-ZEITSCHRIFT FÜR DIE ARBEITSWELT
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Behindertenquote: Kündigungs- Gastkommentar: Peter Schlögl über die schutz gelockert, erfüllen Betriebe Ausbildungsqualität in Österreich und nun die gesetzliche Quote? Seite 5 damit verbundene Chancen Seite 12
© ÖGB/Paul Sturm
Interview: ÖGB-Vizepräsidentin Sabine Oberhauser über Weiterbildung und PISA Seite 3
„Hurra, wir werden Eltern!“
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DIE
Ein neuer Lebensabschnitt, der gut geplant sein soll! Alle Infos rund um Kindergeld, Karenz und Elternteilzeit gibt es hier. Dienstag, 29. März 2011, 18.00 Uhr Anmeldung unter servicecenter@oegb.at oder 01/534 44-39100 erforderlich.
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Solidarität
editorial
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AKTUELL PISA: Österreich schneidet schlecht ab
Kritik an Bildungspolitik Modelle zur Verbesserung gibt es schon, es mangelt aber noch an der Umsetzung.
Unverantwortlich? Das Europäische Parlament hat mit großer Mehrheit dafür gestimmt, dass Finanztransaktionen besteuert werden sollen. Das ist ein gutes und wichtiges Zeichen, das wäre nur gerecht, denn die Finanzindustrie hat viel zur Krise beigetragen. Die Europäische Kommission sollte den deutlichen Wunsch der VertreterInnen der Menschen in der EU ernst nehmen. Und tut sie das auch? Nicht wirklich: Noch am Tag der Abstimmung hat EUSteuerkommissar Algirdas Šemeta davor gewarnt, mit einer derartigen Steuer vorzupreschen: Es wäre, meint er, „unverantwortlich, mit einer solchen Steuer voranzugehen, ohne zuerst alle Auswirkungen zu analysieren und voll zu verstehen.“ Interessant – denn mit Vorschlägen, Löhne zu senken, Pensionen zu kürzen oder Sozialsysteme zu beschneiden, waren Vertreter der Kommission sehr schnell zur Hand – ganz „ohne zuerst alle Auswirkungen zu analysieren und voll zu verstehen“ – Zitat des Herrn Šemeta. Man braucht nicht lange zu analysieren, um zu wissen, dass sinkende Löhne oder weniger soziale Sicherheit die EU nicht voranbringen werden – das Gegenteil wird passieren.
Impressum: Herausgeber: Österreichischer Gewerkschaftsbund, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1. Medieninhaber: Verlag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96-0, Fax 01/662 32 96-39793, E-Mail: Renate.Wimmer@ oegbverlag.at, www.oegbverlag.at. Herstellerin: Leykam Druck GmbH & Co KG, 7201 Neudörfl, Bickfordstr. 21. Verlagsort: Wien. Herstellungsort: Neudörfl. Chefredaktion: Nani Kauer. Kaufmännische Leitung: Christoph Höllriegl. AutorInnen: Florian Kräftner, Amela Muratović, Mag. Christian Resei, Hermann Wackerle, Peter Schlögl, Sabrina Kainrad, Beate Horvath, Judith Kormann, Dr. Heike Hausensteiner, Milena Borovska, Michaela Hubweber, Katja Dämmrich. Layout/Grafik/Bildredaktion: Stephanie Guberner, Isabelle Carhoun. Anzeigen: Mag. Thomas AichelburgRumerskirch, www.brandcom.at, soli@brandcom.at. Sekretariat: Sonja Adler, Johanna Kastner. Lektorat: Renate Nebehaj-Neuber. Redaktionsadresse: 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel.: 01/534 44-39262, Fax: 01/534 44-39916, E-Mail: soli@oegb.at WWW: http://www.oegb.at/soli Für unverlangt eingesendete Manuskripte und Fotos keine Gewähr. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit Zustimmung der Redaktion und mit Quellenangabe. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.“
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Erschütternde Ergebnisse. PISA (Programm for International Student Assessment) entwickelt sich immer mehr zum Schrecken der heimischen Bildungspolitik. Die Werte der österreichischen SchülerInnen in Lesen, in Mathematik und in den Naturwissenschaften sind schlecht: In Lesen unter dem OECD-Schnitt, in Mathematik noch im Schnitt, in Naturwissenschaften knapp unter dem OECD-Schnitt. Zusammengefasst bedeutet das: 15 Prozent der heimischen SchülerInnen gehören in allen drei Fächern zur Risikogruppe. Die Leistungen sind aber auch sehr stark vom Sozialstatus der Eltern abhängig, und der Abstand zwischen einheimischen und MigrantInnen ist weiterhin hoch.
Reformen notwendig Hannes Androsch, Initiator des Bildungsvolksbegehrens „Österreich darf nicht sitzen bleiben“, drängt auf Reformen: „Wichtig wären die generelle Erfassung aller Kinder durch adäquate Einrichtungen im Vorschulalter und günstigere Lernbedingungen im gesamten Schulwesen.“ Als „kontraproduktiv“ empfindet Androsch „die zu frühe Trennung nach der vierjährigen Grundschule.“ Für Androsch ist das schlechte Abschneiden Österreichs auf ein Verzögern von Reformen in der Bildungspolitik zurückzuführen.
Die Erfolgsrezepte der Besten China führt das Ranking durch ganztägige Förderung, aber
europäischen Land, herrscht der Konsens: „Jedes Kind muss optimal gefördert werden.“ Von der schulinternen Gesundheitsfürsorge über Sozialarbeit bis zur Förderung ist eine umfassende Versorgung selbstverständlich. Dafür zahlen die Finnen auch 6,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ins Bildungssystem ein. Österreich hingegen investiert lediglich 5,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, was unter dem OECD-Schnitt (5,7 Prozent) liegt. Androsch zur Richtung der geforderten Reformen: „Unsere Gesellschaft braucht heute nicht nur Eliten, sondern eine Anhebung des Bildungsniveaus aller Heranwachsenden.“ auch enormen Leistungsdruck, an. Das prüfungsorientierte Lernen verhindert jedoch jede Möglichkeit an Kreativität. Alle PISA-Sieger verbindet allerdings eines: Die Einstellung zur Bildung, aber genauso auch die Investitionen in die Bildung des Landes. Ein weiteres PISA-Vorzeigeland ist das multikulturelle Kanada. Dort sind die Kindergärten an die durchgehend ganztägigen Schulen angegliedert, und es gibt keine Aufteilung bis zur sechsten Schulklasse. Bildungspolitisches Credo in Kanada lautet Chancengleichheit.
Finanzierung Dieses Modell lässt sich das Land acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts kosten. In Finnland, dem bestplatzierten
nahaufnahme Wilhelm H. Beranek arbeitet seit 1973 in der AKG Acoustics GmbH und leitete lange die IT-Abteilung des Betriebs. Ende 2009 wurde er zum BR-Vorsitzenden gewählt. Nach der Restrukturierungsphase im vorigen Sommer sind 183 ArbeitnehmerInnen zu vertreten. Solidarität: Wie geht‘s der Belegschaft? Beranek: Nach dem Wechsel in der Geschäftsleitung und Been-
digung der Arbeitsplatzunsicherheit ist die Stimmung positiv. Solidarität: Was konnte der BR erreichen? Beranek: Es war erstens möglich, die geplante Kündigungsquote
zu unterschreiten, zweitens wurde durch einen Sozialplan den MitarbeiterInnen der Abgang erleichtert. Es gelang, die Arbeiter in der Fertigung zu technischen Angestellten aufzuwerten. Solidarität: Wie sehen die Zukunftspläne aus? Beranek: Überarbeitung und Verbesserung der sozialen Einrich-
tungen sowie der betrieblichen Vereinbarungen.
Milena Borovska
Zukunftschance: (Weiter-)Bildung
Wichtiger Impuls Lebensbegleitendes Lernen: Chance am Arbeitsmarkt. Initiative. Der ÖGB unterstützt das Bildungsvolksbegehren „Österreich darf nicht sitzen bleiben“. „Bildung ist ein soziales Grundrecht, das allen Menschen zusteht. Das Volksbegehren startet im Herbst und enthält wichtige Forderungen, die ein Motor für wesentliche Bildungsreformen sein könnten“, sagt ÖGB-Vizepräsidentin Sabine Oberhauser. Auch wenn der ÖGB und die anderen Sozialpartner in ihrem Konzept„Chance Bildung“ aus dem Jahr 2007 viel weiter gehen, ersucht der ÖGB alle, die sich mit dem Volksbegehren identifizieren können, dieses zu unterschreiben. Der ÖGB hat das Thema Bildung dieses Jahr ganz oben auf seine Liste gesetzt. „Für uns fängt Bildung nicht im Kindergarten an und endet mit der Matura, dem Lehr- oder Studienabschluss. Bildung geht weiter – ein Leben lang“, so Oberhauser. Denn: Gute Ausbildung und ständige Ausbildung sind die Basis für gute Chancen in der Arbeitswelt, gute Einkommen, ein sicheres Sozialsystem und einen konkurrenzfähigen Wirtschaftsstandort.
