Vier für Franken: frank und frei

Page 1

„Vier für Franken“... ...das sind zwei Autorinnen und zwei Autoren mit unterschiedlichen Lebensläufen, Erfahrungen und Sichtweisen. Aber Albert Geng, Karin Pollmer, Marga Lemmer und Reinhard Dorn (alias Vinzenz) haben auch viel Gemeinsames: Ihre Familien sind ihnen wichtig, ebenso die Menschen in ihrem Umfeld, die Natur in allen vier Jahreszeiten und Franken überhaupt, speziell das östliche Franken. Und natürlich fast alles, was sich in diesem Gebiet abspielt. Sie beobachten, hören zu, lassen die Eindrücke in sich hineinsinken, und irgendwann schreiben sie ihre Gedanken auf, frank und frei, wie es der Titel verspricht. Herausgekommen ist ein Buch mit heiteren, besinnlichen und auch ein paar ernsten Geschichten und Gedichten. Die „Vier für Franken“ sind Ihnen als Leser der Hersbrucker Zeitung seit längerer Zeit vertraut, zusammengetragen ist, war dort bereits zu finden. „Vier für Franken“, das ist viel über Franken, sowohl über die Menschen als auch die reizvolle Landschaft. Vor allem aber ist es viel Lesevergnügen.

ISBN 978-3-927412-28-6

16,90 €

A. Geng, K. Pollmer, M. Lemmer, Vinzenz

denn das eine oder andere von dem, was hier



„Vier für Franken“


© „Vier für Franken“: A. Geng, K. Pollmer, M. Lemmer, Vinzenz 2012 Pfeiffer Verlag, Hersbruck, pfeiffer-medienhaus.de Alle Rechte vorbehalten Satz: Vinzenz, Pfeiffer Verlag Umschlaggestaltung: Dr. Wolfgang Pollmer, Vinzenz, Pfeiffer Verlag Druck und Bindung: PuK Krämmer GmbH Die Autoren bedanken sich für die freundliche Unterstützung bei der

ISBN 978-3-927412-28-6




Inhaltsverzeichnis Vorwort

9

Ins Land der Franken fahren... Erderwärmung (Vinzenz) Vorfrühling (M. Lemmer) Echt oder nicht echt? (K. Pollmer) Klassissches Wanderlied (Vinzenz) A Radzboodsi (A. Geng) Die Stärla sin dou (M. Lemmer) Es piepst in unserem Kamin (K. Pollmer) Naus affs Land (M. Lemmer) Hersbrucker Ostermorgen (Vinzenz) Riesenwaller (A. Geng) Quecknpelzer (M. Lemmer) Der kleine Schneck (K. Pollmer) Der an der Fleischbruck (A. Geng) Biergartensaison (Vinzenz) Der Hollerstrauch (M. Lemmer) Kirwerkreislauf (Vinzenz) Schlammbodn (M. Lemmer) Herbst auf der Alb (Vinzenz) O du stille Zeit... (M. Lemmer) Es gibt fast keine Eisblumen mehr (A. Geng) Der echte und der falsche Nikolaus (Vinzenz) Es weihnachtet sehr? (M. Lemmer) Obdachlos (K. Pollmer) Die Weihnachtsgans (M. Lemmer) Jahresende (Vinzenz)

Mach keine Geschichten!...

10 11 12 13 14 17 17 19 22 24 25 26 28 30 31 32 34 35 36 37 38 39 40 42 44 46

48

Der erste Bayernkönig war ein Franke (A. Geng) Ein etwas suspektes Objekt (K. Pollmer) 5

