Paraplegie Nr. 04/2013 deutsch

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November 2013 | Nr. 148

paraplegie Das Magazin der Gönner-Vereinigung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung

Der Chef im Hühnerstall Thomas Wüthrich findet Zufriedenheit als Bauer

Mobilität ohne Grenzen | Paraforum | Monika Rickenbach


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EDITORIAL

Liebe Gönnerinnen und Gönner

S

tillstand, heisst es, sei Rückschritt. Regelmässig innehalten in einer sich immer schneller drehenden Welt, um das Wesentliche im Auge zu behalten und die Weichenstellung

für die Zukunft zu überprüfen, muss jedoch sein. Dank dieser Politik auch hat die Schweizer Paraplegiker-Gruppe (SPG) eine anhaltend positive Entwicklung erlebt. Ein sehr hoher Stand­ard in der Akutversorgung und ganzheitlichen Rehabilitation von Menschen mit Quer­ schnittlähmung konnte stets aufrechterhalten und das Angebot laufend erweitert werden. Der Prozess ständiger Erneuerung und Anpassung – Grundlage des Auftrages zur nachhaltigen Verbesserung der Lebensqualität von Betroffenen – nimmt seinen Fortgang. Stellvertretend dafür steht ein Masterplan zur Aufwertung und Ergänzung der bestehenden Einrichtungen in Nottwil. Ein grösserer Teil umfangreicher Bauvorhaben, die in den nächsten fünf, sechs Jahren realisiert werden sollen, betrifft die Klinik. Modernisierung und marktgerechter Leistungsausbau finden aber auch andernorts statt. Die Schweizer Paraplegiker-Stiftung engagiert sich in Projekten für älter werdende Menschen im Rollstuhl und will ihre Gönnerbasis im ganzen Land stärken. Die Orthotec AG verfügt bald über eine Filiale für Fahrzeugumbau in der Westschweiz, wo das SPZ Nottwil mit einem Ambulatorium und die Schweizer ParaplegikerVereinigung (SPV) mit zwei Dienststellen schon länger vertreten sind. Ein weiteres Novum bildet die interaktive Onlineplattform Paraforum, die von der Schweizer ParaplegikerForschung (SPF) entwickelt wurde und demnächst aufgeschaltet wird. Sie sehen daran, dass es der SPG weder an Innovationsbereitschaft noch an Fortschrittsdenken fehlt. Für Investitionen ohne klare Strategie und Ziele haben wir aber nichts übrig. Unsere Devise heisst: zweckdienliche und massvolle Verwendung der uns anvertrauten Mittel. Das schliesst vorausschauendes Handeln ein.

Heinz Frei Präsident Gönner-Vereinigung

IMPRESSUM: Paraplegie. Das Magazin der Gönner-Vereinigung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung, www.paraplegie.ch 37. Jahrgang | Ausgabe: November 2013 / Nr. 148  | Erscheinungsweise: vierteljährlich in Deutsch, Fran­zösisch und Ita­lienisch | Gesamtauflage: 961 279 Exemplare | Auflage Deutsch: 857 573 Exemplare | Copyright: Abdruck nur mit Genehmigung der Herausgeberin und der Redaktion. Herausgeberin: Gönner-Vereinigung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung, 6207 Nottwil, sps@paraplegie.ch | Verantwortlich: Schweizer Paraplegiker-Stiftung, Unternehmenskommunikation, 6207 Nottwil | Redaktion: Roland Spengler (Leitung), Mathias Haehl, redaktion@para­plegie.ch | Bild: Walter Eggenberger, Beatrice Felder, Astrid Zimmermann-Boog | Layout  / Vorstufe: Regina Lips, Karin Distel, Michael Kling | Anzeigen: Fachmedien Axel Springer Schweiz AG, 8021 Zürich, info@fachmedien.ch | Vorstufe / Druck: Swissprinters AG, 4800 Zofingen

Paraplegie, November 2013 |

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INHALT

6 NEWS Die Schweizer Paraplegiker-Stiftung lancierte in der Westschweiz eine publikumswirksame Werbekampagne, um neue Gönner zu gewinnen.

10 PORTRÄT Nach einem Skiunfall wollte Thomas Wüthrich nur auf den Bauernhof zurück, wenn er wieder laufen könne. Doch es kam anders: Seit 27 Jahren bewirtschaftet er ihn im Rollstuhl. Und die Arbeit füllt ihn aus.

14 REPORTAGE – Integration dank Mobilität

obilität bedeutet Menschen im Rollstuhl viel mehr, als nur vorwärtsM zukommen und von A nach B zu gelangen. Bewegungsfreiheit und Selbstbestimmung im Alltag, im Beruf wie auch in der Freizeit heisst wirkliche Lebensqualität. Möglich machen dies unter anderem umgebaute oder nach speziellen Bedürfnissen angefertigte Fahrzeuge, in denen modernste Technik und pfiffige Ideen stecken.

20 ZUR SACHE

P araforum, die neue interaktive Onlineplattform der Schweizer ParaplegikerGruppe, schliesst eine Lücke im Informations- und Kontaktangebot. Menschen im Rollstuhl, Angehörige und Fach­kräfte tauschen sich weltweit aus.

26 PRAXIS www.paraforum.ch

Das Sportmedizin-Team des Schweizer Paraplegiker-Zentrums bietet Gesundheits-Checks mit Beratung an. Und verhilft vielen zu mehr Bewegung und somit zu besserer Gesundheit und höherer Lebensqualität.

32 MEIN TAG IM ROLLSTUHL

ls Kinderbetreuerin vermittelt Monika Rickenbach A Lernstoff. Selber kann sie aber auch viel von den Kindern lernen.

34 FINALE

Ansichten zu «modernen Ärzten» von Martin Senn.

Paraplegie, November 2013 |

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Foto: ZVG

NEWS

Hug und Schär glänzten Die Schweizer Rollstuhl-Leichtathleten zeigten sich in den letzten wichtigen Wettkämpfen des Jahres 2013 noch einmal von ihrer besten Seite. Bei vier Städte-Marathons kamen sie zu insgesamt fünf Siegen und gleichvielen weiteren Top-Klassierungen. Mehrere derartige Leistungen in Serie waren insofern erstaunlich, als einige von ihnen innert relativ kurzer Zeit ein anstrengendes Programm absolvierten. Den Saison-Abschluss und -Höhepunkt bildete das schwere Rennen in New York (USA), in dem sich Marcel Hug (Neuenkirch LU) im Endspurt einer starken Fünfergruppe durchsetzte und vor Ernst Van Dyk (Südafrika) sowie dem Australier Kurt Fearnley einen weiteren prestigeträchtigen Erfolg feierte. Es war sein zweiter nach einem überlegenen Sieg im Alleingang zuvor in Oita (Japan), wo Heinz Frei (Etziken SO) zum 30. Mal am Start war und Vierter wurde. Auf dem selben Rang war der Solothurner in Chicago angekommen, nachdem er in Berlin seinen 20. Erfolg, vor Hug, errungen hatte. Bei den Frauen ragte Manuela Schär (Kriens LU) heraus. Sie bewies eindrücklich, dass der Marathon-WM-Titel 2013 keinem Zufall entsprang. Ihr schlechtestes Resultat war der dritte Platz in New York, wo sie erstmals teilnahm, und Tatjana McFadden (USA) und Tsuchida Wakako (Japan) deutlich schneller waren. Vordem aber hatte sie in Oita in neuer Weltrekordzeit der Kategorie T53/54 vor Wakako gewonnen, war in Chicago, knapp hinter McFadden, Zweite geworden und in Berlin als Erste ins Ziel gefahren. Die übrigen Spitzen­ plätze holten Sandra Graf (Gais AR) als Dritte in Oita und Patricia Keller (Waltenschwil AG) als Zweite in Berlin.

Die Schweizer Rollstuhl-Rugby-Spieler mussten bei der A-Europameisterschaft in Antwerpen (Belgien) eine bittere Pille schlucken. Wegen einer ärgerlichen Niederlage (44:47) in der Partie um Platz sieben gegen Frankreich verpasste das Nationalteam sein erklärtes Ziel, nämlich die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2014. EM-Gewinner wurde neuerlich Schweden, das im Final die Dänen mit nur einem Treffer Unterschied (49:48) besiegte. Platz drei belegte Grossbritannien.

6 | Paraplegie, August 2013

18 Tonnen Motivationsschub In bestmöglichen Voraussetzungen liegt der Schlüssel zum Erfolg. Daran glaubt auch Alfred Bräker, Inhaber der Firma Alfag (Egerkingen SO) und Vertriebspartner von MAN Schweiz AG. Also beschlossen er und weitere Unternehmer, auf eine von Adrian Fahrni (Etziken SO) lancierte Idee zur Unterstützung von Schweizer Rollstuhl-Athleten einzugehen. Gemeinsam stellen sie diesen bis 2017 einen topmodernen Mannschaftswagen zur Verfügung. Das 18 Tonnen schwere Fahrzeug mit Spezialaufbau umfasst alles, was Spitzensportler unterwegs für optimale Vorbereitung benötigen: Werkstatt, Küche, Bereitstellungs- und Ruheraum, WC, Auffahrrampe und mehr. Teamchef Heinz Frei: «Das grosszügige Engagement sportbegeisterter Sponsoren ermöglicht einen weiteren Schritt in Richtung Professionalisierung und gibt Ansporn für die Sommer Paralympics 2016.»

