August 2013 | Nr. 147
paraplegie Das Magazin der Gรถnner-Vereinigung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung
Einstimmen auf die Zukunft Aurora Savoldo findet Halt in Familie und Musik Treffpunkt Nottwil | Selbsthilfe in Europa | Daniel Schaffner
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Editorial
Liebe Gönnerinnen und Gönner
H
and aufs Herz: Wer kannte vor 30 Jahren Nottwil? Mehr als lokale Ausstrahlung hatte der Flecken am Sempachersee kaum. Das änderte sich schlagartig mit der Eröffnung des
Schweizer Paraplegiker-Zentrums (SPZ) im Jahre 1990. Seither ist der Begriff Querschnittlähmung untrennbar mit dem Namen des Dorfes verbunden. Und Nottwil steht nicht nur für eine international anerkannte Spezialklinik, für Medizin und Therapie oder für Rollstuhl, sondern auch für Wiedereingliederung, für Hoffnung und Begegnung. Anders gesagt: Nottwil ist zu einer eigentlichen Marke für ganzheitliche Rehabilitation von Menschen mit Querschnittlähmung geworden. Mittlerweile haben sich Zehntausende von Besuchern vor Ort davon überzeugt, was die Organisationen der Schweizer Paraplegiker-Gruppe (SPG) mit dem ihnen anvertrauten Geld leisten. Reaktionen (ab Seite 14 dieser Ausgabe) belegen, dass das persönliche Erlebnis wichtig ist, um ein vollständiges Bild zu bekommen. Gespräche mit Patienten auf dem Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben machen deutlich, dass sich der Einsatz von über 1400 Mitarbeitenden für die Betroffenen und ihre Angehörigen lohnt. Der direkte Kontakt öffnet die Augen dafür, dass sich Menschen im Rollstuhl nur in der Art der Fortbewegung von Fussgängern unterscheiden. Begegnung und Austausch helfen, Vorurteile und Barrieren abzubauen sowie die Solidarität zu stärken. Ebendiese Absicht verfolgte Guido A. Zäch, Gründer der Schweizer Paraplegiker-Stiftung, in Nottwil auch. Er wollte eine Klinik bauen – und gleichzeitig ein Begegnungs- und Ausbildungszentrum schaffen. Das ist gelungen. Heute finden hier Kongresse, Tagungen, inter nationale Sportanlässe und Familienfeiern statt, absolvieren Berufsleute sowohl Aus- als auch Weiterbildung oder treffen sich Mitglieder der Gönner-Vereinigung aus dem ganzen Land. Auch Sie sind jederzeit herzlich willkommen.
Joseph Hofstetter Direktor Schweizer Paraplegiker-Stiftung
IMPRESSUM: Paraplegie. Das Magazin der Gönner-Vereinigung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung, www.paraplegie.ch 37. Jahrgang | Ausgabe: August 2013 / Nr. 147 | Erscheinungsweise: vierteljährlich in Deutsch, Französisch und Italienisch | Gesamtauflage: 961 279 Exemplare | Auflage Deutsch: 857 573 Exemplare | Copyright: Abdruck nur mit Genehmigung der Herausgeberin und der Redaktion. Herausgeberin: Gönner-Vereinigung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung, 6207 Nottwil, sps@paraplegie.ch | Verantwortlich: Schweizer Paraplegiker-Stiftung, Unternehmenskommunikation, 6207 Nottwil | Redaktion: Roland Spengler (Leitung), Mathias Haehl, redaktion@paraplegie.ch | Bild: Walter Eggenberger, Beatrice Felder, Astrid Zimmermann-Boog | Layout / Vorstufe: Regina Lips, Karin Distel, Michael Kling | Anzeigen: Fachmedien Axel Springer Schweiz AG, 8021 Zürich, info@fachmedien.ch | Vorstufe / Druck: Swissprinters AG, 4800 Zofingen
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Inhalt
7 News
Foto: Daniel Streit
14 Medaillen holten die Schweizer Rollstuhl-Athleten an der LeichathletikWM der Behindertensportler in Lyon (Frankreich). Einer der Stars aus ihren Reihen war Marcel Hug (Bild).
10 porträt Musik war im Leben von Aurora Savoldo immer schon von Bedeutung. Seit die 20-jährige Tessinerin im Rollstuhl sitzt, ist sie ihr noch wichtiger: Aurora spielt am liebsten Geige im Familientrio mit Mutter und Schwester.
14 reportage – Besucher aus aller Welt
ausende Menschen aus aller Welt kommen jährlich nach Nottwil. Es T sind Fachkräfte aus Medizin, Therapie, Pflege und Forschung, aber auch Mitglieder der Gönner-Vereinigung, Mitarbeitende von Firmen, Verbänden, Vereinen, privaten und staatlichen Organisationen usw. Was macht die Tätigkeit der Schweizer Paraplegiker-Gruppe (SPG) so attraktiv? Und was erleben Besucher hier?
20 Zur Sache Die in Nottwil gegründete Europäische Paraplegiker-Vereinigung (ESCIF) setzt sich seit 2006 für Behinderte ein. Die Organisation kämpft an vielen Fronten; vorab im Osten Europas und um finanzielle Mittel.
26 Praxis
ie Apotheke des Schweizer Paraplegiker-Zentrums (SPZ) ist öffentlich. D Einwohner der Nachbargemeinden sind neu auch Kunden.
29 MOSAIK Kinder im Rollstuhl trafen sich beim Kids Camp Weekend in Nottwil zu Spiel, Sport und Spass.
32 Mein Tag im Rollstuhl Daniel Schaffner sorgt für saubere Katzenkistchen. Ein Unfall warf ihn aus der Bahn – heute arbeitet der Paraplegiker noch engagierter.
34 Finale
Ansichten zu «modernen Ärzten» von Martin Senn.
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NEWS
Tiere als Therapeuten Gegen Osteoporose Mediziner in den USA haben einen neuen Ansatz zur Bekämpfung der Osteoporose getestet. 94 Frauen unterzogen sich während 12 Monaten einer kombinierten Therapie, bestehend aus Antikörpern und einem künstlichen Hormon. Die Resultate waren verblüffend: Die Knochenmasse in der Lendenwirbelsäule und der Hüfte erhöhte sich im Gegensatz zu anderen Behandlungsmethoden markant. Ob so u. a. auch Knochenbrüche verhindert werden können, ist jedoch offen. Weiter auf diesem Gebiet sind die Schweizer Paraplegiker-Forschung (SPF) und das Team der Klinischen Forschung im SPZ Nottwil. Sie beschäftigen sich schon länger intensiv mit Prävention von Osteoporose sowie wirksamen Therapien zur Reduktion von Frakturrisiken. Grund: Querschnittgelähmte Menschen sind, wie auf dem Schnittbild eines Schienbeinknochens (oben) ersichtlich, häufig von relativ starkem Abbau der Knochensubstanz (rot gefärbte Segmente) in den gelähmten Gliedmassen betroffen.
Das REHAB Basel, Zentrum für Querschnittgelähmte und Hirnverletzte, hat das Angebot an Therapien mit Tieren erweitert. Neuerdings werden dafür auch Esel, Zwergziegen, Schafe, Kaninchen, Minischweine und Hühner eingesetzt. Der eigens geschaffene Tiergarten soll aber kein blosser «Streichelzoo» sein: Beruhigende Effekte, bessere Wahrnehmung und Motivation der Patienten verspricht man sich etwa auch dadurch, dass diese die Tiere füttern oder deren Laute nachahmen. Durch wissenschaftliche Begleitung erhofft man sich überdies neue, zusätzliche Erkenntnisse für die Wirksamkeit der Therapie mit Tieren. Im SPZ Nottwil setzt man hierbei seit Jahren und mit Erfolg auf Hippotherapie.
Hightech-Produkte bringen Fortschritte
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Foto: Ekso Bionics
15 Studenten der Freiburger Hochschule für Technik und Architektur haben einen Hightech-Rollstuhl namens «Turbo Twist» entwickelt und konstruiert. Das mit einem Elektroantrieb ausgerüstete Gefährt weist in der Mitte zwei Räder auf – und kann sich so auf einem Punkt um die eigene Achse drehen. Diese Besonderheit ermöglicht es, auch auf engstem Raum flink zu manövrieren. Dank seiner Wendigkeit eignet sich «Turbo Twist» besonders für den Einsatz im E-Hockey, einer noch jungen Sportart für Menschen mit Behinderung. In Serie produziert wird der neue Elektrorollstuhl von der Firma Degonda (Lausanne). In weltweit 36 Kliniken wird derzeit ein Gehroboter respektive ein sogenanntes Exoskelett (Bild) eines US-Herstellers eingesetzt und getestet. In erster Linie soll das Gerät querschnittgelähmten Menschen in Erstrehabilitation helfen, eigene Schritte auf dem Weg zur Besserung zu machen, die Muskeln und deren Durchblutung fördern, damit den Knochenschwund mindern sowie die Gelenke flexibel halten. Nachteile: Der Gehroboter, durch Akkus betrieben, ist 23 Kilo schwer und ausserordentlich teuer.
Grund zum Strahlen. Die an der Leichtathletik-WM erfolgreichen Schweizer Rollstuhl-Athleten beim Empfang im SPZ Nottwil: Alexandra Helbling, Beat Bösch, Manuela Schär, Bojan Mitic, Marcel Hug, Heinz Frei, Cornel Villiger, Tobias Lötscher (von links).
