-ZEITSCHRIFT FÜR DIE ARBEITSWELT
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Interview: ÖGB-Präsident Foglar zur Schieflage im Steuersystem und ÖGB-Herbstthemen Seite 3
Heiß: Die Frauen und Männer der Gastkommentar: Oliver Röpke vom Wiener Berufsfeuerwehr machen ÖGB-Europabüro über EU-Wirtschaftsreeinen gefährlichen Job Seite 5 gierung und alternative Ideen Seite 12
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Nachholen von Bildungsabschlüssen Von der Bildung hängen die Arbeitsmarktchancen ab. Hier erhalten Sie Informationen und Unterstützung bei Ihrer Bildungswegentscheidung. Dienstag, 30. August 2011, 18.00 Uhr Anmeldung unter servicecenter@oegb.at oder 01/ 534 44 - 39100 erforderlich. Johann-Böhm-Platz 1, 1020 Wien
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Solidarität
editorial
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AKTUELL
Der Wirtschaftsmotor brummt wieder – die Gewerkschaften wollen bei den Lohnverhandlungen einen gerechten Anteil für die Beschäftigten.
NANI KAUER
Gegen Gegenwind Steuergerechtigkeit, Bildung, Gesundheit, Pensionen, Europäische Wirtschaftsregierung, Lohn- und Gehaltsverhandlungen – viele Themen beschäftigen ÖGB und Gewerkschaften im kommenden Herbst. Über allem steht – wie es ÖGB-Präsident Erich Foglar im Interview auf Seite 3 ausspricht, der Mut, trotz Gegenwind voranzugehen. Natürlich gibt es Kräfte, die gegen Reformen im Bildungsbereich sind und die die Trennung in Bildung für Arme und Bildung für Eliten aufrecht erhalten wollen; die weiterhin beim Thema Pensionen den Konflikt der Generationen schüren wollen; die meinen, starke Lohnsteigerungen sind nicht drin; oder – eine der stärksten Lobbys – die vehement dagegen sind, die Steuern auf Arbeit zu senken und dafür Vermögende stärker in die Pflicht zu nehmen. Widerstände gegen mehr Gerechtigkeit und gegen Verbesserungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gab es schon immer. Und noch nie sind Gewerkschaften davor in die Knie gegangen. Verbesserungen können dauern, aber ein starker ÖGB mit vielen Mitgliedern hat auch einen langen Atem …
Impressum: Herausgeber: Österreichischer Gewerkschaftsbund, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1. Medieninhaber: Verlag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96-0, Fax 01/662 32 96-39793, E-Mail: Renate.Wimmer@ oegbverlag.at, www.oegbverlag.at. Herstellerin: Leykam Druck GmbH & Co KG, 7201 Neudörfl, Bickfordstr. 21. Verlagsort: Wien. Herstellungsort: Neudörfl. Chefredaktion: Nani Kauer. Kaufmännische Leitung: Christoph Höllriegl. AutorInnen: Florian Kräftner, Amela Muratović, Michaela Hubweber, Sonja Adler, Milena Borovska, Bettina Loidhold, Maximilian Brustbauer, Clemens Nechansky, Martin Riedl, Dr. Heike Hausensteiner, Luzia Janoch, Christian Selz, Mag. Oliver Röpke. Layout/Grafik/Bildredaktion: Stephanie Guberner, Isabelle Carhoun. Anzeigen: Mag. Thomas AichelburgRumerskirch, www.brandcom.at, soli@brandcom.at. Sekretariat: Sonja Adler, Johanna Kastner. Lektorat: Renate Nebehaj-Neuber. Redaktionsadresse: 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel.: 01/534 44-39262, Fax: 01/534 44-39916, E-Mail: soli@oegb.at WWW: http://www.oegb.at/soli Für unverlangt eingesendete Manuskripte und Fotos keine Gewähr. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit Zustimmung der Redaktion und mit Quellenangabe. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.“
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Löhne und Gehälter: Am wirtschaftlichen Erfolg beteiligen.
Gute Ernte einfahren Die Metallindustrie startet traditionell Ende September die Herbstlohnrunde. Einstieg. „Wir fordern kräftige Lohnerhöhungen für die Kolleginnen und Kollegen. Und wenn es sein muss, werden wir zusammen mit unseren Mitgliedern auch den nötigen Druck erzeugen.“ Rainer Wimmer, Vorsitzender der Produktionsgewerkschaft PRO-GE, will in den Kollektivvertragsverhandlungen für die Metallindustrie „ordentliche Ernte einfahren“. Die Metaller eröffnen traditionell die Herbstlohnrunde. Zahlreiche andere Branchen folgen kurz darauf, darunter der Handel mit 450.000 Beschäftigten.
Heftige Teuerung Die VerhandlerInnen werden jedenfalls um jeden Cent kämpfen, denn die Teuerung war im vergangenen Jahr heftig. „Energie, Treibstoffe, Nahrungsmittel, aber auch Wohnungsmieten sind empfindlich teurer geworden. Der tägliche Einkauf reißt ein Loch in das Geldbörsel. Das spüren die Menschen massiv.“ Das bele-
gen auch die Zahlen der Statistik Austria, die für Juni eine Inflationsrate von 3,3 Prozent ausweisen. Doch damit noch nicht genug: Der sogenannte „Miniwarenkorb“, der einen typischen wöchentlichen Einkauf abbildet und neben Nahrungsmitteln und Dienstleistungen auch Treibstoffe enthält, ist um 6,3 Prozent teurer gekommen als ein Jahr davor.
Schwacher Konsum Lohn- und Gehaltserhöhungen sind neben der Sicherung des Lebensstandards ein wichtiges Instrument, um den Konsum zu stärken. Angesichts der weiterhin stockenden Binnennachfrage sprach sich Anfang Juli auch der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, Karl Aiginger, für eine eher großzügige Lohnrunde aus.
Wirtschaft wächst Und, so Wimmer, Wirtschaftsforscher würden für 2011 ein Wachstum von mehr als drei
Steuern: Foglar für Strukturreform
MEHR NETTO VOM BRUTTO Die Lohnpolitik der Gewerkschaften ist für die Entwicklung der Bruttoeinkommen verantwortlich, und die hat selbst im härtesten Krisenjahr in allen Branchen Zuwächse gebracht. ÖGBPräsident Erich Foglar: „Wie viel dann netto übrig bleibt, hängt vom Steuersystem ab, und da ist primär die Finanzministerin zuständig. Von den Lohnverhandlungen bleibt viel zu wenig übrig, das ist ungerecht, das muss sich ändern. Den ArbeitnehmerInnen muss endlich mehr Netto vom Brutto im Börsel bleiben.“ Der ÖGB fordert Entlastung von Arbeitseinkommen und Besteuerung von großen Vermögen ab 700.000 Euro. www.fairteilen.at und www.facebook.at/fairteilen Prozent erwarten. „Die Auftragsbücher der Metallindustrie sind voll, die Produktionsauslastung ist sehr gut. Vor allem die Exporterfolge haben enorm zum Aufschwung beigetragen. Dieser riesige Erfolg ist nicht
» Werden den nötigen Druck erzeugen.« PRO-GE-Vorsitzender Wimmer
an irgendeiner Aktienbörse ‚erspekuliert‘ worden, sondern wurde ausschließlich von den Beschäftigten ermöglicht.“ Daher wird die PRO-GE, die wieder gemeinsam mit der GPA-djp verhandelt, eine kräftige Lohnerhöhung für die Kolleginnen und Kollegen fordern: „Sie müssen am wirtschaftlichen Aufschwung beteiligt werden. Daran führt kein Weg vorbei.“
HERBSTLOHNRUNDEN Metallindustrie Metallgewerbe-ArbeiterInnen Arbeitskräfteüberlassung Handelsangestellte BAGS (priv. Gesundheits- u. Sozialbereich) Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger
PRO-GE, GPA-djp PRO-GE PRO-GE GPA-djp GPA-djp, vida vida
165.000 Beschäftigte 110.00 70.000 450.000 80.000 40.000
22. September Herbst Herbst 19. Oktober Dezember Herbst
Außerdem: Güterbeförderung, Autobus, Privatkrankenanstalten, Brauer, Bäcker, Molkereien, Forstarbeiter, Schuhmacher etc.
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Solidarität
SCHWERPUNKT
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Interview: Realwirtschaft muss wieder Vorrang haben
Kinderbetreuung:
Mit Mut vorangehen
Aufholbedarf
Solidarität: Die Preissteigerungen sind drastisch. Wie sollen sich das die Menschen noch leisten können? Erich Foglar: Gerade die untersten Einkommen haben schwer damit zu kämpfen. Das Problem ist die Inflationsrate, 8,2 Prozent Preissteigerung sind zwar nur eine Momentaufnahme, aber die macht den Menschen schon zu schaffen. Arbeitseinkommen gehören deshalb längerfristig entlastet.