Offene Arbeitsmärkte in Europa
ÖGB-Europadialog: 29. April Am 1. Mai fallen in Österreich die Übergangsfristen, und es gilt ein offener Zugang zum Arbeitsmarkt für ArbeitnehmerInnen aus acht neuen EU-Mitgliedsstaaten. Auch Unternehmen können ihre Dienstleistungen auf den Märkten anbieten. Welche Chancen, welche Risiken sind damit verbunden? Diesen Fragen wird im Rahmen des ÖGB-Europadialogs in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik sowie einer AK/ÖGB-Fachtagung nachgegangen. Teilnehmer: Bernhard Achitz (Leitender Sekretär im ÖGB), Jan Cremers (Arbeitsmarktexperte im EGB), Sean Bamford (Migrationsexperte vom britischen Gewerkschaftsbund TUC) und Hermann Mairhofer (Vorstandsmitglied der Firma Trenkwalder)
„Offene Arbeitsmärkte in Europa – Risiko oder Chance?“ AK/ÖGB-Fachtagung, 8.30 bis 11.30 Uhr ÖGB–Europadialog, Podiumsdiskussion, 12.00 bis 13.30 Uhr Ort: ÖGB, Johann-Böhm-Platz 1, 1020 Wien Anmeldung bitte an: jennifer.hodosi@oegb.at
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Solidarität
BILDUNG
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Fliegende Klassenzimmer: Bildung geht viel weiter, als nur bis zum Lehr- oder Studienabschluss. Lebensbegleitendes Lernen eröffnet mehr Chancen am Arbeitsmarkt.
© ÖGB Archiv
Ausstellung
Interview: ÖGB-Schwerpunkt Bildung
Bildung rechnet sich ... ÖGB-Vizepräsidentin Sabine Oberhauser fordert ein Bildungssystem, das nicht aussortiert. Solidarität: Warum hat sich der ÖGB als Vertretung der arbeitenden Menschen ausgerechnet Bildung, Schule usw. als Schwerpunktthema ausgesucht? Sabine Oberhauser: Von der Bildung hängen die Arbeitsmarktchancen ab. Wer schlecht gebildet ist, wird eher arbeitslos, und noch dazu dauert es dann länger, bis er wieder einen Job findet. Deshalb ist Bildung immer schon ein gewerkschaftliches Kernthema. Unser Motto lautet „Bildung geht weiter“, damit meine ich, dass unser Begriff von Bildung beim Kindergarten beginnt, über Schule, Lehre und Uni weitergeht und auch dann nicht halt macht, denn es geht dem ÖGB auch um
bessere Bedingungen bei der beruflichen Weiterbildung, also um lebensbegleitendes Lernen. Solidarität: Viele Unternehmen mussten aber wegen der Wirtschaftskrise sparen und haben als erstes die Seminare gestrichen. Sabine Oberhauser: Das wäre extrem kurzsichtig, denn die Unternehmen profitieren am meisten von Weiterbildung: Jeder investierte Euro kommt 13-fach wieder zurück. Trotzdem werden, überspitzt ausgedrückt, nur Männer in Führungspositionen auf Fortbildung geschickt. Weiterbildung muss für alle da sein, auch für ArbeiterInnen, auch für Frauen. Deswegen fordert
der ÖGB eine Woche bezahlte Weiterbildungszeit pro Jahr. Solidarität: Österreich gibt sehr viel Geld für die Schule aus. Warum sind die Ergebnisse nicht besser? Sabine Oberhauser: Wie gut SchülerInnen sind, hängt ganz entscheidend vom Bildungsniveau und vom beruflichen Status der Eltern ab. Diese Unterschiede der sozialen Herkunft werden in der derzeitigen Schule praktisch überhaupt nicht ausgeglichen, dadurch werden viele Kinder eher aussortiert als unterstützt. Wir brauchen mehr Förderunterricht, kombiniert mit ganztägigen Schulformen, mehr Bildungs- und Berufsberatung,
bessere Arbeitsbedingungen und -plätze für die LehrerInnen, und wir brauchen eine gemeinsame Schule für alle 10- bis 14-Jährigen. Solidarität: Das ist immer noch ein Reizthema. Sabine Oberhauser: Ja, aber jetzt sehe ich gute Chancen, dass endlich das umgesetzt wird, was schon lange auf dem Tisch liegt. Nach den jüngsten PISAErgebnissen sollte auch den letzten Blockierern klar sein, dass wir etwas an unserem Bildungssystem ändern müssen. Weitermachen wie bisher, Sündenböcke zu suchen oder die Diskussion von vorne zu beginnen, wäre der Grundstein fürs nächste PISA-Desaster.
Gerechtigkeit:
Erster Schritt
Florian Kräftner
© ÖGB/Paul Sturm
... und geht weiter!
Kinder fördern
Gleiche Chancen Überholspur
Weiterbildung
… gemeinsame Schule für 6–14-Jährige; Kindern fördern, nicht abstrafen. Schule muss Talente entdecken und fördern, nicht abstrafen. Wer sich Nachhilfe leisten kann, hängt derzeit großteils vom Einkommen der Eltern ab. Der ÖGB fordert mehr ganztägige Schulangebote. Dadurch lassen sich auch Beruf und Familie leichter vereinbaren. Pro Bezirk soll es mindestens eine Volks- und eine Mittelschule mit Ganztagsangebot geben.
… egal ob die Eltern AkademikerInnen oder ArbeiterInnen/ Angestellte sind. Unser Ziel ist Chancengerechtigkeit ohne soziale Selektion. Studien zeigen, dass die frühe Zuweisung in Hauptschule oder Gymnasium auch eine Selektion in soziale Schichten ist. Geteilt wird nicht nach Begabung, sondern nach familiärer Herkunft. Kinder von AkademikerInnen gehen zu 65 Prozent in die AHS, Kindern von Eltern mit maximal Pflichtschule nur zu 15 Prozent.
… auch für Betriebe: Jeder in Weiterbildung investierte Euro kommt vielfach zurück! Derzeit muss Weiterbildung von ArbeitnehmerInnen bezahlt werden. Der ÖGB fordert, dass alle Bildungsabschlüsse bis zur Matura gratis nachgeholt werden können. Von Weiterbildung profitieren nämlich auch die Betriebe: Jeder investierte Euro kommt 13-fach zurück. Auch für BetriebsrätInnen muss es Verbesserung bei der Bildungsfreistellung geben.
… statt Einbahnstraße: keine Barrieren zwischen Schule und Lehre, Lehre und Uni. Die „Lehre mit Matura“ muss flächendeckend und gratis angeboten werden, damit Bildung auch nach dem Lehrabschluss weitergehen kann. Auch die Anrechenbarkeit von Lehr- und berufsbildender Schulausbildung muss verbessert werden. Maturantinnen und Maturanten sollen nicht länger wie Lehrlinge, sondern als Fachkraft bezahlt werden.
In den Schulen hat sich doch ein bisschen was verändert seit Maria Theresia – aber die Klassenzimmer sind im Wesentlichen gleich geblieben: 9x7 Meter, Tafel, Tische, Sessel. Die Ausstellung untersucht, ob neue Unterrichtsformen auch neue Raumformen brauchen. Sie will ein Ort des Dialogs zwischen SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern einerseits, und ArchitektInnen und PolitikerInnen andererseits sein, ein Platz für neue Ideen, für gemeinsame Ziele und Lösungen. Fliegende Klassenzimmer. Wir machen Schule. Architekturzentrum Wien (im Museumsquartier), bis 30. Mai, www.azw.at
Bei der Abstimmung im Europäischen Parlament (EP) traten 529 EU-ParlamentarierInnen dafür ein, dass nicht die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer allein die Zeche für die weltweite Krise zahlen müssen. „Mit ihrer Entscheidung für die Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer haben die EU-Abgeordneten einen entscheidenden Schritt in die richtige Richtung gesetzt“, sagen ÖGB-Präsident Erich Foglar und AKPräsident Herbert Tumpel. 127 Abgeordnete stimmten jedoch dagegen, mit dem Argument, die EU solle die Einführung der Steuer auf globaler Ebene forcieren. ÖGB und AK fordern, dass die Europäische Union zügig an der Einführung der europäischen Finanztransaktionssteuer arbeitet und nicht unter dem Deckmantel der „globalen Ebene“ die Einführung verschiebt oder sogar verhindert.
