Deutsche Erstaufführung
PÜNKTCHEN UND ANTON Iván Eröd
»PÜNKTCHEN UND ANTON« Kinderoper von Iván Eröd nach dem Roman von Erich Kästner mit einem Libretto von Thomas Höft © Aufführungsrechte »Pünktchen und Anton« beim Verlag für Kindertheater Weitendorf, Hamburg. Das Streaming erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Marie-Luce Eröd sowie Thomas Höft, dem Verlag für Kindertheater Weitendorf und der Wiener Staatsoper.
Deutsche Erstaufführung (Stream): 10. Februar 2021, Oper Köln im StaatenHaus
PÜNKTCHEN UND ANTON
Iván Eröd
PÜNKTCHEN UND ANTON DEUTSCHE ERSTAUFFÜHRUNG Eine Oper für Kinder nach dem Roman von Erich Kästner Libretto von Thomas Höft Musik von Iván Eröd (1936 – 2019) für Kinder ab 6 Jahren Dauer ca. 65 Minuten MUSIKALISCHE LEITUNG Harutyun Muradyan INSZENIERUNG Brigitta Gillessen BÜHNE & KOSTÜME Jens Kilian LICHT Philipp Wiechert TANGO-COACH Athol Farmer DRAMATURGIE Tanja Fasching PÜNKTCHEN Ana Fernández Guerra ANTON Luzia Tietze HERR POGGE Stefan Hadžic´ FRAU POGGE Claudia Rohrbach FRÄULEIN ANDACHT Maike Raschke BERTA, KÖCHIN Lotte Verstaen FRAU GAST Eva Budde ROBERT DER TEUFEL Dustin Drosdziok GOTTFRIED KLEPPERBEIN Sung Jun Cho KELLNER / POLIZIST Tom Wirtz PASSANT Robin Ebneth
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HANDLUNG Berlin 1931 Im herrschaftlichen Haus der Familie Pogge Was machen Pünktchen und ihr Hund Piefke denn da? Was will sie denn mit den Streichhölzern? – Herr Direktor Pogge wundert sich zwar über das Verhalten seiner Tochter, aber ernsthaft Sorgen macht er sich nicht, denn zum einen kennt er die ausufernde Phantasie Pünktchens, zum anderen hat er gerade Sorge zu verhungern. Berta soll endlich die Suppe auftragen! Und Fräulein Andacht, das Kindermädchen, soll endlich sagen, warum Pünktchen, die eigentlich Luise heißt, so blass ist! Die aufgetragene Suppe hellt Herrn Pogges Stimmung schlagartig auf – bis Frau Pogge feststellt, dass Pünktchen gar nicht mit am Tisch sitzt. Das Mädchen hat sich nämlich schon wieder ein neues Spiel ausgedacht: Die Fahrscheine bitte! Der Vater findet das höchst amüsant, Fräulein Andacht hingegen fällt wegen dieser Ungehörigkeit aus allen Wolken. Pünktchen hat einen Traum: Einen Zwilling zu haben – dann wäre sie nie mehr allein … Herr Pogge zerstreut die Gedanken des Mädchens und fragt nach der Schule – ein paar Mathematikaufgaben bezeugen Pünktchens hervorragende Rechenkünste. Mama ist stolz! Frau Pogge, stets damit beschäftigt, sich um die Probleme in der Welt zu kümmern (aber weniger um ihre Tochter), schickt Fräulein Andacht mit Pünktchen auf einen Spaziergang an die frische Luft. Berta ist misstrauisch: Pünktchen ist blass, und außerdem sind schon wieder zehn Schachteln Streichhölzer verschwunden. Seit Fräulein Andacht im Haus ist, stimmt etwas nicht … Während Pünktchen auf Fräulein Andacht warten muss, will sie der fiese Nachbarsjunge Klepperbein erpressen: Ihr Taschengeld soll sie ihm geben, oder er wird ihrem Vater von ihrem Geheimnis erzählen!
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Zuhause bei Familie Gast Anton kocht ein spärliches Kartoffelgericht für sich und seine Mutter. Dabei träumt er, ein großer Weltentdecker zu werden, der mit seinem Boot nach Südamerika reist. Immerhin ist dies das Ursprungsland der Kartoffeln. Pünktchen kommt überraschend zu Besuch und ist erstaunt, dass Anton kochen kann. Aber Anton hat keine Wahl: Seine Mutter muss sich von einer schweren Operation erholen und kann nicht arbeiten gehen. Deshalb gibt es auch zu wenig Geld in der Familie Gast. Doch Frau Gast macht den Kindern Mut: nicht frieren, etwas Warmes zu essen, lachen, reden und Spaß haben – dann wird es sowieso besser! Besser wäre es auch – stellen Pünktchen und Anton fest –, wenn die reichen Leute etwas von ihrem vielen Geld abgeben und teilen würden. Mit weniger Geld hätten Reiche, wie die Pogges, doch auch noch genug … Die beiden machen sich auf den Weg ins Café Sommerlatte, wo sich Fräulein Andacht mit ihrem Verlobten Robert verabredet hat.
Im Café Sommerlatte Robert setzt seine Verlobte Fräulein Andacht gehörig unter Druck: Erst als er von ihr »den Plan«, ihr Erspartes und Auskunft erhalten hat, gibt sich Robert wieder zuckersüß und leidenschaftlich. Sein einschüchternder Umgang mit ihr ist gleich wieder vergessen, Fräulein Andacht schmilzt bei Roberts Charme dahin …
Wieder zuhause bei Pogges Es ist ein Abend wie so manch anderer: Frau Pogge sucht nervös ihre Ohrringe, Herr Pogge bekommt seine teure Anzughose nicht zu – am Verhungern ist er also nicht –, Berta und Fräulein Andacht streiten. Pünktchen beachtet gerade keiner – bis sie aufschreit.