Fünfmal auf dem Podest Fünf Medaillen, aber ausnahmsweise einmal keine goldene, brachten fünf Schweizer von der Strassen-Weltmeisterschaft im ParaCycling in Baie-Comeau (Kanada) nach Hause. Mit ein Grund für das Ausbleiben eines Titels in teils sehr knappen Entscheidungen war auch, dass der Delegation zwei der Besten fehlten. Jean-Marc Berset (Bulle FR) war verletzungsbedingt abwesend, während Ursula Schwaller (Düdingen FR) im Frühjahr zum Rudersport gewechselt hatte. Einem Sieg am nächsten

Foto: Andreas Korner

WM ohne Schweizer

Schlüsselübergabe. Von links: Alfred Bräker (Alfag), Heinz Frei, Adrian Fahrni, René Müller (Alfag)

kam Altmeister Heinz Frei (Etziken SO) in der Kategorie H2 der Klasse Sitting. Sowohl im Zeitfahren als auch im Strassenrennen brachte der 55-Jährige seine jüngeren Konkurrenten schwer ins Schwitzen und wurde mit je einer Silber­medaille belohnt. Zweimal aufs Podest, genauer auf den dritten Platz jeweils, fuhr auch Sandra Graf (Gais AR) in der Kategorie H3 der Frauen. Für die fünfte Auszeichnung war Tobias Fankhauser (Hölstein BL) besorgt. Er holte sich Bronze im Strassenrennen der Kategorie H1. Erfolgreichste Nation waren die USA (19 Me­daillen), gleichzeitig auch Gast­ geber der WM 2014. Die darauffolgende, im Jahr 2015, findet vom 28. Juli bis 2. August in Nottwil statt. Vorne dabei. Die Schweizer Teilnehmer an der ParaCycling-WM legten sich mächtig ins Zeug und gewannen fünf Medaillen.


Sie staunten nicht schlecht! Mit einer originellen Aktion hat die Schweizer Paraplegiker-Stiftung (SPS) in der Westschweiz für Aufsehen gesorgt. Auf einem ganzen Stockwerk eines Parkhauses im Zentrum von Lausanne staunten Automobilisten darüber, dass die Parkplätze allesamt mit dem Zeichen «Reserviert für Rollstuhlfahrer» versehen waren – und sie von Hostessen begrüsst sowie mit Informationen versorgt wurden. Es war der erfolgreiche Auftakt zu einer Kampagne, mit der man der Bevölkerung in der Romandie das Leistungsnetz der SPS für querschnittgelähmte Menschen näher bringen und für deren Bedürfnisse sensibilisieren will. Stiftungspräsident Daniel Joggi, selber im Rollstuhl und im Waadtland zuhause, ist überzeugt, dass dies gelingt und mittelfristig auch mehr Westschweizer der Gönner-Vereinigung beitreten: «Wir kamen mit vielen Menschen ins Gespräch und stiessen, vor allem auch in den Medien, auf grosses Interesse für unsere Tätigkeit».

Foto: Agence Trio

Baur folgt Moulin Der Verwaltungsrat der SPZ Nottwil AG hat Dr. med. Martin Baur zum Chefarzt für interdisziplinäre Wirbelsäulenchirurgie und Orthopädie gewählt. Der 50-jährige Deutsche, derzeit Co-Chefarzt Interdis­zi­plinäre Wirbelsäulenchirurgie im Luzerner Kantonsspital (LUKS), wird per 1. März 2014 Nachfolger von Dr. med. Patrick Moulin, der dann das Pensionierungsalter erreicht. Zudem wird Baur das von beiden Spitälern gemeinsam geführte Schweizer Wirbelsäulen- und Rückenmarkzentrum leiten. Patrick Moulin, seit 1990 Chefarzt Wirbelsäulen-Chirurgie und Orthopädie im SPZ Nottwil sowie ab 2008 Co-Leiter des Wirbelsäulen- und Rückenmarkzentrums, hat bis heute unzählige Patienten erfolgreich operiert. Gleichzeitig haben hohe Fachkompetenz und grosses Engagement seinerseits, auch in führenden Funk­ tionen in internationalen Fachgesellschaften, das Renommee der Spezialklinik wesentlich gestärkt.

Überraschung gelungen. Charmante Hostessen empfingen verdutzte Parkhausbenutzer in Lausanne.

Agenda 23./24. November Weihnachtsmarkt der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung SPZ Nottwil 4. Dezember Nationaler Aktionstag Dekubitus und Adipositas SPZ Nottwil 8. Dezember Auszeichnung «Querschnittgelähmte des Jahres» 2013 SPZ Nottwil 28. Januar 2014 Blutspende-Tag SPZ Nottwil 16. Februar 2014 Benefizkonzert Lucerne Charity Orchestra SPZ Nottwil

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NEWS

Splitter Die Universitätsklinik Balgrist (Zürich), die auch Querschnittgelähmte betreut, baut in den nächsten Jahren kräftig aus. Unter anderem entstehen neue Operationssäle und wird mehr Platz für bestehende oder neue Bereiche (beispielsweise eine chirurgische Tagesklinik) geschaffen. Zudem entsteht ein privat finanziertes neues Forschungs- und Entwicklungszentrum, in dem sich Mediziner und Wissenschaftler vor allem mit der Behandlung von Schädigungen des Bewegungsapparates befassen werden. Eine Angebotsaufstockung ist auch in der Clinique romande de réadaption CRR (Sion), Rehabilitationszentrum für Körperbehinderte in der Westschweiz, im Gange. Die SUVA als Eigentümerin investiert in einen Neubau, in dem 40 zusätzliche Betten (derzeit 110) sowie Räume für Therapie und Forschung unter­ gebracht werden. Am gleichen Ort plant die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne (EPFL), auf das Jahr 2015 einen Lehrstuhl für Neurochirurgie einzurichten. In Zusammenarbeit mit der Firma Axius (Sion) hat sich Silke Pan, querschnittgelähmte Künstlerin aus Aigle VD, für das Wohl ihres­ gleichen eingesetzt. Verteilt auf vier Tage, fuhr sie im Handbike von Brig nach Genf und legte dabei fast 300 Kilometer zurück. Unterwegs besuchte sie Schulen und Sportstätten. Zudem übergab Silke Pan Spenden an Institu­ tionen für die Wiedereingliederung von Menschen mit Behinderung.

Neue Dimensionen erschliessen Als erste Klinik in der Zentralschweiz verfügt das Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ) Nottwil über einen EOS-Ganzkörper-Scanner. Mit dem neuartigen Radiologiegerät lassen sich – innert weniger als 20 Sekunden – dreidimensionale Ganzkörperaufnahmen (Bild) bei massiv reduzierter Strahlenbelastung sowie qualitativ hochwertige Bilder in zwei Ebenen erstellen. Die Darstellung von Skelettstrukturen, vom Scheitel bis zur Ferse und in realen Grössenverhältnissen, ermöglicht präzise Diagnosen und liefert wichtige Hinweise für die anschliessende Therapie. Gleich­ zeitig lässt sich auch die Körperstatik beurteilen, da die Patienten stehend oder sitzend, dh. unter Belastung geröntgt werden. Ein weiterer bedeutender Vorteil des EOS-Systems ist die geringe Strahlendosis, was bei häufigeren Untersuchen besonders ins Gewicht fällt. Sie liegt um ein Zehnfaches unter derjenigen bei herkömmlichen Röntgengeräten. Der kürzlich in Betrieb genommene Hightech-Apparat erschliesst neue Dimensionen und hilft, sowohl die Diagnostik als auch die Behandlung von Patienten, ob stationär oder ambulant, im SPZ Nottwil zu optimieren.

Europäer sind besser dran Wo kann man auf ein langes Leben bei guter Gesundheit hoffen? Diese Frage gingen Wissenschaftler der Schweizer Paraplegiker-Forschung (SPF), der Universität London (GB) und der Universität Düsseldorf (D) in einer Folgestudie mit dem Titel «Zusammenhang von Behinderung und Alter» nach. Dazu wurden in 15 Ländern (USA, England und Kon­ tinentaleuropa, inkl. Schweiz) rund 50 000 Personen im Alter von 50–85 Jahren untersucht. Im Kern ging es darum, herauszufinden, ob Mobilitätseinschränkungen mit fortschreitendem Alter durch den Sozialstatus (Vermögen) beeinflusst werden. Die Resultate

überraschen nicht: Menschen mit wenig Geld leiden häufiger und an stärkeren körperlichen Behinderungen als Bessergestellte. Am meisten davon Betroffene gibt es in den USA. In Europa liegen die entsprechenden Werte tiefer, doch gibt es ein Nord-Süd- sowie ein West-Ost-Gefälle. Vorurteile via Medien abbauen In einer anderen Studie, zusammen mit der Universität Luzern und der ETH Zürich durchgeführt, legte die SPF dar, dass eine positive Darstellung von Menschen mit Behinderung in Medien weitverbreitete Vorurteile betref-

fend ihre Berufseignung abbauen hilft. 480 Personen bekamen einen Ausschnitt aus einem TV-Krimi zu sehen, in der ein Beamter im Rollstuhl einen Dieb dingfest macht. Vorher und nachher wurden die Studienteil­ nehmer zur Berufseignung von Querschnittgelähmten und zur Arbeitsmarktbeteiligung von Menschen mit Behinderung in der Schweiz befragt. Ergebnis: Nach Präsentation des Filmausschnitts wurden diese bezüglich ihrer beruflichen Eignung und Leistungs­ fähigkeit höher eingeschätzt als zuvor.

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PORTRÄT

8500 Hühner, 20 Munis – und ein Bauer, der anpackt Seit 27 Jahren lebt Thomas Wüthrich im Rollstuhl. Und seit 1994 führt der Querschnitt­ gelähmte den Familienbauernhof in Altwyden bei Burgdorf. Dabei hatte er nach einem Skiunfall im Spital gesagt: «Ich komme erst wieder nach Hause, wenn ich laufen kann.» Text: Mathias Haehl | Fotos: Beatrice Felder

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Anpacker. Thomas Wüthrich repariert einen Futtertrog im Hühnerstall.