Adressänderungen:
Tel. 01/534 44-39100 Montag–Donnerstag 8–16.30 Uhr, Freitag 8–13 Uhr. Oder unter www.oegb.at
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Solidarität
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ARBEITSWELT
Frauentag:
Geschlechterunterschiede: Untersuchung
100 Jahre
Weil ich ein Mädchen bin
Genau 100 Jahre nach der ersten Großdemonstration für Frauenrechte haben sich am 19. März erneut zahlreiche Frauen und Männer für die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter stark gemacht. Denn obwohl sich seit 1911 die Arbeits- und Lebensbedin-
Stereotypen beeinflussen nach wie vor die Bildungsergebnisse von Mädchen und Buben. Eigenschaften. Mehr Muskeln und ein größeres Gehirn. Viele Buben empfinden bereits im Alter von zehn Jahren, dass sie zum „überlegenen Geschlecht“ gehören. Neben Stärke und größerer Geschicklichkeit gehöre auch die größere Freiheit zu ihren Vorzügen. Mädchen hingegen sind einfach gern Mädchen, weil sie lange Haare haben und sich schminken können. Dass Kinder auch heute noch sehr stark von Stereotypen geprägt sind, zeigt eine Untersuchung aus Deutschland.
Mädchen auf Fleiß und Sorgfalt zurückgeführt, bei Burschen auf vorhandene Fähigkeiten. Schlechte Noten bei Burschen resultieren oft nur daraus, dass sie „strebern“ als uncool ansehen. So kommt es, dass junge Frauen trotz gleicher Schulnoten zu Studienbeginn oft einen geringeren Prüfungserfolg aufweisen, jedoch ein Jahr später die entsprechenden Prüfungen mit Erfolg ablegen. Im Endeffekt schließen mehr Frauen als Männer ihr Studium ab.
Potenziale nützen „Kinder müssen die Möglichkeit erhalten, ihre Potenziale jenseits geschlechtsspezifischer Rollenzuschreibungen zu entwickeln. Dazu müssen die Gender-Kompetenzen der LehrerInnen gefördert, und Mädchen und Buben im Sprachgebrauch und in den Inhalten der Schulbücher gleichermaßen vorkommen“, sagt ÖGB-Bundesfrauenvorsitzende Brigitte Ruprecht.
Konsequenzen
Weitere Auswirkungen
©Bildagentur Waldhäusl/Hannes Eichinger
gungen der Frauen wesentlich verbessert haben, bleibt ihnen der Zugang zu guten Einkommen und echten Karrierechancen immer noch oft verwehrt. Die Demonstration wurde daher auch von den ÖGB-Frauen unterstützt. Ihr Appell an die Bundesregierung: „Es ist höchste Zeit, die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt und in der Gesellschaft voranzutreiben. Dazu braucht es mehr gesetzliche Rahmenbedingungen, wie ausreichend Kinderbetreuungsplätze mit Ganztagesbetreuung und ein verpflichtendes Papamonat.“
Das Selbstvertrauen der Mädchen ändert sich mit Beginn des Jugendalters und wirkt sich am weiteren Bildungsweg immer stärker auf die Leistungen aus. Während Mädchen und Buben am Ende der Volksschulzeit bei internationalen Vergleichsstudien in Mathematik und Naturwissenschaften fast die gleichen Ergebnisse erzielen, schneiden die Jungen im Alter von 15 Jahren in fast allen untersuchten Ländern besser ab. Das Muster spiegelt sich schließlich auch in den typischen Ausbildungswegen wider: Frauen werden oft Friseurinnen, Männer jedoch Techniker.
Vorhersage Eine wichtige Rolle bei den unterschiedlichen Leistungen von Mädchen und Buben spielt auch die Rolle der LehrerInnen: Laut Bildungspsychologin Christiane Spiel werden gute Noten bei
Eine weitere Konsequenz dieser geschlechtstypischen Vorurteile lässt sich beobachten: Bei Männern lassen gute Schulnoten auch einen Erfolg bei der Aufnahmeprüfung erwarten, bei Frauen aber nicht. Schlechte Schulnoten bei Buben wiederum ermöglichen keine gute Vorhersage für den Abschluss des Studiums.
Geschlechterunterschiede dominieren den Bildungsweg.
Frauen sind überdurchschnittlich stark an Weiterbildung interessiert, nutzen diese Chance aber nur selten. Die Gründe sind vielfältig, meist fehlt ihnen aber die Zeit aufgrund von Betreuungspflichten. Fair wäre die Schaffung von ausreichend Kinderbetreuungsplätzen, um Frauen den Weg zur Bildung zu erleichtern.
Katja Dämmrich
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Solidarität
ARBEITSWELT
Behindertenquote: Einstellungspflicht
Lehrstellenförderung:
„Wir würden ja gern“
Kritik
Beeinträchtigung hindert bei Jobsuche. Betriebe kaufen sich von der gesetzlichen Quote frei. son mit Behinderung einzustellen. Nur 22,6 Prozent der Unternehmen haben sich an das gehalten, denn sie können sich mit der Ausgleichstaxe von der Verpflichtung „freikaufen“. 2010 hätten 101.075 Personen mit Behinderung beschäftigt werden sollen, real waren es nur 67.016.
„Chancen Nutzen“
© ÖGB Archiv
Das „ÖGB Chancen Nutzen Büro“ möchte Barrieren abbauen, den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern und Hilfe leisten. Für Pichler ist die Unsicherheit seitens der Betriebe das Kernproblem: „Nicht bekanntes schafft Unsicherheit, diese schafft Angst und Angst schafft Ablehnung. Wir wollen dieses Schema durchbrechen.“ Kostenlose Beratungen sowie Seminare werden angeboten. „In Unternehmen, die Menschen mit Behinderung beschäftigen, herrscht Einigkeit, dass alle MitarbeiterInnen durch die Zusammenarbeit profitieren. Eigenschaften wie Rücksicht und Geduld werden gefördert, was sich auf den gesamten Betriebsablauf sehr förderlich auswirkt“, erklärt Franz.
ÖGB, Arbeiterkammer und Landwirtschaftskammer haben die Quote mehr als erfüllt.
Vorurteil. 2007 waren 1,7 Millionen Personen in irgendeiner Form dauerhaft beeinträchtigt. Eine uneinheitliche Gruppe mit ähnlichen Erfahrungen: Menschen mit Behinderung streben ein selbstbestimmtes Leben an, werden am Arbeitsmarkt immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert. Obwohl Studien und Berichte von Betrieben zeigen, dass Menschen mit einer Beeinträchtigung oft motivierter sind als andere, haben sie es bei der Jobsuche nicht leicht. Herbert Pichler, Leiter des „ÖGB Chancen Nutzen Büro“: „Die Arbeitslosenzahlen
sind steigend, bedingt auch durch die Krise.“ 2007 waren 5,9 Prozent der Personen mit Beeinträchtigungen arbeitslos.
„Wir würden ja gern“ „Wir würden sie gerne einstellen, wenn es den Kündigungsschutz nicht gäbe“, hört man oft von Unternehmern. Anfang Jänner wurde der Kündigungsschutz für begünstigt behinderte Menschen gelockert. Personen mit einem Feststellungsbescheid, die in ein neues Arbeitsverhältnis treten, sind erst nach vier Jahren geschützt. Bekommen sie den Bescheid nach dem Ein-
tritt, gilt der Schutz nach sechs Monaten. „Das soll Unternehmen motivieren, Menschen mit Behinderung einzustellen“, so Silvia Franz, ÖGB-Referat für Sozialpolitik. Ob der Fall eintreffen wird, bezweifelt sie: „Das muss noch evaluiert werden, aber ich denke, der Kündigungsschutz war ein Vorwand.“
Ablasshandel „Unternehmen zahlen lieber Ausgleichstaxen, als Menschen mit Behinderung zu beschäftigen“, beklagt Franz. Laut Gesetz sind Betriebe verpflichtet, pro 25 Beschäftigte eine Per-
Milena Borovska, Michaela Hubweber
Arbeitswelt: Alphabetisierung
Kannst net lesen…? Neue Initiative unterstützt betroffene ArbeitnehmerInnen bei ihren Problemen. Schwäche. Was für viele Menschen eine Selbstverständlichkeit ist, führt bei anderen zu Schweißausbrüchen. Bei geschätzten 600.000 erwachsenen ÖsterreicherInnen reichen die Lese-, Schreib- und Rechenkenntnisse nicht aus, um den beruflichen und privaten Alltag zu meistern. Das Ausfüllen eines Urlaubszettels oder das Schreiben eines Arbeitsberichtes wird zum Horror für die Betroffenen oder ein Fall für hilfsbereite KollegInnen.
nissen verbunden. Dadurch fiel es den TeilnehmerInnen leichter, sich für den Kurs anzumelden“, erklärt Betriebsrätin Walpurga Senft, die – als Vorbild – ebenfalls teilnahm. Die Kurse fanden einmal in der Woche direkt in der Firma statt.