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Herr Pogge versucht, sich vor dem Opernbesuch mit seiner Frau zu drücken: Unbequemer Anzug, enge Stühle, ein lautes Orchester – schöner ist es doch, den Abend mit der Zeitung auf dem Sofa zu verbringen. Doch Frau Pogge kontert: Männer seien einfach nur zu herzlos und zu blöd für die großen Gefühle, die Opern vermitteln. Man müsse doch nur mit dem Herzen hören, dann klinge alles anders und schön. – Wie könnte Herr Pogge da seiner Frau widersprechen?
Frau Gast allein zuhause Frau Gast muss feststellen, dass ihr Sohn Anton nicht da ist. Sie fürchtet, er habe es nicht mehr ausgehalten, sich um die kranke Mutter zu kümmern und sei davongelaufen. Obwohl es ihr nicht gut geht, macht sie sich auf den Weg, ihren Sohn zu suchen.
Pogges wollen in die Oper. Doch weit kommen die Pogges nicht, denn Klepperbein tritt ein und verlangt von Herrn Pogge zehn Mark für eine wichtige Information, betreffend den Aufenthaltsort von Pünktchen.
Nachts auf der Straße Pünktchen versucht, Streichhölzer an den Mann zu bringen, Anton bietet den Passanten Schnürsenkel zum Kauf an. Doch das nächtliche Treiben der beiden ist kein Spiel, sondern bitterer Ernst: Anton braucht dringend das Geld, um seiner Mutter und sich etwas zu essen kaufen zu können. Fräulein Andacht ist als alte, blinde Frau verkleidet und bettelt, um dann das Geld Robert zu geben. Die drei haben das schon öfters gemacht, doch heute Abend kommt es anders, denn plötzlich tauchen Herr und Frau Pogge auf und enttarnen die drei. Frau Gast ist glücklich, ihren Sohn wiederzufinden. Fräulein Andacht, immerhin das Kindermädchen, bekommt gehörigen Ärger.
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Berta trifft. Ein Anruf reißt Berta aus dem Schlaf. Pünktchen erzählt ihr im Schnelldurchlauf von Roberts Plänen, die Familie Pogge auszurauben, da hört Berta auch schon jemanden an der Wohnungstür. Und – zack – streckt sie den Einbrecher zu Boden. Der Polizist muss nichts weiter tun, als zu warten, bis Robert aus der Ohnmacht erwacht. Die Zeit überbrücken er und Berta mit einem guten Tropfen. Nach der Rückkehr der Familien Pogge und Gast und Fräulein Andacht verhaftet die Polizei auch das Kindermädchen und führt die Verlobten ab.
Herr Pogge hat eine Idee. Pünktchens Eltern überlegen, wer Fräulein Andacht ersetzten soll. Da hat Herr Pogge einen guten Gedanken: Das Haus der Pogges ist groß, da könnten doch Frau Gast und ihr Sohn Anton einziehen? Frau Gast könnte sich um die beiden Kinder kümmern, bis es ihr besser geht und Herr Pogge ihr eine neue Arbeit vermittelt hat. Helfen und teilen sind doch gar nicht so schwer!
Im Faltboot über den Ozean Endlich können Pünktchen und Anton gemeinsam spielen und träumen: im Faltboot über den kalten Ozean, um die halbe Welt segeln – Forscher und Entdecker sein!
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IVÁN ERÖD
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DER KOMPONIST IVÁN ERÖD Iván Eröd wird am 2. Januar 1936 in Budapest, Ungarn als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie geboren. Als Kind erlebt er nicht nur die seine Heimatstadt anfänglich nur am Rande berührenden Schrecken des Zweiten Weltkriegs mit, sondern insbesondere ab dem Frühjahr 1944 die Besetzung des Landes durch deutsche Truppen und im Zuge dessen das Grauen der Judenverfolgung. Mehrere Mitglieder seiner Familie, darunter sein älterer Bruder Endre und seine Großeltern werden in den Konzentrationslagern Buchenwald und Auschwitz ermordet. Er selbst und seine Eltern überleben den Holocaust. Nach dem Krieg studiert Eröd Klavier und Komposition an der Budapester Musikhochschule. Die Kompositionen dieser frühen Jahre weisen deutliche Prägung durch das für viele junge Ungarn damals Maßstäbe setzende Schaffen Béla Bartóks auf. Obwohl er bereits unmittelbar vor dem erfolgreichen Abschluss seiner Studien steht, wird Eröd nach der Niederschlagung des ungarischen Volksaufstands 1956 jedoch klar, dass er nicht im kommunistischen, von Unterdrückung geprägten Ungarn bleiben kann. 1956 f lieht er nach Wien. Gerade einmal 20 Jahre alt, hat die Politik bereits ein zweites Mal einen tiefen Einschnitt in seinem Leben verursacht. Im Studium an der Wiener Musikakademie – Klavier bei Richard Hauser, Komposition bei Karl Schiske sowie Zwölfton bei Hanns Jelinek – beschäftigt sich Eröd vor allem mit letztgenannter Technik und den seriellen Techniken. Die Entwicklungen der Zweiten Wiener Schule werden – neben den kompositorischen Grundlagen, die er in seiner ungarischen Heimat erwarb – zu einem zusätzlichen Ausgangspunkt seiner Arbeiten.
