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SÜDEN
Luxemburger Wort Samstag, den 9. August 2014
Früherer Escher Stadtarchitekt gibt geführte Touren im neuen Universitätsviertel
Faszination Belval „Die Leute sind erstaunt, wenn sie zum ersten Mal Belval sehen“, so Jean Goedert
Vor weniger als 20 Jahren war in Belval noch ein Hochofen in Betrieb. Vor der Schnelligkeit, mit der die Unigebäude aus dem Boden geschossen seien, müsse man seinen Hut ziehen, so der frühere Stadtarchitekt Jean Goedert. (FOTO: CLAUDE PISCITELLI) VON NICOLAS ANEN
23 Jahre lang war Jean Goedert Architekt der Stadt Esch, bevor er 2011 in Rente ging. Ganz loslassen konnte er von seiner früheren Aktivität aber nicht. Geprägt vom Projekt Belval, ein Unternehmen, das er von Anfang an verfolgt und mitgestaltet hat, zieht es ihn regelmäßig zurück, um jetzt Besucher durch das zukünftige Universitätsviertel zu führen und Hintergrundinformationen zu liefern. „Belval ist schon außergewöhnlich“, unterstreicht Jean Goedert immer wieder. Nicht nur, weil es die Universität beherbergen wird, sondern, weil es einen Teil der luxemburgischen Geschichte resümiert. Dafür müsse man sich in die Zeit vor der Eisenindustrie und dem Belvaler Hüttenwerk zurückversetzen, als das Areal noch aus
dem „Clair-Chêne“-Wald bestand, erkärt er. Damit das Werk entstehen konnte, stellte die Gemeinde das Gebiet damals zur Verfügung: Der Wald musste dem Werk weichen. Dies stelle die Evolution Luxemburgs vom Agrarstaat ins industrielle Zeitalter dar. Heute folge auf demselben Gebiet eine weitere Stufe: den Schritt in die Wissensgesellschaft. Die Universität soll nicht nur neue Betriebe anziehen, sondern sich positiv auf die gesamte Gesellschaft auswirken. „Deshalb gestaltet sich Belval sehr offen“, erklärt Jean Goedert weiter. Die Namen der Unigebäude, „Maison du savoir“, „Maison du nombre“, „Maison du livre“, usw. sollen wie in einer Stadt Häuser darstellen, die zugänglich sind. Deshalb sind in den Untergeschossen vieler Unigebäude Cafés oder Ge-
schäftsflächen vorgesehen, was gleichzeitig auch das Gelände mit Leben füllt. Wie eben in einer Stadt. „Die Universität soll kein Fremdkörper werden“ Von Anfang an wurde Sorge getragen, das Univiertel nicht als separaten Campus außerhalb von Esch/Alzette zu planen, sondern es als neues Viertel in die bestehende städtische Struktur zu integrieren, unterstreicht Jean Goergen. „Die Universität soll kein Fremdkörper werden“. Auf den Einwand, dass das Viertel derzeit gefühlt eher an Beles als an Esch angesiedelt sei, erklärt Jean Goedert, dass langfristig eine direktere Verbindung mit Esch vorgesehen ist. Wenn die „Liaison Micheville“ bis fertiggestellt wird (Horizont 2018), wird der Kreisverkehr Raemerich nicht
mehr in der aktuellen Größe notwendig sein. Wird auch noch das neue „Südspidol“ Realität, dann wird eine Verbindung mit Esch, im Bereich der Nonnewisen, entstehen. Auch die „Waassertrap“ die langfristig eine grüne Schneise von Beles über Belval bis nach Esch führen wird, soll dazu beitragen. Weiter gibt er zu bedenken, dass aktuell viele Studentenwohnungen in Esch entstehen und dass sich im Zentrum der Minettemetropole Strukturen befinden, die es nicht in Belval gibt, wie das Stadttheater. Auch müssten, langfristig gesehen, die Wohngebiete von Beles, Esch/Alzette, Monnerich und Schifflingen als ein Ballungsraum betrachtet werden. Dem sich auch das französische Pendant zu Belval, die geplante Ecocité, zufügen könnte. Auf die Frage, was man beim Projekt Belval im Nachhinein wohl
Hochöfen geben dem Standort seine Identität Belval. Vieles vom heutigen Aussehen Belvals lässt sich durch die industriellen Infrastrukturen erklären, die auf dem Standort bestanden, erklärt Jean Goedert. So zum Beispiel die Hochöfen, die Eisenbahnlinie, aber auch die geraden Verkehrsachsen, die übernommen wurden. Bei seinen Touren habe er bereits den Vorwurf gehört, dass „zu dicht“ gebaut werde. Diesen lässt er allerdings nur bedingt gelten. Denn auf dem Gelände sei noch viel Platz übrig, um über bauliche Reserven zu verfügen. So zum Beispiel, um das RBC-Gebäude auszubauen. Weiter gibt er zu bedenken, dass die Gebäude der Hochofenterrasse nur einen Teil des Gesamtprojektes darstellen. Auch wurde von manchen bemängelt, dass zu nah an den Hochöfen ge-
baut werde. Doch das Konzept, das für Letztere ausgesucht wurde, sei das des „Monument dans la Cité“. „Die Hochöfen werden manchmal mit Kathedralen verglichen“. Doch auch die Kathedralen seien in einem dichten Raum entstanden. Belval sei übrigens der einzige Ort weltweit, in dem die Hochöfen in einem urbanen Feld erhalten wurden. Deren Instandsetzung habe viel gekostet (etwa 40 Millionen Euro, Anm. der Redaktion), doch geben sie dem Standort eine Identität und ermöglichen es, sich von anderen ähnlichen Projekten abzuheben. Dies sei wichtig um potenzielle Investoren anziehen zu können. Womit diese Instandsetzung sich mit der Zeit bezahlt machen werde, auch wenn dies schwer zu beziffern sei. (na)
anders hätte anpacken sollen, erklärt Jean Goedert, dass man betreffend das kommerzielle Angebot wahrscheinlich besser getan hätte, eher auf kleinere, flexiblere Strukturen zu setzen, die sich mit dem Viertel entwickelt hätten, als sofort auf ein großes Einkaufszentrum. Doch hätte dies auch Investitionen bedeutet, die sich wahrscheinlich weniger schnell rentabel gestaltet hätten. Insgesamt zeigt sich Jean Goedert aber positiv darüber überrascht, dass die Projekte in Belval so schnell vorankommen: „Davor muss man seinen Hut ziehen“. „Die Leute sind erstaunt, wenn sie zum ersten Mal Belval sehen“, weiß Jean Goedert auch aus Erfahrung. Dazu kämen die schönen Landschaftsbilder der Region, die die früheren Tagebaugebiete anbieten. „Das passt nicht in das Bild, das sich viele vom Süden machen“. Außerdem sei der Süden es gewohnt, mit Immigrationswellen umzugehen. Die nächste, die bevorstehe, sei die der Studenten und Professoren. Dank seiner Geschichte seien Belval und der Süden gewappnet, um diese Herausforderung zu meistern. Bis dass es so weit ist, will Jean Goedert noch zahlreichen Personen den Süden näherbringen. Und mit ihnen seine Faszination für Belval teilen.
Führung am 20. September Die nächste Führung von Jean Goedert findet am 20. September, von 10.30 bis 12.30 in Belval statt. Einschreibungsmöglichkeiten und mehr Informationen gibt es auf: Für Jean Goedert stellt Belval in zahlreichen Hinsichten ein außergewöhnliches Projekt dar. (FOTO: TANIA BETTEGA)
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