49 50


Fasnert (Vinzenz) Später Triumph (A. Geng) Der Houherstädter Kreisverkehr (Vinzenz) Hersbruckerin auf erster Adlerfahrt (A. Geng) Langsam ist manchmal schneller (K. Pollmer) ...Feste Feste feiern (M. Lemmer) Die kampfreichen Haderichsbruccer (A. Geng) Herschbrucker Kupfschtaapflaster (A. Geng) Abschied vom „Gärtlein“ (M. Lemmer) Aus der Anstalt (A.Geng) Die Spießer (A. Geng) Sommerfest (M. Lemmer) Künstlerpech (A. Geng) Peking und zruck (Vinzenz) Ärger nach Brand (A. Geng) Grillmasterschaft (Vinzenz) Ein schneeweißer Neger (A. Geng) Fehlinvestition (K. Pollmer) Der heilige Nepomuk von Neuhaus (A. Geng) Musikanten-Schartl (M. Lemmer) Wos is a Bläbberla? (A. Geng) Herschbrucker Gebirgshopfn (M. Lemmer) Der richtige Zeitpunkt für Diskussionen (Vinzenz) Puskas tot – Puskas lebt (A. Geng) Wein auf Rezept, das waren noch Zeiten (A. Geng)

Gäih zou, bleib dou!...

52 53 54 55 56 57 58 60 61 62 63 64 66 67 68 70 71 72 74 75 76 76 78 79 80

82

Die Brille (A. Geng) Erinnerungen (Vinzenz) Zu klein und dennoch da (K. Pollmer) Fernsehschlouf (Vinzenz) Das war ein Schutzengel (A. Geng) Omas Eierlikör (K. Pollmer) Die lieben Kleinen (A. Geng) Zwiebelsuppe im Verdacht (K. Pollmer) 6

83 84 85 87 88 90 92 93


Ich liebe dich (Vinzenz) Ein unvergesslicher Geburtstag (A. Geng) Grippe mit „K“ (A. Geng) Die „Jünger Gutenbergs“ (A. Geng) Die Berliner kommen (Vinzenz) Die Vegetarierin (M. Lemmer) Su gschehng in Herschbruck (Vinzenz) Wirtshausgschmarre (A. Geng) Eine etwas kafkaeske Situation (K. Pollmer) Der Zechpreller (A. Geng) Vurfreid affn Urlaub (Vinzenz) Sommerfrische (A. Geng) Fernweh (M. Lemmer) Zurück aus dem Urlaub (Vinzenz) Wos is a Schrapnelln? (A. Geng) Meine türkischen Hosen (K. Pollmer) Urlaub ade (Marga Lemmer) Wo die Herschbrucker überall hinfahren (A. Geng)

94 95 96 97 98 101 104 106 107 109 110 111 112 114 114 116 121 123

Mit aller Vorsicht: Fränkische Befindlichkeit...

124

Ich werde darüber nachdenken (K. Pollmer) A närrscher Tooch (M. Lemmer) Der wieder gefundene Text (K. Pollmer) Bügeleiserne Träume (Vinzenz) Kunst muss man verstehen (A. Geng) Beim Dokter (M. Lemmer) Was für eine Sprache (A. Geng) Des is gsund (M. Lemmer) Der stumme Schrei (K. Pollmer) Kampf den Pfunden! (Vinzenz) Wer ist hier emanzipiert? (K. Pollmer) Des kann i net! (M. Lemmer) „man“ (M. Lemmer) Ein Selbstversuch (K. Pollmer) Nu amal jung sei (M. Lemmer) 7

125 126 128 132 133 133 135 136 137 139 140 142 144 145 149


Ohrfeige Gottes (A. Geng) In Wartestellung im Schrank (K. Pollmer) Döi Qual mit der Wahl (Vinzenz) Ich habe es schwarz auf weiß, ... (K. Pollmer) Die Kurve (Vinzenz) Schlaflos (Vinzenz)

