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REVIEWS

REVIEWS

LORNA SHORE

Pain Remains

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Vom epischen Intro an bin ich gefangen in der ausladend erzählten Geschichte, die von Sänger Will Ramos so unglaublich facettenreich vorgetragen wird. Chöre, Orchestrierung und ein siebenminütiger Opener. Es wird direkt klar, dass „Pain Remains“ keine kurzweilige und leichte Kost ist. Trotzdem ist man direkt im Geschehen, leidet mit dem Protagonisten des Konzeptalbums und erfreut sich am immensen technischen Können jedes einzelne Bandmitglieds. LORNA SHORE in dieser Besetzung sind eine Offenbarung und eine Bereicherung für das komplette Deathcore-Genre. Diese Band geht mutig neue Wege und scheut sich nicht vor großen Emotionen und tiefgehenden Geschichten. Dabei kommt es dem Album zugute, dass es brutal, aber alles andere als stumpf ist. Die Songs sind bis ins letzte Detail ausgereift, durchdacht und intelligent. Selten fesselt mich das Gesamtkonzept eines Albums so sehr wie hier. Die ausladenden Songstrukturen, die vielen Experimente, die schiere Brutalität und die episch erzählte Geschichte verbinden sich zu einem unvergleichlichen Mix aus Härte, Traurigkeit und einer bittersüßen Katharsis. Die Songs sind anstrengend, belastend und entfalten mit jedem weiteren Hören neue Facetten. Was sich nach schwer zugänglichem Material anhört, bedeutet aber die größte Stärke des Albums: „Pain Remains“ geht sehr viel tiefer als die meisten Releases. Es ist ungemütlich, zerrt an einem und will einfach nicht mehr loslassen. Wo andere Bands auf abgedroschene Phrasen setzen, gehen die Lyrics von Will Ramos weitaus tiefer. Auch musikalisch werden keine Klischees abgespult. „Pain Remains“ erreicht eine beklemmende Stimmung, wie es sonst nur THY ART IS MURDER oder THE ACACIA STRAIN gelingt. Was LORNA SHORE aber von allen Genrevertretern abhebt, sind die unglaubliche Bandbreite, die Will Ramos mit seiner Stimme abdeckt, und das Talent der Band für ganz große Songstrukturen. (Century Media) Marvin Kolb

FLITTERN

Flittern

Während andere Menschen ab einem gewissen Alter ihren Nachwuchs im Lastenrad transportieren, stechen FLITTERN aus ihrer Peer Group hervor und transportieren ihren Alltag per Musik. Die Band aus Köln hat sich verschiedene Ziele für ihre elf Debütsongs gesteckt. So soll „Flittern“ musikgewordene Therapie, Coming-of-Age-Geschichte und Rückeroberung der kreativen Freiheit sein, lieber nach Trettmann als DIE TOTEN HOSEN klingen, Jugendliche und Mittvierziger begeistern. Und all das gelingt dem Trio! Grunge („Alman Angst“) wechselt sich ab mit Pop-Punk („Satt“), NeunzigerPunkrock („MTV made“, „Viva Widerstand“) und Indie („Denkmal“, „Stadt aus Flittern“, „Flaggen auf dem Mond“). Darüber hinaus gibt es immer wieder Streicher, AutoTune, Synthies und Radiotauglichkeit. FLITTERN tanzen. FLITTERN verbergen nicht ihre melancholische Seite. FLITTERN umgibt sozialkritischer Esprit, der den Alltag in klugen Versen unter die Lupe nimmt. Wenn man DIE ÄRZTE, KRAFTKLUB, HEY RUIN und LOVE A mixt, das Beste aus deren Quintessenzen filtert, entsteht das schlauste deutsche Punk-Album seid „Lehnt dankend ab“ von FRAU POTZ. Vielen Dank für ein so spannendes, breit aufgestelltes, faszinierendes Debüt! Mit Mitte dreißig noch eine neue Band starten und dabei auf Gitarrenmusik setzen? Es gibt nichts Smarteres! (Unter Schafen) Marcus Buhl