© ÖGB/ Beate Horvath
Interesse vorhanden
Initiative soll helfen „Das geht so weit, dass Betroffene wegen ihrer Schwäche sogar Beförderungen ablehnen und damit auf höhere Löhne und Gehälter verzichten“, erzählt Manuela Frey, Lerntrainerin der Burgenländischen Volkshochschulen (VHS) aus der Praxis. Aus Scham und Angst vor gesellschaftlicher Ausgrenzung versuchen die meisten Betroffenen, ihre Defizite zu verbergen. Unter dem Motto „Sag mal kannst net lesen“ haben die
Alphabetisierungskurs: Aufgrund vieler Anfragen wird eifrig an der Planung weiterer Angebote gewerkt.
Burgenländischen Volkshochschulen gemeinsam mit dem ÖGB und der Industriellenvereinigung eine Initiative zur Alphabetisierung und Basisbildung am Arbeitsplatz gestartet. Dabei wird auf das Problem aufmerksam gemacht und Betroffenen konkrete Angebote gemacht. Ein solches Angebot haben die MitarbeiterInnen der
Firma Felix Austria in Mattersburg – mit Unterstützung des Betriebsrates und der Geschäftsleitung – bekommen und angenommen. Seit vorigem Herbst fanden zwei Basisbildungskurse statt, an denen insgesamt zwölf Frauen und Männer an ihren Defiziten arbeiteten. „Wir haben die Basisbildung mit dem Erwerb von Computerkennt-
Der Kursraum und jeweils eine Arbeitsstunde wurden von der Firma zur Verfügung gestellt. Eine Stunde mussten die Beschäftigten von ihrer Freizeit „opfern“. Ein dritter Kurs ist bereits in Planung. Die Kurse können kostenlos angeboten werden, da das Projekt vom Europäischen Sozialfonds gefördert wird. „Aufgrund des Erfolges bei Felix Austria gibt es bereits drei weitere Betriebe im Burgenland, die Interesse angemeldet haben. Auch hier werden die BetriebsrätInnen als MultiplikatorInnen behilflich sein“, freut sich Josefine Rasztovits, ÖGB-Bildungssekretärin im Burgenland. Beate Horvath
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„Ein Zurück zur Gießkannenpolitik“ so bezeichnete Alice Kundtner, Leiterin des Bereich Soziales in der Arbeiterkammer die Kürzung der Lehrstellenförderung. Der Qualitätsbonus von 3.000 Euro wurde zur Mitte der Lehrlingsausbildung bei einem erfolgreich absolvierten Praxistest an Betriebe ausbezahlt. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner zufolge hätten die Sozialpartner durch ihre schleppenden Verhandlungen die Kürzung notwendig gemacht – eine Einigung wäre bereits im Herbst nötig gewesen. Der ÖGB wehrt sich gegen diesen Vorwurf. Bernhard Achitz, Leitender Sekretär im ÖGB, weist darauf hin, dass der Förderausschuss „zu einem Drittel“ mit Ministeriumsmitgliedern besetzt ist. Das Ministerium sei also mitverantwortlich.
McDonald‘s:
Alles okay! Die Gewerkschaft vida und McDonald‘s Österreich haben einen neuen Betriebs-Kollektivvertrag (KV) für rund 8.000 Beschäftigte abgeschlossen. „Bei McDonald‘s gibt‘s nichts zu meckern“, sagt Rudolf Kaske, Vorsitzender der Gewerkschaft vida. Ab Mai 2011 gelten höhere Einstiegsgehälter im Hilfsund Fachkräftebereich und deutlich höhere Lehrlingsentschädigungen, als der KV Hotel- und Gastgewerbe vorsieht. McDonald‘s übernimmt auch die Internatskosten für Lehrlinge. „Eine Forderung, die nur von wenigen Betrieben der Branche erfüllt wird“, so Kaske.
Frauenquote:
Viel zu tun Zum Frauentag erneuert ÖGB-Bundesfrauenvorsitzende Brigitte Ruprecht Forderung nach Gleichstellung von Frauen. „Ohne verbindliche Regelungen werden Frauen keine Chancen eingeräumt“, so Ruprecht und fordert die Frauenquote. Wenn mittlerweile 56 Prozent der Studienabschlüsse von Frauen erworben werden, müsste sich das in den Führungsgremien widerspiegeln. Real sind Frauen, mit 3,9 Prozent in den Vorstandsposten und mit 8,5 Prozent in den Aufsichtsräten, klar unterrepräsentiert. Damit liegt Österreich in Europa weit hinten.
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Ausbildung: Berufschance in der Sozialbetreuung
Jobglück im zweiten Anlauf Jobbranche mit guten Zukunftsaussichten: Aber wie bewältigt man eine berufliche Neuorientierung? (ALIS) die Ausbildung zum Fachsozialbetreuer für Altenarbeit (FSBA). Die Ausbildung ist kein Spaziergang. „Es gibt viel zu lernen, und in meinem Alter lernt es sich auch nicht mehr so leicht“, erzählt Wolf von einer anstrengenden Zeit. Die Ausbildung dauert zwei Jahre bei einer 40-Stunden-Woche mit je zur Hälfte Theorie und Praxis. Die StiftungsteilnehmerInnen erhal-
© RUBRA
Kein Spaziergang. Manfred Wolf arbeitete 25 Jahre als Fleischhauer. Der heute 43-Jährige war in seinem Beruf schon lange unglücklich, aber eine berufliche Neuorientierung hätte er sich finanziell nicht leisten können. Als er aus gesundheitlichen Gründen seine Arbeit aufgeben musste, war es Zeit für eine berufliche Veränderung. Wolf absolvierte über die Altenheim-Implacementstiftung
Die Aufgaben sind mehr, als nur Karten spielen und spazieren gehen.
ten Arbeitslosengeld und einen ausbildungsbedingten Zuschuss von monatlich 200 Euro.
Völlig falsches Bild Von den Pflegeberufen haben viele ein völlig falsches Bild: Da wird ein wenig Karten gespielt und mit den alten Leuten spazieren gegangen. „Doch das ist falsch, es ist ein harter Beruf, wo man empathisch sein muss, sich aber gleichzeitig abgrenzen muss. Auch das Sterben gehört dazu, damit muss man umgehen können“, erklärt Hilde Lugstein. Sie ist Direktorin der Pflegehilfeausbildungen in der Region Salzkammergut und leitet die Schule für Sozialberufe des bfi Vöcklabruck, eine der 34 Ausbildungsstätten der ALIS.
Wieder glücklich Die/den typische/n FSBA gibt es nicht – gerade die bunte Palette an MitarbeiterInnen ist eine Bereicherung für das gute Klima eines Altenheimes. „Jeder, der sich damit befasst hat, dass eine Arbeit im Sozialbereich etwas für ihn sein könnte, der soll hartnäckig seinen Wunsch verfolgen“, macht Wolf Mut für die Ausbildung. Er ist jetzt wieder glücklich in seinem Job. Sabrina Kainrad
Die ALIS wurde 2001 als erste derartige Stiftung gestartet. Die Ausbildung ist möglich für Personen, die beim AMS arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldet sind und das letzte Dienstverhältnis nicht zum Zweck der Ausbildung im Rahmen der Stiftung gelöst wurde. Infos & Details: www.alis.at
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REPORTAGE
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Umwelt + Bauen:
© ÖGB/Walter Schreiner
Volles Haus
Gesundheit: Mobile Unterstützung
Der Rücken im Fokus Ein Betrieb legt großen Wert auf Gesundheit und bietet Fitness-Aktionen für Beschäftigte. Bewegung. Die betriebliche Gesundheitsförderung wird immer wichtiger. Das „Mobile Rücken-Check-Programm“ soll nun dazu führen, dass weniger ArbeitnehmerInnen unter Rückenschmerzen leiden. Jeder/jede zweite ÖsterreicherIn leidet an Rückenschmerzen, verursacht durch schlechte Haltung, mangelnde Bewegung oder Arbeitsüberlastung. Vor allem Ältere leiden darunter, etwa zwei Drittel der über 50-Jährigen. Um Betroffenen zu helfen, hat der ASKÖ (Arbeitsgemeinschaft für Sport und Körperkultur in Österreich) das „Mobile Rücken-CheckProgramm“ entwickelt. Dieses Programm wird vor Ort in den Firmen von SportwissenschafterInnen und geschulten TrainerInnen durchgeführt, seit Ende Februar auch beim Fassaden- und Putzerzeuger Wopfinger. „Unsere Firma legt schon seit langem Wert auf die Gesundheit der Belegschaft“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Manfred Mikusch. So gibt es Fitness-Aktionen mit Gewinnen oder es wird auf die gesunde Ernährung geachtet. Nun nehmen 189 MitarbeiterInnen der Firma, die in der Nähe von Wiener Neustadt liegt, am Rückentrainingsprogramm teil.