« Langeweile? Kenne ich nicht.» E

r klopft leise an die Türe, horcht einen Moment und zieht sie dann behutsam auf. Warme, nach Tier riechende Luft dringt aus dem riesigen Stall, man hört vielstimmiges Gackern. Mit einem Ruck hievt Thomas Wüthrich seinen Rollstuhl über die kleine Schwelle – und rollt ins Gewusel der 8500 Hühner. «Chicken», nennt der 51-Jährige sie liebevoll und lacht. Denn nicht allen Besuchern sei sofort klar, dass er seine Hühner nicht für die Eierproduktion hält. 38 Tage dauert ein Hühnerleben auf Wüthrichs Mastbetrieb, bis die Küken ein Lebendgewicht von rund 2,2 Kilos erreicht haben und dann zum Schlachthof gefahren werden. Wenige Tage später kann man Wüthrichs Güggeli ganz oder als Einzelteile bei einem Grossverteiler kaufen. Auf der Verpackung steht: «Poulet aus besonders tierfreundlicher Stallhaltung» und der Name des Mästers. Auffallend aufgeräumt ist der Wüthrich‘sche Bauernhof, denn als Rollstuhlfahrer vermeidet der Besitzer Hindernisse. Und sein Motto lautet: «Folgeschäden vermeiden». Der Bauer im Rollstuhl benötigt oft weniger lange für gewisse Arbeiten als mancher Fussgänger. Zumal als einer, der «jufle und schlufe», sagt Thomas Wüthrich im breiten Berner Dialekt. Technische Versiertheit und Organisation sind ihm Ein und Alles. Die Hühner laufen her­um, sie fressen und trinken nach Lust und Laune; Futteranlage, Heizung sowie Lüftung sind per Computer überwacht. Und sollte einmal eine der Maschinen ausfallen, weckt das den Bauern selbst in der Nacht. Auch im Munistall beeindruckt Sauberkeit, was sich auf die Laune der Tiere auswirkt: Die 20 Jungstiere muhen zufrieden. Sie kommen auf Wüthrich zugelaufen, einer der jungen Bullen schleckt sanft seine Hand. Innert sechs bis acht Monaten fressen die Tiere sich mit Silomais, Heu und Kraftfutter 300 Kilos an und verlassen mit einem Schlachtgewicht von

520 Kilos den Hof. «Das tut mir dann manchmal schon leid, denn immer wieder wächst mir einer der Jungstiere ans Herz», sagt Thomas Wüthrich über seinen «tierischen Familienanschluss». Dann ist ein weiterer Mastzyklus zu Ende. Wüthrich kauft neue Jungstiere und fängt wieder von vorne an. Grosse Krise nach Unfall Auch nach dem tragischen Skiunfall 1986, als er bei St. Stephan (Obersimmental BE) über eine Wächte stürzte, musste Thomas Wüthrich wieder von vorne anfangen. Als der inkomplette Tetraplegiker zur Rehabilitation ins Schweizerische Paraplegikerzentrum in Basel kam, fiel er in eine grosse Krise. Er fühlte sich ohnmächtig und wollte so schnell nicht mehr auf den Bauernhof zurückkehren: «Ich sagte allen, dass ich erst wieder nach Hause gehen würde, wenn ich wieder laufen kann.» Das blieb Wunschdenken. Wüthrich musste sein neues Leben im Rollstuhl gestalten: als «Bauer auf Rädern». Bei der Rehabilitation wollte man ihm Büroarbeit ans Herz legen – er bildete sich als Bauer weiter und bestand die Meisterprüfung als Landwirt. Dass er dereinst den elterlichen Hof übernehmen werde, das wusste Klein Thomas schon in der vierten Primarklasse: «Ich habe schnell gelernt, wenn etwas auf unseren 13 Hektaren heranwächst und reif ist.» Es wächst nicht nur Vieh auf dem Hof in Altwyden (BE), sondern auch Getreide und Gemüse in integrierter Produktion (IP Suisse): Mais und Gerste, Weizen und Roggen, aber auch Raps, Erbsen und Sonnenblumen. Seit 1994 ist Thomas Chef auf dem Bauernhof, Mutter Liseli Wüthrich unterstützt ihn so gut sie kann. Die 80-Jährige ist die gute Seele im grossen Haus: Sie kocht und wäscht, nimmt Thomas komplizierte Arbeiten im Stehen ab. Der Sohn über die Mutter: «Ohne sie könnte ich den Hof nicht bewirtschaften.»

Bauer, ledig, tanzt Mittags sitzen die beiden am Küchentisch. Sie trinken Früchtetee und geniessen Rösti mit Geschnetzeltem. Fleisch muss es sein, denn «Fisch mag ich gar nicht», sagt Thomas Wüth­ rich. Er beweist Disziplin und schaut auf seine Linie. Ein «Ranzen» würde ihn bei der Arbeit als auch beim Rollstuhltanzen behindern. Jeden Montag fährt Wüthrich am Abend nach Basel, wo er als Mitglied der Roll-‘n‘-GoDancers, einer Sektion des Rollstuhlclubs Solothurn, zu verschiedener Musik Pirouetten dreht oder an Festen Formationstänze aufführt.

Bauer auf Rädern. Mit Radlader «Fredy» ersetzt Wüthrich schwache Beine und Kraft.

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PORTRÄT

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1  Tierfreund. Immer wieder wächst ihm einer seiner 20 Jungstiere ans Herz. 2  Lehrmeister. Thomas Wüthrich teilt im Maisfeld sein Wissen mit Göttibub Markus. 3  Bastler. Nachbarn bringen Wüthrich gerne defekte Maschinen zur Reparatur.

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Zweisamkeit. Mit Mutter Liseli beim Mittagessen; mit Tanzpartnerin beim Rollstuhltanz.

Thomas Wüthrich ist ein bodenständiger Mensch. «Doch manchmal habe ich auch Zweifel. Und dann packt man jeden noch so kleinen Strohhalm.» Als er nach der Reha­ bilitation mit seinem Schicksal haderte, flog er mit einer Reisegruppe auf die Philippinen und suchte Geistheiler auf. Er wollte Hilfe erhalten und allenfalls bald wieder laufen können. «Doch denkste!», schmunzelt er beim Erzählen, «bei mir hat das nichts genützt.» Andere erlebten «Phänomene beim Wunderdoktor». Er habe auf den Reisen immerhin interessante Kollegen im Rollstuhl kennen gelernt, von denen er Tipps zur Bewältigung des Alltags erhielt. «Das ist doch auch was wert!» Liebe hat kaum Platz Und wie hat er es mit der Liebe? «Ich würde mir als Fussgänger auch keine Partnerin im Rollstuhl wünschen», erzählt Thomas Wüthrich offen. Er könne als Bauer im Rollstuhl wohl kaum der Wunschpartner einer Fussgängerin sein. Bauern haben es eh schwer, eine Partnerin zu finden, das beweise nur schon die beliebte TV-Sendung «Bauer, ledig, sucht ...». Wüthrich verbringt die Freizeit gerne mit Freunden, die ihm auf dem Hof helfen, wenn alle Stricke reissen. Immer wieder kann er zudem auf seine langjährigen Berufskollegen der Region zählen. Nicht, dass er sich beklagen möchte. Nein, Wüthrich liebt seine Arbeit, auch wenn seine Schultern und Handgelenke durch die jahrelange Arbeit arg abgenützt sind und Arthrose ihn plagt. «Der Bauernhof ist meine Leidenschaft, und für einen Bürojob wäre ich vermutlich zu wenig intelligent.» Wirklich? Da macht sich einer kleiner, als er ist, denn immer wieder lässt der humorvolle Mann Bauernschläue aufblitzen. «Langeweile? Das kenne ich nicht.» Und so arbeitet er seine Sorgen weg.

Flink im Rollstuhl Als Tüftler baute er den Maschinenpark auf seine Bedürfnisse um. An den Swisstrak, ein Elektrozuggerät für Rollstühle, montierte er grosse Räder eines Anhängers. Es macht ihm riesig Spass, «in der Gegend rumzugurken»; nicht nur im Schneckentempo, sondern mit 15 Stundenkilometern ziemlich rasant und auch mal querfeldein, um die Kulturen zu kontrollieren. Thomas Wüthrich schweisst gerne an Eigenkonstruktionen oder an Arbeitsgeräten wie «Fredy». Dieser starke Radlader ersetzt ihm die Beine und die Kraft, Wüthrich erledigt mit ihm flink einen Grossteil der Arbeiten. Wüthrich hat Maschinen-Aufhängevorrichtungen konstruiert, die so praktisch sind, dass sie schon mehrfach kopiert wurden. Die Bauern aus der Nachbarschaft loben ihn dafür. Bedächtig im Freundeskreis Thomas Wüthrich ist leidenschaftlich, aber er weiss um seine Grenzen, auch wenn er sich gewohnt ist, stets hart anzupacken. Er war im Freundeskreis stets der Bedächtige, holte die risikofreudigen Kameraden immer wieder auf den Boden der Realität zurück: «Wieso tut ihr so wild?», fragte er sie oft. Ab und zu hatte er Angst vor einem Leben im Rollstuhl – weshalb er am Limit nie den Kopf verlor. Er hatte es jeweils gespürt, wann er sich in Gefahrenzonen begab; etwa auf einem Geländer oder beim Abdecken eines Daches, kurz bevor beides einstürzte. Ausser an jenem kalten Februartag beim Skifahren, da liess ihn sein Instinkt im Stich und er hatte Pech: «Heute bestimmen wir über Sie», sagten ihm die Ärtzte im Spital als Erstes. Es hörte sich schlimm an – nach Unselbstständigkeit. Heute arbeitet Thomas Wüthrich weitgehend selbstständig und ist mit sich ziemlich im Reinen. Einzig Zukunftsangst plagt ihn und seine Mutter. Noch gravierendere Probleme sieht er allerdings anderswo: «Wenn ich nur schon

daran denke, dass viele junge Menschen mit ihrem Leben nicht klarkommen und sich mit Alkohol und Drogen zerstören.» In solchen Momenten freut er sich über seine eigene kleine Welt, die er in Schuss hält. Wenn ein Nachbar eine defekte Maschine zum Reparieren bringt, kann Thomas Wüthrich stundenlang in der Werkstatt schalten und walten. Meist bringt er sie wieder zum Laufen. Das gibt ihm Bestätigung, er weiss: «Ich bin ein guter Bastler.» Und ein Lachen fliegt über sein Gesicht. Mutter Liseli schaut dann stolz auf ihren Sohn. Er nimmt sie in den Arm und sagt: «Eigentlich haben wir es ja schön.»

