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Zu Besuch im Café Kornsilo in Zürich. Bekannt für das Hausbrot aus eigenem Mehl.

Café Kornsilo 8008 Zürich muehle-tiefenbrunnen.ch/ kornsilo

Des Brotes zweite Chance

Das Café Kornsilo ist ein kleiner Verpflegungsbetrieb im Herzen der Mühle Tiefenbrunnen. Das Quartierlokal bildet mit der Terrasse quasi den Dorfplatz des Kulturareals. Umgeben von Einkaufsmöglichkeiten, Theater, Museum und Räumen für Konferenzen, bietet das Café Kornsilo eine innovative Schweizer Tagesküche, die Brotresten eine zweite Chance gibt.

Text: Erich Büchler Bilder: Jürg Waldmeier

Die historischen Backsteinmauern prägen den gesamten Gebäudekomplex der Mühle Tiefenbrunnen.

Die Mühle Tiefenbrunnen besteht aus einem grossen Gebäudekomplex mit gelbroter Backsteinmauer, kleinen Türmen und hohen Fenstern. Sie gilt als urbane Insel im Zürcher Quartier Riesbach. Die Besuchenden fühlen sich zurückversetzt in das letzte Jahrhundert. Im Café Kornsilo am Eingang zum Innenhof brennt bereits um 8 Uhr morgens Licht. Das Mahlen der Kaffeemaschine, der Geruch nach frischem Brot und ein freundliches «guten Morgen» im besten Zürichdeutsch empfangen mich. Das warme Licht der senkrechten Neonröhrenkronleuchter strahlt über die Rohbetonmauern des früheren Kornsilos und die aus verschiedenen Holzarten gefertigten Tische. Darauf liegen kleine Karten, jede ist mit einem QRCode versehen. Sie weisen auf die Getränke und Speisekarte hin. Modernes und Traditionelles vermischen sich zu wohnlichem Charme.

Schweizer Produkte im Fokus

Michael Wehrli, der Eigentümer der Mühle Tiefenbrunnen, setzt sich zu uns an den Tisch und erklärt, dass er in seiner Kindheit schon hier auf dem Hof gespielt habe. Es erfülle ihn mit Stolz, mit seinem 25köpfigen Team den Gästen eine Art «QuartierStube» zu bieten. «Es gibt Gäste, die das Café Kornsilo als Arbeitsplatz nutzen. Mit den Öffnungszeiten von 8 bis 17 Uhr passt das ideal», hält der sportliche Eigentümer fest. Seine Leidenschaft für die Gastronomie widerspiegelt sich in der fast kompromisslosen Herkunft des Produktangebots. «Auf dem MühleTiefenbrunnenAreal befinden sich zwei Restaurants: die Blaue Ente und das Café Kornsilo. Die Blaue Ente bietet exklusivere Gerichte an als das Café. Beide führen ausschliesslich Schweizer Fleisch, Fisch, Milchprodukte und Gemüse und gar Produkte aus der näheren Umgebung von Zürich. Die Getränkekarte enthält rund hundert Zürcher

Michael Wehrli (R) und Armin Waldvogel, ein starkes Duo, das innovative Konzepte in der Gastronomie realisiert.

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Weine. Und mit der Brauerei Seebueb in Hombrechtikon haben wir eine lokale Brauerei, die diverse Biersorten aus biozertifiziertem Hopfen und Gersten von Uetikon am See braut», erklärt Michael Wehrli und fährt fort: «Die Brauerei Seebueb experimentiert gerne. Das gemeinsam entwickelte Brotbier zum Beispiel bieten wir im Frühling in den beiden Betrieben und im Theater an. Es war äusserst spannend, mit einem anderen Rohstoff als Gerste ein Bier gären zu lassen. Wenn un

ser altes Brot nicht reichen würde, unterstützt die Bäckerei Buchmann in Zürich. Ihre Brotüberproduktion findet heute den Absatz in der ‹ÄssBar› am folgenden Tag. Das Brot für die Bierproduktion darf keinen Schimmel aufweisen und muss sorgsam getrocknet werden.»

