Paraguas 11

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paraguas MAGAZIN FÜR JUNGE KUNST

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intro SORGENFREIE ZEITEN Wir leben in schweren Zeiten. Auch die Wahl von Barack Obama zum ersten schwarzen US-Präsidenten kann uns darüber nicht hinwegtrösten. Die weltweite Finanzkrise verunsichert uns, die steigenden Energiepreise sind schon lange kein kurzweiliges Problem mehr. Natürlich müssen wir uns diesen Widrigkeiten stellen, wir müssen uns Lösungen ausdenken. Aber wir müssen auch mal abschalten – und was könnte unseren kurzzeitigen Eskapismus-Wunsch besser stillen als die Kunst?! Die elfte Paraguas-Ausgabe vermag mit Themen aus Kunst, Fotografie, Mode und Film in ferne Welten zu entführen. Titelbild: pixelio.de/Abrecht E. Arnold

Die Indieband Locas In Love hat uns ein Winteralbum geschrieben, mit dem wir uns ganz hervorragend durch die Weihnachtszeit träumen können. Comiczeichner Joscha Sauer bringt uns mit Yetis und Bibern endlich wieder zum Lachen. Und Künstler Jonathan Calverley lehrt uns den Protest gegen künstlerische Institutionen. Abschließend entführen uns die Künstler dieser Ausgabe zum Thema „Sternenrausch“ in ihre Gedankenwelten, ehe wir wieder zurückkehren in den Alltag. Frohe Weihnachten und einen sorgenfreien Start ins neue Jahr wünscht Mark Heywinkel im Namen des Paraguas-Teams

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inha COMIC

Joscha Sauer Comics sind lustig – aber sind es auch ihre Zeichner? Wir haben mit Joscha Sauer über Humor gesprochen.

MUSIK Locas In Love Draußen wird es kalt und ungemütlich. Wozu brauchen wir da noch das Winteralbum der Folkpopband Locas In Love?

FILM “Dämmerung” Deutschland fehlen Mysteryserien im TV. Zum Glück gibt es junge Filmschaffende, die uns im Netz mit Spannung füttern.

KUNST Der Individualist “Die letzte documenta war doch Volksverarsche”, wettert Maler Jonathan Calverley. Von Masse hält er nichts, er malt lieber individuell.


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SPIELE

INSPIRATIONSFUNDUS

Rock! Die! Party! Zocken ist längst keine Freizeitbeschäftigung der Nerds mehr. In Partyspielen wie “Guitar Hero” punkten jetzt die Kreativen.

Was uns bewegt Swantje May verrät uns, warum Sadomasochismus kein Tabutthema mehr sein sollte. Und Manuel Förderer vergöttert Van Halen.

MODE

KÜNSTLERBEITRÄGE

Emphasize your Life Mode kann einzigartig sein. Das haben die meisten Menschen in der Fülle des Angebots von H&M vergessen. Eva Müller nicht.

Sternenrausch Für die elfte Ausgabe von Paraguas haben sich Künstler auf atemberaubende Reisen zu den Sternen aufgemacht.

FOTOSTRECKE

IMPRESSUM

Gut aussehen Längst geht es auf Facebook oder MySpace nur noch darum, wer das coolste Profilbild hat. Markus Wessollek sagt: Keiner.

LIEBESBRIEF Berlin Berlin ist das kulturelle Herz Deutschlands. Zwischen cool und historisch blüht eine Kreativszene, die uns einen Liebesbrief wert ist.

Paraguas.de Verantwortlicher: Mark Heywinkel Team: Ulf Biallas, Manuel Förderer, Christina Krieglstein, Andreas Matt, Diana Schormann und Antonia Wille Mitarbeit: Katharina Grube, Henning Ohlsen, Swantje May Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht zwingend die Meinung des gesamten Teams wieder. Die Urheberrechte aller Beiträge verbleiben bei ihren jeweiligen Verfassern.

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comic

PARAGUAS TRIFFT: JOSCHA SAUER

KALKULIERTE KOMIK Comiczeichner Joscha Sauer hat es vom kalkulierten Tiefstapler bis in die Oberliga der deutschen Cartoonisten geschafft. Wie lustig ist er wirklich? Interview: Manuel Fรถrderer


Joscha, wenn du das, was du tust, in einen Arbeitsamtbegriff bringen müsstest, dann wärst du… ... schwer vermittelbar?! Wie kommt ein Comiczeichner auf die Idee, seine Bücher unter dem Titel „Nichtlustig“ zu veröffentlichen? Am Anfang war das kalkulierte Tiefstapelei. Angefangen hat alles im Jahr 2000 mit meiner Internetseite, auf der ich täglich einen neuen Cartoon veröffentlicht habe. Weil ich mir am Anfang nicht sicher war, in welche Richtung sich das alles entwickeln würde, fand ich den Namen „Nichtlustig“ sehr befreiend. Denn schließlich konnte mir so am Anfang niemand vorwerfen, das nicht zu erfüllen, was ich durch den Namen versprochen habe.

“Niemand ist immer schön und niemans ist immer lustig”

Seither hast du eine ganze Palette charmanter Figuren entwickelt. Welche ist deine Lieblingsfigur? Eine wirkliche Lieblingsfigur habe ich eigentlich nicht, da sie ja alle nur Facetten von einem größeren Ganzen bilden. Einzeln genommen fände ich meine Figuren recht langweilig. Aber im Zusammenspiel als kleine Zirkustruppe funktionieren sie prächtig.

Man hört immer wieder, dass Humoristen privat eher unlustig sind. Ich glaube, dass dieses Vorurteil dadurch entsteht, dass Comedians oftmals mit der Erwartungshaltung konfrontiert werden, dass sie im richtigen Leben genauso sind wie auf der Bühne. Aber das ist natürlich Quatsch, denn es ist ja ihr Job, auf der Bühne oder vor der Kamera eine Figur zu verkörpern, die konsequent unterhaltsam und schlagfertig ist. Das ist ein bisschen so, als wäre man verwundert, dass Heidi Klum nach dem Aufstehen verquollene Augen hat. Niemand ist immer schön und niemand ist immer lustig. Für einige Humoristen ist Humor dann auch etwas sehr analytisches, dass durch Routine und Arbeit immer mehr verfeinert wird, damit es vor der Kamera leicht und spontan wirkt. Manche Menschen können unter Freunden und auf Partys die lustigsten Alleinunterhalter sein, aber vor der Kamera oder mit einem Stift in der Hand würden sie versagen. Wie ist das bei dir? Bei mir ist es so, dass der Humor meiner Arbeit schon sehr geplant und durchdacht ist. Im Privatleben ist es aber nicht so, dass ich still in der Ecke sitze und mir meinen Teil zu allem denke. Da bin ich zu sehr Rampensau und mache lieber einen schlechten Witz zu viel als einen zu wenig. Aber eben auch nicht immer. Das Leben ist ja kein Cartoon. Mehr Infos: www.nichtlustig.de

