Guerilla Gardening. Ein botanisches Manifest

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GUERILLA

GARDENING EIN BOTANISCHES MANIFEST orange

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Richard Reynolds

GUERILLA GARDENING Ein botanisches Manifest

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Aus dem Englischen von Max Annas


Richard Reynolds: Guerilla Gardening Deutsche Erstausgabe. Copyright © Richard Reynolds Copyright © für die deutsche Ausgabe 2009 bei orange-press GmbH. Zweite Auflage 2010. The moral rights of the author have been asserted. Alle Rechte vorbehalten. Aus dem Englischen von Max Annas. Umschlaggestaltung: Katharina Gabelmeier Lektorat: Jan Gerstner, Edgar Kroll, Christiane Lang und Karin Schickinger Korrektorat: Anne Wilcken ISBN: 978-3-936086-44-7 www.orange-press.com


INHALT Die Bewegung Kapitel 1 | Eine Definition

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Kapitel 2 | Warum wir kämpfen

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Kapitel 3 | Wogegen wir kämpfen

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Kapitel 4 | Geschichte

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Das Handbuch 91

Kapitel 6 | Auf dem Feld

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Kapitel 7 | Propaganda

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Kapitel 8 | Sieg

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Kapitel 5 | Das Waffenarsenal


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FĂźr meine Guerilla-GroĂ&#x;mutter Margot


Vorwort

Richard Reynolds Elephant & Castle, Mai 2009

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Seit fünf Jahren bin ich ein Guerilla-Gärtner. Am Anfang zog ich in der Gegend herum und ackerte, wo es mir gefiel. Die verwahrlosten Blumenbeete in der Nachbarschaft nahm ich zuallererst in Angriff. Bis dahin hatte ich immer gesetzestreu gelebt, mehr oder weniger jedenfalls. Ich war gerade in eine Hochhauswohnung an einem trostlosen Kreisverkehr in Südlondon gezogen, eine Gegend, die berüchtigt ist für ihr Labyrinth aus Fußgängerunterführungen, das neonfarbene Shoppingcenter und ein Verkehrsaufkommen wie auf Englands befahrensten Autobahnen – die Art von Umgebung, in der Menschen zu Kriminellen werden. Mein persönliches Verbrechen bestand darin, dass ich ohne Genehmigung auf öffentlichem Boden gärtnerte und dabei alles aus dem Weg räumte, was mich behinderte. Gartenarbeit ist immer ein Kampf, auch wenn man die Erlaubnis dafür in der Tasche hat. Man kappt eine Pflanze, um einer anderen die Blüte zu ermöglichen, man streut Samen, reißt Unkraut heraus; man entfernt Blumen und erntet Früchte, bevor sie sich selbstständig vermehren können. Unsere Gärten sind Schauplätze brutaler Zerstörung: Tierfraß, Frostschäden, Überschwemmungen und Kahlschlag durch Stürme hinterlassen ihre Spuren. Diesen ständigen Kampf gegen die Naturgewalten teilen wir Guerilleros mit allen Gärtnern. Aber darüber hinaus haben wir noch andere Feinde und auch andere Ambitionen. Diesem Handbuch liegen nicht nur meine eigenen Erfahrungen mit Guerilla Gardening zugrunde. Guerilla-Gärtner in aller Welt, radikale oder etwas zurückhaltendere, aktiv oder im Ruhestand, siegreich oder nicht – sie alle haben diese Seiten mitgestaltet. Ich habe mich auch auf die Ratschläge »konventioneller« Guerillas bezogen, deren Strategien und Methoden sich auf unseren Kampf anwenden lassen. Das geht zwar weit über die Idee des Gärtnerns hinaus, aber um als GuerillaGärtner Erfolg zu haben, muss man eben ein bisschen mehr wissen. Auf geht’s!


Namen und Nummern Die meisten Namen im Buch sind mit Nummern kombiniert. Es handelt sich dabei um die Erkennungszeichen der Aktivisten, die sich bei GuerillaGardening.org eingetragen haben. Da einige Guerilla-Gärtner anonym bleiben wollen, sind grundsätzlich keine Nachnamen zu lesen. Nur wer nicht mehr lebt, wird mit vollem Namen genannt. Bezeichnungen in Klammern Hinter dem allgemein gebräuchlichen deutschen Pflanzennamen steht in Klammern kursiv ihr lateinischer Name. Diese botanische Bezeichnung ist auch in dem Fall eindeutig, wenn eine Pflanze unter verschiedenen deutschen Namen bekannt ist. In manchen Fällen habe ich außerdem in einfachen Anführungszeichen eine oder mehrere handelsübliche Sorten dieser Pflanzenart angegeben. Es handelt sich in dem Fall nur um Beispiel(e).


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DIE BEWEGUNG


Geh hinein und spazier darin herum. Was siehst du? Vielleicht kunstvoll errichtete Terrassen, aufwendig in Form geschnittene Hecken und lauschige Laubengänge, bunte Blütenexplosionen in Blumenrabatten oder ein vor Fruchtbarkeit strotzendes Gemüsebeet? Oder fällt dir nur die matschige Wiese oder der rissige Beton in deinem Hinterhof ein, der eher an ein Kriegsgebiet erinnert? Wie auch immer dein Phantasie-Garten aussieht: Sehr wahrscheinlich grenzt er auf einer Seite an ein Haus. So stellen sich die allermeisten Leute einen Garten vor – als eine Erweiterung des eigenen Heims, eine Landschaft, in der man leben kann, ein privater Raum, der in erster Linie zum Vergnügen des Besitzers angelegt worden ist. Und wenn manche ihren Garten großzügigerweise auch mit ihren Gästen teilen, gehört er letzten Endes doch dem Eigentümer allein.1 Irgendwo hinter dem Garten liegt ein weiteres Stück kultiviertes Land. Weil es so groß ist, spricht man von einer Gärtnerei oder einem landwirtschaftlichen Betrieb. Der Besitzer baut dort Erdbeeren (Fragaria × ananassa) an statt roter Rosen, die grundsätzliche Struktur jedoch ist dieselbe: ein Haus und ein privater Garten. Einige Leser werden sich ein Blumenbeet in einem Hochhauswohnblock vorgestellt haben oder vielleicht einen üppig begrünten Park. Dabei handelt es sich um eine ganz andere Art von Orten, denn sie sind öffentlich zugänglich. Der Eigentümer (oder wer auch immer dafür verantwortlich ist) hat den Raum zum Vergnügen der Allgemeinheit gestaltet – vielleicht mit einem Primelbeet (Primula polyanthus) oder auch einer Lindenallee (Tilia × europaea). Allerdings ist dieses Vergnügen klar begrenzt. Es ist zwar erlaubt, die Atmosphäre und den Blumenduft zu genießen, aber gleichzeitig gilt: Nichts mitnehmen, nichts liegen lassen, nichts anrühren! Denn das ist nicht dein Garten.

