SommerUni UPDATE SCHWARZWALD

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UPDATE SCHWARZ WALD SOMMERUNI 2012

IN BERNAu und menzenschwand



UPDATE SCHWARZ WALD SOMMERUNI 2012

vom 8.8. – 17.8.2012 IN BERNAu und menzenschwand


Die Sommeruniversität wurde organisiert und durchgeführt von:

Institut Entwerfen von Stadt und Landschaft Fachgebiet Regionalplanung und Bauen im ländlichen Raum Prof. Kerstin Gothe Dipl. Ing. Philipp Dechow In Kooperation mit:

Städtebau-Institut Fachgebiet Grundlagen der Orts- und Regionalplanung Prof. Dr. Johann Jessen Dipl. Ing. Luigi Pantisano Institut für Landschaftsplanung und Ökologie Prof. Antje Stokman Dipl. Ing. Johannes Jörg

Arbeitsgruppe Architektur und Siedlungsentwicklung Regina Korzen Dipl. Ing. Florian Rauch Dipl. Ing. Gerhard Zickenheiner

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An der Sommeruniversität haben folgende Studierende teilgenommen: Hui-Yen Chen Lisa Deipenbrock Vera Dohmen Katrin Jülg Alper Kazokoglu Johanna Kolb Julia Kolk Laura Kälberer Kathrin Köhler Antonio Landsberger Buyuan Liu Kerstin Mayer Thomas Moder Alexander Naumer Sarah Nietiedt Philipp Perock Verena Schoissengeyr Julia Schütz Oskar Walburg Leonie Weber Andreas Ziemann Claudia Zimmermann


UPDATE SCHWARZ WALD SOMMERUNI 2012 Vorworte Naturpark Südschwarzwald Roland Schöttle Gemeinde Bernau und die Stadt St. Blasien Rolf Schmidt, Rainer Fritz

S. 07 S. 09

Einführung UPDATE SCHWARZWALD Impulsgeber für den Ländlichen Raum Bernau und Menzenschwand

S. 11 S. 13

Vorträge Schwarzwald, woher kommst du, wohin gehst du? Hansjörg Küster Südschwarzwälder Architektur – Kontinuität im Wandel Florian Rauch Schwarzwald – Ein „Rundumschlag“ Gerhard Zickenheiner Learning from Switzerland Christian Wagner Ferne Nähe – Kunst als Faktor der regionalen Entwicklung Hermann Voesgen MELAP PLUS – Landesprogramm BW Kerstin Gothe Baukultur Schwarzwald Regina Korzen

S. 17 S. 25 S. 39 S. 49 S. 55 S. 61 S. 69

Einblick

S. 72

Der Wettbewerb Aufgabenstellung und Preisgericht 1. Preis Werkraum Schwarzwald: Entwicklungen jenseits des Tourismus 2. Preis Stadthunger + Landlust 2. Preis Mix & Menz Sonderpreis Im Zeichen der Ananas Anerkennungen

S. 77 S. 81 S. 89 S. 97 S. 103 S. 106

Resümee Vielfalt, Haltung und Flughöhe Köbi Gantenbein Wandel gestalten – 10 Thesen Kerstin Gothe, Johann Jessen, Antje Stokman

S. 119 S. 121

Anhang Presse und Öffentlichkeitsarbeit Quellen und Abbildungen Dank Impressum

S. 125 S. 128 S. 130 S. 131

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vorwort


Naturpark Südschwarzwald

Naturparke sind Modelllandschaften für einen nachhaltigen Umgang mit unseren Lebensgrundlagen. Sie zeigen Wege auf, wie wirtschaftliche Nutzung, Naturschutz und Erholung in Einklang gebracht werden können. Im Naturpark Südschwarzwald haben sich 103 Dörfer und Städte mit vielen Vereinen und Verbänden zusammengeschlossen, um die Zukunft unserer Region aktiv zu gestalten. Ich freue mich, dass die Gemeinden St.Blasien und Bernau zusammen mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und der Arbeitsgruppe Architektur des Naturparks Südschwarzwald neue Wege in der Auseinandersetzung mit den brennenden Themen des ländlichen Raumes gegangen sind. Die unter der perfekten Leitung von Frau Prof. Kerstin Gothe durchgeführte erste internationale Sommeruniversität „UPDATE Schwarzwald“ hat Bürgerschaft und Wissenschaft näher zusammengebracht und eine Aufbruchstimmung erzeugt. In den Ergebnissen der studentischen Arbeiten wurde deutlich, dass die Fragen der Lebens-, Arbeits- und Wohnmöglichkeiten sowie der Mo-

bilität von grundlegender Bedeutung für die Attraktivität des ländlichen Raumes sind. Nur wenn diese Fragen geklärt werden können, werden Menschen hier Zukunft und Heimat finden. Aufgaben für die Baukultur und Architektur ergeben sich in einem zweiten Schritt aus dem Bedarf heraus. Dass das universitäre Projekt in der Dorfgemeinschaft Impulse und Wirkungen gezeigt hat, wird in einem ganz konkreten Ergebnis wunderbar deutlich: die jungen Studenten haben es zusammen mit den Jugendlichen von Menzenschwand in kürzester Zeit geschafft, sowohl ein Konzept für einen Jugendraum zu erarbeiten als auch ein konkretes Gebäude zu finden und es zur Verfügung gestellt zu bekommen. Der Dank gilt allen Beteiligten, die sich auf dieses Experiment eingelassen und mit ihrem Engagement zu dessen Erfolg beigetragen haben. Wir freuen uns auf weitere Sommeruniversitäten im Naturpark Südschwarzwald. Roland Schöttle Geschäftsführer Naturpark Südschwarzwald Abb. 1: Naturpark Südschwarzwald, Gemeinde Bernau Abb. 2: Besucher beim Vortrag von Prof. Hermann Voesgen

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vorwort


Gemeinde Bernau und die Stadt St. Blasien

Es ist überaus erfreulich, wenn sich Studierende mit einem Professoren-Team außerhalb ihrer Universität mit den tatsächlich vorhandenen Problemen beschäftigen. Insofern war es für unsere beiden Schwarzwaldgemeinden Bernau und Menzenschwand (Ortsteil der Stadt St. Blasien) klar, bei solch einem Vorhaben mitzuwirken. An dieser Internationalen Sommeruniversität „UPDATE SCHWARZWALD“ vom 8.8. bis 17.8.12 haben sich Studentinnen und Studenten aus mehreren Ländern beteiligt. Aus unserer Sicht hat der freundliche und offene Umgang der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit der Bevölkerung erheblich dazu beigetragen, dass die eigentlichen Problemfelder wie Leerstände, Baukultur, schlechte Erreichbarkeit und die negativen Auswirkungen der demographischen Entwicklung von Anfang an offen diskutiert werden konnten. Ursächlich hierfür war letztlich auch die hervorragende Leitung und Organisation durch die Verantwortlichen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT); allen voran Frau Prof. Kerstin Gothe und Herrn Dipl. Ing. Philipp Dechow.

positive Resonanz gestoßen. Besonders vielversprechende Ideen (Werkraum Schwarzwald, Stadthunger – Landlust u. a.) wurden zu recht honoriert. Was hiervon weiterverfolgt werden kann bzw. umsetzbar ist, wird in den kommunalen Gremien unter Berücksichtigung der finanziellen Ressourcen zu entscheiden sein.

Die von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern entwickelten Projektideen sind grundsätzlich auf

Rainer Fritz Bürgermeister der Stadt St. Blasien

Für uns alle sehr interessant und gut besucht waren die im Rahmen der Sommeruni angebotenen Vorträge. Die personelle und finanzielle Unterstützung seitens der beiden Kommunen hat sich gelohnt. Wir danken der Bevölkerung für das „offene Ohr“ und den Verantwortlichen des KIT für die sehr gute Organisation. Wir hoffen, dass alle Beteiligten gute Erinnerungen vom Südschwarzwald mitgenommen haben und wir sie alle wieder einmal in Menzenschwand und Bernau begrüßen können.

Rolf Schmidt Bürgermeister der Gemeinde Bernau

Abb. 3: Begrüßung der Bürgermeister an Studierenden Abb. 4: Vorlesung von Prof. Kerstin Gothe zum Programm Melap Plus

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einf端hrung


Update schwarzwald Impulsgeber für den ländlichen raum

Die beiden Orte Bernau und Menzenschwand liegen in benachbarten Tälern umrahmt von einer idyllischen Landschaft im Naturpark Südschwarzwald. Aufgrund der Gesundheitsreformen in den 1990er Jahren ist der bis dato für die lokale Wirtschaft wichtige Kurtourismus dramatisch eingebrochen. Viele baukulturell wertvolle Schwarzwaldhöfe stehen leer. Gemeinsam wollen die Gemeinden Bernau und Menzenschwand auf den Strukturwandel im ländlichen Raum mit der Stärkung und Weiterentwicklung ihrer Potenziale reagieren. In der 10-tägigen internationalen Sommeruniversität vor Ort haben sich 22 Studierende der Architektur und Stadtplanung aus Stuttgart, Karlsruhe, Hamburg, Tübingen, Darmstadt, Berlin, Linz und Wageningen (Niederlande) intensiv mit den Orten beschäftigt und konzeptionelle sowie planerische Vorschläge erarbeitet. Die beiden Gemeinden leiden unter dem Verlust ihrer Touristenmagnete und dem Mangel an Arbeitgebern. Die Leerstände in alten Schwarzwaldhäusern, Schwarzwaldkliniken in der Insolvenz,

sterbende Gasthöfe, eine alternde Bevölkerung und fehlende Fachkräfte führen zu mehreren Fragen: Warum stehen Gebäude in so einer schönen Umgebung teilweise schon jahrelang leer und werden nicht genutzt? Wer könnte eine aktive Rolle in den Orten übernehmen? Welchen Beitrag können dabei die vorhandenen Gebäude leisten? Können temporäre Nutzungen ein Ausweg sein? Studierende vor Ort In fünf begleitenden öffentlichen Abendveranstaltungen haben sich externe Experten in Fachvorträgen mit den Herausforderungen auseinandergesetzt und Beispielprojekte aus ihrem Land / ihrer Profession vorgestellt. Die Impulse führten zu lebhaften Gesprächen im Anschluss an die Veranstaltungen. Im Kapitel „Vorträge“ sind die Fachbeiträge nachzulesen. Die Studierenden haben ihre Ideen und Konzepte in zwei Workshops mit den Verantwortlichen diskutiert und diese im Dialog weiterentwickelt. Sie erkundeten die Dörfer auch individuell und führten Gespräche mit den Dorfbewohnern, Vereinen, Hotelbetreibern und Initiativen. Sie beAbb. 5: Studierende bei der Arbeit im Alten Schulhaus in Menzenschwand

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fragten wichtige Akteure, fotografierten und filmten. Die Impulse aus diesen Dorferkundungen sind in die einzelnen Arbeiten eingeflossen. Am letzten Tag wurden die Arbeiten von den Mitgliedern einer Jury aus Fachpersonen und lokalen Akteuren gründlich diskutiert und von den Jurymitgliedern dann öffentlich den 200 interessierten Gästen präsentiert: sie erläuterten die Arbeiten, würdigten deren Potenziale, benannten Schwächen und begründeten die Auszeichnungen an die Preisträger. Die vier besten Arbeiten wurden mit Sach- und Geldpreisen ausgezeichnet. Die Sommeruniversität UPDATE SCHWARZWALD wurde vom Naturpark Südschwarzwald und den beiden Gemeinden Bernau und St. Blasien unterstützt – nicht nur finanziell sondern auch ideell und organisatorisch. Dieses Zusammenspiel war wesentlich für ihren Erfolg. Die Sommeruni UPDATE SCHWARZWALD war für alle direkt Beteiligten, die Studierenden, Lehrpersonen, die Aktiven aus den Gemeinden und die Bewohner eine sehr intensive Zeit des gemeinsamen Lernens und der Auseinandersetzung mit der Situation vor Ort.

Abb. 6: Publikum bei Fachvortrag von Architekt Florian Rauch

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Das Konzept der Sommeruniversität erhielt viel positives Feedback von den Besuchern der Vorträge, Workshops und Abendveranstaltungen. Es entstand in vielen Bereichen Bewegung in den Orten. Örtliche Akteure mit ähnlichen Ideen sahen sich plötzlich von außen bestätigt und ermutigt. Die Studierenden waren während der gesamten Zeit sehr motiviert, denn sie hatten den Eindruck, dass ihre Arbeit zählt. Der direkte Kontakt zur Dorfbevölkerung hat ihnen einen besonderen Anreiz gegeben. Mit dieser Dokumentation möchten wir einen ausführlichen Eindruck des fachlichen Diskurses und der Ergebnisse des studentischen Wettbewerbs vermitteln. Weitere Informationen und einen Trailer mit Eindrücken der gesamten Woche finden sich auf: www.facebook.com/UpdateSchwarzwald


Bernau und Menzenschwand Defizite, Potentiale und Fragen

Die Gemeinde Menzenschwand kämpft mit dem Niedergang seines Kurbetriebs, die Gemeinde Bernau, sonnig und in einem weiten Tal weiträumig ausgebreitet, hat sich von seiner letzten Krise bereits wieder halbwegs erholt. Und doch sind die Schwierigkeiten, mit denen die beiden Orte umgehen müssen, im Detail sehr ähnlich: die Suche nach Antworten auf den Strukturwandel, nach neuen Nutzungen der zum Teil leer stehenden Schwarzwaldhöfe und nicht zuletzt nach der eigenen Identität in einer veränderten Welt. Gemeinsam wollen sich Bernau und Menzenschwand deshalb auf neue Wege begeben und dabei ihre Nachbarschaft, ihre Ähnlichkeiten, aber auch die Unterschiede zwischen den Dörfern thematisieren und nutzen. Die Stärken und die Schwächen sind in beiden Orten eng miteinander verkettet – das macht die Ausgangslage schwierig, doch bietet sie gleichzeitig viele Potenziale für Innovationen, die modellhaft für den Naturpark Südschwarzwald sein könnten. Das Ende des „Kur-Tourismus“ Mit den Einsparungen im Gesundheitssystem in den 1990er Jahren, die in besonderem Maße das Kurwesen betrafen, endete die goldene Zeit

der auf diese Sparte des Tourismus spezialisierten Orte. Besonders Menzenschwand hat sich davon bis heute nicht erholen können. Generationen von Kurgästen aus ganz Deutschland waren hier zur Kur gewesen, hatten Bäder genommen, das Klima und die Landschaft genossen – heute steht die größte Klinik des Ortes mit etwa 130 Betten leer, ebenso wie kleinere Kliniken und Gasthöfe. Die Klinik war nicht nur ein wichtiger Arbeitgeber, sondern auch Zugpferd für den Tourismus des Ortes, der nicht zuletzt von den die Kurgäste begleitenden Angehörigen lebte. Hotels und Fremdenzimmer sind seit der Insolvenz der Kliniken nicht mehr ausgelastet oder sogar geschlossen, Geschäfte in der Hauptstraße stehen leer, viele Höfe und Häuser sind verwaist. Dennoch strahlt Menzenschwand nach wie vor die Atmosphäre eines gastfreundlichen Ortes aus. Die Infrastruktur ist zwar etwas in die Jahre gekommen, aber immer noch vorhanden, die Bewohner sind weltoffen und auf Fremdenverkehr eingestellt. Das Radonbad ist ein wichtiger neuer Anziehungspunkt. Große Baukomplexe wie die Klinik oder ein großes Hotel in zentraler Lage stehen für neue Nutzungen bereit. Mit welchen Abb. 7: Leerstehende Schwarzwaldklinik in Menzenschwand

Abb. 8: Therapieraum in leerstehender Schwarzwaldklinik

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Ideen lassen sie sich füllen? Lassen sich hier neue Formen von Tourismus etablieren oder können die bestehende Infrastruktur und die Gebäude auch für andere Konzepte genutzt werden? …und trotzdem Wachstum Bernau hingegen hat inzwischen wieder Nachnutzer für seine großen Gebäude und das Schullandheim gefunden, hier denken einige erneut über Wachstum nach: Ist dies möglich, ohne sein wichtigstes Gut, das Landschafts- und Ortsbild zu zerstören? Neue Bauflächen im Außenbereich sind weitgehend ausgeschlossen. Und sie sind auch nicht nötig, da im Ort genügend Baulücken für eine Innenentwicklung bereit stehen – nur sind diese innerörtlichen Freiflächen auch prägend für das dörfliche Erscheinungsbild. Wo liegt hier das richtige Maß für eine Nachverdichtung? Und wie verändert sich das Ortsbild durch die Neubauten? Sollen sich die Neubauten in Stil und Gestaltung anpassen oder sollen sie dem Ort ein neues, moderneres Gesicht geben?

Abb. 9: Jugendherberge in einem historischen Schwarzwaldhaus

Die groSSen Höfe Sowohl in Bernau als auch in Menzenschwand werden die meisten der alten Schwarzwaldhöfe nicht mehr für die Landwirtschaft genutzt, der große Wirtschaftsteil steht meist leer. Nicht selten ist gleich der ganze Hof verlassen, denn so gemütlich die Höfe mit ihren charakteristischen, weit heruntergezogenen Dächern von außen auch wirken – innen bieten sie kaum Komfort. Nach heutigen Standards kaum gedämmt, mit Holzofen, veralteten Sanitäranlagen, wenigen kleinen Fenstern und nicht zuletzt mit Deckenhöhen von zum Teil weniger als zwei Metern entsprechen die Gebäude nicht den heutigen Wohnbedürfnissen. Hinzu kommt eine Besonderheit, das sogenannte „Badische Stockwerkseigentum“: Viele Höfe sind teilweise abenteuerlich im Wohn- wie im Wirtschaftsteil an verschiedene Eigentümer aufgeteilt, was für jede Form von Modernisierung oder Umnutzung weitere Hürden bedeutet. Lassen sich die Schwarzwaldhöfe angesichts solcher Schwierigkeiten überhaupt modernisieren, ohne sie zu zerstören? Oder müssen neue Nutzungen gefunden werden, die mit der bestehenden Substanz auskommen, beispielsweise reine Ferien- oder Sommernutzungen? Wozu können die großen Wirtschaftsteile heute dienen? Wie kann auch nach außen signalisiert werden, dass das Gebäude zwar respektiert wird, es aber im 21. Jahrhundert angekommen ist? Neue Bilder für Ort und Landschaft? Ein wichtiges Potenzial der beiden Orte ist das noch relativ geschlossene Dorfbild mit den großen Schwarzwaldhöfen, den offenen Freiräumen zwischen den Höfen und den verbindenden baumbe-

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standenen Straßen, alles eingebettet in die idyllische Landschaft des Naturparks Südschwarzwald. Der drastische Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe führt nun nicht nur zum Leerstand der Höfe, er verändert auch das bekannte Bild der Schwarzwaldlandschaft. Fragestellungen Aus den genannten Defiziten und Potenziale ergeben sich folgende Fragestellungen, denen sowohl in den Vorträgen als auch in den studentischen Projekten nachgegangen wurde: • Wie kann das regionale Bauen gepflegt werden und wie können neue Gebäude in die Landschaft und die Hofensembles eingebunden werden? • Sind Museumslandschaften und Museumsdörfer die Lösung? Ist dieser Aufwand gerechtfertigt und verträgt er sich mit den notwendigen Modernisierungsschritten?

• Sind auch andere Szenarien denkbar, die das typische Schwarzwaldklischee hinter sich lassen und dem Strukturwandel positiv begegnen? Oder liegt doch gerade in der Musealisierung eine Chance? • Sind aus der Kooperation von Gastronomie, Hotellerie, Architekten und handwerklichen Verarbeitungsbetrieben Impulse für eine innovative Ferien-Architektur möglich? • Welche Chancen ergeben sich aus der Zusammenarbeit der beiden Dörfer? Die Sommeruniversität knüpft an Aktivitäten der Architektenkammer Baden-Württenberg, Kammerbezirk Freiburg, des Naturparks Südschwarzwald und des Regierungspräsidiums aus den vergangenen beiden Jahre an, mit denen die Baukultur des Schwarzwaldes zeitgemäß weiter entwickelt werden soll.

Abb. 10:

• Sind auch andere Szenarien denkbar, die das

Menzenschwand im Naturpark Südschwarzwald

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vortr채ge

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SCHWARZWALD, WOHER KOMMST DU, WOHIN GEHST DU? hansjörg küster

Die Landschaftswissenschaft sammelt Grundlagen für die Ermittlung der Potentiale einer Landschaft. Jede Landschaft ist materiell durch Natur, fast jede auch durch eine Gestaltung im weitesten Sinne geprägt. Hinzu kommt in jedem Fall eine immaterielle Idee oder Interpretation, die Menschen mit einer bestimmten Landschaft verbinden. Die Sammlung dieser Grundlagen ist eine Basis für die Planung von Landschaft. (Küster 2012) Dies soll am Beispiel des Schwarzwaldes insgesamt und speziell am Ort Menzenschwand gezeigt werden. (Wilmanns 2001) Entstehung des Schwarzwaldes Große Teile des Schwarzwaldes bestehen aus alten Gesteinen, die an der Oberfläche der Erde erstarrten, als der Planet allmählich abkühlte: Granit und daraus umgewandelter Gneis. Nach ihrer Entstehung bildeten die Gesteinsschichten des Schwarzwaldes noch kein Gebirge. Im Gegenteil: An der Stelle des Schwarzwaldes befand sich eine Senke, in der Sand abgelagert wurde. Immer wieder drangen Meere in diese Senke ein: In flachen Meeresbuchten fiel Kalk aus. Die zunächst lockeren Ablagerungen wurden im Lauf der Jahrmillionen immer mächtiger; die unteren Sedimente wurden von den darüber liegenden zusammengepresst und zu Gesteinen verfestigt. Schließlich lagen mächtige Schichtpakete von Buntsandstein und Kalk auf dem Granit und Gneis des Schwarzwaldes. Im Zeitalter des Tertiär, das vor etwa 65 Millionen Jahren begann, wurde Mitteleuropa völlig verändert. Die Alpen entstanden, und der Oberrheingraben brach ein. Seitlich des Grabens wurden die Gesteinsschichten kilometerweit in die Höhe gedrückt: Westlich des Grabens entstanden die Voge-

sen, östlich der Schwarzwald. Dort befindet sich der am weitesten aufragende Mittelgebirgsgipfel der Bundesrepublik Deutschland: der 1493 Meter hohe Feldberg. Auf ihm lag einst noch viel mehr Gestein. In den letzten Jahrmillionen wurden aber die am weitesten aufragenden Berggipfel sukzessive wieder abgetragen: Kalk verschwand völlig, vielerorts auch der Buntsandstein, so dass der Gebirgssockel aus Granit oder Gneis zu Tage trat. Auch diese Gesteine sind im Lauf der Zeit verwittert, und es bildeten sich die runden Kuppen der Schwarzwaldberge: Feldberg und Seebuck, Herzogenhorn, Belchen, Kandel, Schauinsland und Blauen. Der Westabhang des Schwarzwaldes und – spiegelbildlich dazu – der Ostabhang der Vogesen sind steil. Die Höhenunterschiede zwischen Orten in der Niederung und den Bergen, die nur einige Kilometer voneinander entfernt sind, betragen oft über 1000 Meter. Der Osthang des Schwarzwaldes fällt dagegen so sanft ab, dass man dort den Rand des Gebirges kaum erkennt. Dort stößt man auch auf die jüngeren Gesteinsschichten, die Granit und Gneis überdecken: Auf Buntsandstein liegen Ebenen oder leicht geneigte Flächen mit unfruchtbaren Böden. Sie enthalten kaum etwas anderes als mineralstoffarmen Sand. Weiter östlich entstand durch Erosion Abb. 11: Blick vom Feldberg auf die Kuppen des Hochschwarzwaldes

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eine Schichtstufenlandschaft mit Steilhängen im Westen und sanft abfallenden Osthängen auf Muschelkalk, Keupersandstein, Schwarz-, Braun- und Weißjura. Gewässer und Täler In den Bergen gibt es mehr Niederschlag als im Umland. Man spricht vom Steigungsregen, den man an Gebirgshängen beobachten kann, die sich heranziehenden Wolken in den Weg stellen. Besonders viel Niederschlag fällt in den Vogesen. Die Oberrheinebene liegt im Windschatten; dort regnet es seltener. Am Westhang des Schwarzwaldes regnet und schneit es oft, aber nicht ganz so viel wie in den Vogesen. Nach Osten hin gehen die Niederschlagsmengen wieder zurück. Vor allem nach starken Regenfällen und bei der Schneeschmelze – häufig fallen beide Ereignisse zusammen – fließt eine Menge Wasser ab. Immer wieder droht dann Hochwasser. Durch den Schwarzwald verläuft die Europäische Hauptwasserscheide zwischen Gewässern, die zum Rhein und dann zur Nordsee fließen, und dem Donaueinzugsbereich. Die Entfernung zwischen dem Schwarzwald und der Nordsee auf dem Rhein beträgt rund 1000 km, die über die Donau zum Schwarzen Meer rund 3000 km. Daher ist das GeAbb. 12: Vom Gletscher geformtes Trogtal in Menzenschwand

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fälle des Rheins und seiner Nebenflüsse größer. Der Rhein ist außerdem viel jünger als die Donau. Er zapft der Donau einen Zufluss nach dem anderen ab. Im Schwarzwald verlaufen viele Täler zunächst einmal in östlicher Richtung, sie geben sich damit als ursprüngliche Zuflüsse der Donau zu erkennen. Dann knicken sie um, weil der Rhein oder einer seiner Nebenflüsse sie anzapften. Das ist zum Beispiel bei der Wutach oder auch der Alb gut zu erkennen, die bis Sankt Blasien nach Osten fließt und dann zum Hochrhein nach Süden umknickt. Die zur Donau fließenden Gewässer, etwa deren beide Quellflüsse Brigach und Breg, haben sanft eingeschnittene Täler. Täler von Flüssen, die vom hohen Schwarzwald aus zum Rhein verlaufen, sind tiefer eingekerbt, beispielsweise die Täler von Schlücht, Wehra, Wiese oder Murg, auch das bekannte Höllental. Die wasserreichen Bäche eignen sich sehr gut zum Betrieb von Mühlen, die zu den weit bekannten Charakteristika des Schwarzwaldes gehören. Andere Formen von Tälern entstanden im Quartär, dem Eiszeitalter, das vor etwa zweieinhalb Millionen Jahren begann. Die höchsten Gipfel des Schwarzwaldes waren in den Kaltphasen des Quartärs vergletschert. Auf den Schattenhängen der Berge sammelten sich Jahr für Jahr mehr Schnee und Eis an. Das Eis schuf an jedem der vergletscherten Berge ein Kar mit einem beinahe senkrechten Abhang. Unter etlichen Karwänden befindet sich ein Karsee, zum Beispiel der Feldsee unter dem Feldberg. Wenn es längere Zeit kalt blieb, schob sich vom Kar aus eine Gletscherzunge ins Umland. Die scharfkantigen und schweren Eismassen hobelten ein U-förmiges Trogtal aus dem Gestein heraus. Ein solches Gletscherzungenbecken bekam einen breiten Talboden und steile Hänge. Das ausgeschürfte Gesteinsmaterial wurde an der Gletscherfront als eine Endmoräne ab-


gelagert, hinter der sich Wasser staute: So entstand der Titisee. Auch Menzenschwand liegt in einem Trogtal aus der Eiszeit. Es wurde von dem Gletscher geschaffen, der vom Herzogenhorn aus nach Osten verlief. Wälder Nur in den Warmzeiten des Eiszeitalters und dann wieder in der Nacheiszeit gab es Wälder im Schwarzwald. Nach der letzten Eiszeit war der Schwarzwald zunächst von Kiefernwäldern überzogen, später breiteten sich verschiedene Laubbäume aus, unter anderem Eichen. Dann erst wurden Tannen und Buchen häufiger, sehr spät und nur an wenigen Stellen auch Fichten. Tannen, die wegen der weißen Streifen an der Unterseite der Nadeln auch Weißtannen genannt werden, sind charakteristisch für den Schwarzwald. Seinen Namen erhielt er wohl wegen des vorherrschenden Schwarzholzes; das ist ein anderer Ausdruck für Nadelholz. Am regenreichen Westhang wuchsen Buchen besser, im Osten Tannen. Dort gibt es nämlich immer wieder Spätfrost im Mai. Wenn die Buchen gerade dann ihr Laub austreiben, erfrieren die zarten jungen Blätter. Fichten sind in den Mischwäldern heute häufiger vertreten als von Natur aus, denn sie wurde forstlich gefördert. Reine Fichtenwälder gehen auf Pflanzungen oder Aussaaten zurück. Die höchsten Berggipfel des Schwarzwaldes, vor allem der Feldberg, wurden nie völlig von Wäldern überzogen. Der Name „Feldberg“ bezieht sich auf dessen Waldfreiheit. Oberhalb der Waldgrenze findet man dort zahlreiche Kräuter, die auch für die Alpen charakteristisch sind. Diese Gewächse kamen in der Eiszeit in unvergletscherten Gebieten vor; danach wurden sie dort verdrängt, wo sich Wälder etablierten.

