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Am Anfang stand ein Kreuz – Zur Gründung von Dorf, Kirche und Pfarrgemeinde Marienfeld

Marienfeld, um 1905. Blick auf (v. l.) den Bauernhof Wilhelm Witteler, Pfarrhaus und Pfarrkirche, die Volksschule und das Spritzenhaus der Freiwilligen Feuerwehr (© H. Benz, Unser Much in alter Zeit, 2020).

Am Anfang stand ein Kreuz – Zur Gründung von Dorf, Kirche und Pfarrgemeinde Marienfeld

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Von Hartmut Benz

Marienfeld, nach Much einwohnerstärkster Wohnplatz der Zivilgemeinde, ist eine der jüngsten Siedlungen der Kommune und auch Kirche und Pfarrgemeinde St. Mariä Himmelfahrt sind, wenn man sich in der Nachbarschaft umschaut, eher im „Teenager-Alter“. Wer die 1829 angelegte älteste Katasterkarte zur Hand nimmt, findet anstelle des heutigen Dorfes nur Parzellen Ackerland und, wo heute das alte Pfarrhaus steht (Dorfstraße 29), ein „Anna-Maria-Kreuz“ genanntes Wegekreuz – aber keine Wohnbebauung. Marienfeld hat seine Entstehung dem Umstand zu verdanken, daß die 1813 in Ortsiefen eröffnete Schule zu klein und ein Neubau dringend erforderlich geworden war. So wurde 1837 oberhalb Ortsiefens, auf der Flur „Winkenheide“, eine neue Schule errichtet, die weiterhin „Schule zu Ortsiefen“ hieß. Weitab von Sicht- oder Hörweite anderer Menschen fristete dort der Lehrer ein einsames Dasein. In fünf Jahren hatten bereits vier Herren die Stelle bekleidet, als 1842 Franz Witteler hierher versetzt wurde. Er heiratete 1846 Gertrud Thelen aus Strunkhausen, blieb und gründete die bis heute ortsansässige Familie Witteler.

Gertruds Bruder, der Katasterkontrolleur Johann Thelen (1811 – 1883), forcierte seit 1860 die im Schulbezirk Ortsiefen schon seit Jahren diskutierten Pläne zum Bau eines eigenen Gotteshauses und zur Anstellung eines dort tätigen Priesters. Anfang 1860 bot Thelen ein neben der Schule an einer Wegekreuzung gelegenes Grundstück zum Bau einer Kapelle an, die zur seelsorglichen Betreuung der im Osten des Pfarrbezirks Much wohnenden Katholiken als „Nebenkirche“ dienen sollte. Ein erster Entwurf des Architekten Vincenz Statz wurde vom Generalvikariat in Köln als zu kostspielig zurückgewiesen. Bei der Vorlage eines neuen Plans

war 1862 bereits die Rede von der Gründung eines von der Mutterpfarrei Much unabhängigen „Pfarrsystems“. Nachdem die hierzu notwendigen wirtschaftlichen und juristischen Bedingungen erfüllt waren, begann man 1863 neben der Schule mit dem Bau einer „Kapelle“. Im Jahr 1864 erstanden die beiden ersten Wohnhäuser (Dorfstraße 35 bzw. Oberdörferstraße 8). Da Schule und Kirche einen Zuwachs an Häusern und Einwohnern versprachen, war die Ortsbezeichnung „Schule zu Ortsiefen“ nicht länger haltbar. Ein Anfang 1865 formulierter Antrag, die Ortslage „Marienfeld“ nennen zu dürfen (1860 war noch „Freudenfeld“ favorisiert worden), wurde am 24.5.1865 von der Regierung in Köln genehmigt.

Thelen und die Einwohner der umliegenden Dörfer sicherten mit großzügigen Landschenkungen, Aufbringung hoher Spendenbeträge und kostenlosen Hand- und Spanndiensten den Kirchbau (1863-1868), den Bau eines Pfarrhauses (1870/71) und den Unterhalt eines eigenen Priesters. Am 29.9.1870 wurde die Pfarrerhebung proklamiert, am 30.11.1871 mit Johannes Dahl der erste Pfarrer eingeführt und am Folgetag der Friedhof benediziert. Da es in Marienfeld seit 1868 den „Männergesangverein Germania“ gab, war auch für Chorgesang gesorgt. Der Verein, der seit 1871 auch Kirchenmusik sang, hat sich spätestens 1873 in „Kirchenchor Cäcilia“ umbenannt.