Die Bewegung | Kapitel 1

Stell dir einen Garten vor.

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1 | Eine Definition


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Nach landläufiger Meinung musst du einen eigenen Garten besitzen, wenn du gärtnern willst. Ohne eigenen Grund und Boden bleibt dir nur übrig, dir bei jemandem einen Job als Gärtner zu suchen oder ein Stück Land zu pachten. Manche Leute haben jedoch ein anderes Verständnis vom Gärtnern, und ich bin einer von ihnen. Ich warte nicht auf eine Genehmigung, ich grabe überall, wo ich gärtnerisches Potenzial sehe. Ich kümmere mich um existierende Gärten und lege neue an, wo das Land schon verwahrlost war. Ich verlasse meine eigenen vier Wände, um in Gärten zu arbeiten, die mir nicht gehören, und Tausende Gleichgesinnte machen es genauso. Gelegenheiten gibt es genug. Auf brachliegenden Grundstücken entstehen urbane Oasen, Straßenränder erstrahlen in Blütenpracht, und von Land, das schon als unfruchtbar abgestempelt war, werden reiche Ernten eingefahren. All das ist als Guerilla Gardening bekannt geworden. Die Einsätze finden überall und in jeder Größenordnung statt – von heimlichen Einzelattacken bis hin zu spektakulären gärtnerischen Feldzügen gut organisierter, politisch bewusster Gruppen. Guerilla Gardening ist: DIE UNERLAUBTE KULTIVIERUNG VON LAND, DAS JEMAND ANDEREM GEHÖRT. Der Kampf wird noch heftiger werden, denn die meisten Menschen besitzen kein Land. Die Mehrzahl von uns lebt in Städten und verfügt über keinen eigenen Garten. Wir alle verlangen mehr von diesem Planeten, als er an Raum und Ressourcen zu bieten hat. Guerilla Gardening ist eine Schlacht um die Ressourcen, ein Kampf gegen Landmangel, gegen ökologischen Raubbau und verpasste Möglichkeiten. Und dann geht es nebenbei auch noch um Dinge wie Meinungsfreiheit oder das Zusammengehörigkeitsgefühl in deinem Viertel. Guerilla Gardening ist eine Schlacht, in der Blumen die Munition sind (meistens jedenfalls). 1.1 | Kleinkrieg Das Wort Guerilla ist spanisch und bedeutet »kleiner Krieg« – ein Krieg, in dem sporadische Angriffe informeller Kampftruppen die großen Schlachten traditioneller Streitmächte ersetzen. Der erste kleine Krieg dieser Art fand im Jahr 516 v. Chr. statt: Die Skythen setzten sich


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gegen die einfallende persische Armee unter König Darius I. mit nächtlichen Überfällen auf die Reserveeinheiten zur Wehr, anstatt es auf eine offene Feldschlacht anzulegen. Das G-Wort selbst wurde 1808 zum ersten Mal verwendet, und zwar für die militärische Antwort der Spanier auf Napoleon Bonapartes Invasion. Sechs Jahre lang zermürbten lose Banden spanischer Kämpfer die übermächtige französische Besatzungsmacht, indem sie sie aus dem Hinterhalt angriffen und die Zivilbevölkerung aufwiegelten. Ganz gewöhnliche Männer, keine ausgebildeten Soldaten, griffen mutig zu den Waffen, um ihr Land gegen die Eindringlinge zu verteidigen, und sie bezeichneten sich selbst als Guerilleros. Von ihren englischen Verbündeten im Kampf gegen Napoleon wurden sie »Guerillas« genannt. Diese Kämpfer waren sich absolut darüber im Klaren, was es bedeutete, wenn fremdes Land bewirtschaftet wurde – und setzten dieses Wissen auf destruktive Weise um. Sie hinderten die Franzosen daran, Ernte von spanischem Boden einzufahren und trafen sie damit empfindlich. Indem sie den Feldzug des Duke of Wellington auf ihre Weise unterstützten, spielten die Guerillas eine wichtige Rolle bei der Befreiung Spaniens, und ihre Taktik wurde woanders bald kopiert. Der polnische Aufstand gegen das zaristische Russland 1863, der Amerikanische Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 und im Mittleren Osten die Wüstenangriffe von T.E. Lawrence während des Ersten Weltkriegs: alles Guerillakriege. Mao Tse-tung und Che Guevara sind zwei der berühmtesten Guerilleros, und beide haben Bücher über das Thema geschrieben. In Yu Chi Chan (Über den Guerillakrieg) von 1937 beschreibt Mao detailliert seine Attacken auf die japanische Armee in China. Ches La Guerra de Guerillas (Der Partisanenkrieg) von 1961 wurde verfasst nach dem Sturz von Fulgencio Batistas Regime. Er erläutert darin Prinzipien, Strukturen und Taktiken des Guerillakriegs und propagierte damit seit Mitte der Sechzigerjahre den Partisanenkampf in Afrika und Lateinamerika als Methode der marxistischen Revolution. Für diese Guerilleros ging es um mehr als nur darum, Eindringlinge aus ihrem Land zu vertreiben – sie wollten die Gesellschaft verändern. Sie hatten ihre eigene Motivation, und das unterschied sie von gewöhnlichen Sol-