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musik

PARAGUAS TRIFFT: LOCAS IN LOVE

DIE SELBER

MACHER

Alle Musiker wollen einen Plattenvertrag bei einem großen Label. Wirklich alle? Die Folkpopband Locas In Love kommt auch ganz gut alleine klar. Ihr Konzeptalbum “Winter” bringt uns nun in die richtige Stimmung zur kalten Jahreszeit . Interview: Mark Heywinkel Foto: Locas In Love

Locas In Love: Björn Sonnenberg, Jan Niklas Jansen und Stefanie Schrank (von links)


Ihr besteht darauf, dass “Winter” nicht euer drittes Album ist. Was fehlt dem Album, um euer drittes zu sein? Natürlich fehlt dem Album überhaupt nichts. Uns ist nur wichtig, es als losgelöst von unserer restlichen Diskographie oder Geschichte zu sehen. Es ist nicht das dritte Album – es ist das Winteralbum. Und es steht in seiner Ästhetik, wie es produziert ist, wie Stücke und Texte geschrieben sind, auch etwas außerhalb der Linie unserer beiden Alben. Zu Weihnachten kommt im Radio immer nur das nervige „Last Christmas“. Haben wir deshalb euer Album gebraucht? Vermutlich ja. „Last Christmas“ in Ehren, aber da muss in der Tat mal etwas entgegengesetzt werden. Im Vorfeld haben wir uns mit Weihnachtsliedern beschäftigt, die von Pop- und Rockbands kommen. Slade und die Kinks haben noch die besten Beiträge – und die Songs sind dennoch das kalte Grauen. Außer Low und ihrer wunderschönen „Christmas EP“ gibt es kaum Musik zur Saison, die nicht eine ganz große innewohnende Nervigkeit hat. Deutsch zu singen, fällt vielen Bands schwer. Warum euch nicht? Vermutlich fällt es ihnen nicht schwer, deutsch zu singen, sondern gute Stücke und Texte zu schreiben. Die deutsche Sprache an sich ist nämlich wunderschön und sehr musikalisch. Im Poprock wird Französisch

eher überschätzt, Sprachen wie Deutsch und Russisch unterschätzt. Aber darüberhinaus einen Feldzug fürs Deutsche zu führen, käme uns nicht in den Sinn, das würde einen falschen Eindruck erwecken.

“Im Poprock wird Französisch eher überschätzt, Sprachen wie Deutsch und Russisch unterschätzt” Ihr haltet mit Locas In Love die Do-ityourself-Strategie hoch. Kommt es euch nicht auch so vor, dass es gerade wieder in ist, alles in Eigenregie zu machen? Eigentlich nicht. Interessiert uns auch nicht wirklich. Wir waren immer eine DIY-Band, selbst als wir „Saurus“ bei einem Majorlabel veröffentlicht haben, standen wir im Wohnzimmer und haben eigenhändig Stofftaschen genäht und bedruckt, um die Platten reinzustecken. Bei uns hat das Selbermachen damit zu tun, dass wir meistens eine sehr genaue Vorstellung haben und es dann am einfachsten ist, diese auch selber umzusetzen, anstatt Fremde in einen Prozess einzubeziehen, denen man erst alles erklären müsste. Da es kaum noch große Labels und immer weniger kleine gibt, bleibt denen, die etwas machen wollen, nicht viel anderes übrig, als es selber zu machen. Wenn daraus eine Haltung entstünde und eine Wiederbelebung des Prinzips Selbermachen, wäre das ein schöner Nebeneffekt des Untergangs der Musikindustrie. Mehr Infos: www.locasinlove.com

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film

PARAGUAS TRIFFT: MARTN BONDZIO

GEGEN DIE GEWOHNHEIT Was das Fernsehen nicht hergibt, muss man eben selber machen: Martn Bondzio gründete mit anderen jungen Filmschaffenden den Verein aufmdeich, um die Mystery-Serie “Dämmerung” zu produzieren. Interview: Mark Heywinkel


Martn, Mystery-Serien wie „Lost“ und „Heroes“ bannen einen regelrecht vor die Mattscheibe. Eine solche Serie gibt es in Deutschland jedoch nicht. Wollt ihr diese Lücke mit „Dämmerung“ füllen? Mit „Dämmerung“ wollen wir zeigen, dass man auch in Deutschland Mystery- oder Endzeitoder auch Sci-Fi-Serien produzieren kann. Und wir wollen natürlich auch zeigen, dass der horizontale Erzählbogen, also eine fortlaufende Narration in einer Serie, ein spannendes Werkzeug ist. Viele Sender scheinen immer noch zu viel Angst vor der horizontalen Erzählweise zu haben und bevorzugen konventionell episodisch strukturierte Serien. Paradoxerweise kaufen die deutschen Sender dennoch amerikanische Serien mit einer horizontalen Narration. Das lässt zumindest hoffen, dass eine Mystery-Serie wie „Dämmerung“ eines Tages eine Chance auf einen Sendeplatz hat.

“Internetserien sind beim User noch nicht akzeptiert” Eine Staffel ist bereits im Kasten. Wie geht es jetzt weiter? Im Moment holt uns die Realität ein wenig ein. Wir müssen wieder Geld auftreiben. Und dann ist da noch das Problem, dass unser Cast mittlerweile nicht mehr komplett in Köln wohnt. So werden einfache logistische Probleme zu monatelangen Drehverschiebungen. Eine Staffel wollen wir auf jeden Fall noch machen, um die Geschichte auch zu einem würdigen Ende zu bringen.

Ihr macht eure Serie speziell fürs Internet. Was ist der Vorteil daran? Wir haben einen direkten Kontakt zum Zuschauer. Wir produzieren ja für ein Publikum, wir produzieren Unterhaltung. Und was nützt eine Serie, wenn man kein Medium hat, um sie auch zu präsentieren. Es ist leider utopisch zu glauben, dass ein Sender unser Projekt optiert hätte. Hätten wir das Internet nicht, so würde „Dämmerung“ in irgendeiner Schublade Staub sammeln. Was sind die Nachteile im Internet? Wir erregen zwar Aufmerksamkeit, aber noch lange nicht die Aufmerksamkeit, die ein Trash-Youtube-Video erregen kann. Es ist auch schwierig, den User dazu zu bringen, ein Video anzuschauen, das länger als 5 Minuten ist. Internetserien sind beim User noch nicht akzeptiert. Die Sehgewohnheiten orientieren sich einfach noch zu sehr am Fernsehen. Im Internet kann man immer alles gucken. Wird diese Programmlosigkeit das starre Fernsehen eines Tages verdrängen? Der Mensch ist ja bekanntlich ein Gewohnheitstier und braucht Konstanten in seinem Leben, um sich selber auch besser organisieren zu können. Deshalb wird eine gewisse Programmierung auch bei IPTV-Sendern von Nöten sein. Mehr Infos: www.aufmdeich.de

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kunst

PARAGUAS ZEIGT: JONATHAN CALVERLEY

DER INDIVIDUALIST Wer bestimmt eigentlich, was gute und was schlechte Kunst ist? Maler Jonathan Calverley protestiert gegen Institutionen, die da Jury spielen wollen. Interview: Katharina Grube Foto: Corinna Borngr채ber Bilder: Jonathan Calverley