Eine glänzende Bilanz
Erster WM-Titel für Manuela Schär Endgültig ganz oben angekommen ist in Lyon der 27-jährige Marcel Hug (Neuenkirch LU). In Abwesenheit seines grossen Rivalen David Weir (Grossbritannien) dominierte er in der Kategorie T54 auf eindrückliche Art. Hug beendete nur ein einziges von sechs Rennen nicht als Gewinner, und sein schlechtestes Ergebnis war ein zweiter Platz! Mit total sechs Medaillen avancierte der
Schweizer zu einem der herausragenden Teilnehmer der WM. Übertroffen wurde er in der Klasse Sitting nur noch von einer Frau, Tatjana McFadden, die als erste Athletin überhaupt sechsmal Gold holte. Dass in der Kategorie T54
Foto: Daniel Streit
Goldig – mit dem ersten Erfolg von Marcel Hug – hatte die Leichtathletik-Weltmeisterschaft der Behindertensportler in Lyon (Frankreich) für das Schweizer Team begonnen. Und goldiger noch gingen die Wettkämpfe von über 1000 Athleten aus fast 100 Ländern zu Ende. Noch einmal Marcel Hug sowie Manuela Schär setzten mit ihren Siegen im Rollstuhl-Marathon einer erfolgreichen Woche die Krone auf. Am Ende standen 14 Medaillen (6 goldene, 5 silberne, 3 bronzene) sowie der 13. Platz in der Nationenwertung in der Bilanz der 14köpfigen Delegation. Wurden die Erwartungen damit bereits übertroffen, hätten es mit etwas Glück noch mehr Auszeichnungen werden können. Denn in einem halben Dutzend Finals belegten Schweizer jeweils den vierten Platz. Ruedi Spitzli, Leiter Rollstuhlsport Schweiz bei der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung (SPV) zeigte sich erfreut: «Viel besser hätte das Ergebnis nicht ausfallen können. Wir sind sehr zufrieden, vor allem auch mit den Leistungen jüngerer Athleten hinter der Spitze.»
gegen die Amerikanerin kein Kraut gewachsen war, mussten in den Bahnrennen auch Manuela Schär (Kriens LU) und Edith Wolf-Hunkeler (Dagmersellen LU) mehrmals erfahren. Die beiden Schweizerinnen gehörten indessen zu den Besten hinter der Ausnahmekönnerin aus den USA und wenigstens eine wurde zum Abschluss doch noch mit Gold belohnt. Zur Überraschung vieler war dies jedoch nicht Edith Wolf-Hunkeler, sondern ihre Teamkollegin Manuela Schär. Die 28-jährige spielte auf den letzten Metern des Marathons ihre Sprintstärken aus und errang so den ersten internationalen Titel.
Kampf um Zentimeter. Nach 42 Kilometern gewinnt Manuela Schär (links) das Duell gegen Tsuchida (Japan). Dritte wird Edith Wolf-Hunkeler.
Geschafft! Dank einem 10. Platz bei der Europameisterschaft in Frankfurt (D) haben es die Schweizer Rollstuhl-Basketballer endlich geschafft, sich in der A-Division zu halten. Die Gelegenheit dazu hatte sich unerwartet ergeben, da Bosnien-Herzegowina auf eine Teilnahme verzichtete und die Schweiz als Dritter der B-EM nachrutschen konnte. Entscheidend für den Verbleib in der höchsten Klasse war der klare 67:48-Sieg über Israel in der Relegationspartie. Das Gerüst des neunköpfigen Schweizer Teams, betreut von Stefan Donner, bildeten Spieler der Pilatus Dragons (Kriens). Diese hatten zuvor, zum fünften Mal in Serie, sowohl die Landesmeisterschaft als auch den Schweizer Cup gewonnen.
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News
Agenda 2013 29. August – 2. September Strassen-WM Para-Cycling Baie-Comeau (Kanada) 14. September Zentralfest Schweizer Paraplegiker-Vereinigung, Nottwil
IV-Revision gescheitert Die von der Schweizer Paraplegiker-Stiftung (SPS), der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung (SPV) und anderen Behindertenorganisationen bekämpfte 6. IV-Revision ist gescheitert. Entscheidender Streitpunkt in der politischen Debatte war die Beschneidung der IV-Renten für Schwer behinderte. Der Ständerat hielt Sparmassnahmen auch in diesem Bereich für notwendig und vertretbar. Der Nationalrat jedoch wollte den Betroffenen, unter ihnen zahlreiche Menschen mit Querschnittlähmung, die Rente nicht kürzen und sprach sich mit 110 zu 72 Stimmen gegen eine Gesetzesänderung aus. Für immer vom Tisch ist das Thema damit aber nicht. Denn längerfristig könnte die wirtschaftliche Basis der IV wieder gefährdet sein: Ab 2018 fliessen keine zusätzlichen Einnahmen aus erhöhter Mehrwertsteuer mehr in die Kassen des Sozialwerkes.
29. September – 5. Oktober EM Tischtennis Lignano (Italien) 5. – 10. November WM Badminton Dortmund (Deutschland) 7. November Pflegesymposium Nottwil 29. – 30. November Swiss Handicap, 1. Nationale Messe für Menschen mit Behinderung Luzern
Ein bewegtes Leben Foto: ZVG
Unter dem Titel «Und plötzlich ... am Himmel ein Berg – Schicksal einer Unbeug samen» ist im AS-Verlag die Lebensgeschichte von Nicole Niquille erschienen. Sie bekam als erste Frau in der Schweiz das Bergführerdiplom, kletterte für eine Reinigungsfirma Fassaden hoch und bestieg mit ihrem einstigen Lebenspartner Erhard Loretan mehrere Achttausender im Himalaya. 1994 erlitt Nicole Niquille einen schweren Schicksalsschlag: Beim Pilzesammeln wurde sie von einem Stein getroffen und ist seither auf den Rollstuhl angewiesen. Die Frau aus dem Greyerzerland bewies aber weiterhin grosse Unternehmungslust. Sie erwarb das Wirtepatent und machte aus einem verlassenen Bergrestaurant im Wallis ein beliebtes Ausflugsziel. Ausserdem gründete Nicole Niquille eine Stiftung zum Bau eines Bergspitals in Nepal. Auszüge aus Tagebüchern und Briefen machen die aussergewöhnliche Biografie zu einer faszinierenden Lektüre.
Porträt
«Ich habe Glück im Unglück gehabt» Auf dem Weg zur Gitarrenstunde erlitt Aurora Savoldo einen tragischen Unfall. Musik bleibt der 20-jährigen Tessinerin beim Leben im Rollstuhl weiterhin wichtig. Am liebsten spielt sie Geige im Familientrio in Kirchen und an Hochzeiten. Und die junge Frau will Gutes tun: als Sozialarbeiterin für Kinder. Text: Mathias Haehl | Fotos: Walter Eggenberger
L
ächelnd winkt sie aus ihrem Kleinwagen und weist als Erstes auf die umliegenden Berge, die hier bei Biasca TI schroff und steil in die Höhe ragen. «Schaut mal, wie kraftvoll sich die Wasserfälle in die Tiefe stürzen! Die bemerke ich eben zum ersten Mal.» Aurora Savoldo macht die Energie der Natur mächtig Eindruck. Sie selbst wirkt wie eine zufriedene junge Frau, der es an nichts fehlt. Die 20-Jährige hat vieles, das nicht selbstverständlich ist: einen Ausbildungsplatz, ein gemütliches Zuhause, starken Rückhalt in der Familie, einen lieben Partner und obendrein gute Freundinnen, die sich Zeit für sie nehmen. Erst beim zweiten Blick wird klar, dass Aurora Entscheidendes zu einem problemlosen Leben fehlt. Sie öffnet die Autotüre, nachdem sie
vor einem Restaurant mühsam auf den Behindertenparkplatz gezirkelt ist, und stemmt ihren Rollstuhl aus dem Wagen. Die junge Frau klemmt die Räder ans Chassis, bugsiert ihre gefühllosen Beine mit Schwung in den Rollstuhl und hievt sich auf ihre Fahrhilfe. Flink ist sie an den Tisch gerollt, um ihr Leben zu erzählen. Tief war ihr Fall Wie die Wasserfälle, so Aurora. Stiebend vor Temperament, quirlig, aber auch dies: Tief war ihr Fall vor eineinhalb Jahren, der sie seither zu einem Leben im Rollstuhl zwingt. Sie war zum Musikunterricht gefahren, parkierte ihr Auto, nahm ihre Gitarre unter den Arm und lief schnell los. Doch ihr Wagen war
Zweisamkeit. Mit Freund Alan versteht sich Aurora Savoldo seit zwei Jahren bestens.