Die Wälder des Schwarzwaldes haben seit Jahrhunderten eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. An die Schwarzwaldtannen knüpfen sich zahlreiche Legenden. Die höchsten von ihnen heißen heute noch Holländertannen, weil sie auf dem Rhein bis ins Rheinmündungsgebiet, nach Holland, geflößt wurden. Die Niederlande sind ein holzarmes, aber dicht besiedeltes Gebiet, in dem man das Floßholz aus dem Schwarzwald zum Bau von Häusern und Schiffen brauchte. Tannenholz benötigte man nicht nur für städtische oder repräsentative Gebäude wie das Schloss in Amsterdam, sondern auch für Bauernhäuser. Zum Bau der Gulfhäuser in den baumfreien Nordseemarschen war nur eine relativ geringe Zahl an Baumstämmen notwendig. Sie mussten aber besonders lang und gerade gewachsen sein. Nadelholz war dafür ideal. Tannenstämme dienten ferner als Schiffsmasten. Tannenholz ist leichter als andere Holzarten. Schiffe mit Masten aus Tannenholz ließen sich leichter navigieren als andere mit eichenen Masten. (Küster 2008) Landnutzung In der Senke der Oberrheinebene wurde im Eiszeitalter mineralreicher Löss abgelagert, der vom Wind Abb. 13: Montaner Mischwald oberhalb vom Höllental

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aus den Gletschervorfeldern ausgeblasen worden war. Löss bot stets exzellente Voraussetzungen für eine intensive Landnutzung. Böden auf Löss sind ferner arm an Steinen, so dass sich das Gerät, das bei der Bodenbearbeitung verwendet wurde, nicht so schnell abnutzte. Die Oberrheinebene ist zudem klimatisch begünstigt. Man kann dort Wein, Obst, Zuckermais und Tabak kultivieren. Im Schwarzwald sind die Voraussetzungen für die Landwirtschaft erheblich schlechter. In den vergangenen Jahrhunderten wurde vor allem Subsistenzwirtschaft betrieben, bei der es lediglich darauf ankam, dass sich die Bauern selbst mit Nahrung versorgten. Subsistenzwirtschaft ohne eine Einbindung in Handelsnetze zu betreiben ist riskant; nach Missernten musste die Möglichkeit bestehen, Nahrung auf dem Markt zu erwerben. Um nicht zu hungern oder auf Almosen angewiesen zu sein, brauchten die Bewohner des Schwarzwaldes Güter, die sie auf die Märkte bringen konnten. Der Verkauf von Erz aus Mineraladern von Granit und Gneis sowie von Holz war daher wichtig. Wenn man Rohprodukte weiter verarbeitete, bekam man mehr Geld: Aus Roherzen wurden einzelne Metalle gewonnen. Das erzführende Gestein Abb. 14: Schwarzwaldhaus in Ökotopengrenzlage am Ortsrand von Menzenschwand

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wurde in Pochwerken zerkleinert, die von Mühlrädern angetrieben wurden. Auch Blasebälge, die man zum Erzeugen hoher Temperaturen in Schmelzwerken brauchte, wurden mit Wasserkraft angetrieben. Es gab zahlreiche Glashütten im Schwarzwald: Rohstoff dafür war Quarz, ein wichtiger Bestandteil von Granit, Gneis und Buntsandstein. Mit Pottasche, die man aus Holz herstellte, konnte man die hohen Schmelztemperaturen von Quarzsand senken und auf diese Weise leichter Glas machen. Später entwickelte sich das gerade in Menzenschwand oder im benachbarten Bernauer Tal besonders charakteristische häusliche Handwerk der Schnitzer und Schindelmacher, andernorts die Uhrmacherei. Vor allem im 19. Jahrhundert trugen wandernde Händler die Produkte aus dem Schwarzwald in das Umland. Auch wenn Landwirtschaft nicht immer große Bedeutung hatte, so wurden Dörfer und Einzelhöfe doch so angelegt, dass man sie optimal dafür nutzen konnte. Die Bauernhäuser wurden in Ökotopengrenzlage zwischen Grünland im Tal und Ackerland auf den Höhen errichtet. Das Schwarzwaldhaus gehört zu den an seine Umgebung am besten angepassten ländlichen Gebäudetypen: Das Erntegut kommt vom Acker durch die „Einfahrt“ oder „Ifahr“ ins Dachgeschoss der Bauernhäuser mit dem Speicherraum. Futter wird von oben in den Stall geworfen. Die Tiere laufen von dort aus auf das unterhalb gelegene Grünland, und Gülle mit ihren vielfältigen düngenden Mineralstoffen kann auf die unterhalb des Hofes gelegenen Wiesen geleitet werden. Das breit überstehende Dach verhindert, dass die hoch am Himmel stehende Sommersonne die unteren Geschosse des Schwarzwaldhauses erreicht. Die tief stehende Sonne aber scheint auf die Wohn- und Stallgeschosse des


Hauses und erwärmt sie im Winter. Alle Teile des Schwarzwaldhauses liegen unter einem Dach. Bei ungünstiger Witterung, vor allem bei hohem Schnee, braucht man nicht über den Hof zu gehen, wenn man vom Wohnhaus den Stall oder die Scheune erreichen will. Nur die Hofkapelle befindet sich oft außerhalb der einzeln stehenden Schwarzwaldhöfe. Die Bauern mussten aber nicht den beschwerlichen Weg zur Dorfkirche auf sich nehmen, um regelmäßig zu beten. Wo das Gelände oberhalb des Dorfes relativ eben oder nur sanft geneigt ist, vor allem im östlichen Schwarzwald, wurde oft Feld-Gras-Wirtschaft betrieben. Man ließ überall Gras wachsen und brach innerhalb des Grünlands so viel Ackerfläche um, wie man brauchte, um genug Roggen, Hafer, Bohnen oder Kartoffeln zu kultivieren. In den tief eingeschnittenen Kerbtälern und in den Trogtälern, die von den Gletschern geformt worden waren, musste man Ackerland auf andere Weise schaffen. Auf den Steilhängen legte man Weidfelder, Reuten (mundartlich: Rütten) oder Schwenden an. Dort betrieb man eine Wechselwirtschaft, bei der Holz-, Feld- und Weidenutzung im Zyklus aufeinander folgten. Zunächst wurde der Wald gerodet. Stammholz wurde entfernt und zum Bauen genutzt, Kleinholz blieb liegen. Man ver-

brannte es auf dem Feld; mit der Asche, die ja aus vielfältigen Mineralstoffen besteht, düngte man den Boden. Nur steile Hänge konnte man abbrennen, denn man schob eine Rolle aus brennendem Brombeergestrüpp den Hang hinunter oder zog es aufwärts. Dabei wurde weiteres Kleinholz in Brand gesetzt. Nach dem Brennen säte man Korn oder andere Kulturpflanzen ein. Einige Jahre später ließ man Tiere auf dem Steilhang weiden. Doch man ließ auch Gehölz in die Höhe wachsen, das man nach einigen Jahrzehnten rodete. Nach erneutem Brennen konnte man wieder Getreide anbauen. Die einzelnen Reuten, die verschiedenen Bauern gehörten, lagen als schmale Landstreifen nebeneinander. Auch wenn sie heute nicht mehr als Reuten bewirtschaftet werden, kann man sie noch gut erkennen, denn der Bewuchs verschiedener Streifen unterscheidet sich. Viele ehemalige Reuten wurden später zu reinen Weideflächen. Dort entwickelte sich Heideland mit Ginster, Arnika, Bärwurz und Kuckucksblume. Wo die Beweidung aufgegeben wird, verschwinden die Heidepflanzen. Viele Reuten wurden aufgeforstet. Man erkennt sie dann immer noch, und zwar an den Parzellengrenzen. Die Streifenstruktur der Rütten kann eventuell erhalten bleiben, wenn man SkiAbb. 15: Schwarzwaldhaus mit Hofkapelle

Abb. 16: Ehemalige Rütte oberhalb von Menzenschwand

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pisten in geeigneter Form auf ihnen anlegt. Als die Reuten noch betrieben wurden, sammelten sich abgeschwemmte Aschepartikel und andere Mineralstoffe im Talgrund. Dort betrieb man Wiesenwirtschaft. Weil man mit jeder Mahd nicht nur Grünmasse, sondern auch Mineralstoffe von den Standorten entfernt, müssen Wiesen grundsätzlich gedüngt werden. Mit Wasser wurden Mineralstoffe zur Düngung auf das gesamte Grünland geleitet. Wo man Grünland bewässerte, schmolz der Schnee früher und die Pflanzen begannen eher mit ihrem Wachstum. Vielerorts leitete man Wasser aus den Bächen ab und ließ es in einem sogenannten Wuhr auf dem Hang entlang laufen. Man verwendete Deichel, ausgehöhlte Baumstämme, um Wasser über Senken zu leiten. Von den Hängen aus rieselte Wasser auf das darunter liegende Grünland. Auf den ebenen Flächen am Grund der Trogtäler musste man das Land aufwendiger präparieren: Man formte Landrücken, auf deren Scheiteln kleine Kanäle verliefen. Von ihnen aus rieselte Wasser über die Flanken der Wiesenrücken zu weiteren Kanälen in den Senken zwischen den Rücken. Das Wasser sammelte sich im Bach in der Mitte des Tales. Durch Wiesenbewässerung kamen zwar genügenAbb. 17: Überreste einer Wiesenbewässerungsanlage am Feldberg

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de Mengen an Dünger auf das Grünland, aber diese Düngung war weniger intensiv als die heute übliche Mineraldüngung. Man konnte die Wiesen ein- bis zweimal pro Jahr mähen, nicht häufiger. Trollblume, Sumpfdotterblume und zahlreiche Orchideen hatten genug Zeit, um sich auf diesen farbenfrohen Wiesen zu entwickeln. Die Wiesenbewässerung hatte noch einen weiteren Effekt. Sämtliche Mineralstoffe, die im Wasser transportiert wurden, blieben auf den Wiesen zurück. Das Wasser wurde auf diese Weise gereinigt – wie in einer großen Pflanzenkläranlage. (Krause 1956) Mit heutiger Mineraldüngung kommen größere Mengen an Mineralstoffen auf die Wiesen. Die Pflanzen wachsen rascher und können früher gemäht werden. Pflanzen mit einer langen Entwicklungsdauer aber verschwinden, beispielsweise die Trollblume. Die Hochlagen der Berge wurden beweidet. Man trieb die Tiere einerseits in die Wälder, andererseits auf die Gipfel der Berge. Vor allem am Feldberg gibt es noch eine ganze Reihe von Hütten, die man ursprünglich vor allem für die sommerliche Almwirtschaft nutzte. Heute sind sie aber mehr und mehr zu Raststationen für Bergwanderer geworden. Zukunft Die Landschaftsplanung kann und soll auf den Ergebnissen der landschaftswissenschaftlichen Analysen aufbauen. Probleme in der heutigen Landschaft bestehen einerseits durch Intensivierung, andererseits durch Extensivierung. (Dannebeck 2009) Letzteres ist gerade im Schwarzwald noch entscheidender, weil die Landnutzung nur an wenigen Stellen intensiviert wird: Ehemalige Nutzflächen wuchern zu. Viele Pflanzen- und Tierarten verschwinden, weil es zu einer Wiederbewaldung kommt. Weil die Wiesenbewässerung aufgege-


ben wurde, gibt es mehr Stickstoffverbindungen in den Fließgewässern. An Bachufern breiten sich Stickstoffzeigerpflanzen aus, darunter Brennnessel und Drüsiges Springkraut. Durch neue Formen von Nutzungen könnte man Landschaft in einem Zustand bewahren, den Besucher des Schwarzwaldes dort sehen wollen: Sie wünschen sich Wälder, Heiden und Viehweiden, Mühlen und Schwarzwaldhäuser. Die Tourismuswerbung zeigt diese Ideale, aber in der Realität verschwinden sie, weil man sich zu wenig Gedanken über sie macht. Chancen für eine Bewahrung der Schwarzwaldlandschaft können sich daraus ergeben, dass man ihre Potentiale nutzt, um Rohstoffe für die Erzeugung von Energie zu gewinnen. In den Wäldern rings um Schwarzwalddörfer gibt es genug Holz, das sich zu Hackschnitzeln verarbeiten lässt. Man kann dieses Heizmaterial in den großen Dachräumen der Schwarzwaldhäuser lagern; dort könnte man auch Hackschnitzelheizungen betreiben, mit denen man das Haus selbst und eventuell Nachbarhäuser versorgen kann. Biogasanlagen könnte man mit Grünmaterial von verwildernden Hochstaudenfluren betreiben, mit Greiskraut, Weidenröschen, Brennnesseln und Drüsigem Springkraut. Auch aus Abfällen oder dem Gras von einer bewässerten Wiese, das man als Viehfutter nicht mehr benötigt, könnte man Biogas herstellen. Der Wasserreichtum lässt sich zur Gewinnung von Wasserkraft besser nutzen. Turbinen könnten in die Mühlengebäude eingebaut werden. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass die in der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie geforderte Durchlässigkeit der Gewässer gewährleistet ist. Insgesamt könnten auf diese Weise Teile eines früher hervorragend funktionierenden Landnutzungssystems für neue

Formen von Nutzung übernommen werden. Im Schwarzwald war es immer wieder notwendig, neue Wege der Landnutzung zu beschreiten. Der Erfindungsgeist der Bewohner führte zur Entwicklung des sehr gut an seine Umgebung angepassten Schwarzwaldhauses. Sein Dachraum kann nicht nur als Lager für Hackschnitzel dienen, sondern es könnte zu zahlreichen Zwecken umgebaut werden, zum Konzertsaal, Proberaum für Laienmusiker oder Atelier eines Malers, zur Kunstgalerie oder Bibliothek, zum Raum einer Sommerakademie oder für die Anlage eines Rechenzentrums. Insgesamt sollte versucht werden, Traditionen der Nutzung aufzugreifen, wenn Neues entwickelt wird. Dabei sind originelle Ideen notwendig; jeder Ort braucht andere. Man braucht vielfältige Netzwerke, in denen Menschen ihre Sache selbst in die Hand nehmen. Dabei sind Patchwork-Existenzen zu fördern: von Menschen, die mehreren Berufen nachgehen. Zahlreiche Tätigkeitsbereiche lassen sich denken: Gewinnung von Energie, Kleinhandel, Verwaltungsaufgaben, Nachbarschaftshilfe, Altenund Kinderbetreuung, Betreuung von Feriengästen in und außerhalb ihrer Unterkünfte, Bildungsarbeit für Kinder und Erwachsene, auch für Gäste, Gewährung von Mobilität durch Fahrdienste, die öffentlichen Personennahverkehr ersetzen. Die Zukunft von ländlichen Gebieten liegt also wohl am ehesten darin, einerseits bewährte Strukturen von Siedlung und Landschaft zu bewahren, andererseits neue Systeme des Zusammenlebens und der Versorgung von Menschen zu entwickeln. Prof. Dr. Hansjörg Küster Institut für Geobotanik Leibniz-Universität Hannover 23



SÜDSCHWARZWÄLDER ARCHITEKTURKontinuität im Wandel fLORIAN rAUCH Was hat die Schwarzwälder Architektur geformt? Die klassischen Schwarzwälder Holzbauten sind hervorragende Studienobjekte, was die Prinzipien des zweckgebundenen Bauens in einer gebirgigen, kleinstrukturierten, landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaft anbelangt. Aber welche genau sind diese Prinzipien, die uns als typisch schwarzwälderisch ansprechen? Gibt es Merkmale, die heute noch Inspirationsquelle für das zeitgenössische bauliche Schaffen in einer sich derart im Wandel befindlichen Kulturlandschaft sein können? Zunächst einmal sind die überlieferten Bauten der Schwarzwälder Hauslandschaft, unabhängig von regional und entstehungszeitlich ausgeprägten Merkmalen, nach streng funktionalen Gesichtspunkten konzipiert und gestaltet worden. Die schwierige Aufgabe des Bauens am geneigten Hang hat meistens zu einer kompakten Bauweise und zur Stapelung der Funktionen geführt. Durch eine geschickte Anordnung der Funktionen im Inneren des Schwarzwaldhauses können die Gebäude mittels eines Abwurfprinzips von Futter, Brennholz, Mist, etc. bewirtschaftet werden. Dies erspart lange Wege, Zeit und Energie. Der Grund für die großen, geneigten Dächer ist wohl in der Notwendigkeit zu suchen, Lagerraum für die immensen Mengen von Heu als Winterfuttervorrat für die Tiere zu schaffen. So wurde auch Platz zum Trocknen und Dreschen von Getreide sowie zum Unterstellen von Arbeitsgeräten und Fahrzeugen gewonnen. Walmt man ein solches Dach an den Schmalseiten des Baukörpers ab, so entstehen stabile statische Dreiecke in der

Dachfläche. Die aerodynamischen Eigenschaften sind gegenüber dem Dach mit senkrechten Giebeln wesentlich besser, verbunden mit größerer Stabilität – ein Gebot des Bauens in gebirgigen Höhenlagen mit erhöhten Windlasten. Das tiefe Herunterziehen der Traufe sowie ein großer Dachüberstand ermöglichen nicht nur bei Schlechtwetter oder Schnee weiterhin den Aufenthalt im Freien in unmittelbarer Hausnähe, sondern gewähren auch konstruktiven Schutz für die hölzernen Bauglieder im unteren Gebäudeteil. Die relativ steile Dachneigung von etwa 45 Grad resultiert aus der Art der vor Ort verfügbaren Dachdeckungsmaterialien, nämlich Stroh oder Holzschindel. Beide sind umso haltbarer, je schneller das Wasser abfließen und die Dachhaut wieder trocknen kann. Vor allem bei älteren Gebäuden sind noch sogenannte Firstständer zu finden. Sie stehen so senkrecht wie der Baum im Wald in der Mittelachse der Häuser und tragen den Firstbalken. Die Gebäude sind nicht nur aus dem am Ort unmittelbar zur Verfügung stehenden Rohmaterial Baum errichtet worden, sondern sie haben auch in ihrer Höhenentwicklung die Dimension des Waldes beibehalten. Die Gebäude treten also in Beziehung zu ihrem Platz und reagieren auf ihn in vielfältiger und spezifischer Art und Weise. Dabei führt die BerückAbb. 18: Längsschnitt durch ein Schwarzwaldhaus des Dreisamtals

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sichtigung des Nutzungsprogramms und der Umweltfaktoren zu einer prägnanten Gestalt. Landschaft – Bauwerk Landschaft und Gebäude stehen in enger Wechselwirkung zueinander und bilden den Vorgang der Landbewirtschaftung ab. Das Landschaftselement Haus beziehungsweise Dorf ist ohne das Element der bewirtschafteten Landschaft ringsherum nicht denkbar – und umgekehrt – beides bedingt sich gegenseitig. Meistens sind die Plätze, an denen überlieferte Siedlungen zu finden sind, sorgfältig nach einer Reihe von Kriterien ausgewählt: kleinklimatische Aspekte wie die vorherrschende Windrichtung, Trinkwasservorkommen, Baugrundverhältnisse, Exposition (Blitzschlag!), Besonnung, Verfügbarkeit von Baumaterial, verkehrstechnische Erschließung. Im Schwarzwald speziell haben bewirtschaftungslogistische Aspekte auf den zu bearbeitenden Flächen und die Eigentumsverhältnisse der Flächen zu den spezifischen Siedlungsmustern Streifenflur oder Haufendorf geführt. Der Außenraum eines Gebäudes hat mindestens eine ebenso große Bedeutung wie das Haus selbst. Historischen Häusern im Museumsdorf fehlt oft dieser Aspekt. Wenn der Zusammenhang mit der Umgebung nicht mehr spürbar ist, befinden wir uns dem Empfinden nach in der Vorstadtsiedlung, in der die Beziehung von Haus und Landschaft verloren gegangen ist. Ein Haus im Schwarzwald steht also in Beziehung zur Landschaft und bildet diese Beziehung ab. Die Faszination am Bild des Schwarzwaldhauses rührt sicher auch von seiner archaischen Erscheinung her: kompakte, geschlossene Bau26

körper mit tiefen Traufen, Verwendung von natürlichen Materialien wie Holz sowie Bruch- und Lesestein. Solche Bauensemble begegnen uns auf Kinderzeichungen: Haus, Baum, lachende Sonne und Blumenwiese. Oft sind historische Hofstellen auch landschaftlich markante Plätze. Diese werden durch Hausbäume noch zusätzlich akzentuiert. Solche Hausbäume stärken die Verankerung des Hauses in der Landschaft, bieten natürlichen Blitz- und Windschutz und haben eine positive Auswirkung auf die Regulierung des Feuchtigkeitshaushalts in Kellergeschoss und Baugrund. Im Sommer spenden sie Schatten, im Winter gewähren sie dem Licht Durchlass. Die Platzierung von Gebautem in der Landschaft kann grundsätzlich zwei unterschiedlichen Haltungen folgen: Der eingliedernde Ansatz führt zu Bauten, die nicht auffallen. Sie zeichnen bewusst die Formen und Farben der umgebenden Landschaften nach mit dem Ziel, zu einem ruhigen Gesamtbild beizutragen – zum Beispiel die klassischen Schwarzwaldhöfe. Der eigenständige Ansatz führt hingegen zu Bauten, die einen Ort besonders auszeichnen. Diese Gebäude haben eine besondere Präsenz im Landschaftsbild. Sie setzen sich bewusst mit der Landschaft auseinander, indem sie ihr einen neuen Akzent verleihen. Ein wohlüberlegt gesetztes Zeichen muss daher nicht unbedingt eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes sein, sondern kann diesem im Gegenteil noch einen zusätzlichen Reiz verleihen – sozusagen eine Akupunkturnadel in der Landschaft. Die klassischen Schwarzwälder Holzbauten sind in Ständer-Bohlen-Holzbauweise konstru-


iert: eine Art Fachwerkbausystem aus tragenden stabförmigen Holzbaugliedern wie etwa Schwellen, Ständern und Streben, die nicht – wie im Fachwerkbau üblich – mit Mauer- oder Flechtwerk ausgefacht sind, sondern mit gesägten Holzbohlen. Mit diesem Holzbausystem lässt sich nahezu jede Bauaufgabe lösen: vom Miniaturhaus in Form eines Milchhäusles zum Kühlen von Essensvorräten am Brunnentrog über Kleinbauten wie Speicher und Mühle bis hin zur Großstruktur eines Schwarzwaldhofes. Klassische Schwarzwälder Architektur wurde also unter Anwendung heimischen Materials handwerklich meisterhaft umgesetzt. Das Schwarzwaldhaus stirbt aus Infolge der touristischen Erschließung des Schwarzwaldes im 19. Jahrhundert hat sich der Eindachhof zum Markenzeichen für die ganze Region entwickelt. Dazu haben natürlich auch Nachkriegsfilme in Farbe wie „Schwarzwaldmädel“ aus dem Jahr 1950 beigetragen.

Das Schwarzwaldhaus ist aber im Aussterben begriffen. Heutzutage werden nahezu keine Schwarzwaldhäuser mehr neu gebaut und die historisch überlieferten Exemplare verschwinden schleichend, aber kontinuierlich und spürbar. Weshalb? Schwarzwaldhäuser haben sich als hochoptimierte Funktionsgebäude für die Feld-Gras-Wirtschaft herausgebildet. Heute haben sich sowohl die landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsmethoden als auch die Ansprüche z.B. an das Stallklima oder das Wohnen stark verändert. Die Tendenz heute geht zu immer weniger und größeren landwirtschaftlichen Betrieben. Für eine Nutzung im Rahmen von solchen landwirtschaftlichen Großstrukturen sind diese Häuser nicht geeignet. Historisch gesehen war die Landwirtschaft im Schwarzwald, je nach Landstrich, oftmals nur ein wirtschaftliches Standbein neben anderen Erwerbszweigen. Sie diente der Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln und hatte nur ein begrenztes Potential zu monetärer WertschöpAbb. 19: Ensemble eines Schwarzwaldhofs im Urachtal

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fung. Außerdem lassen sich viele Bauaufgaben mit dem Programm und der Konstruktion eines klassischen Schwarzwaldhauses gar nicht erfüllen: Schule, Turnhalle, Hallenbad, Rathaus etc... Bauliche Gestaltung – gestern und heute Die sogenannte Heimatstilbewegung um 1900 war Ausdruck einer das Landleben und die Natur idealisierenden Sehnsucht in Folge der industriellen Revolution. Sie griff traditionelle regionale Architekturformen aus der bäuerlich - profanen Architektur auf. Diese flossen bei Neubauten wie etwa Schulhäusern gestalterisch ein, allerdings meistens ohne Bezug zu ihrer eigentlichen ursprünglichen Funktion. Dennoch verstanden es die Architekten dieser Zeit, solche aus dem Zusammenhang genommenen Formen gekonnt und ästhetisch spannungsvoll neu zu arrangieren. Vor allem nach dem 2. Weltkrieg ging die Sicherheit in der Gestaltung und im Umgang mit der regionalen Architektur zusehends verloren. Dies führte beispielsweise dazu, dass Wohnhäuser mit Walmdächern versehen wurden, um einen regioAbb. 20: Spielwegschule in Münstertal, erbaut 1911–1913

Abb. 21: Apartmenthaus im Schwarzwald

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nalen Bezug herzustellen. Bei bewohnten Dachgeschossen hatte dies jedoch zur Folge, dass die geschlossenen Dachflächen mit großen Gauben unterbrochen werden mussten, und die beim Schwarzwaldhaus so tiefen Traufen immer höher rutschten. So ging die ruhig lagernde Erscheinung der Häuser, ein markantes Charakteristikum der historischen Höfe, verloren. Zusätzlich hielten auch formale Versatzstücke aus der bäuerlichen Architektur des alpenländischen Raums Einzug, wie etwa gewaltige Holzverkleidungen an betonierten Balkonplatten, Erker und Ecktürme sowie Skraffitoimitatbemalung. Bauten dieser Generation fehlt spürbar das authentische Element. Sie wirken kitschig. Irgendwie spürt man, dass etwas nicht stimmt, auch wenn es dem Betrachter oft schwer fällt, die Gründe hierfür zu benennen. Welche Schlüsse lassen sich aus diesen Zusammenhängen für unsere heutige Baukultur ziehen? Solange es uns nicht gelingt, ein vergleichbares “Markenzeichen“ wie das Schwarzwaldhaus als Symbol für die Region neu zu erfinden, muss unsere ganze Energie der Erhaltung der noch vorhandenen gewachsenen Exemplare am angestamm-


ten Ort gelten; je näher an der ursprünglichen (Vielzweck-) Nutzung, desto besser. Die zu Beginn erläuterten Gestaltungsprinzipien, die das historische Schwarzwaldhaus in seiner jeweiligen regionalen Ausprägung und auf dem Hintergrund der Neuerungen seiner jeweiligen Entstehungszeit geformt haben, können auch heute Inspirationsquelle für das zeitgenössische Bauen in dieser sich in starkem Wandel befindlichen Kulturlandschaft sein. Es gilt auszuloten, in welcher Form diese Prinzipien heute anwendbar sind. Sicher ist aber, dass Formen, die unreflektiert anderen Kontexten entnommen werden, in eine Sackgasse führen. Oder mit den 100 Jahre alten Worten des Architekten Adolf Loos ausgedrückt: „Achte auf die Formen, in denen der Bauer baut. Denn sie sind der Urväterweisheit geronnene Substanz. Aber suche den Grund der Form auf. Haben die Fortschritte der Technik es möglich gemacht, die Form zu verbessern, so ist immer diese Verbesserung zu verwenden. Der Dreschflegel wird von der Dreschmaschine abgelöst. ... Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden. Veränderungen der alten Bauweise sind nur erlaubt, wenn sie eine Verbesserung bedeuten, sonst aber bleibe beim alten. Denn die Wahrheit, und sei sie hunderte von Jahren alt, hat mit uns mehr inneren Zusammenhang als die Lüge, die neben uns schreitet.“ (Loos 1913: 13) Die Enttäuschung über die Zerstörung prägender Elemente der Kulturlandschaft und die minderwertige Gestaltqualität des Neugebauten hat immer wieder dazu geführt, gewisse Gestaltungsprinzipien in Beispielfibeln oder Gestaltungssatzungen festzuschreiben. Meistens sind

diese Werke Sammlungen formaler architektonischer Versatzstücke oder gebauter Beispiele. Die Entstehung historischer Architektur und gebauter Ensemble wird in der Regel nicht erklärt. Damit fehlt aber das Verständnis für eine Fügung der Formen, die ihrem Wesen auch tatsächlich entspricht, geschweige denn, deren Weiterentwicklung ermöglicht. Eine große Ratlosigkeit ist im Umgang mit neuen Bauaufgaben spürbar, dieses Thema wird in solchen Schriften jedoch meist komplett ausgeblendet. Ein positives Beispiel für eine Gestaltungshilfe wurde im Jahr 2008 vom Innerschweizer Heimatschutz (IHS) herausgegeben (siehe nächste Seite). Die zentrale Botschaft ist in Form von acht Fragen und einem jeweils dazugehörenden Grundsatz gegliedert. Zu jedem der acht Kapitel gehört eine Reihe weitergehender, differenzierender Fragen. Hier wird nicht auf einer formalen, sondern auf einer inhaltlichen Ebene operiert. Dies soll helfen, eine kritische Auseinandersetzung im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben in der Landschaft zu führen und sich seiner architektonischen und kulturellen Bedeutung bewusst zu werden. Stellt man sich als Bauwilliger, Planer oder Politiker diesem Schweizer Fragenkatalog, so zeigt sich darin eine verantwortungsvolle Haltung bei baulichen Eingriffen in die Landschaft. Dies ist wichtig, denn solche Veränderungen prägen unseren Lebensraum nachhaltig. Das hat Auswirkungen auf das Wohlbefinden der dort siedelnden Menschen. Und jede gute Gestaltung ist ein Beitrag zur Erhaltung der Attraktivität und Eigenart unserer Region – und damit auch wichtig für das Wertschöpfungspotenzial einer Tourismusregion. 29


1. REELLE NOTWENDIGKEIT? Grundsatz: Für einen Neubau muss ein zwingendes Bedürfnis vorliegen. • Was ist das Problem? Ist es unumgänglich, an diesem Ort zu bauen? • Können die räumlichen Bedürfnisse mit einem Neubau, einem Anbau oder einem Umbau an diesem Ort langfristig befriedigt werden? • Stehen allenfalls andere Möglichkeiten für die Lösung des Problems zur Verfügung? • Sind am dafür vorgesehenen Standort Terrainveränderungen notwendig? 2. NEUBAU ODER UMNUTZUNG? Der Erhalt und die Umnutzung eines bestehenden Gebäudes wird angestrebt, umso zwingender, wenn dieses die Landschaft positiv prägt. • Wurde eine sorgfältige Umbaustudie ausgearbeitet? • Welchen Stellenwert, welche Bedeutung hat das Gebäude im Landschaftsbild? • Wie beeinflusst das bestehende Gebäude das Landschaftsbild? • Welche Bedeutung hat die bestehende Umgebung innerhalb des Landschaftsbildes? • Werden das neue Gebäude und die neue Umgebungsgestaltung dieser Bedeutung gerecht?