Jonathan, welche drei Wörter beschreiben dich am besten? Ich brauche vier Wörter: Ich bin anachronistisch, gefühlssüchtig, nachdenklich und pragmatisch. Entstammen diese Züge deinem künstlerischen Schaffen? Ich würde sagen, das Eine bedingt das Andere. Durch die Kunst erschafft das Individuum sich selbst. Wie sieht demnach dein künstlerisches Individuum aus? Die Individualität meiner Kunst begründet sich in der Freiheit meiner Arbeit: der Abkehr von gesellschaftlichen Bedürfnissen und Strömungen, die zeitgenössische Kunst nur noch anerkennt, wenn sie ein politischer, kritischer Spiegel der Gesellschaft ist. Du grenzt dich demnach vollkommen von der heutigen Vorstellung von Kunst und ihrer Bedeutung ab. Nein, ich grenze mich davon ab, wie in der Öffentlichkeit die Kunst dargestellt wird. Die letzte Documenta war doch Volksverarsche. Wenn die Documenta tatsächlich einen realistischen Querschnitt durch die moderne Kunst repräsentieren würde, dann läge diese im Sterben. Der Konsument ist medial fremdbestimmt: Er hängt sich ein Bild nicht mehr an die Wand, weil er die Augen einfach nicht davon lassen kann, sondern weil Kunst und

ihre Bedeutung durch Institutionen wie die Documenta zunehmend Image- oder Marktbestimmend ist.

“Die letzte Documenta war doch Volksverarsche” Wie sieht der Vorgang des Malens konkret bei dir aus? Malen ist eine magische, energiegeladene Reise mit stets unbekanntem Ziel, vielleicht in etwa vergleichbar mit einer Schwangerschaft. Ein Gefühl oder eine unbestimmte Vorstellung, die ich für lange Zeit mit mir herumtrage, führt irgendwann zur Geburt eines Bildes. Und fast immer kommt am Ende dabei etwas zustande, was ich nicht erwartet hätte. Dann sitze ich vor dem fertigen Bild, rauche eine Zigarette, wundere mich und erkenne, was wohl wirklich in meinem Unterbewusstsein gelauert hat. Das ist ein Prozess des Entdeckens, der Erkenntnis. Manchmal bitter, manchmal befreiend. Sobald ich das Bild signiere, ist es jedoch frei und kann vielleicht in den Augen eines anderen Menschen zu etwas Neuem werden, eine neue Gestalt annehmen, eine neue Bedeutung finden. Picasso hat gesagt: „Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele“. Wie wahr. Mehr Infos: www.calverley.de

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aktion

PUBLIC VIEWING IN BERLIN

AUFGEHÄNGT Public Viewing bezeichnet nicht nur das gemeinsame Saufen und Sportgucken. Fotograf Florian Reischauer hängt unter diesem Slogan riesengroße Polaroids an Berliner Hausfassaden auf. „Mit dieser Aktion wollte ich erreichen, dass ein kleiner Dialog zwischen den Gesichtern an der Wand und dem Rezipienten entsteht“, erklärt der 23-Jährige. „Fragen sollen aufgeworfen werden: Ist das Werbung? Wer ist das auf dem Bild? Kenn ich die?“

Weil man Fotografie normalerweise nur in weißen, langweiligen Galerieräumen findet, in denen ausschließlich Kunstinteressierte verkehren, wollte Reischauer raus mit seiner Kunst. Frischluft, viele Passanten, Reaktionen. „Ein Anliegen war es auch“, fügt der Fotograf hinzu, „dem leider bald verschwindenden Polaroid-Material nochmal Leben einzuhauchen.“ Derzeit hängt noch eines der drei mal vier Meter großen Polaroid-Plakate in der Prenzlauer Allee 43. 2009 werden die Bilder bei den Urban Affairs in Warschau zu sehen sein und dann soll es auch in Berlin weitergehen. „Ich bin gerade damit beschäftigt, Fördergelder zu suchen“, sagt Reischauer. (mh) Mehr Infos: www.flowkey.net


mode

PARAGUAS TRIFFT: EVA MÜLLER

EMPHASIZE YOUR LIFE Es muss nicht immer Massenware sein, man darf sich auch mal ein Designerstück in den Kleiderschrank hängen. Modedesignerin Eva Müller hat da ein paar Angebote auf Lager. Text: Mark Heywinkel Foto: Olivia Pauthner


Eva, mit 12 Jahren hast du dich bereits für Mode interessiert und angefangen, selbst welche zu machen. Wie ist es dazu gekommen?

ist es wichtiger, dass ich mich in meiner Kleidung wohl fühle und mich selbst damit ausdrücken kann. Da ist es mir dann egal was andere Leute darüber sagen oder denken.

Als ich in diesem Alter war, kam in meiner Altersgruppe gerade der Trend von Handarbeiten auf. Das waren eher Kleinigkeiten wie Freundschaftsbänder Knüpfen oder Häkeln. Schon da war ich immer ganz vorne dabei und habe quasi Kleinproduktionen betrieben. Anschließend habe ich mir dann die Grundfunktionen der Nähmaschine zeigen lassen und konnte loslegen.

American Apparel oder H&M uniformieren inzwischen ganze Generationen. Muss das nicht endlich mal ein Ende haben?

Inzwischen betreibst du dein eigenes Label “empha”. Was sind deine Ziele für die Zukunft? Im Moment befinde ich mich noch in der Ausbildung zur Modedesignerin und habe deshalb momentan als vorrangiges Ziel, das möglichst erfolgreich zu beenden. Danach möchte ich ans Theater als Kostümbildnerin. Mein Label werde ich erst mal noch als Nebenbeschäftigung betreiben und würde mir natürlich wünschen, dass ich mich in den kommenden Jahren komplett selbständig machen kann. Mode ist für viele Menschen eine Möglichkeit, mit einem individuellen Style aus der Gesellschaft hervorzustechen. Ist dir so etwas wichtig? Ich habe zwar selbst immer extravagantere Kleidung getragen, war aber noch nie der Typ der immer im Mittelpunkt stehen wollte. Mir

Für die kleinen Label, wie mein eigenes, hat diese Massenproduktion der großen Läden schon Vorteile. Es finden sich in der Masse noch immer genügend Menschen, die eben aus dieser Uniformierung ausbrechen wollen und etwas Ausgefalleneres wollen. Das wären dann meine Kunden. Von daher sehe ich diese Art der Kleidungsherstellung eher positiv für mich. Die Ägypter haben kaum Kleidung getragen, dann gab es wieder Zeiten, in denen schon ein nacktes Bein für Furore sorgte. Heute kleiden wir uns wieder etwas freier. Bleibt das so oder verfallen wir wieder irgendwann wieder konservativen Einstellungen? Sich ständig wiederholende Trends stehen im Gegensatz zu einer Gesellschaft, die sich ständig weiterentwickelt. Daher kann es zwar schon sein, dass sich die Mode irgendwann wieder am 19. Jahrhundert oder so orientiert, aber bei Weitem nicht so konservativ sein wird. Mehr Infos: www.empha.de