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Nichts ist undenkbar

Mobilität im Alltag, im Beruf und in der Freizeit erleichtert die Wiedereingliederung von querschnittgelähmten Menschen. Sich selbstständig bewegen zu können, bedeutet Unabhängigkeit und Freiheit. Zu Hilfe kommt Para- und Tetraplegikern dabei modernste Technik, die vielerlei Wünsche erfüllt und die Fantasie zur Schaffung aussergewöhnlicher Fahrzeuge anregt. Vier Betroffene erzählen, was Mobilität in ihrem Leben bedeutet.

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REPORTAGE

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REPORTAGE

Text: Christine Zwygart | Illustration: Gabor Fekete | Bilder: Walter Eggenberger, Astrid Zimmermann-Boog, zvg

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uerschnittgelähmte Menschen benötigen, um im Alltag selbstständig vorwärtszukommen, nicht nur einen Rollstuhl, sondern auch umgebaute Fahrzeuge. Dank modernster Technologie können heute viele körperliche Einschränkungen wettgemacht werden. Beim Auto- und Velofahren, aber auch bei speziellen Gefährten für Freizeit, Sport und Wohnen. Individuelle Mobilität bedeutet für Para- und Tetraplegiker viel mehr als nur Fortbewegung. Unabhängigkeit und Freiheit bringen ihnen mehr Selbstbestimmung und Lebensqualität in allen Bereichen. Eine Wohnung auf Rädern Seine eigenen vier Wände hat Martin Senn immer mit dabei. Der 36-jährige Berner Oberländer wohnt seit gut sechs Jahren in einem umgebauten Bus. «Ich übernachte nie zwei Mal hintereinander am gleichen Ort», erzählt der Tetraplegiker und führt durch sein Daheim: Hinten im Heck steht das Bett, im schmalen Schlauch davor sind rechts Dusche und Chemie-WC untergebracht, links die Küche. Dazu ein kleiner, unterfahrbarer Holzladen als Tisch

und die Hebebühne zum Ein- und Aussteigen. «Im Moment stimmt diese Lebensform für mich.» Nach einer Umschulung arbeitet der gelernte Metallbauschlosser jetzt als Maschinenbauzeichner und modelliert für eine Firma in Eschenbach (LU) verschiedenste Teile auf dem Computer – das kann er überall machen. So lassen sich Job, Freizeit und seine Reiselust optimal kombinieren. Basteln, tüfteln, verbessern Die Idee, einen Bus auf seine Bedürfnisse umzubauen, kam Martin Senn bereits während der Rehabilitation: «Ich wurde damals zwar ein bisschen schräg angeschaut, aber mir gefiel der Gedanke.» Frei sein, unterwegs sein, unabhängig sein – Gefühle, die er bereits als Fussgänger genoss. Nach einem Kletterunfall im Jahr 2001 wollte er darauf nicht verzichten. Also kaufte der Rollstuhlfahrer einen grossen Kastenwagen, liess diesen mit Lift ausstatten und so umbauen, dass er Gas und Bremse von Hand bedienen kann. «Die ersten Jahre probierte ich mit Mobiliar aus der Brockenstube aus, wie ich mein Daheim idealerweise ein-

richte.» Schnell war klar, dass das Gefährt auch Heizung und Klimaanlage, Wassertanks und Generator benötigte. Während zwei Jahren werkelte Martin mit Kollegen herum, entwarf Möbel, teilte den Raum ein. Als die Beziehung mit seiner damaligen Partnerin in die Brüche ging, mistete er die Wohnung aus, stellte bei Freunden ein paar Kisten mit persönlichen Sachen ein und zog definitiv in den Bus. «Das hatte etwas sehr Befreiendes.» Bald Kilometer-Millionär Mehr als 400 000 Kilometer hat Martin Senn mit dem sieben Meter langen Auto inzwischen zurückgelegt. Er war in zahlreichen Ländern des Balkans, bereiste England sowie Skandinavien und liebt besonders die ligurische Küste, wo man mit dem Bus ganz nahe ans Meer heranfahren kann. «Im Sommer machst du die Türe auf und hast die grösste Wohnung der Welt.» Und seine schönsten Erlebnisse: Unverhoffte Begeg­ nungen mit Menschen. «Einen Alltag in festgefahrenen Bahnen kann ich mir vorläufig nicht vorstellen.»

Wohn-Auto. Martin Senn lebt in seinem Bus auf vier Quadratmetern – Platz genug, um mit dem Rollstuhl wenden zu können. Hier kann er kochen, schlafen und arbeiten.

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Golf-Mobil. Dank eines modernen Carts kann Urs Bucher seinen Sport trotz Tetra­plegie ausüben. Für den Transport braucht er einen speziellen Anhänger.

Handicap trotz Handicap Wenn Urs Bucher auf dem Golfplatz Rastenmoos bei Neuenkirch (LU) eine Runde dreht, erntet er zuerst neugierige, dann bewundernde Blicke. Der 60-Jährige sitzt im Rollstuhl, seine Beine sind gelähmt, Arme und Hände kann er nur eingeschränkt nutzen. Damit der Luzerner seinen Sport dennoch ausüben kann, benötigt er einen sogenannten Power-Golfer. Die Gurten um Beine und Brustkorb sind gut angezogen – per Knopfdruck kann er sich innerhalb von fünf Sekunden aufrichten. Dann geht’s ans Schlagen. «Auf mich muss kein Mitspieler warten. Im Gegensatz zu ihnen habe ich immer alles mit dabei», sagt’s und pfeffert den Ball Richtung Horizont. Golfen lernte Urs Bucher noch als Fussgänger, denn der Architekt pflegte sein geschäftliches Beziehungsnetz gerne beim Spielen. Zwar sitzt er seit einem Verkehrsunfall 1990 im Rollstuhl, doch die Leidenschaft für den Sport ist geblieben. Beim Betrachten eines grossen Rasenmähers mit Sitz kam Urs Bucher dann plötzlich die zündende Idee: Gemeinsam mit einem Kollegen baute er ein Modell so um, dass er sich selber daraufsetzen, fahren und Golfspielen konnte. «Das Gefährt lief mit Benzin, stank und machte fürchterlichen Lärm», erinnert er sich. Doch mit diesem «Paramagic» lernte er im Rollstuhl wieder Golf spielen. Kaum Unterschiede zu Fussgängern Die modernen Carts sind technische Wunderwerke. Schräge und steile Wege? Kein Pro­ blem! Sie schaffen Steigungen bis zu 30 Prozent und kommen selbst bei 17 Prozent Schräglage nicht ins Wanken. Und: Sie schonen, dank besserer Druckverteilung, sogar das Green, den sensiblen Rasen rund ums Loch herum. Selbstverständlich verhält sich Urs Bucher auf dem Platz so wie jeder andere Golfer. Er klopft lose Grasbüschel wieder in den Boden und recht den Bunker. Nur wenn der inkomplette

Mobilität für Lebensqualität

Tetraplegiker mit einer ausziehbaren Zange nach einem Ball angelt, sind kleine Unterschiede zu Fussgängern auszumachen. Heute ist Urs Bucher der beste Rollstuhl-Golfer Europas. «Am schönsten ist, dass ich meistens mit Fussgängern spiele.» Urs Bucher will dabei nicht freundlich integriert, sondern als ebenbürtiger Partner akzeptiert werden. «Dann macht’s am meisten Spass.» Unmögliches möglich machen Mobilität hat für Rainer Küschall schon immer eine zentrale Rolle gespielt. Er war erst 16 Jahre alt, als er sich bei einem Kopfsprung ins Wasser drei Halswirbel brach. «Mit meinen Projekten will ich zeigen, dass auch das höchste Handicap kompensiert werden kann», sagt der 66jährige Rollstuhl-Designer und mehrfache Paralympics-Gewinner. Wie? Er fährt in der europäischen Sports Car Challenge. Gegner des weltweit einzigen Tetraplegikers mit internationaler Lizenz sind dabei Fussgänger, teilweise gar Profis.

Wenn das Auto als Inbegriff der Freiheit und Beweglichkeit gelten kann, dann für Menschen mit Querschnittlähmung. Ohne individuell angepasste Fahrzeuge bliebe bestmögliche Wiedereingliederung vielen von ihnen versagt. Zum Leis­ tungsnetz für ganzheitliche Rehabilitation der Schweizer Paraplegiker-Stiftung (SPS) gehört daher auch eine Firma, die sich auf den Umbau von Fahrzeugen für Menschen im Rollstuhl versteht. Rund ein Dutzend Mitarbeitende einer entsprechenden Abteilung der Orthotec AG in Nottwil und ab 2014 auch in Cugy (VD) modifizieren jährlich rund 200 Autos sowie andere motorisierte Gefährte. Kunden zugute kommen Erfahrung, Qualitätsbewusstsein und Innovationsstreben sowie die enge Zusammenarbeit mit Spezialisten im Schweizer ParaplegikerZentrum (SPZ) Nottwil, Wissenschaftern, Ingenieuren und Behörden. Massgebend im Einzelfall sind persönliche Bedürfnisse des Lenkers, aber auch umfassende Sicherheit sowie ein vernünftiges PreisLeistungs-Verhältnis. Das Angebot der Orthotec AG reicht von ersten Abklärungen über die Entwicklung von Prototypen, den eigentlichen Umbau bis hin zur Homologierung oder Vorführung von Fahrzeugen. Weitere Informationen: www.orthotec.ch

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Renn-Fieber. 2013 errang Rainer Küschall in seinem offenen, roten Rennwagen den ersten Sieg. Mit dem Nuggi im Helm kann er schalten – ums Technische kümmert sich ein Servicemann.