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Von 1962 bis 1968 ist Eröd an der Wiener Staatsoper als hoch geschätzter Korrepetitor und Studienleiter in der Ära Herbert von Karajan tätig, in der gleichen Funktion bei den Wiener Festwochen. In diesen Funktionen kann er Werke aller Musikepochen intensiv studieren. Auch als Konzertpianist, insbesondere für zeitgenössische Musik, Kammermusikpartner und Liedbegleiter erwirbt sich Iván Eröd im In- und Ausland einen ausgezeichneten Ruf. 1967 erhält Iván Eröd einen Lehrauftrag an der Grazer Musikhochschule, 1975 wird er dort zum ordentlichen Professor für Komposition und Musiktheorie ernannt. 1988 erhält er eine Gastprofessur an der Wiener Musikhochschule (heute Universität für Musik und darstellende Kunst Wien). Von 1989 bis zu seiner Emeritierung 2004 wirkt er hier als ordentlicher Professor für Tonsatz (Harmonielehre und Kontrapunkt). Der Komponist Eröd will sich nie einer Schule zugeordnet sehen. Viele seiner früheren Werke sind in Zwölftontechnik geschrieben, bald wendet er sich auch wieder traditionelleren Formen und einer erweiterten Tonalität zu. Auch Jazzelemente fließen in Eröds Kompositionen ein, wie sein Klavierkonzert von 1975 zeigt. In späteren Werken, etwa dem Violakonzert von 1980, ist manch Traditionelles aus der Romantik heraus hörbar. Oft lässt er seine Musik auch parodistisch oder beißend sarkastisch werden. Als Komponist entwickelt Eröd eine eigene, markante Tonsprache. Romantik, gradlinige, an Dur und Moll orientierte Texturen – die Musik Iván Eröds stellt man gerne in die Ecke der sogenannten Postmoderne. Doch tut man dem Meister der Konstruktivität damit unrecht. Was sanftmütig und geradezu altvertraut klingt, nur mit einigen zeitgemäßen Zutaten gewürzt, basiert auf klugen architektonischen Überlegungen: Iván Eröd ist einer der großen Könner unter den Komponisten des 21. Jahrhunderts. Was er als gefragter Lehrer an junge Kollegen – zum Beispiel Georg Friedrich Haas oder Johannes Maria Staud – weitergibt, ist ihm selbst notwendige handwerkliche Grundlage. Erst über soliden formalen Entwürfen lässt er seine Phantasie schweifen, die ihn oft ins Märchenhafte, hie und da in grüblerische Tiefen, erstaunlich häufig aber in lichte, duftige Klanggefilde führt.
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Sein Werk ist gleichzeitig von Ernsthaftigkeit und lebendigem Humor geprägt. Vom Kenner der prägenden Kompositionstechniken des 20. Jahrhunderts ist Iván Eröd zu einem gemäßigten Modernen geworden. Die Tonsprache lichtet sich zu höchster Klarheit und Verständlichkeit. Das macht dem Publikum Eröds Musik zugänglich. Viele von Eröds Werken enthalten Bezüge zu unmittelbar biographisch Erlebtem oder zeithistorischen Ereignissen: So weisen das Violinkonzert op. 15, die »Krokodilslieder« op. 28, das Violakonzert op. 30 oder das 2. Streichsextett op. 68 auf die innige Nähe zu seiner Frau und seinen Kindern hin. Der Liederzyklus »Über der Asche zu singen« op. 65 greift im Rückblick nach einem halben Jahrhundert das Erlebnis der rassischen Verfolgung auf. Die Parallelität des Gegensätzlichen in seinem Leben und seinem Schaffen – Tragik und Glück, Ernst und Heiterkeit – zeigt sich an den gleichzeitig entstandenen Gesängen »Bukolika« für Kammerensemble op. 64: In gelöster Stimmung zeichnet der Komponist darin die Beschaulichkeit seines ungarischen Landhauses. Eine weitere markante künstlerische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte folgt: Das Konzert für Violoncello und Orchester op. 80 ist dem im Konzentrationslager Buchenwald ermordeten Bruder – einem ausgebildeten Cellisten – gewidmet. 2013 wird seine »Symphonie Öresund« uraufgeführt. Sie erzählt von der Rettung von 7.800 dänischen Juden durch die mutige Bevölkerung im Jahr 1943. Thomas Höft, mit dem Eröd jahrelang zusammenarbeitet, schreibt das Libretto. Iván Eröds Werkkatalog ist außerordentlich reichhaltig und umfasst zahlreiche Werke der Orchestermusik, Kammermusik und konzertanten Musik. Besondere Beachtung kann er auch mit zwei Opern finden: »Die Seidenraupen« 1968 von den Wiener Festwochen im Theater an der Wien produziert und »Orpheus ex machina« 1978 am Grazer Opernhaus uraufgeführt. Zwischen diesen beiden Opern entsteht 1970 das Fernseh-Schattenspiel »Ole, mein Knecht«. Für die Wiener Staatsoper schreibt Iván Eröd gemeinsam mit Thomas Höft 2010 die Kinderoper »Pünktchen und Anton« nach Erich Kästners Kinderbuchklassiker. »Komponiert hat er bis zum Schluss«, erzählt Adrian Eröd, der Sohn des Komponisten Iván Eröd. Sein letztes fertiggestelltes Werk Opus 95 sind die »Canti di un Ottantenne« – die »Gesänge eines Achtzigjährigen«.
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Unter den zahlreichen Auszeichnungen, die Iván Eröd erhält, sind der Österreichische Staatspreis, der Würdigungspreis der Stadt Graz und jener des Österreichischen Bundesministeriums für Unterricht und Kunst, der Musikpreis der Stadt Wien, 2001 das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich und das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien. Seine letzte große Auszeichnung ist 2019 die Goldmedaille des US-amerikanischen Kennedy-Centers. Am 24. Juni 2019 stirbt Iván Eröd 83-jährig im Kreis der Familie in Wien. Er hinterlässt seine Frau Marie-Luce und die gemeinsamen fünf Kinder, die ebenfalls alle in der Kunst ihre Berufung fanden, sowie neun Enkel und einen Urenkel.