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3. ADÄQUATE NUTZUNG? Die Nutzung muss sich mit der Umgebung ergänzen. • Verträgt sich die vorgesehene Nutzung mit dem Ort und dem Umfeld oder stören sie sich gegenseitig? • Ist die vorgesehene Nutzung am vorgesehenen Ort sinnvoll und nachhaltig? • Welche Auswirkungen hat die beabsichtigte Nutzung auf die Umgebung und auf die Eigenart der Landschaft? • Gibt die vorgesehene Nutzung einen positiven Impuls für eine allfällige Entwicklung in der Landschaft? • Hält die beabsichtigte Nutzung die geltenden Gesetze ein? 4. RICHTIGE LAGE? Die Stellung der Neubauten wirkt selbstverständlich. Der Neubau gliedert sich in die Landschaft ein. • Orientiert sich die Stellung des Gebäudes an Mustern der Umgebung? Berücksichtigt sie die Gegebenheiten der Topografie? Lässt sie sich von historischen Vorbildern ableiten? • Fügt sich das neue Gebäude sorgfältig in seine Umgebung ein? Leistet es einen wertvollen Beitrag zur Weiterentwicklung der örtlichen Baukultur? • Werden bestehende Bauten und Landschaftselemente im näheren Umfeld in das Projekt miteinbezogen? • Entsteht ein harmonisches oder ein spannungsvolles Ensemble? • Wird das gewachsene Terrain um das Gebäude verändert und aus welchem Grund?


5. QUALITÄTVOLL GESTALTETER GEBÄUDEKÖRPER MIT UMGEBUNG? Das Gebäude bildet mit seiner Umgebung eine Einheit. • Leiten sich die Größe des Gebäudes sowie seine Proportionen von ortsüblichen Bauten ab? • Fügen sich die Teile des Gebäudes, deren Ausrichtung und seine neue Umgebung zu einem harmonisch wirkenden Ganzen zusammen? Beeinträchtigen sie das Landschaftsbild? • Handelt es sich um einen einfachen, ruhig wirkenden Baukörper? • Stellen der neue Gebäudekörper und seine Umgebungsgestaltung eine neue, interessante Interpretation der Örtlichkeit dar? 6. SORGFÄLTIGE MATERIALISIERUNG UND KONSTRUKTION? Materialisierung und Konstruktion leiten sich aus dem Bestand ab. • Werden einfache und wenige Materialien für die Gestaltung gewählt? • Berücksichtigt die gewählte Materialisierung des Objekts die bestehende Umgebung? In welcher Art und Weise? • Leiten sich die Konstruktionswahl und die Umgebungsgestaltung aus dem Kontext des Bestandes ab? • Wird eine bewährte Materialisierung und Konstruktion gewählt? • Warum wird auf eine ortsübliche Materialisierung und Konstruktion verzichtet? Wie ist die neue Wirkung?

7. WOHLPROPORTIONIERTE FASSADE? Die Gestaltungsidee prägt das Gebäude. • Besteht die Gestaltung aus wenigen, klaren und gut proportionierten architektonischen Elementen? • Sind die einzelnen gestalterischen Elemente aufeinander abgestimmt? Integriert sich die Gestaltung des Gebäudes durch ihre materielle und künstlerische Qualität? • Wirken die Fassaden ruhig und ausgewogen? Integrieren sich Dachausbauten, Fassadenvorsprünge und Fassadeneinteilung des geplanten Gebäudes in die bestehende Umgebung? • Ist eine gut gestaltete und strukturierte Gesamtidee ersichtlich? • Eignen sich die gewählten gestalterischen Mittel, um einem privilegierten Ort in der Landschaft seinen einmaligen Charakter zu bewahren oder gar zu verstärken? 8. ANGEMESSENE FARBGEBUNG? Das Gebäude erscheint im Landschaftsbild entsprechend seiner Farbgebung. • Hat die Farbgebung eine beruhigende Wirkung auf das Landschaftsbild? • Mit welchen Farben der Landschaft hat die neue Farbgebung etwas zu tun? Wurde die Farbgebung auf die Umgebung abgestimmt? • Besteht bezüglich der Farbe eine Beziehung der Bauten untereinander? • Stellt die neue, expressive Farbgebung eine interessante Interpretation der Örtlichkeit dar? • Ist die Wirkung des Gebäudes im Landschaftsbild seiner Bedeutung angemessen?

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Gestaltungshilfe Innerschweizer Heimatschutz Abgedruckt mit freundlicher Genehmigung des Innerschweizer Heimatschutz


Bauen in der Landschaft: der fIndling und der Baum Das Leben im Schwarzwald wurde seit dem 19. Jahrhundert immer stärker romantisch verklärt. Eigentlich war die Existenz in hohem Maße von der Natur geprägt, sehr stark auch durch deren Unwirtlichkeit. In der Architektur hat sich dies als Kargheit niedergeschlagen und so wurde dieses damalige Leben unmittelbar baulich abgebildet. Die Fähigkeit, die begrenzten Mittel geschickt zu nutzen, hat aber gleichzeitig auch einen unglaublichen Reichtum der Formen hervorgebracht. Findling, Bäume und eine Mähwiese – eine Situation, wie man sie in der Landschaft immer wieder antrifft. Hier haben Menschen wahrscheinlich über mehrere Generationen hinweg immer wieder Steine weggesammelt und sind so zu einer immer größeren bewirtschaftbaren Fläche gelangt. Viel Schweiß und Muskelkraft waren nötig, um zu diesem Ergebnis zu gelangen. Der große Findling aber blieb liegen, weil der Aufwand, ihn mit den damals zur Verfügung stehenden Mitteln zu entfernen, in keinem Verhältnis zum Nutzen stand. Bemerkenswert ist, dass uns solche landschaftliAbb. 22: Findling, Baum und Mähwiese zwischen Geschwend und Präg

Abb. 23: Hof mit Hausbaum in Bernau

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chen Elemente heute tief berühren und irgendwie vertraut sind. Und vielleicht spricht uns ein historischer Schwarzwaldhof mit großem Hausbaum deshalb so stark an, weil dieses Ensemble eine so starke Analogie zu uns vertrauten Landschaftselementen aufweist. Kneift man beim Betrachten die Augen zu, so könnten Haus und Baum auch Findling und Baum sein. Auf jeden Fall tragen die Eingriffe des Menschen aus früheren Zeiten immer auch seinen menschlichen Maßstab. Heute sind wir im Besitz einer Unzahl von technischen Möglichkeiten, und wir sind imstande, beim Bauen nahezu jedes Problem zu lösen. Aber die uns berührende, zurückhaltende, stimmige bauliche Intervention in und mit der Landschaft gelingt uns heute nur noch selten. Sie entsteht nicht mehr automatisch und unbewusst, so wie damals, als Menschen mit ihren aus heutiger Sicht begrenzten Mitteln in die Natur eingegriffen haben. Im Gegenteil: sie muss heute ganz bewusst gesucht und gestaltet werden. Im Folgenden werden drei neuere Beispiele des ländlichen Bauens aus der Schweiz vorgestellt, die ganz bewusst gestaltet worden sind und die so auch vor der Gebietskulisse des


Naturparks Südschwarzwald denkbar wären. Zwei Beispiele stammen aus dem Bereich des landwirtschaftlichen Bauens, obwohl diese Bauaufgaben heute im Schwarzwald nur noch einen kleinen Teil von Baumaßnahmen ausmachen. Dennoch lässt sich anhand von solchen Bauvorhaben die geglückte Anwendung und Neuinterpretation von Gestaltungsprinzipien anschaulich erklären. Beispiel 1: Schulhaus Paspels Heute gibt es neuzeitliche, aus Beton gebaute Häuser, die in ihrer Erscheinung wie ein Findling gestaltet sind wie etwa das Schulhaus in Paspels von Architekt Valerio Olgiati. Wir vermissen zwar einen dazugehörenden Hausbaum, aber wieso bauen wir im Schwarzwald nicht auch lieber Findlinge anstatt schlecht geratener, nicht verstandener Kopien von Schwarzwälder Bauernhäusern, die eigentlich eine Schule sein möchten? Beispiel 2: Ziegenalp Puzzeta Die Gebäude der Alp Puzzetta am Lukmanierpass stehen hier keck, und doch gleichzeitig zurückhaltend und integriert in der Landschaft. Bewirtschaftet werden sie gemeinsam durch das „Berg-

waldprojekt“ und die örtliche Alpkorporation. Hier werden in den Sommermonaten Ziegenkäse, Ziger und Alpbutter produziert, und gleichzeitig wird ein Beitrag zur Biodiversität und zur Erhaltung der alpinen Kulturlandschaft geleistet. Die Baukörper sind sowohl innen als auch außen abgetreppt und reagieren so in ihrer Form und Bewirtschaftungweise auf den geneigten Hang. Außen das schützende, unterhaltsarme Blech, innen eine Auskleidung aus heimischem Holz – für die Ziegen als auch für den Menschen. Die roten Blechtafeln wecken eine Erinnerung an rostiges Blech, wie wir es von alpin gelegenen Alpsiedlungen kennen. Mit der Farbgebung wurde ein Alterungsprozess auf eine künstlerische Art schon vorweggenommen. Die Aneinanderreihung von einzelnen Hauskörpern suggeriert, dass hier immer mal wieder angebaut worden ist. Dies alles führt dazu, dass wir das Gefühl haben, dieses Gebäude sei sukzessive gewachsen und stünde schon viel länger an diesem Ort als dies tatsächlich der Fall ist.

Abb. 24: Schulhaus Paspels (Schweiz), 1998, Arch. Valerio Olgiati Abb. 25: Ziegenalp Puzzetta, (Graubünden Schweiz), 2003–2005, Arch. Gujan und Pally

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Beispiel 3: Laufstall, Ligniéres, Kanton Neuenburg Das Beispiel aus dem Neuenburger Jura ist eine gelungene zeitgemäße Interpretation des Themas Scheune. Sie wurde vornehmlich mit Holz aus dem Wald des Bauherrn gebaut. Ein einfacher, klarer Gebäudekörper mit neuartiger Fassade und einem Minimum an architektonischen Gestaltungselementen führt zu einer ruhigen Gesamterscheinung. Dies trägt zur guten Integration in das Landschaftsbild bei. Abb. 26: Laufstall

Eindachhofs von 1809 im Weiler Mittelheubronn am Fuße des Schwarzwälder Belchens. Die Tragstruktur dieses Hauses war, gemessen an ihrem Alter, in einem relativ guten Zustand. Wie so oft, standen hier aber Modernisierungsmaßnahmen im Bereich Heizung, Sanitär, Elektro und Wärmeschutz an. Zunächst wurde von dem zum Großteil in Ständer–Bohlen–Holzbauweise erbauten und stellenweise recht verformten Haus eine genaue Bestandsaufnahme angefertigt. Dies war die Grundlage für speziell auf dieses Gebäude zugeschneiderte Sanierungslösungen, die in den Jahren 1999 – 2003 umgesetzt wurden.

Ligniéres, (Kanton Neuenburg Schweiz), 2005, Arch. Local architecture Lausanne

Abb. 27: Schiebefenster, Südschwarzwald, vermutlich 19. Jh.

Umbau des Bestandes: Zwischen Tradition und Innovation Genauso wie eine bauliche Intervention in der Landschaft ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen erfordert, so verhält es sich auch bei Eingriffen in bestehende, überlieferte Gebäude. Zwei Beispiele: Beispiel 1: Brehehuus in Mittelheubronn Ein Beispiel für einen zeitgemäßen architektonischen Umgang mit wertvoller traditioneller Bausubstanz auf dem Land ist die behutsame Restaurierung des Brehehuus, eines historischen 34

An der ursprünglich als Schauseite zur Straße hin ausgebildeten Fassade wurden bauliche Eingriffe, die in der Vergangenheit eine Zerstörung der Ständer-Bohlen-Struktur zur Folge hatten, zurückgebaut und die Bohlengefachstruktur wieder repariert und hergestellt. Die Belichtung erfolgt nach vollendeter Sanierung nun wieder über Kopien von Holz-Schiebefenstern, gefertigt nach historischem Befund und ausgebildet als Kastenfenster mit besseren Wärmedämmeigenschaften. Solche historischen Schiebefenster sind nicht nur wichtige,


gestaltbestimmende Bauteile für ein Gebäude, sondern sie faszinieren auch durch ihre Konstruktion. Sie wiederholen das Prinzip von Ständer und Bohle, also von Tragwerk und Ausfachung, in verkleinerter Dimension. Die Rahmenhölzer und die Sprossen des Fensters entsprechen bei diesem Vergleich dem Tragwerk des Hauses, die Glasscheiben der Bohlenausfachung. Die fügende Verbindung funktioniert im Großen wie im Kleinen durch Schlitz und Zapfen, Holznägel sowie Nut und Feder – ganz ohne Metall geschweige denn Klebstoff. Warum dieses Prinzip der eingenuteten Glasscheibe eigentlich nicht auch umgekehrt im größeren Maßstab der Ständer-Bohlen-Wand anwenden, zumal wir ja heutzutage in der Lage sind, großflächige, wärmedämmende Isolierglasscheiben herzustellen? An den Längsseiten des Hauses wurde auf dieses Prinzip zurückgegriffen und jeweils die oberste Wandbohle eines jeden Bohlengefaches durch eine Isolierverglasung in der gleichen Dimension ersetzt. In der Folge gelangt so viel mehr Licht unter dem weiten Dachvorsprung in die Kammern – ein nahe liegendes Bedürfnis, wenn man eine Kammer, die zum Lagern von Material

und Vorräten bestimmt war, heute zum Wohnraum umfunktioniert. Und trotzdem fügt sich dieses neue Detail des „transparenten Bretts“ ganz unauffällig in die alte Bohlenwand ein. Darüber hinaus ist so eine rahmenlose, als Festverglasung ausgebildete Belichtungslösung sehr wirtschaftlich, weil auf komplizierte Beschläge verzichtet werden kann – ein Schwarzwälder Bauprinzip! Beispiel 2: Haus des Gastes in Höchenschwand In den 1990er Jahren geriet der Höhenkurort Höchenschwand, durch die Gesundheitsreform, in eine tiefgreifende Strukturkrise. Damit einher gingen wirtschaftliche und soziale Probleme. Von den in den 1980er Jahren betriebenen fünf Kur- und Rehakliniken sind heute noch drei übrig geblieben. Höchenschwand steht nun vor der großen Herausforderung, sein Image vom Höhenkurort hin zu einem zeitgemäßen, identitätsstarken Schwarzwälder Tourismusziel zu verändern. Das neue Selbstverständnis des Dorfes konnte nun anlässlich einer anstehenden Innenrenovation des „Haus des Gastes“ architektonisch abgebildet und dadurch nach außen getragen werden. Im Entwurf des 1979 – 81 erbauten Mehrzweckbaus ist eine starke Auseinandersetzung des Waldshuter Architekten Otto Thoss (1922 – 2009) mit dem Thema des Bauens in den Höhenlagen des Schwarzwaldes spürbar: ausladende Dachüberstände, weite Zelt- und Pultdächer, die sich mit ihren Dachflächen schützend über den Baukörpern erheben. Die ganze bauliche Anlage ist geschickt in den Hang des abfallenden Grundstücks integriert, sodass das gewaltige Gebäudevolumen sich in die 35

Abb. 28: StänderBohlen-Wand mit tranparenter Bohle, Mittelheubronn, 1999 – 2003, Arch. Florian Rauch


Maßstäblichkeit von Dorf und Landschaft einfügt. Das Foyer entpuppte sich nach einer intensiven Gebäudeanalyse als Bereich mit dem größten und dringendsten Eingriffsbedarf. Über die Jahre hatte sich dort allerlei den Blick Verstellendes angesammelt und die Oberflächen wirkten verbraucht. Im Gegensatz zu den anderen Bereichen im Haus spürte man hier am wenigsten einen Bezug zu einem Schwarzwaldort auf 1000 Metern über dem Meer. Überspitzt ausgedrückt: Dieser Raum hätte Teil auch einer Autobahnraststätte oder einer Sparkassenschalterhalle sein können. Dabei ist dies eine der bedeutendsten Adressen im Dorf, denn hier gewinnt ein von Ferne angereister Besucher einen ersten wichtigen Eindruck von Höchenschwand. Wie nun einen Ortsbezug herstellen? Die Herausforderung bestand darin, einen Raum zu schaffen, der Geborgenheit wie eine Schwarzwälder Stube gibt und andererseits so öffentlich ist wie ein Marktplatz. Die Überlagerung dieser beiden Themen bildete das Entwurfskonzept für die Umgestaltung. Die neue Wandverkleidung wurde aus Schwarzwälder Weißtanne gefertigt. Dieser Abb. 29/30: Haus des Gastes in Höchenschwand. Foyer vor und nach dem Umbau. Arch. Axel Dietrich und Florian Rauch

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Baustoff ist über Jahrhunderte wegen seiner Verfügbarkeit und seiner Robustheit für das Tragwerk, aber auch für die Innenausstattung bei den hiesigen traditionellen Holzbauten verwendet worden. Was lag also näher, als bei dieser Bauaufgabe diese Bautradition wieder aufleben zu lassen und dadurch an den Ort, seine Geschichte und Baukultur anzuknüpfen? Sowohl eine großzügige Eckbank als auch die Wandverkleidung ist dem Motiv der Schwarzwälder Stube entlehnt. Durch die senkrechte, feinjährige Maserung der Schicht Platten aus dem Holz der Weißtanne erhält der von seiner Baustruktur her recht niedrige Raum eine vertikale nach oben strebende Dimension. Diese räumliche Absicht wird von den kegelstumpfförmigen Lichtkuppeln in der Decke noch verstärkt. Diese sind Teil der neuen geweißelten Gipsdecke. Diese Decke ist lebhaft, und trotzdem trägt sie zur ruhigen, konzentrierten Atmosphäre im Foyer bei. Der beruhigte Raum kann nun Marktplatz sein, aber auch Bühnenhintergrund für Veranstaltungen und Ausstellungen. Das Beschriftungskonzept steht in der Tradition der Schwarzwälder Holzschnefler und Schnitzer:


Buchstaben und Schriftzüge wurden direkt mittels neuzeitlicher CNC-Frästechnik in die Weißtannendreischichtplatten „geschnefelt“. Der Imagewandel ist auch in der Umbenennung von „Kursaal“ in „Großer Saal“ vollzogen. Im Haus des Gastes offenbart sich dem Besucher nach dem Umbau ein Schwarzwald zwischen Tradition und Innovation. Bleibt zu hoffen, dass die Gemeinde bei der Einrichtung und Bespielung dieses umgestalteten Raumes die neue Idee mit Mut aufgreift. Dies gilt auch für den unmittelbaren Aussenraum vor dem Haus des Gastes: Hier liegt eine fertige Planung für eine zeitgemässe Umgestaltung in der Schublade, die noch ihrer Ausführung harrt. Aber auch über den unmittelbaren Aussenraum hinaus: Die Landschaft ist im Selbstverständnis des Ortes das stärkste Identifikationsmerkmal. Eine Analyse hat aber gezeigt, dass das starke Wachstum vom bäuerlich geprägten Haufendorf hin zum prosperierenden Kurort auch dazu geführt hat, dass die Landschaft im Dorf selber kaum mehr spürbar ist. Die Bauten aus der Frühzeit des Kurbetriebs fügten sich noch harmonisch ins Dorfbild ein. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aber entstanden grosse Kurklinikkomplexe, die den Massstab sprengten und den Bezug zur Landschaft verstellten.

wieder zu reparieren? Im Osten Deutschlands wurde so etwas unter dem Motto „gestaltender Rückbau“ bereits erfolgreich erprobt.

Resümee Nur wer sich traut, einen Entwicklungsschritt selbst zu gehen, wird am Ende dafür auch belohnt werden. Das ist überall so auf der Welt, auch im Schwarzwald. Wir sollen und dürfen unserem heutigen Leben in dieser Raumschaft einen eigenen zeitgemäß gestalteten Ausdruck verleihen. Wie schön, wenn später einmal gesagt werden kann: Ein reicher, wertvoller Fundus tut sich dem auf, der sich mit den gewachsenen Landschaftsund Baustrukturen des Schwarzwaldes beschäftigt. Hier ist Kontinuität im Wandel spürbar.

Dipl.-Ing. Florian Rauch Bauforscher und Architekt TH SIA bau kultur landschaft

Warum also nicht den Mut zeigen, und die zwei seit Jahren leer stehenden Kurkliniken zugunsten der Wiederherstellung eines grösseren Landschaftsbezugs einfach abreissen? Dieser Vorschlag mag im ersten Moment vielleicht erschrecken. Wer soll das bezahlen? Doch könnte diese Strukturkrise nicht der Anlass sein, das im Grunde viel zu schnell und einseitig gewachsene Dorfbild im Sinne einer verbessernden Korrektur 37



Schwarzwald Ein “Rundumschlag” GERHARD ZICKENHEINER

An den Anfang meines Textes stelle ich einige Schlüsselthemen, die die Situation der Menschen „auf dem Wald“, so sagt man hier, beleuchten. Nach ein paar Worten zur Regionalpolitik der letzten Jahrzehnte und der damit einhergehenden konservativen Behandlung der Kulturlandschaft geht es zum Schluss um „Baukultur“ oder die Wechselwirkung von Architektur und Sehgewohnheiten. DÖRFER Viele Dörfer sind soziokulturell noch intakt, es gibt gut funktionierende Dorfgemeinschaften und Vereine. Man sagt, dass der Schwarzwälder durchschnittlich in sieben Vereinen tätig sei. Die im städtischen Raum oft vermisste Nachbarschaftshilfe ist auf dem Land noch gelebte Selbstverständlichkeit. Hier wird schon ein Ungleichgewicht sichtbar: Sorgen in der Stadt oft jede Menge hochsubventionierte soziale und kulturelle Einrichtungen für einen Rest an Miteinander, ist im Dorf das unbezahlte Ehrenamt oft Leistungsbringer für alles Mögliche. Trotzdem oder gerade deshalb: die intakte Gemeinschaft ist für Neubürger (ja, es gibt ein paar) und für die, die bleiben, das stärkste Argument, auf dem Wald zu leben. MARKE “SCHWARZWALD“ Jeder Werber muss vor Neid erblassen, wenn er sieht, dass die Marke “Schwarzwald“ auch ohne irgendeine Werbestrategie weltweit ein positiv belegter Begriff ist. Vielleicht liegt es an der guten Übersetzbarkeit des Namens, der in vielen Sprachen gut klingt und eine gewisse Mystik mitschwimmen lässt: Black Forest, Forêt Noir, Silva Negra, Foresta Nera. Sicher tragen auch die wenigen bis über die Schmerzgrenze hinaus repe-

tierten Motive wie Kuckucksuhr und Bollenhut mit ihrer hohen Wiedererkennbarkeit dazu bei. Man kennt den Schwarzwald also weltweit, er gehört zu den „nice to have“ welttourender Amerikaner, Japaner und Chinesen. Daneben wird der Tagestourismus aus dem näheren Umfeld immer wichtiger, weil die 3-Wochen-Ferienfamilien immer rarer werden. Das gastronomische Angebot hat seine Höhepunkte, zur übrigen Gastronomie ausführlicher unter den folgenden Punkten, die beschreiben, was im Schwarzwald schlecht läuft. LANDWIRTSCHAFT Die Landwirtschaft ist hier permanente Subventionswirtschaft. Für die Betreiber lohnt sie meist nicht, 98% der landwirtschaftlichen Betriebe sind Nebenerwerbsbetriebe. Trotz aller möglichen Subventionen schaffen es nur ganz wenige, meist sehr große Betriebe, ohne zusätzliche Einkünfte durchzukommen. Bei den anderen läuft es so: Man kommt nach acht Stunden Arbeit abends zurück auf den Hof und macht dort weiter, wo man am Morgen vor der Arbeit aufgehört hat. 14-Stundentage sind keine Ausnahme. Die nachfolgende Generation der meisten Nebenerwerbslandwirte hat dazu kaum Lust, und so kommt es zum Höfesterben. Dabei werden im Schwarzwald Spitzenprodukte erzeugt wie das Hinterwälder Rindfleisch. Man kauft es grob zerlegt für ca. 8 €/kg, so billig wie das Discounterfleisch aus Massentierhaltung. Das gleiche gilt für Geißenfleisch, Milch, Käse und so weiter. Aber die Erzeuger können ihre Produkte nur schwer vermarkten. Am besten lässt sich das bei den Geißen zeigen: Da zogen in den letzten zwei Dekaden die Landwirtschaftsberater und Naturschützer durch die Dörfer und priesen die Geißen als die Könige der Offenhaltung, man erin39


nerte an alte Zeiten, in denen die Geiß zu jedem Hof gehörte, und ermunterte jeden, sich diese wieder anzuschaffen. Der brave Landwirt folgte dem Rat, viele Dörfer gründeten eigens Geißenvereine und erzielten ein paar Erfolge in der Offenhaltung. Kein Mensch hatte sich jedoch Gedanken gemacht, wohin mit dem Geißenfleisch oder wie man mit ihm gar etwas verdienen könnte. Um ein Produkt zu vermarkten, das auf unserem Speiseplan nicht mehr vorkommt, bedarf es jedoch einer Strategie, die sämtliche an der Wertschöpfungskette Beteiligten einschließt, in diesem Fall neben dem Landwirt die Metzgereien, die Restaurants, die Tagespresse und die Gastrojournalisten, die Rezepte publizieren. Mit einer besseren Logistik und guter Werbung würden sich dann auch höhere Preise erzielen lassen. Die Schweiz macht es vor. Gitzischulter kostet dort mehr als das Dreifache wie im Schwarzwald und gilt als Delikatesse. Im Schwarzwald geben die ersten frustrierten Geißenvereine dagegen wieder auf.