Solidarität: Wie kann das erreicht werden? Erich Foglar: Wir wollen Arbeitseinkommen entlasten und dafür vermögensbezogene Steuern als fairen Beitrag einführen. Auch eine Erbschaftssteuer kann ich mir vorstellen. Wir sollten vor allem die entlasten, die Leistung erbringen. Wer erbt und etwas geschenkt bekommt, hat keine Leistung für das Geld erbracht. Solidarität: Wo könnte man noch ansetzen? Erich Foglar: Steuerbetrug und Steuerhinterziehung müssen bekämpft werden. Solidarität: Wie stehen Sie zur Steuer auf Finanztransaktionen? Erich Foglar: Jedes Stück Brot unterliegt einer Steuer, aber Finanzkapital wird heute hemmungslos über den Globus verteilt und hin- und hergeschoben. Die Finanztransaktionssteuer ist deshalb eine der wichtigsten und besten Steuern überhaupt, die wir einführen müssten. Die europäische Ebene wäre da sicherlich wichtig, noch besser wäre eine internationale
Steuer. Wir sollten auf diese Einnahmen nicht verzichten. Solidarität: Was bringt die Finanztransaktionssteuer? Erich Foglar: Wenn die europäischen Staaten ein Promille (ein Tausendstel) an Finanztransaktionssteuer einführen würden, brächte das 250 Milliarden Euro im Jahr. Im Vergleich: Das EU-Budget liegt nur bei 146 Milliarden Euro pro Jahr. Solidarität: Wofür würde man das Geld verwenden? Erich Foglar: Wie man das Fell des Bären verteilt, kann man sich überlegen, wenn man es hat. Notwendigkeit zum Investieren haben wir genug. Mit der Finanztransaktionssteuer hätten wir genug, um in Bildung zu investieren, in Pflege, Gesundheit, Ausbildung von Gesundheitskräften, Forschung, Technologie oder Entwicklung. Solidarität: Wie könnten die Finanzmärkte heute reguliert werden? Erich Foglar: Die Deregulierung der Finanzmärkte war ein Fehler und hat in die Krise geführt. Rohstoff-Spekulationen müssen verboten, Steuerbetrug
und -hinterziehung bekämpft werden. Damit kann schon viel Geld geholt werden. Weiters sind die Steuerausnahmen zu überprüfen. Sind manche davon überhaupt noch gerechtfertigt? Die Realwirtschaft muss endlich wieder Vorrang vor der Finanzwirtschaft haben. Solidarität: Was sind die Schwerpunkte des ÖGB für den Herbst? Erich Foglar: Ein wichtiges Thema sind die Lohnpolitik und die Lohnverhandlungen, die Ende September starten. Die Gewerkschaften werden versuchen, möglichst gute Bedingungen für die ArbeitnehmerInnen zu verhandeln. Weitere Themen sind die Steuergerechtigkeit – es muss mehr Netto vom Brutto bleiben. Auch die Bereiche Pflege, Betreuung und Gesundheit bleiben nach wie vor Schwerpunktthemen. Und schließlich das Bildungsthema und die dringend nötigen Reformen im Bildungsbereich. Natürlich haben wir überall Gegenwind, aber es geht um den Mut, voranzugehen. Martin Riedl
Steuern: Achtung Schieflage
Die „kleinen Leute …“ Phrasendrescher gegen Steuergerechtigkeit. Österreich ist bei den Arbeitseinkommen ein Hochsteuerland, für Vermögende aber ein Steuerparadies. Nur 1,4 Prozent der Steuereinnahmen kommen von Vermögen, von den ArbeitnehmerInnen kommen gut zwei Drittel. Der ÖGB will
die Arbeitseinkommen entlasten – mehr Beiträge von den großen Vermögen sollen diese Entlastung tragen. Gegner von Vermögenssteuern strapazieren immer die gleichen Argumente, die durch Wiederholung allerdings auch nicht richtiger werden.
men zahlen tatsächlich keine Lohnsteuer. Sparen können sie nichts, sie müssen ihr gesamtes Einkommen gleich wieder ausgeben, für Lebensmittel, Miete etc. und zahlen somit sehr viel Mehrwertsteuer. Außerdem zahlen sie Monat für Monat für ihr gesamtes Einkommen Sozialversicherungsbeiträge.
Reiche zahlen alles „Besserverdienende tragen fast die ganze Steuerlast, andere zahlen gar nichts.“ Menschen mit den niedrigsten Einkom-
Mittelstand wird belastet „Vermögenssteuern belasten den Mittelstand.“ Der Mittelstand wird immer wie ein
Schutzschild vor Vermögende gehalten. Klar ist: Die „Reichen“ leisten zu wenig zum Gemeinwohl. Der ÖGB hat ein Modell erarbeitet, das Besteuerung für große Vermögen über 700.000 Euro vorsieht. Das typische Einfamilienhaus wird also ebenso wenig wegversteuert, wie das bisschen Geld am Sparbuch, das sich durchschnittliche ArbeitnehmerInnen auf die Seite legen können. www.fairteilen.at
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ÖGB-Präsident Foglar über die Entlastung von Arbeitseinkommen und ÖGB-Herbstschwerpunkte.
Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek kündigte an, die Schließtage von Kindergärten und Horten zu verkürzen. „Kindergärten bauen Barrieren für die Vollzeitbeschäftigung von Frauen ab und erhöhen die Bildungschancen für Kinder. Bundesweit in ein ganztägiges, leistbares und qualitativ hochwertiges Kinderbetreuungsangebot zu investieren, rechnet sich daher auch langfristig für den Staat“, begrüßt Brigitte Ruprecht, ÖGB-Frauenvorsitzende den Vorschlag. „Das darf aber nicht nur für die Sommerferien gelten.“ Österreich hat bei öffentlicher Kinderbetreuung großen Aufholbedarf. „Es gibt nach wie vor zu wenig Betreuungsplätze und zu wenig Kindergärten, die wöchentlich 45 Stunden offen haben“, kritisiert Ruprecht. Vor allem für die Unter-Dreijährigen würden noch viele Betreuungsplätze fehlen.
Löhne:
Hände weg! „Wir brauchen sicher keine EU-Überwachungsstelle für Lohnabschlüsse“, kommentieren Rainer Wimmer (PRO-GE) und Wolfgang Katzian (GPA-djp) den Vorschlag des Finanzbeamten Wieser über ein koordiniertes Vorgehen gegen die europäischen Staatsschulden. „Kollektivverträge und Lohnerhöhungen werden von freien Gewerkschaften verhandelt, wir werden sicher nicht zum Präsidenten der Europäischen Zentralbank pilgern, um die erreichten Lohnabschlüsse zu erklären“, erteilen die Gewerkschaften diesem Vorhaben eine deutliche Absage. Die klare Botschaft der Gewerkschaften an die Politik lautet: Hände weg von den Löhnen!
Adressänderungen:
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BILDUNG
Bildungsdialog Teil 3:
Lehre
AK-Umfrage:
KinderuniWien: Studieren mit zehn Jahren
Wir dürfen mitreden Kindern werden komplizierte Inhalte und Themen in Vorlesungen und Seminaren erklärt. Kinder lernen. Im Rahmen einer KinderuniWien-Vorlesung sprach Dwora Stein, Bundesgeschäftsführerin der GPA-djp, vor und mit Kindern über komplizierte Begriffe wie „Gerechtigkeit“ und „Verantwortung“ und darüber, was Gewerkschaften für die Gesellschaft leisten. Max (10) ist schon seit vier Jahren dabei, wenn die Wiener Universitäten den Kindern offen stehen. Trotz sommerlicher Hitze wartet er am Unicampus auf den Vorlesungsbeginn. Das Thema: „Warum es für alle besser ist, wenn es allen gut geht.“
© ÖGB/Aleksandra Pawloff
Im Februar begann der „Bildungsdialog“ – regelmäßige Treffen der Sozialpartner ÖGB, AK, Wirtschaftskammer, Landwirtschaftskammer gemeinsam mit der Industriellenvereinigung auf der einen, und den MinisterInnen für Bildung und für Wissenschaft auf der anderen Seite. Beim ersten Treffen präsentierten die Sozialpartner ihre Forderungen, zusammengefasst in zwölf Punkten, für rasche Reformen im Bildungsbereich. Ende Juni standen die Hochschulen im Mittelpunkt des zweiten Bildungsdialogs. ÖGB-Präsident Erich Foglar: „Es ist dringend nötig, Lehr- und Lernbedingungen an den Universitäten zu schaffen, die den Bedarf der Studierenden nach den bestqualifizierten Vortragenden erfüllen, und die den Fokus der Tätigkeit der Lehrenden von der Forschung wieder mehr in die Hörsäle verlagern.“ Der dritte Bildungsdialog soll im Herbst stattfinden und sich dem Thema duale Berufsausbildung widmen. Denn wenn jetzt schon bekannt ist – und teilweise schon gejammert wird –, dass in einigen Jahren Fachkräfte fehlen werden, dann muss sofort etwas getan werden.