Die zweite Chance

Wir gehen hinüber ins Restaurant Blaue Ente. In der Küche steht Kalu Crabbe an der brutzelnden Lyonerpfanne und wendet rechteckige Stücke. Meinen fragenden Blick beantwortet der sympathische Küchenchef freundlich: «Das hier sind Serviettenknödel aus Sauerteig, Nuss und Halbweissbrot. Wir verwerten möglichst alle Brotresten. Wenn wir genügend haben, schneiden wir sie in Tranchen und bereiten sie nach einem Grundrezept zu. Gekühlt und vakuumiert halten sie einige Tage. Wenn dann noch etwas Brot übrigbleibt, verarbeiten wir es getrocknet zu Paniermehl.» Übrigens eignen sich Gipfeli nicht für Paniermehl, weil der Teig Zucker enthält. Dieser verbrennt im heissen Öl und wird bitter. Darum kreiert der versierte Küchenchef aus den Gipfeliresten die Götterspeise für das Tagesmenü. Doch damit nicht genug. Ein weiteres Highlight ist in Zusammenarbeit mit der Premium

«Auf die hundert Zürcher Weine bin ich stolz.»

Armin Waldvogel, Geschäftsführer

Info

Museum Mühlerama

Auf dem Tiefenbrunnen-Areal befinden sich verschiedene Gebäude. Das Herzstück ist das Museum in der 1986 umgebauten Industriemühle aus dem Jahr 1913. Die Mühle produziert jährlich etliche Tonnen Mehl. Die Dauerausstellung vermittelt dem Publikum auf anschauliche und interaktive Weise die Kulturgeschichte der Müllerei, der Mühle Tiefenbrunnen und der Müllerfamilie Wehrli. Am Puls der Zeit werden jährlich Sonderausstellungen zu aktuellen Ernährungs-, Gesundheits- und Nachhaltigkeitsthemen gezeigt, ergänzt durch eine reiche Palette an Workshops. Besonders beliebt neben den Sonderausstellungen sind auch Brotbackkurse und Führungen durch die historische Mühle. Das Mühlerama hat sich im Laufe der Jahre einen ausgezeichneten Ruf als lebendiges, erlebnisreiches und sinnliches Museum erworben.

Der grösste Teil des Brotes wird aus Sauerteig hergestellt. Im früheren Kornsilo baute die Familie Wehrli das heutige Café. Die Mauern, etliche Fenster und viele Details wurden im Originalzustand belassen.

Swiss Chocolate GmbH – Taucherli entwickelt worden: eine spezielle Sauerteigbrot Schokolade. Bei diesem Rezept wird getrocknetes Sauerteigbrot fein gemahlen, mit flüssiger Schoggi vermischt und in eine Form gegossen. Weil das Rezept sein Geheimnis sei, wolle er nicht mehr preisgeben.

Noch während des Sprechens öffnet Kalu Crabbe die KombisteamerTüre. Zum Vorschein kommt eine auf dem Blech saftig gegarte Entenbrust. Mit zwei Fingern legt er sie behutsam auf das Schneide

«Die zweite Chance für das Restbrot.»

Kalu Crabbe, Küchenchef

brett. Danach platziert er einen goldbraun gebratenen Serviettenknödel in die Mitte des Tellers und dekoriert ihn mit buntem Gemüse. Während Kalu Crabbe mit einem scharfen Messer eine breite Scheibe von der Entenbrust abschneidet, erklärt er: «Die Ente ist unser Standardgericht. Das hochwertige Fleisch produziert die Familie Clavadetscher auf ihrem Biohof in Malans.» Und schon entschwindet der heisse Teller unseren Blicken, mit weissem Tuch angepackt und fortgetragen von Ruben, dem Servicemitarbeitenden.