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ERICH KÄSTNER, 1927 vor dem »Carlton« in Berlin
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ERICH KÄSTNER BIOGRAPHISCHES UND SEINE ZEIT Die Eltern Erich Kästners Eltern sind Ida Augustin und Emil Kästner. Der Vater ist ein vorzüglicher Sattler, doch die wachsende industrielle Produktion ruiniert kleine Handwerksbetriebe wie den des Emil Kästner. So muss der Vater in Dresden in einer Kofferfabrik eine Stelle als Facharbeiter annehmen. Die Mutter macht Näharbeiten in Heimarbeit, um etwas dazuzuverdienen. Der Sohn Erich Kästner wird am 23. Februar 1899 in der ehemaligen königlich sächsischen Haupt- und Residenzstadt Dresden geboren. Die unglückliche Ehe seiner Eltern prägt sich ihm von früh auf ein.
Die Schulzeit 1906 wird Erich Kästner eingeschult. Er geht gerne in die Schule und will Lehrer werden. Seine Eltern sparen, wo es nur geht, um ihm diese Ausbildung zu ermöglichen, doch das ersehnte Lehrerseminar entpuppt sich als etwas, das Erich Kästner völlig ablehnt: Sein Sinn für Freiheit und Gleichberechtigung werden verletzt, gehorsame Beamte werden »herangezüchtet«. Er lehnt sich immer wieder gegen diese Erziehungsmethoden auf (er kocht für die Mutter und schwänzt das Seminar), so hat er bald den Ruf eines widerspenstigen Schülers.
Krieg Am 1. August 1914 – mitten hinein in die Ferien – befiehlt der Deutsche Kaiser die Mobilmachung: Der 18-jährige Erich Kästner wird 1917 einberufen. Er leidet unter dem militärischen Drill und die brutalen Ausbildungsmethoden. Im Lazarett sieht er die verstümmelten, sterbenden Menschen – war er bis dahin ein unpolitischer Mensch, ändert sich dies jetzt. Das Militär hat ihm einen Hass eingeimpft: auf den Krieg und all seine Auswüchse.
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Und jetzt? Nach vier vernichtenden Jahren endet der Krieg. Was nun? Lehrer werden? Das will Erich Kästner schon lange nicht mehr, er will studieren! Das nachgeholte Abitur schließt er mit Auszeichnung ab und kann dank eines Stipendiums an der Universität Leipzig Germanistik, Theaterwissenschaft, Geschichte und Philosophie studieren.
Das Studium Das Wintersemester 1919.20, in dem Kästner sein Studium aufnimmt, fällt in eine politisch unruhige Zeit, u. a. wird Mitte des Jahres der Versailler Vertrag, der Deutschland die Alleinschuld am Weltkrieg zuweist, Teile des Deutschen Reiches abtrennt und den Deutschen Staat zu umfangreichen Reparationszahlungen (Wiedergutmachungszahlungen) verpflichtet, unterzeichnet.
Erste Veröffentlichungen Kästner geht seinem Studium nach und kann erste Gedichte und Aufsätze u. a. in der Dresdner Theaterzeitschrift »Der Zwinger« veröffentlichen. Um das Studium voranzutreiben, geht er nach Rostock. Hier will er seinen Doktortitel erwerben, doch die Zeit macht es ihm schwer: Geldentwertung, kalte Winter und Kohlenot, Streiks, unaufhaltsam steigende Preise, schlecht bezahlte Arbeiten – der Gedanke an den Abschluss seines Studiums rückt in weite Ferne.
Der Journalist Kästner Kästner muss seine Doktorarbeit ruhen lassen, um Geld zu verdienen, doch seine Veröffentlichungen und literarischen Arbeiten haben so großen Erfolg, dass ihm das Leipziger Tageblatt eine Stelle als Redakteur anbietet – der Journalist Kästner ist geboren! Neben dem Studium verfasst er Reportagen, Theater- und Kunstkritiken, satirische Gedichte, politische Glossen und Geschichten. Er bekommt mehr Lohn, kann in eine bessere Wohnung ziehen und endlich seine Doktorarbeit fertigstellen: 1925 ist Doktor Erich Kästner festangestellter Redakteur und hat sich auch als Autor bereits einen Namen gemacht. – 1927 holt ihn der zu jener Zeit wichtigste deutsche Publizist Kurt Tucholsky
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nach Berlin – Kästner wird für die heute noch legendäre »Weltbühne« schreiben! Für die »Weltbühne« schreiben auch so prominente Journalisten und Schriftsteller wie Lion Feuchtwanger, Else Lasker-Schüler, Alfred Polgar, Robert Walser, Carl Zuckmayer und Arnold Zweig.
Berlin Über siebzehn Jahre wird Kästner in der deutschen Metropole leben. Berlin ist zu dieser Zeit ein geistiges Zentrum und eine faszinierende Stadt. Erich Kästner fühlt sich hier zuhause, er genießt die Zeit und lernt zahlreiche namhafte Autoren und Schauspieler kennen. Er schreibt wie ein Besessener Romane, Kinderbücher, Gedichte, textet fürs Kabarett, verfasst Filmdrehbücher und publiziert in verschiedenen Zeitungen. Er schließt sich keiner politischen Partei an, doch er ergreift literarisch Partei, wo es um Gerechtigkeit geht, um die Freiheit und gegen alle soziale Unterdrückung, gegen Militarismus und Unmenschlichkeit.