Abb. 31: Geißen im Südschwarzwald

Abb. 32: Blick auf den Südschwarzwald, offen gehaltene Kulturlandschaft

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OFFENHALTEN DER LANDSCHAFT Die Landwirte werden zum „Erhalt der Kulturlandschaft“ dafür bezahlt, dass sie den Wald zurückhalten. Diese aufwendige Arbeit, das „Enthursten“ wird ein bisschen subventioniert. Für wen hält der Landwirt die Landschaft eigentlich offen? Wächst alles zu, sieht man keine Kulturlandschaft mehr, dann bleiben die Touristen daheim, sagen Tourismusexperten. Allerdings verwundert es, dass der Tourismus und die Städte, die vom Naherholungsgebiet Südschwarzwald profitieren, außer dem bisschen Geld für die Offenhaltung keinerlei Transferleistungen für diese Attraktivitätssicherung an die Landwirtschaft leisten. TOURISMUS Viele sehen in Tourismus und Naherholung die einzige Chance, den Schwarzwald wirtschaftlich am Leben zu halten. Tatsächlich gab es große Zeiten, in denen Orte wie Hinterzarten, Menzenschwand die Prominenz der Republik zu Gast hatten und Tourismusgeschichte schrieben. Stolze Häuser erzählen heute noch die Geschichte dieser Epoche,


sie haben sich oft bis heute nicht verändert. Derselbe Spannteppich und das Spinnrad in der Ecke müffeln dem meist älteren Publikum entgegen, das oft schon Jahrzehnte kommt und Veränderungen gar nicht mag. Trotz Inflation sind die Preise jahrzehntelang fast gleich. “Trading-Down“Prozess nennt man das in den Innenstädten. Es gibt zum Glück Ausnahmen, moderne Hotels und Gästehäuser mit hochwertiger Gastronomie und einer Speisekarte, die regionale Produkte zeitgemäß anbietet. Für die jüngeren Touristen ist das Angebot mager: Sportler haben es außerhalb der Wintersaison, die öfter fast ausfällt, schwer. Mountainbiker sind vielen Stammgästen eher ein Dorn im Auge und das kulinarische Angebot um die Wintersportzentren ist oft fatal: der Friteusennebel um den Feldbergpass ist schon Legende. Nichtsdestotrotz bewegen sich die Übernachtungszahlen auf akzeptablem Niveau, auch wenn sich die durchschnittliche Aufenthaltsdauer extrem verkürzt hat. ERREICHBARKEIT Neben der schönen Landschaft profitiert der Schwarzwald von seiner geografischen Situation. Im Zentrum Europas liegend finden sich in seinem 200 km-Umkreis gleich mehrere Metropolitanräume. Das bedeutet nicht nur, dass viele Tages-, Wochenend- und Ferientouristen schnellen Zugriff auf ihn haben, sondern auch, dass man im Schwarzwald leben und außerhalb arbeiten kann. Man ist nicht ganz „ab vom Schuss“. Wer jedoch versucht mit dem öffentlichen Personenverkehr von Bernau aus in das 50 km entfernte Lörrach zu kommen und am gleichen Tag zurück, der hat es nicht leicht, wenn er dazwischen noch etwas in Lörrach erledigen will. Wir

reden über eine Distanz von Luftlinie 32 km. Von Lörrach komme ich problemlos mit dem Snowboard unterm Arm in drei Stunden nach Grindelwald in der Schweiz. Ich steige aus dem Zug in 200 m Entfernung vom Skigebiet aus und schaffe es abends zur Tagesschau wieder zuhause zu sein. Die schlechte Erreichbarkeit der Schwarzwalddörfer ist gerade für junge Menschen oft nicht akzeptabel. So im „off“ zu leben wollen sie nicht, also gehen viele. HANDWERK Eine der ersten Assoziationen, die man beim Begriff Schwarzwald hat, sind die Produkte des Kunsthandwerks, meist gnadenlos verkitscht, wenige hochwertig. Einige Familienbetriebe erreichen auch heute noch mit ihren Produkten internationales Renommee, es sind wenige und oft ist die Nachfolge klar geregelt: sie fällt aus und der Betrieb wird in absehbarer Zeit verschwinden. War der Schwarzwald früher eine Hochburg des Handwerks und später der Feinmechanik, so erleidet er gegenwärtig das Schicksal aller dezentralen Räume mit schwacher Infrastruktur: Gewerbe und Industrie ziehen sich zurück in die Täler, möglichst nahe an die logistischen Synapsen in den Agglomerationen. Nur die verhältnismäßig günstigen Arbeitsplätze und das immer noch hohe handwerkliche Niveau bewirken, dass sich ganz wenige Firmen wie der Meßgerätehersteller Testo in Lenzkirch gut halten und einige wenige Gewerbegebiete wie das in Bernau florieren. REGIONALE GESCHICHTE Um das alles einordnen zu können, hilft ein kurzer Blick in die Geschichte: Der Schwarzwald südlich des Feldbergs unterstand dem Kloster St. Blasien. 41


Das Kloster schickte Bauern und Waldarbeiter, den Schwarzwald zu erschließen. Man betrieb Bergbau und nutzte das Holz zur Erz- und vor allem Glasherstellung oder verkaufte es. Die Erschließung des Südschwarzwalds war kein schlechtes Geschäft, das Kloster war reich. Im Bereich des Klosters war die Erbteilung üblich. In der Folge wurden die immer wieder geteilten Höfe zu klein, um ihre Bewohner zu ernähren, sie hungerten. So erfand man im Kloster eine Möglichkeit, zusätzliche Einnahmen zu generieren: das „Schnefeln“, das Produzieren aller möglichen Gebrauchsgegenstände aus Holz in Heimarbeit. Das Kloster baute ein gut organisiertes Vertriebssystem auf, das halb Europa bediente. Diesen humanen Akt ließ sich das Kloster mit 25% der Einnahmen aus den vorindustriellen Produktionsformen vergolden, und die Bevölkerung konnte weiter wachsen. Im Schwarzwald hatte man sich an die Heimarbeit neben der Landwirtschaft gewöhnt, ein prächtiger Nährboden für die aufkommende dezentrale Textilproduktion. Am Spinnrad wurde gesponnen und an Heimwebstühlen wurde gewoben. Abends und im Winter musste jeder mithelfen, dem die Finger noch nicht abgefroren waren. Die Industrialisierung konzentrierte die Arbeitsplätze im Tal und die Leute folgten. Nun wurde tagsüber in Schichten produziert und die Landwirtschaft blieb am Rest der Familie hängen oder wurde morgens und abends verrichtet. Das ist heute noch so. Die Besitzer der Fabriken saßen nicht mehr im Kloster, das 1806 säkularisiert wurde, sondern in Basel. Diese Betriebe bildeten die Vorläufer der heutigen chemischen und Life-Science Industrie. Im Schwarzwald blieb von der Wertschöpfung in beiden Fällen nicht viel hängen. 42

WIRTSCHAFTLICHE POTENZIALE Eine Chance für die Zukunft des Schwarzwaldes liegt in der Energiewirtschaft. Energie wird teurer und auch heute ist schon klar, dass viele kleine Energieproduktionen vorteilhaft für die Versorgungssicherheit sind. Dazu müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Zum einen müssen alle vorkommenden Energiearten optimal genutzt werden. Schließlich gibt es im Schwarzwald neben Wind auch schnell fließendes Wasser, Sonne, Holz für Hackschnitzel und alles Mögliche für Biogas. Die zweite Bedingung ist fast schon Grundlage für die Erfüllung der ersten, aber auch sozio-ökonomisch von fundamentaler Bedeutung: Die Energie und ihr Ertrag müssen in die Hände der Menschen im Schwarzwald gelangen. Es ist ihr Land, das ihnen diese Ernte ermöglicht. Das ist aktuell von vorrangiger Bedeutung bei der Zuteilung von Standorten zur Gewinnung von Windenergie. Die Erträge können helfen, andere Energieträgerproduktionen wie Turbinen und Hackschnitzelerzeugungsanlagen zu finanzieren. Man muss aufpassen, dass es nicht wieder die großen Konzerne sind, die sich die Erträge holen und den Schwarzwald mit Almosen abspeisen. Potenziale stecken in den Bereichen des Tourismus, die man bisher ein bisschen verschlafen hat: z.B. Mountain Bike, Downhill, Freeclimbing, Paragliden und andere Trendsportarten. Verschiedene Altersgruppen betreiben sie und der Schwarzwald ist prädestinierter Ausübungsort für alle diese Sportarten. In Kombination mit guten Wellnessangeboten und einer zeitgemäßen Gastronomie könnten hier neue Marktsegmente erschlossen werden, die zukunftssicherer sind als die Generation 70plus, die das heutige Bild des Tourismus prägen.


Chancen bieten auch die Regionalprodukte, deren Vermarktung bisher eher „pragmatisch“ von statten geht. Hier kann man sich überall im angrenzenden Ausland anschauen, wie Qualität in Wert gesetzt werden kann. REGIONALENTWICKLUNG UND FÖRDERPOLITIK Wenn man untersucht, warum das alles nicht längst passiert ist, dann stößt man darauf, dass im Schwarzwald meist punktuell und unkoordiniert investiert wird. Gezielte, strukturierte und flächig wirksame Regionalentwicklung ist die Ausnahme. Die bestehenden Förder- und Entwicklungswerkzeuge sind außerdem mit zu wenig Mitteln ausgestattet. Man fühlt sich manchmal an Entwicklungshilfeformen der 1960er Jahre in DritteWelt-Länder erinnert: Es wird punktuell Geld gegeben, um den Mangel zu lindern, und dabei verkannt, dass bei ausreichender Mittelausstattung erfolgversprechender Projekte auch Erfolg resultiert. Landschaft und Nachhaltigkeit Eines der meistgenannten Schlagworte, das unreflektiert seit Jahren genannt wird, ist der “Erhalt der Schwarzwälder Kulturlandschaft“. Gemeint ist damit, dass möglichst alles beim Alten bleiben soll: Das Land soll offen bleiben, nicht vom Wald überwuchert werden. Man tut so, wie wenn es schon immer nur grüne Wiesen im Wechsel mit Waldflächen gegeben hätte, und übersieht dabei, dass 50 Jahre früher Wiesen im Wechsel mit kleinteiligen Getreide- und Gemüsefeldern neben dem Wald das Bild dominierten. So erhält man eine unwirtschaftliche, unwirkliche Form der Kulturlandschaft, die sich in ihrer heuti-

gen Form ohne Subventionen kaum erhalten ließe. Dabei weisen die Flächen der Graswirtschaft sogar nur eine sehr geringe Biodiversität auf. Das ist in sich wenig schlüssig. Durch die heutigen Subventionsformen zum „Erhalt der Kulturlandschaft“ wird die Entwicklung neuer, unter gegenwärtigen Gesichtspunkten wirtschaftlicher Kulturlandschaften verhindert. Dieser Widerspruch ist schon lange bekannt. So schrieb Lucius Burckhardt 1994 schon: „Kulturlandschaft ist die Landschaft, in der man zu spät kommt, deren Reiz darin besteht, dass man darin gerade noch lesen kann, wie es einmal war (...) Und doch ist das Ganze paradox: „Kultur ist Tätigkeit, ist Erfindung, Fortschritt. Die Kulturlandschaft ist also gerade nicht ewig, sondern entspricht einer historischen Momentaufnahme.“ (Burckhardt 2007) Hansjörg Küster empfiehlt 2005: „Die Bewahrung von Landschaft soll eine Entwicklung unter Aspekten der Nachhaltigkeit zulassen.“ (Küster 2005) Der Soziologe und der Biologe sind sich also einig. Ich ergänze aus tagespolitischem Anlass ein Zitat von Nils Schmid, dem SPD-Finanzminister von Baden-Württemberg, der gerade verlauten ließ, dass im Schwarzwald auch mal ein Tal zuwachsen könne. Diese Aussagen möchte ich Abb. 33: Schwarzwald – Wiesen und Wälder im Wechsel

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wie folgt zusammenfassen und behaupte: „Wir halten an einem Landschaftsbild fest, das weder dem ökonomischen noch dem ökologischen, auch nicht dem sozialen Bedarf entspricht. Das wird die Gesellschaft nicht dauerhaft mitmachen. Die Kulturlandschaft muss sich weiterentwickeln, sonst wird sie aufgegeben.“

dass man es in Karlsruhe erwartete. Wir sehen ein frisch gedecktes Haus und erkennen, dass nicht nur die Stube, sondern auch die Nebenräume, befenstert sind. Der Bauer und die Bäuerin stehen im Sonntagsstaat erwartungsvoll vor dem Haus. Nicht, dass man es sehen könnte, aber man ahnt, dass sie lächeln.

Baukultur Zum Thema „Baukultur“ möchte ich erläutern, wie unsere Sehgewohnheiten die Bilder interpretieren oder wie Bilder, die wir von einer Landschaft, einem Ort oder Objekt haben, zum einen unsere Sehgewohnheiten konditionieren, zum anderen aber die Baukultur manipulieren. Mit der Zeit übernehmen parallel dazu unsere Sehgewohnheiten diese Veränderungen, wir gewöhnen uns an sie. Dieser kulturelle Prozess der gleichzeitigen Veränderung von Seh- und Baugewohnheiten ist ein schleichender.

Felix Faller (1835–1887) zeigt uns etwa zur gleichen Zeit ein ganz anderes Bild. Die Details deuten auf die ärmlichen Verhältnisse hin: die unregelmäßige Dachform, fast ein Flickenteppich unterschiedlicher Materialien, Löcher, Durchbrüche und die fensterlosen Nebenräume, in denen die Knechte im Winter unterm Strohsack froren.

Der große Bernauer Künstler Hans Thoma (1839– 1924) wollte das Ideal des bäuerlichen Lebens hochhalten und auch den Städtern in Karlsruhe näherbringen. Dabei zeigt er uns eine Mischung aus dem, was er sah, und dem, von dem er wusste, Abb. 34: Gemälde von Hans Thoma, Künstler aus Bernau

Abb. 35: Gemälde von Felix Faller

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Es ist mehr die Differenz der Darstellungen als die verklärenden Darstellungen selbst, die uns erlaubt zu lesen: Die Faller´sche Hofdarstellung will das primitive Leben auf dem Wald zeigen; fast exotisch muss es auf die inzwischen komfortverwöhnten Städter gewirkt haben. Thoma wählt den Ausnahmezustand: nur am Sonntag war man so gekleidet. Auch er erklärt, unwillentlich vielleicht: Der Hof ist klein, der Ökonomieteil winzig. Es wird schwer gewesen sein, mit dieser


Größe auskömmlich zu wirtschaften. Die Bescheidenheit und Zufriedenheit auch im einfachen Leben wurden in beiden Fällen gern als hohes Gut gepriesen, sie passte auch ins politische Konzept. Der hohe Anteil an Interpretation lässt sich bei der Restaurierung unserer Baudenkmäler genauso feststellen. Schauen wir uns zwei Paradebeispiele in Menzenschwand und Bernau an. In Menzenschwand wurde der Franz-Seppe-Hof (Bj. 1748) nach seiner aufwendigen Restaurierung schon mehrfach der Fachwelt und interessierten Laien als Vorbild präsentiert. Doch was zeigt er uns? Ein Dach, 1970 neu eingedeckt, makellos ausgebessert. Der Ökonomieteil ist ungenutzt. Hier zeugt kein Misthaufen, keine Kuh, kein Huhn vom Leben in dem großen Baukörper, der sicher zum ersten Mal in seiner langen Geschichte so komplett durchgestylt dasteht mit rundum frisch lackierten Fenstern. Und der Lattenzaun darum herum hält nicht die Geißen vom Gemüse ab, er grenzt den Ziergarten vom Umfeld ab. Ähnliches sieht man am Naglerhof (Bj. 1538) in Bernau-Hof. Alles Holz strahlt in einheitlich abgestimmter Patina. Selbst der erst um 1900

dazugekommene Anbau scheint schon immer dazu zugehören. Fenster sind frisch gestrichen. Regenrinnen künden vom neuen Komfortbewusstsein. Aber auch hier gibt es nur noch einen sehr schönen Ziergarten und die sieben Hühner, die den gigantischen Ökonomieteil nicht ganz ausfüllen, bringen auch keinen Misthaufen zustande. Dafür wurden innen alle Register des Innenausbaus gezogen: Designerbäder (und ich sage das mit ehrlichem Respekt vor der Leistung der Innenarchitektin) und offene Einbauküche bringen ganz andere Raumerlebnisse zustande als es die alten Bauernstuben je vermochten. Kann diese „denkmalgerechte Sanierung“ dem Denkmal gerecht werden? Ich bin mir sicher, ein wenig Bauchschmerzen haben die Denkmalschützer selbst, wenn sie in der Designerküche stehen. Wenn man sich heute in einem um 1970 restaurierten Schwarzwaldhaus umschaut, dann merkt man schnell: jede Zeit hatte ihre eigene deformierende Interpretation der Historie. Können diese Objekte überhaupt noch ihren soziokulturellen Beitrag im Dorf leisten? Wie oft nutzen die neuen Besitzer, die fernab wohnen, das Haus? Was denken sich die Nebenerwerbslandwirte, die Abb. 36: Franz Seppe, Hof in Menzenschwand

Abb. 37: Naglerhof, Bernau-Hof

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täglich 14 Stunden rackern müssen, wenn sie neben dem eigenen verfallenden Haus den Edelleerstand sehen? Wenn einer von ihnen sein Haus mit seinen bescheidenen Mitteln umbauen will, wird ihm anhand eben dieser teuren Edelsanierungen gezeigt, wie dies unter den „Aspekten des Erhaltes des Kulturdenkmals“ zu geschehen hat. Und die Baugenehmigung steht in Frage, wenn er nicht spurt. Dabei will er nur wie seine Vorbewohner das Haus an den Bedarf seiner Zeit anpassen. Es gibt genügend Beispiele, wo der alte Hof einfach verlassen und am Ortsrand ein Fertighaus bezogen wird. Auch die Abstände zwischen den alten Höfen sind den Bauämtern und Denkmalschützern oft heilig, die „Körnung“ soll erhalten bleiben. Es fehlt oft der Mut, neue Dichten und Formen zuzulassen. Das ist ein Teil der Gründe, warum die Innenentwicklung in den Dörfern nicht gelingt. Eigentumsfragen und Mentalität tun das Ihre dazu und am Schluss entsteht um die sterbenden Dorfmitten eine Art „rural sprawl“. Zum Schluss schauen wir noch auf den erwähnten kulturellen Prozess der Veränderung von Seh- und Abb. 38: Schwarzwaldhaus mit

Baugewohnheiten. Wir betrachten dazu das Zufallsbild eines heutigen „Schwarzwaldhaus-Garagen–Ensembles“. Formal ist es immer noch der Eindachhof, den man darstellen will. Das Dach ist aufgelöst in Fläche und Dachgauben. Manchmal tauchen beide sogar mehrfach übereinander auf. Die Balkonbrüstungen laufen so oft ums Haus wie sie nur können und sind aus PVC oder aus Holz, das so lange mit irgendetwas behandelt wurde, dass es aussieht wie PVC. Formal dem Schwarzwalddach angepasst präsentiert sich der gedeckte Aufgang, der sicherstellt, dass man trockenen Fußes von der Garage ins Haus kommt. An all diese Elemente haben wir uns gewöhnt. Es sind immer wieder replizierte und weiter entwickelte Teile der heutigen Schwarzwaldkulisse. Sie sind Geschichtenerzähler, sagt doch das Dach: „Ich bin ein Schwarzwaldhof“. Die mit Geranien behangenen Balkone erzählen vom Leben auf den Höfen, vom Geraniengießen im Dirndl mit Bollenhut und laden uns ein, im Urlaub an diesem Glück auf dem Balkon teilzuhaben. Das Bild enthält auch Störfaktoren: Elemente, die noch nicht dazugehören, wie die Solarzellen und die Fertiggarage mit Flachdach, die allzu sehr an die Hinterhöfe der Städte erinnern, wo wir gerade herkommen. Darauf zeigt man dann mit dem Finger.

Garage

Nun haben wir uns prächtig über ein Profanbeispiel amüsiert und wissen im Hinterkopf, dass es zum Glück die Paradebeispiele hoher und zeitgemäßer Baukunst gibt. Diese erscheinen häufig allerdings auch nur auf den ersten Blick gelungen. Die letzten beiden Bilder zeigen ein derartiges vielgerühmtes Beispiel. Es handelt sich um ein großes 46


Hotel, mit ausgezeichneter Gastronomie und Spa. Erkennen wir auf dem ersten Bild noch eine große, durchgängige Dachfläche, so zeigt das zweite Bild die vielen Fenster, die der Architekt unterbringen musste: im Dach, in der Fassade, an Stellen und in Größen, wie sie am Schwarzwaldhof nie vorkamen. Hier schafft es der Architekt, das Objekt zum Schwarzwaldhaus zu machen, indem er über alles - Dach, Fassade, Balkon - mit einem Material tapeziert, das zwar fast überall in Europa verwendet wurde, im Schwarzwald aber sofort auch „Schwarzwald“ verheißt: mit der Holzschindel. Die Holzschindel funktioniert immer. Wenn wir Gestaltung im Südschwarzwald beurteilen oder dort selbst gestalten, müssen wir uns dieser Wahrnehmungsprozesse und ihrer Wechselwirkung mit der Gestaltung bewusst sein. Wir dürfen mutig sein, wir dürfen und müssen verändern. Es bleibt, wie wir gesehen haben, sowieso nichts wie es war. Wir müssen auch verstehen, dass die Probleme hier oben nicht durch Architektur behoben werden, sondern durch Konzepte, die ökologisch, sozial, kulturell und ökonomisch zukunftsfähig sind. Projekte, die darauf aufbauen, haben ihre ureigene Ästhetik. Diese wird mit der

Zeit auf ihre Weise den Einstieg in unser formalästhetisches Repertoire schaffen. So ging es schon den Windmühlen, welche die Holländer, nachdem sie sich an sie gewöhnt haben, sogar auf ihre Küchenkacheln pinselten. Und so werden wir uns auch mit den Windrädern arrangieren und bald auch die starke ästhetische Kraft sehen, die sie im Kontext mit der Landschaft innehaben können. Gerhard Zickenheiner, Architekt MAS Gemeinde-, Stadt- und Regionalentwicklung Zickenheiner Architekten GmbH Mitglied der AG Siedlungsentwicklung und Architektur Naturpark Südschwarzwald

Abb. 39/40: Dachfläche und Fassade eines Hotels mit Gastronomie und Wellnessbereich

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LEARNING FROM SWITZERLAND CHRISTIAN WAGNER

Die Veränderung unserer gebauten Umwelt hat sich in den letzten 50 Jahren dramatisch beschleunigt. In der Wahrnehmung eines Großteils der Bevölkerung wird der Wandel unserer Dorfbilder als Verlust empfunden; das Gefühl von Heimat, Vertrautheit und Identität nimmt in diesem schnellen, globalen und komplexen Bauumfeld kontinuierlich ab. Sind nun Werte wie Vertrautheit und Identität eventuell nicht mehr zeitgemäß oder müssen sie neu generiert werden? Ein Abstecher in die Wahrnehmungspsychologie kann bei dieser Frage möglicherweise hilfreiche Erkenntnisse liefern: • Vertraute Bilder werden erkannt und im Gehirn ergänzt, selbst wenn nur Fragmente davon vorhanden sind. • Einfache, klare Bilder, Volumen und Geometrien werden in Form von „Superzeichen“ im Gehirn gespeichert und können blitzschnell wieder erkannt werden. Eine nuancierte Wiederholung einzelner Bilder hilft der Wiedererkennung und schafft Identität. • Ein Schönheitsempfinden (und damit Vertrautheit) setzt dann ein, wenn die Gegenpole „Ordnung, Ruhe“ und „Komplexität, Aktion“ in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Während früher Baumaterialien begrenzt und vorwiegend ortsgebunden waren sowie Bauformen klaren konstruktiven und gesellschaftlichen Vorgaben zu folgen hatten, ist heute die Vielfalt,

die unbegrenzte konstruktive und materialtechnische Bauweise und eine globalisierte Ausdrucksform die Regel. Vereinfacht ausgedrückt: Früher herrschte „Ordnung“ vor, heute „Komplexität“. Wenn es nicht in der Umsetzung so schwierig und so selten anzutreffen wäre, würde es völlig banal tönen: In der exponentiell zunehmenden Komplexität unserer Dörfer braucht es in erster Linie den Gegenpol zum globalisierten Bauen: einfache Ordnungsprinzipien, bestimmte sich wiederholende Elemente sowie authentische Bilder, um trotz des rasanten Wandels Vertrautheit und Identität zu bewahren und - immer öfters auch notwendig neu generieren zu können. Neue Ortsplanung für Fläsch Als nördlichstes Dorf im Kanton Graubünden liegt Fläsch zwar direkt neben den großen Verkehrsachsen des Bündner Rheintals, ohne Brücke über den Rhein fristete der Ort jedoch bis in die 1970er Jahre des 20. Jahrhunderts ein Schattendasein. Erst in den letzten Jahrzehnten hat sich Fläsch vom damaligen Bauerndorf zum heutigen Winzerdorf gewandelt. Im Leitbild 2004 setzte sich die kleine Gemeinde ein ambitiöses Ziel: „Weinbaudorf Fläsch – Schmuckstück der Bündner Herrschaft.“ Doch trotz Baureglementen und Zonenplänen gelang es auch in Fläsch kaum, eine den früheren Zeiten gleichwertige zeitgemäße Baukultur auf dem Lande zu entwickeln. So hatte sich in den letzten Jahren um das alte Dorf herum ein immer dichterer Neubaugürtel gelegt. Die „globalisierte“ Häuschenarchitektur drohte den typischen Charakter des Weinbaudorfes mit seinen bis in den Dorfkern hineinreichenden Weinbergen zu ersticken. 49


Abb. 41: Entwicklungsplan für die Gemeinde Fläsch Jahr

Hinterdorf

Unterdorf

2005

Oberdorf Kernbereich

Usserdorf

Sant Luzzi

Siedlungserweiterung

Ein erneutes größeres Baugesuch mitten in einem der Weinberge im Dorf löste heftige Kontroversen aus. Dies verhalf der Idee zum Durchbruch, die Fläscher Ortsplanung und das Baugesetz zum Thema eines Forschungsprojekts am Studiengang Bau und Gestaltung der Hochschule HTW Chur zu machen. Rund sechzig Studierende und vier Dozenten arbeiteten unter der Federführung des Referenten an verschiedenen Fragestellungen: Wie können die Rebberge im Herzen des Dorfes von Bebauung freigehalten werden, damit Fläsch als Weinbaudorf das „Schmuckstück der Bündner Herrschaft“ bleiben und diese Position ausbauen kann? Wo kann Bauland als Kompensation an anderer Stelle geschaffen werden? Wie kann der Wandel vom Bauern- zum Weinbaudorf erfolgen? Was soll mit den zahlreichen leeren Ställen geschehen? Kann die Bauordnung Lösungen für die leeren Ställe und die Rebberge generieren? 50

Wie kann trotz der Komplexität der jüngeren Bauentwicklung nachhaltige Ordnung geschaffen werden? Für den Umgang mit den leeren Ställen untersuchten die Architektur-Studierenden der HTW Chur drei Ansätze: den konservierenden Umbau innerhalb der bestehenden Hülle, das Umstrukturieren, bei dem lediglich wichtige Elemente der Fassade beibehalten werden, und den Ersatz durch einen Neubau. Dabei zeigte sich, dass die beiden ersten Möglichkeiten nur in Ausnahmefällen praktikabel sind; zu unterschiedlich sind die Anforderungen an einen Stall und an ein Wohnhaus. Am meisten Potential birgt die Variante Abbruch und Neubau, doch kann ein Baugesetz allein kaum dafür sorgen, dass qualitativ gute, in den Ort passende neue Wohnhäuser entstehen. Gängige Baureglemente und Zonenpläne berücksichtigen nämlich Aspekte wie „Straßenraum,


Mauern, Plätze“, „Dorfcharakter“, „Ortsbild“ oder eben „Authentizität“ kaum und beschränken sich im Wesentlichen auf das Fixieren von einzuhaltenden Maßzahlen wie Abstände, Längen, Höhen, Ausnützungsziffern, etc. Aus dieser Erkenntnis heraus stehen nun im neuen Baugesetz von Fläsch nicht die Masse und Vorschriften im Vordergrund. Eine Bauberatung prüft und begleitet das Engagement jedes einzelnen Bauvorhabens in Hinblick auf dessen Potential, das Weinbaudorf und die Erhaltung und Weiterentwicklung von historisch, kulturell und ortstypisch wertvollen Bauten und Außenräumen zu unterstützen. Wie für dörfliche Strukturen typisch, hat sich in Fläsch entlang der Haupterschließungsstraßen eine dichte Bebauungsstruktur entwickelt. Zwischen diesen Achsen sind Grünflächen entstanden, welche als Obstbaumgärten oder als Weinberge genutzt werden. Im Sinne der inneren Verdichtung als zukünftiges Bauland vorgesehen, drohten diese charakteristischen, bis ins Zentrum des Dorfes hineinwachsenden Weinberge langsam zu verschwinden. Da diese Rebflächen für das Bild des Winzerdor-

fes aber eine große Bedeutung haben, wurde ein konträres Ordnungsprinzip entwickelt, bei dem die Verdichtung und die Bebauungsstruktur der „Quartier“- und „Freiraumlogik“ folgen. Um dies zu ermöglichen, wurde die Revision der Ortsplanung mit einer umfassenden Landumlegung verbunden. Zwei periphere Gebiete wurden neu der Bauzone zugeordnet, während die Grünflächen, welche bis Dorf hinein fließen, neu einer Reb- und Obstbaumzone zugewiesen wurden. Das maßgebliche neue Gestaltungsprinzip für das Winzerdorf wurde so das überall wahrnehmbare Wechselspiel zwischen hoher baulicher Dichte und grünem Freiraum sowie die Weiterentwicklung der Bebauungsstruktur in Quartierform. Im Lauf von dreißig bis fünfzig Jahren lässt das Konzept eine Verdreifachung der Bevölkerungszahl zu, ohne den Charakter des Dorfes wesentlich zu verändern. Das Vorgehen hat Pioniercharakter und ist ein Versuch, Siedlungsentwicklung und Identität mittels Landumlegungen und gezielter Gestaltungsmaßnahmen zu steuern.