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schneller und überrollte sie. Diagnose: Querschnittlähmung. Seither ist Aurora Paraplegikerin. Mit ernster Miene erzählt sie von ihrem Schicksal, doch dann zieht sie mit einem schüchternen Lächeln Bilanz: «Ich hatte Glück im Unglück. Ich hätte ja so aussehen können wie meine Gitarre ...» Das Instrument war in tausend Teile zerbrochen, nachdem das Auto darübergerollt war. Man merkt, dass Auroras Schicksal sie auch heute noch aufwühlt. Sie hat zwar keine Träne in den Augen; aber diese werden feucht, wenn sie von ihrem Freund Alan erzählt. Der 21-Jährige ist Förster in Montagnola, wo schon der deutsche Schriftsteller Hermann Hesse durch die Wälder spazierte und sich vom satten Grün zu Romanen inspirieren liess. Drei Bambini will sie einmal haben «Ich bin glücklich, dass ich Alan jeden Tag sehe», sagt Aurora voller Vorfreude, dass er am Abend wieder bei ihrer Familie vorbeischaut. Gemeinsames Wohnen und Kinder sind aber noch keine Themen beim jungen Paar, das seit zwei Jahren zusammen ist. Doch sie kann und will irgendwann eine Familie gründen, wenn sie ihre Ausbildung
Spielkameradin.PortrÄt Im Kinderhort Superduo. Mit Söhnchen «Asilo Nido Carillon» macht Josh wird jeder TischfussballAurora Savoldo ein Praktikum. Match zum Riesenspass. Sie wird von Supervisorin Jenny Martinali (rechts) beraten.
beendet und als Sozialarbeiterin einen fixen Job hat. Sie macht sich klare Vorstellungen: «Drei Bambini sollen es sein.» Die Dreizahl ist wichtig im Leben von Aurora: Drei Frauen teilen sich den Haushalt in Gentilino bei Lugano, seit sie ihren Ehemann und Vater durch einen bösartigen Tumor verloren haben. Damals war Aurora achtjährig, und Mutter Cristina wurde plötzlich alleinerziehend. Seit 1981 ist sie Violinistin im 41-köpfigen Orchestra della Svizzera Italiana, die 26-jährige Schwester Francesca arbeitet im Büro des Familienunternehmens. Dieses stellt hochwertige Plastikteile für die Autound Elektronikindustrie sowie für die Medizin her. Aurora Savoldo erzählt lebendig, gestikuliert wild und bewegt sich unruhig in ihrem Roll-
stuhl. Ihr Motto im Umgang mit dem Hilfsmittel auf Rädern: «Ich habe Kontrolle über meinen Rollstuhl – nicht er über mich!» Sie ist dezidiert in ihren Aussagen, sie weiss, was sie will. Das hat sie von ihrer Mutter, die schon als Achtjährige gewusst hat, dass sie einst Musikerin werde. Und so verwundert es nicht, dass auch Klein Aurora bereits als Vierjährige auf Fotos mit einer Violine posierte. Eine musikalische Familie Die Familie musiziert oft zu dritt: Mutter Cristina und Aurora spielen Violine, Francesca begleitet sie am Klavier. Sie lieben Vivaldi, Purcell und Bach – klassische Kammermusik. Das Trio harmoniert nicht nur wunderbar, sondern sieht auch harmonisch aus, weshalb es als kleines Kammerorchester oft zu Messen in
Kirchen oder zu Auftritten auf Hochzeiten eingeladen wird. Dann erklingt grosse Hausmusik etwa in der Kirche Santo Abbondio von Gentilino, auf deren Friedhof Hermann Hesse begraben liegt. Die Liebe des Trios zur Musik geht weit: Mutter Cristina und Tochter Aurora haben sich je einen Notenschlüssel beim Fuss gelenk tätowieren lassen. La Mamma trägt zum engelhaften Haar Ohrringe in Notenschlüsselform. Die drei spielen sich in Form, sie lachen und schwärmen: «Was gibt es Schöneres als Musik?» Wichtig sind ihnen auch Familie, Freunde, Beisammensein. Gemeinsam reden, lachen – und auch mal weinen. Immer mal wieder über den zweiten grossen Schock, als fast zehn Jahre nach dem Verlust des Vaters die Tochter einen Selbstunfall erleidet. Mutter Cristina erzählt
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Porträt
in der Küche: «Und ich dachte beim Tod meines Mannes, ich hätte den Tiefpunkt meines Lebens erreicht.» Gut, kann sie sich zur Ablenkung um gesundes Essen und Trinken kümmern. Aurora sagt: «Ich habe mich früher mangelhaft ernährt, hauptsächlich von Pasta, Chips und Schoggi. Heute esse ich meistens Trennkost.» Sie lebt fokussierter, nicht mehr so gedankenlos wie früher: Die Paraplegikerin muss auf ihr Gewicht schauen. Und nimmt die Dinge mit Humor: «Ich will positiv denken und Fussgängern ihre Beine nicht neiden.» Im Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ) hielt sich Aurora Savoldo während der Rehabilitation an die Rollstuhlfahrer mit positiver Ausstrahlung, «um von den Pessimisten nicht heruntergezogen zu werden». Es gab während des sechsmonatigen Aufenthaltes in der Spezialklinik viele Tage, an denen sich auch Aurora sagte: «So ein Scheissleben!» Doch sie ergänzt sofort: «Ich erlebte in Nottwil viele nette und äusserst hilfsbereite Menschen.» Früh schon war sie selbstständig Und um ihre Selbstständigkeit zu beweisen, organiserte sie schon an ihrem ersten freien Wochenende die Zugfahrt nach Hause. Einen Monat nach ihrem Austritt setzte sie sich bereits in ihr umgebautes Auto und fuhr nach Südfrankreich an die Côte d’Azur, wo die Familie eine Wohnung besitzt. «Ich liebe die Freiheit beim Autofahren. Und ich reise leidenschaftlich.» Sie war mit der Familie schon in Australien, auf den Malediven, in Ägypten und Russland. Im Rollstuhl erkundete sie mit Freunden London, Dublin und Teneriffa. Doch Ferien sind derzeit in weiter Ferne, dafür ist Arbeit angesagt: Dabei blüht Aurora auf. Vor allem für Kinder schlägt ihr Herz, und sie wünscht sich, einmal in einem armen Land Afrikas den Kleinsten helfen zu können. Sie macht während ihrer Ausbildung zur Sozial arbeiterin ein Praktikum im Kinderhort in
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Bodio, wo sie schnell zu einem geschätzten Mitglied des fünfköpfigen Teams geworden ist. Äusserst umsichtig geht sie mit den Kindern im «Asilo Nido Carillon» (SpieldosenNest) um, wo die Dreijährigen beim ersten Male noch an ihrem Rollstuhl herumfummelten und sie fragten: «Was ist das? Spiel?» Darauf die Rollstuhlfahrerin schlagfertig: «Ja, das ist mein privates Spiel!» Worauf sich die Kinder zufrieden abwendeten und weiter bastelten. Jenny Martinali, die ihr als Verantwortliche für die Praktikantinnen beim Arbeiten über die Schulter schaut, lobt: «Aurora hat ein grosses Einfühlungsvermögen, sie beobachtet ihre Schützlinge genau und geht mit Leidenschaft auf deren Bedürfnisse ein. Die Kinder revanchieren sich mit grosser Offenheit und Zutrauen.» Aurora lacht mit Eilis und den Zwillingen Clea und Iris, wenn diese knallbuntes Plastilin zu Körbchen formen oder es in Wurstform pressen. Leiterin Manuela Walzer ist sehr froh um Auroras Hilfe: «Wir werden veranlassen, dass sie auch am Ende ihrer Ausbildung in zwei Jahren wieder bei uns arbeiten kann.» Aurora gibt ihrem Freund Kraft Nach Arbeitsschluss sitzt Aurora ungeduldig zu Hause im Garten, schaut immer wieder auf die Uhr und kann kaum erwarten, dass ihr Freund von seiner Arbeit aus dem Wald auf Besuch kommt. Gross ist ihre Freude, als Alan sie dann vom Rollstuhl zu sich auf den Liegestuhl und auf seine Beine zieht, um sie zu umarmen. Die beiden tollen übermütig zwischen Olivenbaum und Palme herum. Sie haben wenig übrig für die wunderbare Aussicht über den Collina d’Oro, den Goldhügel: Es locken saftige Wiesen, hohe Pappeln und imposante Berge. Der 21-jährige Förster hat nur Augen für seine Aurora, die er bewundert: «Mir gefällt alles an ihr, und vor allem ihre Stärke beeindruckt mich.»
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1 Geniesserin. Aurora Savoldo isst gesund mit Mutter Cristina und Schwester Francesca. 2 Ferienfan. Kaum aus der Rehabilitation entlassen, fuhr Aurora allein nach Südfrankreich. 3 Attraktion. Im Familientrio spielt sie Geige; so bereichert sie Kirchenmessen und Hochzeiten. 4 Naturmensch. Mit Freundin Lisa fährt Aurora Savoldo gern im Grünen aus.
« Ich will positiv denken.»