Dwora Stein informiert die Kinder an der Uni über die Gewerkschaftsarbeit und beantwortet alle Fragen.
Begriffe erklären Stein erzählt davon, wie sich Menschen zu Gewerkschaften zusammenschließen, um einander zu helfen. Die Gewerkschafterin wird, wie an der Uni üblich, mit Tischklopfen empfangen. Während des Vortrags hören alle gespannt zu und machen bei der Diskussion mit. Es geht um Begriffe wie „Reichtum“, „Armut“ und „Fairness“. Max ist politisch interessiert und hat einen klaren Vorschlag: „Ich würde den Geldhandel abschaffen, der bringt Probleme und löst Krisen aus. Tauschhandel wäre besser.“ Yanek (10) gibt als Berufswunsch Bundespräsident an. Adletkhan würde in diesem Amt „etwas für das Umweltbewusstsein der Menschen tun“. „Die Kinder interessieren sich für Politik und denken kri-
tisch. Sozialwissenschaften sind ein großes Thema an der KinderuniWien“, so Karoline Iber, Geschäftsführerin des Kinderbüros der Uni Wien.
An Erfahrungen anknüpfen „Um den Kindern komplizierte Themen nahezubringen, muss man an ihren Erfahrungen anknüpfen“, so Stein. Viele der Kinder haben bereits Erfahrungen mit Armut gemacht. Zwei von etwa 30 Kindern kennen Freunde, die noch nie auf Urlaub waren, an die zehn kennen Kinder, die keinen eigenen Schreibtisch besitzen oder alte Kleidung tragen müssen. Nach dem Vortrag wissen sie, an wen man sich wenden muss, wenn man trotz Arbeit arm ist, und wenn die Arbeitsbedingungen
nicht stimmen. Stein ist begeistert: „Unglaublich, ich bin sehr beeindruckt von dem Wissen der Kinder und den Fragen, die sie gestellt haben.“ Max
zum Vortrag: „Es hat mir sehr gut gefallen, vor allem, dass wir auch mitreden durften.“ Milena Borovska
KinderuniWien 2011 Von 11. bis 23. Juni standen heuer zum neunten Mal die Uni Wien, die Universität für Bodenkultur, die Medizinische Universität und die Technische Universität rund 4.000 KinderuniWienStudentInnen offen. Angeboten wurden 455 verschiedene Vorlesungen, Seminare, Workshops und Exkursionen aus 35 Fachbereichen, die von prominenten WissenschafterInnen und ExpertInnen durchgeführt wurden. Besondere Highlights waren naturwissenschaftliche Schwerpunkte, aber auch einige sozialwissenschaftliche Veranstaltungen. Die Teilnahme war kostenfrei. Im Sommer 2012 wird die KinderuniWien wieder ihre Pforten öffnen. Bis dahin können interessierte Kinder und Jugendliche bei Projekten wie der Demokratiewerkstatt oder dem Jugendparlament mitmachen. http://www.demokratiewerkstatt.at/
Teures Lernen „Wer sich Nachhilfe leisten kann, steht besser da“, sagt ÖGB-Vizepräsidentin Sabine Oberhauser. Seit Anfang Juli boomt die private Nachhilfeindustrie wieder. Laut einer Arbeiterkammer-Umfrage geben Familien fast 37 Millionen Euro fürs Lernen im Sommer aus. Betroffen sind eine von acht Familien mit Schulkindern. „Ganztägige Schulformen nehmen großen Druck von den Eltern, sowohl was den zeitlichen als auch den finanziellen Aufwand betrifft. Nachhilfe muss überflüssig werden“, fordert Oberhauser, „wir brauchen daher deutlich mehr ganztägige Schulangebote.“
Bildung: Soziale Selektion durch Studiengebühren
Studieren nicht leistbar Geldsorgen sind für viele Studierende ein K.-o.-Kriterium. ÖGB und ÖGJ fordern Verbesserungen. Universitäten. Vom oftmals vermuteten „gemütlichen Studentenleben“ kann der Großteil der rund 282.000 StudentInnen an Österreichs Universitäten nicht sprechen: 60 Prozent der Studierenden müssen im Schnitt 20 Wochenstunden arbeiten, um sich ein Studium überhaupt leisten zu können, so die Vorsitzende der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) Janine Wulz.
Trotz des Zuverdiensts gab in einer Erhebung des Wissenschaftsministeriums rund ein Viertel der Studierenden an, finanzielle Schwierigkeiten zu haben. Ein zusätzliches Problem stellen für viele auch die 2001 eingeführten Studienbeiträge dar. „Studiengebühren wirken sozial selektiv – mit ihrer Einführung haben 45.000 Studierende ihr Studium abgebrochen“, heißt es seitens der ÖH,
die eine Abschaffung fordert. Auch der ÖGB und die Österreichische Gewerkschaftsjugend (ÖGJ) setzen sich für eine bessere staatliche Finanzierung des Bildungssystems und die Abschaffung der Gebühren ein.
Angebote anpassen „Die finanzielle Situation ist für viele ein K.-o.-Kriterium bei der Entscheidung für bestimmte Studienrichtungen – oder über-
haupt für die Entscheidung zu studieren“, sagt ÖGJ-Vorsitzender Jürgen Michlmayr. „Die arbeitenden Studierenden brauchen gute Angebote wie Lehrveranstaltungen am Abend, Institute und Bibliotheken mit langen Öffnungszeiten sowie Kinderbetreuungseinrichtungen an den Unis – aber sicher keine Studiengebühren.“ Michaela Hubweber
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REPORTAGE
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Einkommen:
Offenlegen
Reportage: Berufsfeuerwehr Wien
Die Furcht besiegen
© ÖGB/Thomas Reimer
Bis 31. Juli mussten große Unternehmen erstmals Einkommensberichte intern offenlegen. Die BetriebsrätInnen, denen die Berichte vorzulegen sind, sind gut geschult und auch die Unternehmen wurden informiert. „Ich gehe davon
Nicht jeder kann diesen Job meistern – die Wiener Berufsfeuerwehr beweist ihr hohes Können täglich über 100-mal in Risikosituationen. Nur die Besten halten diesen Belastungen stand. Arbeitsalltag. Heinz Altenburg balanciert in seiner Ausrüstung auf der schmalen Ziegelreihe des Daches. Neben ihm bricht der brennende Dachstuhl zusammen und stürzt in die Tiefe. Bei diesen Erinnerungen lehnt sich der Feuerwehrmann und Betriebsrat der Wiener Berufsfeuerwehr ergriffen an eine Säule in der Parkhalle der Feuerwehrautos. Neben den riesigen Einsatzfahrzeugen liegen zerkratzte Helme auf der Garderobe. Drei Paar abgenutzte Stiefel stehen darunter. „Unsere Arbeit hat nichts mit Heldentum zu tun“, gibt Altenburg sich bescheiden. „In der Ausbildung bereiten wir uns auf den Ernstfall vor. Dann weiß jeder, was er zu tun hat“, ergänzt Feuerwehrmann Martin Henzl selbstbewusst in seiner dunkelblauen Uniform. Dennoch kommen Bilder von erschütternden Einsätzen immer wieder ins Gedächtnis. Die Motivation, warum viele dem Feuerwehrberuf trotz der harten Bedingungen nachgehen, sieht Henzl im Helferkomplex: „Auch beim privaten Spaziergang kann man als Feuerwehrmann nicht einfach weitergehen.“
Feuer in der Gasleitung: Die Feuerwehrmänner üben für den Ernstfall.
Leiharbeit:
Auf der Spitze In der Zentrale Am Hof werden alle Einsätze koordiniert. Es gilt bei aufgeregten Anrufern Ruhe zu bewahren.
Koordination Am Hof Jeder Anruf wird von der Nachrichtenzentrale Am Hof koordiniert. 1.800 MitarbeiterInnen sind bei der Wiener Berufsfeuerwehr beschäftigt. Von dem Lärm der Umbauarbeiten lassen sich die vier zuständigen Beamten jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Geduldig wiederholen sie die Frage an die aufgeregte Frau am anderen Ende der Leitung. Sekundenschnell übermitteln sie den Alarm zum nächsten Brandeinsatz.