Abb. 42: Wohnhaus Gemeinde Fläsch

Abb. 43: Weinberge der Gemeinde Fläsch

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Baumemorandum Disentis Die Schweizer Direkte Demokratie und das Milizsystem der Gemeinden fördern hinsichtlich einer konstanten und nachhaltigen Siedlungsentwicklung zunehmend Schwierigkeiten zutage, auf die es kaum Antworten bzw. schlüssige Instrumente zur Bewältigung gibt. Kürzer werdende Amtszeiten von Gemeindebehörden, wechselnde Bau-Kommissionen, fehlendes Fachwissen, unterschiedliches Architekturverständnis („Nachhaltigkeit“ einer Baukultur), schwierige Nachvollziehbarkeit von Bauentscheiden, juristische Auslegung von „Präzedenzfällen“, unklare Gewichtung der Gestaltungsfrage in stark heterogenen Gemeinden, politische statt inhaltliche Argumentation – nur um die wichtigsten Punkte zu nennen – sind Problemkreise, die jede Baubehörde mit Seufzen bestätigen wird. In der Gemeinde Disentis im Schweizer Kanton Graubünden mit ihren zahlreichen Fraktionen und Weilern kamen diese Fragen umso stärker zum Vorschein, als es galt, einer zeitgemäßen städtischen Zentrumsfunktion, einem traditionsreichen Kloster, zahlreichen touristischen Bauten und Anlagen, dem Zweitwohnungsbau, zentralen Gewerbefunktionen bis hin zu weitgehend intakten, verträumten historischen Ortsbildern gerecht zu werden und dies mit den wenigen immer gleichen einschlägigen Baugesetzparagraphen. Das Disentiser Baumemorandum, das ebenfalls am Institut für Bauen im alpinen Raum für die Gemeinde erarbeitet wurde, besteht aus einem 1m x 3m großem Gemeindeplan im Maßstab 1:2000 und einem dazugehörigen Ordnerwerk. Markante, baulich zusammengehörende Gebiete – seien sie 52

eine Häusergruppe, ein Dorfquartier oder ein Ortskern – werden mit einem Fadenkreuz fokussiert (dadurch ist der jeweilige Perimeter fließend) und mit Fotos, einem Beschrieb des Bestandes und einer Zielsetzung versehen. Veränderungen werden dokumentiert und im Ordnerwerk nachgeführt. Bauentscheide – und insbesondere der Prozess der Bauberatung sowie die Interpretation des Gestaltungsparagraphen – werden dokumentiert, sind jederzeit nachvollziehbar und können auch als vorbereitende Planungsgrundlage für zukünftige Bauvorhaben konsultiert werden. Das Memorandum ist der rote Faden des Bauens in Disentis – unabhängig von der Zusammensetzung der Baukommission, politischer Einflussnahme und juristischer Interpretation der Baugesetzparagraphen. Auch in Gebieten, die nicht als „geschützter Siedlungsbereich“ klassiert sind und oftmals wenig gestalterische Beachtung finden (also z.B. Gewerbezonen, Vororte, Mehrfamilienhausgebiete, etc.) sind immer Ansätze städtebaulicher Qualitäten vorhanden, die aktiv gefördert werden könnten, sofern sie erkannt, formuliert und über Jahre hinweg gezielt entwickelt werden. Bestehende Instrumente wie z.B. Siedlungsinventare sind oft stark denkmalpflegerisch orientiert, starr, schnell veraltet und werden von Bauinteressenten wenig beachtet. Das Baumemorandum ist verständlich und jederzeit für jedermann einsehbar. Es ist kein Gesetz und keine Vorschrift, lediglich ein Anhaltspunkt und erhält seine gesetzliche Kraft allein über die kontinuierliche Anwendung. Es ist als Langzeitwerkzeug konzipiert, mit wenig Aufwand und Kosten aufzustellen und lässt sich stetig weiterentwickeln. Es ist


Orientierungspunkt und Leitfaden bei verschiedenen Baubehörden und wertvolle Grundlage bei der Begründung von Gestaltungsentscheiden in Streitfällen und demokratischen Prozessen. Fazit • Baukultur, Tradition und lokale Werte stellen in einem globalisierten Umfeld ein wirtschaftliches Potential dar und lohnen sich, gepflegt zu werden. • Eine qualitätsvolle, nuancierte Wiederholung von vertrauten Bildern schafft Ordnung und trägt damit zur Identität bei. • Der Fokus darf nicht nur auf das Einzelobjekt, sondern muss auch auf die Zwischenräume/ Außenräume gelegt werden. • Nur durch die aktive und langfristige Sensibilisierung eines breiten Publikums und die Generierung eines starken Gefühls von persönlichem individuellem Nutzen des Einzelnen sind bauliche Visionen umsetzbar. • Identität und Authentizität sind oft keine vorhandenen Werte mehr, sondern müssen bewusst neu geschaffen werden.

Prof. Christian Wagner Dipl. Architekt ETH/SIA Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur

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ferne nähe Kultur als Faktor der Regionalentwicklung hERMANN VOESGEN Ein Begrüßungsscherz: Kommt einer mit dem Auto nach Jever und fragt zwei alte Männer, die auf einer Bank sitzen: „Wo geht es denn bitte nach Wittmund?“. Keine Antwort. Dann versucht er es auf Englisch, keine Reaktion. Auch der Versuch mit Französisch führt zu keinem Erfolg. Wütend fährt der Fremde weiter. Sagt der eine Alte zum anderen: „Wat helpt ihm nu all sien afkennen“. Mit diesem Witz wurden wir 1989 bei der Eröffnungstagung eines Modellprojektes zur Förderung der ländlichen Kultur in Jever konfrontiert. Wir waren eine Projektgruppe der Universität Oldenburg, die sich in das geografisch sehr nahe Ostfriesland wagte, um dort die ländliche Kultur zu fördern. Wir hatten hochkarätige Referenten aus dem ganzen Bundesgebiet eingeladen, um über kollektive Identitäten, Regionalbewusstsein, endogene Potentiale und einiges mehr zu berichten. Einige der eingeladenen ostfriesischen Kulturakteure waren erbost darüber, dass ihnen die angereisten Akademiker zwei Tage die Welt erklärten, und so kam es zum Schluss der Tagung zu dem Witz. Er hat zwei Botschaften: • Im Gegensatz zur städtischen Lebensweise, in der das Fremde zum Alltag gehört, braucht man auf dem Lande als Neuling lange Zeit, um akzeptiert zu werden. • Die pädagogische Botschaft: Man muss einfühlsam sein, erst viel zuhören und sich behutsam einbringen und auch ein Stück anpassen. Der Witz ist aber nur noch ein Witz, der tiefgreifende kulturelle Wandel hat auch die ländlichen Gebiete erfasst. Das Bild der beiden Alten, die zum Feierabend auf ihrer Bank sitzen, weil ihre

Welt in einer geordneten Bahn verläuft, hat selbst als Klischee ausgedient. Wenn, dann sitzen sie zu Hause vor dem Fernseher. Der Wandel der ländlichen Lebenswelten hat auch Folgen für die Kulturarbeit. „In der heutigen spätmodernen Transformationsgesellschaft sieht man sich zunehmend konfrontiert mit in ihren Ungleichzeitigkeiten verschiedenen, im chronologischen Sinne aber gleichzeitigen Geschichten und Entwicklungszeiten“ (Schäfter 2006: 21). Die Spannung zwischen Vergangenem und Zukünftigem ist nicht als Kontinuität erfahrbar. Veränderungen brechen überraschend, unvermittelt in Lebenswelten ein und sind nur begrenzt antizipierbar. Auf gesicherte Erfahrungsbestände kann man immer weniger zurückgreifen, Wissensvorgaben und soziale Zusammenhänge werden brüchig, unzuverlässig. Auch Kultureinrichtungen können sich nicht mehr auf die Kontinuität von Werten und ästhetischen Maßstäben berufen. Diesem Verlust stehen vielfältige Möglichkeiten gegenüber, neue Austragungsorte und Kontexte für die Künste zu schaffen. Einige Künstler ergreifen die Chancen und verlassen die traditionellen Kunstorte. Die folgenden Beispiele zeigen, dass mit künstlerischen Interventionen ein sehr differenziertes Instrumentarium zur Verfügung steht - von spektakulären Aktionen, die eine ganze Stadt in Bewegung setzen, bis zu punktuellen Injektionen, die ein spezifisches Problem bearbeiten. Die Künstler in den vorgestellten Projekten richten sich nicht in einem von den Lebenswelten abgeschirmten Kunstbetrieb ein, sondern lassen sich auf ein fortwährendes Spiel der Distanz und Nähe mit den örtlichen Gegebenheiten ein. Es ist ein „work in progress“, in dem die Spielregeln immer wieder neu justiert 55


werden, riskante Versuche unternommen werden, aber auch nach einem verlässlichen Rahmen gesucht wird. Die Rolle des Künstlers und seine soziale Einbindung werden dabei in wechselnden Varianten durchgespielt. Sie bewegen sich in einem Spannungsfeld aus freien künstlerischen Experimenten und verantwortlichen Interventionen in und mit sozialen Situationen. Ich schlage vor, zwei Ausgangspunkte für Interventionen zu unterscheiden: • Krisen / Probleme, denen die Region nicht ausweichen sollte und für die Möglichkeitsräume eröffnet werden. • Gemeinschaftserlebnisse, in denen die Verbindungen, Zusammengehörigkeitsgefühle und Kooperationswünsche/Kooperationsgewinne erprobt werden. Im Lauf der Prozesse überschneiden sich Themenfelder häufig. Die Unterteilung soll nicht als stabile Kästen verstanden werden, vielmehr als flexible Einkaufsnetze, in denen man Ideen für regionale Perspektiven sammelt. Krisen Die Stadt Wittenberge hat in der Zeit nach der Wende fast die Hälfte ihrer Bevölkerung verloren. Wittenberge war bekannt als die Nähmaschinenstadt. Die Produktionsgebäude sind inzwischen Industriedenkmale und stehen leer. Wenn ein Fernsehteam das Thema schrumpfende Städte bebildern soll, fährt es nach Wittenberge. Die Krise ist dramatisch und die Aussichten trübe. Eine Forschungsgruppe der Fachhochschule Potsdam erhielt den Auftrag, ein Kulturentwicklungskonzept für den Wachstumskern Wittenberge, Perleberg, Karstätt (eine von der Landesregierung 56

festgelegte Region) zu verfassen. In dem daraus resultierenden Gutachten (Föhl/Neisener 2009) werden zahlreiche Vorschläge zur kooperativen Vielfalt, der besseren Vernetzung der Akteure und Kommunen gemacht. All diese Vorschläge ändern jedoch nichts an dem zentralen Problem der ökonomischen und mentalen Krise. Wir schlagen daher vor, die Krise direkt zum Thema zu machen und die vielen leerstehenden Arbeitsund Wohnräume als Stärke zu nutzen. Die Stadt solle junge Modedesigner einladen, im Rahmen eines Stipendiatenprogramms, für einen bestimmten Zeitraum in Wittenberge kostenlos zu wohnen und zu arbeiten. Das Programm würde sich besonders an Designer richten, die mit der aktuellen „do it yourself“ Bewegung im Modebereich arbeiten. Somit könnte man an die Nähmaschinentradition anknüpfen und ehemalige Mitarbeiterinnen des Nähmaschinenwerkes inspirieren. Es könnten dann auch Modenschauen und „Nähfestivals“ organisiert werden, um Wittenberge als das deutsche Zentrum einer jungen Modeund Nähszene bekannt zu machen. Wichtig ist die Offenheit des Projektes, die jungen Leute kommen auf Zeit. Man löst sich von der krampfhaften Suche nach dauerhaften Arbeitsplätzen und Bewohnern. Man gewinnt dafür das Bild einer Stadt, die sich aus der Starre löst, wieder in Bewegung kommt und immer für neue Ideen und Menschen offen ist. Dieser Vorschlag wurde bisher von der Stadt nicht aufgegriffen, im Unterschied zu dem übrigen Gutachten. Es wäre ein radikales Umsteuern notwendig. Zunächst einmal müsste die Krise der Stadt angenommen werden. Kultur würde im folgenden Schritt nicht mehr kompensatorische Überzüge liefern, sondern fröhlich die Nischen in


den Leerständen bespielen. Das ist eine Strategie, die in vielen Städten erfolgreich praktiziert wird. Für die von der Krise in ihrer Identität getroffenen Menschen ist es jedoch oft eine Zumutung, noch dazu mit offenem Ausgang. Das Projekt KunstKur (Mörsch 2002) war dagegen von Beginn an Teil eines Vorhabens zur Wirtschaftsförderung von Klein- und Mikrounternehmen im Mecklenburgischen Lohmen. Der Ausgangspunkt: Die dramatischen Arbeitsplatzverluste in ländlichen Gebieten Ostdeutschlands erfordern neue Wege der Generierung von Einkommen und sinnvollen Tätigkeiten. Das Dorf Lohmen versucht seit einigen Jahren, sich touristisch zu einem Gesundheitsdorf zu entwickeln. „Die Idee ist, dabei möglichst viele EinwohnerInnen der Gemeinde zu beteiligen. Das bedeutet, dass die Leute, die mitmachen wollen, gemeinsam Wissen und Fähigkeiten entwickeln, die für einen ökologisch nachhaltigen Tourismus, der auf Gesundheit und Rehabilitation gerichtet ist, notwendig sind“ (ebenda: 1). In diesem Prozess der Suche, der Neuorientierung und des Lernens wurden Künstler zu einem Kuraufenthalt eingeladen. Als Gegenleistung sollten sie einen künstlerischen Beitrag für das Dorf leisten. Die Bewohner hatten die Möglichkeit, bei der Auswahl der Künstler und Projekte mitzuwirken. Es entstanden ganz unterschiedliche Interventionen: von kleinen Fensterskulpturen einer Holzschnitzerin, mit denen die ausstellenden Bewohner etwas über sich mitteilten, der Produktion einer Sitzgruppe aus sekundär genutzten Kunststoffen von Jugendlichen, bis zu einer „CampingAkademie“, in der Urlauber, Dauercamper und Einheimische sich medial mit der umgebenden Landschaft auseinander setzen konnten. Es gab zahlreiche

partizipatorische Anteile in Form von Workshops und Informationsabenden, mit differenzierten Angeboten für unterschiedliche Interessen und Lebenswelten. Damit gelang es zumindest Teile des Projektes in den Alltag und die Dorfentwicklung zu integrieren. Hinzu kommt, dass KunstKur Teil eines Forschungs- und Anwendungsvorhabens zur Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen war. Kultur ist in diesem Fall also integriert in ein Wissens- und Lernmanagement. Dabei bewahrten die Kulturbeiträge ihren Eigensinn, sie wurden nicht instrumentalisiert und konnten so ihre Nützlichkeit entfalten. Im Unterschied zu den Künstlern der KunstKur wohnen die Mitglieder des Brandenburgischen Netzwerkes Kunstumordnung (www.raumumordnung.net) auch in der Region ihrer künstlerischen Interventionen. Die Künstler sind mit ihrer Lebensweise präsent. Sie sind im besten Sinne „Local Heroes“ (Voesgen 2010: 132). Im Unterschied zu dem vorgeschlagenen Großprojekt in Wittenberge arbeiten die Künstler beharrlich und selbstverantwortlich in kleinen Projekten der Verknüpfung von Kunst und Alltag. Besonders deutlich wird diese Haltung in den beiden Gruppen iku Baruth (Institut zur Entwicklung des ländlichen Kulturraumes e.V.) und LandKunstLeben in Steinhövel. In beiden Projekten wird Land kultiviert. Das iku betreibt seit zwei Jahren einen Weinberg und möchte damit an die örtliche Weinbautradition anknüpfen. Im Mittelpunkt des Vereins LandKunstLeben steht seit 2001 ein großer Zier- und Nutzgarten. Die Landnahmen stehen für ein langfristiges Engagement, ein sich auf die natürlichen Bedingungen des Klimas, Bodens und der Jahreszeiten Einlassen. Künstler greifen das einst Selbstverständliche, Alltägliche auf und machen es in Form von Kunst57


projekten wieder verfügbar. Sich um alte Gemüsesorten zu kümmern, damit zu kochen und ein Fest zu inszenieren wird zu einem ungewöhnlichen Ereignis. Es geht um eine Kultivierung des Lebens, die Verfeinerung der sinnlichen Genüsse. In Steinhövel werden Kochkurse angeboten, im fliegenden Wechsel von regionalen Küchen, mit Produkten aus dem örtlichen Garten, mediterranen Einflüssen, vegetarisch und fleischlich, mit unterschiedlichen Temperamenten der Köche. Dazu werden Feste inszeniert, anknüpfend an örtliche Traditionen, vermischt mit anderen Spezialitäten und aufgemischt mit dem, was die Akteure erfinden. In dem Garten von Steinhövel kann man einen wunderbaren Sonntag auf dem Lande genießen. Der Garten lädt aber auch zu Denk- und Erfahrungsarbeit ein. Die Kuratorin Christine Hoffmann versteht das Ensemble als das Modell eines Oikos, eines Haushalts, in dem Ökonomie und Ökologie noch nicht bzw. nicht mehr getrennt sind. Es geht um Experimente jenseits der Verwertungsgesellschaft, ein Gegenentwurf zum „Konsumismus“. Die Kunst lässt die Möglichkeit aufscheinen, Teile unserer modularisierten Gesellschaft wieder miteinander zu verschränken. Der preußische Gartenarchitekt Joseph Lenné hatte sich im 19. Jahrhundert als Ziel gesetzt, das Nützliche und das Schöne zu verbinden. Daran knüpfen die vorgestellten Künstler an. Es sind, mit einem Begriff aus der Pädagogik, niedrigschwellige Angebote. Sie bringen Menschen der Region zusammen und regen sie an (wenn sie wollen), an einem besseren Leben mitzuwirken. Zusammenhänge Die Ausdünnung der ökonomischen, lebensweltlichen und institutionellen Zusammenhänge ist in 58

vielen Gebieten Ostdeutschlands zu beobachten. Verlässliche Beschäftigungsverhältnisse, berufliche Orientierungen, religiöse Gemeinschaftsformen, familiäre Verbindlichkeiten, Brauchtum und Rituale stehen zur Disposition. Die Verbundenheit und Auseinandersetzung mit der Vergangenheit des näheren und weiteren Umfeldes sind nicht selbstverständlich und oft gestört. Hinzu kommen die administrativen Veränderungen durch die Zusammenlegung von Gemeinden und Veränderungen von Verwaltungseinheiten, die lebensweltlich nicht nachvollzogen werden können. Künstler können durch unkonventionelle und sinnlich direkte Aktionen zur Auflockerung und Aufmischung verstockter Beziehungen beitragen. Dazu zwei Beispiele aus Ost- und Westdeutschland. Die Künstlergruppe Atelier Havelblick (www.havelblick.de) in Strodehne (Landkreis Havelland) macht sich um das Gedächtnis und die Genussfähigkeit der Region verdient. Die beiden Dokumentarfilmer fördern die Laienfilmarbeit, haben ein Amateurfilmarchiv (u. a. mit Filmen aus dem LPG Alltag) angelegt, veranstalten Film- und Medientage, in einer Mischung aus Laien- und Profifilmen, und sie organisieren Feste. So geht auf ihre Initiative eine Kampagne zur Rettung des Weißfisches zurück und ein kollektives Suppenfest “Schluss mit Soljanka“. In dem Format Erlebniskino werden Filme aus der regionalen Umwelt wie auch internationale Filme gezeigt, an besonderen Orten als Gemeinschaftserlebnis und nicht anonym im Kinosessel. Die Freude an der Schönheit, an der Verfeinerung der Sinne, dem Wissen und dem eigenen Vermögen könnte man als den Humus bezeichnen, den die Künstler brauchen, um mit ihren Interventionen wirken zu können. Denn sie sind auch Weltverbesserer, sie wollen es nicht beim „Schönen


und Guten“ belassen, vielmehr geht es ihnen auch um das „Wahre“. Dafür steht z. B. der Umgang mit dem kulturellen Erbe. Sie belassen es nicht bei der Pflege und Rekonstruktion des Vergangenen, sondern spüren den Brüchen, dem Verdrängten nach und geben den Machtlosen Stimmen und Bilder. Das Amateurfilmarchiv, die öffentliche Präsentation von DDR-Amateurfilmen und die Bearbeitung dieses Filmmaterials sind Beispiele für regionale Medienarbeit. Noch deutlicher wird dieser Zusammenhang zu aktueller Kulturarbeit bei dem Projekt „Parallelwelten“ (2007). In der Brillenstadt Rathenow wurde die Produktion optischer Geräte nach der Wende in stark reduziertem Umfang fortgesetzt. Im Rahmen des Projektes wurde ein Dokumentarfilm des DDR–Fernsehens aus den Optischen Werken gezeigt und parallel dazu ein neuer Film zu den aktuellen Arbeitsbedingungen in dem verbliebenen Werk. Bei den Diskussionen dazu ging es um Arbeitsbedingungen, Veränderungen in den Arbeitshaltungen, Disziplin, Identifizierung mit der Arbeit etc. Zum Schluss ein Beispiel für die spielerische Eröffnung von Gemeinschaftsphantasien. In Vaihingen an der Enz, einer Kleinstadt nordwestlich von Stuttgart, wurde im Frühsommer 2001 vier Wochen lang mit öffentlichen Räumen gespielt: temporäre Umnutzungen wie die Aufschüttung eines Sandstrandes auf dem Marktplatz, Kurzfilme und private Dias, die an verschiedene Wände der verdunkelten Stadt projiziert wurden, ein Campingplatz auf dem Parkdeck, öffentliches Frühstück usw. Initiiert von drei Architekten, wurden die Nutzungen öffentlicher Orte problematisiert: „Der Marktplatz, der nach Ladenschluss tot und leer in der Stadtmitte liegt; die Grabenstraße, ein zentraler Busbahnhof, in dessen Nischen sich bereits eine gewisse Klein-

kriminalität etabliert hatte; schließlich das Areal Köpfwiesen an der Enz, das den Zugang zum Fluss mehr verhindert denn ermöglicht“ (Richert 2005: 239). Das Projekt sollte als Katalysator für die Belebung der Problemräume wirken. Bei der Sammlung von Nutzungsideen wurden die Bewohner von Anfang an einbezogen und es entstand ein vielfältiger Mix an Interventionen, ausgelöst durch die künstlerischen Leiter wie auch von Bürgern. Aus der Kritik entstanden Freiräume, wie schon der Titel deutlich macht: „Nigihaven na der Zen – eine Stadt spielt Stadt“. Die Spielräume wurden genutzt, die „Aktionen haben die Vaihinger nicht nur aus der Reserve gelockt, sondern sie haben ihnen obendrein das Gefühl vermittelt: Mein Leben kann sich auch ganz anders anfühlen“ (ebenda: 234). Ausblick In den letzten Jahren wurde der von Ulf Matthiesen (2004: 378) geprägte Begriff Raumpioniere zu einem oft benutzen Schlagwort. Der Reiz dieser Wortschöpfung liegt in der sie auslösenden Assoziationskette. Zunächst verweist der Begriff auf ein Defizit: Das in den 1980er Jahren populäre Plädoyer für die Förderung endogener Potentiale braucht die Ergänzung durch tatendurstige Zuwanderer. Für Pioniere gibt es in den Regionen Freiräume, weil so vieles nicht mehr in Ordnung ist. Wie es in Ordnung gebracht werden könnte und wer das am besten kann, weiß man nicht. Also brauchen wir ganz unterschiedlich verrückte Menschen wie z. B. Künstler, die sich auf die Krisenregionen einlassen und sie für sich mit anderen nutzen. Prof. Hermann Voesgen Lehrgebiet Kultur und Projektarbeit Fachhochschule Potsdam 59



MELAP PLUS, nEUE QUALITÄT IM ORTSKERN KERSTIN GOTHE

Was hat das Modellprojekt zur Aktivierung innerörtlicher Potenziale mit der Sommeruni zu tun? Das baden-württembergische Modellvorhaben MELAP PLUS (2010–2015) setzt bei dem Thema der Leerstände und untergenutzter Gebäude in Ortskernen des ländlichen Raums an und erprobt konkrete Maßnahmen zur Innenentwicklung. MELAP PLUS ist ein Investitionsprogramm des Landes Baden-Württemberg. MELAP PLUS verfolgt unter dem Motto „Neue Qualität im Ortskern“ das Ziel: • Ortskerne städtebaulich zu entwickeln, • bestehende Gebäude zu erhalten (Modernisierung, An-/Umbauten, energetische Sanierung), • leer stehende Gebäude umzunutzen, • Brachflächen zu reaktivieren, • und gegebenenfalls Baulücken aufzufüllen. Die Orte sollen zum einen im ländlichen Raum ihren inneren Zusammenhalt und ihre kulturelle Identität bewahren, indem sie ihre Unverwechselbarkeit und ihre Attraktivität für die nachfolgenden Generationen erhalten und weiter entwickeln; zum zweiten sollen in Zeiten eines globalen Klimawandels und bei weltweit abnehmender Biodiversität landwirtschaftlich nutzbare Böden oder für Natur- und Landschaftsschutz wichtige Flächen unbebaut bleiben; zum dritten soll erreicht werden, dass den Gemeinden durch die Ausweisung weiterer Baugebiete keine Folgekosten für neue Infrastrukturmaßnahmen entstehen. Vorgehen 14 von über 40 Gemeinden, die sich 2010 um die Teilnahme am MELAP PLUS – Programm mit

Konzepten beworben hatten, wurden aufgrund vielversprechender Ansätze vom Ministerium und der wissenschaftlichen Begleitung (Projektträger PFEiL, Prof. Kerstin Gothe, Dr. Barbara MalburgGraf, www.melap-plus.de) ausgewählt, darunter als einziger interkommunaler Verbund die Gemeinde Bernau und der Ortsteil Menzenschwand der Gemeinde St. Blasien. Bis Juni 2012 wurden insgesamt knapp 100 MELAP PLUS Projektanträge gestellt, die meisten Anträge sind bewilligt und eine Reihe von Projekten befindet sich bereits in der Umsetzung oder ist fertig gestellt. In vielen Gemeinden werden neben zahlreichen kleineren privaten Projekten größere Vorhaben vorbereitet, die einen längeren Vorlauf benötigen. In den meisten Modellorten wurde ein Projektbegleitgremium gebildet, das den MELAP PLUS Prozess steuert. In manchen Orten sind zusätzlich zu Bürgermeistern, Ortsvorstehern, Ortschaftsräten und Planern einzelne aktive Bürger in dieses Gremium eingebunden, in anderen wurden offene Ortschaftsratssitzungen, Runde Tische oder MELAP PLUS-Stammtische eingeführt, um die interessierten Bürger für das Thema zu gewinnen. Die Projektanträge der Gemeinden werden in den zuständigen Regierungspräsidien geprüft und durch die wissenschaftliche Begleitung begutachtet. Die wissenschaftliche Begleitung speist darüberhinaus fachliche Impulse in Form von Expertenbeiträgen, Workshops, Tagungen, Diskussionsrunden, Literaturhinweisen, Newslettern und Dokumentationen in den MELAP PLUS Prozess ein und organisiert den Austausch der Gemeinden untereinander. Durch diesen Austausch sowie durch die entstehenden Projekte und investiven Maßnahmen sollen für andere Gemeinden und 61


die Fachdiskussion interessante Lösungsansätze entwickelt werden. MELAP PLUS THEMENSCHWERPUNKTE Im MELAP PLUS-Programm werden insgesamt sieben Themenschwerpunkte bearbeitet: (1) Gemeinden vorausschauend entwickeln, den demographischen Wandel gestalten und die lokale Wirtschaft fördern: Wie können sich ländliche Gemeinden auf den demographischen Wandel einstellen? Welche Wohnformen sind denkbar? Welche Aktivierungsstrategien führen dazu, dass es für Bürger attraktiv wird, Potenziale im Ortskern zu nutzen? Wie fügen sie sich in das Leitbild der Gemeinde ein? (2) Hindernisse bei der Nutzung von Gebäuden und Flächen im Ortskern überwinden: Welche Möglichkeiten gibt es für Gemeinden, ungenutzte Gebäude und Flächen in privatem Eigentum einer neuen Nutzung zugänglich zu machen? Welche Nutzungskonzepte sind geeignet für großvolumige leer stehende Gebäude, die Abb. 44/45: Erneuerung eines Gebäudes in Bernau

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ihre ursprüngliche Funktion verloren haben (z.B. Bauernhöfe, Gasthäuser, Kurkliniken)? Wann ist Zwischenerwerb durch die Gemeinde sinnvoll? Welche Zwischennutzungen sind denkbar? Lassen sich über zeitlich begrenzte Aktionen Gebäudebestände reaktivieren? (3) Baukultur und Freiraumkultur weiter entwickeln und dabei auch die umgebende Landschaft in den Blick nehmen: Wie können Baukultur und Freiraumkultur die Unverwechselbarkeit eines Ortes und die Identifikation der Bürger mit ihrem Ort stärken? Welche Flächen sollten von Bebauung freigehalten und als Freiraum gestaltet werden? (4) Verantwortungsgemeinschaften für den Ortskern stärken und beispielhafte Bürgerbeteiligung erproben: Wie können die engagierten und interessierten Bürger in den Prozess integriert werden? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um neue Konzepte von Verantwortungsgemeinschaften aus städtischen Gebieten (z.B. Baugemeinschaften, Eigentümer-Standortgemeinschaften, Zwischennutzungs-Agenturen) auf den ländlichen Raum zu übertragen?