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Reportage
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Reportage
Text: Christine Zwygart | Bilder: Walter Eggenberger, Beatrice Felder und Astrid Zimmermann-Boog
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ut 11 000 Menschen besuchen die Institutionen der Schweizer ParaplegikerGruppe (SPG) Jahr für Jahr. Da sind Ärzte, Pflegende und Therapeutinnen, die sich in Fachgebiete vertiefen möchten. Lernende diverser Branchen schauen sich das Zentrum an, um ihr Wissen rund um Querschnittlähmung zu festigen. Spezialisten aus dem Gesundheitswesen bilden sich
hier an Kongressen weiter, Interessierte werden im Umgang mit Rollstuhlfahrern sensibilisiert. Und an Führungen werfen Laien wie Profis einen Blick hinter die Kulissen eines Betriebs, in dem über 1400 Menschen aus 50 Nationen in 80 verschiedenen Berufen zum Wohle von Para- und Tetraplegikern arbeiten. Was bewegt all diese Besucher, nach Nottwil zu kommen? Und welche Eindrücke nehmen sie mit nach Hause? Fachwissen weitergeben Prof. Hans Myburgh und Dr. Erich Mennen sind beeindruckt. Die südafrikanischen Gastärzte begleiten im Schweizer ParaplegikerZentrum (SPZ) für ein paar Tage Tetrahand-Spezialist Prof. Jan Fridén. «Wir wollen für unsere Patienten nur das Beste. Also kommen wir nach Nottwil, um
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von den Besten zu lernen», sagt Myburgh, der seit einem Motorradunfall selber im Rollstuhl sitzt. Die beiden Mediziner arbeiten in Pretoria in einer Klinik, die eine Abteilung für Patienten mit Rücken- und Kopfverletzungen betreibt. Im SPZ haben sie viel über Operations-Techniken und die anschliessende Rehabilitation gelernt. «Die Patienten werden hier nach dem Eingriff viel früher mobilisiert als bei uns», erklärt Mennen. Jan Fridén ist es wichtig, seine Erfahrung weiterzugeben. Weltweit arbeiten nur 80 Ärzte auf dem Gebiet der Tetrahand-Chirurgie. «Wir operieren in einem heiklen Bereich, bei dem keine Fehler passieren dürfen.» Neuste Methoden und Erkenntnisse auszutauschen, erachtet er deshalb als Verpflichtung. Neue Eindrücke hat in Nottwil auch Amrit Paudel gesammelt. Der 26-jährige Nepalese studiert Medizin und interessiert sich für die Arbeit mit Querschnittgelähmten. Während eines Monats hat er hier gelernt, wie Behandlung und Rehabilitation organisiert sind. «In meinem Heimatland gibt es keine Krankenversicherung, die Patienten müssen alles selber bezahlen.» Deshalb seien viele in einem schlechten gesundheitlichen Zustand. Es fehle auch an Rollstühlen und Medikamenten. «Für mich ist faszinierend zu sehen, wie unabhängig und mobil Gelähmte in der Schweiz leben.» Amrit möchte nun versuchen, die Situation für Para- und Tetraplegiker in Nepal zu verbessern. Ein Problem aber bleibt: «Uns fehlt eine Stiftung, die im Notfall bei finanziellen Problemen einspringt.» In der Urologie ist Dr. Rosiana Pradanasari Wirawan am Werk. Die Ärztin aus Indonesien hat in ihrer Klinik in Jakarta ein neues Gerät erhalten, mit dem sie Blasen auf Harnstörungen prüfen kann. «Hier vertiefe ich nun mein Wissen, wie diese Untersuche korrekt durchgeführt und wie die Resultate interpretiert werden.» Sie habe von Prof. Jürgen
Pannek, Chefarzt der Neuro-Urologie, viele Tipps erhalten, die sie daheim nun anwenden und an ihre Kollegen weitergeben will. Mitglieder werben 160 Mitarbeitende aus allen Hierarchiestufen und Bereichen zeigen interessierten Gästen den Betrieb in Nottwil. Sie bringen ihre ganz eigenen Sichtweisen ein, erzählen aus ihren Erfahrungen und Erlebnissen. «Jede Führung ist somit einzigartig», umschreibt Elvira Brändli, Verantwortliche für Unternehmensbesichtigungen. Rund die Hälfte der Besucher setzt sich aus Mitgliedern von Vereinen, Verwaltungen und Firmen zusammen, je ein Viertel entfällt auf Jugendliche und Personen aus Pflegefachschulen.
«Die Weiterbildung im SPZ ist wichtig für meine persönliche Entwicklung. Dabei entstehen auch wertvolle Kontakte zu Berufskolleginnen.» Cornelia Müller, Gemeinde schwester Spitex, Stein AR
«Mein Team soll erkennen, dass das Leben im Rollstuhl viel mehr beinhaltet als ‹nur› nicht mehr gehen zu können.» Cornelia Allenbach, Einsatzleiterin, Aktion «Sonnenblume», Zivilschutz Wallis
«Sollte ich jemals in eine Notsituation kommen, bin ich froh zu wissen, dass die Spezialisten im SPZ alles tun würden, um mir zu helfen.» Georg Reschke, Kurs-/Technischer Leiter, Samariterverein Kaisten AG
Karl Emmenegger war viele Jahre Leiter der Berufsfindung im SPZ und macht weiterhin «hautnahe» Führungen. Seit einem Autounfall vor 34 Jahren ist er selber querschnittgelähmt und erzählt anschaulich, was dies bedeutet: «Um ein Leben im Rollstuhl führen zu können, muss man zuerst wieder Vertrauen in sich selber fassen.» Und genau dazu sei das SPZ da. Es macht den Besuchern Eindruck, wenn Emmenegger erzählt, er sei 1,98 Meter gross und schmunzelnd anfügt: «Eigentlich schaue ich auf Sie alle hinunter.» Mit ihm sind heute Gäste der Fenaco – einer Genossenschaft der Landwirte – unterwegs. Der Rollstuhlfahrer plaudert, zeigt, erläutert. Und seine Worte kommen an. «Er hat uns eindrücklich dargelegt, was es bedeutet, nicht mehr gehen zu können», sagt Pia Gerber, Leiterin Regionalsekretariat Fenaco Zentral schweiz. Seine Geschichten hätten Verständnis gefördert und sie auch sensibilisiert. Trotz der Schwere der Thematik, fällt vielen Besuchern die unaufgeregte, heitere Stimmung auf, die im SPZ herrscht – und die sie hier so gar nicht erwartet haben. So sagt Tony Maeder, Präsident Lions Club Luzern Reuss, nach der Führung: «Uns hat ergriffen, wie die Menschen trotz schweren Schicksalsschlägen eine enorme Lebensfreude und eisernen Willen zur Selbstständigkeit ausstrahlen.» Andere Besucher haben eine fachliche Nähe zum SPZ, so wie Georg Reschke: Er macht ein Praktikum im Rettungswesen. Ihn interessiert, «wie es mit Patienten weitergeht, die ich mit Verdacht auf Querschnittlähmung eingeliefert habe». Von den Therapie- und Behandlungsmöglichkeiten ist er überwältigt: «Die Betroffenen werden hier enorm gefor-
Hinter die Kulissen schauen Das Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ) und das Guido A. Zäch Institut (GZI) in Nottwil sind beliebte Orte der Begegnung. Wer gerne einen Blick hinter die Kulissen der renommierten Spezialklinik für querschnittgelähmte Menschen und anderer Bereiche werfen möchte, dem stehen, unter anderem, dreimal pro Woche – Mittwoch, Donnerstag, Freitag, jeweils nachmittags – Unternehmensbesichtigungen offen. Dabei werden in der Programmgestaltung, nach Möglichkeit, auch besondere Wünsche von Fachberufs-Gruppen, Studierenden, Lehrpersonen usw. berücksichtigt. Das Mindestalter beträgt 14 Jahre und Anmeldungen sollten mindestens zwei Monate im Voraus erfolgen. Anmeldung: www.paraplegie.ch, Rubrik Unternehmensbesichtigungen Besuchern sowie Veranstaltern von Anlässen stehen in Nottwil auch zahlreiche Dienstleistungen sowie Einrichtungen zur Verfügung: Hotelzimmer, Studios, Restaurants, Kongress- und Seminarräume, modernste Freiluft-Sportanlagen, Sporthalle, Schwimmbad, Swiss Olympic Medical Center. Zudem ist Nottwil, nur 20 Minuten von Luzern entfernt, mit privaten wie öffentlichen Verkehrsmitteln schnell und bequem zu erreichen. Informationen: www.paraplegie.ch/ GZI-Seminar-Kongresshotel
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REPORTAGE
«Nach dem Besuch im SPZ ist mir sehr bewusst geworden, was es heisst, den Alltag im Rollstuhl zu bewältigen.» Susanne Widmer, Assistentin Marketing, Rivella AG
«Statt Verzweiflung herrschen im SPZ vielmehr Zuversicht, Selbstvertrauen und gar Lebens freude vor.» Peter Fry, Geschäftsleiter, Best Jobs Baggenstos AG, Luzern
«Ich habe hier viele Tipps und Tricks erhalten, wie ich die Blase eines Gelähmten richtig untersuche.» Dr. Rosiana Pradanasari Wirawan, Indonesien
«Die Führung durch die Klinik hat mich derart beeindruckt, dass ich nun Gönner der Schweizer Paraplegiker-Stiftung werde.» Tony Maeder, Präsident, Lions Club Luzern Reuss
dert und gefördert, umgeschult – und ihr Daheim sogar umgebaut und rollstuhlgängig gemacht.» Reschke ist mit Kollegen des Samaritervereins Kaisten AG nach Nottwil gekommen. Als Kursleiter will er nun vermehrt darauf achten, wie Erstretter bei der Bergung mit Patienten umgehen, um weitere Verletzungen des Rückenmarks zu vermeiden. Bereits viel Erfahrung mit Rollstuhlfahrern haben die Besucher des Zivilschutzes Wallis. Jeden Sommer führen sie mit der Aktion «Sonnenblume» ein Lager für behinderte Menschen
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durch, die unter dem Jahr zuhause betreut werden. Im SPZ wollen sie ihr Wissen nun vertiefen. Einsatzleiterin Cornelia Allenbach bewundert den ganzheitlichen Ansatz, mit dem in der Klinik gearbeitet wird: «Hier geht es nicht nur um Medizin, sondern auch um ganz praktische, alltägliche und seelische Bedürfnisse der Patienten.» Manchmal ist ein Besuch im SPZ auch ein Hauptgewinn. So verloste die Rivella AG einen Erlebnis-Tag mit Rollstuhlsportlerin Edith Wolf-Hunkeler. Zusammen mit den Wettbewerbsgewinnern ist auch Susanne Widmer, Marketing-Assistentin vor Ort: «Als Fussgänger ist man sich oft nicht bewusst, was das kleinste Hindernis für einen Rollstuhlfahrer bedeutet.» Die Besucher dürfen es selber ausprobieren und in der Sporthalle üben. Menschen sensibilisieren Wer sich intensiver mit dem Leben im Rollstuhl auseinandersetzen möchte, dem bietet die Schweizer Paraplegiker-Vereinigung (SPV) spezielle Sensibilisierungskurse an. Diese ermöglichen es unter anderem, mit Betroffenen zu diskutieren. Tetraplegiker Beat Bösch ist einer der Kursleiter: «Die Teilnehmer sind meist überrascht, wie komplex so ein Handicap ist, und dass es mehr beinhaltet als ‹nur› Rollstuhlfahren.» Ihm ist wichtig, dass die Menschen ihre Hemmschwellen abbauen und weniger Angst im Umgang mit Querschnittgelähmten haben. Das Team des Stellenvermittlungsbüros «Best Jobs Baggenstos» aus Luzern verbringt einen Nachmittag in Nottwil, um sich von der
Arbeitssituation gehbehinderter Personen ein Bild zu machen. Dabei absolvieren sie auch ein Rollstuhltraining. «Der Parcours mit Trottoirs, Treppenstufen und abschüssigem Gelände liess uns die Sorgen von Rollstuhl fahrern am eigenen Leib erfahren. Das war eine wertvolle und verständnisfördernde Erfahrung», bilanziert Geschäftsleiter Peter Fry. Er will in seiner Arbeit künftig gezielt auf Unfall-Prävention achten und Berufsleute für Schutzmassnahmen gewinnen. «Wenn wir dadurch einen einzigen Unfall mit Rückenschaden verhindern können, war der Tag ein Gewinn.»