Gute Betreuung Unauffällig in einer Ecke eines Seitenparkplatzes bei Wopfinger steht der ASKÖ Mobil Bus. Im Inneren sitzen Viktoria Grabner, sie ist als Sachbearbeiterin im Einkauf tätig, und Gernot Prammer, Sportwissenschafter. Prammer tastet mit einer Spinalmaus den Rücken der Wopfinger-Mitarbeiterin ab. „Die Spinalmaus misst die Rückenform und die Beweglichkeit jedes einzelnen Wirbelsegments“, erklärt Prammer. Dann überprüft er an einer so genannten Back-Check-Station, wie kräftig einzelne Muskelgruppen sind. Das ist wichtig,
denn es kommt sehr häufig vor, dass Menschen durch einseitige Bewegungen Muskeln verkürzt haben. Etwa eine Stunde dauert die gesamte Prozedur. Danach wird analysiert und ein Trainingsprogramm erstellt. Viktoria Grabner wirkt fit, trotzdem machte sie beim „Mobilen Rücken-Check-Programm“ mit: „Ich will nicht erst was tun, wenn ich schon Schmerzen ha-
Gesundheitsberufe: Betriebsrat und TrainerInnen sorgen für Wohlbefinden unter den MitarbeiterInnen, und dafür, dass sie in Form bleiben.
»Übungen können zu Hause nachgemacht werden.« Uta Stickler, ASKÖ
be“, sagt sie. Im nun folgenden Trainingsprogramm wird sie mit ihren KollegInnen drei Monate lang unter Anleitung eines Sportwissenschafters üben. Kniebeugen oder Liegestütze gehören auch dazu.
Richtig bewegen „Die richtige Ausführung ist wichtig, damit der Rücken gestärkt und kein Schaden angerichtet wird“, sagt Prammer. Bei Kniebeugen heißt das, dass der Übergang zwischen Lendenwirbelsäule und Steißbein gerade bleiben sollte und bei den Liegestütz sollten die Hände schulterbreit auseinandersein. Kleine Tipps mit großer Wirkung: Denn nach dem Trainingsprogramm sollen die Wopfinger-MitarbeiterInnen die Übungen zu Hause selber machen, um so den Rückenbeschwerden zu trotzen. Das Rücken-Check-Programm kann von jedem Betrieb in Österreich gebucht werden. Es gibt auch die Möglichkeit, dass Zuschüsse gewährt werden. Infos unter: www.askoe.at Christan Resei
Bau-Holz-Gewerkschafter Josef Muchitsch organisierte Anfang Februar eine Enquete im Parlament zu den Zukunftsthemen Umwelt, Bauen und Wohnen. Mit umweltwirksamen Bauinvestitionen sollen Umweltziele erreicht und Beschäftigung gesichert werden. Mehr als 460 Expertinnen und Experten diskutierten über Zukunftsinvestitionen. Die Ausführungen der ExpertInnen bestätigten die Notwendigkeit an zusätzlichen Investitionen in Umwelt, Bauen und Wohnen, um erklärte Klimaziele zu erreichen, eine leistbares Wohnen zu sichern, erneuerbare Energieträger zu forcieren und notwendige Investitionen in Verkehrs- und Bildungsinfrastrukturen zu schaffen. Der Einladung folgten auch die zuständigen Regierungsmitglieder, es war die bisher größte Enquete in der Zweiten Republik.
Richtige Bewegungen und Ausführung der Übungen sorgen dafür, dass der Rücken gestärkt und kein Schaden angerichtet wird.
Überlastung Die Arbeitsbedingungen in den Gesundheitsberufen sind nicht länger tragbar, das besagt eine aktuelle Studie zu „Arbeitsbelastungen in den Gesundheitsberufen in Wien und Niederösterreich“, die von der Arbeiterkammer, den Gewerkschaften GdG-KMSfB, vida und GPA-djp Anfang März in Wien präsentiert wurde. Die Gewerkschaften und die Arbeiterkammer fordern eine Offensive zum Gesundheitsschutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Rationalisierungsmaßnahmen haben zur Überlastung von vielen Beschäftigten geführt, und wenn die Nachbesetzung freier Dienstposten weiter verzögert wird, steigen die Belastung weiter an. Die Gewerkschaft GdG-KMSfB fordert daher rasche Nachbesetzungen und den sofortigen Stopp der Einsparungsmaßnahmen. Die Gewerkschaft vida sieht in Gesundheitsberufen Zukunftsjobs. Willibald Steinkellner, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft vida: „Sehr wenige junge Menschen sind aber bereit, einen Beruf im Gesundheitsbereich zu ergreifen, und gleichzeitig steht das Gesundheitswesen unter ständigem Sparzwang.“ Die vida fordert, dass Gesundheits- und Sozialeinrichtungen gesetzlich ein Mindestpersonalschlüssel vorgeschrieben wird.
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RECHT
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Arbeitsrecht: Kettenarbeitsverträge unzulässig
„Wir werden wieder klagen“ Das Management der Post AG zeigt trotz arbeitsrechtlicher Urteile keine Einsicht und will MitarbeiterInnen aushungern. Regelwidrig. Die Post AG hat eine Mitarbeiterin mit mehreren befristeten Dienstverhältnissen beschäftigt – anders gesagt: mit unzulässigen Kettenverträgen. Obwohl das nicht der erste Fall ist und bereits arbeitsrechtliche Urteile ausgesprochen wurden, ist das Unternehmen offensichtlich nicht gewillt, diese Urteile anzuerkennen. Die Arbeiterkammer hat nun wiederholt wegen unzuläs-
siger Kettenverträge geklagt. „Wir haben damals angekündigt, jeden einzelnen weiteren Fall einzuklagen“, sagt ÖGBLandesvorsitzender Siegfried Pichler. „Gemeinsam mit der Personalvertretung können wir es nicht hinnehmen, dass die Post AG das Arbeitsrecht ignoriert und die Mitarbeiter offensichtlich aushungern will. Wir leben in einem Rechtsstaat und in keiner Bananenrepublik“, so
Pichler. Schon vor einigen Monaten hat die Arbeiterkammer in zweiter Instanz für einen Postmitarbeiter ein arbeitsgerichtliches Urteil erwirkt. „Die Post scheint dieses Urteil aber zu ignorieren, wie dieser neue Fall zeigt“, sagt Postgewerkschafter und oberster Personalvertreter Franz Wallmann. „An ihrem unsozialen Vorgehen hat sich nichts geändert.“ Bei illegalen Kettenverträgen werden ÖGB und AK immer wieder klagen.
Wiederholung Im jüngsten eingeklagten Fall sind die Fakten gleich gelagert: aufeinanderfolgende befristete Dienstverträge, die schlussendlich in einem schlechteren Kollektivvertrag mündeten, den die Mitarbeiterin nicht akzeptieren wollte. „Der von uns eingeklagte Betrag wurde bezahlt“, erläutert der Leiter der Arbeiterkammer-Prozessvertretung, Hans Werner Mitterauer. „Nicht geleistet wurden die Nachzahlungen, und die Arbeitnehmerin wurde auch nicht wieder zur Arbeit zugelassen und weiterbeschäftigt, obwohl mit dem Urteil ein aufrechtes Dienstverhältnis vorliegt.“
Nicht lernfähig „Die Post AG argumentiert, dass die ,Arbeitszulassung‘ nicht eingeklagt wurde, das ist aber gar nicht möglich“, wie Mitterauer betont. „Wir haben der Post unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass wir gegen unsoziale und arbeitsrechtlich unzulässige Kettenarbeitsverträge wieder und wieder klagen werden“, betont Pichler. „Offenbar ist es eine Strategie des Unternehmens, die Dienstverträge immer nur zu befristen, die Mitarbeiterinnen und Mi unter Druck zu setzen und letztlich auszuhungern.“ „Dieser nun von der Arbeiterkammer eingeklagte Fall wird sicher nicht der letzte“, schließt Wallmann. „Es ist nicht akzeptabel, dass die Post rechtskräftige Urteile ignoriert!“ Hermann Wackerle
infobox In Fällen der unzulässigen Kettenarbeitsverträge können sich ÖGB-Mitglieder auch an ihre zuständige Gewerkschaft wenden. Ansprechpersonen und alle Telefonnummern finden sie auf der ÖGB-Website unter: www.oegb.at
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Solidarität
ARBEITSWELT
BABE-Kollektivvertrag: ArbeitnehmerInnen profitieren
Steuerfrei:
Faires Lehren möglich
Jobticket
Freie Arbeitsverhältnisse wurden in feste Anstellungen umgewandelt.