(5) Ökonomische Maßstäbe bei der Siedlungsentwicklung anlegen: Wie kann die Gebäudeaktivierung für den Eigentümer ökonomisch interessant werden? Wie kann das Problem der von Eigentümern und potenziellen Käufern meist unterschiedlich eingeschätzten Immobilienpreise im Sinne der Gebäudeaktivierung gelöst werden? Welche beispielhaften Lösungen gibt es für die qualitätsbewusste und kostengünstige Entwicklung von Bestandsobjekten? (6) Energieeffiziente Bauweisen und regenerative Energieformen anwenden: Wie lassen sich Energieeffizienz und Nutzung regenerativer Energien erreichen bei der Sanierung von Bestandsgebäuden und ggf. mit Denkmalschutzauflagen vereinbaren? (7) Überörtliche und interkommunale Zusammenarbeit erproben: Welche gemeinsamen Strategien von Gemeinden unterstützen die Reduzierung des Flächenverbrauchs und die Stärkung der Ortskerne? Wie kann ein interkommunales Flächenmanagement oder die gemeinsame Nutzung von Infrastruktureinrichtungen organisiert werden? Erste Erkenntnisse Das Projekt steht noch am Anfang. Es zeichnen sich einige Hindernisse und Probleme ab, die überwunden werden müssen, wenn man die Innenbereiche reaktivieren möchte. Bei den folgenden Handlungsfeldern bestehen Konflikte und ein Diskussionsbedarf über mögliche neue Lösungswege. (1) Kohärenz der kommunalen Bauland-Strategien: Der Abschied von den bisherigen Formen der

Baulandbereitstellung, nämlich der Ausweisung neuer Baugebiete, fällt schwer. Die Modellorte sind in der Regel Teile von größeren Gemeinden. Die Notwendigkeit einer noch stärkeren Konzentration auf die Innenentwicklung – erst recht die einer interkommunalen Abstimmung – wird nicht von allen Gemeindeverantwortlichen gesehen. So werden in einigen Gemeinden zwar keine neuen Wohngebiete, aber noch neue Mischgebiete im Außenbereich ausgewiesen. Oder die Innenentwicklung wird zunächst auf den Modellort beschränkt und die Gemeinde macht sich mit der Werbung für Bauplätze in den Neubau-Wohngebieten in anderen Ortsteilen selbst Konkurrenz. Viele Bürgermeister befürworten Innenentwicklung und gleichzeitig Außenentwicklung – aus unterschiedlichen Gründen: Innenentwicklung ist schwieriger als Außenentwicklung. Häufig äußern sie, dass junge Bürger einen bestimmten Bauplatz für ein neues Wohnhaus haben möchten und sie diesen Bedarf befriedigen müssen. Außerdem sehen sie finanzielle Hindernisse bei der Aktivierung von leerstehenden Gebäuden (Kosten für Abbruch oder schwer kalkulierbare Kosten für die Sanierung, oftmals zu hohe Verkaufspreise). In Bernau und Menzenschwand ist wegen des hohen Wertes der Siedlungsstruktur auch für den Tourismus die Bedeutung der bestehenden Gebäude nur noch selten umstritten. Hier ist man sogar bezogen auf Nachverdichtung des Bestandes sehr sensibel – wegen des Bezuges der Siedlung zum Landschaftsraum. (2) Zwischenerwerb oder Umlegung? Bei der Entwicklung von Flächen und Gebäuden im Innenbereich beschreiten viele Gemeinden den klassischen Weg des Zwischenerwerbs: Sie sehen die Notwen63


digkeit, im Innenbereich einen Ersatz für fehlendes Bauland im Außenbereich anzubieten. In der Regel sind die innerörtlichen Flächenpotenziale in Privatbesitz, die Gemeinde sieht sich ohne Handlungsspielraum. Mit dem Grunderwerb kann die Gemeinde Veränderungen anschieben und selbst Akteur am Grundstücksmarkt werden. Aber sie bindet damit dauerhaft Kapital, das sie vielleicht später für andere Zwecke braucht und übernimmt (insbesondere bei sinkenden Preisen) teilweise ein hohes Vermarktungsrisiko. (3) Umgang mit den innerörtlichen Gebäuden: Der Leerstand von Bauten hat unterschiedliche Gründe. In vielen Gemeinden stehen zu hohe Preiserwartungen der Verkäufer der Reaktivierung eines Leerstands im Wege. Manche Eigentümer möchten sich nicht entscheiden, was mit dem alten Haus geschehen soll, zumal wenn sie hoffen, dass Kinder oder Enkel es irgendwann doch übernehmen. Teilweise verhindern auch persönliche oder soziale Konflikte eine Lösung. In anderen Fällen stehen Eigentümergemeinschaften mit sehr verschiedenen Interessen (etwa bei Insolvenzen) oder im Ausland wohnende Eigentümer Abb. 46/47: Ausbau des Stalls im Gebäude in Bernau

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bzw. Erben einer Lösung im Weg. Ein Problem in den durch die Landwirtschaft geprägten Modellorten sind große untergenutzte Ökonomiegebäude. Sie sind oft durch die vorherige Nutzung belastet, energetisch schlecht gerüstet, ohne Fenster – die ganzjährige Nutzung würde erhebliche Investitionen erfordern. Welche Nachnutzungen sind hier denkbar? Lohnt es sich, hier Zwischennutzungen unterzubringen oder Sommernutzungen? Unter welchen Voraussetzungen können sie für Wohnnutzungen umfunktioniert werden? In Bernau verhindert das sogenannte „Badische Stockwerkseigentum“ langfristige Lösungen, diese Regelung führte bereits seit vielen Jahren zu einer Aufteilung der Höfe auf mehrere Teileigentümer und blockierte oft ein gemeinsames Vorgehen im Sinne des Gesamtgebäudes. In manchen Gemeinden fallen die Grundstückspreise stark und es droht eine soziale Erosion im Ortskern: einzelne Gebäude mit baulich-technischen Mängeln, unterlassener Instandhaltung oder Lagenachteilen (fehlende Freiflächen o.ä.) sinken im Preis soweit, dass ihr Wert gegen Null geht. Die Abbruchkosten werden bei der Wertermittlung mit dem Grundstückswert verrechnet. Es zeigen


sich teilweise Entwicklungen, die bedrohliche Abwärtsspiralen für die Ortskerne einleiten. Immer häufiger sind Bauruinen in den Orten zu beobachten. Gerade in Bernau und Menzenschwand sind nicht zuletzt durch die intensive Beratung durch den Ortsplaner bereits eine Reihe von Erneuerungsmaßnahmen an Gebäuden gefördert und durchgeführt worden. Auch hier sind jedoch zahlreiche leerstehende Gebäude zu finden, die in der Summe das Ortsbild belasten. (4) Bau- und Freiraumkultur: Wie lässt sich Baukultur im ländlichen Raum sichern, wo vielerorts die Fertighaus-Industrie die Vorstellungen über den Eigenheimbau bestimmt? Ein positives Beispiel ist die Aktivität des Kammerbezirks Freiburg der Architektenkammer Baden-Württemberg mit dem Auszeichnungsverfahren „Baukultur Schwarzwald Architekturpreis 2010“ (vgl. Beitrag Regina Korzen). Sie hat das MELAP PLUS Projekt in Bernau und Menzenschwand inspiriert, zur Förderung der Baukultur eine zeitgemäße, baukulturell qualifizierte, energieeffiziente und kostengünstige Planung für die Umnutzung und Modernisierung der großen Schwarzwaldhöfe an vier Beispielgebäuden anzustoßen: Für diese vier Höfe wurden von verschiedenen Architekten je ein Vorschlag für Umbau und Sanierung erarbeitet. Die Ergebnisse wurden mit den Eigentümern sowie mit Vertretern des Denkmalschutzes und des Netzwerks der Hofeigentümer in einem gemeinsamen Kolloquium diskutiert und in einer öffentlichen Veranstaltung präsentiert.

Kristallisationspunktes für die Bürger am Ort der adäquate Impuls? Als einem klassischen Instrument der Ortskernsanierung ist damit die Hoffnung verknüpft, private Investitionen auszulösen. Offen ist die Frage, ob dies auch in schrumpfenden Orten funktioniert. Lassen sich private Investitionen durch Investitionen in den öffentlichen Raum aktivieren oder sollten sie nur flankierend eingesetzt werden, wenn diese absehbar sind? Geht die Freiflächengestaltung also im Prozess vorweg oder folgt sie nach? (5) Verantwortungsgemeinschaften und Bürgerbeteiligung: Viele Gemeinden im ländlichen Raum verfügen im Vergleich mit städtisch geprägten Räumen über eine entscheidende Stärke: das soziale Miteinander scheint häufig noch eine Selbstverständlichkeit zu sein. Man kennt sich und ist in Vereinen organisiert. Dennoch ist auch in den Dörfern die Zeit nicht stehen geblieben, Singularisierung und Pluralität der Lebensstile sind auch im ländlichen Raum angekommen. Außerdem müssen viele Bürger vom Sinn der Innenentwicklung noch überzeugt werden. In MELAP PLUS sollen beispielhafte Vorgehensweisen und Abb. 48: Anbau an Gebäude in Bernau

Ist auch in schrumpfenden Orten die Freiflächengestaltung im Ortskern eine sinnvolle Vorleistung? Ist die Gestaltung eines Dorfplatzes, eines 65


Prozesse einer professionellen Beteiligung der Bürger am Prozess der Innenentwicklung besonders unterstützt und gefördert werden. Gerade für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und Verwaltungen kleiner Gemeinden ist es wichtig, Mitstreiter zu finden, strategische Allianzen zu bilden und Bürgern selbst Verantwortung zu überlassen. Die meisten MELAP PLUS-Modellorte setzen auf die Beteiligung von Bürgern; hier entstehen ganz unterschiedliche Konzepte, je nach Ort, Zielsetzungen und beteiligten Akteuren. (6) Neue Bauherren? Im Laufe des Projektes wurden Ideen entwickelt, wie Innovationen über neue Bauherren zu erreichen sind, etwa über Bürgergenossenschaften als Träger der Erneuerung oder über Baugemeinschaften. Große, leerstehende ortsbildprägende Gebäude wie Gasthäuser, Kliniken oder Schulgebäude stellen die Gemeinden vor besondere Probleme. Welche Möglichkeiten der Projektentwicklung gibt es? Auf einem MELAP PLUS-Treffen wurde gemeinsam an einem Beispiel gearbeitet: Es entstand der Vorschlag, an dieser zentralen Stelle im Dorf Versorgungs- und Gemeinschaftsfunktionen anzusiedeln. Es wurde die Idee einer Bürgergenossenschaft als Trägerin der Maßnahme durchgespielt. Unter den zahlungskräftigen und investitionswilligen Bürgern sollte für eine Beteiligung an der Genossenschaft geworben werden, und das Gebäude sollte dann schrittweise modernisiert werden können. Der zu investierende Betrag sollte auf eine realistische Summe begrenzt werden und die Standards (z.B. Sicherheits- und energetische Standards) könnten zunächst auf Mindestanforderungen reduziert werden. Nach einiger Zeit wird überprüft, wie erfolgreich das Modell ist. Je nach Ergebnis 66

könnten weitere Sanierungs- und Ausbaumaßnahmen folgen oder es könnte nur noch eine Restnutzung stattfinden. Einen Teil dieses Betrags sollte nach diesem Modell die Bürgergenossenschaft einbringen, für den größeren Rest sollte ein Kredit bei einer ortsansässigen Bank aufgenommen werden. Diese Empfehlung ist vor Ort bislang nicht weiter verfolgt worden, stellt jedoch eine interessante Überlegung dar. Auf diese Weise könnten neue Formen bürgerschaftlichen Engagements für die Ortsentwicklung unmittelbar produktiv genutzt werden. In den Modellorten gibt es häufiger den Fall, dass Flächen in Straßengevierten der Ortskerne neu geordnet werden sollen, um ein Angebot an Bauplätzen für junge Familien zu schaffen. Dies gestaltet sich häufig als schwierig, weil die Eigentümer nur schwer zu bewegen sind, ihre Grundstück(steil)e einzubringen. Hier könnte die Bildung von Baugemeinschaften die blockierende Haltung der Eigentümer ändern, sei es, weil sie die Aufwertung ihrer eigenen Grundstücke durch die Bebauung erkennen, sei es, weil sie mit dem Verkauf der Grundstücke an junge Familien ihre Grundstücke zum Wohl des Ortes als Ganzes beitragen wollen, oder sei es, weil Planung und Bebauung in einem Zug realisiert werden können. Das Besondere der Baugemeinschaft wäre hier, dass gemeinsam geplant wird, aber trotzdem individuelle Bauten entstehen können. Das gemeinschaftliche Wohnen hätte das Ziel der wechselseitigen Unterstützung im Alltag etwa durch Hol- und Bring-Gemeinschaften oder sonstige Arrangements, die die Vereinbarkeit von Kinderoder Altenbetreuung und Beruf ermöglichen.


(7) Art und Umfang der Räume für die Daseinsvorsorge: Die Entwicklungschancen der Orte im ländlichen Raum entscheiden sich über die Zukunft der öffentlichen und gemeinschaftlich genutzten Infrastruktur. In Zeiten des demographischen Wandels muss die Pflege und Qualifizierung des Bestands Vorrang haben. Einige Modellorte wollen gemeinschaftliche Nutzungen in der Ortsmitte konzentrieren und dabei kommunale, vereinsbezogene und privatwirtschaftliche Nutzungen verknüpfen, beispielsweise Bibliothek, Versammlungssaal, Begegnungsstätte und Café unter einem Dach zusammenführen. Dies kann sehr sinnvoll sein, wenn dabei alte Gebäude im Ortskern erhalten und insgesamt effizienter genutzt werden und der Umbau mit einer thermischen Sanierung und qualitativen Aufwertung (z.B. Barrierefreiheit, Mehrfachnutzung etc.) verbunden wird. Es sollte dabei aber sicher gestellt werden, dass durch zusätzliche infrastrukturelle Angebote nicht die Brachen von morgen subventioniert werden, weil die für ähnliche Nutzungen vorhandenen Räume dann aus der Nutzung fallen. MELAP PLUS und die Sommeruni Innenentwicklung erfordert Überzeugungskraft, Mut, Phantasie, strategisches Vorgehen und langen Atem von Gemeindeverantwortlichen und Bürgern gleichermaßen. Das Modellvorhaben MELAP PLUS hat deshalb eine zentrale Aufgabe in der Bewusstseinsbildung: die ökonomischen, ökologischen, baukulturellen und sozialen Vorteile der Innenentwicklung müssen den politisch Verantwortlichen und den Bürgern deutlich werden.

worfen hat, und ermutigt die Studierenden, sich intensiv mit den Orten und ihren Problemen auseinanderzusetzen – insbesondere mit den schwierigen Fragen – und auch scheinbar utopische Lösungen ins Gespräch zu bringen. Sie lädt bewusst die Akteure von MELAP PLUS, das Ministerium für Ländlichen Raum, die wissenschaftliche Begleitung, den Ortsplaner, die Denkmalpflege und natürlich die Bürgerinnen und Bürger vor Ort, sowie die Bürgermeister und die Akteure des Naturparks zu Gesprächen und zur Endpräsentation ein und leistet damit auch einen Beitrag zum Programm MELAP PLUS.

Prof. Kerstin Gothe Institut Entwerfen von Stadt und Landschaft Karlsruher Institut für Technologie KIT

Melap Plus ist ein Investitionsprogramm des Landes Baden-Württemberg gefördert aus Mitteln des Kommunalen Investitionsfonds (KIF) im Rahmen des Entwicklungsprogramms Ländlicher Raum (ELR). Projektträger ist das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz.

Die Sommeruni ist ein Beitrag dazu. Sie setzt an den Fragen an, die der MELAP PLUS–Prozess aufge67



BAUKULTUR SCHWARZWALD, ARCHITEKTURPREIS 2010 Regina Korzen

Der Schwarzwald lebt von den Bildern der schönen Landschaft, der Schwarzwaldhöfe, der historischen Stadtbilder, der Kirchen und Klöster. Dafür wirbt die Schwarzwald Tourismus GmbH weltweit – in Verbindung mit Kuckucksuhr, Bollenhut und Schwarzwälder Kirschtorte. Bilder einer heilen Welt, denen auch im Schwarzwald die Realität eines demografischen und wirtschaftlichen Wandels gegenüber steht.

und als Bündnispartner die schon einbezogenen Institutionen Schwarzwaldverein, der Naturpark Südschwarzwald mit der AG Siedlungsentwicklung und Mitte/Nord, Badische Heimat, Gemeindeund Landkreistag, Vertreter der Forstwirtschaft und des Bauernverbands sowie der Tourismus-, Wirtschafts- und Regionalverbände. Abb. 49: Cover Publikation

Mit dem Begriff „Baukultur“ zu werben, kann den ländlichen Raum fördern und als Chance für das einheimische Handwerk, die Wirtschaft, die Landwirtschaft und den Tourismus begriffen werden. Dies ist das Anliegen der Initiative des Regierungspräsidiums Freiburg und der Architektenkammer BadenWürttemberg im Kammerbezirk Südbaden.

Architekturpreis 2010, Baukultur Schwarzwald

Die Auftaktveranstaltung der Initiative „Baukultur Schwarzwald“ fand unter der Schirmherrschaft des damaligen Freiburger Regierungspräsidenten Julian Würtenberger im Juni 2009 mit einer erfreulich großen Beteiligung im Regierungspräsidium Freiburg statt. In Zusammenarbeit mit Partnern aus den Bereichen Tourismus, Landwirtschaft und Wirtschaft, mit Verbänden, Kammern, Gemeinden und Hochschulen soll ein Bewusstsein entstehen, das die Bedeutung von Architektur in Verbindung von regionaler Identität und zeitgemäßem Bauen in die Öffentlichkeit bringt und die Qualität des Bauens fördert. Die Zielgruppen vor Ort sind die Gemeinden, Baugenehmigungsbehörden, Bauherren und Architekten, daneben die übergeordneten Instanzen der Aufsichtsbehörden, Berater und Zuschussgeber 69


Der „Architekturpreis 2010“ wurde im Anschluss daran von der Architektenkammer Baden-Württemberg und dem Regierungspräsidium Freiburg zum ersten Mal unter dem Motto „Neues Bauen im Schwarzwald“ ausgelobt. Mit dem Verfahren sollten öffentliche und private Bauherren und Architekten zeigen, wie sie die regionale, tradierte Bauweise durch zeitgemäße Formensprache zum Ausdruck bringen und damit zur Attraktivität des Schwarzwaldes beitragen. Ziel ist eine qualitätvolle landschaftsgerechte Architektur, die auf örtliche Bezüge, Flächensparen, Energieeffizienz und die einst großen Handwerkstraditionen Rücksicht nimmt, – so Regierungspräsident Julian Würtenberger. „Den Blick in die Zukunft wagen“ Es gelte neben dem Bewusstsein für die Bewahrung der traditionellen, schwarzwaldtypischen Bauernhöfe eine Baukultur auszubilden, die abhängig von der Funktion der Gebäude und den örtlichen Gegebenheiten sehr unterschiedliche Baustile hervorbringen kann, so der Wunsch von Eckhard Bull, Vorsitzender im Kammerbezirk Südbaden der Architektenkammer Baden-Württemberg.

Der „Architekturpreis 2010 – Neues Bauen im Schwarzwald“ wurde mit einem Auszeichnungsverfahren, dem folgenden Kriterien zugrunde lagen, ausgelobt: • standorttypische Lösungen in zeitgemäßer Achitektur für Landschaft und Siedlungsstruktur • funktionsbegründete Gestaltung nach heutigen Nutzungsbedingungen • energie- und ressourcenbewusste Konzepte und Ausführungen • Beachtung regionaltypischer Materialien und Handwerkskunst • Einsatz innovativer und intelligenter Techniken • kulturelle Kontinuität in zeitgemäßer Transformation Teilnahmeberechtigt waren private und öffentliche Bauherren und Architekten aller Fachrichtungen, deren Projekte im Bereich des Naturpark Südschwarzwald und Mitte/Nord in den Grenzen des Kammer- und Regierungsbezirks Südbaden von 2000–2010 realisiert wurden. In einem zweistufigen Verfahren beschäftigte sich das dreißigköpfige Auswahlgremium, bestehend aus Architekten, Vertretern des Regierungspräsidiums Freiburg, der Schwarzwaldinstitutionen, der Hochschulen und Personen des öffentlichen Lebens aus Presse, Kunst und Kultur, eingehend mit den eingereichten 167 Arbeiten aus den Bereichen Städtebau und Siedlungsentwicklung, Öffentliche Einrichtungen, Tourismus, Landwirtschaft und Landschaftspflege, Gewerbe und Industrie sowie Wohnen. Ihre Vorauswahl war Grundlage für das zehnköpfige Auswahlgremium der zweiten Stufe unter Vorsitz des Präsidenten der Architektenkam-

Abb. 50: Forum Erlebnis Holz in Bernau, Ausgezeichnet für „Neues Bauen im Schwarzwald.“

70


mer Baden-Württemberg Wolfgang Riehle und des Regierungspräsidenten Julian Würtenberger. Es wurden 45 Projekte ausgewählt, von denen 32 eine Auszeichnung und 13 eine Würdigung erhielten. Das Spektrum der prämierten Arbeiten reichte von Neubauten und Erweiterungen im öffentlichen und privaten Bereich bis zu Umnutzungen und Sanierungen denkmalgeschützter ehemaliger Bauernhöfe. Die Auszeichnungen wurden für eine intelligente und architektonisch beispielgebende Erfüllung der angesetzten Kriterien vergeben, die Würdigungen erhielten Projekte in erster Linie für ein gemeinschaftliches Engagement von Bauherren, Architekten, Planern und Handwerksfirmen. Zusätzlich bekamen drei Projekte als beispielgebende Initiativen von Bauherren und Architekten einen Sonderpreis des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg verliehen, der ihren Beitrag zur Stärkung der Infrastruktur in der Region honoriert. Überreicht werden die Preise von Frau Ministerialdirigentin Kristin Keßler vom Baden-Württembergischen Wirtschaftsministerium. Nach Abschluss des Verfahrens wurden die prämierten Projekte in einer umfangreichen Broschüre und in einer sehenswerten Ausstellung präsentiert, die bis heute in 30 Gemeinden, Ministerien, Banken und Fachmessen zu sehen war und die weiterhin ausgeliehen werden kann. Äußerst erfreulich war außerdem die Resonanz in der örtlichen und überregionalen Presse mit über 100 Presseartikeln.

der neuen Regierungspräsidentin, Bärbel Schäfer, den Vertretern aus dem Kammerbezirk Freiburg und dem Regierungspräsidium Freiburg weiter bearbeiten zu können. Geplant sind unter anderem Fortbildungsveranstaltungen, Vorträge, Infobroschüren, Teilnahme an Veranstaltungen, weitere themenbezogene Auszeichnungsverfahren, Beteiligung bei politischen Auseinandersetzungen. Ziel ist eine vitale Bewegung zur Stärkung der regionalen Baukultur. Die Initiativen sollen das Bewusstsein für eine zeitgemäße Entwicklung und ein unverwechselbares Erscheinungsbild des Schwarzwalds wecken und im Dialog mit allen Beteiligten voranbringen. In der Folge der „Baukultur Schwarzwald“ sind viele weiteren Aktivitäten mit der gleichen Zielsetzung entstanden, die zusammengeführt und vernetzt werden sollen. Überdies diskutiert die Architektenkammer mit dem Naturpark Südschwarzwald nach dem Vorbild des Vorarlberger Architekturinstituts VAI, mithilfe des Engagements aller Beteiligten ein Schwarzwälder Architekturinstitut SAI als Forum zwischen Bürgern und Planern zu gründen.

Regina Korzen Bezirksgeschäftsstelle Freiburg Architektenkammer Baden-Württemberg

Sechs „Themengruppen“ aus den Bereichen Touristik, Landwirtschaft, Innenentwicklung, Landschaft, Energie- und Ressourcen sowie Umnutzung historischen Kulturguts wurden inzwischen gebildet, um die „Baukultur Schwarzwald“ auch mit 71


Einblick

Abb. 51–54: Studierende erkunden die beiden Gemeinden und beginnen mit der Arbeit an ihren Konzepten und Entwßrfen.

72


Abb. 55–58: In kurzen Open-AirVorlesungen werden Themen wie der Leerstand und das Programm MELAP+ an die Studierenden vermittelt.