Trainingseinheiten eingeplant Das Brandhaus in Wien-Floridsdorf wurde für Übungszwecke der Wiener Berufsfeuerwehr erbaut. Beim Betreten trügt der Schein einer norma-
aus, dass sie ihrer Pflicht nachgekommen sind“, sagt Brigitte Ruprecht, ÖGBBundesfrauenvorsitzende. Wenn nicht, kann sie sich die Veröffentlichung eines Schwarzbuchs vorstellen. Das neue Gesetz ist am 1. März 2011 in Kraft getreten. Die Pflicht zur Offenlegung wird schrittweise umgesetzt und ist abhängig von der Unternehmensgröße. Im ersten Schritt sind rund 200 Betriebe mit mehr als 1.000 Beschäftigten betroffen. Ab dem Jahr 2014 betrifft es auch Unternehmen mit mehr als 150 MitarbeiterInnen und somit 50 Prozent aller Beschäftigten. Die ÖGB-Frauen haben Informationen, Tipps und unterstützende Materialien rund um das Thema Einkommenstransparenz zusammengestellt: www.oegb.at/frauen
In der Parkhalle sind Fahrzeuge und Ausrüstung immer einsatzbereit.
len Familienwohnung: Ehebett und Küchenherd sind aus Blech nachgezimmert. In den verwinkelten und stockdunklen Räumen kämpft die Mannschaft dann mit den per Knopfdruck auflodernden Stichflammen. „Die Furcht zu besiegen, ist eine Übungssache wie bei jedem anderen Beruf“, meint der Offizier Johann Kellner.
Strenges Auswahlverfahren „Bei den Sicherheitsvorkehrungen sind wir am Stand der
Technik“, erzählt Altenburg. Die Wiener Feuerwehrstadträtin Renate Brauner weiß auch, dass die steigenden Anforderungen regelmäßige Weiterbildung verlangen. „Mein Ziel ist es, mehr Frauen für die Feuerwehrarbeit zu gewinnen“, sagt Brauner. Derzeit beschäftigt die Feuerwehr drei Frauen. Für sie gelten jedoch die gleichen Anforderungen beim Fitnessaufnahmetest wie für Männer. Bettina Loidhold
Rund 20 BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen aus Deutschland und Österreich trafen sich am 10. August auf der 2.963 Meter hohen Zugspitze. Mit dieser gemeinsamen Aktion machten die Gewerkschaft PROGE aus Österreich und die deutsche ver.di auf die Probleme der LeiharbeiterInnen in beiden Ländern aufmerksam. Auf dem höchsten Berg Deutschlands – im Bereich des Gipfels verläuft die Grenze – enthüllten sie gemeinsam Transparente. Trotz eines sehr guten Kollektivvertrages in Österreich sind LeiharbeiterInnen immer wieder falsch eingestuft und werden oft zu einvernehmlichen Auflösungen ihrer Arbeitsverhältnisse gedrängt, damit sich die Firmen die Bezahlung von Stehzeiten ersparen.
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ARBEITSWELT
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Arbeitsmarktöffnung: Zu niedrige Löhne strafbar
Strengere Kontrollen wirken Ansturm blieb aus, neues Lohndumpinggesetz zeigt Wirkung. etwas über 13.000 Menschen nach Österreich gekommen, die meisten aus Ungarn, gefolgt von Polen und Slowaken. Um die Einhaltung des neuen Gesetzes (siehe Kasten) zu kontrollieren, haben die Behörden verstärkt Kontrollen durchgeführt.
Bau und Ernte
©Thomas Trabi
Am 1. Mai 2011 fielen die Übergangsbestimmungen am Arbeitsmarkt für BürgerInnen aus acht EU-Ländern, seither dürfen Menschen aus Tschechien, der Slowakei, Slowenien, Ungarn, Polen, Estland, Lettland und Litauen auch in Österreich und Deutschland ohne Einschränkungen arbeiten. Der prophezeite Ansturm ist ausgeblieben: Knapp drei Monate nach dem 1. Mai sind
Zwei Beispiele: Im Juni wurden in der Steiermark bei der Baubranche und Agrarwirtschaft wurden verstärkt kontrolliert.
Kontrolle einer Baustelle vier slowenische Fassader kontrolliert. Sie waren bei einer slowenischen Firma beschäftigt, der die österreichische Baufirma einen Subauftrag erteilt hatte. Anstatt eines Bruttostundenlohnes von 11,21 Euro erhielten sie nur 8,30 Euro – mehr als 25 Prozent zu wenig. Die Bauarbeiter Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) erstattete Anzeige und beantragte ein Strafausmaß von 18.000 Euro. In Kärnten verhalf die Gewerkschaft PRO-GE ungarischen Erntehelfern zu ihrem Geld: Die versprochene Entlohnung von vier Euro pro Stunde wurde nicht eingehalten.
Info gegen Ausbeutung Unwissenheit oder Sprachbarrieren der betroffenen Kollegen aus den Nachbarstaaten werden ausgenutzt. Für Baugewerkschafter Josef Muchitsch ist klar: „Wir müssen verstärkt Aufklärungsarbeit leisten.“ ÖGB und Gewerkschaften haben Betriebsräte umfassend informiert, außerdem gibt es Informationen in den Sprachen der Nachbarländer. Infos gibt es auch unter: www.arbeitsmarktoeffnung.at
Das neue Gesetz Der ÖGB hat ein Gesetz durchgesetzt, das ArbeitnehmerInnen und Betriebe vor Ausbeutung schützt. Kein Unternehmen darf sich durch unterbezahlte Angestellte einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Die Einhaltung des kollektivvertraglichen Mindestlohns kontrolliert ein Kompetenzzentrum der Wiener Gebietskrankenkasse und die Kontrolle für illegale Ausländerbeschäftigung. Ein Verstoß zieht empfindliche Verwaltungstrafen nach sich.
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ARBEITSWELT
Betriebsräte: Für ArbeitnehmerInnenrechte
Leiharbeitsfirmen:
Immer einsatzbereit
Gütezeichen
Ilse Fetik ist 54 Jahre alt. Die Hälfte davon ist sie in der ArbeitnehmerInnenvertretung engagiert. Einstieg. Vor 30 Jahren wurde Ilse Fetik zum ersten Mal zur Betriebsrätin im Österreichischen Kreditinstitut gewählt. Aufgrund mehrmaliger Fusionierungen ihrer Arbeitgeber musste sie sich immer wieder der Wahl stellen. Und sie gewann. Auch in den kurzen Perioden, in denen sie nicht offiziell Betriebsrätin war, kamen die KollegInnen zu ihr.
Offenes Ohr für alle Mittlerweile ist ihr ursprüngliches Bankinstitut von der Erste Group Bank AG übernommen worden. Pro Tag bearbeitet sie 60 E-Mails – zusätzlich zu persönlichen Gesprächen. „Natürlich kostet es Kraft, immer für die Probleme der anderen ein Ohr zu haben, aber ich bekomme genauso viel zurück“, erzählt Fetik. Eine Dienstfreistellung für ihre Funktion hat sie nicht. Ihr Motto – beruflich und privat: früh anfangen und spät aufhören. Ihr Kalender ist voll. Mitunter weiß Fetik nicht immer, was sie täglich zu tun hat, aber „das System funktioniert ganz gut“, sagt die Wienerin. Um alle Termine besser koordinieren zu können, ist ihr Kalender online. So können ihre KollegInnen selbst einen Zeitpunkt für ein Gespräch eintragen. Der Kalender bestimmt ihr Leben und nicht umgekehrt. Seit 2005 ist sie Mitglied im Europa-Betriebsrat der Erste Group Bank AG. In dieser Funktion vertritt sie neben MitarbeiterInnen in Öster-
Schon im Jahr 2009 forderte die Gewerkschaft PRO-GE eine Zertifizierung von Personaldienstleistern, um Firmen, die sich Wettbewerbsvorteile mit Lohn- und Sozialdumping erschleichen, zu bekämpfen. Im Jahr 2011 wurde das Gütezeichen umgesetzt. Seither können Leiharbeitsfirmen, die sich an Gesetz und Kollektivvertrag halten und den MitarbeiterInnen Aus- und Weiterbildung ermöglichen, das Gütesiegel beantragen. Die Gewerkschaft hat bei der Vergabe ein Veto-Recht. Zudem werden die Voraussetzungen für das Führen des Gütezeichens laufend überprüft.
Film aus der Arbeitswelt: Vor 30 Jahren zum ersten Mal zur Betriebsrätin gewählt. Heute ist sie Mitglied im Europa-Betriebsrat und vertritt neben MitarbeiterInnen in Österreich noch weitere 50.000 ArbeitnehmerInnen.
reich, noch weitere 50.000 ArbeitnehmerInnen. „Beharrlich“, so beschreibt Fetik sich selbst.