Die Gedichtbände Zwischen 1928 und 1932 erscheinen vier Gedichtbände von Erich Kästner: »Herz auf Taille«, »Lärm im Spiegel«, »Ein Mann gibt Auskunft«, »Gesang zwischen den Stühlen«. In diesen Gedichtbänden geht Kästner – mit Charme und Grazie, mit Anmut und Witz – gegen deutsche Untugenden wie Untertanengeist, Mangel an Zivilcourage und Intoleranz an, geißelt das Lauern auf einen Revanchekrieg und greift soziale Nöte auf. Er prangert die unersättliche Besitzgier der Besitzenden an, verspottet die doppelbödige Moral der Gesellschaft und beschäftigt sich mit den Auswirkungen der modernen Zeit auf das Zusammenleben der Menschen, indem er auch die sogenannten kleinen Sorgen der Leute aufs Korn nimmt wie Großstadteinsamkeit, Kleinstadtödnis, Büro-, Ehe- und Kneipenalltag. Ob Fabrikant, Bischof, Bäcker, Witwe, Lohnbuchhalterin, verlassenes Mädchen, einsamer Junggeselle, in Kästners Versen finden sich alle wieder. – Aber Kästner hat keine »Lehre«, an die er glaubt oder die er weitergeben kann. Er empfiehlt seinen Lesern »humanistische Anstandsregeln, Vernunftdenken und Zivilcourage«. Auch wenn Kästner
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kein Rezept weiß, wie die Welt zu retten ist – bleiben, wie sie ist, darf sie auch nicht. Also bearbeitet er den Menschen, dass er sich ändere und damit in kleinen und kleinsten Schritten auch die Welt, in der er lebt.
Kinderbücher Edith Jacobsohn, »Weltbühne«-Verlegerin und Besitzerin des Kinderbuchverlags »Williams & Co«, überzeugt Kästner, Bücher für Kinder zu schreiben. 1929 erscheint »Emil und die Detektive«. Das Ungewöhnliche an seinen Kinderbüchern ist, dass die Geschichten zum ersten Mal aus Kindersicht geschrieben sind. Der kindliche Leser erfährt, dass, wer leben will, Geld verdienen muss – und dass das soziale Milieu nicht nur Einfluss auf die Erziehung der Kinder, sondern auch auf deren Zukunftschancen hat. Im einigermaßen anspruchsvollen Kinderbuch von heute eine Binsenweisheit, damals etwas völlig Neues. Im Frühjahr 1931 erscheint sein zweites Kinderbuch: »Pünktchen und Anton« entstand aufgrund einer Zeitungsnotiz: »Kind aus gutem Hause nachts mit Bettlerin auf der Weidendammer Brücke entdeckt.« In keinem anderen Kinderbuch stellt Kästner die sozialen Unterschiede zwischen den Gesellschaftsschichten, die Kluft zwischen Arm und Reich so stark heraus wie in diesem. Im Herbst 1931 erscheint »Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee«: Hier übt Kästner auf erheiternde Weise Kritik an einem Geschichtsbild, das Krieg und Militarismus verherrlicht. – 1933 folgt »Das fliegende Klassenzimmer«.
Es brennt Erich Kästner lebt in diesen Jahren in einer widersprüchlichen Situation: Während er immer erfolgreicher und damit auch immer wohlhabender wird, sieht er die Armut in Deutschland wachsen. Und je verheerender die Ausmaße dieser Verelendung, desto stärker wird der Zulauf zu den extremen Parteien. Ständig finden neue Wahlen statt, doch eine hilflose Regierung löst die nächste ab. So sind die Nazis kaum noch von der Macht fernzuhalten. Kästner hat diese Entwicklung kommen sehen,
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was er u. a. im Roman »Fabian. Die Geschichte eines Moralisten« rund anderthalb Jahre vor dem Ende der Weimarer Republik verarbeitet. Er weist hellsichtig auf den Abgrund hin, der sich da auftut. – Kästner trägt seine Verse auf Solidaritätsveranstaltungen vor, engagiert sich in der Liga für Menschenrechte und gehört dem Komitee des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller an, die gegen die Verbote von Zeitungen und Zeitschriften eintritt. 30. Januar 1933: Die Nazis kommen an die Macht. Warum geht Kästner nicht ins Ausland? Er hätte öfters die Möglichkeit dazu gehabt, doch er tut es nicht und kommt immer wieder zurück nach Berlin, denn er ist in Deutschland verwurzelt, hier leben seine Eltern.
Schreibverbot Am 10. Mai 1933 kommt es auf Geheiß der Nazis in ganz Deutschland zu Bücherverbrennungen. – Erich Kästner erhält von den Nazis Schreibverbot, denn er hat aus seiner Gegnerschaft zu den Nazis nie einen Hehl gemacht. Seine Bücher werden verboten – außer »Emil und die Detektive«. Die Nazis fürchten Proteste, weil dieses Buch weltweit so beliebt ist. Wovon soll er nun leben? Er schreibt den Unterhaltungsroman »Drei Männer im Schnee«. Den harmlosen Stoff hat er bereits ein Jahr vorher als Filmdrehbuch für die amerikanische MGM-Filmfirma geschrieben. Seine Bücher verkaufen sich im Ausland sehr gut, und da Deutschland Devisen braucht, lockert das Reichspropagandaministerium das Schreibverbot, allerdings nur im Ausland. Kästner verlegt »Drei Männer im Schnee« und wird sofort mehrfach übersetzt. So ist sein finanzielles Überleben vorab gesichert. – Allerdings nicht lange: Die Geheime Staatspolizei (GESTAPO) sperrt die Bankkonten von 44, größtenteils bereits emigrierten Schriftstellern – auch jenes von Kästner. Viele Verleger, Kollegen und Freunde sind ins Ausland emigriert (und kämpfen oftmals in der fremdsprachigen Welt um ihr Überleben). Edith Jacobsohn, die Verlegerin von Kästners Kinderbüchern, hat als Jüdin Berlin bereits am 28. Februar 1933 fluchtartig verlassen.