73


Abb. 59–62: Bei den Fachvorträgen haben die Studierenden die Chance zum Austausch mit Bürgern und ortansässigen Akteuren. Die Presse ist mit dabei. Der tradionelle Hans-ThomaTag in Bernau rundet das Programm ab.

74


Abb. 63–66: Am letzten Tag präsentieren die Studierenden ihre Projekte vor einer Jury. Abends wird zum Abschluss gespeist und gefeiert.

75


DER WETTBEWERB

76


Ablauf des Wettbewerbs Programm und Akteure

Die teilnehmenden Studierenden aus verschiedenen nationalen und internationalen Hochschulen sollten die Gemeinden Bernau und Menzenschwanz analysieren, die Defizite und Potenziale definieren und Szenarien für die Zukunft entwerfen. In hochschulübergreifenden und interdisziplinären Dreier-Gruppen erarbeiteten die Studierenden in engem Austausch mit den Akteuren und Bewohnern vor Ort erste Ideen und arbeiteten diese anhand von Plänen, Modellen und Videos in der 10-tägigen Sommeruniversität aus. ablauf Mittwoch, 08.08.2012 Anreise, Begrüßung und Vorstellung der Aufgabe. Präsentation erster Ideen der Studierenden mit Pecha Kucha Technik. Begrüßung durch Bürgermeister und Vertreter des Naturpark Südschwarzwald. Ortsbegehung Gemeinde Bernau. Donnerstag, 09.08.2012 Individuelle Erarbeitung einer ersten Vision in Einzelarbeit. Präsentation und Besprechung der ersten Ideen. Bildung der Arbeitsgruppen. Vortrag: „Südschwarzwälder Architektur - Kontinuität im Wandel“ von Florian Rauch, Bauforscher und Architekt, Lörrach. Freitag, 10.08.2012 Individuelle Ortserkundung und Analyse, Ausarbeitung der ersten Vision in Gruppenarbeit. Vortrag: „Ferne Nähe - Kunst als Faktor der regionalen Entwicklung“ von Prof. Hermann Voesgen, Fachhochschule Potsdam.

Samstag, 11.08.2012 Ausarbeitung der ersten Ideen. Ortsbegehung und Gespräche mit Bewohnern in Menzenschwand. Feedbackrunde: Vorstellung und Diskussion der Visionen vor und mit örtlichen Akteuren. Weitere Einzelgespräche nach Bedarf. Vortrag: „Schwarzwald, woher kommst du, wohin gehst du?“ von Prof. Dr. Hansjörg Küster, Leibniz Universität Hannover. Sonntag, 12.08.2012 Erarbeitung des räumlichen, funktionalen und strategischen Konzepts in Gruppenarbeit. Vorbereitung Gesprächsleitfaden für Interviews. Dorffest: Besuch des Hans-Thoma-Tags in der Gemeinde Bernau mit Trachten-Umzug. Montag, 13.08.2012 Exkursion: Mit dem Bus zu ausgewählten Beispielprojekten im Südschwarzwald. Fortsetzung der Konzeptbearbeitung und Befragungen. Vortrag: „Learning from Switzerland“ von Prof. Christian Wagner, Hochschule für Technik und Wirtschaft in Chur. Dienstag, 14.08.2012 Erarbeitung des räumlichen, funktionalen und strategischen Konzepts. Vertiefung der Ideen. Gemeinsame Betreuung der Lehrenden in einem Rundgang. Mittwoch, 15.08.2012 Ausarbeitung des räumlichen, funktionalen und strategischen Konzepts und der Vertiefung. Vortrag: „Der Reigen - Bregenzerwälder Baukunst im Spiegel der Zeit“ von Marina Hämmerle, Direktorin Vorarlberger Architektur Institut. 77


Donnerstag, 16.08.2012 Ausarbeitung der Wettbewerbspläne und der Präsentation. Freitag, 17.08.2012 Abgabe der Pläne und Präsentationen und vorbereitung der öffentlichen Ausstellung. Präsentation: Vorstellung der Arbeiten vor der Jury. Beratung des Preisgerichts. Ausstellung: Öffentliche Vorstellung der Arbeiten vor der Bevölkerung und Preisverleihung durch das Preisgericht. Abschlussfest und Ausklang mit einem gemeinsamen Abendessen. Teilnehmende Studierende Hui-Yen Chen Lisa Deipenbrock Vera Dohmen

Abb. 67: Gruppenbild der Studierenden und der Lehrenden

78

Katrin Jülg Alper Kazokoglu Johanna Kolb Julia Kolk Laura Kälberer Kathrin Köhler Antonio Landsberger Buyuan Liu Kerstin Mayer Thomas Moder Alexander Naumer Sarah Nietiedt Philipp Perock Verena Schoissengeyr Julia Schütz Oskar Walburg Leonie Weber Andreas Ziemann Claudia Zimmermann


In einer aus Sach- und Fachpreisrichtern besetzten Jury wurden die Ergebnisse der einzelnen Gruppen am letzten Tag der Sommeruniversität bewertet und in einer öffentlichen Veranstaltung prämiert.

Gäste des Preisgerichts

Preisrichter (Stimmberechtigt)

Sylvia Huber, Hauptamtsleiterin Gemeinde St. Blasien

Philipp Dechow, KIT Karlsruhe Institut für Technologie Rainer Fritz, Bürgermeister Gemeinde St. Blasien Köbi Gantenbein, Chefredakteur Hochparterre Prof. Kerstin Gothe, KIT Karlsruhe Institut für Technologie Marina Hämmerle, Vorarlberger Architektur Institut

Martin Baumgartner, Leitender Ministerialrat Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Joachim Gfrörer, Ortsvorsteher Menzenschwand

Sebastian Selbmann, KIT Karlsruhe Institut für Technologie Barbara Malburg-Graf, Geografin (Projektteam PFEiL) Daniela Walz, KIT Karlsruhe Institut für Technologie Martin Wypior, Architekt (Melap)

Prof. Johann Jessen, Universität Stuttgart Abb. 68:

Prof. Mark Michaeli, Technische Universität München

Preisgericht während den Präsentati-

Florian Rauch, Bauforscher und Architekt

onen

Rolf Schmidt, Bürgermeister Gemeinde Bernau Prof. Antje Stokman, Universität Stuttgart Prof. Christian Wagner, Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur

79


1. Preis ENTWICKLUNGEN JENSEITS VON TOURISMUS SUMMERSCHOOL UPDATE SCHWARZWALD 2012 LAURA KÄLBER

SITUATION

2015

2010

2005

2000

1995

1990

1985

1980

Hinterdorf

1975

1970

RAUM SCHWARZWALD

2015

1012 Kinder <15 1970

+90%

-65%

980 Alte >85

Auffällig ist, dass eine einseitige ökonomische und bauliche

Fokussierung auf den Tourismus

„Den Laden gibt´s seit drei Jahren... wenn es weiter so läuft, müssen wir wieder schließen.“

450 Kinder <15

Leerstand Touristisch

„Ein Zentrum zur Entwicklung der heimischen Baukultur.... das hätte es schon vor 20 Jahren geben müssen!“

„Ich muss mit meinem Laden bald umziehen und brauche einen neuen Raum... Freunde von mir, Produktund Schmuckdesigner, suchen auch Büroräume. Bisher haben wir nichts gefunden“

-45%

316.000 Übernachtungen

Belebung des Ortes! Ideenaustausch

Partner

2015

Cornelia Kladnicanin Schneiderin/ Hausfrau

Bevölkerung WT

Quelle:

Bevölkerung WT

Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2012

+ MENZENSCHWAND

Menzenschwand

GEMEINDE

Update Schwarzwald 2012, sie ist die

Initialzündung. Unsere Konzepte

THINK TANK in Menzenschwand, zur praxis- und

KOORDINATOR

Professoren/ Doktoranden/ Studenten

NEUE STELLE

HANDWERK

GEWERBE

FINANZIERUNG €

Selbstständige/ Pioniere Wirtschaftsförderungsprojekt / Finanzpartner:

Holzindustrie/ Forstkammer Aufwertung des Handwerkerberufs

Verbesserung der Versorgungssituation vor Ort

Praxisbezogene Lehre

Revitalisierung und Verjüngung des Handwerks

NEUE RÄUMLICHKEITEN für Bürogründungen

Entwicklungsmöglichkeiten für den Leerstand

Interdisziplinäre Arbeit und Kommunikation

Entwicklung und Stärkung der heimischen Baukultur

AUSSENSTELLE ALS PRESTIGEOBJEKT

Tourismusförderung

VERMITTLUNG

zwischen Partner und Gemeinde

Beratung und Unterstützung z.B. bei Finden von Räumlichkeiten, beim Finanzierungskonzept, etc.

PARTNER In- und ausländische Universitäten, Unternehmen, Verbände etc.

Berufsförderungsverband/ Ausbildungszentrum

Planung und Ausführung von realen Projekten

Versorgungssituation verbessern

BAUKULTUR IM SCHWARZWALD

zwi-

die Zusammenarbeit beratend begleitet.

Meister/ Gesellen/ Lehrlinge

innerhalb des Ortsrates

kennt das Dorf/ Netzwerke/ Landschaft/ Institution

SYNERGIEEFFEKTE

VERMITTLUNGSSTELLE

WIEDERBELEBUNG DES ORTES

Es entsteht ein

men sein.

Es entstehen

Leben und Bleiben im Dorf

Perspektiven für das

im Dorf eingerichtet mit einem Koordinator, der

Architekten + Handwerk + Bauherren + Wissenschaft

Als ersten Schritt zur Zusammenarbeit sehen wir dabei die Sommerschool:

Summerschool - und wie geht‘s weiter?

HeimatSinn/ Zum Kuckuck Menzenschwand

Menzenschwand + St. Blasien Einrichtung eines

Es wird eine

Lorenz Dietsche Dachdeckermeister Rentner Menzenschwand

lösungsorientierten Forschung und Lehre und interdisziplinären Arbeiten:

kultät für Architektur des Karlsruher Instituts für Technologie vor.

im Ideenwettbewerb sollen nicht im Sande verlaufen, sondern ernst zu neh-

Anja Keller

UNIVERSITÄT

Bürgermeister/ Ortsvorsteher/ Ortsrat/ Vereine/ Bürger

langfristigen Partner für Menzenschwand stellen wir uns die Fa-

Bruno Kaiser Zimmermannsmeister Bruno Kaiser GmbH Bernau

Dorf

schen dem Partner und der Gemeinde, beide

für eine

2015 Bevölkerung Menzenschwand

FAKULTÄT FÜR ARCHITEKTUR

Koordinator

Menzenschwand gewinnt einen PARTNER LANGFRISTIG ANGELEGTE KOOPERATION.

2015

+1% +15% 1987

Heimische Baukultur entwickeln und stärken Vermittlung

von

traditionellen

als

auch

Regionalverband, Gemeinde, Banken. Unterstützt durch Stiftungen wie z.B. die Wüsten-

Stärkung von heimischen Herstellern und Produkten neuen

roth-Stiftung oder die Leipniz-Gesellschaft.

Ausbau von Internet und Handynetzen

Durch die Universität und ihren Wirtschafts-

HANDWERKSTECHNIKEN

partnern.

Öffentlichkeitsarbeit innerhalb des Dorfes und nach

Forum zur Begegnung und zum Austausch

außen

zwischen Planern, Handwerkern und Bevölkerung, das es sich zum Thema macht die Baukultur im Schwarzwald nachhaltig zu stärken und zu entwickeln.

Ateliers & Werkstätten

Tagungsraum

Gemeinschaftsgarten

PROZESS 01 INITIALZÜNDUNG

02 AKTIVIERUNGSPHASE

03 PLANUNGSPHASE

04 AKTIONSPHASE

05 NUTZUNGSPHASE

Regelmäßige Aufenthalte von Studentengruppen

GEMEINSAME GESPRÄCHE der Vertreter von

ANALYSE, ENTWURF UND UMBAU der Pieper-

THINK TANK MIT ARBEITSPLÄTZEN UND

in Menzenschwand

Universität, Gemeinde und Handwerk, moderiert

klinik durch Studierende und Lehrlinge unter An-

WERKSTÄTTEN für regelmäßige Aufenthalte von

schwand mit Veranstaltung eines Ideenwettbewerbs

SEMINARARBEITEN UND ENTWÜRFE des Insti-

und beraten vom Koordinator

leitung von Professoren und Handwerksmeistern,

und abendlicher Vortragsreihe, Gespräche mit der Be-

tuts für Baukonstruktion vor Ort: Entwicklung und

FINDEN EINES GEEIGNETEN ORTES

unterstützt durch engagierte Bürger und Vereine

völkerung und den Entscheidungsträgern, ERSTES

Planung kleinerer TEMPORÄRER PROJEKTE

für ein erstes gemeinsames Projekt

vor Ort.

Bauaufnahmen einzelner Gebäude/ Vermessungs-

VORSCHLAG: KLINIK PIEPER

SOMMERSCHOOL UPDATE SCHWARZWALD 2012: 10-tägiger Aufenthalt von Studenten in Menzen-

KENNENLERNEN

übungen/ Photogrammetrieübungen/ etc. vor Ort Verhandlungen mit den beteiligten Parteien und Ausarbeitung des FINANZIERUNGSKONZEPTS

Studierenden und Lehrlingen. SCHLAFRAUM UND VERSORGUNG BÜRORÄUME für lokales Gewerbe und Dienst-

RÜCKBAU UND UMBAU IN ETAPPEN

leister, z.B. Schmuckdesigner, Kommunikationsde-

Nach und nach können die Räumlichkeiten bezo-

sign, Produktdesigner, …

gen und genutzt werden.

GEWERBEFLÄCHE: Laden, z.B. „Heimatsinn“ und AUSSTELLUNGSFLÄCHE der Seminararbeiten und Projekte

Gründercafé

80

Laden “HeimatSinn”

Büros

GRÜNDERZENTRUM

Menzenschwand + Region

GEMEINSCHAFTSGARTEN

Hinterdorf

Neues

ZENTRUM

für das Vorderdorf

Lehre

VORREITERPROJEKT neue

Arbeitsplätze

Wirtschaftsfaktor

PRAXISORIENT

Ort der Ruhe + Konzentration z.B. für Abschlussarbeiten

als Herausstellungsmerkmal

+

PRESTIGEOBJEKT und Werbung

im internationalen Wettbewerb

Räumlichkeiten für lokales Gewerbe Weiterentwicklung der örtlichen

Baukultur

Studenten als

Vorderdorf

Touristen

Ort des Austausches +

Treffpunkt

Wissen ortsansässiger Handwerker

SYNERGIE-EFFEKTE

Universität Karlsruhe

Als

der Gemeinde zusammen mit dem Partner.

und Nutzung von Synergieeffekten

Perspektivlosigkeit und Lähmung des Ortes sind die Folge.

1987

Vorderdorf

NEUE ÖKONOMISCHE AUSRICHTUNG

LEERSTAND.

175.000 Übernachtungen

Bevölkerung Menzenschwand

VERA DOHMEN

ZIELSETZUNG

rer Probleme, wie ABWANDERUNG v.a. der arbeitenden Generation und hohem

1985 1970

„Ist das für euch ein Planspiel oder ist es euch ernst?“

Der Rückgang des Tourismus ist Ursache für eine Reihe weite-

2015

515 Alte >85

ausgerichtet

PARTNERSCHAFT

...es gibt Bedarf!

Wir meinen:

vorherrscht.

KATHRIN KÖHLER


WERKRAUM SCHWARZWALD VERA DOHMEN, LAURA KÄLBERER, KATHRIN KÖHLER

Ideen für die Reaktivierung einer Kurklinik zum WERKraum Schwarzwald – als Impuls für zukunftsfähige Regionalentwicklung, der Hochschule, örtliche Wirtschaft, Forschung und Ausbildung verbindet. In Menzenschwand herrscht seit Jahren eine einseitige ökonomische und bauliche Fokussierung auf den Tourismus vor. Sein Rückgang seit den 90er Jahren ist Ursache einer Reihe weitreichender Probleme, wie die Abwanderung insbesondere der arbeitenden Bevölkerung und die vielen Leerstände. Die Einwohnerzahlen stagnieren, die Bevölkerung wird immer älter. Perspektivlosigkeit und Lähmung des Ortes sind die Folge. Unser Ansatz ist daher Alternativen „Jenseits des Tourismus“ zu entwickeln. Dies soll mit Hilfe eines Partners für Menzenschwand erreicht werden, wobei mit dieser Partnerschaft eine längerfristige Kooperation vorgesehen ist. Dabei entstehen Synergieeffekte zwischen dem Partner und der Gemeinde, beide Seiten profitieren wechselseitig voneinander. Mögliche Partner könnten z.B. Firmen, deutsche oder ausländische Universitäten oder Berufsschulen sein. Im Dorf soll dazu eine Anlaufstelle eingerichtet werden mit einem Koordinator, der die Zusammenarbeit der beiden Partner beratend, unterstützend und vermittelnd begleitet. Dieser Koordinator kennt das Dorf und seine Netzwerke, die Institutionen und die Landschaft. Zu den Aufgaben des Koordinators gehört auch die Öffentlichkeitsarbeit des Ortes, nach innen und nach außen. Denkbar wäre es, den Koordinator als Teil des Ortsrates zu etablieren. Wichtig ist hierbei

jedoch, dass es sich um eine neutrale Person handelt, die keine eigenen wirtschaftlichen Interessen oder Verpflichtungen hat. Ziele dieser Partnerschaft sind eine neue ökonomische Ausrichtung der Gemeinde, die Wiederbelebung des Ortes, ein Ideenaustausch und Nutzen von Synergieeffekten zwischen der Gemeinde und dem Partner. Es geht darum neue Perspektiven für das Leben und Bleiben im Dorf zu schaffen. Als konkreten Partner schlagen wir die Architekturfakultät des KIT in Karlsruhe vor und sehen dabei die Sommeruni UPDATE SCHWARZWALD 2012 als Initialzündung für eine Partnerschaft in einem langfristigen Entwicklungsprozess. Wir stellen uns die Frage, wie es nach der Sommeruni weiter gehen kann. Unsere Idee ist, dass die Fakultät für Architektur Karlsruhe einen Think Tank in Menzenschwand bildet, um die praxis- und projektorientierte Forschung und Lehre zu stärken und weiter zu entwickeln. Die Fakultät bildet eine Dependance, ein Prestigeobjekt im Schwarzwald, die einerseits einen Ort der Ruhe und Konzentration für Studierende, anderseits einen Treffpunkt und Ort des Wissensaustauschs bietet. Dabei steht das interdisziplinäre Arbeiten von Architektur- und Bauingenieurstudierende, Lehrlingen und Meisterschülern aus dem Holzhandwerk, Kunsthandwerkern und Anderen im Zentrum. Sie alle arbeiten zusammen, lernen voneinander, profitieren vom gegenseitigen Kenntnisstand und können so gemeinsam Projekte planen und realisieren. Im Zuge dessen können sie gemeinsam ein leer stehendes Gebäude in Menzenschwand sanieren und wieder nutzbar machen. Es entsteht 81


schrittweise ein Forum zur Begegnung und zum Austausch zwischen Planern, Handwerkern und Bevölkerung, das es sich zum Thema macht, auf langfristige Sicht die Baukultur im Schwarzwald nachhaltig zu stärken und zu entwickeln: der WERKRAUM SCHWARZWALD. Das Projekt könnte als Wirtschaftsförderungsprojekt laufen. Die Finanzierung wird hierzu aufgeteilt auf den Regionalverband, die Gemeinde, die Universität zusätzlich könnte das Projekt durch Stiftungen unterstützt werden. Möglich ist auch, dass das Projekt durch einen Wirtschaftspartner der Universität unterstützt wird. Der Prozess findet in mehreren Phasen statt: Die erste Phase ist die Initialzündung durch die Sommeruni UPDATE SCHWARZWALD 2012. Innerhalb eines zehntägigen Aufenthalts von Studenten in Menzenschwand werden ein Ideenwettbewerb und eine Vortragsreihe veranstaltet. Es werden zahlreiche Gespräche zwischen der Bevölkerung, den Entscheidungsträgern und den Studenten geführt. Ein erstes Kennenlernen findet statt. In der zweiten Phase, der Aktivierungsphase, wird die Partnerschaft durch regelmäßige Aufenthalte der Universität vertieft. In diesem Zeitraum wird die praxisorientierte Lehre der Fakultät, wie z.B. Bauaufnahmen von Gebäuden, Vermessungsübungen und Photogrammetrieübungen nach Menzenschwand gebracht. Außerdem planen und entwickeln die Studenten mit dem Institut für Baukonstruktion temporäre Entwurfsprojekte im kleinen Maßstab vor Ort (z.B. die Gestaltung einer Bushaltestelle). 82

Nach einer Festigung der Partnerschaft, kommt es in der Planungsphase zu Gesprächen zwischen der Gemeinde, der Universität und dem Handwerk, moderiert und beraten vom Koordinator. Ziel ist es einen Ort für ein erstes gemeinsames Projekt und somit eine geeignete Immobilie für den WERKRAUM SCHWARZWALD in Menzenschwand zu finden. Es folgen Verhandlungen mit allen beteiligten Parteien und die Ausarbeitung einen Finanzierungskonzepts. Unser Vorschlag für ein geeignetes Gebäude ist die leerstehende Klinik Pieper im Vorderdorf. Sie ist nicht denkmalgeschützt, sodass ein teilweiser Rückbau möglich wäre, und befindet sich trotz des Leerstands seit 2007 in einem sehr guten Zustand. In der Aktionsphase geht es nun darum, das Gebäude, hier die Klinik Pieper, schrittweise für den Werkraum umzugestalten und zu sanieren. Die Analyse, der Entwurf und Umbau finden durch Studierende der Architekturfakultät und Handwerkerlehrlinge unter Anleitung von Professoren und Handwerksmeistern statt. Interessierte engagierte Bürger und ortsansässige Vereine sind in dieser Phase ebenso eingeladen mitzuwirken und die Arbeiten zu unterstützen. Wir stellen uns hierbei vor, dass der mittlere Gebäudeteil der Klinik Pieper rückgebaut wird und Raum für einen großen gemeinschaftlichen Garten schafft. Durch einen Umbau in Etappen kann die Klinik Pieper schrittweise bezogen werden, und es beginnt die Nutzungsphase. Die hinten liegenden Gebäude der Klinik Pieper bieten Raum für Arbeitsplätze und Werkstätten, sowie Schlafräu-


me und Versorgungsräume für Studierende und Lehrlinge. Im Gebäudeteil an der Straße wird ein Gründerzentrum eingerichtet, in dem sich Büroräume für lokales Gewerbe und Dienstleister, z.B. Schmuckdesigner, Kommunikations- und Produktdesigner, befinden. Außerdem gibt es hier eine große Ladenfläche (möglicher neuer Standort für den „Heimatsinn“), sowie Ausstellungsfläche für Seminararbeiten und Projekte der Studierenden. Ein großer Gemeinschaftsgarten zwischen den Räumlichkeiten der Universität und des Gründerzentrums soll die Gebäude verbinden und zum gemütlichen Treffpunkt werden.

(z.B. im Holzbau) des Schwarzwaldes profitieren könnten und im Gegenzug neue, junge Impulse einbringen und eine Neubelebung des Ortes bewirken. Ein insgesamt sehr kohärenter Projektvorschlag, der grafisch auch für Laien sehr ansprechend und einfach nachvollziehbar ist. WERKRAUM SCHWARZWALD hat das Potential, bei entsprechendem Engagement der politisch Verantwortlichen ins Rollen gebracht zu werden.“

Durch die Reaktivierung der Klinik Pieper kommt es zu einer Aufwertung des Vorderdorfes in Menzenschwand und zum Ausgleich zwischen Vorder- und Hinterdorf. Der WERKRAUM SCHWARZ SCHWARZWALD setzt einen positiven Impuls und kann als Vorreiterprojekt für die Region wirken. Jurykommentar: „Ausgehend von der These, dass die einseitige Fokussierung der Gemeinde Menzenschwand auf den Tourismus keine zukunftsorientierte Lösung mehr bieten kann und Abwanderung und Leerstand daraus resultieren, wird mittels einem kleinen, äusserst aussagekräftigen Analyse-Schema die Notwendigkeit zur Verjüngung, zur Neuausrichtung und zur Kooperation aufgezeigt. Die Verfasserinnen stellen überzeugend dar, wie eine Partnerschaft ein für beide Seiten im Alleingang nicht mögliches Potential bietet. Denkbare Partner hierfür wären demnach Schulen und Institutionen mit jungen Leuten, die von der bestehenden (leerstehenden) Infrastruktur und dem handwerklichen Know-how 83


Ausgangslage

In Menzenschwand stehen viele

Hinterdorf

Gebäude leer. Bis heute ist

„Ein Zentrum zur Entwicklung der heimischen Baukultur... das hätte es schon vor 20 Jahren geben müssen!“

der Tourismus ein wichitger Wirtschaftsfaktor.

Leerstand Touristische Angebote

Bruno Kaiser Zimmermannsmeister Bruno Kaiser GmbH Bernau

„Ich muss mit meinem Laden bald umziehen und brauche einen neuen Raum... Freunde von mir, Produktund Schmuckdesigner, suchen auch Büroräume. Bisher haben wir nichts gefunden.“

Vorderdorf

84

Anja Keller Grafikdesignerin HeimatSinn / Zum Kuckuck Menzenschwand


Konzept

In einem Beispielkonzept arbeiten das KIT mit der Gemeinde Menzen-

GEMEINDE

HANDWERK

schwand

Bürgermeister/ Ortsvorsteher/ Ortsrat/ Vereine/ Bürger

Meister/ Gesellen/ Lehrlinge

Eine Koordina-

Menzenschwand + St. Blasien

Berufsförderungsverband/ Ausbildungszentrum

tionsstelle vor

Holzindustrie/ Forstkammer

Ort vermittelt

WIEDERBELEBUNG DES ORTES

Aufwertung des Handwerkerberufs

zwischen den

Versorgungssituation verbessern

Revitalisierung und Verjüngung des Handwerks

Partnern.

Entwicklungsmöglichkeiten für den Leerstand

Heimische Baukultur entwickeln und stärken

Entwicklung und Stärkung der heimischen Baukultur

Vermittlung

von

traditionellen

zusammen.

als

auch

neuen

HANDWERKSTECHNIKEN

Tourismusförderung

KOORDINATOR NEUE STELLE

innerhalb des Ortsrates

kennt das Dorf/ Netzwerke/ Landschaft/ Institution keine wirtschaftlichen Interessen/ Verpflichtungen

VERMITTLUNG

zwischen Partner und Gemeinde

Beratung und Unterstützung z.B. bei Finden von Räumlichkeiten, beim Finanzierungskonzept, etc. Öffentlichkeitsarbeit innerhalb des Dorfes und nach außen

UNIVERSITÄT

GEWERBE

Professoren/ Doktoranden/ Studenten

Selbstständige/ Pioniere

Planung und Ausführung von realen Projekten

Verbesserung der Versorgungssituation vor Ort

Praxisbezogene Lehre

NEUE RÄUMLICHKEITEN für Bürogründungen

Interdisziplinäre Arbeit und Kommunikation

Stärkung von heimischen Herstellern und Produkten

AUSSENSTELLE ALS PRESTIGEOBJEKT

Ausbau von Internet und Handynetzen

85


Prozessphasen

Der Prozess

PROZESS

soll in fünf Projektphasen durchgeführt

01 INITIALZÜNDUNG

werden.

02

AKTIVIERUNGSPHASE

SOMMERSCHOOL UPDATE SCHWARZWALD 2012:

Regelmäßige Aufenthalte von Studentengruppen

10-tägiger Aufenthalt von Studenten in Menzen-

in Menzenschwand

schwand mit Veranstaltung eines Ideenwettbewerbs

SEMINARARBEITEN UND ENTWÜRFE des Insti-

und abendlicher Vortragsreihe, Gespräche mit der Be-

tuts für Baukonstruktion vor Ort: Entwicklung und

völkerung und den Entscheidungsträgern, ERSTES

Planung kleinerer TEMPORÄRER PROJEKTE

KENNENLERNEN

Bauaufnahmen einzelner Gebäude/ Vermessungsübungen/ Photogrammetrieübungen/ etc. vor Ort

03 PLANUNGSPHASE

04 AKTIONSPHASE

GEMEINSAME GESPRÄCHE der Vertreter von

ANALYSE, ENTWURF UND UMBAU der Pieper-

Universität, Gemeinde und Handwerk, moderiert

klinik durch Studierende und Lehrlinge unter An-

und beraten vom Koordinator

leitung von Professoren und Handwerksmeistern,

FINDEN EINES GEEIGNETEN ORTES

unterstützt durch engagierte Bürger und Vereine

für ein erstes gemeinsames Projekt

vor Ort.