Ma sagt ja nix, ma red ja blouß... Der klanne Unterschied (M. Lemmer) Kreisverkehr kapiert? (A. Geng) Das Phänomen Fußball (Vinzenz) Drei in einem Bett (A. Geng) Wenn Esl renner (Vinzenz) Mesner, ein gefährlicher Beruf? (A. Geng) Der Befund (Vinzenz) Weiße schwimmende Luftballons (A. Geng) „Etz heirat döi an Alnbahner!“ (A. Geng) Freunde (Vinzenz) Missverständnisse (A. Geng) S Kaffeekränzl (M. Lemmer) Schlachtschüssl (Vinzenz) Halt deine Klappe (A. Geng) Eine Gott sei Dank falsche Feststellung (Vinzenz) Der Gummihammer (K. Pollmer) Zum Leben gehört auch... (Vinzenz) Narrenfreiheit (A. Geng) Peinlich, peinlich (A. Geng) Der Franke und der Fasching (Vinzenz) Der Mann hinter dem Fenster (K. Pollmer) Im Metzgerlodn (Vinzenz) Zeugen gesucht (A. Geng) Wiederholungsgedicht (Vinzenz)

Autorenportraits (mit Bibliografie) 8

151 153 154 155 157 158

159 160 162 162 164 164 165 166 167 168 169 171 173 174 175 176 177 180 181 182 183 184 188 191 192

194


Vorwort Stadt, Land, Fluss – das haben wir als Kinder alle gespielt. Die drei Kategorien haben wir mindestens ergänzt um Berge und Farben. Manchmal kamen auch noch die Spalten „Blumen“ und „Namen“ hinzu. Das war ein lehrreiches Spiel; wir waren mit Eifer dabei. Alle diese Kategorien lassen sich ohne Mühe auf Franken anwenden: Idyllische Städtchen, eine faszinierende Landschaft, die von Flüssen und Bächen durchzogen und von Hügeln und Bergen abwechslungsreich geformt ist. In der Abfolge der Jahreszeiten blühen vielfältige Blumen; auch im unterschiedlichen Tagesverlauf und im Wechselspiel von Sonne und Wolken findet sich das ganze Farbspektrum. Und an mehr oder weniger bekannten Namen mangelt es Franken nicht. War es die Erinnerung an dieses Kinderspiel, das die Autoren dieses Buches zu ihren Geschichten und Gedichten angeregt hat, war es Zufall oder die Freude, Erlebtes zu Papier zu bringen? Was auch immer die Ursache war – jedenfalls finden sich hier all die vorgenannten Aspekte wieder, dazu viel Menschliches, Alltägliches, Spontanes. Die Eigenarten und Schrullen von Familienmitgliedern, Freunden und Nachbarn – einschließlich der eigenen Person – kommen ebenso augenzwinkernd zur Sprache wie Erinnerungen, Erlebnisse und das, „was halt so passiert“. So sind diese kleinen fränkischen Appetithappen entstanden, frank und frei erzählt, frank und frei berichtet. Auf unsere Mundart sind wir stolz. Wir wenden sie an, aber etwas gemildert, damit sie auch für Nicht-Franken verständlich und lesbar bleibt, ohne ihren Charme zu sehr einzubüßen. „Vier für Franken“: Albert Geng, Karin Pollmer, Marga Lemmer, Vinzenz

9


Ins Land der Franken fahren... ...behandelt die fränkische Natur als solche und was sich so im Lauf des Jahres darin abspielt Viktor von Scheffel wusste genau, warum er sein Loblied auf Franken sang. Die Landschaft ist abwechslungsreich und vielgestaltig, und dennoch erscheint dem Gast alles vertraut, bekannt, heimelig. Sanfte Hügel, tiefe Wälder, Auen, Seen, Flüsse und Bäche – die Natur bietet alles, was das Herz begehrt. Die schmucken Dörfer kuscheln sich in die Täler oder an die felsigen Hänge, die kleinen Städte wirken, als ob die Zeit stehen geblieben wäre. Da ist es kein Wunder, dass dieser Landstrich seit jeher Besucher anzieht, die auch gern wieder kommen. Der Franke liebt sein Franken, seine Natur, sein Bier, seinen Wein und seine Feste, besonders die Kirchweih, am liebsten im Freien, mitten in der von ihm so geliebten Natur. Der typische Franke ist halt gern draußen, beim Wandern, an den Badeseen und in der Loipe genauso gern wie im eigenen und im Biergarten. Das merkt man an den Wochenenden ganz deutlich, wenn die Großstädter die Naherholungsgebiete überschwemmen. Da bleibt es nicht aus, dass der Besucher dem einen oder anderen Original begegnet, auch wenn die in der Zwischenzeit seltener geworden sind. Vinzenz

