Departement Medizin, Kardiologie, Brauerstrasse 15, Postfach 834, CH-8401 Winterthur, www.ksw.ch
Belastungs-Elektrokardiogramm Was ist ein Belastungs-EKG? Ein Elektrokardiogramm, abgekürzt EKG, ist eine standardisierte Aufzeichnung von Herzstromkurven (siehe Abschnitt Oberflächen-EKG). Gegenüber der elektrokardiographischen Ruhe-Untersuchung besitzt das Belastungs-EKG vor allem in der Diagnostik der koronaren Herzkrankheit (Durchblutung der Herzkranzarterien) einen eindeutig höheren Stellenwert. Dies leitet sich daraus ab, dass Einengungen in den Herzkranzgefässen zum Teil erst bei maximalem Blutfluss unter physischer oder psychischer Belastung ein relevantes Flusshindernis darstellen können und erst dann zu einer Durchblutungsstörung des Herzmuskels (Koronarinsuffzienz) führen. Mit dem Belastungs-EKG wird vor allem untersucht, inwieweit der Sauerstoffbedarf des Herzens das maximal mögliche Angebot erreicht oder sogar übersteigt, was zu charakteristischen EKGVeränderungen führt. Entsprechende Bedingungen lassen sich beim Patienten nur dann erzeugen, wenn eine genügende Belastung abverlangt wird. Für klinische Zwecke gilt als maximale Belastung eine Herzfrequenz von 220 minus Alter. Dabei spielt die Form der körperlichen Belastung eine untergeordnete Rolle.
Wie wird das Belastungs-EKG durchgeführt?
Wie beim Ruhe-EKG wird über angebrachte Elektroden am Brustkorb und an den Extremitäten ein 12-KanalEKG abgeleitet, wobei die Aufzeichnungen während verschiedener Belastungsstufen verglichen werden. Am häufigsten wird eine Belastung mit Treten auf dem Fahrrad (in der Regel sitzend, selten liegend) oder Gehen auf dem Laufband mit stufenweiser oder kontinuierlicher Laststeigerung durchgeführt. Gleichzeitig mit der EKGAufzeichnung werden während der Belastung die Herzfrequenz und der Blutdruck gemessen. Die Untersuchungszeit beträgt 30- 45 Minuten, die reine Belastungszeit dauert abhängig von der Leistungsfähigkeit ca. 8- 12 Minuten. Der Belastungstest wird abgebrochen bei Symptomen wie Brustschmerzen (Angina pectoris) oder Atemnot (Dyspnoe), bei Erschöpfung oder Auftreten von Schwindel, bei schwerwiegenden EKGVeränderungen, Rhythmusstörungen oder Blutdruckabfall.
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Wann wird dieser Test angewendet? Hauptsächlich wird ein Belastungs-EKG zum Ausschluss oder zur Erfassung und allenfalls zur Quantifizierung einer Koronarinsuffizienz durchgeführt. Besteht aufgrund von Symptomen wie Angina pectoris oder unter gewissen Umständen auch nur Dyspnoe sowie vorhandenen kardiovaskulären Risikofaktoren der Verdacht auf eine koronare Herzkrankheit (Details siehe koronare Herzkrankheit), müssen aus prognostischen Gründen Durchblutungsstörungen des Herzens gesucht werden. Ebenfalls für einen Belastungstest qualifizieren beschwerdefreie Patienten mit durchgemachtem Herzinfarkt oder Personen in besonderen Berufsgruppen (z.B. Piloten, Bus- und Zugführer usw.). Auch eine Kontrolle des Therapieerfolges nach Bypassoperation, Koronardilatation oder nach Anpassung einer medikamentösen Therapie sind Gründe für die Durchführung eines Belastungstests. Zur Erfassung einer Belastungs-Koronarinsuffizienz können unterschiedliche Methoden angewendet werden: Die gebräuchlichste und am leichtesten verfügbare Untersuchung ist das BelastungsEKG. Bleibt mit dieser Untersuchung die Aussage bezüglich einer koronaren Herzkrankheit unklar, können ergänzend aufwändigere, aber empfindlichere Belastungstests kombiniert mit bildgebenden Verfahren durchgeführt werden, wie zum Beispiel eine Belastungs-Echokardiographie, eine BelastungsMyokardperfusionsszintigraphie oder eine Belastungs-Radionuklidventrikulographie (siehe separate Abschnitte). Ist eine körperliche Belastung des Patienten nicht möglich, können letztgenannte Untersuchungen auch unter medikamentöser Belastung durch Injektion oder Infusion herzstimulierender Medikamente erfolgen.