Dr. iur. Joseph Hofstetter ist seit 1. August 2012 Direktor der Schweizer Paraplegiker-Stiftung (SPS). Vorher war der gebürtige Entlebucher zwölf Jahre in anderen Funktionen für die Gruppe tätig.
Auch grosse Gruppen sind in Nottwil willkommen. So finden hier unzählige Kongresse und Seminare statt; jedes Jahr auch das Pflegesymposium. An dieser Fachtagung haben Personen aus dem Gesundheits- und Sozialbereich die Möglichkeit, zusammen ein Thema vertieft zu betrachten und zu diskutieren. Seit über 20 Jahren besucht Cornelia Müller, Gemeindeschwester der Spitex in Stein AR, diesen Anlass und ist begeistert: «Ich nehme von hier immer enorm viele Inputs mit nach Hause.» Ihr ist der Austausch mit Kolleginnen wichtig, um zu hören, wie sich andere Spitex-Teams organisieren.
«Wir wollen zeigen, was wir tun»
Verbundenheit schaffen Ein paar Stunden, ein paar Tage oder gar ein paar Wochen – egal wie lange die Gäste in Nottwil verweilen, sie alle nehmen unvergessliche Erlebnisse mit nach Hause. Heitere und tiefsinnige. Berührende und ergreifende. Und manchmal kehren sie gar hierher zurück. Dank einer Verbundenheit, die ganz natürlich entstanden ist.
Wie wollen Sie künftig vermehrt auch Familien und jüngere Menschen ansprechen – also neue Gönner gewinnen? Wir müssen die Klinik in den kommenden Jahren baulich erneuern, und während der Bauzeit wird weniger Platz für Gäste zur Verfügung stehen. Deshalb überlegen wir uns, einen Besucher-Pavillon zu erstellen. Für das jüngere Publikum könnten wir darin eine Art Multimedia-Ausstellung arrangieren. Ideen dazu gibt’s bereits viele. Gerade abends und an Wochenenden, wenn die Therapieräume leer sind, hätten wir so auch eine andere Attraktion für Besucher.
«Mir hat der Besuch gezeigt, dass ich in erster Linie den Menschen sehe – und nicht den Rollstuhl oder seine Behinderung.» Pia Gerber, Leiterin Regionalsekretariat, fenaco Zentralschweiz «Ich bin fasziniert, wie selbstständig Querschnittgelähmte in der Schweiz leben.» Amrit Paudel, Medizinstudent, Nepal
«Der Besuch im SPZ hilft mir, Hemmschwellen gegenüber Rollstuhl fahrern abzubauen.» Larissa Kaufmann, Lernende MTRA HF
Tausende Gäste kommen jedes Jahr nach Nottwil, um sich den Betrieb anzuschauen. Wie kann die Stiftung davon profitieren? Gründervater Dr. med. Guido A. Zäch hegte stets den Wunsch, dass sich Fussgänger und Rollstuhlfahrer in Nottwil begegnen können. In der Klinik besteht diese Möglichkeit. Hier sehen die Gäste mit eigenen Augen, was wir für Querschnittgelähmte tun. Diese direkte Begegnung ist ein enormer Vorteil, den wir gerne für uns nutzen. Denn je mehr Besucher wir haben, desto bekannter wird das Werk unserer Stiftung.
Ärzte, Pflegende und Therapeuten kommen nach Nottwil, um hier mehr über Paraplegiologie zu erfahren. Wie wichtig ist dieser Wissenstransfer? Unser Ziel ist es, Querschnittgelähmte möglichst gut zu versorgen. Hier in Nottwil, nach der Rehabilitation oder dem Klinikaufenthalt auch daheim. Natürlich können wir diese Arbeit nicht alleine machen. Deshalb ist der Wissenstransfer sehr wichtig. Und wir erfahren im Gespräch mit Fachleuten auch immer wieder, wo noch Handlungsbedarf besteht. Wer eine Führung in Nottwil besucht, zeigt sich meist begeistert. Findet eine Art Mund-zu-Mund-Propaganda statt? Oh, ja. Und das ist die solideste Werbung, die es gibt. Wer überzeugt ist von dem, was er sieht und hört, empfiehlt es weiter. Gibt es Pläne oder Ideen für die Zukunft, um das BesucherAngebot auszubauen? Wir möchten den Gedanken einer Begegnungsstätte zwischen Rollstuhlfahrern und Fussgängern vorantreiben. So gehört nun auch das Seminarhotel Sempachersee zu unserer Gruppe. Damit ist das Angebot im Kongressbereich noch grösser. Wenn auch diese Gäste sich dereinst die Klinik oder einen Besucher-Pavillon ansehen, steigt die Bekanntheit.
Mehr Informationen: w ww.paraplegie.ch
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zur sache
Ewiger Kampf ums Geld Seit 2006 setzt sich die Europäische Paraplegiker-Vereinigung (ESCIF) für eine länderübergreifende Besserstellung von querschnittgelähmten Menschen ein. Die Organisation gibt Betroffenen eine öffentliche Stimme und kämpft an vielen Fronten; vor allem auch um Geld. Text: Mathias Haehl | Bilder: Beatrice Felder, Archiv
U
nsere Regierung stoppt regelmässig Projekte, die sie nicht für wirklich notwendig erachtet. Querschnittgelähmte finden mit ihren Begehren kaum Gehör», klagt Janez Trdina. Er ist Finanzchef der Paraplegiker-Vereinigung Sloweniens und selber einer von rund 2000 Wirbelsäulengeschädigten in dem
Bedauernswerte Zustände. In der Ukraine mangelt es Querschnitt gelähmten an Technik, Personal und Finanzen.
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Kleinstaat. Um deren Rehabilitation zu verbessern, wurde 1999 mit dem Bau einer speziellen Einrichtung an der Adriaküste begonnen. Die Regierung stellte dafür 500 000 Euro zur Verfügung. Doch dieser Betrag war nach dem Bau des Haupthauses auf einem 6400 Quadratmeter grossen Gelände bald aufge-
braucht. «Viel weiter sind wir bis heute nicht gekommen», stellt der 43-jährige Mann mit einem Unterton von Resignation fest. Lotteriegelder sichern den Betrieb In dem Zentrum namens «Dom Paraplegikow» stehen den Patienten, die vielmehr
« Querschnittgelähmte finden mit ihren Begehren kaum Gehör.» Tagesgäste sind, sieben Räume, eine Physiotherapieabteilung sowie eine Kantine zur Verfügung; ausserdem kann man malen und Sport treiben. Der Betrieb ist dank rund einer Million Euro pro Jahr aus dem nationalen Lotteriefonds gesichert. Von einer Infrastruktur ähnlich derjenigen des Schweizer Paraplegiker-Zentrums (SPZ) in Nottwil kann Trdina hingegen nur träumen. Ihm und anderen Menschen im Rollstuhl in Slowenien wäre jedoch schon sehr geholfen, wenn endlich die früher bereits geplanten Stationen mit 50 Betten realisiert werden könnten. Doch der Staat blockiert die Erweiterung und Trdina mag nicht daran glauben, dass aus der Hauptstadt Ljubljana bald Geld fliesst. «Wir bräuchten 3,4 Millionen Euro,
um eine gut funktionierende Rehaklinik zu etablieren. Das ist viel in unserem Land.» Touristische Nutzung als Ausweg? So muss sich Janez Trdina notgedrungen anderswo um finanzielle Unterstützung bemühen. Beispielsweise bei der Europäischen Union. Von dieser wurde das einzige Rehabilitationszentrum in Slowenien zwar auf eine Dringlichkeitsliste gesetzt – aber zu weit hinten, um tatsächlich Geld aus Brüssel zu erhalten. «Vielleicht klappt es ja nächstes Jahr», sagt Trdina. Doch sein Optimismus hält sich in Grenzen. Denn die Euroländer stecken in einer tiefen wirtschaftlichen Krise, und es muss gespart werden. Da sieht er für einen Antrag in Millionenhöhe wenig Chancen.