10


Erderwärmung Döi Erderwärmung schpür ich gscheit in d Arm und aa im Kreiz. Ich schipp, weil’s Tooch und Nacht blouß schneit, seit drei Tooch Schnäi bereits. Döi Erderwärmung kammer hörn, alle Schtund im Radio: Der Schnäi tout in Verkehr arch schtörn, und s kummt nu viel mehr roo. Wenn des nu lang su weitergäiht mit der Erwärmung vo der Welt – mei Heizungszähler läfft wöi bläid, und der Schtrom frissts restli Geld. Im Fernseh sacht a Metroloch über d Erderwärmung aus: In Afrika is jedn Tooch su haaß, des is a Graus. Ich hör des, siech in Schnäi, der fallt, und denk: „In Afrika! Oho! Mir brauchertn in Deitschland halt a bissl wos dervo. Dafür schöim mir, ganz unbezahlt, a weng a Kältn noo!“ Vinzenz

11


Vorfrühling Mach dei Radio aus und schau amal naus! Mach dei Fenster aaf, drück die Aung zou und schnaaf! Es röicht nach Erdn, a weng nach Odl, in Nachbarn sei Kreissäg singt vur sein Schtodl. A Gieger kraht, houch affm Mist, weil er si freit, dass der nimmer zougfrorn ist. Die Schpotzn raffn, die Schtärla schlong, der Kater hout die Katz beim Krong. Die Lerchn jubiliern über die Wiesn, die Krokus tenner aa scho schprießn. Drüm affm Hübbl hockt a Häsla, nascht die erschtn frischn Gräsla. A Amsl scharrt im Gmüsbeet rum, zöicht raus an Wurm, a ganz dicks Trumm. Die Nachbari hängt die Bettn naus, der Opa hockt hemdsärmli vurm Haus. A Baumsäg wimmert drüm im Wald, warm scheint die Sunner, doch der Wind is kalt. Und wenn’s aa nachts nu gfriert und schneit, su is doch April – und Frühlingszeit! Marga Lemmer

12


Echt oder nicht echt? Wir wohnten damals noch in Hersbruck zur Miete in einem kleinen, gemütlichen Einfamilienhaus zwischen Ostbahn- und Happurger Straße. Sein Eigentümer hatte sich auf dem gleichen Grundstück ein neues und größeres gebaut. Er war alteingesessener Hersbrucker, wir aus Erlangen, der Stadt in der wir studiert hatten, aus beruflichen Gründen zugezogen. Für uns und die Kinder war es ein Glücksfall. Das VermieterMieter-Verhältnis entwickelte sich sehr freundschaftlich, und wir lernten dabei auch die Vorzüge des von uns ursprünglich als Sauerampfer bezeichneten Frankenweins kennen. „Ihr werdet schon sehen“, sagte er immer, „eines Tages verabscheut auch ihr das süße andere Zeug.“ Gemeint waren Weinsorten der lieblichen und süß schmeckenden Art, so wie wir sie eigentlich mochten. Und Recht sollte er behalten. Glücksfall für unsere Kinder war der Umstand, dass der Hauseigentümer selbst Kinder hatte und das große Grundstück viel Platz zum Spielen bot. Eines Tages, beim Blick durchs Küchenfenster sah ich unseren Hausherren, wie er langsam und vorsichtig, in der ausgestreckten Hand einen Rechen, so als wollte er etwas abwehren, den Blick dabei fest auf den Boden geheftet, sich in Richtung eines Baumes bewegte. Unsere Kinder hatten kurz vorher noch an dieser Stelle auf dem Rasen gespielt. Neugierig geworden, öffnete ich das Fenster. „Gibt es Probleme?“, fragte ich und fügte hinzu: “Kann ich irgendwie helfen?“ „Ja“, schrie er zu mir herüber. „Lassen Sie um Gottes willen bloß nicht die Kinder in den Garten. Hier – Achtung, gleich hab’ ich sie erwischt – hier im Gras liegt eine Schlange!“ Kaum hatte er seine Worte beendet, hob er auch schon den Rechen in die Höhe. Tatsächlich! Vorne an den Zinken baumelte ein langes, schmales Etwas. Eine Schlange. Sie schien sich zu bewegen. Dann sah ich aber auch schon das erstaunte Gesicht des Mannes und hörte ihn fluchen: „Verdammt! Die ist ja gar nicht echt! Die sieht nur so aus! Die ganze Aufregung war umsonst!“