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daten, die darauf gedrillt werden, unpolitisch zu sein und den Befehlen ihrer Vorgesetzten blind zu folgen. Guerillas dagegen kämpfen für ihre eigene Sache. Der Guerillero ist Befehls- und ausführende Gewalt zugleich. Aus dieser selbstbestimmten und unabhängigen Natur entspringt die Effektivität des Guerilla-Kämpfers. Weder Weisungsketten noch schwerfällige Bürokratie halten ihn auf. Ein Guerillero ist unabhängig und nur dem gesunden Menschenverstand verpflichtet. Genauso wie für sein militärisches Pendant ist auch für den GuerillaGärtner eine große Schlacht weder notwendig noch sinnvoll. Kommt es zum Krieg (besonders wenn er sich um Pflanzen dreht), dann gilt einfach: Small is beautiful. 1.2 | Das G-Wort Mit ihren politischen Schriften und ihren militärischen Erfolgen haben Mao und Che das Bild des Guerilleros so popularisiert, dass es heute viel mehr Menschen anspricht, als sich gegen kapitalistische oder imperialistische Herrschaft einsetzen. In den frühen Siebzigerjahren nahm auch eine kleine Gruppe New Yorker den Begriff für sich in Anspruch, die damit ihr illegales Gärtnern auf verlassenen Grundstücken im East Village beschrieben. Sie nannten sich »Green Guerrillas« und verliehen ihrer Bewegung damit einen Beiklang von Abenteuer und Rebellion. Sechs Jahre vor ihrem ersten Spatenstich, 1967, war der bekannteste aller Guerilleros hingerichtet worden und warb seitdem als Märtyrer und Posterheld für den Kampf um eine gerechtere Welt. Che Guevara war und ist Inspiration für eine Veränderung des Status quo, sein berühmtes Konterfei nach einer Fotografie von Alberto Korda blickt uns von Tausenden von T-Shirts an. Das Bild steht für das romantische Guerilla-Ideal – selbstbewusst und unverwandt in die Ferne blickend; fest geschlossene Lippen und bebende Nasenflügel; wildes, ungekämmtes Haar unter einem hübschen Barett. Von Ches eigentlichen Zielen und seiner Politik haben die meisten keine Ahnung. Statt dessen zelebrieren sie ein Heldentum, das sich jeder leicht überstreifen kann. Che ist zum liebenswerten Guerillero und zur vorzüglich vermarktbaren Ware geworden. Viele wollen ein Stück vom Che-Kuchen (sogar


1.3 | Gärtnernde Guerillas Der Literaturnobelpreisträger V.S. Naipaul erzählt in seinem Roman Guerillas (1975) von einem Garten, den der Partisanenkämpfer Jimmy Ahmed auf den Bahamas angelegt hat. Es ist die detaillierteste Beschreibung eines Guerillero-Gartens, die ich kenne, und zugleich die eines heruntergekommenen, unfruchtbaren Orts: »Der Acker überwuchert von Unkraut, auf ein zwei Beeten vereinzelt noch ein paar halbverdorrte Pflanzen, die übrigen ganz braun und staubtrocken.« Am Ende wird Jimmys englische Geliebte Jane in dem Garten begraben, und die Inselrevolution ist verloren. Dieses unglückliche Portrait eines Guerilla-Kämpfers als gleichgültiger und untätiger Gärtner steht im Gegensatz zur gärtnerischen Hingabe vieler echter Guerilleros. Ches Guerillakrieg in Kuba wurde geführt für freien Zugang zu Grund und Boden für alle: »Traktoren und Panzer, gemeinsam reißen sie die Mauern des Grundbesitzes ein [...] und schaffen neue Eigentumsverhältnisse.« Und schon Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts lautete der Schlachtruf von Emiliano Zapata,

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die Anglikanische Kirche und auch die Financial Times haben schon mit Ches Portrait geworben), das G-Wort ist in alle Geschäftsbereiche vorgedrungen. Es gibt Guerilla-Gaststätten, Guerilla-Golf, GuerillaStricken und Guerilla-Teleshopping. Besonders revolutionär, mutig oder heldenhaft ist das alles in der Regel nicht. Kommerzielle Unternehmen haben sich den Markennamen »Guerilla« unter den Nagel gerissen, sodass von seiner ursprünglichen Schlagkraft nicht viel übrig geblieben ist. Heute steht er für jeden auch nur irgendwie unkonventionellen oder überraschenden Ansatz.2 Guerilla Gardening aber ist mehr als das. Guerilla-Gärtner verstoßen nicht nur gegen gesellschaftliche Konventionen, sondern gegen Gesetze. Unsere Aktionen richten sich nicht gegen die Alltagstristesse. Guerilla-Gärtner haben, genau wie die Ur-Guerilleros, einen echten Feind. Die Spanier forderten ihr Land von den fremden Besatzern zurück, wir fordern es von den fremden Besitzern. Auch wenn wir kaum ganzen Staatsmächten gegenüberstehen, fühlt es sich doch manchmal an, als hätten wir es mit Kompanien kleiner Napoleons zu tun.