Küschalls Alltag ist geprägt von Abhängigkeit. Oder wie er selber sagt: «Ich kann keine Butter aufs Brot streichen. Aber ich kann Rennen fahren.» Möglich macht dies modernste Technologie. Wenn Küschall in hohem Tempo über die Piste donnert, benützt er eine Servolenkung, die auf minimen Kraftaufwand reagiert. In seinem Helm ist ein Nuggi installiert, der über ein Steuergerät durch Saugen und Blasen alle sechs Gänge innert 21 Millisekunden rauf oder runter schaltet. Solange der Körper mitmacht Obschon Küschalls Auto wegen Umbauten 56 Kilo schwerer ist als herkömmliche, ver­mag der Mann aus Allschwil (BL) ganz vorne mitzuhalten. Nach mehreren Spitzenklassierungen zuvor feierte er im Juni 2013 in Deutschland endlich den ersten Sieg. «Ich stehe in einem Wettbewerb auf hohem Niveau. Deshalb war dieser Erfolg ein wirklich aussergewöhnlicher, beglückender Moment für mich.» Und Lohn für viel Herzblut und Idealismus, die er investiert hat. Beendet ist seine eigentliche Mission damit aber keineswegs. Er ist noch immer mit der Fertigstellung eines «Eigenbaus» beschäftigt. «Fünf Prozent fehlen noch, aber das sind die schwierigsten, wie sich bei Tests herausgestellt hat.» Zudem ist Rainer Küschall dabei, ein Team zu bilden, das nur aus querschnittgelähmten Piloten besteht, die gemeinsam an Langstrecken-Rennen teilnehmen wollen. Der erste Start ist im Januar 2014 in Dubai (VAE) geplant. Sollte es nicht klappen, lebt der Wille, das Unmögliche zu versuchen, trotzdem weiter.

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Und eines ist für ihn sowieso klar: „Solange der Körper mitmacht, will ich fahren. Denn im Rennauto bestimme ganz allein ich, was wann und wie gemacht wird.“ Ein wunderbares Gefühl Es glänzt perlmuttern, sieht unverschämt gut aus und lässt die Herzen von Harley-Fans höher schlagen: ein massgefertigtes Trike – ein Motorrad, das hinten zwei Räder hat. Entstanden ist es in der Werkstatt von Sven Traber in Waltalingen (ZH). Sein Besitzer ist Rollstuhlfahrer Cornel Sonderer aus Wängi (TG). Gemeinsam haben die beiden das Gefährt aus einer Harley Softail und einem Heck-Bausatz zusammengefügt. «In dieser Maschine stecken viel Handarbeit und Sonderwünsche», erzählt Sonderer. Die technische Herausforderung bestand darin, alle Bedienungselemente auf Handbetrieb und auf die Bedürfnisse eines Paraplegikers umzubauen. So sorgt beispielsweise ein Luftfahrwerk dafür, dass sich das Trike zum Aufsteigen senken lässt. Bremsen, Licht, Schaltung – alles kann der 44-Jährige bedienen, ohne dabei den Lenker loslassen zu müssen. Und in der grossen Box unter dem Sozius lässt sich sogar ein Faltrollstuhl verstauen.


REPORTAGE Alois Kaufmann ist Verkehrsexperte für Führer- und Fahrzeugprüfungen beim Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern. Hier werden pro Jahr zwischen 100 und 200 umgebaute Fahrzeuge geprüft.

Rückkehr zur Normalität Schon während der Rehabilitation im Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ) Nottwil wusste Cornel Sonderer, irgendwann wieder Motorrad fahren zu wollen – einer, der eben wegen eines Töffunfalls querschnittgelähmt wurde. «Aber ich trug damals keine Schuld, hatte nichts falsch gemacht.» Und so wuchs das Verlangen nach einem neuen Gefährt, mit dem man in die Ferien fahren oder Ausflüge machen kann. Cornel Sonderer hatte auch genaue Vorstellungen, wie das Trike aussehen sollte. So flossen bei der Umsetzung viele eigene Ideen mit ein. «Natürlich ist es nicht mehr genau so wie früher», räumt er ein. Auf drei Rädern kann er nicht in die Kurve liegen, und die 400 Kilo schwere Maschine mit einem 1600-ccm-Motor ist auch breiter als ein Töff. Dennoch geniesst der Aussendienstmitarbeiter die Möglichkeit, wie früher wieder mit Kollegen unterwegs zu sein. Einige schmerzliche Probleme am Anfang blieben nicht aus. Beim Transfer vor der ersten Probefahrt verbrannte sich Cornel Sonderer die Fussfessel am noch ungeschützten heissen Auspuff. «Das passiert dir aber nur einmal», meint der 44-Jährige mit einem Schulterzucken. Über 500 Arbeitsstunden stecken in dem Trike. Aber jede einzelne hat sich bezahlt gemacht: «Das Fahren gibt mir viel Freiheit und Normalität zurück.»

«Wir sehen manchmal auch Exotisches» Gelten für Autos von Behinderten die gleichen Richtlinien wie für alle anderen? Um die Fahrzeuge den Bedürfnissen anzupassen, dürfen sie von den Ausrüstungsvorschriften abweichen, soweit es die Sicherheit gestattet. Dies betrifft beispielsweise Bedienungsvorrichtungen und Einstiegshilfen. Zum Testen ist es wichtig, dass wir die Fahrzeuge selber fahren. Dank modernster Technologie können selbst hochgelähmte Menschen heute Auto fahren. Wie sicher ist das? Tatsächlich können sehr komplexe Fahrzeugumbauten vorgenommen werden. Ein Beispiel ist die Joystick-Bedienung. Die elektronischen Komponenten sind da zum Teil doppelt verbaut, ähnlich wie es im Flugzeugbau üblich ist. Diese Systeme überprüfen sich selbstständig, und tritt ein Fehler auf, übernimmt das zweite System automatisch. Was raten Sie jemandem, der ein Fahrzeug umbauen will – wie soll er vorgehen, damit es keine Probleme gibt? Umbauten sollen immer in Fachbetrieben vorgenommen werden, die erforderliches Wissen, Erfahrung und Kenntnisse über die Anwendung der rechtlichen Bestimmungen haben. Haben Sie auch schon «exotische» Gefährte gesehen? Ja, Fahrzeuge mit einer Fusslenkung für Personen, die keine Arme haben. Oder Autos mit mechanischem Getriebe, welche für Handbetrieb umgebaut werden. Immer mehr kommen auch Joysticks zum Einsatz. Dürfte theoretisch auch ein Sattelschlepper oder ein Reisecar für einen Rollstuhlfahrer umgebaut werden? Die medizinischen Anforderungen sind in der Verkehrszulassungsverordnung geregelt. Wer einen Reisecar fahren will, darf keine Lähmungen, Versteifungen oder Verstümmelungen haben. Für das Fahren eines Lastwagens der Kategorie C genügt es hingegen, wenn der Lenker eine funktionelle Leistungsfähigkeit besitzt. Erhalten behinderte Jugendliche unter 18 Jahren eine Sonderbewilligung zum Autofahren, wenn es unbedingt nötig ist? Ja, die kantonale Behörde kann behinderten Personen den Führerausweis für Autos, Motorfahrräder oder Motorfahrzeuge mit einer Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h aufgrund eines ärztlichen Gutachtens vor Erreichen des jeweiligen Mindestalters erteilen.

Biker-Traum. Das Trike verhilft Cornel Sonderer zurück in die Normalität. Zusammen mit Sven Traber hat er das Freizeit-Gefährt gebaut und mit vielen liebevollen Details ausgestattet. Paraplegie, November 2013 |

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ZUR SACHE

Sozialer Mehrwert durch weltweite Vernetzung Vorhang auf für Paraforum: Auf einer neuen Website tauschen sich ab Dezember Menschen im Rollstuhl, Angehörige und Fachkräfte weltweit aus. Die interaktive Onlineplattform der Schweizer Paraplegiker-Gruppe schliesst eine Lücke im Informations- und Kontaktangebot zum Thema Querschnittlähmung. Text: Mathias Haehl | Bilder: Astrid Zimmermann-Boog

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uerschnittgelähmte decken sich laut Statistiken zu 80 Prozent in direktem Kontakt bei Spezialisten und bei Allgemeinmedizinern mit Infos ein. Die Suche nach medizinischer Information via andere Kanäle kann eine langwierige und mühsame Angelegenheit sein. Im Internet finden Interessierte häufig nur veraltete Behandlungskonzepte und wenig spezifische oder konkrete Angaben zu den komplexen Herausforderungen, die das Leben im Rollstuhl sowie der Umgang damit im Alltag stellen. Viele Paraplegiker sind oft ratlos und auf sich selbst gestellt. Ihnen fehlen direkte Information, unkompliziert abrufbare medizinische Hilfe und immer wieder auch Kontakt mit Gleichgesinnten. So geht es auch Patientin A. Sie hat gerötete Hautstellen und sorgt sich. Die 29-Jährige ist seit einem Jahr auf den Rollstuhl angewiesen, nachdem sie einen schweren Unfall mit dem Auto erlitt. «Wo kommen die Flecken her? Was soll ich tun? Wie soll ich es tun? Was gilt es zu vermeiden?», fragt sie sich in berechtigter Angst. Früher googelte sie stundenlang im Internet nach Symptomen und Diagnosen. Ziel: 5000 Nutzer weltweit bis 2016 Ab Dezember loggt sich Patientin A auf Paraforum ein und stellt ihre Fragen gleich der gesamten Gemeinschaft, die sich für Belange der Querschnittlähmung interessiert. Rund

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5000 Nutzer weltweit sollen sich innert zwei Jahren wie Patientin A regelmässig austauschen. «Es ist ein Kommunikations-Markt in Anlehnung an das alte römische Forum», sagt Professorin Sara Rubinelli. Sie arbeitet in der Schweizer Paraplegiker-Forschung (SPF) und ist als Projektleiterin verantwortlich für den Inhalt der neuen Onlineplattform.

den beste Ressourcen. Diese verfügen über Fachwissen und Erfahrung, und sie geniessen einen aus­gezeichneten Ruf. Die SPG-Belegschaft ist auf dem neusten Stand in Pflege, Therapie und Medizin, in beruflicher Integration und Rechtsfragen sowie in Forschung und lebenslanger Begleitung Querschnittgelähmter. Stilistisch ist die Website einfach aufgebaut und sinnlich gestaltet. «Mittels prägnanter Icons, einfacher Navigation und klarer Struktur werden die Nutzer motiviert, sich im weitreichenden Angebot auszutauschen», erklärt Rubinelli.

