Leseprobe Buchberger »Luna«

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B est. -Nr. 4043725 000814

EXKLUSIVE LESEPROBE

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Eine gefährliche Reise durch ein verzaubertes Königreich

AB 12 JAHREN

Hardcover, 368 Seiten · € 12,99 (D) / € 13,40 (A) ISBN 978-3-492-70452-6 · Auch als E-Book erhältlich. 2


L E S E P RO B E

LUNA – Im Zeichen des Mondes Prolog Lynda schritt im Rosenquarzsaal auf Schloss Funkelstein auf und ab. Sie war ratlos, und das war schon lange nicht mehr vorgekommen. Lynda erwartete ein Kind. Sie selbst jedenfalls war überzeugt davon – alle Zeichen sprachen dafür. Doch wenn das stimmte, stand sie vor einem der bisher größten Probleme ihrer Amtslaufbahn. Denn Lynda Céleste war keine gewöhnliche Frau. Sie war die Königin des Ardenreichs, dem größten der drei Reiche Hyiandas. Durch seine zentrale Lage zwischen den beiden anderen Kontinenten Lunadësias – Uyneia und B’ynyay – stand Hyianda immer schon im Mittelpunkt der lunadësischen Politik. Genauso wie das Schloss Funkelstein, Lyndas Schloss, in Hyianda im Mittelpunkt stand. Alle Welt sah zu Lynda auf. Sie konnte nicht einfach ein Kind bekommen! Nicht jetzt, da … Lynda wurde durch die eifrige Stimme ihres Türstehers Silvo aufgeschreckt: »Euer Majestät, sie sind eingetroffen!« Sie hob den Kopf. »Danke, Silvo. Sie sollen eintreten.« Lynda richtete sich auf und strich sich eine blonde Locke, die sich aus der tadellosen Flechtfrisur gelöst hatte, aus dem Gesicht. Um alle Zweifel zu beseitigen, hatte sie gleich drei Schattenspäher anreisen lassen. Schattenspäher 3


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besaßen eine sehr seltene Gabe: Sie konnten die Magie, die in jedem Lebewesen Lunadësias und selbst in scheinbar leblosen Gegenständen steckte, als sichtbare Spur wahrnehmen. Jemand, der diese Gabe nicht besaß, konnte sich nicht vorstellen, wie Schattenspäher ihre Umwelt sahen, aber Lynda hatte gehört, dass die Magie für Schattenspäher aussah wie farbiges Licht – die Magie jeden Geschöpfes hatte einen anderen, einzigartigen Farbton. So konnten Schattenspäher auch das wahrnehmen, was dem normalen Auge verborgen blieb. Die großen Flügeltüren des Saals schwangen auf und drei mit Kapuzen vermummte Gestalten traten ein. Mit hastigen Schritten stolperte die linke herbei und verbeugte sich tief, während die anderen beiden gemessenen Schrittes folgten, um sich dann ebenfalls stumm zu verneigen. »Guten Abend. Ich danke Euch für Euer schnelles Erscheinen«, begrüßte Lynda die drei Kapuzenträger, die nun zu ihr aufsahen. Eine unheimliche Stille breitete sich aus. Einige Sekunden lang sprach niemand ein Wort. Dann zogen die Seher die Kapuzen vom Kopf. Der Schattenspäher, der vorhin gestolpert war, entpuppte sich als junges Mädchen: Eine Waldelfe, kaum vierzehn Jahre alt, blickte der Königin ehrfurchtsvoll entgegen. Ihre Augen schienen zu ernst für ein Kind ihren Alters. Lynda war sich sicher, sie nie getroffen zu haben, 4


