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Berlinale 2016 – Boys don’t cry Von Juliette Guttmann
15. Februar 2016 Liebe, Tod und ein Coming Out – Tag der Schmerzensmänner im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele in Berlin. Liebe in den Zeiten des Krieges Angola 1971, die aufstrebende Unabhängigkeitsbewegung wird von der Kolonialmacht Portugal mit kriegerischen Mitteln bekämpft. Im Gegensatz zu anderen europäische Nationen in den 1950er und 1960er Jahren war das damalige portugiesische Regime nicht bereit, seine afrikanischen Kolonien aufzugeben. In „Cartas da guerra“ (Letters from War) von Ivo M. Ferreira sehen wir den Krieg mit den Augen des jungen Militärarztes António (Miguel Nunes), der sehnsüchtige Briefe an seine schwangere Frau in die Heimat schickt. Während die Soldaten sich im Camp einrichten, wandelt die Gattin durch die neue großbürgerliche Wohnung, die es kurz vor der Niederkunft noch einzurichten gilt. Sehnsüchtig werden die Worte des leidenden Gatten von einer weiblichen Stimme vorgelesen. Die Monotonie schmachtend vorgetragener Liebesschwüre mischt sich mit der Eintönigkeit des Lagerlebens. Schwitzende Männerleiber, spritzendes Blut nach ersten Kampfhandlungen in flackerndem Licht schwarz-weiß in Szene gesetzt. Jämmerliches Verrecken in Zeiten des Krieges kann so schön sein. Herr Doktor ist ein großer melancholischer Leidender, mit dem langen Deckhaar eines sensiblen Intellektuellen. Dazu fiedeln traurige Streicher und ein Pianoforte klimpert Salonmusik. Das Licht der Petroleumlampe lädt zum ausgiebigen Studium des edlen Profils ein. Dazu säuselt die geschwätzige Briefevorleserin Sehnsuchtsworte. Blutende Kameraden und sterbende Eingeborene – da schmeckt die Zigarette nach der Versorgung von Minenopfern zwischen den sinnlichen Lippen besonders gut. Tiernamen, Naturmetaphern, anatomische Beschreibungen – erregt legt die schöne Daheimgebliebene in den kühlen Laken Hand an sich, um sich Erleichterung zu verschaffen. Der Höhepunkt – den nur noch eine Auflistung von Straßennnamen und ein Auszug aus dem Telefonbuch hätte steigern können, ist eine Erleichterung für alle. Ein Film für die letzten Romantiker. Bär für eine besondere künstlerische Einzelleistung ist in solchen Fällen nie auszuschließen. Wie würden Sie entscheiden? Was würdest du tun, wenn dein ungeborenes Kind behindert und schwer krank zur Welt kommen würde? Abbruch oder austragen? Die Leipziger Kabarettistin Astrid (Julia Jentsch) muss sich in „24 Wochen“ (24 Weeks) von Anne Zohra Berrached, dem ersten deutschen Beitrag im Wettbewerb der 66. Berlinale, dieser Frage stellen. Im vierten Monat erfahren sie und ihr Freund und Manager Markus (Bjarne Mädel), dass ihr zweites Kind das Down-Syndrom hat. Die zweite Hiobsbotschaft folgt kurze Zeit später. Der ungeborene Junge leidet unter einem schweren Herzfehler. Der Optimismus der werdenden Eltern, insbesondere von Astrid, schwindet. Was bedeutet die Entscheidung für ein schwer krankes Kind? Kann und will sie damit leben? Schafft sie das? Hält die Familie das aus? Ist der mögliche Spätabbruch eine Alternative? Kann sie eine Entscheidung über Leben und Tod treffen?
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