COUNTERPARTS

A Eulogy For Those Still Here

Ein Song über eine Katze ist wohl bei weitem nicht das Absurdeste, das eine Hardcore-Band sich hat einfallen lassen, trotzdem ist es ein Hingucker. Allerdings sollte man keinesfalls der Versuchung unterliegen und „Whispers of your death“ nicht ernst nehmen. „It’s hard to breathe without you sleeping on my chest“, schreit Frontmann Brendan Murphy es sich von der Seele. Eindrücklicher kann man Verlustängste wohl kaum in einen Song verpacken, besonders wenn auch die musikalische Umsetzung kaum Raum zum Atmen lässt. COUTNERPARTS sind im Laufe ihrer Karriere zu einem absoluten Sure-Shot gereift, was mitreißende Melodic-Hardcore-/ Metalcore-Tracks betrifft, und ihr Sänger weiß diese mit Lyrics und Slogans zu füllen, welche die Fans auch mit Stolz auf unterschiedlichen Körperteilen oder Hoodies tragen. Dabei ist die Band aus Kanada weiterhin absolut kompromisslos, was die Härte betrifft. Während andere mit den Jahren sehr viel mehr in Richtung Melodie und Zugänglichkeit schielen, bleiben solche Ausflüge bei COUNTERPARTS weiterhin eine Ausnahme. Viel lieber machen sie deutlich, dass Weiterentwicklung auch innerhalb eines Genres möglich ist, ganz ohne Shoegaze oder stumpfe Rock- und Metal-Posen. Es ist eine Freude, eine Band zu sehen, die aus Überzeugung wahrhaft emotional und kreativ bleibt. (Pure Noise) Christian Biehl

PRESS CLUB

Endless Motion

Bereits TURNSTILE berichteten, wie die Pandemie ihnen mehr Zeit für die Arbeit an ihrem jüngsten Album verschafft hatte. Herausgekommen ist bekanntermaßen ein karriere- und vielleicht genredefinierendes Meisterwerk. Bei PRESS CLUB waren die Voraussetzungen ähnlich. Anstatt im direkten Anschluss an eine Europatour und nur unzureichend vorbereitet in Berlin ein Album einzuspielen, fand man sich plötzlich zu Hause im strengen australischen Lockdown wieder und hatte über viele Monate Zeit, um an Ideen zu feilen. Machen wir es kurz: Herausgekommen ist dabei ein definitives Jahreshighlight für die Punkrock-Szene und weit darüber hinaus. Auch wenn die ersten beiden Alben bereits überzeugen konnten, setzt „Endless Motion“, in allen Belangen (Sound, Musikalität, Songwriting) noch mal einen drauf, ohne aber die Unmittelbarkeit und die Emotionalität vermissen zu lassen, für die man die Band schätzen gelernt hat. Wenn Natalie Foster in „Coward Street“ voller Inbrunst „Give me a goddamn break“ singt, dann fühlt sich das absolut echt und intensiv an und nicht nach dem hundertsten Take in klinischer Studioatmosphäre. Dazu hat die musikalische Untermalung nahezu einen Quantensprung hingelegt. Während Drums und Bass stoisch den Raum füllen, gelingen Gitarrist Greg Rietwyk Höhenflüge, die man PRESS CLUB so nicht zugetraut hätte. Begeisternd! (Hassle) Christian Biehl

STRAY FROM THE PATH

Euthanasia

Wucht, Finesse und eine gehörige Portion Wildheit prägen die letzten Jahre bei SFTP. Spätestens mit dem Einstieg des britischen Schlagzeugers Craig Reynolds hat die Band ihren ureigenen Stil gefunden. Das letzte Album „Internal Atomics“ war schon nahe an der Perfektion. Mit ihrem zehnten Werk „Euthanasia“ versucht die Band nun noch ein Stück näher an diese heranzukommen. Dabei versuchen sie sich in alle Richtungen weiterzuentwickeln. Mit „Bread & Roses“ haben sie eine der softesten Nummern der Karriere geschrieben (inklusive Klargesang von STICK TO YOUR GUNS-Frontmann Jesse). „Guillotine“ erweitert das technische Spektrum der Band und mit „III“ oder „Law abiding citizen“ wagen sich SFTP auch textlich wieder auf dünnes Eis. Handelt „III“ von Polizeigewalt (und Gewalt gegen die Sicherheitsbehörde), ist „Law abiding citizen“ eine Aufzählung etlicher moralischer und gesellschaftlicher Verfehlungen in Verbindung mit Selbstjustiz. Die Entwicklung auf „Euthanasia“ ist logisch. SFTP bauen ihre Stärken aus, bringen jeden Song auf den Punkt und halten dabei stets einen brutalen Breakdown bereit. Drews Rap-Shouts klingen wütend wie eh und je. SFTP schaffen es, die Zerrissenheit der heutigen Gesellschaft perfekt in ihre Musik zu übersetzen. Damit steht „Euthanasia“ auf einer Stufe mit „Internal Atomics“. Dieses Album sollte niemanden enttäuscht zurücklassen! (UNFD) Manuel Stein

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