Über 100 Prozent geben Mit Geduld kämpft sie gegen den Lohn- und Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen. Wenn Verhandlungspartner sagen, sie habe Ecken und Kanten, aber auch ein eigenes Profil, versteht sie das als Lob. Sie will nicht Schuldige finden, Lösungen werden benötigt. Zusätzlich zu ihrer Aufgabe als Betriebsrätin ist sie seit einigen Jahren Bundesfrauenvorsitzende sowie stellvertretende Bundesvorsitzende der GPA-djp und Vorstandsmitglied des ÖGB. Trotz
»Mein Motto – beruflich und privat – lautet: früh anfangen und spät aufhören. Der Kalender ist schließlich voll.« Ilse Fetik der großen Belastung würde sie alles genauso wieder machen. „Es ist mir ein Anliegen, die Rechte von Menschen zu vertreten. Ich neige dazu, mich zu
verzetteln und 300 Prozent zu geben!“ Eine Grundvoraussetzung für diesen Job. M. Brustbauer, C. Nechansky
A-typisch: Neues Beratungsangebot
Grauzone absichern „Focus 1“: Seminare und Beratung für „Neue Selbstständige“. jekt, eine zielgerichtete Unterstützung“ handle.
len Unternehmensberatungen ausgeweitet werden, die durch VertreterInnen der Arbeiterkammer, der Gewerkschaft und der Wirtschaftskammer erfolgen, und dann weiter über ein maßgeschneidertes Kursprogramm, die Vergabe von Mikrokrediten und EinPersonen-Unternehmen-Förderung sowie Maßnahmen zur Risikominimierung reichen. Bis zum Ende der Laufzeit Ende 2012 will man 1.600 Personen betreuen.
Integration Das Projekt versteht sich als „überregionale Unterstützung für prekär Beschäftigte“ und wird in Wien, der Steiermark und Oberösterreich durchgeführt. Das von der Consultingfirma ÖSB durchgeführte Projekt richtet sich an EinpersonenunternehmerInnen, die seit wenigstens zwei Jahren selbstständig sind. Das Projekt soll besonders auch dazu dienen, ältere Personen, Personen mit Migrationshintergrund und Frauen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Es sol-
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Die wachsende Gruppe der atypisch Beschäftigten bekommt Rat und berufliche Weiterbildung vom Sozialministerium und von den Sozialpartnern. WerkvertragsnehmerInnen, Neue Selbstständige und Freie DienstnehmerInnen haben mit dem Projekt „Focus 1“ eine Unterstützung, die auf die Bedürfnisse von Personen in atypischer Beschäftigung eingeht und diese in Form von Beratungsgesprächen und Seminaren gezielt unterstützt. Sozialminister Rudolf Hundstorfer betont, dass es sich bei „Focus 1“ nicht um ein Massenprojekt, sondern um ein „wichtiges Nischenpro-
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Weitere Informationen zum Projekt erhalten Sie unter 01/331 68-3000 oder unter: focus1@oesb.at
HOT SPOT In der Küche des Wiener Restaurants „Michl‘s“ geht es um mehr als in anderen Küchen: Nicht nur um das gute Essen und das perfekte Menü, sondern vor allem um die schwierige Rückkehr aus der Langzeitarbeitslosigkeit in ein Leben in Würde. Das „Michl‘s Café Restaurant“ (www.michls.at) ist ein sozialökonomischer Betrieb, dessen Ziel es ist, langzeitarbeitslosen Menschen und Menschen mit Behinderung den Wiedereinstieg in die Arbeitswelt zu ermöglichen. Ab 7. Oktober 2011 ist „HOT SPOT“, ein Dokumentarfilm von Sabine Derflinger, im Kino zu sehen. „Was bist du ohne Arbeit wert?“ – der Film thematisiert den Stellenwert von Arbeit in unserem Leben. „HOT SPOT“ ist nicht nur der erste österreichische Dokumentarfilm, der die Probleme Langzeitarbeitsloser auf die Leinwand bringt, sondern auch ein Film über Menschen, die versuchen, wieder auf die Füße zu kommen – und über die Hilfe, die unsere Gesellschaft dafür anbietet.
Nähere Informationen unter www.hotspot-derfilm.at und auf Facebook.
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RECHT
Rechtsfall: Außergerichtliche Lösung
Unterbrochene Erholung Aus dem Familienurlaub geholt und auf Stornokosten sitzengeblieben. GPA-djp interveniert für Daniela mit Erfolg.
Rechtlich zulässig? 18 Urlaubstage, also drei Wochen, hatte Daniela durchgängig vereinbart, nach zehn Tagen musste sie den angetretenen Urlaub jedoch abbrechen. Unter bestimmten Umständen ist es rechtlich zulässig, dass MitarbeiterInnen aus dem Urlaub zurückgeholt werden, was in Danielas Fall aber nicht gegeben war. Sie brach ihren
Urlaub dennoch unter Protest ab. Ebenso unzulässig war das anschließende Verhalten von Danielas Arbeitgeber.
Stornokosten Als sie ein Monat später, im August, nachfragte, was mit dem verbrauchten Urlaub sei, ließ der Arbeitgeber die Mutter zweier Kinder abblitzen. Neben dem noch offenen Urlaub muss ArbeitnehmerInnen auch der bereits verbrauchte gutgeschrieben werden. Genauso muss der Arbeitgeber die Stornokosten seiner direkt betroffenen Angestellten und auch die für die Familie bezahlen. Das wurde im Fall von Daniela verweigert. Gleich nachdem der Arbeitgeber sie im Urlaub anrief und die Rückkehr aus demselben verlangte, hatte Daniela die Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp) kontaktiert und schriftlichen Protest beim Arbeitgeber eingelegt. Als Daniela bei der GPA-djp erzählte, dass sie ihren verbrauchten Urlaub nicht gutgeschrieben bekomme, wurde außerge-
© ÖGB/Thomas Reimer
Urlaubsabbruch. Daniela U. hatte für Juli 2010 einen Urlaub in der Steiermark mit ihrem Mann und zwei Kindern geplant. Das Hotel war gebucht, der Urlaub vom Arbeitgeber bestätigt und bereits angetreten. Doch Daniela musste aus dem Urlaub zurückkommen. In dem Handelsunternehmen, in dem sie angestellt war, war jemand ausgefallen. Der Nachteil der für die Arbeitnehmerin entstanden ist: Das Kärntner Unternehmen wollte die Stornokosten nicht übernehmen. Die Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp) intervenierte für die Frau – und hatte Erfolg.
Rat von Betriebsrat oder Gewerkschaft zahlt sich immer aus.
richtlich für sie interveniert, Kostenersatz und Urlaubsanspruch erreicht.
Hilfe holen Günther Muhrer, Regionalsekretär der GPA-djp Kärnten, macht darauf aufmerksam, dass sich ähnlich Betroffene im Falle von Unklarheiten
und Problemen bei ihrem Betriebsrat oder direkt bei ihrer zuständigen Gewerkschaft melden sollen. Die Gefahr sei gering, dass daraus negative Konsequenzen entstehen, denn in Unternehmen ab fünf ArbeitnehmerInnen erwerben Betroffene einen MotivKündigungsschutz, wenn sie
ihre berechtigten Ansprüche aus ihrem Beschäftigungsverhältnis einfordern – unabhängig davon, ob es bereits einen Betriebsrat gibt oder (noch) nicht. Damit könnten Beschäftigte gegen eine Kündigung vorgehen. Martin Riedl
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Solidarität
ARBEITSWELT
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ÖGB: Laut EU-Bericht „einzigartige Stellung“
EU-Wirtschaftsregierung:
Schutzwall Sozialpartner
Enttäuschend
Geschwächte Gewerkschaften stehen laut EU-Bericht vor weiteren Herausforderungen. Jene EU-Länder, in denen die Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften am stärksten ausgeprägt ist, bewältigen die Wirtschaftskrise am besten. Das geht aus dem jüngst veröffentlichen Bericht der EUKommission hervor, die die Arbeitsbeziehungen in den vergangenen Jahren untersuchte. In mehr als der Hälfte der EU-Mitgliedsstaaten haben Unternehmens- und ArbeitnehmervertreterInnen Vereinbarungen zum Beispiel zur Kurzarbeit getroffen und so Jobs erhalten. Der Trend, dass Gehaltsvereinbarungen weiter dezentralisiert werden und die ArbeitnehmerInnen direkt mit ihren Arbeitgebern verhandeln, setzt sich fort. Allerdings verfügen immer noch zwei Drittel der ArbeitnehmerInnen über einen Tarifvertrag.
Vorbild Österreich Am stärksten ist die Sozialpartnerschaft in Ländern wie Österreich, Belgien, den Niederlanden und Polen ausgeprägt. Die Stellung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) wird in dem Bericht als „einzigartig“ hervorgehoben: In
Länder mit starken Gewerkschaften und guter Sozialpartnerschaft sind laut EU-Bericht im Vorteil.
keinem anderen Land habe eine gewerkschaftliche Dachorganisation wie der ÖGB, dem alle sieben Teilgewerkschaften angehören, „ein absolutes Monopol“. In den anderen Ländern ist die Gewerkschaftslandschaft wesentlich mehr zersplittert. So gibt es etwa in Frankreich 67 Teilorganisationen.
