On Faith – Über den Glauben

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P E R S P E C T I V E S DAS FEUILLETON IM LUXEMBURGER WORT

Nummer 30 | 2523 | Vue hebdomadaire sur les arts et les idées

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10. November 2016

DIE WARTE

„On faith“ – Über den Glauben Wie eine amerikanische Fotografin Katholiken in Luxemburg sieht


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On Faith – Über den Glauben: eine beeindruckende Ausstellung in Wisconsin (USA)

Katholiken in Luxemburg

Die amerikanische Künstlerin Lois Bielefeld porträtierte Menschen, Kirchen und Spiritualität im Großherzogtum von Jochen Zenthöfer

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as Museum of Wisconsin Art in West Bend ist im amerikanischen Bundesstaat Wisconsin beheimatet, der im Norden der USA liegt. Es gibt hier 5 000 Seen und große Waldgebiete. Fünf Millionen Menschen leben auf einem Gebiet, das zwei Mal so groß ist wie Bayern. Geschichtlich gesehen gibt es enge Bezüge zwischen Wisconsin und Luxemburg sowie den Nachbarländern, fast die Hälfte der Einwohner stammt von deutschen Einwanderern ab. Bis heute gibt es die Gemeinde „Luxemburg“ im Kewaunee County mit 2 500 Einwohnern. Die mit Abstand mitgliederstärkste Religionsgemeinschaft in Wisconsin ist die Katholische Kirche mit knapp zwei Millionen Gläubigen. Man kann also sagen: Das Museum of Wisconsin Art ist ein gutes Pflaster für eine Ausstellung über Katholiken in Luxemburg. Und diese Ausstellung hat vom 9. April bis zum 26. Juni auch stattgefunden. Gezeigt wurden allerdings nicht Katholiken aus dem Dorf Luxemburg in den USA, sondern aus dem Großherzogtum Luxemburg. „On Faith“, also „Über den Glauben“, hieß die präsentierte Fotoserie der US-amerikanischen Künstlerin Lois Bielefeld. Darin porträtiert sie Menschen, die im

Kirchendienst oder als Laien ihren Katholizismus leben. Die Werke sind untertitelt mit den Namen der Gläubigen: Teresa, Michel, Frère Gabriel, Cheryl, Ben-David, Simeon, Pierre, Cliodhna, Paul, Monique, Roger, Jutta, Maria, Renato, Abbé Claude, oder eine ganze Familie: Katja, Simon, Lidwina, Adelheid, Ludwig, und Mathilde. Jeder Luxemburger wird einige der hier Abgebildeten aus der Gemeinde, der Nachbarschaft oder der Zeitung kennen. Man sieht sie zu Hause, am Arbeitsplatz, vor einer Orgel, im Freien oder im Wald. Es sind ganz normale Menschen, die etwas eint: Ihr Vertrauen in den christlichen Gott, den sie in Luxemburg aktiv praktizieren.

Zehn Wochen in Luxemburg Im Jahr 2015 war Lois Bielefeld für zehn Wochen im Großherzogtum. Vorher kannte sie das Land nicht. Sie wohnte im Annex des Schlosses von Bourglinster, ihr Aufenthalt wurde auch durch das hiesige Kulturministerium unterstützt. Als sie durch das Land streifte, um die Landschaft kennenzulernen, merkte sie, dass die Kirchen fast immer der höchste Punkt und die Mitte eines Dorfes bilden. Während ihres Aufenthaltes veröffentlichte die Regierung ihre Pläne zur weiteren

Die Künstlerin Lois Bielefeld: „Luxemburg wird immer in meinem Herzen bleiben.“ 30 | 2523

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Trennung von Kirche und Staat. Das wühlt die Menschen innerlich auf, merkte Bielefeld. Sie, eine Agnostikerin, evangelikal erzogen, besuchte daraufhin Gottesdienste. Sie verstand wenig, da auf Luxemburgisch gepredigt wurde, aber sie erlebte familiäre, gelöste Stimmungen. In den Kirchen waren die Gläubigen unter sich, stärkten und halfen sich. Als Außenstehende konnte Bielefeld aber auch den Zwiespalt der Menschen erfassen, der sich durch die politischen Beschlüsse breit machte, und der doch dem individuellen Glaubensverständnis nichts anhaben konnte. „Ich war von pulsierender Intimität geschlagen“, erzählt Bielefeld. Sie wollte mehr wissen über die große kulturelle Veränderung, die Veränderungen und Unsicherheiten hervorrufen würde. „Die Kirche ist in Luxemburg an den Staat gebunden und auch an die meisten Menschen“, erkennt Bielefeld. Sie selbst trat aus der Kirche aus, als sie erwachsen wurde. Aber sie blieb fasziniert von Menschen, die glauben: „Ich möchte ihre Geschichten, Rituale und die Wurzel ihres Glaubens wissen, vielleicht bin ich eifersüchtig darauf, dass sie zu glauben fähig sind und ich nicht.“ Hatte Bielefeld bereits bei ihrer Abreise in den USA die Idee, Katholiken