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spiele

KREATIV WERDEN AN DER SPIELEKONSOLE

ROCK! DIE! PARTY! Lange galten Video- und Computerspiele als Domäne der Nerds. Inzwischen sind die digitalen Spaßmacher Teil unserer Kultur. Und jetzt fordern sie in erhöhtem Maße unsere Kreativität. Text: Henning Ohlsen Foto: pixelio.de/Dystopie


Von überall hört man das Gewisper um „Killerspiele“, Flammenwerfer-Brutzelaktionen in „Grand Theft Auto“ oder auch süchtig machende Online-Rollenspiele wie „World of Warcraft“. Und wer Computerspiele spielt, hat erstens keine Freunde und wird es zweitens sowieso nie zu etwas bringen. Doch dabei hat sich in der Jugendkultur längst eine ganz andere Szene entwickelt: Man trifft sich mit Freunden, singt zusammen Karaoke vor dem Fernseher oder schwingt die Rockgitarre. Seit „SingStar“ und „Guitar Hero“ die Partys erobern, ist das kein Problem mehr. Computerspiele sind keine Volksverdummung – das müssen selbst die härtesten Kritiker einsehen. Im Gegenteil: Spiele fördern und fordern das musikalische Talent sowie die Kreativität und bringen gleichzeitig noch Festival-Stimmung ins Wohnzimmer.

“Computerspiele sind keine Voklsverdummung” Unternehmen wie Sony oder Activision machen sich dies zunutze und fesseln mit ihren Spielen auf eine ganz andere Weise an die Konsole, als es zum Beispiel Ego-Shooter tun. Gemeinschaftlich etwas erleben lautet das Motto. Und dass wir unbewusst dabei auch noch unser Gehirn trainieren, soll uns doch nur recht sein: „Wer musiziert oder singt, fördert seine Gehirnleistung ganz erheblich“, so der Gehirnexperte Ernst Pöppel, Professor für Medizinische Psychologie an der Universität München. „Denn Musik aktiviert sowohl die rechte als auch die linke Hirnhälfte.

Die rechte durch die Tonalität, also die Melodie, die linke durch den Takt, also den Rhythmus.“ Deshalb gilt: Wer keine Scheu davor hat, ins Mikrofon zu trällern oder mit der Plastik-Klampfe abzurocken, wird fitter im Kopf und steigert seine Konzentrationsfähigkeit. Außerdem führt Musik zu einer hohen sozialen Kompetenz und wirkt sich positiv auf Ausdrucks- und Kommunikationsfähigkeit aus.

“Gemeinschaftlich etwas erleben lautet das Motto” Die Möglichkeiten der beiden Spiele, selbst kreativ zu werden, unterscheiden sich dabei gewaltig. Während sich „SingStar“ auf das Nachsingen – bei männlichen Spielern auch oft auf das Nachgrölen – bekannter Lieder beschränkt, liefert das neue „Guitar Hero: World Tour“ ein innovatives Musikstudio, in dem jeder seine digitalen Tracks von Grund auf selbst erschaffen kann. Hier ist fast alles möglich: Jammen mit Freunden, Aufnehmen von Loops, Erstellen verschiedener Effekte für die Gitarren und das Austüfteln komplett eigener Songs. Rockt einer davon so richtig die Bude, kann er online gestellt und von anderen Spielern heruntergeladen werden. Einen guten Song zu komponieren, braucht aber einiges an Übung und ist nicht in einer halben Stunde getan. Selbst erfahrene Liederschreiber und Rockröhren werden einige Zeit im Musikstudio verbringen, bis sich erste gute Ergebnisse hören lassen können.

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fotografie

PARAGUAS ZEIGT: MARKUS WESSOLLEK

EINFACH GUT AUSSEHEN In Online-Communitys geht es mittlerweile nur noch darum, wer das coolste Profilbild hat. Dabei vermitteln diese Schnappsch체sse kein St체ck Authentizit채t, erkl채rt Fotograf Markus Wessollek. Interview: Mark Heywinkel Fotos: Markus Wessollek


Markus, wie bist du zur Fotografie gekommen? Ich weiß noch, dass ich mich schon für Bilder interessiert habe, als ich noch relativ jung war. Als ich 18 oder 19 war, hab ich des Öfteren zusammen mit einem Freund fotografiert. Das hat mich begeistert und ich hab mir meine erste eigene Kamera gekauft. Inzwischen machst du Live-Bilder, Porträts und Landschaftsaufnahmen. Worauf könntest du verzichten, worauf überhaupt nicht? Für mich lässt sich Fotografie nicht in vordefinierte Kategorien einordnen. Vielmehr zählt für mich als Fotograf der Moment, in dem ich merke, dass eine Idee wächst, aus der sich dann ein Foto entwickelt. Am Ende ist es dann nicht mehr wichtig, ob ich einen Menschen oder eine Landschaft fotografiere. Es zählt also, dass ich in der Lage bin, Dinge von meinem Standpunkt aus zu sehen und auch zu zeigen. So gesehen würde ich weder auf das eine noch auf das andere gerne verzichten. Wer Menschen fotografiert, schminkt, setzt das perfekte Licht und bearbeitet nach. Muss die Fotografie uns immer schöner darstellen als wir wirklich sind? Ich denke, die Fotografie ist nicht in der Lage, über das hinauszuwachsen, was der Fotograf und das Model ist. Wenn der Fotograf nun arrangiert und optimiert, oft auf Wunsch des

Models, steckt dahinter sicherlich nur der allzu menschliche Wunsch, vor Anderen gut dazustehen. Auch im wirklichen Leben wird das Bild, das man nach außen trägt, genau überlegt und auch inszeniert. Somit greift die Fotografie nur das auf, was sich in der Wirklichkeit wiederfindet. Ein Schnappschuss, der einen Menschen locker und sympathisch darstellt, ist für mich nicht authentischer, als ein inszeniertes Porträt. Wie falsch ein Schnappschuss sein kann kennen wir von Bekanntschaften in Online-Communitys. Hier wird ein authentisches Bild mit Schnappschüssen kreiert, das in Wirklichkeit nicht existiert.

“Die Fotografie ist nicht in der Lage, über das hinauszuwachsen, was der Fotograf und das Model ist” Worauf achtest du, wenn du Porträts fotografierst? Porträts zu inszenieren bedeutet für mich, Aspekte einer Persönlichkeit darzustellen. Es geht mir nicht darum, Menschen meinem Schönheitsideal entsprechend zu zeigen, sondern ihre eigene Schönheit zu offenbaren. Schönheit ist für mich nicht gleichbedeutend mit Makellosigkeit, sondern entwächst dem Inneren, wird also erst im Detail sichtbar und ist nur im Zusammenhang zu verstehen. Mehr Infos: www.markus-wessollek.de

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Die Bilder stammen aus Markus Wessolleks Porträtserie “Avatars”, in der sich der Fotograf mit dem Zusammenspiel von Realität und Virtualität auseinandersetzt.