©Bildagentur Waldhäusl/Theo Kust
die jetzt angestellt wurden“, erklärt Andrea Schober von der GPA-djp. Schober betreut die Interessengemeinschaften (IG) work@education. IGs sind Plattformen für viele traditionelle freie Berufe. Der Kollektivvertrag regelt eine große Zahl von Ansprüchen, die nicht in Gesetzen stehen oder über gesetzliche Bestimmungen hinausgehen.
Rechte einklagbar
9.000 Beschäftigte profitieren von dem Vertrag. Vor allem aber auch Frauen, die jetzt angestellt wurden.
Erwachsenenbildung. Lebenslanges Lernen dient dem Zusammenhalt in der Gesellschaft und beugt Ausgrenzung so weit wie möglich vor. Zugang zu Bildung soll allen Menschen, egal welchen Alters, möglich sein. Erwachsenenbildung, sei es an Volkshochschulen, dem bfi (Berufsförderungsinstitut) oder etwa dem WIFI (Wirtschaftsförderungsinstitut), trägt einen wichtigen Teil dazu bei. Von Sprachkursen bis zum Nachholen von Bildungsabschlüssen
reicht das Bildungsangebot für lernbegierige Erwachsene. Auf das Wohlbefinden der zumeist freiberuflich Unterrichtenden wurde bis vor kurzem allerdings kaum geachtet.
Endlich Kollektivvertrag Mit der Satzung des Kollektivvertrags für Erwachsenenbildung ist nun eine deutliche Verbesserung erreicht – seit vergangenem Oktober ist er geltendes Recht. Abgeschlossen wurde er zwischen der Gewerkschaft
GPA-djp und der Berufsvereinigung der ArbeitgeberInnen privater Bildungseinrichtungen (BABE). Wurden bislang nur rund 60 Prozent der Beschäftigten nach dem sogenannten BABE-KV entlohnt, ist das Abkommen nun verpflichtend in über 500 privaten Bildungseinrichtungen in Österreich anzuwenden. Davon profitieren 9.000 Beschäftigte, ein Großteil ist weiblich. „Dieser Vertrag hilft vor allem auch vielen Frauen,
So ist die Festlegung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld ausschließlich dem Kollektivvertrag vorbehalten, Zuschläge für besondere Arbeitszeiten, wie etwa in der Nacht oder am Sonntag, sind darin geregelt. Wichtig für ArbeitnehmerInnen: Alle Rechte des Kollektivvertrages sind einklagbar. Durch die Satzung des BABEKollektivvertrags wurde die Position der ErwachsenenbildnerInnen gestärkt. Es ist jetzt nicht mehr möglich, die Arbeitsbedingungen mit Einzelverträgen individuell zu verschlechtern und etwa über Jahre hinaus keine Gehaltserhöhung zu zahlen. Christian Resei
Gewalt am Arbeitsplatz: Unterschiedliche Formen
Nicht tatenlos zusehen Belastung und Wettbewerbsdruck erhöhen das Konfliktpotenzial, Abhilfe schafft Prävention.
Augen nicht verschließen
ung Belästig lt a und Gew splatz eit am Arb rävention
Die Betriebe sind gefordert, dert, enntindem sie ein Musterbekenntichen nis zum partnerschaftlichen tz forVerhalten am Arbeitsplatz bsvermulieren oder eine Betriebsverießen. einbarung dazu abschließen. ür die„Es muss Bewusstsein für erden, ses Problem geschaffen werden, damit Vorgesetzte und MitarbeiterInnen nicht tatenloss zuse-
Leistung beeinträchtigt. Fehlt das Bewusstsein, können sie dem Problem nicht entgegenwirken.“
Neue Broschüre Brosc
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Models.
Fälle wie dieser sind keine Seltenheit. Europaweit fallen ca. 21 Millionen Menschen Gewalt am Arbeitsplatz zum Opfer. „Wir unterscheiden zwischen interner und externer Gewalt“, erklärt Ingrid Reifinger, ÖGBExpertin für ArbeitnehmerInnenschutz. „Interne Gewalt spielt sich innerhalb eines Betriebs ab, externe Gewalt wird von Kunden oder Patienten auf die Mitarbeiter ausgeübt.“ Auch zwischen körperlicher
hen. Aber auch die Betroffenen müssen sich darüber klar werden, wie sehr körperliche und psychische Gewalt ihre Gesundheit und ihre
sind Personen Dargestellte Zwecken. illustrativen
Bewusstsein schaffen
und psychischer Gewalt wird unterschieden. Neben körperlichen Übergriffen sind Mobbing, Stalking, Belästigung und ormen sexuelle Belästigung Formen splatz. von Gewalt am Arbeitsplatz. Dass diese immer häufiger wird, liegt Reifinger zufolge an dem steigenden Wettbewerbsdruck und an der Belastung durch geringe Personalressourcen, derr ArbeitnehmerInnen aus-rgesetzt sind. Dadurch würnde sich das Konfliktpotenfft zial erhöhen. Abhilfe schafft vor allem Prävention.
zu Bildinhalt
„Fahrschein bitte.“ Zwei Fahrgäste reagieren nicht. Also wird Josef deutlicher: „Darf ich Ihre Fahrscheine sehen?“ Da fangen die beiden an, ihn zu beschimpfen, spucken ihm sogar ins Gesicht. Als Josef sich wehren will, stoßen sie ihn zu Boden. Der Zugbegleiter ruft nach Hilfe. Vergebens, denn die beiden Fahrgäste beginnen auf ihn einzuschlagen. Noch bevor die Polizei kommt, suchen sie das Weite.
Zur Präve Prävention beitragen soll aauch die neue Broschüre der Sozialpartner, der Industriellenvere ellenvereinigung und Verb des Verbands der öffentlich Wirtschaft fentlichen G und Gemeinwirtschaft „Belästigung und Gewalt am Arbeit Arbeitsplatz – Instrum trumente zur Präventi vention“. „Denn schli schließlich kann dies dieses Thema jed jeden von uns bet betreffen“, so Re Reifinger absc schließend. Be Bestellen: se servicecenter@ o oegb.at JJudith ud Kormann
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Die Gewerkschaft vida unterstützt die Forderung des Verkehrsclubs Österreich (vcö) nach einem steuerfreien Öffi-Jobticket für alle ArbeitnehmerInnen. Seit Jahresbeginn können Unternehmen ihren Beschäftigten ein steuerbegünstigtes Jobticket zur Verfügung stellen, allerdings ist diese Steuerfreiheit an den Bezug einer Pendlerpauschale gebunden. „Dadurch werden drei Viertel der ArbeitnehmerInnen von der Option Jobticket ausgeschlossen“, beklagt Wilhelm Haberzettl, stv. vida-Vorsitzender. Ein steuerfreies Jobticket für alle würde den ArbeitnehmerInnen eine Menge Geld ersparen. Vorteil für die Öffis wäre: bessere Auslastung, Kostendeckungsgrad wird gehoben, budgetentlastend. Die Folgen wären: neue Arbeitsplätze entstehen, Nutzen für die Umwelt.
Europa: Demonstration
Aktionstag Die Proteste gegen unsoziale Sparpolitik in Europa gehen weiter., im April in Budapest: „Wir wollen eine deutliche Nachricht an die EU-Präsidentschaft, die Europäische Zentralbank und an die europäischen Finanzminister senden, die an diesem Tag an der ECOFIN-Tagung in Budapest teilnehmen werden“, so der EGB. Zahlreiche GewerkschafterInnen aus ganz Europa werden am 9. April 2011 an der Demo unter dem Titel „Für ein soziales Europa, Jobs, Wohlstand, gerechte Steuern und Gesetze“ teilnehmen und gegen Sozialabbau zulasten europäischer ArbeitnehmerInnen demonstrieren. Informationen und Anmeldung: www.oegb.at/demo
Milliardäre:
Immer mehr Superreiche brechen alle Rekorde. In den letzten zwei Jahren ist die Zahl der Superreichen rasant gestiegen. Laut „Forbes“-Liste gibt es nun 1.210 Dollarmilliardäre, das sind etwa 200 mehr als 2010. Steve Forbes: „Die Liste repräsentiert: es geht aufwärts, aber nicht überall“. Die drei Reichsten sind: Telekommunikations-Unternehmer Carlos Slim Helu, Microsoft-Gründer Bill Gates und Investor Warren Buffett. Die Hauptstadt der Superreichen ist nicht mehr New York, sondern Moskau.
