6 minute read

MITARBEITER

Next Article
CORONA-AUFLAGEN

CORONA-AUFLAGEN

„Auch das AMS würde sich mehr Planungs- sicherheit wünschen.“

Michaela Reitterer im Gespräch mit AMS-Vorstand Dr. Herbert Buchinger

Für die kommende Wintersaison gibt es angesichts der Corona-Pandemie zahlreiche Unsicherheiten. Eine der zentralen Fragen: Welche und wie viele Mitarbeiter brauchen wir in der zweiten Jahreshälfte bzw. in der Wintersaison? Muss die Stadthotellerie Mitarbeiter freisetzen und wird die Ferienhotellerie die Mitarbeiter finden, die sie braucht? Wird es Bewilligungen geben für Saisoniers? ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer im Gespräch mit AMS-Vorstand Dr. Herbert Buchinger.

Michaela Reitterer: Viele Branchen starten bereits in die Phase III der Kurzarbeit. Die Hotellerie ist prinzipiell sehr dankbar für die Weiterführung, wenn auch das Modell besser für die Industrie passt, die bei einem Nachfragerückgang auch die Arbeitsleistung entsprechend zurücknehmen kann. Ein Hotel kann auch bei geringer Auslastung den Personalaufwand nicht im gleichen Ausmaß reduzieren und schon gar nicht auf Lager produzieren. Wäre es nicht sinnvoll gewesen, zumindest für die Phasen II und III branchenspezifische Varianten auszuarbeiten?

Herbert Buchinger: Mitte März war keine Zeit, branchenspezifische Lösungen auszuarbeiten. Die entscheidenden Absprachen zwischen Regierung und Sozialpartner sind Mitte März erfolgt, mit rückwirkender Inkraftsetzung ab 01. März. Das AMS hat aber in seiner Richtlinie Branchenvereinbarungen offen gehalten. Genutzt hat das nur die Landwirtschaft. Natürlich hätten Branchenvereinbarungen nur im Rahmen der politisch festgelegten Standards getroffen werden können. D.h. Arbeitszeitreduktion um durchschnittlich 10 bis 90 % im KUA-Zeitraum, mindestens 80, 85 bzw. 90 % Nettoersatz. Aber konkretere Modelle dazu hätten auf Branchenebene vereinbart werden können. Die Standardvereinbarung der Sozialpartner hat viele Varianten offen gelassen. Selbst die genaue Ausformung des Nettoersatzes war in der Phase I offen. Dass keine weiteren Branchenvereinbarungen abgeschlossen wurden, interpretiere ich so, dass es wohl nur auf betrieblicher Ebene möglich war, konkrete Umsetzungsmodelle für die Arbeitszeit zu finden, während die unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten des Nettoersatzes in der Phase II von den Sozialpartnerspitzen (in Version 7.0 des Vereinbarungsmusters) einschränkend klargestellt wurden.

Michaela Reitterer: Für die Stadthotellerie bleibt die Lage ohne große Kongresse, Reisemöglichkeiten für internationale Gäste oder Großevents weiterhin sehr schwierig. Hier hat man sehr viele Mitarbeiter in die Phasen I + II der Kurzarbeit mitgenommen, es ist aber damit zu rechnen, dass bei anhaltend schlechter Nachfrage auch welche freigesetzt werden müssen. Mit welchen Szenarien rechnet das AMS hier?

Herbert Buchinger: Das AMS versucht sich auf ein Szenario einzustellen, nach dem Betriebe sich in nicht unerheblicher Zahl gezwungen sehen werden, aus der Kurzarbeit auszusteigen, um Spielraum zu gewinnen, den Personalstand an die längerfristig gedämpfte Kapazitätsauslastung anzupassen. Gerade in der Stadthotellerie ist das ein anhaltendes Thema, weil ja, wie Sie richtig sagen, die Nachfrageeinbrüche wahrscheinlich länger anhalten werden

als in anderen Bereichen der Wirtschaft. Regierung und Sozialpartner haben sich daher im August auf eine Fortführung der großzügigen Kurzarbeits-Förderung bis Ende März 2021 geeinigt. Damit wird sich die Anpassung des Personalstandes nach unten doch in überschaubaren Größenordnungen abspielen. Und was noch wichtiger ist: Der aus Sicht der Unternehmen notwendige Personalabbau wird nicht schlagartig in einer Welle erfolgen, sondern schleichend über den gesamten Verlängerungszeitraum hinweg. Mitentscheidend wird auch sein, ob im Bedarfsfall rechtzeitig (im Jänner 2021) über eine weitere Verlängerung der Covid-19-Kurzarbeit entschieden wird.

Michaela Reitterer: Für die Stadthotellerie hätten wir uns eine Verlängerung der Kurzarbeit um mindestens ein weiteres Jahr gewünscht, um mehr Planungssicherheit zu haben. Wir haben in der Ferienhotellerie gesehen, dass die meisten bereits die Phase II nicht mehr genutzt haben, weil sich die Nachfrage verbessert hat. Warum hat man trotzdem für die Phase III nicht das Vertrauen, dass all jene, die es nicht wirklich brauchen, zur regulären Beschäftigung zurückkehren, sondern führt sogar umgekehrt noch Kontrollmechanismen ein? Gab es wirklich so viel Missbrauch? Mit einer großzügigeren Lösung bzw. mehr Planungssicherheit hätte man vielleicht auch mehr Jobs retten können?