Information und Austausch «Zentral ist das Lernen von der Community, aber auch für sie und somit mit ihr», sagt Rubinelli. Als Nutzer angesprochen sind Querschnittgelähmte, deren Famiwww.paraforum.ch lien und Freunde, Forscher und Wissenschaftler sowie medizi­ Im Angebot von Paraforum stehen News, nützliche nische Betreuer. Nebst Informa­ Links, Infos über Kontaktnetze sowie Geschäftsparttionsvermittlung steht so auch ner; es werden Versorgungslücken und häufige Frader soziale Austausch im Vordergen aufgeführt sowie der Umgang damit instruiert. grund. Es ist ein spezifischer AusInformationen können sich alle Internetnutzer hotausch zum Thema Rückenmarkslen, interagieren hingegen nur die Registrierten. verletzungen: In Chatforen und Der Dienst ist gratis und wird vorläufig in vier Sprachen angeboten: Englisch, Deutsch, Französisch und Blogs finden sich Interessierte, die Italienisch. In Zusammenarbeit mit anderen Ländern bedürfnisorientiert zusammenarist das Angebot auch in weiteren Sprachen geplant. beiten und sich organisieren. Das Projekt wurde durch eine Erstinvestition der Entwickelt, erstellt und betrieben Schweizer Paraplegiker-Stiftung (SPS) lanciert und wird die Paraforum-Website von findet weltweit Unterstützung durch SCI-Vereinider SPF und der Schweizer Paraplegungen (Spinal Cord Injuries = Wirbelsäulenverletgiker-Gruppe (SPG). Um hohe inzungen). haltliche Qualität zu liefern, beInfos: www.paraforum.org / www.paraforum.ch sitzt die SPG mit 1400 Mitarbeiten-


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ZUR SACHE Projektleiterin. Professorin Sara Rubinelli ist für den Inhalt der neuen Onlineplattform verantwortlich.

Von diesem neuen weltweiten Austausch erhofft sich Daniel Joggi, Stiftungsratspräsident der Schweizer Paraplegiker-Stiftung (SPS), grossen Nutzen zur Förderung der Lebensqualität querschnittgelähmter Personen: «Es sollen Impulse für neue Einrichtungen und Hilfsmittel entstehen.» Nutzer sind selber Experten Sara Rubinelli ist in Zeiten von sozialen Medien wie Facebook und Multimedia wichtig, dass die Interaktion im Mittelpunkt steht: «Bei Paraforum sind die Nutzer selber die Experten, sie haben oft langjährige Erfahrung und kennen demzufolge viele Tipps, dank denen sich das Leben mit Querschnittlähmung erträglicher machen lässt. Denn für viele Paraund Tetraplegiker ist wichtig, wie man Fachkenntnis in der Praxis anwendet.» Das umfassende Wissen ist in einer Bibliothek aufgeschaltet, die laufend aktualisiert wird. Vielfältige Paraforum-Dienste Paraforum bietet vielfältige Dienste: Es gibt auf «MyDiary» Programme zu Selbstkontrolle und Selbstmanagement; mit diesen sogenannten «self-tracking tools» dokumen­

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«Interaktives Netzwerk» Luca Camerini (30) hat das Design und die Navigation von Paraforum erarbeitet. Der IT-Experte und Gesundheitskommunikations-Wissenschaftler arbeitet in Lugano. Luca Camerini, was zeichnet die Onlineplattform Paraforum aus? Bekannte Onlineplattformen für Menschen mit Querschnittlähmung bieten leider meist nur einen einzelnen Service: Entweder sind sie eine Bibliothek oder ein Webforum, entweder leisten sie Beratung oder sind soziales Netzwerk. Wir versuchen auf Paraforum diverse Services zu bündeln und miteinander interaktiv zu vernetzen. Ein interaktives Netzwerk zu unterhalten, ist keine leichte Aufgabe. Denn die Internetnutzer sind einfache Handhabung gewohnt, wollen dabei aber möglichst komplexe Informationen sowie zeitnahe und direkte Interaktion, um einen umfassenden Ertrag zu ziehen.

ZUR SACHE

tieren Patienten die Entwicklung ihrer Ernährung und ihren Schmerz- oder Schlafverlauf. Dank diesen aussagekräftigen Statistiken können sie selbst oder in Zusammenarbeit mit dem Arzt und Therapeuten Konsequenzen für die Therapie ableiten. «Die Möglichkeit von Online-Umfragen zu aktuellen Fragestellungen bietet eine zusätzliche Quelle für Forschung, Wissenstransfer und Innovation», erklärt Mirjam Brach, Geschäftsführerin der Schweizer Paraplegiker-Forschung (SPF).

Welche Vorbilder hatten Sie? Ich habe 2004 mit einer Website für Rheumakranke einen ähnlich umfassenden Service aufgebaut. Diese Erfahrungen brachte ich während der letzten beiden Jahre als externer Berater für Paraforum ein. Zudem konnte ich auf mein Know-how aus der Softwarebranche bauen; ich betreue eine breitgefächerte Kundschaft und kenne in Sachen Design und Technik den aktuells­ ten Stand der Dinge.

Wie sieht dieser derzeit aus? Wir wollen schnell und in erstklassiger Qualität Informationen und Onlineaustausch anbieten. Dabei ist es bedeutsam, die Sprachdifferenz zwischen den fachlich versierten Forschern und den Betroffenen zu überbrücken, also eine allgemeinverständliche Sprache zu verwenden, die trotzdem höchst präzise ist. Unser Ziel ist es, Paraforum zu der Plattform in Sachen Wirbelsäulenverletzungen und Querschnittlähmung zu machen.

Wie garantieren Sie, dass persönliche Daten etwa auf «MyDiary» nicht in falsche Hände geraten? Auf der einen Seite wird die gesamte Plattform nach dem höchsten internationalen Standard zertifiziert, mit dem sogenannten HONcode, einem ethi-

Fragen werden schnell beantwortet Dank den vielen Interaktions-Möglichkeiten von Paraforum sind die Fragen von Patientin A schnell beantwortet. Sie erfährt, dass die geröteten Hautstellen Anzeichen von bevorstehenden Druckgeschwüren (Dekubitus) sind. Nutzer B, ein 36-jähriger Tetraplegiker, der seit 15 Jahren im Rollstuhl sitzt, erklärt ihr live via Paraforum: «Liebe A, wenn du die betroffenen Stellen massierst, dich viel bewegst und zudem für ausgewogene Ernährung sorgst, dann sollten sie bald verschwunden sein.» Und weil B sich gerne mit Schicksalsgenossen an einem Tisch persönlich austauscht, fügt er im Chat an: «Falls du Lust und Zeit hast, können wir uns bei Gelegenheit auch mal zu einem Kaffee treffen.» So geht das soziale mit dem medizinischen Interesse Hand in Hand.

schen Verhaltenskodex. Dahinter steht die Stiftung Health On the Net Foundation, eine international anerkannte zivilgesellschaftliche Organi­sation. Auf der anderen Seite befindet sich Paraforum innerhalb der technischen Infrastruktur der Schweizer Paraplegiker-Gruppe, die höchste Sicherheitsstandards für personenbezogene Daten garantiert.

Wie sehen die nächsten Schritte in der Entwicklung von Paraforum aus? In Zukunft wollen wir unsere Informationen auch multimedial vermitteln, die Inhalte und Dienste für Smartphones und Tablets nutzbar machen. Vorerst bin ich aber gespannt, wie unsere Onlineplattform ankommt. Ich hoffe, dass Paraforum ein Erfolg wird und die Zahl der NutzerParaplegie, schnellAugust steigt. 2013 | 25

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PRAXIS

Energisch. Beim Sportmedizincheck unterzieht sich Dirigent Niki Wüthrich präzisen Messungen.