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Solidarität
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SERIE
Mahlzeit: Slowakei
Schmierkaas aus Liptov Nachbars Küche, Teil 2: Wo sich Kuchen drehen, Schafe weiden und der Liptauer her ist. Kulinarischer Migrant. Ein Achterl, ein Liptauerbrot, und zum Verdauen ein Enzian. Bevor jetzt die Heurigenseligkeit aufkommt, Achtung: Wir sind in keiner Buschenschank. Der Enzian heißt Horec, der Liptauer wird šmirkás genannt und aus Bryndza (Brimsen), Butter, Zwiebel, Paprika, Senf, Kümmel, Kapern und Sardellen angerührt.
besten dort, wo sie professionell und frisch gebacken werden, zum Beispiel bei Marktständen, die man nicht verfehlen kann, weil sie mitten in einer Duftwolke aus Germteig, Zimt und Nüssen stehen.
Zum Nachkochen
Er kommt aus der Region Liptov in der nördlichen Mittelslowakei. Brimsen ist eine Art säuerlicher Topfen und wird aus der Milch von Schafen gemacht, die hirtenbehütet in der Landschaft weiden. Den braucht man auch für bryndzové halušky, Erdäpfelteignockerl mit Brimsen und Schmalz. Für die Nockerln nimmt man ein halbes Kilo geriebene rohe Erdäpfel, ein Ei, Mehl und Salz. In Salzwasser kochen, bis sie nach oben geschwommen sind. Mit Brimsen vermischen, Speckwürfel und ein bisschen Muskatnuss drüber. Wer beim Kochen mehr Strapazen auf
© Bildagentur Waldhäusl/ Hannes Eichinger
Schafsmilch in aller Munde
Viele schmackhafte Zutaten auf einer Brotscheibe: Schmierkaas alias Liptauer.
sich nehmen will, macht aus den halušky strapačky: Zwiebel in Schmalz anbraten, weißes Kraut mitschwitzen, mit den Brimsennockerln servieren. Bei einer borovička, einem Wacholderbrand, lässt sich dann über die Nachspeise diskutieren.
Dass es trdelník gibt, ist zwar klar, aber umstritten ist, ob diese traditionell über Eichenfeuer gedrehte Kuchenrohre aus der Slowakei kommen oder doch aus Tschechien oder Ungarn. Trdelník kauft man wegen der komplizierten Produktion am
»Hat man einmal keine Lust zum Selberkochen, zahlt sich auch ein kulinarischer Besuch bei unserem Nachbarn, der Slowakei, aus.«
SCHÖN, DASS ES EINE BANK GIBT, DIE MITTEN IM LEBEN STEHT.
Der Zweite unten links, das ist der Ludwig, auch Wiggerl genannt. Der findet es ganz angenehm, dass er auch beim Training mit Geldfragen zum Hannes kommen kann. Denn der Hannes (Dritter von links hinten) ist nicht nur als Stürmer begnadet, sondern auch als BAWAG P.S.K. Berater. Mitten im Leben. www.mitten-im-leben.at
Selbermachen könnte am fehlenden offenen Feuer scheitern, wer’s trotzdem probieren möchte: Der Teig besteht aus 0,1 Liter Milch, einem halben Kilo Mehl und einem Packerl Germ, zwei Eiern sowie Salz, Vanille und Zitronenschale. Auf das doppelte Volumen gehen lassen, Streifen um Holzstäbe (Nudelwalker) oder Metallrohre wickeln und über der Glut drehend dunkel werden lassen, zwischendurch mit Butter bepinseln. Holz ausfädeln, Kuchen in einer Mischung aus geriebenen Nüssen und Staubzucker oder Zimt und Kristallzucker wälzen. Warm essen. Oder doch Mühe sparen und einen Ausflug über die Grenze wagen. Florian Kräftner
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Solidarität
EU & INTERNATIONAL
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Ägypten: Neubildung der Gewerkschaften
48 Stunden als Müllmann:
Neuer Wind
Rollentausch
„Ägypten ist frei!“ Dieser Ausruf hallte am 11. Februar durch ganz Ägypten. Tausende Menschen versammelten sich am Tahir Platz, um Husni Mubaraks Rücktritt zu feiern. Auch international brach Jubel aus. Denn schon vor diesem Ereignis hatten die Mitglieder des Internationalen Gewerkschaftsbundes, darunter auch der ÖGB, ihre Solidarität zu den Demonstrierenden erklärt.
Neuer Wind Vom ägyptischen Gewerkschaftsbund, der Egyptian Trade Union Federation (ETUF), kam jedoch keine Hilfe. Dieser stand bis zu Mubaraks Rücktritt auf der Seite der Regierung. „ETUF versteht sich eher als Vertreter der Regierung bei den ArbeitnehmerInnen als umgekehrt“, berichtet Felix Eikenberg von der FriedrichEbert-Stiftung in Kairo, die
dort gewerkschaftlichen Aufbau leistet. Unterstützt wurden die Demonstrierenden von den beiden unabhängigen Gewerkschaften, der RETA und der Gewerkschaft der Medizintechniker. Beide sind international anerkannt, wurden von der Regierung aber nur toleriert. Wobei auch dieser Begriff dehnbar ist, versuchte die ETUF doch ihre Gründung zu verhindern. Nun weht allerdings ein neuer Wind und vieles scheint unsicher: Wird der Dachverband fortbestehen? Werden sich neue Gewerkschaften bilden? „In erster Linie geht es jetzt um den politischen Wandel“, so Eikenberg. Ägypten steht vor einer großen Herausforderung: Die Euphorie und die Erwartungen des Volkes sind groß, die wirtschaftliche Lage jedoch schwierig. Neben dem Einbruch des Tourismus als
© ADWAN,FADY/Action Press/picturedesk.com
Der Anfang ist getan. Jetzt wartet noch viel Arbeit.
Das Volk feiert und hat große Erwartungen, die Lage ist aber schwierig.
eine der wichtigsten Einnahmequellen, wird das Land nun auch von einer Rückkehrwelle ägyptischer Gastarbeiter aus Libyen überschwemmt.
Viel zu tun Schon jetzt streiken viele ArbeitnehmerInnen, jedoch ohne gewerkschaftliche Organisation. Die Proteste forderten sogar ein Todesopfer. „Der Vorfall
zeigt die Wichtigkeit einer Änderung auf der Gewerkschaftsebene“, so Eikenberg. Auf die ägyptischen Gewerkschaften kommt viel Arbeit zu, die Lage scheint aber nicht hoffnungslos: In der Industriestadt Tenth of Ramadan City begannen ArbeitnehmerInnen bereits, sich zu organisieren. Ein Anfang.
MigrantInnen:
Aktionstag Anfang März organisierten sich weltweit MigrantInnen für gleiche Rechte und gegen Diskriminierung, soziale Ausschlüsse und Rassismus. Die Gewerkschaft vida unterstützte diesen Aktionstag: „Wir leben und arbeiten gemeinsam, daher wollen wir auch gleiche Rechte für alle“, sagte vidaVorsitzender Rudolf Kaske. Am österreichischen Arbeitsmarkt haben rund 13 Prozent der Beschäftigten einen Migrationshintergrund. Diese sind jedoch nicht gleichmäßig auf alle Branchen und Sektoren verteilt. „Strukturelle Benachteiligung und fehlende Chancengleichheit drängen Personen mit Migrationsgeschichte in das Niedriglohnsegment“, so Kaske.
Judith Kormann
Indien: Traditionelle Gesellschaft
Betriebe haben es leicht Soziale Unterschiede machen es Unternehmen einfach, Gewerkschaften auszuspielen.
Höhere Löhne gefordert Typisch für indische Verhältnisse ist, dass die meisten Gewerkschaften in der Nähe von links orientierten Parteien angesiedelt sind. Zwölf anerkannte Gewerkschaftsorganisationen gibt es. Die Textilarbeitervereinigung war lange Zeit die stärkste. Heute machen sich Indiens Gewerkschaften generell für höhere Einkommen stark. „Die Interessen der ArbeitnehmerInnen müssen gehört werden“, meinte jüngst die Vorsitzende der Congress-Party, Sonia Ghandi. Die ihr nahestehende Gewerkschaft hatte wegen der steigenden Lebenshaltungskosten zu Protesten aufgerufen. 45 Tage lang streikten Arbeitneh-
© Heike Hausensteiner
Ordnung. Strenge Arbeitsteilung herrscht im Stoffgeschäft in der Provinzstadt Kottayam in Indiens Bundesstaat Kerala. Sind Sari oder Stoffe ausgesucht, werden die Textilien von Frauen verbucht und ein Empfangsschein ausgestellt. Hat man an der Kassa beim Kassier bezahlt, erhält man einen Beleg und holt sich damit die sorgfältig in Papier verpackten Textilien. Das südwestliche Kerala ist typisch und untypisch zugleich für Indien. In dem kleinen Staat des riesigen Subkontinents sind die Kommunistische Partei sowie Gewerkschaften ausnahmsweise stark vertreten. Auch der Vorsitzenden der Congress-Party, Sonia Ghandi, sind die Anliegen der ArbeitnehmerInnen wichtig. Die ihr nahestehende Gewerkschaft rief zu Protesten für höhere Löhne auf, 3.000 Menschen nahmen teil.
merInnen eines Auto-Konzerns im nordindischen Bundesstaat Haryana Ende des Vorjahres.