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dem Guerillakämpfer für eine gerechtere Verteilung von Agrarland in Mexiko, »Tierra y libertad!« (Land und Freiheit). Es wimmelt von Gartenmetaphern in den Büchern über Guerilla-Krieg. Che schreibt über die »Saat von Revolution und Propaganda« und von »Früchten der Zerstörung«. »Mit einem Land verbunden zu sein, indem man von den Produkten dieses Landes lebt«, erklärt er zum Kernpunkt der Kampftheorie. Letzten Endes erlaubt er den Guerilleros jedoch, anstelle des eigenen Gärtnerns die heimischen Kleinbauern zu ermutigen – das führe »zu einer besseren, effektiveren und mit mehr Enthusiasmus ausgeführten Arbeit.« Von wirklicher Gartenarbeit hatten weder Che noch Mao wirklich Ahnung. Was Mao jedoch nicht davon abhält, festzustellen: »Zwischen einem Soldaten und einem Bauern gibt es keinen großen Unterschied«. (Zwanzig Jahre später allerdings zeigt er wenig Respekt vor den Kleinbauern. Er zwingt sie in zentral organisierte Produktionsgenossenschaften und löst in China dadurch die verheerende Hungerkatastrophe von 1959-61 aus. Auch seine Parole »Lasst einhundert Blumen blühen« aus dem Jahr 1956 hat im Grunde mit Botanik nichts zu tun.) Ein anderer Guerillero zeigte in den letzten Jahren, wie man mit ein bisschen ökologisch durchdachter Gartenarbeit tatsächlich einen Krieg gewinnen kann. Francis Ona von der Pazifikinsel Bougainville bezeichnete sich selbst als »Öko-Revolutionär«. Seine Attacken richteten sich gegen den Ressourcenraub und die Umweltverschmutzung durch den Kupferabbau, die der Rio-Tinto-Konzern mit den Minen von Panguna betrieb. Die erste Aktion des Öko-Revolutionärs war nicht gewaltlos – er sprengte die Mine in die Luft. Aber den blutigen Bürgerkrieg, der sich dann entzündete, sowie die mehrjährige Blockadepolitik der Regierung von Papua-Neuguinea konnten er und die Revolutionäre Armee Bougainvilles durchstehen, indem sie viel von ihrer Energie in den Gartenbau steckten. Sie bezogen Nahrung und Brennstoff aus der Landwirtschaft und waren spezialisiert auf die Kokospalme (Cocos nucifera), deren Früchte sie für ihre Fahrzeuge und Stromgeneratoren ebenso verwenden konnten wie als Zutat für ihre Currygerichte.


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1.4 | Die Gattung Guerilla Gardening ist eine ökologische Bewegung.3 Wie ein lebender Organismus reagiert sie auf ihre Umwelt und wächst überall dort, wo sie auf günstige Bedingungen trifft. Das Phänomen Guerilla Gardening breitet sich aus wie Samen, der von einem Feld aufs nächste geweht wird; es passt sich seiner lokalen Umgebung an und entwickelt dabei neue Eigenschaften, ganz wie eine neue Pflanzenart. Die enorme Vielfalt im Guerilla Gardening erschwert eine einheitliche Gattungseingrenzung. Es ist wie beim Salbei (Salvia), von dem es neunhundert Unterarten gibt. Manche davon wachsen auf steinigem Boden, andere bevorzugen feuchtes Grasland; manche haben farbenfrohe Blüten, andere blühen in unauffälligen Grüntönen; manche sind einjährige Pflanzen, andere kommen als winterharte Sträucher vor. Genauso floriert Guerilla Gardening in allen erdenklichen Formen überall auf der Welt. Insgesamt spielen Salvia und Guerilla Gardening jedoch Nebenrollen im Gartenbau, während bekanntere und auffälligere Formen im Mittelpunkt stehen. Jeder weiß, eine Rose (Rosa) ist eine Rose ist eine Rose – selbst wer nicht im Garten arbeitet, hat schon mal eine Rose verschenkt oder erhalten, eine ins Knopfloch gesteckt oder in eine Vase gestellt. Salbei ist anders. Sein Platz ist schwer zu bestimmen, sowohl im Garten als auch kulturell, nur gelegentlich erregt eine einzelne Art unsere Aufmerksamkeit wie der leuchtend rote Feuersalbei (Salvia splendens) oder der köstliche Küchensalbei (Salvia officinalis). Auch Guerilla Gardening war bis vor Kurzem allenfalls für vereinzelte Phänomene bekannt, natürlich vor allem für die der ausgefallenen Sorte: Baumpflanzungen mitten auf Schnellstraßen, ein majestätisches Reiterstandbild mit einer flotten Grasfrisur oder ein großer Gemeinschaftsgarten auf einem heruntergekommenen Bauplatz. Die subtileren Arten der Gattung Guerilla Gardening – ein paar weiße Narzissen (Narcissus ›Panache‹), von einem phantasievollen Radfahrer zwischendurch heimlich unter einer Hecke angepflanzt, die Pflege eines einst vernachlässigten Beets, ein Miniatur-Maisfeld (Zea mays) auf einer Verkehrsinsel – werden oft übersehen. Dabei sind sie absolut nicht weniger bedeutend.


Unterschätze nicht den ruhigen und bescheidenen Guerilla-Gärtner: Seine Leistungen sind genauso eindrucksvoll und die Ergebnisse oft von längerer Dauer. Vor einer Verwechslung solltest du dich allerdings in Acht nehmen: Gärtnerische Aktivitäten, für die du eine offizielle Erlaubnis hast, sind kein Guerilla Gardening. Etwas anderes so zu bezeichnen als die unerlaubte Gestaltung von Land, das dir nicht selber gehört, wäre eine Herabwürdigung von Courage und Kreativität der echten Guerillas. Die schamloseste Inbesitznahme des Begriffs, die ich kenne, hat der Londoner Oberbürgermeister zu verantworten, der im Mai 2007 den Trafalgar Square für kurze Zeit mit edlem Rollrasen begrünen ließ (eine ziemlich sinnlose, teure und ökologisch bedenkliche Aktion zur »Verschönerung« der Stadt). Und nur, weil die Miniwiese nachts verlegt wurde, wurde das Ganze dann »Guerilla Gardening« genannt. Ein Stück Land ohne ausdrückliche Genehmigung zu bewirtschaften, erscheint manchen Menschen ganz normal. Sie kommen nicht einmal auf die Idee, dabei etwas Rebellisches zu tun oder Teil einer weltweiten Guerillabewegung zu sein. Diese Haltung spornt uns andere an. Lerne die vielfältigen echten Arten der Gattung zu erkennen wie ein guter Botaniker! Feiere und verteidige die vielen Formen von Guerilla Gardening, wann immer und wo immer es möglich ist!