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“Der virtuelle Raum verleiht den Menschen die Möglichkeit, in verschiedene Rollen zu schlüpfen, zeitweilig verschiedene Identitäten anzunehmen, sprich sich auf ganz unterschiedliche Weise darzustellen und zu inszenieren. Dies erscheint als tief verwurzeltes menschliches Bedürfnis, das der Mensch im virtuellen Raum ausleben kann. So erfährt der Mensch in der Virtualität die Freiheit, sich - losgelöst vom real existierenden Körper – in einer Weise darzustellen, die seinem Ideal entspricht, sich in Perfektion darzustellen. So ergibt sich die Freiheit des Menschen im virtuellen Raum insbesondere dadurch, dass in der Realität die Möglichkeiten der Wandelbarkeit zwar vorhanden, jedoch viel begrenzter sind, während sie im virtuellen Raum schier unbegrenzt erscheinen.”


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liebesbrief

PARAGUAS SCHREIBT EINEN LIEBESBRIEF

Mein liebes Berlin, ich vermisse dich. Bei deiner ersten Umarmung wusste ich, dass ich in keiner anderen Stadt leben möchte. Bei dir fühle ich mich wirklich zu Hause. Eine kurze Städtereise genügte, um mich zu verführen. Dann kam ich nur für ein halbes Jahr und ging wieder fort - doch ich verspreche dir, ich komme zurück ... Text und Foto: Diana Schormann


Mit dir wird es nie langweilig. In Berlin Mitte, der Touristen-Hochburg, ziehst du einem an jeder Ecke das Geld aus den Taschen. In der Simon-Dach-Straße in Friedrichshain oder der Bergmannstraße in Kreuzberg ist immer was los: Hier lebt man im Sommer auf der Straße, unterhält sich in Milchbars mit der Freundin, die einen Kinderwagen vor sich herschiebt oder verbringt die Mittagspause in einem kleinen Restaurant mit nur einem riesigen Tisch, an dem sich Menschen aus aller Welt zusammensetzen. Ich liebe die Vielfalt der verschiedenen Stadtbezirke und deine Abwechselung. Du zeigst mir viele Gesichter, und ich bewundere deine Mischung als alt und neu, deine Weite und Dichte, die Tradition und den Trend, das Nebeneinander und Miteinander. Auch die kleineren und stillen Orte habe ich gefunden: Alte Friedhöfe mitten in der Stadt, grüne Hinterhöfe mit Fahrradwerkstätten, verwunschene Parkanlagen, in denen alte Stadtkerne zu erkennen sind. Ich lernte den Kiez kennen, die türkischen Basare am Maybachufer, deine Insel aus Museen, Angelas Regierungssitz und das größte Gebäude Europas hatte seine Tore noch geöffnet. Ade Tempelhof! Ich akzeptiere deinen Bio-Tick, auch dein sportliches Engagement vor der Arbeit oder während der Mittagspause, deine lebensmüde Art Fahrrad zu fahren und deine laute Art und Weise. Du bist rotzfrech, hast aber ein großes Herz, bist liebens- und lebenswert.

In der Nacht am Fenster stehend, fand ich zwar den Himmel nicht, aber ein roter Schleier hat auch seinen Reiz. Den Schlüssel zum Schlaf fand ich in deinen Armen nach den erlebnisreichen Tagen schnell. Dein Geruch wiegt mich in die Träume, die vielen Farben der Straße sehe ich vor meinem geistigen Auge, bevor „Schlaf“ mich in das dunkle begleitet. Mein Berlin, du bist ein Träumer und kannst das, ohne schräg angeguckt zu werden, sichtbar ausdrücken. Selbst damals gingen hier Dinge, die anderswo verboten waren. Schon in deinen frühen Jahren hast du die Toleranzpolitik, in der „jeder nach seiner Facon selig“ werden sollte, groß geschrieben. Deinem Standpunkt bist du treu geblieben, dafür danke ich dir. Du warst und bist ein Anziehungspunkt für jeden. Mit dir diesen Sommer zu erleben war etwas ganz besonderes. Ich weiß, dass in dir noch viele Geheimnisse stecken, die ich erkunden möchte.

Diana Schormann verbrachte die vergangenen sechs Monate in Berlin. Ihre Erlebnisse hielt sie in einem Blog fest. Mehr Infos: www.diana-in-berlin.blogspot.com

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inspirat

WAS UNS BEWEGT: G

JÖRN PFENNIG GRUNDLOS ZÄRTLICH Im Gewirr einer Bücherkiste entdeckte ich mein erstes Buch von Jörn Pfennig und, Überraschung: das Buch war ein lyrischer Jackpot. „Grundlos zärtlich“, so der Titel, enthält Gedichte über die Liebe, vollkommen unakademisch, frei von elitären Wirrungen, stattdessen bodenständige, humorvolle Verse über das Schönste, was die Zwischenmenschlichkeit zu bieten hat. Die Gedichte sind leichte Kost und inhaltlich trotzdem sättigend. „Grundlos zärtlich“ ist unpathetisch pathetisch und kann immer wieder gelesen werden. Manuel Förderer VAN HALEN VAN HALEN Im Jahre 1978 veröffentlichten Van Halen ihr gleichnamiges Debütalbum - und die Band schreibt mit der CD Geschichte. Eine frische


tionsfundus

GESTERN UND HEUTE

Im Jahre 1978 veröffentlichten Van Halen ihr gleichnamiges Debütalbum - und die Band schreibt mit der CD Geschichte. Eine frische Melange aus traditionellem Hard Rock und Sleazy-Elementen, konsequent weitergedacht und veredelt mit dem unglaublichen Gitarrenspiel von Eddie van Halen, enthält die CD elf Stücke voller Energie und nebenbei noch eines der wichtigsten und einflussreichsten Gitarrensoli der Rockgeschichte: „Eruption“. Für Freunde gepflegter Gitarrenmusik ein Muss. Manuel Förderer JOHN CARPENTER DIE MÄCHTE DES WAHNSINNS Ein großartiger Film von John Carpenter. Geschickt wird mit den Grenzen von Realität und Fiktion gespielt, Grenzen, die letztlich fluid werden. Der Protagonist stolpert in einen undurchdringlichen Dschungel aus Vergangenheit und Zukunft und offenbart sich letztlich als ohnmächtiger Spielball unbes-

unbestimmter, diabolischer Kräfte, die die Welt in eine pseudo-religiöse Abhängigkeit stürzen und schließlich vernichten. Mit einem vom Wahnsinn verzerrten Lachen endet dieser tiefgehende Streifen. Manuel Förderer CORNELIA JÖNSSON SPIELER WIE WIR Dank abstruser Klischeevorstellungen ist Sadomasochismus eines der letzten Tabuthemen unseres aufgeklärten Zeitalters. Autorin und praktizierende SM-Liebhaberin Cornelia Jönsson packt das Thema ihres Romans überraschend offen an, setzt als Sympathieträger auf die Mittzwanziger Pauline und Franzi und lässt diese ihre devot-dominanten Gelüste trotz Uni- und Arbeitsstress ausleben. Detailreiche Beobachtungen und vielschichtige Charaktere entlarven SM dabei als das was es ist: eine etwas andere Art der Zuneigung. Swantje May

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beiträge THEMA: STERNENRAUSCH

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... du hellhäutige herznahe braunäugige du gastfreundin meines herzens laß uns nackte träume gemeinsam trinken im sternenrausch der nacht

Schneckentraum

Klaus Roth, 1957 geboren, lebt in München. Übersetzer, bildender Künstler, Publizist und Autor.