Soziale Unterschiede Laut Schätzungen hat Indien zehn bis 25 Millionen Gewerkschaftsmitglieder – bei einer Arbeitskraft von insgesamt 470 Millionen; fast ebenso viele gelten als AnalphabetInnen. „Hinter Indiens privilegierten Arbeiterklassen – die einen Job in einem der drei Sektoren von Industrie, Landwirtschaft oder Dienstleistung haben – liegt eine große Armee von Arbeitslosen, die wenige Bedingungen
stellen. Die sozialen Unterschiede machen es Unternehmen einfach, die Gewerkschaften auszuspielen“, unterstreicht Edward Luce, englischer Politologe und Journalist.
Meinungen nicht im Einklang Luce hat in dem Buch „Ungeachtet der Götter“ den „eigenartigen Aufstieg des modernen Indien“ beschrieben. Oft seien die Gewerkschaften untereinander zerstritten. Manche wollen nicht Seite an Seite mit den „Dalits“ arbeiten. Das ist die unterste Schicht der Kastenlosen. Hinzu kommt der große
Geschlechterunterschied in der sogenannten größten Demokratie der Welt. Die Frauengewerkschaft Sewa („Self-Employed Women’s Association“) hat mehr als 600.000 Mitglieder, die als Selbstständige Räucherstäbchen, Zigaretten oder Textilien von Hand herstellen. Sewa trainiert ihre Angehörigen auch in Bezug auf die Wertschätzung ihren Töchtern gegenüber. Denn oft werden Söhne bevorzugt, damit das Familienunternehmen weitervererbt werden kann. Heike Hausensteiner
Vancouvers Bürgermeister Gregor Robertson fand heraus, wie es ist, als Müllmann zu arbeiten. Der Politiker trat kürzlich in der Serie „Make the Politician Work“ des kanadischen Senders CBC auf und verbrachte zwei Tage damit, Müll zu sammeln, zu sortieren und alle anderen damit verbundenen Arbeiten zu verrichten. Vor allem von dem Engagement der Müllarbeiter war Robertson beeindruckt: „Ich war erstaunt, wie ernst die Leute ihre Arbeit nehmen, wie sie sich engagieren, und wie sehr ihnen unsere Zukunft am Herzen liegt. Das ist für die Stadt und auch für die SteuerzahlerInnen von enormem Wert.“
Adidas:
Extrazahlung Der deutsche Sportartikelhersteller Adidas belohnt seine MitarbeiterInnen nach dem erfolgreichen Geschäftsjahr 2010 mit der höchsten Sonderzahlung in der Geschichte des Unternehmens. Alle Beschäftigten in Deutschland, die nicht durch das Bonusprogramm oder eine Provision ohnehin am Erfolg beteiligt würden, erhielten mit dem Märzgehalt bis zu 2.000 Euro brutto zusätzlich. Der weltweit zweitgrößte Sportartikelhersteller hatte nach dem herben Krisenjahr 2009 mit knapp zwölf Mrd. Euro einen Umsatzrekord eingefahren und sein Ergebnis auf 567 Mio. Euro mehr als verdoppelt.
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Solidarität
MAGA ZIN/MEINUNG
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Gerechte Strafe Wer Kollektivverträge ignoriert, begeht künftig eine Straftat. Das Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping sieht Strafen bis zu 50.000 Euro für Unternehmer vor, die bei den Löhnen sparen. Bisher mussten die Opfer selbst vor Gericht gehen, künftig wird die Verfolgung Aufgabe der Behörden. Und: Die KVMindestlöhne gelten für alle ArbeitnehmerInnen, die in Österreich beschäftigt sind.
Strafe ohne Grund
Illustration: Markus Szyszkowitz
Das Gesetz gegen Lohndumping und die Rot-WeißRot-Card, eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme, wurden vom Ministerrat ohne jeden Grund mit Asylund fremdenpolizeilichen Angelegenheiten vermischt, kritisiert die Gewerkschaft vida. Statt darüber, dass es nun Strafen für Unterentlohnung geben wird, spricht nun ganz Österreich davon, dass alle AsylwerberInnen eingesperrt werden, obwohl sie nichts angestellt haben.
Berufsbildung: Hohe Ansprüche brauchen verlässliche AkteurInnen
Von Anfang an, ein Leben lang Viele Ausbildungsmöglichkeiten, doch die Qualität verschiedener Schulstandorte bringt ungleiche Chancen mit sich.
Ungleiche Chancen Bildungsprozesse können und sollen nicht völlig standardisiert ablaufen, dennoch zeigt sich, gemessen an unterschiedlichen Indikatoren, dass die Ausbildungsqualität unterschiedlicher Schulstandorte und noch viel mehr bei den Ausbildungsbetrieben weit, ja zu weit streut. Dies bringt für die jungen Men-
schen in Österreich im Zuge der Ausbildung selbst, aber natürlich auch beim Übertritt und Verbleib im Beschäftigungssystem, ungleiche Bedingungen und Chancen mit sich.
Augenmerk auf Gelingen Die berufsbildenden Schulen reagierten darauf bereits 2004 mit dem Aufbau eines bundesweit umgesetzten Qualitätssicherungssystems. Bei der betrieblichen Ausbildung, als wesentlichem Teil des dualen Lehrausbildungssystems, steht ein systematisches Qualitätsmanagement und entsprechende externe Qualitätssicherung noch aus. Eine solche Sicherung der Ausbildungsqualität müsste neben wichtigen Inputfaktoren (Anzahl und Qualität der sachlichen und räumlichen Ausstattung, Qualifikation der AusbildnerInnen, Qualität der Ausbildungspläne u. v. m) besonderes Augenmerk auf Gelingensfaktoren der LehrLernprozesse legen (vermittelte Ausbildungsinhalte, eingesetzte Methoden, Prüfungs- und Beur-
teilungskonzept, Aufrechterhaltung und Beförderung der Motivation der Lernenden, soziale Kompetenzen u. v. m.). Erst damit kann gesichert werden, dass der zunehmend ins Blickfeld rückende Outcome von beruflicher Erstausbildung (Erfolg bei der Abschlussprüfung,
wichtige Instrumente und Rahmenmodelle entwickelt, unter anderem, um die Qualität und gleichzeitig die Attraktivität der beruflichen Aus- und Weiterbildung in Europa zu steigern sowie, um Transparenz zwischen den Bildungssystemen zu schaffen.
© Mediendienst.com
Große Auswahl. Berufliche Bildung hat in Österreich im Anschluss an die Pflichtschulzeit einen sehr großen Stellenwert. So absolvieren rund 80 Prozent der jungen Menschen eine betriebliche oder vollschulische berufliche Ausbildung und zwar zu annähernd gleich großen Anteilen. Die Vielzahl an bestehenden Ausbildungsberufen (etwa 250) und an Schulen (etwa 600 Lehrpläne) zeigt die große Breite an Ausbildungsmöglichkeiten. Diese manchmal auch als Unübersichtlichkeit bezeichnete thematische Vielfalt geht aber auch mit einer großen qualitativen Bandbreite der Bildungsangebote einher.
Vorrang für Erstausbildung
Entwicklung von beruflicher Handlungsfähigkeit, Effizienz und nachhaltige Verwertbarkeit des erzielten Abschlusses am Arbeitsmarkt) sichergestellt werden kann. Hierzu wurden auch auf europäischer Ebene
Nimmt man auch die kaum mehr zu übersehenden Anforderungen an eine lebensbegleitende Weiterentwicklung der beruflichen und persönlichen Kompetenzen hinzu, so müssen die Bildungsziele von beruflicher Erstausbildung künftig auch um Grundlagen dafür erweitert werden.
» Auch auf europäischer Ebene wurden wichtige Instrumente entwickelt, um die Attraktivität der beruflichen Weiterbildung zu steigern.«
Weiterbildung ist Chance
tens Zugangsmöglichkeiten zu beruflicher und insbesondere betrieblicher Weiterbildung. Diese soll dazu beitragen, Arbeitsplätze zu sichern, Erwerbslosigkeit abzubauen, beruflichen Wiedereinstieg und Aufstieg zu ermöglichen, und auch zur Gestaltung von Arbeit selbst befähigen.
Der Erhalt, die Vertiefung und die Erweiterung von Kompetenzen für qualifizierte Erwerbstätigkeit, zur beruflichen und räumlichen Mobilität und gleichzeitig persönlichen Entfaltung brauchen einerseits ein entsprechendes Fundament aus der Erstausbildung und zwei-
Peter Schlögl