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Wandlung in der Kirche?

Claudia Gabriel ist Diplom-Sozialpädagogin und arbeitet seit 35 Jahren beim Caritasverband Rhein-Sieg e.V. als Fachberaterin für die Gemeindecaritas.

„Frag hundert Katholiken, was das Wichtigste ist in der Kirche. Sie werden antworten: Die Messe. Frag hundert Katholiken, was das Wichtigste ist in der Messe. Sie werden antworten: Die Wandlung. Sag hundert Katholiken, dass das Wichtigste in der Kirche die Wandlung ist. Sie werden empört sein: „Nein, alles soll bleiben, wie es ist!“

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Lothar Zenetti

Nicht nur die hohe Zahl der Kirchenaustritte ist ein Zeichen dafür, dass immer weniger Menschen der Kirche in ihrer derzeitigen Verfasstheit zutrauen, „Heil zu bringen“ und persönliches wie auch gesellschaftliches Leben positiv zu beeinflussen.

Welche Art von Wandlung ist nötig, damit sie ihrem Auftrag gerecht werden kann als „Volk Gottes“, glaubhaft und überzeugend die „Frohe Botschaft“ zu verkünden?

Für mich gehören drei Dinge dazu:

1. Die Kirche muss demütiger werden

Wir Menschen haben Fehler und Schwächen und sind alle auf Vergebung und Erlösung angewiesen. Das trifft auf Priester und Bischöfe ebenso zu wie auf Personen ohne Weihe- oder Leitungsämter. Zu akzeptieren, dass man nicht unfehlbar ist bedeutet, Schuld einzugestehen, sich der eigenen Verantwortung zu stellen und aufrichtig um Vergebung zu bitten – und zwar nicht nur Gott im Himmel, sondern auch die konkreten Menschen auf der Erde, denen Leid und Ungerechtigkeit zugefügt wurde – das gilt nicht nur für die Opfer von sexuellem Missbrauch. Mehr Demut stünde nicht nur so manchem Würdenträger gut zu Gesicht, sondern auch der Institution Kirche. Das hierarchische und patriarchalische Amtsverständnis, die Überhöhung des Priestertums, die Geringschätzung von Laien – insbesondere von Frauen – und das stellenweise höfische Zeremoniell haben wenig mit dem Leben Jesu zu tun und gehören auf den Prüfstand.

2. Die Kirche muss diakonischer werden

Die Kirche ist da glaubwürdig, wo sie nah bei den Menschen ist, sich um ihr Wohl sorgt, für Gerechtigkeit eintritt.

In der Nachfolge Jesu als Verkünder:innen der Botschaft von der allumfassenden Liebe Gottes sind diejenigen unterwegs, die alte und kranke Menschen besuchen, die Sterbende und Trauernde begleiten, die Lebensmittel verteilen und Geflüchtete beherbergen, die Hilfstransporte organisieren und beim Umgang mit Behörden helfen, die Hilfesuchenden zuhören und ihnen mit Empathie und Wertschätzung begegnen, die auch in scheinbar ausweglosen Situationen an ihrer Seite bleiben und Hoffnung geben. In meiner Arbeit bin ich vielen dieser „Botinnen und Boten der Liebe“ begegnet und durfte erleben, mit wieviel Engagement, Herzblut und Freude sie ihre Aufgaben wahrnehmen.

Ihr Handeln trägt maßgeblich dazu bei, dass die Kirche auch von Außenstehenden als Heil-stiftend wahrgenommen und in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung wertgeschätzt wird.

Innerkirchlich ist das Ranking leider umgekehrt: Da scheinen in der Außendarstellung und in der Verteilung von Ressourcen der Dienst am Altar und die Verkündigung wichtiger zu sein, als die Werke der Nächstenliebe, die Caritas.

Dabei eröffnet das caritative Engagement der Kirche Zugänge zu gesellschaftlichen Gruppen und Milieus, die sie auf anderem Wege, z. B. durch Gottesdienste oft nur schwer erreicht: Hilfesuchende erleben durch die konkrete Zuwendung, dass Gott sie nicht im Stich lässt. Helfende mit Distanz zur Kirche, die sich in sozialen Projekten engagieren, weil sie die christlichen Werte teilen, kommen über dieses Engagement wieder in einen positiven Kontakt mit der Institution.

3. Die Kirche muss weiblicher werden

In der katholischen Kirche gilt nach wie vor das Patriarchat: Männer entscheiden, welche Rollen und Aufgaben den Frauen zugestanden werden: Frauen dienen, Männer herrschen.

In unserer Gesellschaft haben sich Frauen in den letzten 50 Jahren weitestgehend Gleichberechtigung erkämpft. Die Entstehung der Bewegung Maria 2.0 zeigt, dass sich auch in der Kirche Frauen nicht mehr mit den zugewiesenen Rollen begnügen wollen – und das ist gut so!

Durch die Taufe haben wir alle- Frauen und Männer- Anteil am Reich Gottes. Wir haben unterschiedliche Begabungen, aber alle den Heiligen Geist, der uns befähigt, unseren Glauben mit unseren Möglichkeiten und Grenzen lebendig werden zu lassen.

Auch Frauen fühlen sich von Gott berufen, eine Gemeinde zu leiten, zu predigen oder Sakramente zu spenden.

Wie in der evangelischen Kirche so könnten auch bei uns Priesterinnen und Bischöfinnen fürsorgliche Hirtinnen, charismatische Führerinnen und würdige Vertreterinnen ihrer Glaubensgemeinschaft sein.

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