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zu porträtieren? Nein. Geplant war eine Fotoserie darüber, wie Menschen hier während der Woche zu Abend essen. „Dieses Projekt hat mir geholfen, in die Häuser zu kommen und ein Gefühl für die Menschen, die Kultur und ihren intimen Raum zu bekommen“, erzählt die Künstlerin. Als sie mit den Menschen sprach und durchs Land reiste, bemerkte sie die vielen offenen, beheizten, beleuchteten und gut gepflegten Kirchen. „Dann wollte ich wissen, wer noch regelmäßig die Kirchen füllt und wie ihr Glauben aussieht.“ In Wisconsin hatte sie gehört, die Kirche in Luxemburg liege im Sterben und sei nicht wert, erkundet zu werden. „Ich wollte für mich selbst sehen, ob die Kirche ein Relikt der Vergangenheit war oder immer noch floriert.“ Deshalb hat sie nicht nur Fotos gemacht, sondern auch Audio-Aufnahmen, die – in luxemburgischer, englischer, deutscher und französischer Sprache – im Museum zu hören waren. Dort berichten Luxemburger von ihrem Glauben, es sind Gesänge zu hören, Glockenläuten, gemeinsame Gebete. Ob Bielefeld glaubt, dass es noch viele Katholiken im Großherzogtum gibt? „Ich habe gehört, dass es immer weniger praktizierende Christen gibt. Die Rituale der Taufe, Kommunion, Firmung und Hochzeit sind noch

recht stark. Aber die regelmäßige Teilnahme an Gottesdiensten ist sicher deutlich – und vor allem bei der Jugend –zurückgegangen.“ Doch die Präsenz des Katholizismus sei immer noch groß in Luxemburg und eingebettet in Kultur und Gesellschaft. „Es gibt so eine deutliche visuelle Präsenz des Glaubens, mit den Reliquien, sakralen Statuen und sonstigen Gegenständen, die überall zu entdecken sind, bis hin zu Felsen in der Mitte des Waldes.“ In den USA sei die Zahl der wirklich praktizierenden Christen geringer als in Luxemburg, zudem gebe es dort viele Abspaltungen und Sekten. Manchmal wirke es so, als habe jeder seinen eigenen Glauben, sagt Bielefeld. Fasziniert ist sie auch von der hiesigen Kirchenbaukultur. „Die Gebäude unterscheiden sich alle, in der Architektur, der Innenausstattung, bei den Fenstern, und so weiter“, sagt sie: „In diesen Gebäuden spüre ich Ehrfurcht. Als ich diese verschiedenen Kirchen fotografierte, überkam mich außerdem ein wunderbares Gefühl der Erforschung und Entdeckung. In vielen Gotteshäusern erkundete ich auch den Chorraum und hatte zudem das Glück, die Sakristei besichtigen zu dürfen. Ich frage mich, was mit all den Kirchen

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Simeon

Fr. Gabriel

Paul

Sr. Dorothée-Maria

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jetzt aufgrund der Veränderungen in Luxemburg geschehen wird.“ Und dann fragt sie den Autor dieser Zeilen: „Hat es von den Gemeinden schon Entscheidungen über den Bestand der lokalen Dorfkirchen gegeben?“ Eine junge Amerikanerin, eine Agnostikerin, wie sie sich selbst bezeichnet, macht sich Sorgen um die Kirchengebäude in Luxemburg. Was soll man ihr antworten? Dass die Regierung ein großes Kuddelmuddel veranstaltet? Dass die kommunale Autonomie, die der Innenminister sonst immer ins Feld führt, etwa um Denkmalschutz zu verhindern, bei den Kirchen gerade nicht gelten soll? Dass es nur wenige Abgeordnete wie André Bauler gibt, die sich aktiv für diese Gebäude ein30 | 2523

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setzen und sie schützen wollen? Dass die meisten Kirchen nicht auf der nationalen Denkmalschutzliste verzeichnet sind, und dass das Gremium, das für einen solchen Schutz zuständig ist, monatelang nicht tagen konnte, weil der Kulturminister keine neuen Mitglieder berufen hat? Kann man einem Ausländer die verfahrene Situation in Luxemburg überhaupt plausibel erklären? Bielefeld hat noch Kontakte zu Freunden in Luxemburg, darunter eine Familie in Bourglinster, die sie fotografiert hat für ihre Serie zu den Abendessen, und zum Publizisten Pierre Lorang, vormals Mitarbeiter des „Luxemburger Wort“, der in der Serie der Gläubigen porträtiert ist.

Lorang war auch der einzig bekannte Luxemburger, der die Ausstellung in Wisconsin besucht hat. Letzte Frage an die Amerikanerin: Kommst Du eines Tages zurück? „Ganz sicher! Luxemburg wird immer in meinem Herzen bleiben. Und ich möchte das Land auch mal im Sommer sehen, bisher kenne ich nur den Winter und das Frühjahr.“ Bielefeld hat übrigens keine familiären Wurzeln nach Luxemburg, aber – kaum überraschend – nach Deutschland. Die Vorfahren ihres Vaters stammen dorther. Sie erzählt, dass ihr Bruder sie in Luxemburg besucht habe und von hier aus nach Bielefeld in NordrheinWestfalen gefahren sei. Leider war

sie so mit ihrem Fotoprojekt beschäftigt gewesen, dass sie nicht habe mitkommen können. (Nun gut, sie hat nicht viel verpasst!) Zu einem späteren Zeitpunkt in ihrem Leben möchte sie sich mit der Familiengeschichte intensiver befassen. Ihr Aufenthalt im Großherzogtum wurde kofinanziert vom Museum of Wisconsin Art und der Ansay Development Company. Ansay ist eine bekannte Immobilienfirma in Bielefelds Heimat, ein Familienunternehmen mit Luxemburger Wurzeln. Der Name „Ansay“ ist auch im Großherzogtum verbreitet, vom Ösling über Contern bis in den Süden des Landes. So schließt sich der Kreis zwischen Luxemburg und Wisconsin. n


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