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Kurt L. Maschler übernimmt den Williams Verlag, die Geschäftsführerin Cecilie Dressler gründet in der Schweiz den Atrium Verlag – dieser wird Kästners Hausverlag. 1937 wird er zur Musterung bestellt, aufgrund seiner Herzschwäche aber als untauglich eingestuft. 1938 erfolgt der Anschluss Österreichs an Deutschland. Der 10. November 1938 wird als »Reichskristallnacht« in die traurige Geschichte eingehen: Jüdische Geschäfte werden auf Geheiß der Naziführung demoliert, 190 Synagogen in Brand gesteckt und 25.000 Juden verhaftet, misshandelt, umgebracht. Die Öffentlichkeit in aller Welt protestiert. In Deutschland protestiert niemand. Hier sind Proteste lebensgefährlich.
Der Zweite Weltkrieg Am 1. September 1939 beginnt mit dem deutschen Überfall auf Polen ein Krieg – ein Weltenbrand, der ganze Kontinent steht bald in Flammen. Kästners Texte, vor allem seine Gedichte, werden verbotener Weise unter der Hand weitergereicht und heimlich gelesen. Seine Lyrik weckt das Bewusstsein und das Gewissen, die abzustumpfen drohen. Er schärft den Verstand – und das ist viel, sehr viel wert. Seit 1937 lebt Erich Kästner mit Luiselotte Enderle zusammen, die als Dramaturgin bei dem Filmunternehmen Ufa arbeitet. Es ist vermutlich der Ufa-Herstellungsgruppenleiter Eberhard Schmidt, der Kästner ermöglicht, 1941 für die Ufa – trotz Schreibverbots – zu arbeiten. Kästner schreibt das Drehbuch für »Münchhausen«, das Goebbels am 28. November 1941 genehmigt. Kästner kann aber nur unter falschem Namen arbeiten – er nennt sich Berthold Bürger. Der Film »Münchhausen« ist witzig, phantasievoll, farbenprächtig, teuer, pompös. Der beliebte Starschauspieler Hans Albers brilliert in der Titelrolle. – Der Film bringt den Nazis internationales Ansehen; Kästners Mitwirkung an diesem Film wird ihm deshalb nach dem Krieg vorgeworfen.
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Im November 1943 werden Bombenangriffe auf Berlin geflogen. Kästners Wohnung wird zerstört. Er möchte zu seinen Eltern nach Dresden, doch er darf die Stadt nicht verlassen. 30. April 1945: Hitler begeht Selbstmord.
Der Krieg endet. Der Autor Erich Kästner, der zwölf Jahre lang schweigen musste, darf wieder die Stimme erheben. Kästner geht nach München. Es herrscht Aufbruchstimmung. Er nimmt das Angebot an, Feuilletonredakteur der geplanten Münchner »Neuen Zeitung« (amerikanisch lizensiert) zu werden. Die erste Ausgabe erscheint am 18. Oktober 1945. Kästners Hauptanliegen sind der demokratische Neuaufbau und die Aufarbeitung der Vergangenheit. Seine Mitarbeiterin ist seine Lebensgefährtin Luiselotte Enderle.
Pinguin mein Name Am 1. Januar 1946 bringt Kästner zum ersten Mal die Jugendzeitschrift »Pinguin mein Name« heraus. Die Zeitschrift verniedlicht nichts und will seinen Lesern nichts vormachen. Er veröffentlicht Gedichte von KZ-Häftlingen, und er macht sich damit Feinde.
Wettrüsten und Kalter Krieg Am 22. November 1945 beginnen die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse. – Bald ist wieder die Rede von »Aufrüstung«, »Kalter Krieg« und »Wettrüsten«. Erst im September 1946 kann er die Eltern in Dresden besuchen. Seine Heimatstadt ist komplett zerstört. Berlin ist in vier Zonen eingeteilt, Dresden ist russisch – so bleibt er im amerikanisch besetzten München. Anfang 1949 erscheint nach 11-jähriger Pause wieder ein Kinderbuch von Erich Kästner: »Die Konferenz der Tiere«: Aus Sorge um die Kinder verlangen die Tiere von den Menschen die Aufhebung aller Grenzen, die Abschaffung jeglichen Militärs und aller Waffen. Doch die Realität ist: Der Eiserne Vorhang, der die Welt teilt, wird weiter errichtet. – Kästner schreibt gegen die Wiederaufrüstung und, nach
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dem Abwurf der amerikanischen Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki, gegen den Atomkrieg. Am 15. September 1949 wird Konrad Adenauer erster Bundeskanzler der neuen westdeutschen Republik. Am 7. Oktober 1949 wird die Deutsche Demokratische Republik gegründet. Die feindlichen Brüder und Schwestern werden sich 40 Jahre lang – bis 1989! – gegenüberstehen.
