar. Der ÖGB wird sich auch an die heimische Bundesregierung und andere Mitglieder des Europäischen Parlaments wenden, mit der Aufforderung, sich in der EU klar und deutlich gegen derartige Einmischungen in die Kollektivvertragspolitik und den sozialen Dialog der Mitgliedsstaaten auszusprechen. www.oegb-eu.at
Europäische Union: 2011 „Jahr der Freiwilligentätigkeit“
Im Dienste der Sache Viele Menschen sind tagtäglich ehrenamtlich im Einsatz, ohne viel Anerkennung zu erwarten. Auch BetriebsrätInnen gehören dazu. Bekleidungsindustrie:
Firmencheck
Für Maria Marginter hauchen Betriebsräte Rechten, die einst hart erkämpft wurden, Leben ein. „Mit Blut, Schweiß und Tränen“, fügt sie hinzu. „Wir müssen immer darauf achten, dass sie nicht ausgehöhlt werden“, sagt die Wienerin. Die Projektkoordinatorin einer Kultur- und Bildungsinstitution engagiert sich neben Job und Familie in der ArbeitnehmerInnen-Vertretung, was mehr Verantwortung und zugleich auch mehr Sorgen bedeutet. Die Europäische Union stellt 2011 unter das Motto „Jahr der Freiwilligentätigkeit“. Im Mittelpunkt stehen diejenigen, die sich freiwillig bei Feuerwehren, in Gesangsvereinen oder in sozialen Bereichen engagieren. Der ÖGB tritt dafür ein, dass Leistungen der Daseinsvorsorge – Gesundheit, Bildung, Pflege und mehr – vom Staat in guter Qualität und für alle zugänglich bereitgestellt werden. Freiwilliges Engagement ist für die Gewerkschaften in anderer Hinsicht wichtig: Wie Maria Marginter setzen sich Tausende BetriebsrätInnen, PersonalvertreterInnen und JugendvertrauensrätInnen für KollegInnen und Kollegen ein. Von ihrem unermüdlichen Einsatz profitieren nicht zuletzt die Unternehmen: Studien zeigen,
© FF Bisamberg
Daseinsvorsorge existenziell
Auch BetriebsrätInnen, PersonalvertreterInnen und JugendvertrauensrätInnen engagieren sich freiwillig: Sie tragen viel zum besserem Klima in Unternehmen bei.
dass das soziale Klima in Firmen mit Betriebsrat besser ist. Probleme werden gelöst, bevor sie am Arbeitsgericht landen. Der ÖGB fordert massive Verbesserungen für die BetriebsrätInnen. Bernhard Achitz, Leitender Sekretär: „Die Bildungsfreistellung muss von drei auf vier Wochen pro Funktionsperiode ausgeweitet werden, denn für die Vertretung der Interessen der Kolleginnen und Kollegen ist immer mehr Fachwissen notwendig.“
Persönlicher Nutzen Dass ein Ehrenamt trotz Mehrbelastung einem selbst etwas
bringen kann, davon ist Maria Marginter überzeugt: „Als Betriebsrätin lerne ich einiges, nicht nur zum Arbeitsrecht, sondern auch wie man Verhandlungen führt oder sich in einem Konfliktgespräch verhält.“ Manfred Kraly, Betriebsrat bei der Porr AG, kann das nur bestätigen: „Man eignet sich viel Wissen an.“ Wenn Kraly von einer Weiterbildung zurückkommt, dann versammelt sich seine Zimmererpartie nach der Arbeit um den Vorarbeiter und erfährt, welche Gesetzesänderung und neuen Entwicklungen es gibt. Auch dass man für Menschen da ist, macht aus
Bernhard Achitz, Leitender ÖGB-Sekretär
der Aufgabe für Kraly alles andere als eine Bürde: „Es fühlt sich gut an, anderen zu helfen“, so der 52-jährige Burgenländer. Richard Solder
Die Clean Clothes Kampagne Österreich (CCK) hat ein neues Logo. Über zehn Jahre lang trug die CCK, die sich weltweit für faire Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsproduktion einsetzt, ihr blau-grünes Logo in Jeansoptik. Die CCK-Plattform entschied sich dann Ende vorigen Jahres dazu, auf das internationale Clean Clothes Logo umzusteigen, um die internationale Vernetzung der CCK hervorzustreichen. Die Kampagne präsentiert sich nun in neuem Gewand mit Naht und Schere. Auch die CCK-Website wurde im Rahmen der Logo-Umstellung überarbeitet. Die neuen Info-Materialien können ab sofort unter www.cleanclothes.at bewundert und bestellt werden. Eine zusätzliche Neuheit ist die Kategorie „Firmen Check“. In einer umfangreichen Unternehmensbefragung wurde erhoben, was Markenfirmen dagegen tun, dass ArbeiterInnen in den Zulieferbetrieben ausgebeutet werden. Die Ergebnisse können nun unter http://www.cleanclothes.at/ de/firmen-check/ abgefragt werden.
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Solidarität
MAGA ZIN/MEINUNG
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Endlich Fortschritt Es tut sich was in der Bildungsdebatte. Lange wurde nur über Details diskutiert, nun setzte sich die Ansicht durch, dass eine Gesamtreform des Bildungssystems nötig ist. Sogar der Ausbau der Neuen Mittelschule wird kommen. Das ist zwar noch nicht die vom ÖGB geforderte Gesamtschule für alle 6- bis 15-Jährigen, aber im Vergleich zur früheren Blockade doch ein kräftiges PLUS.