13


Es war die Spielzeugschlange unserer Kinder, die sie im Garten vergessen hatten. Zugegeben, das Ding sah ziemlich echt aus. Ich verkniff mir ein Grinsen, denn schon hörte ich unseren Hausherren leicht verärgert rufen: „Sagen Sie den beiden, wenn die schon mit so was spielen müssen, dann sollen sie es gefälligst nicht im Rasen liegen lassen! Ich will mich nicht noch mal so ängstigen müssen!“ Irgendwie konnte ich ihn ja verstehen. Wer weiß, wie ich in seinem Fall reagiert hätte. Als ich unseren Kindern den Vorfall später erzählte und sie gleichzeitig ermahnte, meinten sie nur: “Das sieht man doch, dass die Schlange nicht echt ist!“ Und sie fügten leicht entrüstet hinzu: „Jedes Kind sieht das!“ Was sollte ich darauf noch sagen? Karin Pollmer

Klassisches Wanderlied Im Osten wird der Himmel hell; die Nacht kriegt bunte Schwingen, entflieht damit dem Morgen schnell, die frühen Vögel singen. Der Rucksack liegt schon lang bereit, die Wanderschuhe warten. Auf, auf! Es ist die rechte Zeit für Gottes grünen Garten. Noch wallen Nebel auf dem Feld, der Tau glänzt auf den Wiesen. Die Sonne steigt am Himmelszelt, die fernen Gipfel grüßen. Im Tal am Parkplatz trifft sich bald die frohe Wanderrunde, und zum Gitarrenklang erschallt ein Lied im Wiesengrunde. 14


Der Fuchs schläft schon in seinem Bau, der Hase in der Sasse. Die Lerche steigt hinauf ins Blau, ein Heuschreck zirpt im Grase. Der Weg beginnt am klaren Bach, in dem Forellen schwimmen, um dann in Kehren, nach und nach, die Höhe zu erklimmen. Ein milder Wind bringt Blütenduft, und durch die Blätter fallen in klarer, reiner Waldesluft der Sonne warme Strahlen. Die Beine schreiten munter aus auf sonnenhellen Wegen. Sie führen aus dem Wald hinaus, dem Vesperplatz entgegen. Die Lichtung zeigt ein Blütenmeer, im Wind die Blumen schaukeln. Die Bienen summen flink umher, und Schmetterlinge gaukeln. Das Vesperbrot ist bald verzehrt; die Rast stimmt alle heiter. Ein enges Tal lockt, felsbewehrt, die Wandervögel weiter. Ein Fichtenwäldchen säumt den Hang, die Vögel jubilieren. Und überm Moos, am Bach entlang, Libellenflügel schwirren. Dann ist des Pfades Kamm erreicht, der Blick schweift in die Weite. Nun eben, fällt das Gehen leicht, auf kühler Schattenseite. 15


Hoch steht die Sonne im Zenit, der Bussard will ihr folgen. Der Wind bringt Kieferndüfte mit, schafft Bilder mit den Wolken. Mit diesem Wolkenbildermeer lässt sich gar trefflich rasten. Die Mittagsvesper mundet sehr – wer wandert, muss nicht fasten. Von ferne blinkt ein kleiner See durch grüne Buchenwälder, davor ein Hang mit sattem Klee und gelbe Weizenfelder. Der leere Rucksack trägt sich leicht hinab zum Tal im Grunde, und schließlich ist das Ziel erreicht zur frühen Abendstunde. Die Sonne sinkt zum Horizont und lässt den Fels erglühen. Im Osten zeigt sich schon der Mond; die Vögel heimwärts ziehen. Ein Wirtshaus lockt mit kühlem Trank und gutem Abendessen. Dort wird noch lange auf der Bank rund um den Tisch gesessen. Vinzenz

