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Das Ende könnte auch ein neuer Anfang sein
«Denn der Götter Ende dämmert nun auf»: So singt es Brünnhilde in ihrem grossen Schlussmonolog, mit dem der Ring des Nibelungen zuende geht. Dann entfacht sie das Feuer, das Walhall verschlingen wird – die Götterburg, die zu Beginn des Rheingolds von den Riesen fertiggestellt worden war. Damit, dass Wotan, der Göttervater, den Riesen ihren vertraglich vereinbarten Lohn nicht bezahlen wollte, nahmen all jene Konflikte, die im Ring des Nibelungen erzählt werden, ihren Anfang. Und nun führen diese Konflikte zum unausweichlichen Untergang der Götter.
Häufig wurde dieser Untergang am Ende des Rings in der Vergangenheit als Weltuntergang gezeigt, der Brand Walhalls als alles verschlingender Weltenbrand. Und gerade in unserer heutigen Zeit herrscht ja wahrhaftig kein Mangel an Untergangsszenarien.
Doch Wagner hatte nicht den Weltuntergang im Sinn. Denn was am Schluss der Götterdämmerung untergeht, ist nicht die Welt – es sind vielmehr die Götter und mit ihnen das System, das auf Vertragszwängen, Machtkämpfen und Verrat beruht und in dem die Liebe keinen Platz hat. Diese Göt- terdämmerung ist ein durchaus katastrophaler Vorgang der viele Opfer fordert –Siegfried ist tot, Brünnhilde folgt ihm nach, auch Hagen wird am Ende an seiner Gier sterben, und Göttervater Wotan ist bereits im Siegfried endgültig abgetreten, nachdem sein Enkel seinen Speer zerschmettert hatte. Die Flammen verzehren Walhall, der Rhein tritt machtvoll über die Ufer, am Himmel breitet sich rötliche Glut aus. Aber «die Männer und Frauen schauen in sprachloser Erschütterung dem Vorgange zu», heisst es in der Regieanweisung. Die Menschen werden also nicht von Flut und Feuer verschlungen. Und die Rheintöchter bekommen das Gold zurück – etwas Neues kann beginnen.
Ob die Welt, die die Menschen in Zukunft bauen werden, besser oder schlechter sein wird als das gerade untergegangene System der Götter, wissen wir nicht. Aber das Orchester spielt am Ende der Götterdämmerung eine Melodie wieder, die zuletzt in der Walküre zu hören war. Dort erklang sie zu Sieglindes Worten «O hehrstes Wunder» und bezog sich auf die bevorstehende Geburt von Siegfried. Wagner sparte die Melodie bis zum Schluss auf; kein einziges Mal hat er sie seit ihrem ersten Erklingen verwendet, so wertvoll war sie ihm offenbar. Vielleicht bedeutet ihr Erklingen am Schluss der Götterdämmerung ja Hoffnung für die Zukunft. Tröstlich wäre das allemal.
Musikalische Leitung Gianandrea Noseda
Inszenierung Andreas Homoki
Ausstattung Christian Schmidt
Lichtgestaltung Franck Evin
Dramaturgie Werner Hintze, Beate Breidenbach
Siegfried Klaus Florian Vogt
Gunther Daniel Schmutzhard
Alberich Christopher Purves
Hagen David Leigh
Brünnhilde Camilla Nylund
Gutrune Lauren Fagan
Waltraute Sarah Ferede
Erste Norn Freya Apffelstaedt
Zweite Norn Irène Friedli
Dritte Norn Giselle Allen
Woglinde Uliana Alexyuk
Wellgunde Niamh O'Sullivan
Floßhilde Siena Licht Miller
Philharmonia Zürich
Chor der Oper Zürich
Premiere 5 Nov 2023
Weitere Vorstellungen 9, 12, 18, 24 Nov 2023, 3 Dez 2023 9, 26 Mai 2024
In deutscher Sprache mit deutscher und englischer Übertitelung
Unterstützt durch die Freunde der Oper Zürich