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1 Im achtzehnten Jahrhundert beschrieb Horace Walpole in seinem Essay On Modern Gardening die von jeher bestehende Verbindung zwischen Garten und Privatbesitz. »Gartenbau war eine der ersten Kunstformen, der ähnliche Wertschätzung zuteil wurde wie dem Bau von Häusern. Eigentum und Privatbesitz waren die notwendige Voraussetzung dazu.« 2 Nicht alle übernehmen den Begriff »Guerilla« so begeistert. Vor dem Hintergrund der blutigen Stadtguerillageschichte Deutschlands in den Siebzigerjahren klingt das Wort manchen Guerilla-Gärtnern zu gewalttätig, sodass sie sich stattdessen lieber Garten-Piraten u.ä. nennen. 3 Heutzutage bedeutet »ökologisch« auch so viel wie »frei von chemischen Zusatzstoffen« – was allerdings leider nicht bei allen Guerilla-Gärten der Fall ist.


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Richard Reynolds vor ÂťseinemÂŤ Wohnblock in Elephant & Castle.

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Linke Seite: »Guerilla«-Merchandising mit Che und Mao auf einem Straßenmarkt in Amsterdam.

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Oben: Propagandaplakat – Mao Tse-tung hilft chinesischen Bauern bei der Ernte von Gossypium hirsutum. Zumindest mit Gartenmetaphern kannte Mao sich gut aus.

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Oben links: Guerilla-Garten in Tokio. Oben rechts: Blühende Narcissi ›King Alfred‹ von Peter 509 in der Houston Street, New York.

Links: Prächtige Guerilla-Blüte in Brüssel.

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Lizzie 002, Vicky 2769 und ich pflanzten Tulipa ›Isle de France‹ in East Portlemouth, Devon.

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Celosia plumosa in einem der Blumenkästen von Poster Child 3261 in der Augusta Avenue, Toronto.

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Guerilla-Gärtner beim Picknick mit Freunden im Garten Rosa Rose, Berlin Friedrichshain.

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Purple 321 beim Zusammenkratzen von Pferdemist im New Yorker Central Park.

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Blick von oben auf den riesigen »Garden of Eden« von Purple 321, New York City. 1985 wurde der hinter Haus Nr. 184 der Forsyth Street liegende Garten von den städtischen Behörden zerstört.

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1966 widmete man John Chapman alias Johnny Appleseed , dem berßhmten amerikanischen Guerilla-Gärtner des neunzehnten Jahrhunderts, die 5-Cent-Briefmarke.

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PFLANZEN BESCHAFFEN

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Der Gärtner des öffentlichen Raums muss entweder sehr großzügig mit seinem Geld umgehen oder sehr sparsam sein. Da er seine Gewächse der Allgemeinheit überlässt, hat er keinen Einfluss darauf, ob sich jemand an den Blumen erfreut oder sie zerstört. Ein neuer Guerillero wird deshalb eher vorsichtig sein und nicht gleich viel Geld in Pflanzen investieren wollen, die anschließend allen möglichen Feinden ausgesetzt sind. Ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass du Verluste erleiden wirst, schick nicht deine kostbarsten Truppen an die Front. Warte damit, bis du die Lage unter Kontrolle hast. Wenn du dein Geld nicht aus dem Fenster werfen willst, solltest du nach einer Quelle für gute und günstige Pflanzen Ausschau halten. Wie jeder Kämpfer brauchst du möglichst direkten Zugriff auf deine Waffen. Vielleicht bist du glücklicher Besitzer eines eigenen Gartens, der dir Sämlinge und Stecklinge liefert. Sonst such dir Verbündete, wie einen spendablen Nachbarn, ein Gartencenter mit überschüssigen Pflanzen oder Besucher deiner Website. Als es sich herumgesprochen hatte, dass Lora 3082 aus Lethbridge, Alberta, Kompost brauchte, stellten Unbekannte ganze Tüten voll bei ihrem Guerilla-Garten ab. Geh erst zu ausgefalleneren und teureren Arten über, wenn du ausreichend Erfahrung gesammelt hast. Bist du zuversichtlich, die Pflanzen auf deinem Terrain durchzubringen, kannst du aufrüsten. Doch am Anfang und vor jeder Aktion gilt: Nimm alles, was du umsonst kriegen kannst. Schlage kein Angebot aus, nur weil du glaubst, es passe nicht in deinen Pflanzplan. Arbeite ressourcenorientiert und sei offen für alle Vorschläge. Wenn deine Lieferwege erst mal sicher sind, kannst du alte Pflanzen immer noch ersetzen. Sechs gute Quellen: 1 Dein eigener Garten – wenn du einen besitzt – oder die Gärten von Verbündeten sind guten Basen, um empfindliche Pflanzen hochzuziehen. Außerdem kannst du von dort unerwünschte Keimlinge von Selbstaussäern, übergroße oder schlappe Pflanzen auf neue GuerillaPlätze umsiedeln. Selbstaussäende Pflanzen wuchern oft wie Unkraut, sind aber im Grunde super. Sie brauchen nur wenig Pflege und eignen sich wahrscheinlich sehr gut für dein Guerilla-Areal.


2 In Gartencentern bleiben manchmal Pflanzen übrig, die zu unansehnlich sind, um noch Käufer zu finden. Trotzdem haben sie noch jede Menge Leben in sich. Ein guter Tipp sind krautige Pflanzen am Ende des Sommers oder sommergrüne Büsche, die ihre Blätter schon verloren haben. 3 Professionelle Gärtner (auch bei Städten und Gemeinden) haben oft Pflanzen übrig. Wenn sie neue Beete anlegen, wissen sie in der Regel nicht, wohin mit den ausgegrabenen Blumen, Stauden oder Büschen. In ihrer Rechnung ist es günstiger, die alten Pflanzen durch frische aus den Gewächshäusern zu ersetzen, als sie für eine neue Saison wieder aufzupäppeln. Du kannst die Profigärtner von einem tiefen Schuldgefühl befreien, indem du sinnvoll weiterverwendest, was sie aussortiert haben. 4 Bewahre den Samen aus deinem Essen auf. Tomaten (Solanum lycopersicum), Paprika (Capsicum annum) und Äpfel (Malus domestica) sind auf diese Art und Weise am einfachsten zu bekommen. Steck die Samen in kleine Töpfe mit Erde, wässere sie und deck sie mit Frischhaltefolie ab, bis sie keimen. Ist die Frostgefahr vorbei, kannst du sie in deinem Beet aussetzen. Funktioniert auch mit getrockneten Samenkernen.

6 Die beste Quelle für neue Munition sind die Pflanzen in deinem eigenen Garten. Sie sind begierig darauf, sich zu reproduzieren, also hilf ihnen dabei, indem du Samen sammelst, Stecklinge schneidest und Büschel in mehrere Pflanzen teilst. Denk immer daran: Dein Waffenarsenal lebt!

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5 Kaufen gehen ist die schnelle, einfache Lösung – kostet allerdings Geld. Ob du Pflanzen auf dem Bauernmarkt, bei einer kleinen Gärtnerei oder im Großmarkt holst, falls du zu Letzterem Zugang hast, wird von deinem Budget bestimmt. Sich auf diesem Weg Samen, Zwiebeln oder junge Pflanzen zu besorgen, ist natürlich viel weniger zeitraubend, als Verbündete zu suchen und Spenden anzuleiern.


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Aus dem extremen Flügel der Bewegung ist der Vorschlag gekommen, in Robin-Hood-Manier vorzugehen, sprich: Pflanzen bei den Reichen zu stehlen, um damit die Siedlungen der Armen zu verschönern. Damit bin ich absolut nicht einverstanden. Das wäre nicht nur Diebstahl, es hinterließe auch noch eine Spur der Verwüstung – und damit genau das Gegenteil dessen, wofür wir kämpfen. 5.2 | Saatbomben Samen zu verstreuen ist die einfachste Art des Guerilla-Gärtnerns. Es geht schnell, und man braucht keine Werkzeuge. Einige Pflanzen werden es nicht schaffen, andere überleben. Du kannst diese Technik von unterwegs anwenden, musst dafür nicht mal stehen bleiben – Tony 830 wirft ganze Hände voll Waldscheinmohn-Samen (Meconopsis cambrica) aus dem Fenster, wenn er die M60 in der Nähe von Barton Bridge entlang fährt. Dieser gelbe Mohn wächst sowohl unter feuchten wie trockenen Bedingungen und vermehrt sich ganz hervorragend von selbst. Er ist also ideal für solche Flächenbombardements. Allerdings muss der Samen in einem günstigen Umfeld landen, da er zum Keimen Erde und Wasser braucht. Wenn du also einen Berg aus Schotter und Müll in etwas Schöneres verwandeln willst, wird es kaum genügen, Samen darauf zu werfen. Erstens weist der Boden keinerlei Nährstoffe auf, welche die Samen zum Wachsen brauchen. Und zweitens trocknen sie aus, wenn sie offen in der Sonne liegen, und werden von Mäusen und Vögeln aufgefressen. Trotzdem sind Samenbomben eine prima Sache. Damit sie funktionieren, müssen sie über die Samen hinaus noch ein paar andere Bestandteile enthalten.3 Erde und Wasser sind das Grundmaterial der Bomben, was dem Saatgut schon mal den Start erleichtert. Sie werden zu Granaten geformt, die sich einfacher auf unerreichbare Plätze feuern lassen – etwa hinter Zäune oder auf Areale, auf denen es zu gefährlich wäre, Zeit mit Anpflanzen zu verbringen. Kathryn 079, eine Kunstprofessorin aus Kalifornien, setzt seit 1991 Samenbomben mit avocadoförmigen Projektilen ein. Dazu mixt und presst sie Kompost, natürliche Pflanzensamen und Dextrin zusammen (ein Derivat aus Maisstärke, das als Bindemittel in Schokoriegeln und


5.3 | Werkzeug Ein einfacher Guerilla-Gärtner braucht kein Werkzeug – um Samen zu verstreuen, ist wirklich keine spezielle Ausrüstung nötig. Willst du jedoch sichergehen, dass die Saat auch aufgeht, lohnt es sich, die Erde vorher ein wenig zu lockern. So kann der Samen wesentlich einfacher Wurzeln schlagen als in hartem Grund. Das mindeste ist, die Oberfläche aufzurauen, besser noch gräbst du den Boden um.

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Tierfutter verwendet wird). Sie hat eine richtige Massenproduktion aufgebaut und ihre Samenbomben in Galerien ausgestellt, sie weiterverschenkt und zu Beginn der Regenperiode in Kalifornien verteilt.4 Die Idee kam ihr während einer Dürre in Santa Barbara, als sie die einst so wunderschöne Landschaft wie tot sah. Sie beschloss, von nun an mit ihrer Kunst die Natur zu feiern und ihr zu neuer Gesundheit zu verhelfen. Eine ausgeklügelte, biologisch abbaubare Waffe haben Ella 1305 und Aimee 1306 konstruiert – eine Samenmuschel. Dafür saugen sie zuerst den Inhalt eines Hühnereis aus, füllen es anschließend mit Wildblumensamen und ein wenig Kompost und schreiben zusätzlich noch eine hoffnungsvolle Botschaft auf die Schale. Auch Christopher 1594 aus Richmond, Virginia, hat eine starke botanische Waffe entwickelt: eine Samenbombe, die wie eine Pistole aussieht. Diese formt er zu fünf Teilen aus rotem Tonstaub (erhältlich bei Töpferei-Zulieferern), einem Teil Kompost, einem Teil Wildblumensamen und etwas Wasser zu einer Neun-Millimeter-Pistole (einer Lieblingswaffe von Polizisten wie von Kriminellen). Ein dänisches Kollektiv hat ein N-55-Raketen-System gebaut. Diese große Waffe wird mit einer Mischung aus Polyethylen und Lachgas gefüllt und kann zum Beispiel auf dem Gepäckträger eines Fahrrads festgebunden werden. Zum Schluss noch eine wichtige Anmerkung zum Thema Samenbomben: Wenn du sie auf Gelände abwirfst, das du später nicht selber weiter kultivieren willst, nimm ausschließlich Samen, die zum natürlichen Bewuchs passen. Sonst bist du möglicherweise Schuld daran, dass neue, aggressive Arten das ökologische Gleichgewicht durcheinanderbringen.


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Saddiq 754 benutzt dazu eine Plastikgabel, Girasol 829 nimmt einen Schraubenzieher. Falls du Zugang zu einer Gartenausrüstung hast, schlage ich vor, du beginnst mit einer einfachen, kleinen Harke. Sie ist für den Guerilla-Gärtner das Werkzeug erster Wahl. Dann kommt eine Pflanzkelle, mit der du größere Löcher für Pflanzen graben kannst, die du aus Töpfen in die Erde setzt. Zwei Werkzeuge genügen also für den Anschlag kleineren Maßstabs: um zum Beispiel kleine Pflanzen in gute Böden einzusetzen, Zwiebelknollen zu versenken und um sogenannte Baumscheiben, die kleinen Flächen um Stadtbäume herum, zu gestalten. Will ein Guerilla-Gärtner mehr Aufsehen erregen und größere Areale bepflanzen, muss sein Waffenarsenal auch größere Werkzeuge enthalten. Ein stark verwahrlostes Stück Land kann mit Schutt übersät sein, der Boden ist möglicherweise von dickem Unkrautgeflecht bedeckt, oder die Erde ist nach Jahren unter Sonne, Regen und Fußgängern hart geworden. Um ein solches Desaster anzugehen, brauchst du eine große Harke und einen Spaten. Beginn mit der Harke, lockere den Boden, brich die harten Klumpen auseinander. Jäte Unkraut und sammle mit den Händen Steine sowie alles andere auf, was nicht nach guter Erde aussieht. Dann kannst du den Boden mit dem Spaten heben und wenden, damit er wieder Luft bekommt, und Dünger und Kompost untermischen. Nach dem Umgraben solltest du den Boden wieder etwas einebnen, sonst bilden sich nach jedem Regen große Pfützen. Außerdem bekommen Samen und Pflanzen auf ebenem Grund die gleichen Voraussetzungen. Ein Rechen ist dafür optimal, ersatzweise kannst du auch die Harke nehmen, wenn du sie so hältst, dass ihre Zinken die Oberfläche nur glätten. Zum Abschluss deiner Gartenarbeit kannst du mit einer großen Bürste die Dreckklumpen wegfegen, die ein enthusiastischer Guerilla-Einsatz nun einmal hinterlässt. Falls du wild wuchernde Pflanzen zähmen willst, die sich schon auf deinem Gelände befinden, brauchst du eine Gartenschere. Je größer die Büsche sind, je dicker ihre Äste, umso kraftvoller muss deine Ausrüstung sein. Akkubetriebene oder elektrische Heckenscheren sind eigentlich selten nötig, und sie nehmen auch einiges vom Spaß, den


5.4 | Chemikalien Viele Gärtner sind geradezu Experten in chemischer Kriegsführung. Sie lieben es, ihre Pflanzen mit synthetischen Cocktails wie NPK-Dünger (N für Stickstoff, P für Phosphor, K für Kalium) vollzupumpen für Arrangements aus grellbunten Blumen in irrwitzigen Dimensionen oder für aufgeschwemmte Gemüse, die an Bodybuilder auf Steroid erinnern. Katie 1111 macht sich einen Spaß daraus, die Stadtgärtner von Otterton in Devon zu verwirren, indem sie die öffentlichen Anlagen rund um ihre Ortschaft mit einem wirksamen Gebräu besprüht.

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Kampf mit eigenen Händen auszufechten. Ich habe nur einmal auf elektrisches Werkzeug zurückgegriffen – als ich mit Sam 076 und dessen Kettensäge einen übergroßen Schmetterlingsflieder (Buddleia davidii) lichtete. Spar aber nicht an der Qualität deines Werkzeugs. In den großen Baumärkten findest du eine im Preis stark schwankende Auswahl. Bei meiner Erstausstattung entschied ich mich für billige Geräte, die dem Kampf gegen harte Erde und unerwartete Betonbrocken in der Gegend um London nicht gewachsen waren. Meine Mutter 008 lieh mir Spaten und Harke meines Großvaters, aber auch diese fünfzig Jahre alten Gerätschaften hielten den Einsatz nur fünf Minuten durch, bevor sie zerbrachen. Nimm also etwas Strapazierfähiges, mit angenehmen Griffen, die für dich bequem sind. Solches Werkzeug ist zwar teuer, aber es hält ein Leben lang. Wenn es sich ergibt, kauf gebrauchte Geräte. Dabei gute von schlechter Qualität zu unterscheiden, ist ein Kinderspiel: Hochwertiges Werkzeug liegt schwerer in der Hand, und wenn du dagegen schlägst, ertönt ein dunkles »Klonk«.5 In der Praxis kann es manchmal schwierig sein, dieses schwere Zubehör zwischen Lagerraum und Garten hin und her zu transportieren. Idealerweise findest du eine Möglichkeit, es in der Nähe des Einsatzortes unterzubringen – Julia 013 beispielsweise hat einen Cafébesitzer überredet, ihr Werkzeug aufzubewahren. Hab keine Scheu, Anwohner in dein Guerilla-Gärtnern mit einzubeziehen. Viele Menschen sind froh, helfen zu können, ohne selbst zum Rechen greifen zu müssen.