Katja Leonhardt, geb. 1974, Studium der Germanistik und Sozialpsychologie (M.A., Prom. 2007). Momentan Projektleiterin bei einer Hilfsorganisation.

Mehr Infos: www.klaus-roth-texte.de

Heute malen wir uns Sterne auf die Segel und haben Sehnsucht nach der Welt der Schnecken denn dort sind wir alle Zwitter und die Welt hat eine scharfe Klinge doch wir gleiten schmerzlos dahin


Mareike M.


Gewitter über weitem Feld Vom breiten Streif am Himmelsrand schallt donnerndes Getöse. Der Lärm tönt übers ganze Land als ob am Horizont ein Band vom Weltgerüst sich löse. Natur in ihrem Element kennt niemals ein Erbarmen. Ein schwarzes Wolkenregiment umfaßt das ganze Firmament mit einem dunklen Rahmen.

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Die Wolkenmassen tragen schwer und stoßen hin und wider. Der Wind, er peitscht und schlägt umher, im Regen stürzt ein halbes Meer und rauscht zur Erde nieder. Der Sturm erneut die Faust erhebt als grausamer Verwüster. Die Welt vom Schlag, den sie erlebt, erzittert, wankt und dröhnt und bebt und es wird kalt und düster. Das Sonnenlicht fällt auf die Knie’, die Regenströme toben. Die Welt wähnt sich in Agonie und in der ganzen Szenerie stehst du und schaust nach oben. Kasimir Eugen, geboren 1987. Momentan Studium der Germanistik.

TOKIO (nächtlicher Blick vom Mori-Tower) mit Mündern voll Menschen. Die Nacht kauert bereits in den Straßen um plappernde Lichter. Neongeschrei eruptiert feuerrot metallen manierlich spielt das schöne Tier zu meinen Füßen. Carmen Herrmann, 1965 in der niederbayerischen Provinz geboren, lebt heute in Regensburg.


himmelskörper als meine hände noch im leonidenschwarm gefangen als meine augen noch über quollen vor glück sah ich nur dich das lächeln einer welt in der wir von einem stern zum nächsten fliegen in der wir mit dem mond unsere lust besingen so dass ängste im meteroitenhagel versinken selbstleuchtende glaskugeln umkreisten das galaktische zentrum bis die lichtpunkte am dunklen himmel druckwellen auslösten die uns über den rand des glücks fegten in der letzten brennphase sahen wir den planetarischen nebel und der sternenwind ließ nach jetzt fliegen die himmelskörper in einer milchpuderdose um meinen kopf als hätten sie das ende gesehen als hätten sie gewusst dass wir den halt verlieren den uns die liebe eingehaucht du siehst mich an und die warme sommernacht weicht der wirklichkeit Monika Dieck, geboren 1975 in Köln; ausgebildete Gymnasiallehrerin für Philosophie und Germanistik. Seit November 2005 freiberuflich als Schriftstellerin tätig. Mehr Infos: www.monikadieck.de

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Reset

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Ich sitze in der Straßenbahn und fahre ins Zentrum, um mir eine Hose zu kaufen. Ich fahre stets ins Zentrum, um alles Mögliche zu kaufen, obwohl am Stadtrand größere Geschäfte mit größeren Mäulern auf ihre Beute warten. Gerade als wir über die Elbe geschüttelt werden und alle Köpfe ohne Schaffnerbefehl gleichzeitig Richtung Canalettosilhouette schwenken, kommt mir eine Idee, sie fällt sozusagen aus meinem Kopf wie die Tomaten aus der Einkaufstüte der Frau vor mir, als die Bahn ruckartig bremst, wie immer, man müsste daran gewöhnt sein, dass auf dieser Strecke ständig Fahrschüler üben dürfen, und natürlich finde ich mein Notizbuch wieder einmal nicht, ich nehme mir wütend vor, von Rucksäcken endlich die Finger zu lassen, ich werde im Zentrum am besten gleich noch eine ordentliche Tasche kaufen und den Rucksack wegwerfen, damit das Gesuche nach Stiften und Portemonnaie und Notizbuch ein für alle Mal ein Ende hat, dann finde ich es doch, das Notizbuch, und auch einen Stift, aber der Stift schreibt nicht, und ich kann nur versuchen, alle Gedanken im Kopf zu halten, sie mit den Händen aufzuhalten, als würden sie wie Gedärm herausquellen, wie viele Visionen sind mir auf diese Weise schon abhanden gekommen, ich mag gar nicht daran denken, und so macht Einkaufen auch keinen Spaß, mit aufbrechendem Gedärm und vollen Händen, ich bin in der Klemme, wie ich mich drehe, drehe ich mich in die falsche Richtung, dabei bin ich doch nur losgefahren, um mir diese verdammte Hose zu kaufen, ich brauche drin-

gend eine neue, hab den Kauf schon aufgeschoben bis zum Unvermeidbaren, bis heute, und dann das, dann dieses Ideenhochwasser und keine Eimer zum Schöpfen, ein Stift wäre jetzt schon nicht mehr genug, ich muss nach Hause an meinen Computer, doch jetzt erst einmal rein ins Kaufhaus und schnell eine Hose ausgesucht, in einer freien Kabine zugeknöpft, na bitte, passt wie angegossen, wo ist noch mal die Kasse, man findet sich hier so schlecht zurecht, sucht immer ewig nach der Kasse, ein Glück, dass ich die Hosen überhaupt so schnell gefunden habe, aber jetzt schleunigst zurück, den Rucksack kann ich morgen kaufen, ich muss einfangen, was noch nicht geflüchtet ist, aber natürlich kommt die Bahn schlecht voran, deshalb renne ich auf dem letzten Stück bei Rot über die Ampel, und dann den Computer angeschaltet, ja, das ist, als hätte man endlich eine Toilette gefunden, aber ich schweife ab, es gilt, zu retten, was zu retten ist, und meine Finger tanzen und trappeln über die Tastatur und treffen und lassen aus und gehen zurück und verschnaufen kurz, um dann weiterzuhasten, als wären sie selber auf der Flucht oder würden die flüchtigen Gedanken wie in einem Gangsterfilm durch die Hinterhöfe verfolgen, über Mülltonnen und Mauern und Dächer und Garagen hinweg, und ich starre gebannt auf den Bildschirm und bin fasziniert und erfreut, dass meine Worte gerinnen wie Blei und doch federleicht davonschwimmen, Papierboote hinter Glas, eines nach dem anderen auf die Wasseroberfläche gesetzt und der Strömung in Obhut gegeben, so geht das