Im Ausland private Sponsoren zu finden, ist genauso schwierig. Er versuchte es unter anderem in Russland, wo Institutionen mit Behinderten offenbar aber möglichst wenig zu tun haben wollen. «In Moskau denkt man immer noch wie in sozialistischen Zeiten: aus den Augen, aus dem Sinn.» Mit so viel Desinteresse und Rückschlägen konfrontiert, überlegt sich der Geschäftsführer auch eine anderweitige Nutzung des Zentrums «Dom Paraplegikow». Die Lage direkt am Meer, nahe der malerischen Kleinstadt Piran, das milde Klima und saubere Luft könnten das Haus in Slowenien vielleicht zu einem attraktiven Ziel von Gesundheitstouristen machen. Die ersten, eine Gruppe autistischer Kinder aus der Schweiz, waren schon
Ideale Zustände. In der Schweiz nutzen Paraplegiker modernste Techniken wie elektrische Treppenlifte.
Paraplegie, Mai 2013 |
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zur sache
Ausbaupläne. ESCIF-Präsidentin Jane Horsewell.
«Wir helfen unentgeltlich» Jane Horsewell ist seit 2009 Präsidentin der Europäischen Paraplegiker-Vereinigung (ESCIF). Die querschnittgelähmte Soziologin aus Grossbritannien lebt und arbeitet in Dänemark, von wo sie ihren Blick auch über Europa hinaus richtet. Was ist und was macht die ESCIF? Wir sind eine Interessengemeinschaft von engagierten Betroffenen, die
dort. «Wir können uns gut vorstellen, das Zentrum irgendwann an eine Hotelkette zu verkaufen, die es dann zu einer Ferienanlage umbaut», bekräftigt Janez Trdina. Sloweniens Rollstuhlfahrer sind mit ihren Sorgen beileibe nicht allein. Auch in zahlreichen anderen Ländern Osteuropas kämpfen querschnittgelähmte Menschen und Selbsthilfe-Organisationen mit vielen, teils gravierenden Problemen. In Kroatien wurde die staatliche Hilfe für Betroffene 2013 um 40 Prozent gekürzt, obschon es dort eine beträchtliche Anzahl von Menschen gibt, die während des Jugoslawien-Krieges in den neunziger Jahren schwer verletzt wurden und deshalb im Rollstuhl sitzen.
sich zu einer europäischen Schirmorganisation zusammenfanden. Mehrere hundert Freiwillige nehmen sich der Anliegen von rund einer halben Million Menschen im Rollstuhl an. In ganz Europa wollen wir den rechtlichen und medizinischen Status quo festigen und verbessern, indem wir Synergien auf verschiedensten Ebenen schaffen. Sei es in der Medizin, in der Betreuung oder etwa auch im Sport und in der Berufsfindung. Welche Erfolge konnten Sie bisher verbuchen? In Finnland und in Kroatien bewirkte unser Einsatz, dass die jeweiligen Gesundheitsministerien Gesetzesänderungen durchbrachten und so die Pflege für Wirbelsäulengeschädigte zentralisierten. Bislang wurden Verunfallte einfach ins nächste Spital verfrachtet, wo die Mediziner oft das Wissen nicht hatten, um ihnen fachgerecht zu helfen. Was bereitet Ihnen am meisten Sorgen? Wenn ich in Ländern des europäischen Ostens zu Gast bin, ist es für mich immer wieder erschreckend zu sehen, unter welch ärmlichen und wenig fortschrittlichen Bedingungen behinderte Menschen dort leben müssen. Im Kosovo, in Mazedonien oder auch in Polen sind die Bedingungen in Kliniken und in der Rehabilitation schockierend. Es fehlt an Versicherungen, Technik, geschultem Personal und allenorten an Geld. Dort ver suchen wir anzusetzen.
Viel Nachholbedarf in Osteuropa In der Ukraine sind Bewusstsein und Verständnis für die Anliegen behinderter Menschen ebenfalls unterentwickelt. Sergiy Bolchook, selber im Rollstuhl und Mitglied der ukrainischen Paraplegiker-Vereinigung, erklärt: «Es fehlt bei uns nicht an genügend guten Gesetzen für die Behandlung und Wiedereingliederung von Wirbelsäulen-Verletzten. Nur werden diese zu 95 Prozent nicht angewandt oder eingehalten, weil die Politik nicht will.» Bis man in der Integration von Behinderten soweit sei wie in der Schweiz, werde es wohl noch lange dauern, fürchtet Bolchook. Noch besorgniserregender sind die Zustände in Albanien. Es sind Fälle bekannt, in denen Querschnittgelähmte zwar schnell operiert, zwei Wochen danach aber bereits nach Hause geschickt wurden. Um eine ordentliche Rehabilitation antreten zu können, müssen sie
Wie steht es um globale Kooperation? 2001 wurde ein asiatisches Netzwerk, die ASCoN, lanciert. In diesem sind 75 Organisationen aus 18 Ländern vereint, mit denen wir in regem Austausch sind. Wir strecken unsere Fühler auch nach Zentralund LateinParaplegie, August 2013 | 23 amerika aus. Für 2014 wurde uns von Brasilien zugesichert, in Rio de
Janeiro einen Kongress abhalten zu dürfen. Wir helfen unentgeltlich – und unser Einsatz macht sich bezahlt. Paraplegie, August 2013 |
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rund 100 000 Franken aus dem eigenen Sack aufbringen. Zudem ist das Spitalwesen im Land alles andere als fortschrittlich, und gelegentlich kommt eine Querschnittlähmung auch dem Todesurteil gleich. Übergreifende Standards setzen Eigentliche Richtschnur für den Umgang mit behinderten Menschen bilden entsprechende Konventionen der UNO. Diese werden meist bereitwillig ratifiziert, was aber noch lange nicht heissen will, dass sich alle Unterzeichnerstaaten auch daran halten. Die ESCIF bemüht sich, bedauernswerte Zustände zu korrigieren und eine bessere Übereinstimmung zwischen Theorie und Praxis zu erreichen. Sie kümmert sich dabei jedoch weniger um die Durchsetzung von politischen Anliegen wie der Gleichstellung von Behinderten. Ihr Ziel ist es vorab, europaweit gültige Standards für Patientenrechte, Akutbehandlung, Rehabilitation und Integration von Wirbelsäulenverletzten zu etablieren. Urs Styger,
ESCIF-Sekretär, sieht nach acht Jahren Arbeit erste Erfolge. «Die Vereinigung ist sukzessive gewachsen. Es ist der ständige Austausch, der uns vorwärts bringt.» Mit Austausch meint er auch den Rückgriff auf eine weltumspannende Plattform, die Organisationen der Schweizer Paraplegiker-Gruppe (SPG) in den vergangenen Jahren geschaffen haben. Eine tragende Rolle hierbei spielt die Schweizer Paraplegiker-Forschung (SPF). Die in der Rehabilitations- und Integrationsforschung an der Spitze stehende Institution ist an verschiedenen Grossprojekten und Studien, etwa in Indien und China, beteiligt. Rund um den Globus gesammelte Erfahrungen und Ergebnisse helfen den ESCIF-Mitgliedern,
besondere Bedürfnisse zu erkennen und entsprechende Massnahmen zur Optimierung der Versorgung von querschnittgelähmten Menschen auszuarbeiten. Auch in internationalen Organisationen wie der Weltgesundheitsorganisation WHO oder der internationalen Vereinigung der Paraplegiologen (ISCoS) stösst die ESCIF inzwischen auf Gehör – gute Grundlagen zur Fortführung einer Arbeit, die weiterhin viel Geduld und Ausdauer verlangt. Vor allem auch in der Mittelbeschaffung.
24 Länder dabei Die Europäische Paraplegiker-Vereinigung (ESCIF) wurde 2006 auf Initiative der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung (SPV) gegründet. Erster Präsident war Daniel Joggi, heute Präsident des Stiftungsrates der Schweizer ParaplegikerStiftung (SPS). Auf ihn folgte die Engländerin Jane Horsewell. Im Vorstand sitzen 5 Personen. Der Geschäftssitz der Selbst hilfeorganisation, der heute 24 von 45 Ländern in Europa angehören, befindet sich in Nottwil. Weitere Informationen: www.escif.org
Netzwerk. Am ESCIF-Kongress 2013 in Nottwil trafen sich 60 Vertreter von ParaplegikerSelbsthilfeorganisationen in Europa.