Herbert Buchinger: Aus Sicht der Stadthotellerie ist der Wunsch verständlich. Meiner Wahrnehmung nach sind sich alle Beobachter einig, dass die Nachfragekrise in diesem Wirtschaftszweig auch nicht schlagartig mit der Überwindung der Pandemie verschwindet, sondern dass sich der Markt danach nur langsam erholen wird. Auch das AMS würde sich mehr Planungssicherheit wünschen. Nur: sowohl die Entwicklung der Gesundheitskrise, als auch der Verlauf der Wirtschaftskrise sind schwer vorhersehbar. Es könnte der Fall eintreten, dass Unterauslastung und Überauslastung von Betrieben einer Branche nebeneinander auftreten. Dass beispielsweise neben unausgelasteten und daher kurzarbeitenden Stadthotels überbuchte und unterpersonalisierte Hotels in den Feriengebieten entstehen. Fast wäre das ja schon in den Monaten Juli und August der Fall gewesen. In dieser Situation ist es nur verständlich, dass die Regierung auf Sicht fährt und Entscheidungen nur für einen absehbaren Zeitraum trifft. Missbrauchsverhinderung ist da das kleinere Motiv. Den gibt es natürlich auch, nicht häufig in der Erscheinungsform des strafrechtlich relevanten Betruges, eher in Form des Versuches, Personen auf Basis fiktiver Vereinbarungen in die Kurzarbeit zu nehmen, die in dieser Form nie realisiert wurden (Stichwort: Neueinstellungen, Umstellung von

Teilzeit auf Vollzeit usw.). Dass jetzt in der Phase III die wirtschaftliche Betroffenheit der antragstellenden Betriebe näher geprüft werden soll, hat auch weniger mit offensichtlichem Missbrauch des Instruments Kurzarbeit zu tun, sondern eher mit den anhaltenden Versuchen mancher Betriebe, das Instrument auch für die Überbrückung von Saisonschwankungen der Nachfrage und der Beschäftigung zu nutzen.

Michaela Reitterer: Wir hoffen natürlich, dass der Wintertourismus gut anläuft. Dann brauchen vor allem die Betriebe im Westen dringend mehr Mitarbeiter, während im Osten bzw. den Städten zu wenig Beschäftigung angeboten werden kann. Letzten Sommer konnten in vielen Fällen weder Arbeitslose aus dem eigenen Bundesland vermittelt noch Mitarbeiter von Ost nach West gelockt werden. Welche Maßnahmen setzt das AMS, um den Betrieben hier zu helfen?

Herbert Buchinger: Ich gebe Ihnen Recht, die überregionale Vermittlung ist eine ziemliche Herausforderung für alle Akteure am Arbeitsmarkt. Aber wir haben doch Instrumente, die helfen können. Von Kurzarbeit, Kündigungsfristen, Befristungen und co.

vor wirtschaftliche, sondern auch vor große arbeitsrechtliche Herausforderungen. Zu Beginn der Krise galt es vor allem, schnell zu reagieren, und die MögDienstverhältnisse oder auf die von der Regierung sehr beworbene „Corona-Kurzarbeit“.

In der jetzigen Situation stellt sich aber vor allem in Hinblick auf die kommende Wintersaison die Frage, wie zukünftige Dienstverträge abgeschlossen werden sollen, denn zu beachten gibt es dabei einiges! Zum einen ist zu überlegen, ob man befristete oder unbefristete Dienstverhältnisse abschließt. Das spielt eine erhebliche Rolle, da auch im Falle eines neuerlichen Lockdowns das Arbeitsrecht nicht ausgehebelt ist. Des Weiteren geriet auch die Anpassung der Kündigungsfristen von Arbeitern an die der Angestellten durch die Aufregungen im laufenden Jahr fast in Vergessenheit. Ab 01.01.2021 gelten einheitlich die Kündigungsfristen und -termine nach dem Angestelltengesetz. Auch bei Kündigungsklauseln in beder innerösterreichischen Vermittlung über EURES (Arbeitsvermittlung innerhalb der EU) bis hin, wenn alle Stricke reißen, zu Saisonkontingenten für Drittstaatsangehörige. Durch die neue Arbeitnehmerfreizügigkeit mit Kroatien wird sich die Situation noch einmal entspannen. Natürlich macht die Pandemie die Sache nicht einfacher. Aber wenn die Unternehmen uns die Saisonstellen rechtzeitig melden und rechtzeitig die Besetzungsstrategien mit unseren Geschäftsstellen absprechen, sollte doch in den meisten Fällen eine Besetzung gelingen. Unmittelbar vor Saisonbeginn oder vielleicht sogar in laufender Saison wird’s allerdings schwierig.

Michaela Reitterer: Können die Unternehmer damit rechnen, dass innerhalb des aktuellen Saisonierkontingents Genehmigungen erteilt werden?

Herbert Buchinger: Als ultima ratio, wenn weder eine Vermittlung aus dem im Inland vorhandenen Arbeitskräftepotential gelingt noch aus dem EU-Ausland, werden im Rahmen der verordneten Saisonkontingente auch Beschäftigungsbewilligungen für Drittstaatsangehörige erteilt.

Die Coronakrise stellt viele Unternehmen nicht nur lichkeiten beschränkten sich auf das Auflösen der

Das Interview wurde im September 2020 geführt. fristeten Dienstverträgen ist Vorsicht geboten, damit kein Missverhältnis zwischen der Dauer des Dienstverhältnisses und der Kündigungsfrist entsteht.

Für die Kurzarbeit Phase III wurden die ersten Richtlinien veröffentlicht. Diese sehen beispielsweise eine Mindestarbeitszeit zwischen 30 % und 80 % sowie eine Weiterbildungsverpflichtung während der Ausfallszeit vor.

Für detaillierte Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre arbeitsrechtliche Vertretung!

AUTOR:

Kevin Tschenet

DP | Personal Software GmbH Eduard-Bodem-Gasse 5, 6020 Innsbruck T: +43 512 34613416 | k.tschenet@personalsoftware.at

This article is from: