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Erik Waechtler | Simon Bunke (Hrsg.)

LYRIX

Lies mein Lied 33 1/3 Wahrheiten 端ber deutschsprachige Songtexte

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Erik Waechtler, Simon Bunke (Hrsg.): LYRIX – Lies mein Lied. 33 1/ 3 Wahrheiten über deutschsprachige Songtexte Freiburg, orange-press 2011 © Copyright 2011 bei orange Alle Rechte vorbehalten.

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Gestaltung: Katharina Gabelmeier Satz: Peter Schmider / Torben Pahl Korrektorat: Christoph Trunk Gesamtherstellung: xPrint Die im Text angegebenen URLs verweisen auf Websites im Internet. Der Verlag ist nicht verantwortlich für die dort verfügbaren Inhalte, auch nicht für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität der Informationen. Trotz aller Bemühungen von Herausgebern, Autoren und Verlag kann es immer wieder passieren, dass einzelne Urheberrechte unrichtig, unvollständig oder gar nicht verzeichnet sind. Alle diesbezüglichen Anfragen bitten wir an den Verlag zu richten. ISBN: 978-3-936086-59-1 www.orange-press.com

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Intro

Wahrheiten

Michael Bartle | Zerstreu die Zweifel an deinem Verstand!

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Inhalt

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F e h l fa r b e n » G o t t s e i d a n k n i c h t i n E n g l a n d «

Gunnar Mergner | Der Klassensprecher

23

…But Alive »Nur Idioten brauchen Führer« UND K e t t c a r » I c h d a n k e d e r A c a d e m y «

Rembert Hüser | Wollte, könnte

32

F. S . K . » ( I W i s h I C o u l d ) S p r e c h e n S i e D e u t s c h «

Erik Waechtler | Uns Udo

40

Udo Lindenberg »Ganz egal«

Sonja Eismann | Liebe – was soll das?

47

Die Lassie Singers »Liebe wird oft überbewertet«

Ralf Summer | Bärlauch-Schnitten in der offenen Koffein-Szene

52

Xberg Dhirty6 Cru »Quartiersmanege«

Christian Stiefenhofer | Die schnelle Nummer

58

Die Spider Murphy Gang »Skandal im Sperrbezirk«

Moritz Baßler | West-östliche Diva

66

N i n a H a g e n » TV- G l o t z e r «

Joachim Schneider | Im Cauntry-Land

72

Element of Crime »Delmenhorst«

Wenzel Storch | Scharfes in H-Dur

78

H a n n e s Wa d e r » R o h r i m W i n d «

Edgar Klüsener | Freiheit wird zur Einsamkeit

91

I h r e K i n d e r » W e i s s e r S c h n e e , s c h wa r z e N a c h t «

Klaus Theweleit | Aus dem Weg gehen

96

Ton Steine Scherben »Ich will nicht werden, was mein Alter ist«

Klaus Walter | Immer diese Widersprüche

100

DA F » K e b a b t r ä u m e « u n d » D e r M u s s o l i n i «

Matthias Penzel | Ja-und-nein. Schmutziger Reim.

107

Sido »Mein Block«

Heinrich Deisl und Michael Giebl | Wiener Geschichtskittung

115

Fa l c o » R o c k M e A m a d e u s « K r i s t o f S c h r e u f » B o u r g e o i s W i t h G u i ta r «

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Wolfgang Frömberg | Die mehrfach gespaltene Persönlichkeit

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Erik Waechtler | Diskurs-Pop oder Kafka mit Klampfe

128

B l u m f e l d » I c h – w i e e s w i r k l i c h wa r «

Markus Ganz | Das Rollen der Mensch-Maschine

136

Kraftwerk »Autobahn«

Martin Betz | Ein Barkas voller Brücken

141

K a r at » Ü b e r s i e b e n B r ü c k e n m u s s t d u g e h e n «

Eric Facon | Berner Gesänge

147

Mani Matter »Dene wos guet geit« bis Stiller Has »Walliselle«

Zita Bereuter | Das Leben ist kein Wunschkonzert

155

G u s tav » V e r l a s s d i e S ta d t «

Bernhard Lassahn | Vom Bösen genascht

161

G e o r g K r e i s l e r » Ta u b e n v e r g i f t e n i m Pa r k «

Martin Jankowski | Was bleibt

169

City »Am Fenster«

Carolin Matzko und Schorsch Kamerun | Interview

174

Punk bleiben, ohne punk zu bleiben

Alfred Pranzl | Ballade mit kollektiver Schreitherapie

191

S i g i M a r o n » B a l l a d e va n a n a h o at n W o c h n «

Ulli Wenger | Der Provokateur

199

Marius Müller-Westernhagens »Skandalsongs«

Beat Hirt | Organspendergesang

207

Züri West »Ich schänke dir mis Härz«

Bdolf | Rottweiler Blues Reloaded

214

Heinz-Rudolf Kunze »Der Abend vor dem Morgen danach«

Ale Dumbsky | Ab dafür

219

A b wä r t s » B e l A m i «

Max Annas | Hi-de-hi-de-hi-de-hi!

224

Die Sterne »Fickt das System!«

Linus Volkmann | Du zeigtest mir, was Liebe ist

230

Die Goldenen Zitronen »Daniel«

Bernd Stiegler | Leicht gemachte Vernunft

234

Tocotronic »Pure Vernunft darf niemals siegen«

Tom Franke | Heimatlos

239

S a n d o w » B o r n i n t h e G DR «

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Autorinnen und Autoren Diskografie

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Intro

Intro

An einem heißen Nachmittag im Juni 2011 saß ich mit Klaus Thewe­ leit auf dem Dach des Kyosk in Freiburg und plauderte über deutsche Songtexte. Für den Schriftsteller und Kulturtheoretiker war das Radio­ programm der Fünfzigerjahre die »erste musikalische Sozialisierung« mit deutschsprachigen Songtexten: »In den Flipperhallen von damals gab es nur einen Ausweg! Mit Magenschmerzen, wenn man ein paar Groschen übrig hatte, rannte man zur Jukebox und drückte was Ame­ ­rikanisches oder Englisches. Bei den deutschen Interpreten dach­te man: O Gott! O Gott! Die müsste man einsperren! Tatsächlich mit einer richtigen Wut!«1 Als Bill Haley 1954 mit »Rock around the clock« die Ära des Rock ‘n‘ Roll einzählte und die Jugend in aller Welt auf die Tanzflächen trieb, konnte man bei den musikalischen Tanztee-Erzeugnissen deutscher­ Pro­venienz vor Scham nur im Boden versinken. Man denke bloß an den »schwäbischen Rock ’n’ Roller« Peter Kraus, der sich traute, ElvisSongs auf Deutsch zu singen und uns mit »Dudde Frudde« den Rudi machte, von den Meilensteinen deutscher Unterhaltung à la Peter Alexander, Roberto Blanco, Gus Backus und all den »Schlageraffen« (Udo Lindenberg) aus Dieter Thomas Hecks ZDF-Hitparade ganz zu schwei­gen. Das hat sich in den letzten Jahrzehnten gründlich geändert. Da kamen Bands wie Ton Steine Scherben, Kraftwerk oder Element of Crime, Gruppen wie DAF oder F.S.K., da gab es Künstler wie Udo Lindenberg, Nina Hagen oder Falco. Es kamen Bewegungen wie Punk,­ Indepen­ dent und Hip-Hop. Heute sind deutsch singende Bands wie Tocotronic oder Xberg Dhirty6 Cru, Sido oder Fehlfarben genauso angesagt wie der ganze Kommerz-Ramsch amerikanischer Prägung. »Diese Aversion, die bei uns, in meiner Generation herrschte, gegen alles, was am Deutschen hängt und am Deutschtum, bis hin zu Heino, gibt es heute so nicht mehr«, sagt Klaus Theweleit. »Es haben sich

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»Die Errungenschaft von Pop ist die Montage.« (Klaus Theweleit)

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ver­schiedene Sprechweisen entwickelt, die feministische, eine ökolo­ gi­sche oder gay, es haben sich Slangs und Sprachen entwickelt, mit de­nen man groß geworden ist, die mit dem alten deutschen Befehls-, Wissensweitergabe- und Forderungston oder ›Politiker-lügen‹-Ton prinzipiell nichts mehr zu tun haben. Und deshalb ist mir völlig klar, dass diese Bands deutsch singen können – ohne dieses Rucksackge­ päck – und dass das klappt.« LYRIX – Lies mein Lied hört auf das, was allzu oft von Bassgewum­ mer, schrillen Gitarren-Riffs oder Lalala übertönt wird: die Texte. Re­ frains und Strophenzeilen aus Popsongs prägen unsere Alltagsspra­ che, wir summen sie vor uns hin, rocken sie, rappen sie. Dylan, Zappa, Morrison, sie und viele andere sind, nachdem sie auf Platte gepresst waren, auch noch mal als Buch erschienen: moderne Lyrikbände. Was also ist ein Liedtext? Ein vertontes Gedicht? Gesungene Poesie? Die musikalische Untermalung der Stimme gehörte von Anfang an zum rhythmischen und reimenden Erzählen dazu. Nicht umsonst wird Homer häufig mit einer Lyra, einer Leier, abgebildet, ebenso der mittelalterliche Minnesänger. Heute sind Song­texte eine Form, in der Lyrisches überhaupt noch in populärer Form und quer durch die Ge­ sellschaft wahrgenommen wird. Auf der anderen Seite lässt sich ein Songtext nicht einfach wie ein Gedicht lesen. Das englische Wort lyrics etwa grenzt Songtexte expli­ zit von Lyrik (engl. poetry) ab: »Es ist die Paraphrasierung. Die Rhyth­ misierung macht die Zeile bei einem Song. Ein guter Songtext taugt auch gelesen etwas, aber ohne Stimme ist das nur die halbe Lyrik«, so Klaus Theweleit. Songtexte schaffen eine ganz eigene Metrik, ihre eigene Form: »Die Errungenschaft von Pop ist die Montage, die Fähigkeit der Zeile, dass man alles aneinander pappen kann – man springt von einem Raum in den anderen, und das Ganze wird durch die Musik zusammengeklebt.« LYRIX – Lies mein Lied will sich mit Songtexten in einer Weise aus­ einandersetzen, die ihnen gerecht wird und sie als das würdigt, was sie sind: eine eigene Textform, die der Lyrik nahesteht und durchaus literarische Qualitäten entwickeln kann. Noch gibt es für Songtexte keine Kriterienkataloge und keine Kommentarbände; LYRIX – Lies

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mein Lied ist der erste Versuch einer ernsthaften und zugleich unter­ haltsamen Annäherung mit einer Vielzahl an Stimmen, Methoden und Stilen. LYRIX – Lies mein Lied, das sind 33 Texte über 33 deutschsprachige Songs, aus der BRD, aus Österreich, der Schweiz und der DDR. Ver­ fasst von 33 Autorinnen und Autoren: Journalisten, Schriftstellern, Musikern, Filmern und Wissenschaftlern – darunter ein ausführliches Interview von Carolin Matzko mit Schorsch Kamerun, dem Texter und Sänger der Goldenen Zitronen, über den Punk im Punk, eine Bildsatire von Regisseur Wenzel Storch auf den Hannes-Wader-Song »Rohr im Wind« sowie eine musikalische Performance von Bdolf über Heinz-Rudolf Kunzes Rottweiler. Die Herangehensweisen und Schreibstile der Autorinnen und Auto­ ren sind so unterschiedlich wie ihre Herkunft, ihre Erfahrungen und Tätigkeiten. Es gibt metrisch-numerische Analysen von schmutzigen Reimen (Matthias Penzel über Sido) und einen Ariadne-Faden zur deutsch-englischen Sprachverwirrung (Rembert Hüser über F.S.K.). Es gibt diskursanalytische Beobachtungen über die Liebe (Sonja Eismann über die Lassie Singers), eine fliegend leichte Vernunftkritik von Bernd Stiegler (Tocotronic) und eine Stimme gegen die Geschichtslosigkeit des Mainstream von Wolfgang Frömberg (Kristof Schreuf). Daneben gibt es auch nostalgische Untertöne wie in Max Annas‘ Text über Die Sterne: »Fickt das System«. Einige Autoren nähern sich den Songtexten über die Bandgeschichte oder die Künstlerbiografie wie Moritz Baßler (Nina Hagen) und Ulli Wenger (Marius Müller-Westernhagen). Andere wiederum unterzie­ hen die Texte einem close reading wie Martin Betz den Ost-WestKlassiker »Über sieben Brücken musst du gehn« von Karat, liefern den lokal- und sozialpolitischen Kontext für den »Skandal im Sperr­ bezirk« (Christian Stiefenhofer über die Spider Murphy Gang) oder einen Grund, zu sagen: »Leckts mi aum Oasch« (Alfred Pranzl über Sigi Maron). Dazu kommen existenzielle Überlegungen zum Erwach­ senwerden von Gunnar Mergner (… But alive und Kettcar), zum Blick aus einem Fenster in der DDR von Martin Jan­kowski (City), zu einer Stadt, die keine ist (Zita Bereuter über Gustav) und zum kafkaesken

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Xberg Dhirty6 Cru | »Quartiersmanege« 52

Ralf Summer Bärlauch-Schnitten in der offenen Koffein-Szene »Scheiß auf deutsche Texte«, sang Frank Spilker in den Neunzigern mit seiner Band Die Sterne. Der Slogan war damals als Anti-Hamburger-Schule-Statement les- und sein Ursprung somit nachvollziehbar: »Ich bin dagegen.« Aber ich will Herrn Spilkers These, die mit der alt­bekannten Kraft der Verneinung arbeitet, hiermit nicht weg-, sondern: ihr hinterherwischen. Weil es immer wieder deutsche Texte gibt, die nicht scheiße, sondern, tam tam: der »heiße Scheiß« sind. Texte, wo: einer richtig erzählt, mächtig übertreibt und trotz allem Gepose sympathisch bleibt. Lyrics, die: einerseits fein gesponnen sind, kaum wahrnehmbare Unterschiede von Mitgliedern einer Szene zu einer Art Sittengemälde einer gewissen Zeit (im folgenden Fall: Deutsch­land in den Nullerjahren) herausarbeiten und sich andererseiz nicht zu schade sind, richtig unkorrekt auf die Kacke zu hauen (und die vermeintlich eigenen Leute anzupissen, weil: man soll ja auch über sich selbst lachen können). Und sie kleben einem im Gedächtnis fest, wie das andere Zeux an der Sohle. Texte, denen es weder an Selbstzweifel, Szene-Koordinaten und Sozio-Positionierung noch an Sex fehlt. Also los gez – runter zu den Text-Tigern in die Manege, die schon vor den Feuerreifen scharren. Altes Berlin, dreckiges Kreuzberg, früher: 1000 Berlin 36. Von wegen »arm und sexy«, es spendiert immerhin dieser Hip-Hop-Crew den Namen und diese Geschichte. Das Lied »Quartiersmanege« spielt vermut­ lich in Mitte, im neuen Galerienviertel, wo man mit geübtem Blick ältere Bewohner von Zugezogenen, Nicht-Künstler von Künstlern, aber auch Künstler von Hungerkünstlern, potenzielle Neureiche von behördlich anerkannten Hartz-IV-Empfängern unterscheiden kann. Der Kopf der Xberg Dhirty6 Cru ist Rapper Ill Till, der schon 2008 auf dem ersten Album Die Wichtigkeit durch bizarre Songtexte wie in »Deswegen« und »Die Raststätte« Aufmerksamkeit auf sich zog. Auf dem zweiten Album finden sich dann aber seine bisher besten Lyrics, vor allem in Songs wie »Quartiersmanege«, »Bonbonmädchen« und dem Album-Titelsong »Die Reime der Anderen« – eine schöne Anspie­

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lung auf von Donnersmarcks nicht unumstrittenen Stasi-Aufarbei­ tungs-Film Das Leben der Anderen. »Quartiersmanege« ist ein Rapstück von 3:30 Minuten Länge, in dem wir über die neuesten Veränderungen in der Hauptstadt unterrichtet werden. Ill Till ist ein extrem talentierter Wortsportler, der sich selbst gern in seine Geschichten einbaut, wie wir es aus klassischen Raptexten bestens kennen. Dem Köln-Berliner gelingt dabei eine im Deutschen bisher nicht gehörte Mischung aus abstrusem StudioBraun-Humor (Jacques Palminger / Rocko Schamoni / Heinz Strunk), Stream-Of-Consciousness-Texten (Dendemann, Marsimoto) und hier und da einer Portion beiläufiger Lakonie, wie man sie in Christiane Rösingers Berlin-Beobachtungen findet. Ill Till porträtiert in dem Text einen Neuberliner. An einigen wenigen Stellen zitiert er ihn, dann klingt die Sprache durch einen Effekt etwas anders als der herkömmliche Rap, der keine Effekte benutzt. Zur Einstim­mung lässt die Xberg Dhirty6 Cru den Protagonisten der Geschichte einen Konversations-Klassiker des Neuen Berlin sagen. Aufregend hier in Berlin, echt spannend, ja Immer in Bewegung. Sollen wir nicht noch in die Galerie gehen?

Dein Name: Berthold, 33 Jahre Dein Pullunder quetscht deine Halsschlagader Dein’ Wohnsitz hast du in mein’ Kiez verlagert Weil da geht so einiges, das findest du spannend Du bist Quartiersmanager, Gentrifizierer Boutiquen-, Café-, Galerie-Verschieber Ich komm auf die Party und seh nach dem Rechten Die Netzwerker wollen mich an Konzepte fesseln Du laberst mir mein Ohr voll mit deinen Projekten Willst mein’ Bildunxstand dabei auschecken

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Dann setzen die Synthies ein und der Beat verdichtet sich, die Dhirty6 Cru rollt den Teppich aus für die erste Strophe, für die Vorstellung der besungenen Person:

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Hab ich das gelesen? Gehört? Und gesehen? Nö, aber ich wollte an den Tresen. Das Stück beschäftigt sich also mit dem weltumspannenden stadtgeo­ grafischen Phänomen der Gentrifizierung, den Wikipedia als einen sozialen Umstrukturierunxprozess der Innenstädte beschreibt, als »sozio-kulturelle Veränderungen in einem ursprünglich ärmeren Viertel, wenn Immobilien zunehmend von wohlhabenderen Eigentümern übernommen und baulich verändert werden«. Berthold, der Besungene, gehört offensichtlich zur Personengruppe, die die Gentri­ fizierung mit sich bringt. Getrieben von Abenteuerlust, Kunstgeschmack und Geschäftssinn, sucht er in seiner neuen Heimat mindestens nach Gleichgesinnten, meist aber nach Kunden. Ill Till beschreibt ihn bereits in Zeile zwei als eher unsympathisch und stellt auch Bertholds Sprache als unangenehm dar, offensichtlich merkt der Neu­ berliner gar nicht, wie er mit seinem Gesamtverhalten nervt. Was im nun folgenden Refrain durch das stete »bla bla« am Satzende unterstrichen wird.

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Du willst dich unterhalten, bla bla bla bla bla Referat abhalten, bla bla bla bla bla Über alte Platten, bla bla bla bla bla, bla bla bla bla bla Berthold ist ein in mondäner Konversation geübter, siegessicher auftretender »Zutexter«, der bereit zur Übernahme des Viertels ist. Bei den Goldenen Zitronen entlarvte Sänger Schorsch Kamerun im Song »00:30 gleiches Ambiente« einmal die Floskeln eines Werbers: »Ich liebe Musik! Easy Listening ist echt geil. Und Moby hat echt eine tolle Stimme! Ist ’ne gute Gegend, hier zu wohnen. Ich liebe Menschen!« Doch die Xberg Dhirty6 Cru wertet hier nicht den Beruf von Berthold, vermutlich ist die selbstaufgezogene Kunstgalerie immer noch besser als eine standardisierte Filiale eines Global Players wie Starbucks oder Footlocker. Der Xberg Dhirty6 Cru geht es um die Person Berthold. Sein Auftreten macht ihn zum Feindbild, zur Persona non grata, der vielleicht sogar mit Gewalt Einhalt geboten werden

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muss. Am Ende des Refrains lässt Ill Till nämlich offen, ob »Aktion Minimal« und »Noch ’n paar Jahre radikal« eine Drohung ist, der vielleicht am traditionellen Berliner 1. Mai Taten folgen. Das Stück ruft auch Erinnerungen an den »Rauch-Haus-Song« der Ton Steine Scherben von 1971 wach, als Rio Reiser sang: »Ihr kriegt uns hier nicht raus! Das ist unser Haus! Schmeißt doch endlich Schmidt und Press und Mosch aus Kreuzberg raus!« Gemeint waren damals drei Kreuzberger Spekulanten. In Strophe zwei wirft Ill Till Berthold vor, sich zu wenig Gedanken über sein Handeln zu machen, zieht dessen Szene ins Lächerliche. Dabei findet er Bilder und Worte, die hängen­ bleiben: Er zitiert Public Enemys Rap »hard like it’s a pose«:

Berthold ist zwar im Grunde an den gleichen Orten und gleichen Kultur­techniken wie der Rapper interessiert, wird aber als naives Millionärssöhnchen dargestellt, das sich nicht bewusst ist, wie angreif­ bar ihn sein offensiv zur Schau gestellter Lebensstil macht. Ill Till erfindet dafür sogar Vokabeln: er kalauert »die offene Koffein-Szene« und nennt Bertholds weibliche Gefolgschaft – nämlich offensichtlich tolle, sich bewusst ernährende Damen – abschätzig »Bärlauch-Schnitten«. Im zweiten Refrain, der sich leicht vom ersten unterscheidet, enthüllt Ill Till, dass Berthold – wie zu vermuten war – ein Zugereister ist, eine Tatsache, die er vermutlich zu kaschieren versucht. Es wird

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Du erklärst mir, was dich an meinem Bezirk noch stört Bedenxt aber nicht, wie sich das auswirken wird Die offene Koffein-Szene und Bärlauch-Schnitten Generell verstören mich Vocoder-Stimmen Von deinem Mundgeruch krieg ich schlimmes Augenflimmern Von unverrauchter Luft krieg ich Schwindelgefühle Du benutzt Papas Geld für deine SM-Teddy-Ausstellung ’Das ist wohl die Hauptstadtkulturfront, Till!’ Schlau like it’s a pose mach ich mir zur Toilette Wo ich mich selbstverständlich nach vorne drängel Unentdeckte Genies, viel zu lang in der Kabine Wollt ihr diskutieren oder Bazillen ziehen?

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Die Spider Murphy Gang | »Skandal im Sperrbezirk« 58

Christian Stiefenhofer Die schnelle Nummer In München steht ein Hofbräuhaus Doch Freudenhäuser müssen raus1 Was ist da los? Die urbayrische Trinkhymne aus der Feder des Ur-Berliners Wilhelm Gabriel, die seit 1935 im Walzertakt Münchner und andere Bierliebhaber zu einem anständigen Rausch animiert, kennt doch eigentlich nur eine Losung, und die muss heißen: »Oans, zwoa, gsuffa!« Jetzt mit einem Mal der hochdeutsche Hinweis auf Liebestempel und deren Ver­bannung, »damit in dieser schönen Stadt / das Laster keine Chance hat«. Was war da also los? Man schreibt das Jahr 1981. Seit gut zwei Jahren regiert in der baye­ri­ schen Landeshauptstadt ein Mann namens Erich Kiesl, der erste (und einzige) CSU-Bürgermeister der Nachkriegsgeschichte. Kiesl, wegen sei­ner Vorliebe für Dienstreisen mit dem Hubschrauber auch »Propel­ ler-Erich« genannt, hatte sich gleich zur Amtseinführung damit her­ vor­getan, die Straßenmusiker und Bettler mit polizeilicher Hilfe aus der Münchener Fußgängerzone entfernen zu lassen. Jetzt waren die Prostituierten dran. In einer Neufassung der Sperrbezirksverordnung ist ab dem 1. Januar 1981 in praktisch allen Wohngebieten Münchens die Prostitution ver­ boten. Oder wie es der Bayerische Verfassungsgerichtshof später, als viele Dirnen gegen die Verordnung klagten, kritisch formulierte: Die »Gewerbsunzucht« sei praktisch nur mehr in Industriegebieten, Kaser­ nen, Parks, Gefängnissen, in den Isarauen und auf Friedhöfen möglich. Von 30 Bordellen im Sperrbezirk schließen innerhalb eines Jahres 24. Geriert sich so eine »Weltstadt mit Herz«? Ist das eine Neuinterpretation der berühmten Libertas Bavariae? Leben und nicht lieben lassen? Angefangen hat der Zwangsexodus schon früher, nämlich vor der Olympiade 1972, als klar war, dass die Welt bald auf München schauen würde, und da waren den Stadtoberen zuerst die Puffs und Ani-

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mierkneipen rund um den Hauptbahnhof ein Dorn im Auge. Die Prosti­tution in der Schiller- und Goethestraße wird verboten, und der junge Bankangestellte Günther Sigl erlebt die Reaktionen auf das Verbot hautnah mit: »I hob damals in einer Bank in der Lindwurm­ strassn g’arbeitet. Es war groß angekündigt, dass die Damen jetzt gegen die Vertreibung demonstrieren, und do bin I da hig’laufen und dann ham die tatsäch­lich aus dem Fenster Transparente raus­g’hängt: ›Wir wollen in der Innen­stadt bleiben‹ und so, und I hob mir des ogschaut, solche Themen ham mi scho immer interessiert.«2 Bald quittiert Sigl seinen Angestelltenjob und widmet sich seiner großen Leidenschaft, dem Rock ’n’ Roll. Er tingelt Mitte der Siebziger­jahre mit seiner zusammengewürfelten Combo, der Spider Murphy Gang, durch die Clubs der amerikanischen GIs. Das Touren durch die Amiläden ist die ganz harte Schule. Ein paar Jahre später sind die Spiders dann Hausband im Münchner »Memoland«, einer Einrichtung, für die man damals die Bezeichnung »Musikschuppen« ad­äquat fand. Der BR-Moderator Georg Kostya sieht sie dort spielen und holt die Gang als permanente Liveband in seine neue Rockhouse-Sendung. Aber »Rolling Schorsch« hat eine Bedingung: die Spiders sollen ihm einen Titelsong für die Sendung schreiben, und zwar auf Bayerisch! Als Günter Sigl einmal die grundsätzliche Nähe zwischen dem Englischen und dem Bayrischen begriffen hat, etwa die Verwandtschaft von »oiwei« und »always«, fließen ihm die Texte nur so aus der Feder. Die Spider Murphy Gang wird zum Inbegriff der bayrischen Rock-’n’Roll-Band. Sigl, der äußerlich immer ein wenig an Hansi Kraus, den »Lümmel von der ersten Bank« erinnert, aber Ende der Siebzigerjahre schon jenseits der Dreißig ist, singt von Pennäler-Freud (»Zwoa Zigarettn auf der Schuitoilettn«), und Schüler-Leid (»D’Glockn liegt da schwer im Mogn, hoffentlich muaßt as net aufsogn«), von schüchternen Burschen, die es schwer haben beim »Hasen«-Aufreißen (»Mit’m Frosch im Hois und Schwammerl in de Knie«) und von echten Münchner Typen, etwa dem Elvis von Schwabing (»Vor guat zwanzg Joahr war a fast a Superstar, heit spuit a auf mit seiner Combo in a oidn Stripteasebar«).

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Genau jenen Stripteasebars geht es jetzt, Anfang 1981, aufgrund von Erich Kiesls Saubermann-Politik an den Kragen. Mit einer heute noch verblüffend schlagfertigen Lässigkeit antworten Sigl und seine Spider Murphy Gang auf das Vorgehen der Stadt und servieren den »Skandal im Sperrbezirk«. Eine Bombe, die fast schon als Rohrkrepierer geendet hätte und die dann umso heftiger detonierte. Nachdem er in den ersten vier knappen Zeilen die fragwürdige Vorgehensweise der Stadtregierung ironisiert hat, zoomt der Text jetzt auf seine Hauptfigur, eine Liebesdienerin der neuen Art: Doch jeder ist gut informiert Weil Rosie täglich inseriert Und wenn dich deine Frau nicht liebt Wie gut, dass es die Rosie gibt Es existiert eine neue Art der Kontaktanbahnung im Rotlichtgewerbe und die funktioniert über Telefon. Das – im wahrsten Sinne des Wortes – »Scheinheilige« daran ist es, was Sigl ärgert: »Nachdem ma die Etablissements und die Damen aus der Stadt verbannt hat, ham ja die Boulevardblätter die Vermittlungsrolle übernommen. Durch die Anzeigen, die geschaltet wurden. ›Ich mach alles’ oder ›Wer’s mollig mag’ und so, damit ham die Zeitungen ein Riesengeld verdient!«3 Und dann folgt der Satz, der über Wochen und Monate in Wohnzimmern und Werkskantinen, auf Schulhöfen und über Büroflure hinweg die Gemüter in Wallung bringt:

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Und draußen vor der großen Stadt Stehn die Nutten sich die Füße platt Unerhört: Das Wort »Nutten«. In einem deutschen Popsong. Nicht die Dirnen, auch nicht die Huren, sondern die eindeutig abschätzig titulier­ ten Nutten warten hier also vergeblich auf Kundschaft. Geschickt, wie der Text sich das Pejorative des Begriffs zunutze macht: Die Nutten sind noch mehr zu Outsidern geworden, als sie es vorher sowieso schon waren. Als Leidtragende der Münchner Stadtpolitik sind sie nun

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tatsächlich draußen: aus der Stadt; auf zugigen Straßen im Nirgendwo der Industriegebiete; und vor allem: aus dem Geschäft. Die Bordsteinschwalben oder »Zwicklschnalln« – so laut Günther Sigl der Münch­ner Jargon für Billigprostituierte (»Zwickl« = Zweimark­stück) aus einer Zeit, als die D-Mark wohl wirklich noch eine harte Wäh­ rung gewesen sein muss – stehen jetzt zum Beispiel an der B11 nach Freising. Der sogenannte Hausfrauenstrich etabliert sich in der Folge­ zeit ausgerechnet in der Nähe des kleinen Ortes Dirnis­ma­ning. Das Ganze folgt immerhin einer jahrhundertealten Tradition: Im Mittelalter und der frühen Neuzeit war die Verbannung aus der Stadt die gängigste aller Strafen bei sittlichen Vergehen. Ehebrecherinnen wurden, nachdem sie zunächst im Büßergewand vor der Kirche stehen mussten, meist für fünf Jahre aus dem Burgfried, also dem weitläufigen Stadtgebiet verbannt. Rosie hingegen ist keine »Nutte«. Sie sitzt drinnen, in der Stadt, im Warmen und bedient die Kundschaft in der Wohnung. Ihre Methode ist ein veritabler Standortvorteil. »Skandal im Sperrbezirk«. Der Text erreicht, um es thematisch ad­ äquat zu formulieren, seinen ersten Höhepunkt. Natürlich legt es der Song darauf an, selbst Skandal zu sein, er nimmt seinen eigenen Skandal quasi in Kauf und vorweg. Der Skandal um den »Skandal im Sperrbezirk« betrifft seine Nichtverbreitung durch die Radiosender im deutschsprachigen Raum. Und das ist auch der Grund, warum der Song, obwohl bereits im Frühjahr 1981 als erste Single des Spider-Murphy-Gang-Albums Dolce Vita aus­ gekoppelt, zunächst überhaupt keinen Erfolg hat: »Der ›Skandal‹ is net im Radio gspuit worn, mir hom koa oanzige Fernsehsendung kriegt, do hot sich nix grührt. Im Bayerischen Rundfunk warn mir ja sogar aufm Index«4, sagt Günther Sigl. Ab hier wird die Geschichte nun weniger skandalös als vielmehr vor allem nebulös. Das mit dem Index ist nämlich so eine Sache. Beim Bayerischen Rundfunk selbst finden sich keinerlei Belege dafür, dass es so einen »Index«, eine Art schwarze Liste, je gab. Bei zwei Liedern ist nachweislich bekannt, dass sie vom Sender nicht gespielt wurden: zum einen das mit allerlei sich scheinbar selbst zensie­renden Geräu­ schen ausgeschmückte »Oh Susi« von Frank Zander aus dem Jahr

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Ton Steine Scherben | »Ich will nicht werden, was mein Alter ist« 96

Klaus Theweleit Aus dem Weg gehen Grad eben erst wieder...der sehr verdiente Deutschrocker Udo Lin­ denberg feiert seinen 65. Geburtstag...angemessen, im Fernsehn... die Schar der Feiergäste schwirrt...& spendet Tributes...tributpflichtig dem Mann, der Alles ins Rollen brachte...nicht den Rock ’n’ Roll sel­ ber...das wohl nicht...wohl aber seine deutschzüngige Spielart. Udo! Udo!...Nina Hagen strahlt sich ins Bild...die ausgebuffte Kreische... die schönste aller Breitmaulfrösche ausgebreitet auf Treppenstufen... malerisch da hingelagert...& säuselt...küsschenwerfend: »Danke, Udo!...Danke!...denn ohne Dich...wo wär’n wir da...mit unsern deut­ schen Zungen...es gäb uns nicht.« Tja...Ich glotz TVau... Und Udo?...Uns UDO?...Nimmt’s gelassen hin...schlabberlippig lä­ chelnd...er findet’s ganz in Ordnung...fängt alles auf mit seinem Hut...lässt alles verschwinden unter bordender Krempe...diesen Hut wird’s mal geben später...als »Originalgitarre von Cliff Richard«...bei jedem Trödler für 40 Mark... Wieder gibt es mir einen Stich ins Herz...jedes Mal wieder...was fällt den Leuten bloß ein...was für ’ne Frechheit...reicht es denn, bloß aus der DDR zu sein, dass jede Gehirnamputiertheit durchgeht...jede fre­ che Geschichtsvernichtung...wenn die Kader-Kadaver erst mal weich­ gekocht sind...westgekocht...paddelnd im Kessel (auf Monitoren)... frei zum Verzehr für west-aztekische Platten-Kannibalen...iPod-be­ waffnet...weltenweit entwachsen dem vorzeitlichen Steinzeit-Vinyl... Ich weiß es wie heute. Da kam jemand rein mit ’ner Platte unterm Arm...dem Grundgesetz unterm Arm...in die WG Immentalstraße 11... ein Stück Pappkarton als Plattencover...packpapierfarben...zusammen­ geheftet...nicht geklebt...& da stand drauf Ton Steine Scherben...die Wörter untereinander...& selbstverständlich sofort identifiziert als Wort-Ableger von Bau Steine Erden...des Ober-SPD’lers Schorsch Le­ ber angepasster Gewerkschaftsverein...in den »Scherben« des Band­ namens sofort voll da, die gesamte praktische Gewerkschaftskritik... also her damit...»Lass ma hörn.«

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Die ersten Worte...nach etwas zaghaftem Rock-Intro...gesungen von schnoddriger Jungmännerstimme...»Wenn ich nach Hause komme... Sitzt da ’n alter Typ...Er sagt, er ist mein Vater...Und ich glaub auch, dass er’s ist«...und ich sofort hingerissen...ungläubig hingerissen... denn das war eins der festen Credos...vielleicht das festeste über­ haupt: Rock ’n’ Roll mit deutschen Stimmen? Unmöglich! Absolut unmöglich!...Wie hatten unsere Ohren und Körper gelitten unter den schwäbischen Verbrechen eines Unmenschen namens P. Kraus... der gute amerikanische Namen wie Jimmy und Johnny verspätzelt hatte in den Fünfzigern zu Tschimmie und Tschonnie, garniert mit Stimmfetzen wie Duddie Fruddie...Auf Nichts und Niemand hatte das Adorno-Verdikt »unsäglich« besser gepasst als auf diesen LackSchwaben mit Musikerjacke und Fett im Haar...eine Gitarre vorm Bauch! Was für ein Drecksack...Schock, der in den Knochen steckt bis heute...das Grauen! Und nun der hier – den Namen des Sängers suchte man vergeblich auf der Platte – mit Sätzen, die haargenau dem entsprachen, was ich jahrelang gesehen und gedacht hatte, wenn ich nach Hause kam: »Sitzt da ’n alter Typ.« Die nächsten Zeilen überzeugten sofort von den exorbitanten Lyrik-Qualitäten dieses Sängers/Texters da: »Er sagt, er ist mein Vater. Und ich glaub auch, dass er’s ist«. Das war/ist umwerfend. Natürlich hat man ihm das geglaubt...das war ja seine Hauptproduktion...die sechs in die Welt gesetzten Kinder...alle mit derselben Frau...nein, fremdgegangen war sie nicht...die Ähnlich­ keiten alle vorhanden...und er sicher auch nicht...keine verstreuten Bastarde irgendwo in der Welt...»und ich glaub auch, dass er’s ist« sagte in sieben Worten die ganze lebenslang investierte Sexualität solcher Paare aus (die involvierte Gewalt eher inklusive)...und es ging weiter in solcher Exaktheit: »Wir sehen uns nur manchmal. Und dann reden wir nicht viel.« Genau. Aus dem Weg gehen. Möglichst erst nach Hause kommen, wenn der Alte schon im Bett verschwun­ den...auch als Schüler schon...und dann ein »Reim«, den man als »Fehler« sehen könnte...als »Schwäche« des Texters/Sängers; nämlich das gleiche Reimwort noch mal: »Und wenn wir reden sagt er ›Junge, aus dir wird mal nicht viel‹.« Aber sie ist gar keine Schwäche, die

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DAF | »Kebabträume« und »Der Mussolini« 100

Klaus Walter Immer diese Widersprüche »Wir haben uns immer geweigert, unsere Werke zu erklären. Ich denke aber, dass die große Mehrheit das immer richtig verstanden hat.« Das sagt Gabi Delgado-Lopez in einem Interview mit der taz im Dezember 2010. Er bezieht sich auf zwei häufig missverstandene Songs der Band, bei der er den Sänger gibt. Die Songs heißen »Kebab­ träume« und »Der Mussolini«, die Band heißt Deutsch Amerikanische Freundschaft. Geh in die Knie Und klatsch in die Hände Beweg deine Hüften Und tanz den Mussolini Tanz den Mussolini! Das ist der Refrain des umstrittensten Songs der Deutsch Amerikanischen Freundschaft, später wird noch der Adolf Hitler getanzt. Und der Jesus Christus. Die »Kebabträume« wiederum enden mit einer Prophezeiung, von der man nicht weiß, ob sie Drohung oder Verheißung sein soll: »Wir sind die Türken von morgen.« Ist die Deutsch Amerikanische Freundschaft eine Nazi-Band? Sind Robert Görl und Gabi Delgado-Lopez Rassisten? So absurd die Frage jedem erscheinen muss, der die Band miterlebt hat, erst recht live erlebt hat, so interessant ist es, die Wirkungsgeschichte der beiden Songs nachzuzeichnen. Und zu überprüfen, ob sie tatsächlich von rechts, von Nazis gar, zu kooptieren sind. Wir werden sehen. Deutsch-amerikanische Freundschaft, eine der magischen Formeln Nachkriegswestdeutschlands, einer von diesen Begriffen, mit denen man in den Sechzigerjahren aufwächst, ohne sie wirklich zu begreifen. Rätselwörter wie »Wirtschaftswunder«, oder »Palais Schaumburg«, auch so hießen Bands Ende der Siebziger in der Bundes­republik Deutschland. Andere nannten sich ZK, Kosmonautentraum, Ede & die

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Zimmermänner oder Hans-A-Plast. Oder Die Böhsen Onkelz. Namen, die ein grundlegend anderes, welthaltigeres, konfrontativeres Verhält­ nis zur Gegenwart, in der man lebt, versprechen als Namen wie Frum­ py, Kraan, Lake, Scorpions oder Supermax. All diese neuen Bands be­ dienen sich Ende der Siebzigerjahre der deutschen Sprache, nicht nur in der Namensfindung. All diese neuen Bands sind inspiriert von den »neuen Bewegungen« (Fehlfarben), also von Punk und New Wave. All diese neuen Bands versuchen, die neuen Bewegun­gen auf (west-) deutsche Verhältnisse zu übertragen. All diese neuen Bands positionieren sich strategisch und künstlerisch gegen die Vorläufergeneration: deutsche statt englischer Namen, deutsche statt englischer Tex­te, kurze Haare statt langer Haare, scharfe Konturen statt weicher Kon­ turen, Reality statt Fantasy usw. Zur Reality von West Germany gehört der wunderbar euphemistisch so genannte Gastarbeiter (warum hat sich eigentlich nie eine Band Gastarbeiter genannt?). Gabi Delgado-Lopez ist der Sohn von so einem Gastarbeiter. 1958 in Córdoba geboren, in Wuppertal aufgewachsen. Das erzählt er Ulrich Gutmair im taz-Interview: »Zuerst kam ich nach Remscheid, dann nach Wuppertal. Später habe ich im Bergischen Land und in Dortmund gelebt. Mein Vater musste zu Zeiten Francos aus politischen Gründen aus Spanien weg. Und meine Mutter ist auch mitgekommen. Ich bin bei meiner Großmutter aufgewachsen. Mein Vater ist unter abenteuerlichen Bedingungen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach Deutschland geflohen. Er war ein gebildeter Mensch, konnte aber kein Wort Deutsch. So hat er als Hilfsarbeiter bei den Kabelwerken Reinshagen in Wuppertal angefangen.« »Hatten Sie das Gefühl, als ›Ausländerkind‹ kann man es in Deutschland zu was bringen?« »Nein, als Kind macht man sich da­ rüber keine Gedanken. Ich hab aber gemerkt, dass ich mich durchsetzen muss. Ich bin 1966 gekommen. Da hatten die Italiener schon als Gastarbeiter aufgehört, es war die Zeit der Spanier, Portugiesen und Griechen. Die Türken kamen erst später.« Die Türken spielen die Hauptrolle in »Kebabträume«. Der Song ist eine Art Wanderpokal der Düsseldorfer Szene. Ursprünglich aufgenommen von der Band Mittagspause, der sowohl Delgado-Lopez als

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auch der spätere Fehlfarben-Sänger Peter Hein angehörten, taucht er unter dem Namen »Militürk« auf dem Fehlfarben-Hit-Album Monarchie und Alltag auf, als Texter bekommt ein gewisser DelgadoLopez einen Credit-Seitenhieb. Schließlich nimmt die Deutsch Ameri­ kanische Freundschaft das Stück als Single auf: »Kebabträume in der Mauerstadt, Türk-Kültür hinter Stacheldraht … in jeder Imbissstube ein Spion«, bellt Delagado-Lopez mehr, als dass er singt, dazu scheppert monoton ein Electro-Beat in Lo-Fi. Der Text spielt mit einem ent­ zückenden deutsch-deutschen Albtraum: die Übernahme der DDR durch die Türken.

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Im ZK Agent aus Türkei Deutschland, Deutschland, alles ist vorbei [...] Wir sind die Türken von morgen Das trifft ins deutsch-deutsche Gemüt der Zeit. 1980 ist der Fall der Mauer so weit weg wie der Halbmond über Istanbul. Die beiden Deutschlands sind in einer scheinbar unauflöslichen Hassliebe der politischen Systeme miteinander verstrickt. Größer als die Angst vor dem Kommunismus ist bei vielen BRD-Deutschen die Angst vor einer schleichenden Invasion der Türken, und hier wird sie auf die absurde Spitze getrieben: Jetzt nehmen die uns auch noch die DDR weg! Die Früchte der staatlichen Erziehung von DDR-Deutschen zur internatio­ nalen Solidarität kann man seit dem Anschluss der Ostgebiete an die BRD begutachten. Heute gilt die Formel: Je weniger Nichtdeutsche in einer Region leben, desto größer der Hass auf Fremde und Nichturdeutsch-Aussehende. Rassistische und homophobe Ressentiments sind Gabi Delgado-­Lopez, dem schwulen Sohn spanischer Eltern in Düsseldorf, nicht unbekannt. Als er sich im Zuge von Punk in einen Ledermann mit Skin-Frisur verwandelt, lernt er die Ressentiments in den muffigen Milieus der ökologisch-friedensbewegten Hippie-Linken der ausgehenden Siebzi­ ger kennen: Die halten einen wie ihn für einen Nazi. In diese auf sehr deutsche Art komplizierte Konstellation platzt 1981 die Leverkuse­ner Band OHL – der Name steht für Oberste Heeres­leitung. Die Oi-Punk-

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Band mit dem Landser-Image reißt sich den Delgado-Lopez-Song unter den Nagel und betont gegen die Intention seines Urhebers die Angst der Deutschen vor Überfremdung. Unter dem Titel »Wir sind die Türken von morgen« bieten OHL ihre Version bis heute zum Kauf an, file under »Unangepasste Deutschpunkgeschichte von 1981«. Damit sind OHL Pioniere der heute gängigen Praxis von Rechten und Neonazis, die linke oder hybride Slogans, Parolen, Dresscodes – also Kulturtechniken jeder Art – kooptieren und für ihre Zwecke vereindeutigen (oder vereindeutschen). Noch mehr kuriose Missverständnisse und Verwerfungen löst der größte Hit der Deutsch Amerikanischen Freundschaft aus. 1981 ist das Quintett zum Duo geschrumpft, der Name zu einem schlichten DAF. »Der Mussolini«, ein maximal reduzierter Electrostomper, erreicht das Massenpublikum der Neuen Deutschen Welle, darunter viele, die zum ersten Mal mit dem Phänomen DAF konfrontiert sind. »Der Mussolini« schießt quasi über seinen angestammten Kontext hinaus. Zu einem körperbetonten Sequenzer-Workout gibt Gabi den S/MDrill-Instructor. Prompt weckt der militärische Imperativ des Refrains »Tanz den Mussolini, Tanz den Adolf Hitler« die pawlowschen Hunde aus ihrem leichten Schlaf. Der reflexartig formulierte Faschis­mus­­ver­ dacht trifft zu dieser von weichem Wasser aufgeweichten Zeit alles, was Härte, Kontur, Schärfe, Diskurs und Konfrontation im Schilde führt, und vor allem: im Körper.

Auch in halbgebildeten rotgrün-gefühlslinken Milieus hält sich der Nazivorwurf und erlebt Anfang der Neunziger ein groteskes Revival in der Lindenstraße. In der sozialpädagogisch schlichten TV-Serie wird

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Geh in die Knie Und dreh dich nach rechts Und dreh dich nach links Klatsch in die Hände Und tanzt den Adolf Hitler Und tanzt den Mussolini Und jetzt den Jesus Christus

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man einstimmig für außerordentlich. Das war es tatsächlich schon mit »Mein Block« ein paar Jahre vorher – für jeden, der Ohren hatte. Ist das noch Musik, wenn einer karikaturenhaft Klischees konjugiert? Vielleicht ist es mehr Slam, mehr Wettbewerb, eine Art Hürdenlauf über diverse Regeln der Dichtkunst, als Tanz.

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1 Sido, Maske, Aggro Berlin 2004

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Die Nummer »Rock Me Amadeus« und ihr Interpret Falco sind popkul­ turell das wahrscheinlich größte Klischee Österreichs. Immerhin führte diese Nummer 1985 die österreichischen, deutschen, japani­schen und britischen Charts an und erreichte Platz 6 der R’n’B-Charts. Falco war der einzige Musiker, der mit einem deutschsprachigen Text die Spitzen­ position der US-Billboard-Single-Charts erreichte, und er war der erste weiße Musiker, der eine derart hohe Platzierung in den damaligen US-Black-Single-Charts verzeichnete. Schon zu jener Zeit als schillern­ der »Nachtfalke« mit Kultstatus gehandelt, hatte sich Falco am behä­ bigen Erbe von Mozart vergangen und ihn zum ersten Punk von Wien erklärt. So heißt es am Beginn von »Rock Me Amadeus«:

Falco | »Rock Me Amadeus«

Heinrich Deisl und Michael Giebl Wiener Geschichtskittung

Im Nachhinein betrachtet war die Historie des Johann »Hansi« Hölzel, 1957 in bescheidenen Wiener Verhältnissen geboren, eine perma­ nente Gratwanderung zwischen Erfolgshimmel und Psychodrama. Um 1977 hatte sich Hölzel in »Falco« umbenannt, weil ihm der DDRSkispringer Falko Weißpflog so gut gefiel und weil er gern ein Falke gewesen wäre, um die große Welt da draußen zu überflügeln. Oft als einer der ersten weißen Rapper apostrophiert, hat die Kunstfigur­pro­ jektion »Falco« bisher nur recht wenig ernsthafte Auseinandersetzung erfahren. Falco und sein Amadeus-Song sind in doppelter Hinsicht interessant: in kulturgeschichtlicher wie in linguistischer Perspektive.

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Er war ein Punker Und er lebte in der großen Stadt Es war in Wien War Vienna Wo er alles tat Er hatte Schulden, denn er trank Doch ihn liebten alle Frauen Und jede rief: Come on and rock me, Amadeus

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Wien-Pop / »Rock Me Amadeus« als Konsolidierung Die Pop-Theorie Wiens hat ein enormes Problem, nämlich die Gleich­ zeitigkeit ihrer Geschichtsmächtigkeit und ihrer Abwesenheit. Denn das musikalische Erbe der Ersten und Zweiten Wiener Schule wiegt nach wie vor derart schwer, dass davon die popkulturell relevante Musikproduktion in der internationalen Rezeption schlicht ver- und zugedeckt wird. Die Impulse, die durch Mozart oder Haydn einerseits und Schönberg oder Mahler andererseits in die Musikwelt entlassen wurden, haben ein Referenzsystem hervorgebracht, das sich neuen Einflüssen gegenüber als sehr resistent erwiesen hat. Für Wien hieß der musikhistorische Verweis nicht Blues, sondern Operette, (politi­ sches) Kabarett und Mozart. Die Traditionsbildung des Pop entfaltete sich erst mit der Besetzung des als Arena bekannt gewordenen Fabrik­ areals 1976, bei der der »Summer of Love« von 1969 nachgeholt wurde. Mit Falcos »Rock Me Amadeus« konsolidierte sich diese Ent­ wicklung schließlich. Nachdem Falco seine ersten beiden Platten Einzelhaft (1981) und Junge Römer (1984) zusammen mit seinem »Entdecker« Robert Ponger produziert hatte, arbeitete er für Falco 3 mit den niederlän­ dischen Produzentenbrüdern Rob und Ferdi Bolland zusammen. Mit den dabei entstandenen Nummern »America«, »Jeanny«, »Vienna Calling« und »Rock Me Amadeus« war Falco hoch wie nie. Durch den Film Amadeus von Miloš Forman (1984) lag ein gewisses MozartFieber in der Luft. Und Falco wusste genau, dass er mit dieser Ge­ schichtsmächtigkeit punkten würde. Nichtsdestotrotz sollte man den Fauxpas nicht unterschätzen, den er damit beging, Mozart für die New-Wave-Zeit zu »aktualisieren«. Im Video kollidiert barocker Schwulst mit der ledergegerbten Gang des Wiener Bikerclubs Out­ sider, Puderperücke trifft auf Harley Davidson, am Schluss vereint im gemeinsamen Chor mit Falco als deren Karajan. In der Nummer »Rock Me Amadeus« wurde ein Wienbild in Szene gesetzt, wie es sich ein gewiefter Tourismus-Werbefachmann nicht besser hätte ausdenken können. »Rock Me Amadeus« machte Mozart und damit Wien schlicht funky. Es war die Stilisierung des paradigma­ tischen und nichtsdestoweniger autodestruktiven Lifestyles aus Sex,

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Drugs & Rock ’n’ Roll. Dass zu diesen Erfahrungen ebenso ein – wie es in »Rock Me Amadeus« heißt – »No plastic money anymore / Die Banken gegen ihn« gehörte, wird dabei geflissentlich ausgeblendet.1 In diesem Text schrieb Falco von einer Figur, die auch er war:

Indes war es, typisch für das oft zynisch menschenverachtende Showbusiness, genau dieses Begehren, das Hölzel immer wieder in tiefe Zweifel trieb. So erscheint sein tödlicher Verkehrsunfall am 6. Februar 1998 in seiner Wahlheimat Dominikanische Republik als eine Para­ phrase auf das mythische Ende eines Rock-’n’-Roll-Lifestyles. Falco hatte ein ähnliches Problem wie Mozart: Im eigenen Land nahm ihn keiner ernst. Erst als er zum internationalen Star aufgestiegen war, wurde er von der heimischen Presse wohlwollend wieder einge­ meindet. Als exaltiert und arrogant verschrien, ließ Hölzel weiterhin beinahe keine Möglichkeit zu, sich hinter die Fassade der Kunstfigur blicken zu lassen. Inszenierung als wohlkalkulierte Abwehrmaßnahme gegen zu viel Intimität. So stolz Wien auf »Rock Me Amadeus« war, so wenig wurde Falco verziehen, sich über den bis dahin herrschen­ den provinziellen Mief hinweggesetzt zu haben. Bis eben zu seinem James-Dean-artigen Tod. Danach wurde er schier zum Nationalhelden verklärt. Sargträger waren jene Outsider, die bereits beim Video von »Rock Me Amadeus« mitgewirkt hatten. Schon einmal hatte es ein Wiener geschafft, die amerikanischen und britischen Charts anzuführen. Nämlich 1950 der Zither-Spieler Anton Karas mit der Titelmelodie für den Film Der dritte Mann. Es mussten 35 Jahre vergehen, bis die Popwelt wieder von Österreich hörte. So­ wohl Karas als auch Falco hatten Chancen auf eine Weltkarriere, doch beide fühlten sich in der Ferne unwohl. Als ein mit ausreichen­

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Er war Superstar Er war populär Er war exaltiert Because er hatte Flair Er war ein Virtuose War ein Rockidol

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schen Wurzeln des südafrikanischen Jazz forscht. Co-Autor u.a. von We Feed the World (2006). Schreibt derzeit ein Buch über die Band The Blue Notes, die Jazz und Avant­ garde im Europa der Sechziger- und Siebzigerjahre entscheidend beeinflusst hat. Michael Bartle | Jahrgang 1967, ist im Bayerischen Wald, in Würzburg und in Alba­ ny/NY aufgewachsen und hat Journalistik studiert. Er lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern in München und arbeitet seit Mitte der Neunzigerjahre beim Bayeri­schen Rundfunk, derzeit als Redakteur, Moderator und Musikchef der Sendung Zündfunk.

Autorinnen und Autoren

Max Annas | Jahrgang 1963, arbeitet am SARChI Chair in Social Change an der University of Fort Hare in East London, Südafrika, wo er über die kulturellen und poli­ti­

Moritz Baßler | Jahrgang 1962, seit 2005 Professor für Neuere deutsche Literatur an der Universität Münster. Studium der Germanistik und Philosophie in Kiel, Tübingen und Berkeley, Promotion in Tübingen, Habilitation in Rostock, dann Professor of Litera­ ture an der International University Bremen. Zahlreiche Publikationen mit den Schwer­ punkten Klassische Moderne, Literaturtheorie und Popkultur. Der BDOLF® | Jahrgang 1958, schrieb im ersten Punkfanzine Freiburgs, in späteren Jahren wurde mit der Band FleischLEGO™ musiziert und dazu geschrieben, was das Zeug hielt. Zur Feier des runden Jubiläums wurde unter dem satanischen Pseudonym Thomas Wehler ein Auswahlband stark mutierten Erzählwesens namens Die VoodooVersuchsstrecke (2006) vorgelegt. Zita Bereuter | Jahrgang 1973, lebt in Wien. Seit 2001 ist sie in der FM4-Redaktion u.a. für die Literaturabteilung und die Organisation des Kurzgeschichtenwettbewerbs »Wortlaut« zuständig. Beschäftigt sich sowohl redaktionell als auch gestalterisch mit Büchern und ist Betreiberin der FM4 Bücherei. Staatspreis für »Das Schönste Buch Österreichs 2004«. Martin Betz | Wurde in Chicago geboren, ging in Schwaben zur Schule, studierte Historische Tasteninstrumente in Berlin und wohnt seit fünfundzwanzig Jahren ebenda. Kabarettist und Autor. Besondere Kennzeichen eignen ihm laut Personalausweis keine. Augenfarbe: braun. Heinrich Deisl | Jahrgang 1972, ist Musikjournalist und Kulturwissenschaftler in Wien. Mitherausgeber von skug – Journal für Musik, Bereichsleiter für Kunst und Kultur beim campus und cityradio 94.4 der FH St. Pölten sowie Kurator der Konzertserie »Salon skug«. Texte, Vorträge, Lehrtätigkeiten zu Musik, Film, Zeitgeschichte und populä­rer Kul­ tur, Katalogproduktionen und künstlerisch-wissenschaftliches Consulting für Festivals, DJ. Label Buback Tonträger gegründet und zwanzig Jahre betrieben. Er ist heute freier

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Ale Dumbsky | Jahrgang 1965, Gründungsmitglied der Goldenen Zitronen, hat das

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Autor, Herausgeber des READ Magazine, Veranstalter des »Radar Hamburg Film Festi­ vals« – und hat eine Schwäche für Rap. Sonja Eismann | Jahrgang 1973, lebt als freie Journalistin und Kulturwissenschaft­ lerin in Berlin und Wien. Sie ist Mitbegründerin und Chefredakteurin des Missy Magazine und lehrt Mode an der Kunstuniversität Linz. Sie war Redakteurin bei Intro und ist Herausgeberin des Buches Hot Topic. Popfeminismus heute. Sie ist Herausgeberin des Bandes absolute Fashion, der 2011 bei orange-press erscheint. Eric Facon | Jahrgang 1957, geboren in New York City, von Kindesbeinen an in der Schweiz, Studium der Anglistik und Germanistik, parallel dazu Studium der Rockge­ schichte. Redakteur und Moderator beim Schweizer Radio DRS. Tom Franke | Jahrgang 1968, ist selbstständiger Kameramann, Regisseur, Producer und Autor. Seit 2002 Gesellschafter der Noafilm GbR und seit 2005 Geschäftsführer der Produktionsfirma armadaFILM. Zahlreiche Dokumentationen und Reportagen für die ARD u.a. Wolfgang Frömberg | Jahrgang 1973, ist seit 2007 Redakteur bei Intro. Bis 2006 war er Mitglied der Spex-Redaktion. 2009 erschien sein Roman Spucke. Er lebt in Köln. Markus Ganz | Jahrgang 1961, war von 1982 bis 1987 leitender Redakteur des Schwei­zer Magazins Music Scene. Seither ist er freischaffender Journalist und Publizist mit Schwerpunkt Musik, vorwiegend für die Neue Zürcher Zeitung, sowie Geschäfts­ führer der Musikpresseagentur Wohrt. Mit Betha Sarasin veröffentlichte er das Buch Die Reise zu den Seen (1988). Michael Giebl | Jahrgang 1985, ist Student der deutschen Philologie an der Univer­ sität Wien und freier Mitarbeiter bei skug – Journal für Musik. Beat Hirt | Jahrgang 1939, 1964 erster Rock-Journalist der Schweiz, rasender All­ round-Reporter, Journalist und Print-Redakteur, Rundfunk- und Fernsehmacher, Roma­ nautor. Heute in Zürich als Dokumentarfilm-Produzent tätig. Musikalisch ursprünglich vom Jazz geprägt. Über Rhythm & Blues zum Rock gekommen. Rembert Hüser | Jahrgang 1961, unterrichtet Film-, Medien- und Kulturwissen­ schaften an der University of Minnesota. Seine jüngsten Arbeiten waren zu Rauminstal­ lationen und Hühnern in Werner Herzogs Stroszek, zum anderthalbminütigen filmi­ schen Treffen von Damien Hirst und Samuel Beckett in Äther und Breath, zu Theorie­ müdigkeit, Architektur als Notationssystem und zu Kafka-Fotos auf Internetseiten von amerikanischen German Departments. 248

Martin Jankowski | Jahrgang 1965, gehörte in den Achtzigern zur Leipziger Szene und wurde von der Stasi mit »Zersetzungsmaßnahmen« bedacht. Er tingelte als Sänger

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durch die Kirchen und illegalen Clubs des Ostblocks. Nach dem Mauerfall veröffentlich­ te er zahlreiche Songs, Gedichte, Kritiken, Kurzerzählungen, Essays, einen Roman und mehrere Sachbücher. Seine Texte wurden vielfach übersetzt und erhielten etliche Aus­ zeichnungen. Jankowski lebt seit 1995 als freier Schriftsteller in Berlin. Edgar Klüsener | Jahrgang 1955, Ausbildung bei der Westfälischen Rundschau, dann Werbetexter, Konzertveranstalter, Bandmanager und freier Journalist. 1987–1990 Chefredakteur des Metal Hammer. Danach freier Journalist für Zeitungen und Zeitschrif­ ten von der Frankfurter Rundschau über die WAZ bis hin zu Visions, Wiener, Spiegel Online u.a. Außerdem freie Mitarbeit bei Bravo TV. Lebt seit 1997 in Manchester. Ab­ schluss in Middle Eastern Studies, derzeit Doktorand an der University of Manchester. Bernhard Lassahn | Jahrgang 1951, studierte Germanistik und lebt seit 1979 vom Schreiben. Er schrieb Satiren, Hörspiele, Romane und Kinderbücher (Käpt’n Blaubärs Geschichtenbuch). Ab 1975 war er Mitorganisator des »Tübinger Folk- und Liedermacher­ festivals«. 1982 erschien Dorn im Ohr. Das lästige Liedermacher-Buch. Mit Texten von Wolf Biermann bis Konstantin Wecker, eine kritische Bestandsaufnahme der Liederma­ cher-Szene in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Er schrieb Lieder u.a. für Thom­ mie Bayer. In Berlin, wo er lebt, tritt er obendrein auf Lesebühnen auf. Carolin Matzko | Jahrgang 1979, hat Englisch mit Popmusik gelernt, indem sie mit dem Langenscheidt Texte der Smashing Pumpkins übersetzte. Später merkte sie dann, dass man sich anders, aber ähnlich, auch an Texten von Blumfeld oder den Goldenen Zitronen abarbeiten kann. Sie arbeitet darum dort, wo Popmusik sehr ernst, aber nicht zu ernst genommen wird: Seit 2002 ist sie Moderatorin beim Szenemagazin Zündfunk auf Bayern 2. Außerdem ist sie für die Sendung X:enius auf arte in einem sehr großen Wohnmobil unterwegs. Beim Autofahren hört sie noch mehr Popmusik. Gunnar Mergner | Jahrgang 1977, malte Männchen auf Referatspaper in Politik, Soziologie, Kommunikationswissenschaft und Sozialpsychologie und ist Absolvent der Deutschen Journalistenschule in München. Er schrieb Konzert- und Plattenkritiken für den Münchner Merkur und war sechs Jahre lang Autor bei KINO KINO, dem Filmma­ gazin des Bayerischen Fernsehens. Seit 2009 moderiert er zusammen mit Carolin Matzko das Wissensmagazin X:enius auf arte. Matthias Penzel | Jahrgang 1966, war Schlagzeuger in zwei Dutzend Bands. Danach viele Jahre Musikjournalist und Autor u.a. für Fachblatt Musikmagazin (sounds good) und in London auch Chefredakteur von Kerrang! (good sounds). 2004 Autor eines Die Auto-Biografie bei orange-press.

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Rock-’n’-Roll-Romans, zuletzt Objekte im Rückspiegel sind oft näher, als man denkt.

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Alfred Pranzl | Jahrgang 1963, ist Herausgeber und Redakteur von skug – Journal für Musik. Ohne sein beharrliches Wirken würde das seit 1990 erscheinende Journal nicht mehr existieren. Trotzdem fand er Zeit, den Fotoband Galizien-Bukowina-Express (2007) herauszugeben, den Anstoß fürs weltweit erste Dubstep-Festival (Into The City/ Wiener Festwochen, 2007) zu geben oder mit dem französischen Trio Dragibus & Countertenor Scott Leatherwood Kinder für »Schlupfwinkelmelodien« zu begeistern. Joachim Schneider | Jahrgang 1965, nach ausgiebigem Studium der Philosophie und Literatur verschiedene Tätigkeiten im journalistischen und gastronomischen Be­ reich. Heute post-prekärer Lohnsklave und Gelegenheitsschreiber, -DJ und Musikant. Besitzt mehr Doo-Wop-Platten als deutschsprachige. Sah Element of Crime 1987 und mochte sie nicht besonders, umso mehr 2009. Christian Stiefenhofer | Jahrgang 1970, lebt in München als Autor und Regisseur von TV-Dokumentationen. Er besitzt ein Magisterzeugnis in Germanistik, Kommunika­ tionswissenschaft und Amerikanischer Kulturgeschichte, das er noch nie vorzeigen musste. Als Sechstklässler hat er das komplette The Wall-Album von Pink Floyd ins Deutsche übersetzt. Das Werk ist glücklicherweise verschollen. Bernd Stiegler | Jahrgang 1964, ist seit 2007 Professor für Neuere deutsche Litera­ tur mit Schwerpunkt 20. Jahrhundert im medialen Kontext an der Universität Konstanz. Zuletzt veröffentlichte er u.a. Montagen des Realen. Photographie als Reflexionsmedium und Kulturtechnik (2009), Reisender Stillstand. Eine kleine Geschichte der Reisen im und um das Zimmer herum (2010), Belichtete Augen. Optogramme oder das Versprechen der Retina (2011). Er lebt in Konstanz. Wenzel Storch | Jahrgang 1961, ist in der Filmbranche tätig. Drehte die Spielfilme Der Glanz dieser Tage, Sommer der Liebe und Die Reise ins Glück, zuletzt das Musik­ video »Altes Arschloch Liebe« für Bela B. Zahlreiche Beiträge für konkret, vorwiegend über kuriose Catholika. Zuletzt erschien von ihm 2009 sein Buch Der Bulldozer Gottes. Ralf Summer | Jahrgang 1965, Radio-DJ bei Zündfunk und Nachtmix auf Bayern 2, Musikant mit den Bands Dis*ka und Multiboy, hört gern Platten anderer Leute, erin­ nert sich an »Scheiß Auf Deutsche Texte« von Die Sterne. Und was macht er im Herbst? Hortet Worte, Wort-Wirt. Eröffnet im Frühling eine Buchstaben-Herberge: Zur Zeit mümmeln sich hier gerade schon die Umlaute ein. Klaus Theweleit | Jahrgang 1942, lebt als freier Autor in Freiburg und lehrte dort am Institut für Soziologie. Lehraufträge in Deutschland, den USA, der Schweiz und 250

Österreich, bis 2008 Professor für Kunst und Theorie an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe. Zuletzt veröffentlicht: How does it feel: Das Bob-Dylan-

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Lesebuch (2011). 2003 erhielt er den Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay. Linus Volkmann | Jahrgang 1973, lebt in Köln und arbeitet dort als Buchautor (Endlich natürlich; Heimweh to Hell; Schnaps, drosseln!; Die Ungläubigen tragen Kleider aus Feuer! u.a.) sowie als Redakteur bei dem Popkulturmagazin Intro. Er ist verheiratet mit der Aktionskünstlerin Meike Wolf und liebt Flipperautomaten. Klaus Walter | Jahrgang 1955, lebt in Frankfurt am Main und ist seit Mitte der Siebzigerjahre als Autor und DJ in den Themenfeldern Popkultur, Sport und Politik tätig. In den Achtzigern Redakteur bei der Zeitschrift Pflasterstrand, seit 1984 RadioDJ beim Hessischen Rundfunk. Seine Sendung Der Ball ist rund wurde von den Lesern der Fachzeitschriften Spex und Intro mehrfach zur besten Radiosendung Deutschlands gewählt. Ende 2008 wurde sie eingestellt. Seitdem beim Internetradio ByteFM, das 2009 den »Grimme Online Award« gewann. 2005 erschien Plattenspieler, ein gemein­ sames Gesprächsbuch mit Frank Witzel und Thomas Meinecke, 2009 die Fortsetzung Die Bundesrepublik Deutschland. Erik Waechtler | Jahrgang 1974, Studium der Literatur, Philosophie und Geschichte, über zehn Jahre als Rundfunkjournalist tätig, u.a. beim Bayerischen Rundfunk, arbeitet seit 2006 als Autor, Regisseur von Dokumentarfilmen und Fernsehjournalist; geboren in München, aufgewachsen am Wörthsee, erlernte bereits im Alter von acht Jahren das Spiel der Zither, fand aber dann als Gitarrist und Sänger diverser Rockbands mu­ sikalische Orientierung. Als Herausgeber dieses Buches hörte er so viel deutsche Pop­ musik, dass er sich nun dem Gesang von Walfischen zuwenden möchte. Ulli Wenger | Jahrgang 1958, arbeitet seit 1992 als Chef vom Dienst bei Bayern 3 in München. Seinen Ruf als »wandelndes Musiklexikon« verdankt er vor allem seinen langlebigen Radioserien HitCycling (630 Folgen seit 1994) und One-Hit-Wonder (590 Folgen seit 1997). Neben einem Dutzend One-Hit-Wonder-CDs mit ausführlichen Booklet-Texten hat er 2011 auch die umfangreiche CD/DVD-Jubiläumsbox 40 Jahre

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BAYERN 3 – Der Soundtrack Deines Lebens gestaltet.

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