16


A Radzboodsi Es gibt heute Dialekt-Seminare, ein Buch mit Oberpfälzer Sprichwörtern und auch ein „Fränggisch’ Wördderbichla“, aber einen Begriff aus unserem Wortschatz bzw. unserem heimischen Nürnberger Dialekt konnte ich nirgends finden. Der sollte aber, weil er wirkli oadli is, erhalten bleiben. Wer weiß denn heute noch, was ein „Radzboodsi“ ist? „Schau hi, a Radzboodsi!“ sacht der Nürnberger, wenner gmöitli im Biergarten an der Pengertz hockt und im Wasser an Radzn beim Schwimmer beobachtet. Auf gut deutsch heißt das: „Schau mal, da badet sich eine Ratte!“ oder etwas kürzer gesagt: „Eine Ratte badet sich“. Im „Wörterböijchl Oberpfälzisch-Deutsch“ hob is dann doch nu gfundn, dou schtäiht, dass a Ratz (fränkisch Radz) eine Ratte ist. Albert Geng

Die Schtärla sin dou Es wor su Ende Februar, dou bin i fröih nausganger. Recht garschti wors und kalt derzou, der Himml wor verhanger. Wöi liecht mei Gattn öd und leer, der Schnäi is nu net taut, und wöi i a weng um mich schau, dou hör i su an Laut. A weng verrost und nu recht leis, hör ich am Dach wos singer, dann zwitscherts, pfeifts und tirilierts, tout ganz vertraut mir klinger. Und wöi i naafschau affn First, dou siech in aa scho sitzn, 17


wenn er mit seine Flügl schlächt, dann tout sei Gfieder blitzn. Du Schtärla, gouter schwarzer Gsell, du toust mit deinem Singer – und is a blouß an Herzschloch lang – mir glei in Frühling bringer. Und wöi i schtäih und a su schau, denk i an letzn Summer, es worn grod meine Kirschn reif, dou sin döi Krippl kummer. Zu Dutzndn sins dou eigfalln schwarz wor der Kirscherbaam, und i hob gschrier und hob gfloucht, heit kann is fast net glaam: „Verschwinds, ihr schwarze Raiberbrout, i bring eich allzamm um!“ I hob nach ihner gschmissn dann mit su manch hölzern Trumm. Blouß nu die Schtiel, manche mit Kern, sin an mein Baam droo ghängt. Wöi hob i dou döi Vöicher ghasst, mei Tierliebe verdrängt. Und su is halt im ganzn Lem, su gäihts mit viele Sachn – heit freiers uns und bringer Glück, morng könners Ärger machn. Marga Lemmer

18


Es piepst in unserem Kamin Fünfundvierzig Jahre sind seither vergangen. Wir hatten uns den Luxus geleistet, ein großes und auch altes Haus zu kaufen und es umzubauen. Nicht, weil wir Geld im Überfluss gehabt hätten, vielmehr war eher das Gegenteil der Fall. Wir hatten es gekauft aus rein rationalen Erwägungen. Die alten, vom Vorgänger übernommenen Praxisräume erwiesen sich als erheblich zu klein und befanden sich überdies in einem baulich sehr schlechten Zustand. Außerdem existierte seinerzeit eine Vorschrift, die besagte, dass Praxis und Wohnort eines Allgemeinarztes aus Gründen schneller Erreichbarkeit in ein und demselben Ort liegen mussten. Es blieb uns also gar nichts anderes übrig, als sich auf die Suche nach einem geeigneten Objekt zu machen, das dem gerecht werden würde. Im Zentrum von Hohenstadt wurden wir fündig. Das ehemalige Café im Parterre des Hauses sollte beruflich genutzt und entsprechend umgebaut werden, die übrigen Räume privat. So geschah es dann auch. „Alte Häuser haben Charme“, so die gängige Meinung. In gewisser Weise mag das auch stimmen. Was sie aber auf alle Fälle haben, wir haben es erfahren, ist ein großes Potential zur Anhäufung von negativem Kapital, zumindest was den mit Umbauten belasteten Hauseigentümer betrifft. Bei der Bank als Kreditgeber existiert diesbezüglich natürlich eine völlig andere Sichtweise. Groß ist übrigens auch das Potential alter Häuser an gebotenen Überraschungen, was dann zwar wiederum die Bank erfreut, nicht aber den Bauherrn. Zumindest verhielt sich das in unserem Falle so. Wir wurden überrascht von uns bis dahin unbekannten Löchern in morschen Bodendielen, diskret verborgen, unter einer Lage schwerer Teppiche, von Dachrinnenschläuchen, die nicht in einen Kanal mündeten, sondern schlicht und einfach in der Erde endeten und somit offenbar jahrelang eifrig dafür gesorgt hatten, dass die Grundmauern des Hauses ja nicht zu sehr unter Mangel an 19