Kann man aus der Geschichte lernen? Kästner geht wieder gegen Blindheit, Dummheit und Vergesslichkeit an. Es soll sich nicht wiederholen, was 1914 begann und 1939 seine Fortsetzung fand. Doch soweit er blickt: kein Aufbegehren gegen diese Politik, keine Gegenwehr der Intellektuellen. Die »Stunde Null«, einen wirklichen Neuanfang, gibt es nicht. – Kästner sieht die einzige Chance in der Erziehung der Jugend, kritisiert heftig, dass die jüngste deutsche Geschichte nicht unterrichtet wird. Seine Literatur findet keinen Eingang in die Schulbücher, auch wenn nach dem Krieg über 50 (west-)deutsche Schulen nach ihm benannt werden. Nur seine Kinderbücher, nicht aber seine politischen Schriften finden Gehör.
Die 1950er-Jahre und die Familie Im Mai 1951 stirbt Kästners Mutter, der er, so es möglich war, jeden Tag mindestens eine Postkarte schrieb. Doch ihr Tod ermöglicht es Vater und Sohn, sich näher zu kommen und für die verbleibenden Jahre eine enge Beziehung aufzubauen. – Am 15. Dezember 1957 wird Erich Kästners Sohn Thomas geboren. Doch nicht die langjährige Lebensgefährtin Luiselotte Enderle ist die Mutter des Kindes, sondern Friedel Siebert, mit der Kästner fast 20 Jahre lang verbunden ist. Kästner unternimmt in diesen Jahren viele Lesetourneen und erhält zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Als er an Tuberkulose erkrankt, geht er 1962 für anderthalb Jahre in die Schweiz. Am 29. Juli 1974 stirbt Erich Kästner mit 75 Jahren. Er wird in MünchenBogenhausen beigesetzt.
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MITTAGS IN BERLIN: PASSANTEN, AUTOMOBILE, DOPPELDECKER, STRASSENBAHNEN
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BERLIN IN DER ZWISCHENKRIEGSZEIT DIE WEIMARER REPUBLIK Erich Kästner schrieb das Kinderbuch »Pünktchen und Anton« als er in Berlin lebte. Berlin erlebte während der »Weimarer Republik« – so bezeichnet man die Jahre zwischen dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918 und der Machtergreifung Hitlers 1933 – eine sehr widersprüchliche Entwicklung: Einerseits war die Stadt schmutzig, bedrohlich, menschenfeindlich – ein Moloch: Der Industriebetrieb verpestete die Luft, es gab viele Demonstrationen, Streiks und Straßenschlachten, Millionäre lebten in ihren schönen Prunkvillen, während viele Menschen durch Betteln überleben mussten und in armseligen Miets kasernen hausten. Andererseits pulsierte das kulturelle Leben ebenso wie der Verkehr, Leuchtreklamen erhellten die Stadt, künstlerische, wissenschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen katapultierten die Metropole Berlin an die Spitze der europäischen Großstädte.
Akademische Erfolge Deutschland ist nach dem Ersten Weltkrieg (1914 – 1918) politisch isoliert und wirtschaftlich geschwächt, muss sein Heer abrüsten und verliert seine Hochseeflotte ebenso wie seine Kolonien – die einstige (kaiserliche) Großmacht ist zerstört. Umso heller glänzen die akademischen Erfolge: Jeder dritte naturwissenschaftliche Nobelpreis geht in den Jahren zwischen 1919 und 1933 an Forscher aus der Weimarer Republik, dazu gehören u. a. Max Planck, Albert Einstein, James Franck, Gustav Hertz, Werner Heisenberg und Otto Warburg.
Blüte von Wissenschaft und Kunst Auch kommt es zu einer Blüte von Wissenschaft und Kunst – und zu einem Aufschwung der Massenkultur: Die Metropole Berlin ist die
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europäische Hauptstadt des Showbusiness: Täglich öffnen 37 Theater, 119 Nachtclubs, 170 Varietés, 400 Bars, 20.000 Restaurants und 342 Kinos ihre Türen. Viele Kinofilme, die heute als »Kultfilme« bezeichnet werden, entstehen in dieser Zeit, wie zum Beispiel »Das Cabinet des Dr. Caligari«, »Nosferatu«, »Metropolis«, »Faust« oder »Dr. Mabuse«. Diese Filme sind bis heute wegweisend für die Entwicklung des Kinofilms. Angekündigt werden die Kinofilme auf sogenannten »Litfaßsäulen«. Heute gibt es Litfaßsäulen kaum noch, aber lange Zeit dienten sie als gängiges Mittel, um Sensationen anzukündigen. – Alle wichtigen Regisseure und hervorragende Schauspielerinnen und Schauspieler betrachten Berlin als Ziel ihrer Karriere. Viele bedeutenden Autoren und Journalisten arbeiten in der Stadt und fast alle großen Verlage haben in der Metropole ihren Sitz. Berlin ist in den 1920ern ein geistiges Zentrum Europas.
Zeitungen Die 1920er-Jahre sind eine Zeit ohne Fernsehen. Das Radio steckt noch in den Kinderschuhen. Es ist die Zeitung, die als maßgebliches Massenmedium die Zeit beherrscht. 1928 erscheinen in Berlin 147 politische Tageszeitungen, und das manchmal zwei- oder dreimal am Tag. Hinzu kommen 2633 Zeitungen und Zeitschriften. Die Zeitung dient den politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Diskussionen und verbreitet Nachrichten, Informationen und Meinungen.
Bittere Not Trotz dieser Entwicklungen haben die Menschen unter den Kriegsfolgen zu leiden: Überall auf den Straßen sind Kriegsversehrte und hungernde Abfallsammler zu sehen, der Mangel zwingt die Großstädter zu Hamsterfahrten aufs Land und zum Schleichhandel, bei dem sie Wertvolles gegen Eier, Mehl und Kartoffeln tauschen. Immer wieder kommt es zu Plünderungen von Geschäften. Nach Schätzungen sind drei Viertel der Berliner unterernährt. Der Mangel bringt Krankheiten: Die Zahl der an Tuberkulose und Rachitis Erkrankten steigt sprunghaft an. Viele Kinder aus der Arbeiterschicht haben weder warme Kleidung noch Schuhe. – Umso mehr versuchen die Menschen, sich ein wenig Normalität zu erhalten: auf traditionellen Familienfeiern, beim Sport, mit Ausflügen in die Natur.