Der ursprüngliche Pfarrbezirk wurde bereits 1872 enorm erweitert, als alle 39 Ortschaften der angrenzenden Bürgermeisterei Marienberghausen, die 1969 mit Nümbrecht zusammengeschlossen wurde, der Kirchengemeinde zugeschlagen wurden. In ihnen wohnten damals nur 29 Katholiken. Erst die Flüchtlingswellen im und nach dem Zweiten Weltkrieg sollten die zahlenmäßige Dominanz der Katholiken im Mucher und die der Protestanten im Marienberghausener

Marienfeld, 1898. Diese, nicht die wirkliche Bebauung darstellende Lithographie ist die älteste Postkartenansicht Marienfelds. Der Kaufmann und Gastwirt Franz Josef Stommel (heute: Dorfstraße 30) hatte sie zu Werbezwecken in Köln anfertigen lassen (© H. Benz, Unser Much in alter Zeit, 2020).

Gemeindeteil, die jeweils bei weit über 90 Prozent lag, brechen und zu einer konfessionellen Durchmischung der dörflichen Strukturen führen. Besagte Bevölkerungsbewegung war es auch, die den Bau einer in der Gemeinde Marienberghausen gelegenen Filialkirche notwendig machte. Nachdem man dort zunächst die evangelische Pfarrkirche des Dorfes nutzen durfte, konnte 1953 die Filialkirche „Maria Königin“ benediziert werden. Fast zeitgleich sollte übrigens 1954 im bisher fast vollständig „katholischen Much“ eine evangelische Kirche eingeweiht werden.

In Marienfeld diskutierte man bereits seit 1872 Pläne für eine Erweiterung der sich als zu klein erweisenden Pfarrkirche. Seitenschiffe, ein Glockenturm und eine größere Apsis waren geplant. Erst 1891/92 konnten die Arbeiten, die der Kirche das bis heute gültige Aussehen verschafften, realisiert und 1893 die Konsekration vorgenommen werden. Kirche und Dorf blieben von Kriegszerstörungen weitestgehend verschont. Zwar mußten im Ersten wie im Zweiten Weltkrieg jeweils zwei Glocken für Rüstungszwecke abgegeben werden – in beiden Fällen aber fanden sich Spender, die 1921 bzw. 1948 für den Guß neuer Glocken sorgten.

Zwölf Priesterberufungen gingen aus der Pfarrgemeinde hervor, darunter zwei Herren, die Domkapitular in Köln wurden und ein Priester, der als Stiftsherr in Aachen wirkte. Zur Primiz des späteren Kölner Dompfarrers Wilhelm Kleff (1905 – 1986) sammelte die Gemeinde Geld, mit dem 1931 die noch heute bespielte Klais-Orgel angeschafft werden konnte. Der Initiative einer weiteren Berufung, des in Essen tätigen Monsignore Wilhelm Frings (1855 – 1926), ist der Bau der Kapelle in Oberdreisbach (1911), dem Geburtsort des Priesters, zu verdanken. Eine zweite Kapelle wurde 1949 in Weeg benediziert. Übrigens hatte der aus Weeg gebürtige Bonner Kaufmann Gerhard Stümper (1744 – 1808) testamentarisch sowohl Grundbesitz als auch Kapital reserviert, die den Bau einer in seiner Heimat zu errichtenden Kirche garantieren sollten. Erbstreitigkeiten und die unsicheren Jahre der französischen Besatzung (1806 – 1813) ließen den Plan nicht zur Ausführung kommen. Schließlich floß das Geld 1837 in den Bau oben erwähnter neuen „Schule zu Ortsiefen“ und in die Besoldung des 1841 in Much angestellten dritten Priesters. Vielleicht wäre es also, in friedlicheren Zeiten, vor 200 Jahren schon zur Gründung einer „Pfarrgemeinde Weeg“ gekommen.

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