Mitgliederschwund Die Tendenz, dass die Gewerkschaften immer weniger Mit-
glieder verzeichnen, hat in den 1980er-Jahren eingesetzt und sich weiter fortgesetzt. Die Gesamtzahl der Gewerkschaftsmitglieder in der EU ist von 46 auf 43 Millionen zurückgegangen (2000–2008). Die Zahl der nicht gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten ist hingegen von 120 Millionen auf 140 Millionen gestiegen. Dass es immer mehr ArbeitnehmerInnen, aber immer weniger Gewerkschaftsmitglieder
gibt, liegt u. a. daran, dass es immer mehr flexible Beschäftigungsverhältnisse gibt. Als weitere Gründe nennt der Bericht die gestiegene Arbeitslosigkeit, und dass es schwierig sei, jüngere ArbeitnehmerInnen zu gewinnen. Hinzu kommt, dass aufgrund der Wirtschaftskrise vor allem staatliche Unternehmen einsparen und Jobs abbauen; der öffentliche Sektor stellte zuletzt in Österreich 55 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder (in Skandinavien 75 Prozent). Job-Einsparungen der öffentlichen Hand und die Überalterung der Gewerkschaften werden diese künftig vor große Herausforderungen stellen.
Mindestlohn Im vergangenen Jahrzehnt haben von den jetzt 27 EUStaaten 20 einen festgesetzten Mindestlohn beschlossen. Dessen Wert schwankt freilich zwischen monatlich etwas mehr als 120 Euro in Bulgarien und mehr als 1.600 Euro in Luxemburg. Dennoch, so der EUBericht, „ist ein gesetzlicher Mindestlohn keine Garantie vor Niedriglöhnen“. Heike Hausensteiner
Die deutsche Kanzlerin Merkel und der französische Präsident Sarkozy haben Mitte August neue Vorschläge zu einer Wirtschaftsregierung für die Eurozone gemacht. Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) zeigte sich enttäuscht, das seien die „falschen Signale“. Eine Wirtschaftsregierung kann nur funktionieren, wenn es dabei auch um Nachfrage- und Investitionspolitik geht, das hilft den Ländern, aus den Schulden herauszuwachsen. Einziger Pluspunkt der Vorschläge: Merkel und Sarkozy haben angeregt, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen. Auch ÖGB-Präsident Erich Foglar steht den Vorschlägen skeptisch gegenüber. Die EU braucht dringend verstärkte Koordinierung, vor allem gemeinsame Anstrengungen zur Schaffung von Beschäftigung und Wachstum, zum Abbau der Arbeitslosigkeit. „Eine Wirtschaftsregierung, die demokratisch nicht legitimiert ist, und die den Schuldenabbau nur als Beruhigungspille für die Finanzmärkte begreift und nicht als nötigen Schritt auf dem Weg in eine nachhaltig von Wachstum getragene europäische Zukunft, die brauchen wir bestimmt nicht.“
Neuerscheinung: ©HBF
Verschleiert
gewinnspiel MIT DER SOLIDARITÄT EIN PERSÖNLICHES TREFFEN MIT TOPSTARS UND VIP-PAKETE GEWINNEN! Ein traditionelles „TAG DES SPORTS“-Highlight: Sportminister Norbert Darabos ehrt Österreichs Stars. Sport, Stars, Show, Spaß – einen Tag lang bei freiem Eintritt: Mit dem „TAG DES SPORTS“ geht die 11. Auflage von Europas größtem Freiluft-Sportevent in Szene. Heuer unter dem Motto „Next Generation“. Das heißt für Jung und Alt alle Sportund Bewegungsangebote kennenlernen. Hingehen, ausprobieren – egal, ob traditionelle Sportarten oder die chilligsten Sporttrends,
die auf dem besten Weg sind alle zu begeistern. Sport- und Tanzshows sowie Rock & Pop zählen ebenso zum Programm wie die Autogrammstunden von Österreichs Topstars. Riesenposter liegen gratis bereit, kostenlos ist auch die Teilnahme am „Mach MitGewinnspiel“, als dessen toller Hauptpreis ein neuer Chevrolet wartet. Ein ganz besonderer Preis
erwartet zehn LeserInnen der Solidarität! Sie haben die einmalige Chance, am „Tag des Sports 2011“ OlympiasiegerInnen, Weltoder EuropameisterInnen persönlich kennenzulernen und Original-Autogramme zu sammeln. Dazu gibt es ein exklusives „TAG DES SPORTS“-VIP-PAKET bestehend aus einem T-Shirt, Schirm, Kappe und Kuli mit dem flotten „TAG DES
SPORTS“-Branding. Und – als besondere Rarität – die in limitierter Auflage aufgelegte „TAG DES SPORTS“Sondermarke von Ski-Doppelweltmeisterin Elisabeth Görgl mit Ersttagsstempel der Post AG! 24. September 2011 Wiener Heldenplatz 10 bis 19 Uhr, Eintritt frei Weitere Informationen unter: http://facebook.com/TagdesSportsNG , www.tagdesports.at
Gewinnfrage: Unter welchem Motto steht der 11. „TAG DES SPORTS“?
Die Antwort senden Sie bitte bis 12. September 2011 unter Angabe von Namen, Adresse und Telefonnummer bzw. Mailadresse und Ihrer Konfektionsgröße an Solidarität, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, oder per Mail an soli@oegb.at Die GewinnerInnen werden verständigt und über den Ablauf ihres Besuches am „TAG DES SPORTS 2011“ informiert.
Die verschleiernden und manipulativen sprachlichen Aspekte der Arbeitswelt waren das Motto des zweiten Literaturpreises „Der Duft des Doppelpunktes“. Die Beiträge der PreisträgerInnen sind in der Anthologie „Wir rufen auf! Penner, Fleischwölfe und arbeitsscheues Gesindel“ versammelt. Die Menschen in den Texten entlarven „coole“ Wortschöpfungen, die ihnen den Ausverkauf ihrer sozialen Rechte schmackhaft machen sollen, als Management-Floskeln. Sie verlieben sich und werfen mit Ausdrücken aus dem Wirtschaftsenglisch um sich. Und sie stellen fest: Hinter dem „aufgeblasenen“ Meat-Grinder steckt nichts anderes als der gute alte Fleischwolf. Das Buch „Wir rufen auf! Penner, Fleischwölfe und arbeitsscheues Gesindel“ mit den Beiträgen der PreisträgerInnen können Sie über die Fachbuchhandlung des ÖGB bestellen. E-Mail: fachbuchhandlung @oegbverlag.at
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Solidarität
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SERVICE
Essen 1:
Mahlzeit: Litauen
Kantinen
Kurische Ernährung
Täglich essen mehr als 1,5 Mio. ÖsterreicherInnen in Betriebsküchen. Doch ist das Essen in der Kantine auch wirklich gesund? Seit 1999 läuft die gewerkschaftliche Kampagne FAIR ESSEN. Ziel ist gesundes, faires, umwelt- und sozialverträgliches Essen in Österreichs Betriebsküchen zu fördern. Die Gewerkschaft PRO-GE macht Essen und Trinken auch deshalb zum Thema, weil noch immer manche Geschäftsführung die Betriebsverpflegung als reinen Kostenfaktor sieht. Das ist falsch gedacht, denn gesunde und zufriedene MitarbeiterInnen sind motivierter und können mehr leisten. Besonders bei Schichtarbeit ist das Thema Ernährung wichtig. Schichtarbeit ist eine Belastung für den gesamten Körper. Mahlzeiten zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Zusammensetzung und in geeigneter Umgebung sind daher gerade hier ganz besonders wichtig. Die Speisen sollten leicht bekömmlich und fettarm sein und auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr, am besten in Form von Wasser, Mineralwasser und Tee, geachtet werden. Der Essensreport kann bei der Gewerkschaft PRO-GE bestellt werden: office@proge.at
Essen 2:
Ampel Die EU hat eine Verordnung zur Lebensmittelkennzeichnung vorgelegt, die allerdings auf Kritik von KonsumentenschützerInnen in ganz Europa stößt. Etliche Chancen auf Verbesserungen für die KonsumentInnen wurden nicht genutzt. Vor allem die verbindliche Einführung einer farbgestalteten Nährwertampel fehlt. So eine Ampel könnte die unzähligen Produktinformationen deutlich verständlicher machen. Offenbar, so die KritikerInnen, ist die EU vor der Lebensmittelindustrie in die Knie gegangen. Denn fettund zuckerreiche Produkte wären für die KonsumentInnen klarer und leichter erkennbar gewesen. Die Arbeiterkammer hat einen Ampelrechner erarbeitet, der die Nährwertangaben auf Lebensmittelverpackungen in die Ampelfarben rot, gelb und grün „übersetzt“ und so zeigt, ob viel, mittel oder wenig Fett und Zucker in einem Produkt drinnen sind. www.ampelrechner.at
Nachbars Küche, Folge 5: Kartoffeln, Honigwein und drei warme Mahlzeiten. Und eine kalte Suppe.