fort, eine Seite, zwei Seiten, drei Seiten, du liebes Bisschen, zehn Seiten am Stück, das hatte ich schon lange nicht mehr, da reißt der Strom plötzlich ab und versiegt. Endlich habe ich Gelegenheit, hinter den Wörtern herzulesen. Endlich kann ich die Boote aus der Höhe begutachten. Na gut, der erste Teil ist nicht schlecht, aber den zweiten und dritten Absatz kann ich gleich wieder löschen, das hält die Geschichte nur unnötig auf. Dann kommen ein paar Gedanken, aus denen lässt sich sicher was machen. Aber was wollte ich mit dem Mittelteil zum Ausdruck bringen? Der ist Unsinn, bei Tageslicht. Raus damit. Nun erscheint allerdings auch die nachfolgende Passage sinnlos, ich leg sie mal im Zwischenspeicher ab, vielleicht kann ich sie weiter unten einbauen. Aber weiter unten wird es auch nicht besser, bei kritischer Würdigung sind die guten und ausbaufähigen Ideen auch hier nicht so üppig gesät, wie ich in der Straßenbahn dachte. Aber wie sollte ich das dort beurteilen können, ich war mit Merken und Horten beschäftigt und hatte fürs Begutachten keine Zeit. Wenn ich ehrlich bin, erscheint mein Zehnseitentext jetzt wie ein abgeerntetes Erdbeerfeld, auf dem hier und dort noch Nachzügler reifen. Nicht ganz verschwendet, aber den Aufwand auch nicht wert. Das ist enttäuschend, aber mein Los. Beherztes Kürzen macht den Text rund, aber auch einen Baum kann man nicht beliebig zurückschneiden. Also ist letztlich alles für die Katze, außer Spesen nix gewesen. Am besten, ich drücke die Reset-Taste, dann ist alles weg. Ich bin in der Klemme, wie ich

mich drehe, drehe ich mich in die falsche Richtung. Was habe ich mir nur dabei gebei. Rimbaud meinte: „Es sollte nicht heißen: Ich denke. Sondern: Es denkt mich.“ Oder so ähnlich. Und dabei kommt dann solcher Quatsch raus. Was soll’s, ich drücke Reset und lass den ganzen Mist bleiben. So. Weg. Ich hätte doch die Tasche kaufen sollen, ich hätte überhaupt statt der Hose die Tasche kaufen sollen, die brauche ich viel dringlicher, und die Hose gefällt mir auch nicht mehr, im Kaufhauslicht sah sie viel besser aus, das ist so ein spezielles Licht, darauf fallen alle Leute herein, nicht nur ich, am besten, ich geb sie gleich morgen wieder zurück, den Kassenzettel habe ich hoffentlich noch, oder? Steffen Roye, geboren 1972 in Wolfen, Abitur 1991, lebt heute in Dresden. Schreibt, fotografiert, geht sommers mit der Theatergruppe Spielbrett auf Planwagentour, aktuell mit und als „Macbeth“, und ist Redakteur und Literaturkritiker bei der Berliner Literaturzeitschrift „Verstärker“.

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manchmal sitze ich da

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Stella maris

& mache nichts

Glaskugel, Schauerraum, Wolken hängen dicht an dicht. Weiße Waben verwelken wie deine Hand zu Kreidestaub. Tausendblätter wispeln in der Nacht Und rufen ins Delirium.

außer ziehen lassen der gedanken (sie ziehen nur träge) / bis die augen nach innen zeigen. / dann rieseln (eis) kristalle von den zweigen / & spiegeln das licht der lampe (ich sollte sie / ausschalten !) 1 schwarm sterne (sternen staub) / wie im winter / unter strassen laternen. / man muss dann acht geben nicht ([auf ihnen] aus zu rutschen / &) vom stuhl zu fallen / acht geben nicht vom stuhl zu fallen.

Ein Schleier aus Watte formt ein Tiefenlicht, das Trugbild einer Nacht. Wellentanz, Granitwirbel, begrabt sie unter dem Sternenmeer. Ann-Christin Helmke, 1988 in Fulda geboren. 2008 Abitur absolviert.

Thomas Steiner, geboren 1961 bei Reutte (Österreich), lebt in Neu-Ulm. Veröffentlicht Gedichte und Kurzge-schichten in verschiedenen Zeitschriften und Anthologien. Redaktionsmitglied der Literaturzeitschrift außer.dem


Geliebte Freundin! Es ist Herbst geworden … Geliebte Freundin! Es ist Herbst geworden! Ist Herbst geworden, ohne dass wir’s merkten, So zum Vergehen schön kam er gezogen, Indes wir, bis es lange Nacht war, sprachen. So zum Vergehen schön – so schön vergehend, Dass man erst ganz viel später traurig wird, Erst ganz viel später merkt, dass etwas fort ist, Und Fortsein ganz viel später erst beklagt. So viel ist doch, was unser Aug’ noch bindet, Da Schönes sich uns derart schön entrückt, Da es, im Sterben schon und im Verwelken, Ein letztes Mal sich leuchtend noch erhebt: Kein Blühen ist so wehmutsvoll wie das Der Blume, die den Tod schon in der Schwere Der plötzlich kühl geword’nen Erde fühlt, Und ihn schon bei sich tragend einmal noch Erstrahlt, wie nie zuvor sie je erstrahlte; Kein Gelb kann gelber sein als dieses Gelb, Dies ganz von Tod durchströmte vorm Erschlaffen, Das, nur um einmal noch ein Aug’ zu rühren, Ganz klagenlos „Sieh mich! Ich sterbe!“ ruft. „Sieh mich! Ich sterbe!“, klang’s durch die Natur, Und ich, die ich im Feld als Ackerfurche Geruht, als Bach gesprochen und geweint, Die ich als Moos mich voll sog mit Vergessnem, Entkräftet auf Gestorbnes fiel als Blatt, Ich spürte nun am Schmerzen meiner Kehle, Dass unbemerkt ich ebenso getan. Es war doch dieser ganze Tag voll Tod! Die Eltern, die der Kinder Antlitz vor Den Blumen bargen, taten’s in der Furcht, Dass nicht versehentlich ein Sterbendes Sie rührten und vor Kälte dran vergingen! Selbst die Gestalten, die uns nun besuchen, Gestaltgewordner Todesruf sind sie,