Schwer zu ertragen
Illustration: Markus Szyszkowitz
Manche scheinen es schwer zu ertragen, dass alle an die Universitäten dürfen, ohne dafür zu bezahlen. Deshalb dürfte sich Wissenschaftsministerin Beatrix Karl gedacht haben, führen wir doch wieder Studiengebühren ein, aber dieses Mal gleich deutlich höher als vor der Abschaffung, nämlich 1.000 Euro pro Jahr. Für den ÖGB kommt das nicht in Frage: „Keine weiteren Hürden“, stellt ÖGB-Vizepräsidentin Sabine Oberhauser klar. Weder werden wir am 1. Mai überrannt, noch können Betriebe die Löhne drücken. Der ÖGB hat mit dem Gesetz gegen Lohndumping vorgesorgt. Auch die heimischen, flächendeckend gültigen Kollektivverträge sind ein guter Schutz.
Sozialbericht: Verteilungsungerechtigkeit
Schere bleibt groß Besonders Kinder und Jugendliche sind von Armut betroffen. Die Schere zwischen Einkommen und Vermögen geht in Österreich immer noch auseinander, kritisierte die Armutskonferenz nach der Veröffentlichung des Sozialberichts durch das Sozialministerium. Auch aktuelle Daten der Österreichischen Nationalbank untermauern diese Entwicklung. Und dass sich nach der Krise – trotz einiger neuer Einnahmen von Wohlhabenden – am System grundlegend etwas geändert hat, davon sind wir leider noch weit entfernt, wie ein Blick auf einige Zahlen (alle 2009) zeigt. Die Krise hat in manchen Bereichen die Kluft zwischen arm und reich sogar noch vergrößert.
Geldvermögen Im Durchschnitt haben im Jahr 2009 Österreichs Haushalte rund 55.000 Euro zur Verfügung – der Durchschnitt ist hier aber wenig aussagekräftig, was die Verteilung betrifft. Denn die Hälfte aller Haushalte hat weniger als 24.000 Euro im Jahr zur Verfügung.
Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung besitzen aber etwas mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens. Der Sozialbericht stellt dazu fest: Die Ungleichheit ist zuletzt „noch größer“ geworden.
Immobilien Die Konzentration des Vermögens im Bereich der Immobilien ist laut Sozialbericht „beträchtlich“. Zehn Prozent der Bevölkerung besitzen 61 Prozent aller Immobilien im Land (Wohnungen, Häuser, unbebaute Grundstücke). 40 Prozent der Bevölkerung besitzen gar keine Immobilien.
Spareinlagen Die Schieflage setzt sich bei den Spareinlagen fort: Auf nur zwei Prozent der Sparkonten (mit über 50.000 Euro Einlagen) befindet sich knapp ein Drittel aller Spareinlagen. Die Einlagen auf den Sparkonten der Reichen und Reichsten sind auch deutlich stärker gewachsen, als auf jenen mit weniger als 50.000 Euro.
Arbeitseinkommen Auch bei den Einkommen aus Arbeit vergrößern sich die Unterschiede. Ein Fünftel aller ArbeitnehmerInnen in Österreich verdient 47 Prozent des Gesamteinkommens. Vor 30 Jahren waren es nur 40 Prozent. Die Zahl der Teilzeit Arbeitenden (vor allem Frauen) hat stark zugenommen. Frauen verdienen im Schnitt um ein Drittel weniger als Männer. Rechnet man den Teilzeit-Faktor heraus, bleibt immer noch ein Unterschied von 22 Prozent. Im Schnitt sind die Arbeitseinkommen von 2001 bis 2009 – dank der Lohnpolitik der Gewerkschaften – um 3,2 Prozent pro Jahr gestiegen; die Gewinn- und Vermögenseinnahmen sind trotz Einbruchs in der Krise im Schnitt um vier Prozent pro Jahr gewachsen.
Hohe Kinderarmut „Besonders auffällig ist die konstant hohe Armutsbetroffenheit bei Kindern und Jugendlichen“, sagt die Armutskon-
ferenz. 142.000 Minderjährige sind manifest arm. Nimmt man die „EU-2020-Indikatoren“ her, sind 320.000 Kinder und Jugendliche entweder armutsgefährdet, ausgegrenzt oder haben Eltern ohne Erwerbsarbeit. Im Winter sind diese Gruppen mehrfach betroffen: Insgesamt können es sich 330.000 Menschen nicht leisten, ihre Wohnung im Winter warm zu halten, davon 58.000 Kinder.
sichts dieser Fakten. „Es gibt genügend Instrumente und Möglichkeiten, in der Schule, in der Frühförderung, beim Wohnen und mit sozialen Dienstleistungen gegenzusteuern. Armut ist kein Naturereignis, das es mit jeder neuen Statistik zu bestaunen gilt.“ In diesem Sinn wird auch der ÖGB weiterhin für eine faire Verteilung des vorhandenen Wohlstandes weiterarbeiten.
Man kann genug tun
www.armutskonferenz.at www.fairteilen.at
„Wir können etwas tun“, sagt die Armutskonferenz ange-
Quellen: Sozialbericht, Armutskonferenz