„Wenn du was in deinen Magen getan hast, werden es selbst die Klügsten nicht wieder herausnehmen.“ So ist ein litauisches Sprichwort überliefert; und die Litauer tun gerne schwere Dinge in ihre Mägen. Schweinernes, Schmand, Obers, Butter. Aber auch geräucherten Aal, liegt das Land, das in der jüngsten Vergangenheit wegen der NichtAuslieferung eines als Kriegsverbrecher gesuchten Russen durch die österreichische Justiz in die Schlagzeilen geraten ist, doch an der Ostseeküste. Dieser vorgelagert, kann man auf der Kurischen Nehrung eine der größten Sanddünen Europas
besteigen. Sie wird trotz Nadelwaldbewuchses auch „ostpreußische Sahara“ genannt.
für warmes Essen erklären, das vom Frühstück bis zum Abendessen bevorzugt wird.
Würste mit Erdäpfeln gefüllt
Suppe ohne Wasser
Wesentlich für die litauische Küche ist die Kartoffel, obwohl erst im 18. Jahrhundert eingewandert. Mit ihr werden sogar Würste gefüllt; meistens verhält es sich aber umgekehrt, und Fleisch landet im Inneren von čepelinai, Kartoffelteigknödeln in Zeppelinform. Litauen ist der südlichste der drei baltischen Staaten, dennoch auf ähnlichen Breitengraden wie zum Beispiel Dänemark. Das könnte die litauische Vorliebe
Eierschwammerlfans können hier glücklich werden, auch Eierschwammerlexporteure. Schwammerlsuppe kann man auch ohne Wasser kochen: Zwiebel und Knoblauch in Butter glasig werden lassen, mit einem Esslöffel Mehl stauben, gelb werden lassen. Einen Liter Milch einrühren, eine Viertelstunde köcheln lassen. Ein halbes Kilo verschiedene Schwammerln sehr klein schneiden, in Butter bra-
ten bis keine Flüssigkeit mehr da ist und dann in die Suppe mischen. Mit Salz, Pfeffer und Muskat abschmecken, zwei Eigelb und eventuell noch geschlagenes Obers einrühren. Mit Schnittlauch bestreuen; Roggenbrot dazu. Suppen kann man aber auch kalt genießen, zum Beispiel die šaltibarščiai (da steckt der Barschtsch und damit der polnische Einfluss drin), die sich auch schnell am Arbeitsplatz mixen lässt: Zwei (gekocht gekaufte) rote Rüben und eine Gurke würfeln, mit fein gehackten harten Eiern und Frühlingszwiebeln, einem halben Becher Sauerrahm und einem Liter Buttermilch vermischen, eventuell mit Wasser verdünnen, kaltstellen. Getrunken wird Midus, ein Honiglikör, oder Krupnikas, eine Variation davon mit Ingwer, Nelken und Kümmel. Oder der Honigwein Met; und ein weiteres Sprichwort verrät: „Der Alus (Bier) wird mich nicht zwingen, ich werde noch Met brauchen.“ Florian Kräftner
Service: Ferienjob
Aufs Geld schauen Abrechnungen kontrollieren, „Lohnsteuerausgleich“ machen. Der Sommer ist vorüber und der Ferialjob ebenfalls. Viele Jugendliche arbeiten im Sommer aus verschiedenen Gründen, wodurch auch der Arbeitsvertrag und die Bezahlung unterschiedlich ausfallen. Wer zu den Unglücklichen zählt, die im Zuge ihres Ferialjobs „ungerecht“ – sei es arbeitstechnisch oder bezahlungsmäßig – behandelt wurden, hier einige Informationen.
Ferialarbeit – Ferialjob Es existieren unterschiedliche Arten von Ferialjobs. Etwa die Ferialarbeit, die ein Arbeitsverhältnis darstellt, dem jeweiligen Kollektivvertrag der Branche (und eventuellen Betriebsvereinbarungen) zu entsprechen hat und daher auch die Bezahlung ordnungsgemäß erfolgen muss. Außerdem gilt in diesem Fall wie für alle anderen ArbeitnehmerInnen auch die sozialrechtliche Absicherung, wie Unfall- und Krankenversicherung. Der zur Verfügung stehende, aliquote Urlaub – in der Regel zwei Tage pro Monat – muss entweder gewährt oder ausbezahlt werden.
Übersteigen die Bezüge von FerialarbeitnehmerInnen die Geringfügigkeitsgrenze (374,02 Euro) gilt die Pflichtversicherung: Unfall-, Kranken- und Pensionsversicherung. Bei Entlohnung bis zu dieser Grenze müssen die ArbeitnehmerInnen zumindest unfallversichert sein.
Praktikum – Volontariat Als „PraktikantIn“ steht die Lernerfahrung und Ausbildungspraxis im Vordergrund, wodurch Praktika bezahlt oder unbezahlt (Volontariat) werden. Bei Volontariaten ist daher nur die Unfallversicherung Pflicht, bei Praktika gilt es, Arbeitsverhältnisse oder freie Dienstverhältnisse zu unterscheiden. Bei gesetzlich vorgesehenen Praktika gibt es allerdings Ausnahmeregelungen. „Wichtig ist selbst zu erkennen, ob der Ferienjob als Ferialpraktikum oder als Ferialarbeit deklariert ist. Dementsprechend gibt es Unterschiede bei Bezahlung und Ansprüchen“, erläutert Michael Trinko, Bundessekretär der Gewerkschaftsjugend.
Wer zum Beispiel nur einen Monat im Jahr arbeitet, kann sich die bezahlte Lohnsteuer wieder zurückholen!
Steuergeld zurück! Als ArbeitnehmerIn bezahlst du wie alle anderen Beschäftigten auch Lohnsteuer von deinem Gehalt. Bis zu einem Einkommen von 12.000 Euro pro Jahr besteht keine Lohnsteuerpflicht. Die Lohnsteuer,
die du im Zuge deines Ferialjobs bezahlt hast, kannst du dir vom Finanzministerium mittels „Arbeitnehmerveranlagung“ zurückholen. Mehr Infos dazu unter: www.bmf.gv.at Luzia Janoch
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Solidarität
INTERNATIONAL
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OECD-Lob: Kinder, die nicht hungern müssen, können sich auch in der Schule besser konzentrieren.
©Christian Selz (3)
Sozialpartner
Armut in Namibia: Hilfe zur Selbsthilfe
Zukunft wird möglich Pilotprojekt in Namibia erprobt bedingungsloses Grundeinkommen. Frida Nembwaya meldet „ausverkauft“, selbst das Brot in ihren beiden Öfen ist schon vorbestellt. Noch vor vier Jahren hätte die Mutter von acht Kindern nicht im Traum daran gedacht, einmal als Bäckerin ihr täglich Brot zu verdienen – aussichtslos war das in Otjivero, einer aus Blech und Zeltplanen zusammengezimmerten Armutssiedlung 100 Kilometer östlich der namibischen Hauptstadt Windhuk. Dann begann die Basic Income Grant Coalition Namibia, ein Bündnis aus Kirchen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Gewerkschaften, im Jänner 2008, jedem Dorfbewohner monatlich ein bedingungsloses Grundeinkommen von 100 namibischen Dollar (umgerechnet 10 Euro) auszuzahlen – das erste Pilotprojekt seiner Art weltweit.
die Menschen in Otjivero erhalten, aber das Geld hat den Ort verändert. Die Zahl unterernährter Kinder ist nach Angaben der lokalen Klinik bereits in den ersten sechs Monaten von 42 auf 10 Prozent gesunken.
Kinder hungern nicht „Sie können sich jetzt im Unterricht besser konzentrieren“, erzählt die örtliche Schulleiterin Rebecca Heita, die sich zudem darüber freuen darf, dass inzwischen nahezu alle Eltern das Schulgeld bezahlen und 25 ihrer 26 Siebentklässler die höchste Stufe der Grundschule bestanden haben. Eine weiterführende Schule gibt es in Otjivero jedoch nicht, und den meisten fehlt das Geld, die Kinder ins teure Windhuk oder das 120 Kilometer entfernte Gobabis zu schicken.
250 Euro im Monat Nembwaya fing sofort an zu backen. Umgerechnet 250 Euro verdiene sie so inzwischen pro Monat, erzählt die 38-Jährige stolz – fünfmal soviel wie ihr Mann, der auf einer Farm arbeitet. Viele der Menschen in Otjivero sind nicht freiwillig da. Verlieren sie auf der Farm die Arbeit, werden sie am Ortsrand abgeladen. „Die Farmer schmeißen die ganze Familie raus und dann müssen sie hierbleiben“, schildert Hildegaard Klaasen die entsetzliche Praxis.
Neustart mit Nähmaschine Wie Nembwaya ist auch die 53-Jährige, selbst 21 Jahre auf einer Farm tätig, seit ein paar Jahren Geschäftsfrau. Sie hat sich eine Nähmaschine zugelegt und schneidert traditionelle Kleider – dank des Grundeinkommens hat sie genügend solvente Kundschaft. Es sind keine Reichtümer, die
Regierung war nie hier
Nembwaya (oben) bäckt nun Brot – und verdient damit rund 250 Euro im Monat. Hildegaard (unten) hat sich eine Nähmaschine gekauft und hat dank Grundeinkommen für alle genügend Kundschaft.