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ZWEI ARBEITSLOSE UND EINE ARME FAMILIE BEI IHREM KARGEN MAHL IN BERLIN
ARTISTEN GEBEN EINE VORSTELLUNG IN EINEM HINTERHOF
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TERRASSE DES ROMANTISCHEN CAFÉS, UM 1925
LIEFERUNG VON EIS ZUM KÜHLEN VON LEBENSMITTELN, CA. 1930
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Neue Technik und Aussterbende Berufe Immer raffiniertere Erfindungen verändern das Aussehen der Städte. Schnellbahntrassen durchziehen Siedlungen über und unter der Erde, und selbst jene Neuerungen, die nicht »greifbar« sind – etwa das Telefon und die Elektrifizierung – führen die Welt in ein modernes Zeitalter. – Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft durchlaufen in der Weimarer Republik einen rasanten Prozess: Massenvergnügungen wie Kino und Radio erleben ihre Anfänge, Frauen erhalten das Wahlrecht und drängen ins Arbeitsleben. Technische Entwicklungen gewinnen an Bedeutung und machen zahlreiche Berufe wie Wäscherinnen, Gasriecher, Eislieferanten, Straßenartisten oder Seiler überflüssig. Das bedeutet auch, dass viele Menschen arbeitslos werden und kein Einkommen mehr haben.
Ganz unten Nach dem »Schwarzen Freitag« im Herbst 1929 – das bezeichnet den Zusammenbruch der Börse und der weltweiten Wirtschaft – beginnt auch die Blüte Berlins schon wieder zu verkümmern. Es folgen drei Jahre von Instabilität und wirtschaftlicher Krise mit zunehmender Not für immer mehr Menschen. Anfang 1933 gibt es allein Berlin sechshunderttausend Arbeitslose, im gesamten Deutschen Reich sind es mehr als sechs Millionen. Und Arbeitslosigkeit bedeutet – damals wie heute – Hunger, Not und Elend bis hin zu Obdachlosigkeit. Zehntausende nehmen sich aus Verzweiflung das Leben. – Die erste deutsche Demokratie, die als Sozialstaat gegründet wurde, versagt angesichts des Massenelends. Und so sehen Millionen Deutsche nur noch einen einzigen Ausweg: einen radikalen Bruch mit dem bestehenden System. – Die Nationalsozialisten kommen 1933 unter der Führung von Adolf Hitler an die Macht und wandeln die Weimarer Republik durch Terror und Rechtsbrüche in eine Diktatur um. Was im Rückblick die »Goldenen Zwanzigerjahre« genannt wird – das waren knapp gerechnet gerade einmal sechs Jahre.
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MAIKE RASCHKE, ANA FERNÁNDEZ GUERRA
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CLAUDIA ROHRBACH, STEFAN HADŽIĆ, LUZIA TIETZE, SUNG JUN CHO
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STEFAN HADŽIĆ
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LOTTE VERSTAEN
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CLAUDIA ROHRBACH, STEFAN HADŽIĆ
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MAIKE RASCHKE, ROBIN EBNETH
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CLAUDIA ROHRBACH
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FÖRDERVEREIN DER KINDEROPER KÖLN ter: I nfo s u n / Weitere /de er.koeln p .o w w w erein fo e r d e r v
KINDER OPER / \ KÖLN
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Erich Kästner
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SPIELZEIT 2020.21 DIE TEXTE BASIEREN AUF: Iván Eröd › https://www.derstandard.de/story/2000105370524/komponist-ivaneroed-83-jaehrig-gestorben › https://www.diepresse.com/5649122/ die-musikwelt-trauert-um-ivan-erod › https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/ Iván_Eröd › https://ungarnheute.hu/news/komponist-ivan-eroed-83-jaehrig-inwien-gestorben-18984/ › https://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_E/Eroed_Familie.xml › https://www.musicaustria.at/in-bartoks-nachfolge-zum-tod-von-ivaneroed/ › Erich Kästner › Klaus Kordon: »Die Zeit ist kaputt. Die Lebensgeschichte des Erich Kästner«, Weinheim Basel 2019 › Zitate von Erich Kästner in: Erich Kästner: »Als ich ein kleiner Junge war«, Zürich 2020 › Berlin › Kai-Uwe Merz: »Vulkan Berlin. Eine Kulturgeschichte der 1920er-Jahre«, Berlin 2020 › Bernd Stöver: »Kleine Geschichte Berlins«, München 2012 › Geo Epoche Panorama Nr. 5: »Die Weimarer Republik. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie in historischen Fotos 1918 – 1933«, Hamburg 2015 › »Es wird Nacht in Berlin. Die wilden Zwanziger«, Ein Buch von Robert Nippoldt und Boris Pofalla, Köln 2017
BILDNACHWEISE Iván Eröd: APA / Hans Punz › Erich Kästner in: Luiselotte Enderle: »Erich Kästner«, Reinbek bei Hamburg 1966 › Abb. S. 54 in: Kai-Uwe Merz, s. o. › Abb. S. 57 in: Geo Epoche Panorama, s. o. › Abb. S. 58 (oben): Detlef Berghorn, Markus Hattstein: »The Roaring Twenties. Die wilde welt der 20er«, Darmstadt 2019 › Produktionsfotos »Pünktchen und Anton« von Paul Leclaire
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