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aber irgendetwas an ihr kam ihr bekannt vor … schmerzlich bekannt. Die anderen Seher waren älter, viel älter. Ihr Blick ging ins Leere, als hätten sie schon genug von der Welt gesehen. Oder zu viel. Leise tuschelten sie miteinander, und Lynda wusste, dass sie sich absprachen. Dann erhob einer der Alten die Stimme: »Ihr hattet recht, Euer Majestät. Ihr erwartet eine Tochter. Das Ardenreich bekommt eine Prinzessin. Aber …« Lyndas Herzschlag beschleunigte sich kaum merklich. Ein Haken. Natürlich musste es wieder einen Haken an der Sache geben, als wäre alles nicht ohnehin schon kompliziert genug. »Aber?«, wiederholte sie, und obwohl sie innerlich bebte, klang ihre Stimme vollkommen ruhig. Die junge Waldelfe antwortete ihr: »Eure Tochter wird kein gewöhnliches Kind sein. Sie …« Für einen Moment schien es, als wollten die älteren Schattenspäher ihre Schülerin unterbrechen, und sie hielt inne, doch Lynda machte eine nur mühsam gemäßigte Handbewegung: »Fahr fort.« Und plötzlich sprudelte es geradezu aus ihr heraus: »Dieses Kind ist ein Geschenk, auf das niemand zu hoffen gewagt hat! Es wird mächtig werden und Kräfte entfalten, die unserem Reich wieder Gleichgewicht und Frieden bringen können. Die ganze Welt wird die Geburt dieses 5


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Mädchens erwarten, man wird es Wunder nennen und Lichtbringerin. Euer Majestät – Eure Tochter wird die nächste Mondprinzessin sein!« Auf diese Ankündigung folgte bleierne Stille. Lynda, die für gewöhnlich nie um die richtigen Worte verlegen war, war sprachlos. Konnte es möglich sein? Konnte dieses Kind, das so viele Probleme versprach – das sie nicht einmal gewollt hatte –, die nächste Mondprinzessin sein? Es war kaum zu glauben. Natürlich kannte Lynda die Legende von den Mondvögeln, die Licht in ihre Welt gebracht und alle Lebewesen mit Magie beschenkt hatten. Zudem gab es immer wieder Geschichten über besonders begabte Kinder königlicher Herkunft, die die Seele eines Mondvogels in sich trugen und sagenhafte Kräfte entfalteten. Doch die Geburt der letzten Mondprinzessin lag bereits mehrere Jahrhunderte zurück. Und nun sollte ausgerechnet sie die Mutter der nächsten sein? »Seid ihr sicher?«, fragte sie leiser, als sie sonst sprach. »Völlig sicher«, bestätigte der augenscheinlich ältere der Schattenspäher. »Diese Magie ist völlig unverwechselbar, Euer Majestät.« Lynda nickte langsam. Das änderte natürlich alles.Während es in ihrem Kopf bereits zu arbeiten begann, fiel ihr Blick auf das junge Mädchen, das mit weit aufgerissenen Augen stumm zwischen seinen Lehrern stand und sich 6


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sichtlich bemühte, sie nicht allzu sehr anzustarren. Ihr kam ein Gedanke. »Wie heißt du?«, fragte sie unvermittelt. Die junge Schattenspäherin blinzelte erschrocken. »Narena«, brachte sie hervor und fügte, nach einem harten Rippenstoß von einem ihrer Lehrer, hastig hinzu: »Euer Majestät.« Lynda wandte sich an die beiden Alten. »In Anbetracht der Umstände hätte ich gerne einen Schattenspäher in meiner Nähe, falls es zu Komplikationen kommen sollte. Ich möchte Narena mit Eurem Einverständnis eine Stelle bei Hofe anbieten.« Es war offensichtlich, dass jeder der beiden Männer sich selbst für die geeignetere Wahl hielt, was die Position des königlichen Schattenspähers anging. Der Jüngere der beiden öffnete den Mund, wie um zu widersprechen, doch Lyndas Blick ließ ihn seine Meinung ändern. »Natürlich, Euer Majestät. Es wäre uns eine große Ehre, Euch unsere Schülerin anzuvertrauen.« Lynda nickte knapp. »Dann danke ich Euch für Eure Dienste. Silvo wird Euch nach draußen begleiten. Narena, ich sorge dafür, dass man dich in deine neuen Räumlichkeiten bringt. Ich werde im Laufe der nächsten Woche nach dir schicken lassen.« Ohne auf die gemurmelten Abschiedsworte der Schattenspäher oder die ängstlich geweiteten Augen des Mäd7


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chens zu achten, wandte Lynda sich ab. Es gab einige Dinge zu bedenken. Doch wenn sie sich nicht täuschte, bot sich ihr nach all den Jahren endlich eine neue Chance.