Feuchtigkeit leiden würden. Wir wurden überrascht von einem Duschablauf, der geradewegs in einen dieser Schläuche mündete, ferner von seltsam hygroskopischem Füllmaterial im Fehlboden, von einer Wand, deren Stabilität nur durch die Rückwand eines großen Schrankes gesichert war, und wir wurden überrascht von einem sehr in die Jahr gekommenen Abwassersystem, dessen Kapazität gerade noch für einen äußerst sparsamen Einpersonenhaushalt hätte ausreichen können. Wie schon gesagt, die Bank hat das mächtig gefreut. Uns nicht. Was man sicher verstehen kann. Und dann gibt es noch die Überraschungen, die unabhängig sind von der baulichen Substanz eines alten Hauses. So geschehen, als Umbau und Renovierung der Räume im Parterre des Hauses sich dem Ende zuneigten, die Maler mit Tapezieren und Streichen der Wände beschäftigt waren und plötzlich die Bemerkung fiel: „Hier, in der Wand, da rührt sich was. Da ist ein Geräusch.“ Sofort herrschte angespannte Stille. Und tatsächlich, dort, wo die Kaminwand sich befindet, war ein Geräusch zu vernehmen. Genauer gesagt, ein Piepsen. Kein Zweifel, in unserem Kamin piepste es. Ganz leise zwar, wenn aber alle schwiegen, dann doch deutlich vernehmbar. Jemand war im Kamin und dort eingeschlossen. Eine Öffnung nicht mehr vorhanden. Der Kamin war stillgelegt worden. Was also sollten wir tun? Warten, bis das Piepsen irgendwann verstummen würde? Mit dem Bewusstsein leben, einer kleinen Kreatur nicht geholfen, sondern einfach ihren sicheren Tod abgewartet zu haben oder aber, die andere Möglichkeit, in die Wand ein Loch schlagen. In eine Wand, die bereits frisch getüncht und strahlend weiß war. In eine Wand, die mit roten Ziegeln gemauert war, von der Sorte, die beim Schlagen von Löchern so wunderbaren feinen roten Staub produziert, der dann auch noch so wunderbar überall haften bleibt. Zwei Möglichkeiten also, die zur Debatte standen? Wirklich zwei? Nein! Keine zwei. Für uns kam ganz klar nur eine einzige in Frage.

20


Eilig wurden Hammer und Meißel geholt. Ein erster kräftiger Schlag mit dem Hammer auf die Kaminwand, und das Piepsen verstummte. War der Lärm die Ursache gewesen oder hatten sich durch die Wucht des Schlags eventuell Steinbrocken im Inneren des Kamins gelöst und die gefangene Kreatur getötet? Wir hielten inne und lauschten. Stille im Raum. Stille auch im Kamin. Wir lauschten eine ganze Weile. Kein Piepsen war mehr zu hören. Sollten wir aufhören oder weitermachen? Wir entschieden uns fürs Weitermachen.