Und was bei Tag so vielfältig geklungen, War nur ein Wort in tausendfacher Sprache, In tausendfachem Kleid ein einz’ger Sinn. Vorm Fenster war noch Abendlicht, das fein In blassendem Gardinenkreuz sich malte, Und alles gab sich hin und glomm und fiel, Verglomm, verfiel in diesem matten Sinken. Der Kirchturm fiel, sein noch vergoldet Dach, Dahinter Himmelrot noch zog wie Kupfer, Das Autotürenstrahlen fiel, es fiel Das letzte Leuchten der kristallnen Lüfte. Es fielen auch die Schatten, die im Hof Schon ernsthaft und verloren einzeln standen, Und wartender, sehnsüchtiger Gebärde Nach Norden, nach dem Nachtblau heimlich blickten. „Sieh mich. Ich sterbe“, sprach da auch der Abend, Und flog davon, der ziehnden Sonne folgend. Und alle Farben folgten seinem Flug, Und eilten sich, dass nicht das Silbertor Am Horizont vor ihnen sich verschloss, Und sie wie Vögel an den Fensterscheiben Am harten hohen Himmel grau zerschellten. Ein Farbenkind, das sie vergaßen, steckte Sein Köpfchen bebend die Teppichfransen, Als wollt es vor dem Dunkel sich verstecken, Wie alles, das sich starr in Höhlen barg. Man möcht’ zum Schutz es in die Hände nehmen, Möchte’ sinnend blicken in dies große Gehn, Möcht’, wie so alles hinzieht, schrein: „Wie traurig!“, Bringt, flüsternd, aber nur hervor: „Wie schön.“ Sarah Fink, geboren 1986 in Ostwestfalen. Studierte zunächst Germanistik in Würzburg, dann Wechsel nach Tübingen in die Fächer Philosophie und Musikwissenschaft. Dort zur Zeit im ersten Semester.

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Grenzgänger

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Samstag Abend auf dem Sofa. Schlimmer geht es nicht. Entspannung vor der Glotze? Fehlanzeige. Quotenträchtige Folter. Da können auch Chips und ein kühles Bier nicht wirklich trösten. Einzige Möglichkeit ist die Flucht. „Arsch hoch und raus auf die Piste“, schimpfe ich. „Und wohin?“ Du bist so schrecklich praktisch. Ich öffne den Mund, aber da ist nichts Produktives, was ich antworten könnte. Disco fällt aus, wenn nicht gerade eine 80er Revival oder Ü30, sind wir ehrlich, Ü40-Party steigt. Ansonsten stehen wir mitleidigen Blicken ausgesetzt vor dem Türsteher, der mit mildem Lächeln fragt, wo denn der Zivi bleibt, der uns den Sabber von der Backe putzt und uns nachher zurück ins Altersheim fährt. Außerdem fängt in der Disco das Leben erst so richtig an, wenn unsereins längst in Morpheus Armen selig abgeratzt ist. Und andere Arme, als die des guten alte Morpheus, sind auch sonst nicht zu erwarten. Zornig springe ich auf, renne aus dem Zimmer, werfe meine Wäsche gegen die Wand und mich auf unser Bett. Du folgst mir nach wenigen Minuten. Bleibst in der Tür stehen, siehst mich an. „Wo ist das Problem? Wir sind doch zu Zweit“, sagst du. „Wir haben uns.“ „Trotzdem“, maule ich und sehe dir zu, wie du dich ausziehst, langsam und ordentlich jedes Teil an seinen festen Platz legst und dann dich neben mich. „Das kann’s doch nicht gewesen sein! Wir müssen was tun, gegen die Langeweile, ge-

gen den Alltagsfrust, der sich die ganze Woche über aufstaut!“ „Midlifecrisis?“, fragst du mitfühlend und grinst. Aber dann wirst du ernst. „Du hast recht“, murmelst du mit gedämpfter Stimme ins Kissen neben mir. „Es gefällt mir nicht, aber du hast recht. Ich spüre es auch. Wir haben uns, und alles was wir wollten. Pläne gemacht und Pläne verwirklicht. Und jetzt? Samstage auf dem Sofa.“ Irgendwo tief drinnen wächst die Rebellion. Die Gier nach Leben, Gier nach Lust und Abenteuer. Und plötzlich sind da Gedanken, Ideen, Phantasien, die wir uns zuflüstern in der Hitze und der Dunkelheit einer späten Sommernacht. Darf man das? Was kann passieren, wie hoch ist das Risiko? Wir sehen uns nicht an, fühlen nur, atemlos. Stotterndes Verlangen nach mehr, nach Leben, nach Aufbruch. Auf und davon. Weglaufen? Nein. Gemeinsam kopflos in die Dunkelheit! Heimlich das Verbotene tun. Ich mit dir, du mit mir. „Oder mit jemand anderem.“ Der Gedanke lässt sich nicht mehr wegdenken. Er ist gedacht, mehr noch: ausgesprochen. Heiße Wellen der Panik in meinen Eingeweiden. Was sagst du, wie reagierst du. Angst dich zu verlieren, zu viel riskiert zu haben. Deine Hand zieht Kreise über meinen Bauch, hält inne, ruht neben meinem Nabel. „Ja“, sagst du, „das wäre schön.“ „Fremdgehen?“ Du lachst.


„Fremdgehen, aber mit dir zusammen.“ Du ziehst mich aus dem Bett, das dünne Laken gleitet zu Boden. „Komm! Hier ist es zu heiß zum Denken.“ Im stillen Garten zirpen nur ein paar Grillen, der Wind trägt das Rattern eines Zuges vorbei. Ich halte den Atem an und lausche. Deine Gedanken kann ich nicht hören, aber du hörst meine, liest sie, holst sie aus ihren Verstecken und nimmst sie in die Hand. Du drehst sie im Mondlicht hin und her, begutachtest sie von allen Seiten, funkelnd unter den Sternen. Wir liegen im Gras und spielen was wäre wenn. Was wenn du, was wenn ich, was können wir ertragen, wo ist die Grenze? Aber es gibt keine Antwort. Alles Theorie. Grenzgänger, Wandelwesen wollen wir sein. Am Tag anders als bei Nacht. Geheimnisvoll und wagemutig. Im normalen Leben würden wir sagen: unvernünftig, aber damit ist Schluss. Ende der Vernunft. Ende der Langeweile. Der Boden unter mir ist kühl, aber dein Körper über mir ist warm. Dein Bein reibt sich an mir, jagt zuckende Schauer über meine Haut. Gegenüber öffnet jemand ein Fenster. Vielleicht kann er uns sehen. Wir liegen ganz still für einen Augenblick, aber dann lachst du. „Sollen sie uns doch sehen. Wen kümmert das?“ Du stehst auf und reckst die Arme zum gleißenden Schwarz des Alls. Deine Brust ist weiß im schwachen Licht. Der Rest von dir auch und du drehst dich im Kreis.

„Komm!“, rufst du. „Das Karussell wartet nicht. Komm steig ein!“ Du nimmst meine Hände und ich wirbele mit dir nackt durch die Nacht. Im Hintergrund rauscht die Abspannmelodie einer Serie durch meine Gedanken, verliert sich und verfliegt zwischen den rotierenden Himmelskörpern über mir. Samstage auf dem Sofa wird es nicht mehr geben. Das Universum ist grenzenlos und wir sind es auch. Brigitte Pons, Jahrgang 1967, verheiratet, zwei Kinder, lebt seit 1989 in Walldorf/Hessen. Sie schreibt aus Leidenschaft Kurzgeschichten, Gedichte und Romane, manchmal zwanghaft bis besessen und ist - definitiv ungeduldig – immer auf der Suche nach dem perfekten Text.

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www.paraguas.de


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