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Spezialisten: Valentin Habermacher mit seinem Apotheker-Team (von links) Marisa Djiro, Karin Ulrich, Ruth Bösch, Simone Müller und Dominique Loosli.
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praxis
Vielseitig unter grünem Kreuz Die Apotheke ist eine wichtige Schaltstelle des Schweizer Paraplegiker-Zentrums (SPZ) in Nottwil. Seit Juli steht das fünfköpfige Team um Valentin Habermacher auch der Öffentlichkeit zu Diensten. Text: Mathias Haehl | Bilder: Walter Eggenberger und Beatrice Felder
S
ie «rüsten» Bestellungen, betreuen das «Heimatlosenlager» und verwalten den «Giftschrank». Ein Kreuz hängt bedrohlich über ihren Köpfen. Und sie halten Blutegel als Haustiere. Alchimisten? Nein, es ist das Apothekerteam des Schweizer Paraplegiker-Zentrums (SPZ). Das Tagesgeschäft der Fünferequipe um Valentin Habermacher ist alles andere als blutrünstig. Die Egel sind Alternative zum konventionellen Schröpfen, das Kreuz leuchtet in sattem Apothekergrün, im «Giftschrank» lagern Betäubungsmittel wie Morphium. Das «Heimatlosenlager» besteht aus selten gebrauchten Medikamenten. Hauptaufgabe der vielseitigen Tätigkeit ist es, die Pflegestationen mit Medikamenten zu beliefern. Hinzu kommt der Verkauf von Artikeln aller Art wie Pflaster, Schmerzmittel oder Körperpflegeprodukte. Viel Zeit beanspruchen auch Beratung, Weiterbildung sowie das Aktualisieren von Infos. Medikamente individuell zubereitet Da die Apotheke seit Juli offen für alle ist, muss sie laut Gesetz konstant unter fachlicher Aufsicht stehen. Deshalb wurde Valentin Habermacher mit Dominique Loosli eine Teilzeit-Apothekerin zur Seite gestellt. Das Team ist ein eingespieltes, Habermacher nennt es gerne seine «eingefleischte SpezialistenClique». Simone Müller und Marisa Djiro sind mehr als ein Dutzend Jahre in Nottwil angestellt, Ruth Bösch und Karin Ulrich wie ihr Chef länger als vier Jahre. Um in der nun öffentlichen Apotheke noch mehr Kundschaft betreuen zu können, wird
das Sortiment von rund 600 Artikeln kon tinuierlich aktualisiert und aufgestockt. «Zudem haben wir ein Labor eingerichtet, damit wir dort Medikamente für individuelle Bedürfnisse zubereiten können», erklärt Habermacher. Die Apotheke ist im SPZ eine bedeutende Schaltstelle zwischen Patienten, Ärzteschaft und Pflegenden. Das Team bildet ein Glied in der Dienstleistungskette, durch die die Patienten befähigt werden, verordnete Therapien auch zu Hause korrekt weiterzuführen. Habermacher: «Unsere Kundschaft soll von uns lernen, welches Produkt sie wann und wie nutzt.» Beratung wird mehr Zeit eingeräumt Ein verantwortungsvoller Umgang mit Medikamenten steht im Vordergrund. Das bedingt, dass Habermachers Team die Kunden nicht nur nach deren Krankheiten und
Schmerzen abfragt. Es wird nachgehakt: «Was nahmen Sie bislang dagegen? Wie hat das gewirkt? Und was für Medikamente nehmen Sie noch?» Dieser Fragenkatalog ist bei der Beratung Standard. Vorbei sind die Zeiten, in denen der vom Kopfschmerz Gepeinigte mit grimmiger Miene ein Treupel verlangte, der Apotheker wortlos in die Schublade griff und das Treupel überreichte. Vielzitierter Zukunftstraum der Medizinbranche ist die individualisierte Medikation nach Patienten-Gencheck, doch dessen Realisierung für den breiten Einsatz ist laut Valentin Habermacher noch in weiter Ferne. Zu kostspielig, zu arbeitsaufwändig – doch für die Zukunft wünschenswert. Habermacher lebt in der Gegenwart und ist gerne bereit, auch mal auf Wünsche nach Homöopathie oder Naturmedizin einzugehen. Oder auch mal Blutegel auf ein Gerinnsel anzusetzen …
SPZ-Apotheke ist öffentlich Die Apotheke des Schweizer Paraplegiker-Zentrums (SPZ) in Nottwil LU wird von einem Sechserteam betreut. Leiter ist seit vier Jahren Valentin Habermacher. Die Kundschaft besteht zum Grossteil aus querschnittgelähmten Patienten des SPZ und dem Klinikpersonal. Neu sind auch Einwohner der Region in der Apotheke als Kunden willkommen. Nicht vorrätige Artikel können innert kurzer Zeit bestellt, externe Rezepte bearbeitet und mit den Versicherern direkt abgerechnet werden. Öffnungszeiten: Mo – Fr: 8.30 – 12.15 und 13.15 – 17.00 Uhr. Kontakt: apotheke@paraplegie.ch oder T 041 939 59 59.
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Mosaik
Kinder mit Behinderung, die ihren Rollstuhl selbstständig fortbewegen können, trafen sich zum Kids Camp Weekend in Nottwil. Ob beim Bogenschiessen, beim Fechten oder beim Reiten, die Kinder im Alter von fünf bis zwölf Jahren vergnügten sich wie alle Jahre im Frühsommer bestens am Anlass der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung (SPV). Mit dabei waren ihre Geschwister, welche das ganze Programm ebenfalls im Rollstuhl verbrachten, während dem sich die Eltern untereinander austauschten. Betreut wurden die Rolli-Kids vom speziell ausgebildeten Team der SPV. Das nächste Kids Camp Weekend findet am 21. und 22. Juni 2014 statt.
Foto: SPV
Spiel, Sport und Spass
Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen Die Schweizer Paraplegiker-Vereinigung (SPV) und das Institut für Berufsfindung des Schweizer Paraplegiker-Zentrums (SPZ) Nottwil offerieren querschnittgelähmten Menschen seit Jahren Begleitung und Beratung bei der Jobsuche. Neu können interessierte Firmen offene Stellen und Lehrstellen für Menschen mit Behinderung selber ins Internet stellen. Die neue Dienstleistung ist kostenlos. Weitere Informationen: www.spv.ch/de/stellenboerse; oder bei Pia Bohren, unter Telefon 041 939 54 43; pia.bohren@spv.ch. Der Verbesserung der beruflichen Wiedereingliederung dient auch eine Gemeinschaftsinitiative von insieme Schweiz, Vereinigung Cerebral Schweiz und Procap Schweiz. Die drei Organisationen fordern eine ausreichende Schulbildung und Berufsbildung für Jugendliche mit Behinderung. Sie haben 2011 eine entsprechende Petition, von mehr als 100 000 Personen unterzeichnet, eingereicht. Die Antwort des Bundesrates steht aber immer noch aus. Nur sechs Monate benötigten dagegen die Firma Schindler Aufzüge (Ebikon) und die Stiftung Brändi (Luzern), um ein Projekt zur Integration von Menschen mit Behinderung in die Wirtschaft umzusetzen. Inzwischen sind 15 Mitarbeitende der Stiftung in Werkhallen des Liftherstellers tätig.
Viel Volk trotz Regen Einmal mit Paralympicssiegern am Tisch sitzen. An einer besonderen Benefizveranstaltung in Tübach SG war das möglich: Mit Sandra Graf und Heinz Frei waren, unter anderen, zwei Goldmedaillengewinner von London 2012 dabei. Zwar vereitelte Dauerregen den geplanten Rollstuhl-Rugby-Match, doch Organisator Peter Hochreu tener, selber querschnittgelähmt, freute sich über viele Zuschauer und hervorragende Stimmung: «Ich will einerseits Menschen mit Behinderung unterstützen und anderseits zeigen, was alles man im Leben trotzdem erreichen kann.»
Paraplegie, August 2013 |
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Splitter Mosaik
Mosaik
Schmerzmedizin feiert Jubiläum Das Zentrum für Schmerzmedizin des Schweizer ParaplegikerZentrums (SPZ) wird 15 Jahre alt. Gegründet wurde es 1998 als Schmerzklinik Nottwil, mit dem Ziel, die schmerzmedizinische Versorgung von Querschnitt gelähmten zu verbessern. Bemerkenswerterweise finden sich heute auch viele Nicht-Querschnittgelähmte, teils mit über zehnjähriger Schmerzgeschichte, unter den behandelten Patienten. Die Abteilung entwickelte sich zu einer der besten schweizweit und beschäftigt derzeit 56 Mitarbeitende. Sie feiern unter Leitung des neuen Chefarztes PD Dr. med. Markus Béchir am 24. Oktober ab 16.00 Uhr mit einer öffentlichen medizinischen Fortbildung. Stellenwert und Leistungsspektrum der Schmerzmedizin stehen dabei im Vordergrund, sie werden anhand von beispielhaften Vorträgen dargestellt. In Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern für Kunst und Design findet ab Monat Oktober im Guido A. Zäch Institut (GZI) Nottwil zudem eine Kunstausstellung zum Thema Schmerz statt.