Eine Geburtstagsüberraschung Dreizehn Jahre und sieben Monate später Die Morgensonne schien auf Schloss Funkelstein hinab und ließ seine cremeweißen Mauern leuchten wie Perlmutt. Obwohl es noch kühl war, versprach es ein schöner Tag zu werden. Der Himmel war klar und blau und die zarte Frühlingsluft kündigte strahlendes Wetter an. Es war einer dieser Tage, an denen alles genau so zu sein schien, wie es sein sollte. Analina Nelia von Funkelstein war da anderer Meinung. »Tut mir leid, aber ich kann es einfach nicht!« Resigniert ließ Analina die Hände sinken und ging ein paar Schritte Richtung Fenster. Sehnsüchtig warf sie einen Blick hinaus auf den makellosen Himmel. Das war wieder einmal typisch, dass sich ihre Lehrerin ausgerechnet den bisher schönsten Tag des Jahres aussuchte, um eine Intensivstunde Magieunterricht abzuhalten. Analina hasste solche Stunden. Beluu, ihre Mentorin für Magie, war immer anspruchsvoll, aber manchmal war ihr Unter8


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richt einfach die Hölle. Heute Morgen hatte sie Analina in aller Frühe aus dem Bett geworfen, um mit ihr an ihrer Ausdauer zu arbeiten. Das bedeutete, dass Ana seit sechs Uhr morgens damit beschäftigt war, Magiestrahlen gegen eine stabile Kristallscheibe zu schießen, bis ihr die Energie ausging. Immer und immer wieder. Beluu räusperte sich und Ana wandte widerwillig den Blick vom Fenster ab und sah sie an. Beluu war eine Wassernymphe und damit schon von Natur aus launisch, aber bei ihr war diese Eigenschaft, davon war Analina überzeugt, selbst für eine Nymphe ungewöhnlich stark ausgeprägt. »Du gibst dir keine Mühe«, fuhr Beluu sie unwirsch an, wie um Analinas Eindruck zu bestätigen. »Versuch es noch mal.« Analina stöhnte leise auf. Sie hatte bereits vier Versuche hinter sich, einen weiteren Magiestrahl zu erzeugen, und fühlte sich inzwischen so ausgelaugt wie nach drei schlaflosen Nächten. Unter Beluus Blick kapitulierte sie und hob erneut die Hände. Inzwischen schmerzten ihre Handflächen, als hätte sie Verbrennungen daran, weil die ständige Beanspruchung ihre Haut reizte. Mit zusammengebissenen Zähnen begann sie, Energie aus ihrem Innern durch ihre Arme bis in die Fingerspitzen wandern zu lassen. Angestrengt richtete sie den Blick auf die Kristallscheibe. Himmelblaue 9


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Funken begannen um ihre Finger zu tanzen. Analina holte tief Luft, und mit einem Ruck, der durch ihre Arme fuhr, brach ein gleißend heller, himmelblauer Magiestrahl aus ihren Handflächen hervor. Mit einem melodischen Klingeln traf er die Kristallscheibe, und Analina konzentrierte sich rasch darauf, ihn aufrechtzuerhalten. »Siehst du, es funktioniert doch.« Mit einem anerkennenden Nicken drehte Beluu ihre Sanduhr um. »Mal sehen, wie lange …« Analina spürte, wie die Magie versiegte. Sie runzelte verärgert die Stirn, doch bevor sie ihren Strahl stärken konnte, brach er schlagartig ab. Beluu seufzte enttäuscht. »Ach, Analina, was ist denn heute los?« »Ich bin müde, Beluu.« Missmutig senkte Analina den Blick auf ihre geröteten Handflächen. Sie wusste, warum Beluu sie im Unterricht immer wieder bis an ihre Grenzen gehen ließ. Die Magie, die Analina bisher benutzte, war die gewöhnliche, die jedes Lebewesen in sich trug. Sie hatte eine charakteristische Farbe, in Anas Fall himmelblau, und eine gewisse Stärke. Normalerweise war sie die einzige Kraftquelle, die ein Magier besaß, aber Analina wusste, dass es bei ihr anders war. Oder anders sein sollte. »Ich finde sie nicht«, sagte sie leise und sah zu Beluu auf. »Ich finde meine Mondmagie nicht.« 10


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