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Index

Abfälle 51, 78, 95, 133 Adbusters 65f, 69 Afrika 13, 26 Amsterdam 118, 130, 178, 181, 190 Anführer 128, 195 Antonio, Jorge 82 Bäume pflanzen 22f, 53, 64, 74f, 94f Baumscheiben 53, 110, 125, 165 Berens, Lewis H. 88, 196 Berlin 33, 39, 112, 147, 164f, 195 Blanc, Patrick 49 Blumenbeet 20f, 133ff, Blumenzwiebeln 22, 145 Boden alkalischer Boden 95, 98, 101, 103 entwässerter Boden 98, 105 nährstoffarmer Boden 95ff, 101ff öffentlicher Boden 7, 140 saurer Boden 131 steiniger Boden 17 Boston 39 Botswana 26 Bougainville Revolutionary Army 16 Bournemouth 145 Brasilien 25, 47, 150 Brisbane 113 Brüssel 36, 41, 139, 173 Budapest 37 Buenos Aires 128, 193 Cabrera, Wilfredo 82 Cahill, Kevin 46 Chapman, John (Appleseed) 74f, 121, 194, 197

Che Guevara 13f, 67, 119, 169, 171 Chemikalien 63, 111, 117 Chicago 21, 117 Chiquita Brands International 81ff Churchill, Winston 19, 84f Corr, Anders 43, 150 Crea, Michael Vincent 142 Crewkerne, Somerset 116 Cromwell, Oliver 71, 73 Dach, Hans von 153, 175 Davenport 24 Devon (Friedhofsgarten) 111, 127, 188 Diggers 26, 43, 71f DIY 67 Drogenanbau 31f Dubai 46 Dublin 132 Dünger 105, 105, 112f Fairfax, Sir Thomas 73, 88, 138 Frost 105ff, 121 Gaborone 26, 35 Garten-Denkmal 40ff Gartenabfälle 112f, 132 Gemüseanbau 26ff, 43, 140ff Giuliani, Rudolph 49, 58, 141 Green Guerrilla 14, 80, 88, 121, 165, 179 Green Thumb 141, 189, 194 Guantánamo Bay 26f Gummistiefel 115 Hackney 54f, 144, 146, 162, 178 Hängende Gärten der Semiramis 43 High Wycombe 55, 180 Honduras 81, 83


Nahrung 24ff, 30, 52, 81, 194 New Babylonians 42ff New York 14, 22ff, 49, 58, 78ff, 141ff, 163ff, 179 Nieuwenhuys, Constant 42 Paris 27, 42, 49, 67, 164 People’s Park 76, 193, 197 Pflanzen Angriffspflanzen 100 Aromatische Pflanzen 95 Aufsehen erregende Pflanzen 92 Erntepflanzen 104 Farbenfrohe Pflanzen 93 Für alkalischen Boden 95, 98, 103 Für nährstoffarmen Boden 97 Für Schädlingsbekämpfung 103 Gemüsepflanzen 105 Mauern aus Pflanzen 102 Mit oberirdischer Verbreitung 101 Mit unterirdischer Verbreitung 100 Salzresistente Pflanzen 99 Schattenpflanzen 97 Trockenheitsresistente Pflanzen 96 Überraschende Pflanzen 94 Unkrautunterdrückende Pflanzen 103 Verteidigungspflanzen 102 Wehrhafte Pflanzen 105 Widerstandsfähige Pflanzen 95 Windbeständige Pflanzen 79 Plymouth 118, 127, 158 Polizei 77, 120, 137f Portland 66 Propaganda 153ff, 174f

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Hunde 78, 147 Hundebesitzer 133, 147 Hyde Park 84, 63 Kairo 48 Kalifornien 31, 108f, 164, 167, 193 Kenia 26 Kleidung 72, 91, 113ff, 186, 191 Kommunikation 20, 117, 175 Kompost 63, 106, 108f, 112, 131 Kreisverkehr 40, 125, 155, 175 Kuba 15, 27, 169 Legalisierung 163, 179, 182ff Lennon, John 88, 154, 175 Libyen 150 Licht 117 Liz Christy Community Garden 78ff, 163ff, 187 London 18, 42ff, 48, 64, 72, 145f, 184f, 195 Los Angeles 28, 49 Loudon, John 31 Mailand 22, 129 Mao Tse-tung 13ff, 77, 113, 117, 119, 123ff, 136, 149, 160 Matthews, James 84f Mauern 43, 100, 102, 126 Medien 67, 165, 167ff, 181f Merchandising 171 Mexiko 17, 24 Montreal 144, 179, 187 Moskau 121, 175 Mulch 32, 132, 139 Mumbai 22


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Rasen 62f Reading 32 Reclaim the Streets 64, 84 Regenwald 60 Rotterdam 66 Samen 22, 39, 91, 107ff, 172 Saatbomben 22, 108f, 121, 165, 172 San Diego 22, 164 San Francisco 29, 34, 38, 144 São Paulo 65 Schädlinge 96, 102, 136 Schreber, Daniel Moritz 34f, 44 Singapur 21 Soja 60 Spanien 13, 63 St George’s Hill, Surrey 72f, 88, 160 Straßen 22, 64ff, 125 Südafrika 25, 46 Tacamiche, Honduras 25, 81 Tiere 112f, 147, 192 Todmorden, Lancashire 28 Tokio 29, 46 Toronto 159, 161, 197 Torre, Devon 60, 188 Trafalgar Square 18 Transport 119ff Tübingen 31 Uganda 26 Unkraut 51ff, 57, 110 Unkrautbekämpfung 103 Vancouver 191f, 197f Verkleidung 113f Victoria Park 31

Wasser 117ff Wellington, Duke of 13, 187 Weltkrieg 13, 19, 27, 43, 63 Werbung 65f, 162f, 172ff Werkzeuge 108ff, 119, 139 Westminster Bridge Road 145 Wettbewerb 165ff, 188 Wien 126 Wildblumen 23, 61, 109, 144, 172 Wildnis 59ff Winstanley, Gerrard 25, 43, 71ff, 81, 88, 138, 160, 175, 196 Würmer 112 Zäune 126, 192ff Zürich 130


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