Sehr vorsichtig allerdings gingen wir jetzt ans Werk. Ein kleiner herausgeschlagener Steinbrocken nach dem anderen landete auf dem Boden. Immer mehr feiner, leuchtend roter Ziegelstaub breitete sich auf der Kaminwand aus und kontrastierte ganz wunderbar mit deren ehemals reinweißer Farbe. Das Loch in der Wand wurde größer und größer, genauer gesagt, tiefer und tiefer und schließlich, ein letzter vorsichtiger Einsatz von Hammer und Mei-

21


ßel, der Durchbruch in den Kamin war geschafft. Allseits großes Aufatmen! Aber, hatte sich die Anstrengung auch gelohnt? Lebte die kleine, erst piepsende, jetzt verstummte Kreatur überhaupt noch? Eine Hand griff suchend in den Kamin und ertastete – nichts. Abgesehen von Ruß und Schmutz - nichts. Zunächst jedenfalls. Dann ein zweiter Versuch. Wieder eine Hand voll mit Ruß und Schmutz und dazu noch ein kleines, staubbedecktes und zerzaustes Etwas. Und es bewegte sich. Es lebte. Ein kleiner Vogel. Ein Spatz, völlig verängstigt und zitternd und im ersten Augenblick seiner Befreiung aus dem dunklen Gefängnis nicht in der Lage, wegzufliegen. Vorsichtig setzten wir ihn in den Garten ins Gras. Dort noch ein kurzes Aufplustern seines Gefieders, verbunden mit einer Wolke aus Ruß und Staub, und weg war er. Fortgeflogen in die Freiheit. Unsere Mühe hatte sich gelohnt. Wir waren erleichtert und glücklich. Der kleine Vogel sicher auch. Die finanziellen Mehrkosten, entstanden durch diese Gefangenenbefreiung, sie konnten unser Glücksgefühl nicht trüben. Verglichen mit den sonstigen, baulich bedingten, waren sie ja auch im Grunde minimal. Karin Pollmer

Naus affs Land Wöi eine Heimsuchung finds schtatt: Döi Nürnberger wern nimmer satt vo dem, wos in der Schtodt werd botn. Am Wochnend denners aaflodn, bei unsre Metzger, unser Beckn, denns die Einheimischn derschreckn. Ob Alfeld, Förrnbach, Houherschtodt – blouß nu Autos as der Schtodt.

22


Nürnberg, Fürth und rings drum rum wusln in die Lädn rum: „A Ringla Schtadtwurscht, zwaa Pfund Fleisch!“ Sie kummer bis as Neuschtadt/Aisch zu unsre Kaufleut naus affs Land, denn döi Schtodter hom erkannt: In unsre Lädn sins ka Nummer, und wenns a poormal öfter kummer, dou werns begrüßt mit ihre Namer, wovons im Supermarkt blouß draamer. Affs Gramm genau werd aa net gwong, die Wor nu bis ans Auto trong, a Schtückla Wurscht umsunst derzou, dou macht der Metzgerseinkauf frouh. Bei zehr Weckla a halberts gschenkt – wou gibt’s des sunst, der Schtodter denkt. Dafir fohrns hundert Kilometer bei schöiner und bei schlechtn Weter. Dazwischn tenners a weng wandern, meistns vo an Wirtshaus zum andern. Wolln mir zu unsre Wirt dann nei, nou derf mer scho recht glückli sei, wenn mers mit List und Tücke schaffn, dass mer uns an Platz derraffn. Wers derlebt, werds nie vergessn, wos döi Schtodter kenner essn. Schnitzl, grouß wöi Abortdeckl, dervur drei Broutwürscht mit an Weckl. Schäuferl, Knöchla, Schweinebratn, des würngs nunter ohne Gnadn.

23


hoppla! neugierig? weiter gehts im buch ;)

erhältlich bei Pfeiffer Verlag und Medienservice GmbH & Co. KG Nürnberger Straße 7 91217 Hersbruck Fon 09151 7307-0 . Fax 09151 7307-98

pfeiffer-medienhaus.de


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.