Die Schweizer Paraplegiker-Stiftung (SPS) hat den Vertrag als Hauptsponsor von Swiss Paralympic um drei Jahre verlängert. Ein wichtiger Partner bleibt auch die Sportmedizin Nottwil (Swiss Olympic Medical Center). Ihr Chefarzt, Dr. med. Matthias Strupler, ist Chief Medical Officer und Vorsitzender der Sportmedizinischen Kommission der nationalen Organisation für Spitzensport von Menschen mit Behinderung. Dr. med. Hans Georg Koch, seit 23 Jahren, davon deren 19 als Oberarzt Klinik, im SPZ Nottwil tätig, hat eine neue Aufgabe übernommen. Er baut im Auftrag der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung (SPV) den Fachbereich «Angewandter Wissenstransfer» auf. Vordem schon ist Koch aus dem Zentralvorstand der SPV ausgetreten. Zu seinem Nachfolger wurde Stephan Bachmann, Direktor REHAB Basel, gewählt. Spezialisten für Neuro-Urologie im Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ) Nottwil und die SHI Homöopathie Schule (Zug) testen in einer gemeinsamen Studie den zusätzlichen Nutzen homöopathischer Behandlung von Harnwegsinfekten bei Menschen mit Querschnittlähmung. Bisherige Ergebnisse zeigen, dass die Kombination von Schulund Alternativmedizin in diesem Bereich gewinnbringend sein kann.
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Briefe an die Stiftung
«Selbstständigkeit erhalten» Ich möchte mich von ganzem Herzen bedanken, dass Sie mich finanziell unterstützten und mir die Installation eines neuen «Autochairs» ermöglichten. Mit dieser Hebevorrichtung kann ich mich selber vom Rollstuhl ins Auto hieven. Dank Ihnen habe ich wieder ein Stück Selbstständigkeit erhalten und kann weiterhin ein interessantes Sozialleben führen. Ich danke für Ihre Grosszügigkeit. Béatrice Martinoli, Lausanne VD Unsere Tochter erkrankte 2011 an einem bösartigen Tumor im Rückenmark und war von diesem Zeitpunkt an Tetraplegikerin. Das Schweizer Paraplegiker-Zentrum in Nottwil erlebten wir als Ort der Hoffnung – für uns wurde es heuer ein Ort des Abschiednehmens. Rebekka starb im Alter von 15 Jahren. Unser Dank gilt der Paraplegiker-Stiftung für die grosszügige Unterstützung während Rebekkas Krankheit. Ebenfalls danken möchten wir allen Ärzten, Therapeuten und dem Pflegepersonal für die liebevolle Begleitung. Ingrid, Ueli und Fabian Hofer, Aarwangen BE
Herzlichen Dank für Ihre Kostengutsprache, dank der ich mir das Andockrad «FreeWheel» anschaffen konnte. Das vielseitig einsetzbare Zusatzrad wird meinen Rolli-Alltag erleichtern, etwa bei unebenem Gelände oder auf Pflastersteinen in der Altstadt. Rita Meier, Basel BS Sie haben mich mit einer Finanzspritze für den Hausumbau sehr glücklich gemacht. Die Heimkehr nach Monaten der Rehabilitation war nicht einfach. Aber dank Ihrer Unterstützung fand ich einen Teil meiner Selbstständigkeit wieder. Ohne die Stiftung hätte ich die diversen Umbauten nicht finanzieren können. Danke vielmals. Jean-Pierre Guillemin, Vufflens-la-Ville VD Ich danke für Ihre finanzielle Unterstützung, die mir den Kauf eines Sportgerätes ermöglichte. Das Handbike ist eine perfekte Lösung für mich, um mein physisches Niveau zu halten: im Sommer im Freien und im Winter auf einer Rolle. Ich habe grosse Freude, denn ohne Ihre Unterstützung wäre es nie dazu gekommen. Martin Starchel, Olten SO
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Paraplegie, August 2013 |
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Mein Tag im Rollstuhl
Katzenfreund. Daniel Schaffner mit Maine-Coon-Katze «Graziella» in seinem Lager in Schönenwerd SO.
«Kein Auftrieb ohne Gegenwind» Nach der Rückenmarkoperation kaum erwacht, dachte Daniel Schaffner nur an eins: schweizweit für saubere Katzenkistchen zu sorgen. Seit er im Rollstuhl sitzt, ist die Arbeit für den «Chrampfer» noch wichtiger. Aufgezeichnet von Mathias Haehl | Bild: Walter Eggenberger
«
Wenn ich um halb sieben Uhr auf stehe, verbringe ich eineinhalb Stun den mit Körperpflege. Dann entscheidet sich, ob der Tag ein guter wird. Oder ob ich von Zweifeln, Sorgen und Mutlosigkeit geplagt werde. Ob ich in der Dusche hinfalle, Mühe beim Stuhlgang habe oder mal wieder nicht in die Socken komme – das ist für meine Tagesstimmung verantwortlich. Ich sitze erst seit März 2012 im Rollstuhl, seit mich Hengst Cinzano grob aus dem Sattel warf. Im Jahr 2005 habe ich mein eigenes Unter nehmen aufgezogen. Ich rackerte bis zu 15 Stunden täglich. Mein Service ist einmalig: den Katzenhaltern frische Streu nach Hause bringen und die gebrauchte nachhaltig entsorgen. Ich kam auf die Idee, weil ich es hirnrissig fand, dass in der Schweiz jährlich 68 000 Tonnen Katzensand im Haushalts müll landen. Die Exkremente lassen sich nämlich zu Biogas und Strom umwandeln, mit der Verbrennung lässt sich Abwärme ge winnen. Das nutze ich seither. Bald in der ganzen Schweiz? Ich bin ein ‹Chrampfer›, meine Arbeit ist mein Leben. Derart, dass ich nach dem Aufwachen aus der Operationsnarkose gleich mit Tochter Manuela telefonierte, die am selben Tag die
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Leitung meines Geschäfts übernahm. Die Kat zenhalter wollten weiterhin beliefert werden! Ich arbeite entweder zu Hause oder in unse rem kleinen Büro und Lager hier in Schönen werd SO. Ich leiste Telefondienst, betreue un seren Webshop und kümmere mich um das Sortiment, unter anderem 22 Katzenstreusor ten. Wir pflegen Stammkunden vorwiegend zwischen Olten und Aarau – aber ich träume von Grösserem: einem Lieferdienst für die ganze Schweiz. Dazu bräuchten wir zehn Lieferwagen anstatt nur einen wie heute. Bei 1,3 Millionen Katzenhaltern und noch mehr Katzenklos hierzulande können wir sicher lich noch ausbauen … ‹Gib mir deinen Katzendreck …› Nach dem Mittagessen lege ich meine Beine eine Stunde lang hoch. Denn seit man mir wegen eines Druckgeschwürs eine Zehe am putieren musste, passe ich gut auf meinen gefühllosen Unterkörper auf. Ich bin von der Lendenwirbelsäule abwärts querschnitt gelähmt, dank der dreimonatigen Rehabilitation in Nottwil aber selbstständig. Ich schätzte, wie sich die Mitarbeitenden des Schweizer Paraplegiker-Zentrums Zeit für mich nahmen. Und der Kontakt zu anderen ‹Schicksalsgenossen› war wichtig für mich.
Eine Frau gab mir den Rat, nicht gross darüber nachzudenken, dass ich im Rollstuhl sei. Das ist schwierig … Ob mein Schicksal vorbestimmt war? Mein Lebensmotto lautet ‹Es gibt keinen Auftrieb ohne Gegenwind›, und Widerstände kenne ich zur Genüge. Ich bin ein uneheliches Kind, habe meinen Vater nie kennen gelernt. Mit 33 baute ich mein erstes Haus, mit 37 musste ich die Scheidung durchstehen. Und jetzt das: ein Leben im Rollstuhl. Doch wenn ich auf meinen Arbeitstag zurückblicke, bin ich stolz auf meinen Slogan: ‹Gib mir deinen Katzen dreck, und du bekommst Sand und Fressen dafür!› Dann durchfliesst mich das Glück, Gutes zu tun. Abends zu Hause gönne ich mir auch Gutes. Ich liebe es, auf meinem Smartphone Ge schicklichkeitsspiele zu machen, mich via Facebook auszutauschen oder im grossen weiten Internet mein Wissen anzureichern. Darüber schlafe ich dann zufrieden ein und träume von Ferien auf unserem Camping platz am Hallwilersee. Oft gar den ganz gros sen Traum: Ich will mal für drei Monate die Ohren runterklappen und in der Biskaya oder in Südafrika überwintern. Und dann mein Katzensand-Geschäft via Netz dirigieren.
»
Daniel Schaffner Der 58-Jährige wohnt in Gretzenbach SO, hat drei Kinder und zwei Enkel. Im März 2012 fiel er bei seinem ersten Reitversuch vom Pferd. Seither bewegt der Paraplegiker sich im Rollstuhl. Der gelernte Dreher betreibt seit 2005 ein Katzensand-Geschäft in Schönenwerd SO. Er hat zwei Angestellte: Tochter Manuela Schaffner und Christian Siedl. Infos: www.katzensand.ch Paraplegie, Mai 2013 |
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Finale
Erste Hilfe “on Board”
Martin Senn ist freischaffender Illustrator.
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