Welche Fragen kann das Belastungs-EKG beantworten? Die Interpretation eines Belastungstests umfasst diagnostische und prognostische Aspekte. Finden sich im Belastungs-EKG Hinweise für Durchblutungsstörungen bei vorausgehend vermuteter koronarer Herzkrankheit oder nach bereits erlittenem Herzinfarkt ist das Risiko für einen neuen bzw. erneuten Herzinfarkt sowie einen kardialen Tod erhöht. In dieser Situation sind weiterführende Untersuchungen im Hinblick auf eine mögliche Koronardilatation oder sogar eine Bypass-Operation empfohlen. Wird hingegen im Belastungstest eine hohe Leistung erbracht, ohne dass EKG-Veränderungen oder schwerwiegende Rhythmusstörungen auftreten, besteht eine günstige Prognose, hier müssen keine weiteren Abklärungsschritte unternommen werden. Gegenüber den empfindlicheren, mit bildgebenden Verfahren kombinierten, Belastungstests erlaubt ein pathologisches Belastungs-EKG alleine keine eindeutige Lokalisation der Durchblutungsstörung. Das Puls- und Blutdruckverhalten unter Belastung liefert zusätzliche wertvolle Informationen zur optimalen Therapiewahl, besonders für Patienten mit schwachem oder fehlendem Pulsanstieg unter Belastung sowie für Patienten mit Neigung zu hohem Blutdruck. Erschwerend für die Beurteilung eines Belastungs-EKG’s kann der Einfluss von diversen Medikamenten sein. Betablocker zum Beispiel bewirken einen trägeren Pulsanstieg, was eine genügende Belastung und somit die Aussagekraft eines Stresstests vermindern kann. Unter Digoxin oder Kalium-ausschwemmenden Diuretika können für eine koronare Herzkrankheit unspezifische EKG-Veränderungen auftreten, welche ihrerseits die Auswertung eines Belastungs-EKG’s erschweren. Spezielle vorbestehende EKG-Veränderungen (zum Beispiel Linksschenkelblock) verunmöglichen sogar die Beurteilung eines Belastungs-EKG’s bezüglich Durchblutungsstörungen. In solchen Situationen wird die Durchführung von Belastungstests kombiniert mit zusätzlich bildgebenden Verfahren (Myokardperfusionsszintigraphie) notwendig.
Welche Gefahr birgt ein Belastungstest? Ein Belastungstest ist mit einem geringen Risiko behaftet, ist aber doch nicht absolut risikofrei. Sehr selten kann durch eine Belastungs-Untersuchung ein Herzinfarkt ausgelöst werden (< 0.001%) und noch seltener ist mit einem tödlichen Ausgang zu rechnen. Um das Komplikationsrisiko möglichst gering zu halten, darf in Risikosituationen keine Belastung durchgeführt werden.
Wann sollte kein Belastungstest durchgeführt werden? Bestehen eine schwerwiegende akute Koronarinsuffzienz (instabile Angina pectoris), ein ablaufender Herzinfarkt oder eine akute Herzbeutel- oder Herzmuskelentzündung, so darf kein Belastungstest durchgeführt werden. Grosse Vorsicht für eine Belastung ist geboten bei Patienten mit vorbekannten, komplexen und potentiell bedrohlichen Herzrhythmusstörungen, bei schwerster Herzmuskelschwäche oder bei Patienten mit sehr hohen, nicht kontrollierbaren Blutdruckwerten.