Lebensqualität mit Sport steigern Bessere Gesundheit und höhere Lebensqualität durch mehr Bewegung: Am Anfang steht ein gründlicher Check samt Beratung, wie ihn die Sportmedizin des Schweizer Paraplegiker-Zentrums (SPZ) Nottwil anbietet. Text: Mathias Haehl | Bilder: Walter Eggenberger

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ür Ihre Leistungsfähigkeit und Selbst­ ständigkeit beim Älterwerden wäre es wichtig, wieder mehr Sport zu machen», sagt Matthias Strupler und blickt seinem Gegen­ über eindringlich in die Augen. Die Worte des Chefarztes der Sportmedizin Nottwil wirken motivierend, als er mit Georg Kehrli nach der halbtägigen sportmedizinischen Unter­ suchung Bilanz zieht. Der 55-jährige Kehrli aus Rohr (AG) ist quer­ schnittgelähmt und nutzt regelmässig das breit gefächerte Angebot des vorzüglich aus­ gestatteten Instituts für Sportmedizin: Ana­ lyse und Beratung, Motivation und Trainings­ begleitung. Er will auch im Alter selbstständig einen Haushalt führen können, was im Roll­ stuhl nicht einfach ist. Sportmediziner kön­ nen dem Patienten sein Handicap zwar nicht nehmen, aber sie können ihm helfen beim Versuch, dieses zu kompensieren. Mit Erfolg: Georg Kehrlis Gesundheit ist laut Matthias Strupler seit dem letzten Untersuch besser geworden. Herz-, Blut- und KreislaufWerte sind gut, die Cholesterinwerte sind allerdings verbesserungsfähig. Der Chefarzt mahnt: «Unbedingt weniger Schokolade, Würste und fettigen Käse essen.» Eine Mahl­ zeit bestehe im Idealfall nur aus je einem Vier­ tel Proteinen und Kohlehydraten, dafür zur Hälfte aus Gemüse oder Früchten. Nicht nur für Menschen im Rollstuhl Das zehnköpfige Team von Matthias Strupler steht aber nicht nur Menschen im Rollstuhl mit Rat und Tat zur Seite, sondern auch Fuss­

gängern, seien es Spitzen- oder Ausgleichs­ sportler, die Aufschluss über ihre Fitness und Gesundheit möchten. Ein solcher ist der 38-jährige Niki Wüthrich aus Erlenbach (ZH). Der erfolgreiche Dirigent, Musiker und Kul­ turmanager will sein Lieblingsinstrument noch besser blasen, den Stress besser wegste­ cken können. Wenn er auf seiner Posaune im Orchester Sinfonien spielt oder mit kleineren Ensembles Jazzgrössen nacheifert, sind men­ tale und physische Fitness entscheidend. Die will er testen und misst unter Aufsicht von Matthias Strupler seine Ausdauer und die Lungenleistung. Auf dem EKG-Testvelo strampelt er höchst konzentriert; ausserdem unterzieht er sich einem ausgedehnten Medi­ cal-Check. Abwechslungsreich trainieren Wüthrich geht es wie Kehrli: Er ist gesund und ziemlich fit, aber nicht in Topform. Sport­ mediziner Strupler sagt den beiden anhand

einer Vergleichsstatistik, dass sie sportlich einigermassen bei den Leuten sind. Dennoch mahnt er: «Sport treiben; mässig – dafür re­ gelmässig!» Kehrli verspricht dem Arzt nach dem Check: «Sie haben recht, meine Work-Life-Balance lässt sich verbessern. Ich werde daran arbei­ ten.» Dirigent Wüthrich, dessen anstren­ gungsabhängiges Asthma jetzt offiziell mit Zahlen belegt ist, weiss auch, was zu tun ist: «Ich werde meine zwei bis drei Trainings­ einheiten pro Woche abwechslungsreicher gestalten und nicht mehr nur Langstrecken laufen.» Das gefällt Matthias Strupler. Mit dem Laktat­ test konnte er beiden zeigen, in welchen Trai­ ningsbereichen sie die Fettverbrennung, Stehvermögen sowie Ausdauer verbessern können. Der Chefarzt sagt: «Uns sind nicht nur die Sporttests wichtig – wir liefern auch eine ganzheitliche Beratung.»

Sportmedizin Nottwil für jedermann Die Sportmedizin Nottwil ist ein Fachbereich des Schweizer Paraplegiker-Zentrums (SPZ) Nottwil. Es sind Gesundheits- und Medical-Checks, Lak­ tatsenke-Tests und Höhentrainings so­ wie Triathlon-Checks, Trainings- und Ernährungsberatungen im Angebot. Die Institution, die seit 2007 das Gütesiegel «Swiss Olympic Medical Center» trägt, ist öffentlich und richtet sich an Behinderten-Ath­ leten sowie an Leistungs- oder Ausgleichssportler. Mehr Infos: www.sportmedizin-nottwil.ch

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Spiel und Spass im Vordergrund Fast 50 Personen aus den vier nationalen Spezialkliniken für Querschnittgelähmte nahmen an den 17. Jeux Intercentres in Nottwil teil. Bei besten Bedingungen und hervorragender Stimmung hatten sie ausreichend Gelegenheit, sich in traditionellen oder auch ungewöhnlichen Spielen bzw. Sportarten zu versuchen. Das abwechslungsreiche Programm umfasste beispielsweise Blasrohrschiessen (Bild), Tischcurling oder Luftballon-Handball, aber

auch Boccia und Tischtennis. Besonderes Interesse weckte die Anwesenheit von Silvio Keller und Michael Fässler, Mitglieder des Schweizer Rollstuhltischtennis-Kaders. Erst gaben sie eine eindrückliche Kostprobe ihres Könnens, während Trainer Philipp Zeugin wichtige Details erklärte. Danach duellierten sich die beiden auch mit Teilnehmern. Ergänzt wurde der rundum gelungene Anlass mit diversen Informationsangeboten.

Selbstständigkeit fördern Um Selbstständigkeit, Selbstbestimmung und soziale Integration junger Menschen im Rollstuhl zu fördern, bietet das Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ) Nottwil jährlich Jugendrehab-Wochen an. Nächstes Jahr finden sie vom 14. bis 31. Juli statt. Das Angebot richtet sich an Jugendliche im Alter von 10 bis 16 Jahren mit ange­bo­rener bzw. früh erlittener Querschnittlähmung. Eine Überweisung durch den behandelnden Arzt bis 28. Februar 2014 ist unerlässlich. Weitere Informationen: SPZ Nottwil, ParaHelp, Andrea Meier-Violka, 6207 Nottwil, T +41 41 939 60 60, jugendrehab.spz@paranet.ch.

Einmaliges Erlebnis. Karl Emmenegger (links) und Pilot Hans-Peter Reusser.

Über Berge düsen Den Traum vom Fliegen erfüllte das Team des Instituts für Berufsfindung (IBF) im SPZ Nottwil seinem ehemaligen Leiter Karl Emmenegger. Zum Dank für 22 Jahre Einsatz durfte er in einer «Vampire» Platz nehmen und den Militärjet, in Begleitung eines Piloten vom Fliegermuseum Altenrhein (SG), mitsteuern. Emmenegger, selber querschnittgelähmt, flog hoch über der Eigerwand einen Looping, sauste mit 700 km/h rücklings am Matterhorn vorbei und gleitete über den Aletschgletscher. «Mein Flug-Highlight!», sagte der Aviatik-Fan.

Namentlich MOSAIK Jan Dietrich Reinhardt, lange im Dienst der Schweizer Paraplegiker-Forschung (SPF), wurde als Professor für Rehabilitationswissenschaften und Physiotherapie an die Universität Chengdu (China) berufen. Seit Oktober in Asien, wird er weiterhin auch an SPF-Projekten mitwirken. Matthias Pfammatter, 2005 bis 2010 Direktor Zentrale Dienste der Schweizer Paraplegiker-Gruppe (SPG), wurde zum Direktor des See-Spitals Horgen-Kilchberg (ZH) ernannt. Er wird seine Tätigkeit dort am 1. Januar 2014 aufnehmen. Derzeit leitet Pfammatter das Departement Chirurgie im Kantonsspital Luzern. Roger Getzmann, Leiter Leistungssport bei Rollstuhlsport Schweiz (RSS) der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung (SPV), wurde vom International Paralympic Committee (IPC) als Wettkampfchef Leichtathletik bestätigt. Das Mandat von Getzmann, seit 2011 in diesem Amt, läuft bis 2016.

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MOSAIK

Laufen für Rollstuhlfahrer Foto: Avnet

Voller Einsatz. Teilnehmer am Avnet Charity Event.

Die Avnet AG (Rüschlikon ZH) führt jährlich eine Wohl­ tätigkeitsaktion durch. Unter dem Titel «Avnet Charity Event» liefen 2013 rund 50 Mitarbeitende der Firma sowie von Partnern und Herstellern um Geld für Menschen im Rollstuhl. Belohnt wurden mehr als 580 Runden auf einer 400-m-Bahn, indem Sponsoren pro Runde jeweils einen Beitrag entrichteten. Unter Einrechnung zusätzlicher Spenden ergab sich so der aussergewöhnliche Betrag von CHF 20 000.–. Den entsprechenden Scheck für die Schweizer Paraplegiker-Stiftung bekam Heinz Frei, Präsident der Gönner-Vereinigung, überreicht.

Nachahmenswerte Idee Für seine Maturaarbeit an der Kantonsschule Ausserschwyz wählte Timon Kunz (Wilen SZ) das Thema «Marathon». Er erstellte einen Trainingsplan und begann für den «Stockholm Marathon» zu trainieren. Dabei wurde dem Studenten bewusst, wie glücklich man sich schätzen darf, gesund zu sein und laufen zu können. Diese Erkenntnis bewog ihn, Spenden für die Schweizer Paraplegiker-Stiftung zu sammeln. Schliesslich beendete er den Marathon und konnte dank grosszügiger Unterstützung vieler Gleichgesinnter die Summe von CHF 1025.– überweisen.

Sinnvolle Arbeit Über 100 Mitarbeitende der BDO AG, Wirtschaftsprüfung, nahmen anlässlich eines Besuches in Nottwil an einer Führung durch das Schweizer ParaplegikerZentrum teil. Beim Rundgang in der Spezialklinik wie auch während des eindrücklichen Referats eines Rollstuhl-­ fahrers wurden sie daran erinnert, wie schnell das Leben gänzlich neue Wendungen nehmen kann. Und wie wichtig in einem solchen Falle ein gemeinnütziges Werk ist, das den Betroffenen umfassende Hilfe leistet sowie neue Perspektiven aufzeigt. Zur Unterstützung dieser Arbeit übergab die Firma eine Spende von CHF 1500.–.