Die Zukunft bleibt so ungewiss, zumal die Regierung das Projekt nicht wie angedacht ausweiten will. „Sehen ist glauben, aber die waren niemals hier“, klagt Projekt-Mitarbeiterin Tuhafeni Handima. Der ehemalige Premierminister Hage Geingob hatte noch aus eigener Tasche zwei Grundeinkommen für zwei Jahre gespendet, sein Nachfolger lehnt die Idee ab. „Die Regierung glaubt, wir machten die Menschen faul, aber das Gegenteil ist der Fall“, sagt Handima. Die beiden Geschäftsfrauen und eine groß angelegte empirische Untersuchung belegen das, doch die Verantwortlichen bleiben taub. Zum Jahresende drohen der Koalition nun die Mittel auszugehen – und Frida Nembwaya die Kunden. Christian Selz
Angel Gurria, Generalsekretär der OECD, traf am 11. Juli anlässlich der Präsentation des OECD-Länderberichtes für Österreich die Spitzen der heimischen Sozialpartner ÖGB, AK, Wirtschaftskammer und Landwirtschaftskammer sowie der Industriellenvereinigung. Es war das erste Mal in der 50-jährigen Geschichte der OECD, dass dieses Treffen zustande kam. Das Thema des Gesprächs waren die Krise und deren Bewältigung. Gurria hat bereits mehrfach die positive Rolle der Sozialpartner bei der Krisenbewältigung in Österreich hervorgehoben. Beim Gespräch im ÖGB-Haus wurde er noch deutlicher: „Ihnen fällt das Besondere der Sozialpartnerschaft vielleicht gar nicht mehr auf. Aber Sie sollten sie pflegen – das ist nicht business as usual.“ Gurrias Botschaft an Österreich: Die gute wirtschaftliche Performance bei gleichzeitig hohem sozialen Zusammenhang sei nicht in vielen Ländern der Fall. Zuvor hatte Gurria die hohe Steuerlast auf Arbeit in Österreich kritisiert – eine Kritik, die der ÖGB teilt und daher eine Systemänderung fordert.
Kritische Arbeitnehmerin:
Gekündigt Etappensieg für die Meinungsfreiheit von ArbeitnehmerInnen: Wer Missstände im eigenen Unternehmen öffentlich macht, darf dafür nicht bestraft werden. Das entschied der Europäische Gerichtshof jetzt im Fall einer Altenpflegerin, die ihren Arbeitgeber wegen Betrugs angezeigt hatte. Der Fall der Berliner Altenpflegerin Brigitte H. beschäftigte die Gerichte seit dem Jahr 2005: Bevor H. Anzeige gegen den Klinikbetreiber Vivantes erstattete, wies sie gemeinsam mit ihren KollegInnen die Geschäftsführung mehrmals darauf hin, dass zu wenig Personal vorhanden war, und die BewohnerInnen eines Pflegeheims nicht ausreichend versorgt werden können. Nach der Anzeige wurde die Arbeitnehmerin fristlos gekündigt. Die deutschen Gerichte bestätigten die Kündigung, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht jedoch in der Kündigung eine Verletzung der Meinungsfreiheit und sprach der Pflegerin eine Entschädigung von 15.000 Euro zu.
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Solidarität
MAGA ZIN/MEINUNG
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Gerechter! Der Oberste Gerichtshof hat im Fall einer Handelsangestellten entschieden, dass sie in eine höhere Gehaltsstufe eingestuft werden muss. Das ist gerecht und richtig – und jetzt gibt‘s keine Ausreden mehr für Handelsunternehmen, die sich nicht an die im Kollektivvertrag vorgesehenen Einstufungen halten. Die zuständige Gewerkschaft GPA-djp hat den Fall durchgestritten.
Unvereinbar?
Illustration: Markus Szyszkowitz
Alle zittern, wenn Ratingagenturen auch nur blinzeln. Wie passt es eigentlich zusammen, dass drei große USRatingagenturen, die sich selbst auch massiv in der Finanzwirtschaft bewegen, ganze Länder bewerten? Wäre das nicht eigentlich unvereinbar? Und wie kommen diese Herren (Damen kommen da keine vor) dazu, Sparprogramme von Staaten gut oder schlecht zu finden und dann deren „A‘s“ zu streichen oder zu verteilen?
Mag. Oliver Röpke, Leiter des ÖGB-Europabüros in Brüssel
Am Scheideweg Es geht um fehlende Einnahmen, nicht um verschwenderische Politik. Eine EU-Wirtschaftsregierung und verpflichtende Schuldenbremsen in allen Eurostaaten – das sind also die neuen Vorschläge von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy, die Europa und den Euro wieder mal „endgültig“ aus dem Fadenkreuz von Finanzmärkten und Spekulanten bringen sollen. Doch „neu“ sind diese Vorschläge ganz und gar nicht. Bereits seit einem Jahr verhandeln Mitgliedsstaaten und EU-Parlament über das Paket für eine EU-Wirtschaftsregierung, im Eurokratendeutsch „wirtschaftspolitische Steuerung“ genannt.
Noch mehr Druck Die europäischen Gewerkschaften laufen zu Recht Sturm gegen diese Vorschläge, denn sie bringen vor allem eines: noch mehr Sparpakete und noch mehr Druck auf Löhne und Sozialleistungen. Dieses Wettbewerbsmodell, das auf dem Wettlauf um die niedrigsten Löhne und Unternehmenssteuern basiert, wird aber niemals das Europa der ArbeitnehmerInnen sein. Die Vorschläge werden auch
nichts an den Attacken der Finanzmärkte ändern. Dies zeigen schon die verzweifelten „Reformbemühungen“ Spaniens und Portugals: Auch eine unglaubliche Liberalisierung ihrer Arbeitsmärkte, von denen
»Vorschläge sind Ausdruck fehlender politischer Führung.« Oliver Röpke
die Arbeitgeber vor der Krise nur träumen konnten, änderten weder etwas am Druck der Finanzmärkte, noch konnten sie eine weitere Herabstufung der Bonität durch die großen USamerikanischen Ratingagenturen verhindern. Auch die Schuldenbremse ist eine bekannte Forderung der deutschen Bundeskanzlerin. Schon im „Euro-Plus-Pakt“, auf den sich die Staats- und Regierungschefs im Frühjahr geeinigt haben, wird genau dieses Instrument für die Sanierung der nationalen Budgets empfohlen. Die Merkel/Sarkozy-Vorschläge sind also auch eher ein weiterer Ausdruck fehlender politischer
Führung, denn es wird weiter an den Symptomen herumgedoktert, statt die Wurzel des Übels anzupacken: die effektive Regulierung der Finanzmärkte. Das EU-Parlament bemüht sich zwar redlich darum, wird aber nach wie vor von einigen Mitgliedsstaaten und Lobbyisten erfolgreich gebremst.
Einnahmenkrise Eine neue Studie der OECD zeigt, dass unter den Staaten mit den höchsten Schulden gerade jene mit den niedrigsten Steuern zu finden sind: USA, Irland und Japan. Spanien und Portugal könnten die 3-Prozent-Defizitgrenze einhalten und sogar Budgetüberschüsse erzielen, so die Rechnung der OECD, wenn die Steuerquoten dieser Länder dem Durchschnitt der Eurozone entsprechen würden. Es geht also weniger um zu verschwenderische Staatsausgaben, sondern um eine Einnahmenkrise. Deshalb sollten wir weniger über unsoziale Sparpakete reden, die letztlich weiter in die Rezession führen, sondern über Verteilungsgerechtigkeit. Dazu
ÖGB und Arbeiterkammer sind mit EU-Büros in Brüssel ganz nah an den Institutionen, die in der EU wichtige Entscheidungen treffen.
gehören auch Vermögenssteuern und die höhere Besteuerung von Kapitaleinkommen. Und hier gibt es bei den deutschfranzösischen Vorschlägen immerhin zaghaften Fortschritt: Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und ein Ende des Steuerdumpings durch Mindestsätze bei den Körperschaftssteuern sind langjährige ÖGB-Forderungen und ein Schritt in die richtige Richtung, sie müssen aber nun ernsthaft und zügig durchgesetzt werden. Viele gewerkschaftliche Forde-
rungen, die von neoliberalen „Experten“ zu Beginn der Krise noch verächtlich weggewischt wurden, haben sich inzwischen als richtig und konsensfähig erwiesen. Dies sollte EU-Kommission und Mitgliedsstaaten zu denken geben. Die Einbindung der Sozialpartner ist ein Schlüssel zur Bewältigung der Krise, denn sie repräsentieren die wirklichen Stützen des europäischen Modells: nicht die Finanzlobbys, sondern die ArbeitnehmerInnen und die Realwirtschaft. www.oegb-europa.at