Die Mutter der Teige

Zurück im Café Kornsilo begrüsst uns – den Fotografen und mich – ein grossgewachsener, bärtiger Mann und stellt sich gleich selbst vor: «Es freut mich. Mein Name ist Armin Waldvogel, ich führe die beiden Gastrobetriebe. Wie Michael Wehrli sicher schon erklärt hat, legen wir beim Einkauf grossen Wert auf die Herkunft und den Einsatz der Lebensmittel.» Seit kurzem wird sogar das Brot im Betrieb produziert – gleich nebenan im Museum im Mühlerama. Der Hausbäcker Andreas

Küchenchef Kalu Crabbe legt besonderen Wert auf Rezepte mit Brotresten.

Rohner habe das Brotsortiment komplett angepasst und exklusiv für die Restaurationsbetriebe im Areal eine Sauerteigmutter angelegt. Er gab ihr sogar einen Namen und taufte sie «Punchy». Seither verantwortet «Punchy» rund 80 Prozent der betriebseigenen, luftigknusprigen Brote.

Das Saure bleibt länger frisch

Zurück zu den Gipfeli. Sie sind im Café Kornsilo ein gutes Geschäft und ein «Must» für die meisten Morgengäste. Da gebe es nicht viel zu erklären. Armin Waldvogel kann mit dem Blätterteiggebäck anscheinend nicht viel anfangen. Er sagt: «Sie mögen knusprig sein und etwas fettig, aber sonst, na ja. Wir experimentieren lieber mit den Resten des Brotangebots.» Denn damit könne er dem Gast etwas erzählen, sagt er begeistert: «Zum Beispiel, wie ‹Punchy› für uns arbeitet oder dass wir das Vollkorn und das Steinmühlemehl in der Industriemühle Tiefenbrunnen nebenan mahlen lassen.» Ein weiteres Experiment ist das Brotbuffet, wo der Gast sich aus einer Auswahl von sechs oder sieben Broten selber bedienen kann. Mutig ist auch die nächste Idee: Um zu zeigen, dass das Sauerteigbrot auch nach ein oder zwei Tagen noch frisch

Einzigartig – auch die Enten kommen aus der Schweiz.

Eine Delikatesse: Serviettenknödel mit Entenbrust.

schmeckt, bot die CaféKornsiloCrew das Brot von gestern an. «Das Brot war oft zwei Tage alt, und trotzdem waren die Gäste überrascht von seinem frischen Geschmack», erklärt der Geschäftsführer stolz. Eines ist sicher: All diese Experimente können nur geschulte Mitarbeitende durchführen. «Erst durch das Fachwissen kommt die Freude am Lebensmittel», erklärt der bärtige Geschäftsführer. Mit einem Seitenblick weist er auf die beiden Servicemitarbeitenden Ruben und Hiri. So Mitarbeitenden: Sie alle werden integriert und in ihren Stärken gefördert. Kalu Crabbe zum Beispiel arbeite seit rund einem Jahr im Café Kornsilo und sei mit der Qualität der Baguettes nicht glücklich gewesen. Da entwickelte er gemeinsam mit Andreas Rohner ein Baguette nach seinem Gusto. Das Feedback der Gäste gab ihm Recht. Ein anderes Beispiel ist der Barkeeper. Er ist ausgebildeter Metzger. Bei der Anlieferung eines Sommerbocks wetze er seinen Ausbeinler, ziehe dem Bock kurzerhand das Fell über die Ohren und stelle aus dem Fleisch schmackhafte Wurstwaren her. Armin Waldvogels Begeisterung für das Unternehmen ist zu spüren, und seine Passion für die Gastronomie ist ansteckend. Kein Wunder, vermehrt sie sich unter den Mitarbeitenden wie die «Punchy»Bakterien im Sauerteig. ▪

können wir beobachten, wie Ruben zwei Tische weiter Gästen die Brotsorten und deren Zusammensetzung erklärt. Zwischendurch dringt auch das Wort «Punchy» an unsere Ohren.

Der Barkeeper als Wurster

Alle angebotenen Produkte und Lebensmittel in der Mühle Tiefenbrunnen haben eine Geschichte. Dies ist für die Betreibenden weiter nichts Aussergewöhnliches. Ein schönes Kapitel darin schreiben die

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