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Jugend unterstützen Jeden Sommer weilen zahlreiche junge Menschen mit Querschnittlähmung während drei Wochen in Nottwil. Im Rahmen eines speziellen, auch mit vielen Erlebnissen gespickten Programmes arbeiten sie dort auch an der Verbesserung ihrer Fähigkeiten zur bestmöglichen Eingliederung in Familie und Gesellschaft. Dem Kiwanis Club Zürich-Dolder liegt die Weiterführung der JugendrehabWochen besonders am Herzen. So durfte die Schweizer Paraplegiker-Stiftung eine dafür bestimmte Spende in Höhe von CHF 2000.– entgegennehmen.

Geteilte Freude Die Organisationen Swiss Paralympic und Procap waren Nutzniesser einer Benefizveranstaltung für Menschen mit Behinderung, die Peter Hochreutener (Goldach SG) Ende Juni orga­nisiert hatte. Vom Reinerlös in Höhe von CHF 4500.– übergab der Initiant CHF 1000.– zur Förderung von Nachwuchs-Athleten mit Behinderung an Swiss Paralympic, während Procap für Behindertenhilfe in der Region Rorschach CHF 3500.– erhielt.

Scheckübergabe. Stehend von links: Anke Scheel, (SPZ Nottwil), Elisabeth Spycher (Kiwanis Club Zürich-Dolder), Romy Thalmann (SPZ Nottwil).


Mondaine tickt solidarisch

Stolzes Ergebnis einer Gönner-Aktion. André Bernheim, Inhaber Firma Mondaine (rechts), und Heinz Frei, Präsident der Gönner-Vereinigung.

In der Nummer 2/13 des Magazins «Paraplegie» hatten Mitglieder der Gönner-Ver­ einigung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung Gelegenheit, zu attraktiven Konditionen verschiedene Uhren der Kollek­tion von Mondaine, im Design der legendären Bahnhofsuhr, zu erwerben. Von diesem Angebot haben zahlreiche Menschen profitiert und mit ihren Einkäufen mehr als CHF 20 000.– Gewinn zugunsten der Stiftung erwirtschaftet. André Bernheim, Inhaber von Mondaine, zeigte sich sehr zufrieden und entrichtete seinerseits eine Spende von CHF 3000.–. Das Geld kommt vollumfänglich der Rehabilitation und Unterstützung von Menschen mit Querschnittlähmung zugute.

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BRIEFE AN DIE STIFTUNG

Sinnvolle Hilfe geleistet Wir sind Ihnen von ganzem Herzen dankbar für die Unterstützung, die wir für den Kauf eines Autos erhalten haben. Es öffnet einen neuen Horizont und gibt uns viel Freiheit, auch wenn die körperlichen Einschränkungen nicht weniger geworden sind. Bruno Garcia Dias und Sandra Roque, Saxon VS Die Schweizer Paraplegiker-Stiftung hat einen Beitrag an die Kosten eines Umbaus zugesichert, der mir zuvor grosse Sorgen bereitete. Jetzt empfinde ich unschätzbare Entlastung und grosse Dankbarkeit. Angelika Stäheli-Inauen, Engelburg SG Ich danke der Schweizer Paraplegiker-Stiftung für die Unterstützung bei der Anschaffung eines Handbikes. Es ist sensationell, die Natur wieder in vollen Zügen geniessen und den Wind in den Haaren spüren zu können. Roland Schwegler, Entlebuch LU

Im SPZ Nottwil erlebten wir eine eindrück­ liche Führung. Unsere Begleiter wussten unglaublich viel zu erzählen, und wir erhielten tiefen Einblick in die Arbeit für querschnittgelähmte Menschen. Im Namen aller danke ich sehr herzlich für drei tolle und lehrreiche Stunden. Wir werden das Projekt für den Umbau unseres Kirchgemeinde-/Pfarrhauses nun genauer unter die Lupe nehmen und auf behindertengerechte Ausführung besonders achten. Barbara Matzenauer, Reformierte Kirchgemeinde Rüti ZH

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Monika Rickenbach Die 53-Jährige wohnt in Steckborn (TG), Sohn Tobias (25) arbeitet als Elektriker, Ehemann Fredy (54) führt eine international tätige Firma. Als 16-Jährige erlitt sie aufgrund der Nervenkrankheit Morbus Friedreich erste Lähmungserscheinungen an den Beinen, die sich verschlimmerten. Die gelernte Keramikmalerin arbeitet heute als Kinderbetreuerin. Die begeisterte Rollstuhlsportlerin war 1998 Mitbegründerin des Rollstuhlclubs Thurgau, zudem amtet sie im Zentralvorstand der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung.

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MEIN TAG IM ROLLSTUHL

Lebensaufgabe. Monika Rickenbach gibt Enya Pipa Nachhilfeunterricht. «Ich bin gerne inmitten von Kindern», sagt sie.

«Auch von Kindern kann ich lernen» Monika Rickenbach liebt den Rummel: Als Teilzeit-Kinderbetreuerin ist sie von Jugendlichen umschwirrt. Mit Rollstuhlsport steigert sie ihr Selbstwertgefühl.

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Aufgezeichnet von Mathias Haehl | Bild: Astrid Zimmermann-Boog

Morgens herrscht bei uns schon kurz nach sechs Uhr Betrieb: Als Erster verlässt Sohn Tobias das Haus, während ich mit meinem Mann Fredy Kaffee trinke. Dann gehören die Morgenstunden uns beiden Weiblein: Shiva und ich gehen frische Luft schnappen. Und schon ist Ruhe da. Ich schätze die quirlige siebenjährige Hündin als Begleiterin. Sie ist einfach da, will nicht viel und redet vor allem nicht – sehr beruhigend. Anderseits bringt Shiva auch viel Aktivität ins Leben: Sie muss sich bewegen, und das machen wir am Nachmittag. Bei langen Spazierfahrten am Bodensee kann ich nach einem abwechslungsreichen Arbeitstag den Kopf lüften. Shiva erdet mich wunderbar. Halbtags arbeite ich im Team des Kinderzentrums in Steckborn. Ich assistiere zu ganz unterschiedlichen Zeiten beim Nachhilfeunterricht, leite Religionsstunden und betreue bis zu 35 Kinder beim Mittagstisch. Es ist befriedigend, eine Aufgabe zu haben. Ich bin gern inmitten von Kindern, weil sie direkt und meist ehrlich sind. Kinder sagen schnell Nein, wenn ihnen etwas nicht passt. Dieses Recht sollten wir uns öfter nehmen – auch von Kindern kann man lernen. . Mit Sport zu Selbstwertgefühl Nicht, dass Neinsagen mit Pessimismus gleichzusetzen wäre! Ich bin eine bejahende,

optimistische Person. Obwohl ich schon früh Grund gehabt hätte zu verzweifeln: Die seltene Nervenkrankheit Morbus Friedreich machte mir schon als 16-Jährige weiche Beine, und ich musste an Stöcken gehen. Zusehends zeigten meine Beine von den Füssen her Lähmungserscheinungen, und seit mehr als 20 Jahren bin ich auf den Rollstuhl angewiesen. Daher hatte ich früh schon starke Arme wie ein Preisboxer. Mit dem schnellen Erfolg im Rollstuhlsport stieg mein Selbstwertgefühl. Ich entdeckte, dass ich meine innere Ruhe in der Bewegung finde. Mit Reiki, einer japanischen Massagetechnik, lasse ich die Energien im Körper vermehrt fliessen und kann sie dadurch besser einsetzen. Beim Unihockeyoder Basketballsport finde ich Abwechslung: Die Phantasie kommt mit Ideen in Schwung. Abends verbringe ich die Zeit mit meinem Mann, der mich in allen Belangen unterstützt und mir seit 25 Jahren ein toller Partner ist. Wenn er mich nicht zu Unihockeytrainings begleitet und dann selber im Rollstuhl mitspielt, gehen wir freitags traditionellerweise Steak essen, ins Kino, ins Theater oder besuchen ein Musical. Meinen Geist halte ich beim Bügeln fit: Dabei lasse ich Hörbücher laufen, vor allem Krimis des US-Autors James Patterson. So macht Hausarbeit richtig Spass – mir schwebte

einmal gar vor, eine eigene Bügelstube aufzu­ machen. Der Ehemann vergrössert die Welt In den Ferien fahren wir regelmässig mit dem Kreuzfahrtschiff in der Karibik herum. Wir kennen schon 24 Inseln, am wohlsten ist mir auf Grand Cayman. Mit Fredy an der Seite ist die Welt grösser, weil er als Fussgänger meine durch den Rollstuhl bedingten Einschränkungen oft aufheben kann. Ich betrachte mich als sehr selbstständig, aber mein Ehemann zeigt mir immer wieder, dass viel mehr möglich ist, als ich mir bisweilen zutraue. Ich hatte viel mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Es ist im Rollstuhl nur schon erniedrigend, durch Fussgänger stets ‹von oben herab› angesprochen zu werden. Und ich gehöre manchmal als Sitzende einfach nicht dazu. Als ich dann vor sieben Jahren Brustkrebs hatte, lernte ich, was wirklich lebensbedrohend ist. Aufgrund der Bestrahlung wurde ich vorübergehend vergesslich, musste mir alles auf Zettel aufschreiben und diese Gedächtnisstützen im Haus verteilen. Den Krebs habe ich erfolgreich bekämpft. Er machte mich demütig und lässt mich mein Leben heute bewusster geniessen als früher. Denn ich lebe im Frieden. Weil mein Umfeld stimmt, ich viel Spass im Sport finde und weil meine Lieben mich tragen.

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