VORSCHLAG: KLINIK PIEPER

RÜCKBAU UND UMBAU IN ETAPPEN Nach und nach können die Räumlichkeiten bezo-

Verhandlungen mit den beteiligten Parteien und

gen und genutzt werden.

Ausarbeitung des FINANZIERUNGSKONZEPTS

05 NUTZUNGSPHASE THINK TANK MIT ARBEITSPLÄTZEN UND WERKSTÄTTEN für regelmäßige Aufenthalte von Studierenden und Lehrlingen. SCHLAFRAUM UND VERSORGUNG BÜRORÄUME für lokales Gewerbe und Dienstleister, z.B. Schmuckdesigner, Kommunikationsdesign, Produktdesigner, … GEWERBEFLÄCHE: Laden, z.B. „Heimatsinn“ und AUSSTELLUNGSFLÄCHE der Seminararbeiten und Projekte

86


entwurf

Tagungsraum

Ateliers & Werkstätten

Als Beispielge-

Gemeinschaftsgarten

bäude wurde die leerstehende Piperklinik in Menzenschwand ausgewählt. Tagungsräume, Ateliers und Werkstätten werden in Zusammenarbeit mit lokalem Handel und Gewerbe genutzt.

Gründercafé

Laden “HeimatSinn”

Büros

Impression des zukünftigen Gründerzentrums in der Pieperklinik.

87


2. Preis


sTADTHUNGER + lANDLUST kERSTIN mAYER, lEONIE wEBER, aNDREAS zIEMANN

Stadt und Land waren schon immer zwei völlig unterschiedliche Lebensräume. Jeder für sich hat seine eigenen Qualitäten – aber auch Unzulänglichkeiten. Gerade darin bestand seit jeher eine enge Wechselbeziehung. Technischer Fortschritt, der Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft und die Globalisierung haben erheblichen Einfluss auf diese Beziehung und führen zu einer wirtschaftlichen und sozialen Ausdünnung des ländlichen Raums. Ein großes Angebot der Ausbildung und der Kultur und das städtische Leben im Allgemeinen locken, aber selten führt der Weg der jungen Leute nach Beendigung der Ausbildung oder des Studiums in den Heimatort zurück. WIE ÄUSSERT SICH DIESE SEHNSUCHT UNTER DEN STÄDTERN? Unter den Städtern ist eine neue Sehnsucht zu spüren, die sich in vielfältiger Form äußert. Der Beziehung zwischen Stadt und Land könnte eine Renaissance bevorstehen, die eventuell den ländlichen Raum wieder stärker ins Blickfeld rücken lässt. Es ist zunächst die Sehnsucht nach Kleinigkeiten. Diese ist ablesbar an unzähligen, während der letzten Jahre neu eingerichteten Quartierszentren, Generationenhäusern und ähnlichen Gemeinschaftseinrichtungen. Zwar ist es noch immer möglich und gelegentlich vorteilhaft, sich in einer Stadt anonym bewegen zu können. Jedoch wächst das Interesse an Gemeinschaften, in denen Kontakte geknüpft und Verbindlichkeiten aufgebaut werden und so Vertrauen entstehen kann. (Auch Initiativen wie der Stuttgarter „plattsalat“ zeugen von dieser Sehnsucht.)

Weiter besteht unter vielen Städtern eine ausgeprägte Sehnsucht nach Natur oder den Elementen ländlicher Kulturlandschaft. Sie findet Widerhall in Urban-Gardening-Projekten. Auch zahlreiche Kulturangebote des Hauses der Familie Stuttgart zielen auf Natur- und Kulturlandschaftserfahrung für Kinder und Familien. Das Programmheft enthält Angebote wie „Vom Schaf zur Wolle“, direkt vor Ort in einem auf Schafhaltung spezialisierten Hof außerhalb der Stadt. Auch eine Sehnsucht nach Nachvollziehbarkeit lässt sich beobachten. Woher kommen die Produkte, die zum Kauf angeboten werden? Unter welchen Bedingungen werden sie hergestellt? Was kann ich unterstützen und was lehne ich ab? Viele Städter machen sich momentan über derlei Fragen Gedanken und tauschen sich zu diesem Thema aus. Sie wollen nicht nur konsumieren, sondern selbst aktiv sein und Bescheid wissen. Hierbei entstehen beispielsweise Initiativen wie „plattsalat“ in Stuttgart, Haushalte wechseln zu Ökostromanbietern und das Interesse an fair produzierter und schadstoffarmer Kleidung wächst. Die Popularität von Bio-Produkten wuchs innerhalb kürzester Zeit um ein Vielfaches. Auch der Aspekt der Sehnsucht nach körperlicher Arbeit ist in diesem Zusammenhang wichtig. Die Sehnsucht nach einem Ausgleich zu Tätigkeiten, die sitzend am Computer verrichtet werden, besteht. So entsteht eine neue Wertschätzung landwirtschaftlicher Arbeiten – und plötzlich besuchen Manager Survival Trainings, bewirtschaften Studenten ihren „Urban Garden“ und ernten Familien Obst auf Streuobstwiesen, die sie per „mundraub.org“ gefunden haben. 89


Welche Potentiale gibt es in Menzenschwand? Dem Leben auf dem Land sind zumindest einige dieser Aspekte auf natürliche Weise inhärent – auch in Menzenschwand. Und in vielen seiner Bewohner schlummert ein mehr oder weniger verborgenes Wissen und Können, das mit großer Wahrscheinlichkeit sehr kompatibel mit der Sehnsucht der Städter ist. Wie also könnte sich dies verknüpfen lassen? Neben den altbekannten Attraktoren des Ortes, wie z.B. die umgebende Landschaft mit ihren Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung, der Wasserfall am Ende des Hinterdorfes, das Radon-Bad, der Erlebnispfad oder das Winterhalter-Museum, sind in den letzten Jahren auch neue, sehr ansprechende Angebote wie das Lokal „Zum Kuckuck“ und das kleine Laden-Café „HeimatSinn“ entstanden. Man sollte diese beiden Einrichtungen als Vorreiter für weitere zukunftsträchtige Konzepte sehen, denn sie bringen nicht nur frischen Wind in das bestehende, relativ einseitige Angebot, sondern haben auch das Potential ökologischer und regionaler Produkte erkannt. Ausgehend von dem lokal Vorhandenen lassen sich viele Ideen weiterdenken. Die Bürger sind dabei zentral, denn sie müssen eine Veränderung selbst in die Hand nehmen – und zwar gemeinsam. Warum nicht das Halten von Ziegen und die Herstellung von Wurst um eine Käserei erweitern und gleichzeitig Ziegenpatenschaften für Kinder anbieten? Warum nicht das vorhandene handwerkliche Know-How nutzen und Workshops für z.B. Selbstbau-Möbel 90

oder dergleichen organisieren? Warum nicht die Kulturlandschaft unterhalten, indem man nach körperlicher Arbeit dürstende Städter als Arbeitskräfte mit einbindet? Diese und viele andere Ideen müssten von einzelnen Bürgern initiiert, aber von einer Gemeinschaft (z.B. der AG Tourismus) konzeptionell begleitet werden. Menzenschwand und seine Bürger haben so viel ungenutztes Potential in sich. Gerade durch die relative Abgeschiedenheit des Ortes und die somit nicht übermäßig ausgeprägte touristische Erschließung, lässt sich der Anspruch vieler Besucher nach Authentizität und Individualität ohne weiteres befriedigen. Lokale Potentiale – Wer könnte sie alle nutzen? Die in Menzenschwand vorhandenen Potentiale sind für unterschiedliche Personengruppen interessant. So vielfältig die Potentiale, so vielfältig sind auch die Charaktere, die sie ansprechen. Ein großer Pool an möglicherweise interessierten Menschen findet sich in der Stadt, also beispielsweise in Freiburg, Basel, Winterthur, Zürich, Villingen-Schwenningen, Stuttgart. Im Rahmen unserer Arbeit stellen wir einige fiktive Charaktere vor, für die Menzenschwand aus unterschiedlichen Gründen interessant sein könnte. Um ein Beispiel zu liefern: Die junge Familie mit Kleinkind sucht regelmäßige Erholung außerhalb der Stadt und einen kleinen Garten. Der Ort soll geeignet sein, Wald und Wiesen als Tobeflächen zu nutzen, Tieren zu begegnen, er sollte Entspannung ermöglichen und Treffpunkt für die Familie selbst und deren Freunde sein. Wichtig ist der Familie außerdem der Kontakt zur direkten Nach-


barschaft in Menzenschwand, unter anderem um ihr Kind in der Umgebung aufgehoben zu wissen. Eine Möglichkeit wäre die Anmietung oder Pacht eines leer stehenden Hauses in Menzenschwand, welches zu einer „Städter-WG“ umgenutzt wird. Die Personen könnten eine „Ziegenpatenschaft“ übernehmen und den Garten des umgenutzten Gebäudes für den Anbau einiger Gemüse-, Obstund Kräutersorten verwenden. Wie erfahren die Städter davon? Eine wichtige Frage ist bei all diesen Überlegungen, wie überhaupt Interessenten in den Städten gefunden werden können. Wir schlagen vor, dies anhand einiger subtiler Interventionen im städtischen Raum zu realisieren. Wie stellen wir uns diese Interventionen in der Stadt vor? Denkbar sind kleine Angebote oder Eyecatcher an öffentlichen Orten in der Stadt, wie beispielsweise ein Stapel Brennholz, der mit der Aufforderung „Hack mich!“ und einem Verweis auf Menzenschwand versehen ist. Oder ein kräftiges Stück Baumstamm mit der Notiz „Bearbeite mich!“, welches auf die Möglichkeiten bildhauerischer Betätigung in Menzenschwand aufmerksam macht. Weitere Vorschläge sind der Präsentation zu entnehmen, da eine vollständige Aufzählung hier den Rahmen sprengen würde. Auch das von uns vorgeschlagene Ankommenshaus könnte in Menzenschwand direkt vor Ort dazu beitragen, den Besucher auf die lokalen Potentiale aufmerksam zu machen. Vor allem soll es aber dem Besuchern als erste Anlaufstelle im Dorf dienen, wo er nach seiner Ankunft alle Informationen findet, sich bei einer Tasse Kaffee von der Anreise erholen oder das WC aufsuchen kann,

und sich über die Auslage von lokalen Produkten und Handwerkserzeugnissen dazu inspirieren lassen kann mit welcher Art Unternehmung er seinen Aufenthalt in Menzenschwand beginnen möchte. Fazit Die Menzenschwander sind sehr gastfreundliche Leute. Wenn sie wieder an ihre erfolgreichen Jahre des Kurtourismus anknüpfen möchten, müssen sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Passiver Mainstream-Tourismus ist für den Ort nicht das Erfolgskonzept – individuelle, selbstorganisierte und den Besucher aktiv einbeziehende Angebote könnten die Zukunft der Menzenschwander Gastfreundschaft sein. Jurykommentar: „Das Konzept von Leonie Weber, Kerstin Mayer und Andreas Ziemann basiert auf viel Empathie, viel Einfühlungsvermögen für das Vorhandene. Ihre Neugier hat ihnen eine große Fülle an lokaler Kraft eröffnet. Demgegenüber orten sie ein großes Bedürfnis der Städter nach körperlichem Ausgleich und am Landleben orientierten Qualtitäten. Das daraus entstehende Angebot lokaler Kultur ist aber nicht nur auf die Befriedigung externer Bedürfnisse ausgerichtet, sondern deren Intensivierung birgt auch vieles an Kommunikation und Austausch für die Region selbst. Es geht hier um das Handwerk, die Erhaltung und Weiterentwicklung von ansässigem Kulturgut, um die Pflege der Landschaft und des Bodens. Ihr Konzept ist ein regeneratives, aktives Modell für Gäste, das viel an Impulsen in der Region um Menzenschwand und Bernau freisetzen kann, die beiden Dörfer stimuliert und deshalb zukunftsträchtig ist.“ 91


Konzept

Grafische Darstellung des Konzepts. Sehnsucht der St채dter und und Potenziale auf dem Land.

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Sehnsucht

Es gibt viele bestehende Beispiele für die Nachfrage von Städtern nach ländlichem Raum. Die Vermählung von städtischen Sehnsüchten und Schwarzwälder Gastfreundschaft.

Junge Familien, Studenten und viele weitere Städter möchten gerne „Raus aufs Land“. Städter suchen: Kleinteiligkeit, Natur, Nachvollziehbarkeit, Ganzheitlichkeit und körperliche Arbeit.

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Potenziale

Die Gemeinde Menzenschwand hat viele Potenziale, die auf den ersten Blick nicht zu erkennen sind. Verschiedene Angebote an Kursen und Workshops, in denen die Dorfbewohner ihr Wissen und ihre Fertigkeiten weitergeben.

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Interventionen

Eine Umnutzung des Leerstands und die Anpassung des Angebots sind notwendig. Das Projekt zeigt viele Beispiele auf.

Ein Imagewandel der Gemeinde hin zu einem zeitgemäßen Angebot an die Städter ist mit einem neuen Marketingkonzept möglich.

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2. Preis


mix & menz johanna kolb, verena schoissengeyr

In den Gemeinden St. Blasien und Bernau ist der Fremdenverkehr heute noch ein wichtiger Erwerbszweig, der viele Familienbetriebe und Arbeitsplätze sichert. In den Unterkünften der Gemeinde ist seither ein leichter Übernachtungsrückgang zu beobachten, der mit kürzeren Aufenthaltszeiten verbunden ist. Der Kurzurlaub und der Wochenendaufenthalt gewinnen immer mehr an Bedeutung. Bei der Analyse des Unterkunftsangebots ist eine starke Einheitlichkeit des Unterkunftsarten zu bemerken. Privatzimmer, Pensionen und Hotels werden im 3-Sterne-Segment angeboten: Günstigere oder exklusive Angebote fehlen nahezu vollständig. Die Ausstattung der Gästezimmer im Dorf zeigt ein einheitliches Bild. Massivholzmöbel mit Schnitzereien, Teppichböden und Schwarzwaldmotive dominieren den Gesamteindruck und sprechen durch diesen speziellen Heimatstil auch nur eine bestimmte Zielgruppe an. Um die bestehenden Potenziale einzubinden und zu reaktivieren, bietet unser Projekt mit dem Hotelkonzept „Mix & Menz“ eine Kombinationsund Kommunikationsplattform an, um aus dem bestehenden Tourismusangebot ein neues, einheitliches und gemeinschaftliches Tourismuskonzept zu bilden. Mix & Menz fasst das vorhandene Angebot zusammen, um es zu einem Null bis Vier‑Stern‑Hotel zu vereinen. Unterkünfte werden zum Teil verändert und neue geschaffen, um eine größere Differenziertheit an Komfort, Ausstattung und Gestaltungsstil zu erhalten. In das Unterkunftsprogramm werden Leerstände, private Pensionen sowie Gastbetriebe eingebunden. Das Angebot

spreizt sich von der Übernachtung in der NullStern Scheune, bei der gemeinschaftliche Sanitäreinheiten im Dorf genutzt werden, bis zum Vier-Stern Luxus-Apartment im alten renovierten Schwarzwaldhof. Das Verpflegungsangebot reicht vom Brötchenservice, das Picknick am Wunschort oder das deftige Abendbrot vom Holzbrett bis zum 5-Gänge-Dinner. Für die Freizeitgestaltung besteht ein großes Angebot aus sportlichen Aktivitäten, kreativen Workshops, kulinarischen Entdeckungen, Wellnessangeboten und Kinderbetreuung. Die Gäste wählen ihre gewünschte Unterkunft im Internet und haben die Möglichkeit, Verpflegung und Aktivitäten direkt mitzubuchen oder vor Ort spontan zu entscheiden. Durch das Hotelkonzept Mix & Menz erhalten die Gäste die Möglichkeit, ihre Aufenthaltszeit frei nach ihren Wünschen zu gestalten. Da die Gäste sich bei ihrem Aufenthalt bei Mix & Menz nicht nur in ihrer Unterkunft, sondern durch das ganze Dorf bewegen, wird der Ortskern wieder vermehrt bevölkert und eine stärkere Einbindung ins Ortsleben erzielt. Das Hotel vernetzt das bestehende Angebot und die Bewohner des Dorfes auf einer neuen Ebene und schafft dadurch eine neue Kommunikationsplattform für das ganze Dorf. Jurykommentar: „Die Jury war beeindruckt von der Kraft der Idee und der Konsequenz ihrer Herleitung, dem Grad ihrer Durcharbeitung und der hohen Qualität ihrer Darstellung. Obwohl es sich bei den Verfasserinnen nicht um Tourismusexpertinnen handelt, erscheint die Tiefe und Tragfähigkeit des Konzepts als ungeheuer weitreichend und vielversprechend.“ 97


Ausgangslage

Bestehendes Angebot an Unterk端nften in Menzenschwand ist einseitig und nicht an die heutigen Anspr端che angepasst.

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Konzept

Der Trend zur

Menzenschwand

Individualisierung von Städtern wird im Konzept aufgegriffen. Große Vielfalt an Bedürfnissen, Aktivitätsmustern und ästhetischen Vorlieben der Einzelnen muss sich im Angebot abbilden.

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STRATEGIE

Die gesamte Gemeinde wird zum Hotel und Erlebnisraum mit flexiblen Angebotsbausteinen: Unterkunft, Verpflegung, Aktivit채ten.

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Bei der individuellen zusammenstellung hilft eine 채sthetisch gestaltete Brosch체re und eine Homepage.

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im zeichen der ananas lisa deipenbrock, alper kazokoglu, alexander naumer

Das Projekt „Im Zeichen der Ananas“ basiert auf einer durchgehend partizipativen Idee. Vom ersten Konzept bis zur Durchführung des Jugendraums haben wir junge und alte Bürger in der Gemeinde Menzenschwand eingebunden. Aus einem Mangel an Angeboten für junge Menschen in Menzenschwand ist unsere Idee am ersten Abend entstanden. Bei einem Spaziergang durch das Dorf sind wir mit Jugendlichen ins Gespräch gekommen. Aus dieser Begegnung heraus wurde die Idee geboren einen Treffpunkt für Jugendliche zu schaffen. Unsere Idee basiert auf der Bereitschaft der Eigentümer, eine leerstehenden Immobilie oder einen leerstehenden Raum für eine Zwischennutzung zur Verfügung zu stellen. Trotz Anfangsschwierigkeiten haben wir mit Eigentümern von Leerständen verhandelt und für unsere Idee wichtige Überzeugungsarbeit geleistet. Bei der Zwischenpräsentation am dritten Tag haben wir mit einem selbstgedrehten Video die Verantwortlichen der Gemeinden zur Unterstützung für unser Vorhaben aufgerufen. Trotz großer Skepsis hat ein Tag später der Eigentümer seine alte Scheune zur Verfügung gestellt. Die leerstehende Scheune befindet sich direkt an einer wichtigen Verbindungsstraße zwischen dem Hinterdorf und dem Vorderdorf. Die Scheune wurde in Szene gesetzt und unsere Projektidee in den öffentlichen Raum projiziert. Das Projekt hat im Dorf für Aufmerksamkeit und Impulse gesorgt. Wir bekamen Strom, Werkzeug, Sachspenden zum Bauen und Kuchen aus der Nachbarschaft. Die außen aufgestellten Liegestühle, Sitzgruppen und Arbeitsmaterialien führten zusätzlich zu einem Austausch mit vielen Bürgern

und Interessierten. Wir haben die Jugendlichen von Beginn an in den gesamten Prozess eingebunden. Sie waren sowohl an der Entwicklung von Ideen wie auch beim Umbau beteiligt. Eine wichtige Erkenntnis für uns war, dass die Arbeit mit Jugendlichen eine gewisse Verantwortung mit sich bringt, die über die reine bauliche Planung hinausgeht. Wir mussten bestimmte Rahmenbedingungen definieren: Regeln für die Nutzung der Räume, Verantwortlichkeiten, Umgang mit Werkzeugen, etc. Der Eigentümer hat nach dem Umbau schließlich den Jugendlichen den Jugendraum „Im Zeichen der Ananas“ bis zum Ende der Sommerferien in Selbstverantwortung übergeben. Jetzt gilt es, diesen neu geschaffenen Ort mit Leben und Angeboten für die Jugendlichen auszufüllen. Um die „Ananas“ zu etablieren und weiterzuführen, braucht es Menschen, die sich aktiv für den Betrieb und den Erhalt des Treffpunkts bemühen. Diese Erkenntnis ist auch auf andere Leerstände und mögliche Projekte übertragbar. Den gesamten Prozess unseres Projektes haben wir in einer Videodokumentation festgehalten und bei der Abschlussveranstaltung präsentiert. Im Vorfeld erschienen in der Lokalpresse und im SWR Artikel und Berichte. Jurykommentar: „Die Studierenden haben mit sehr viel Energie und Mut in nur zehn Tagen der Sommeruniversität den Bürgern in Menzenschwand bewiesen, dass mit geringen finanziellen Mitteln und der Bereitschaft einzelner neue Impulse für das gesamte Dorf geschaffen werden können.“ 103


VIDeoDOKUMENTATION

Video mit der Darstellung des Beteiligungs- und Umbauprozesses der leerstehenden Scheune.

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Der Jugendraum „Im Zeichen der Ananas“ kann nach dem Umbau von den Jugendlichen während der Sommerferien selbstständig genutzt werden.

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anerkennungen Authentische Täler, Autarke Regionen Katrin Jülg, Thomas moder, Sarah Nietiedt

BED ‘N‘ Job Julia Kolk, Julia Schütz, Claudia Zimmermann

easy combi HUI-Yen Chen, Buchuan liu, antonio landsberger

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sport schwarzwald philipp perock

leerstandsmanagement oskar walburg

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authentische täler, autarke regionen Katrin Jülg, Thomas moder, Sarah Nietiedt Nach dem Wegfall des Kurtourismus liegt heute der wirtschaftliche Schwerpunkt wieder beim Holzgewerbe in Bernau, welches sich in Form von zahlreichen Holzbaufirmen etabliert hat. Die gesamte Region benötigt eine Perspektive für die Zukunft. Die zurzeit untergenutzte Landschaft in Verbindung mit der erwarteten Rohstoffknappheit für die Energieerzeugung haben hohes Potenzial. Unsere Vision für Bernau und Menzenschwand liegt in der Nutzung erneuerbarer Energien, genauer: in der autarken Versorgung mit erneuerbaren Energien für authentische Dörfer. Es gibt bereits einige Projekte in der Region, die mit Sonne, Wasser und Biogas Strom und Wärme erzeugen. Besonders erwähnenswert sind die Holzhackschnitzelanlagen, die der Wärmeversorgung dienen. Wir möchten vorschlagen, dass die vorhandenen Potenziale ausgebaut werden, um die Gemeinden auf dem Energiemarkt zu etablieren. Bei vielen Bürgern der Region schrillen bei den Worten „Erneuerbare Energien“ die Alarmglocken, da sie damit die Vorstellung von riesigen Windräder verbinden, die das Landschaftsbild verändern. Wir möchten aufzeigen, dass die Nutzung erneuerbarer Energien im Einklang mit dem vorhandenen Landschaftsbild möglich ist. Bei unserem Ziel sind Biogasanlagen eine gutes Beispiel. Die herkömmlichen und meistgenutzten Biogasanlagen mit Mais und Viehmist rentieren sich im Hochschwarzwald allerdings nicht, da der Anbau von Mais aufgrund der Bodenqualität und des Klimas nicht wirtschaftlich ist. Passend für diese Bergregion sind Biogasanlagen, die mit Wiesengras befüllt werden. Dadurch wäre es möglich, 108

das heutige Landschaftsbild zu erhalten und gleichzeitig der bisherigen „Landschaftspflege“ einen Sinn zu geben. Die benötigten Wiesenflächen, um die Region autark mit Strom zu versorgen, entsprechen der Fläche, die Bernau als landwirtschaftliche Fläche besitzt. Weitere alternative Energiequellen sind vertikale Windkraftanlagen, die durch diagonale Blätter auch Fall- und Aufwinde aufnehmen können oder Wasserkraftschnecken, die im Fluss so installiert sind, dass die natürlichen Wege der Tiere nicht gestört werden. In einem ersten Schritt in eine neue Energiezukunft müssen die Gemeinden untersuchen, welche Gebiete für die Nutzung welcher Formen erneuerbarer Energien geeignet sind. Neben der autarken Energieversorgung könnte es auch ein Ziel sein, dass die Region mehr Energie produziert als sie selbst verbraucht. Der Überschuss könnte verkauft und der Gewinn reinvestiert bzw. direkt an die Dorfbewohner weitergegeben werden. In einem weiteren Schritt könnte man versuchen, Pilotprojekte für die Erforschung neuer Energietechnologien in die Region zu holen. So wie Bernau früher für die Holzschneflerei bekannt war, könnten die beiden Dörfer sich eine Expertenstellung in der dezentralen Energiewirtschaft im ländlichen Raum erarbeiten. Jurykommentar: „Die Studierenden greifen ein hochaktuelles Thema auf und arbeiten sich in kurzer Zeit tief in die komplexe Materie ein. Sie stellen die Vorschläge grafisch überzeugend dar. Die Vorschläge sind innovativ und angemessen, sie erfinden plakative, bildhafte Begriffe. Das Image einer energie-autarken Region erscheint tragfähig.“


Die untergenutzte Landschaft und die Rohstoffknappheit im Energiesektor bieten für Schwarzwaldgemeinden hohes Entwicklungspotenzial.

Der Einsatz von Windrädern führt bei vielen Menschen in der Region zu Protesten. Neue Technologien wie vertikale Windkraftanlagen passen sich dem Landschaftsbild besser an.

Authentische Täler sind auch bei einer Energieautarken Region möglich.

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BED ‘N’ JOB JULIA KOLK, JULIA SCHÜTZ, CLAUDIA ZIMMERMANN

Die zahlreichen Firmen in Menzenschwand und Bernau suchen händeringend nach Fachkräften und Lehrlingen. Auffallend ist die hohe Anzahl an Berufspendlern. Nach Angabe der Stadt St.Blasien pendeln ca. 1030 Menschen in die Gemeinde St. Blasien, 547 Leute arbeiten in den umliegenden Gemeinden. Ein Imagewandel, der den Schwarzwald auch für jüngere Menschen attraktiv macht, ist essentiell. Unser Projekt Bed’n’Job greift diesen Imagewandel auf und soll die Entwicklung vom urdeutschen Kurtourismus zur modernen Arbeits- und Wohnregion weiter vorantreiben. Das Bed’n’Job - Prinzip knüpft zudem an den Fach- und Lehrkräftemangel an. Die freien Stellen in den Gemeinden sollen mit einer möblierten Unterkunft zur Miete angeboten werden, die je nach Bedarf aus einem WG-Zimmer, einem Apartment, einer Mehrzimmerwohnung oder sogar einem Wohnhaus bestehen kann. So sollen besonders junge Leute und Familien zum Leben und Arbeiten auf Zeit auf dem Land gewonnen werden. Sie haben durch das Bed’n’Job Angebot die Möglichkeit, Landleben zu schnuppern, ohne den Druck, „für immer“ hier bleiben zu müssen. Verwaltet werden soll Bed’n’Job durch die Agentur „Bed’n’Job - Agentur für Vermittlung“. Diese sammelt die freien Stellen der Firmen und leitet sie an die Arbeitsagentur oder Schulen weiter bzw. veröffentlicht sie im Internet. Weiterhin verfügt die Agentur über eine Wohnungsbaugesellschaft, die die Leerstände und damit die Unterkünfte verwaltet. Die Wohnungsbaugesellschaft ist Eigentümer der Leerstände. 110

Entsprechend den jeweiligen Wohnbedürfnissen ist die Unterbringung bei Bed’n’Job in drei Varianten möglich: Schwarzwald-WG, Single-Wohnungen und Familienwohnungen bzw. Häuser. Alle Wohnformen sind auf Wunsch möbliert, um Flexibilität zu unterstützen. Als Gemeinschaftspunkte für die Zugezogenen und Alteingesessenen können andere Gebäude oder Räume zu einem Treffpunkt mit verschiedenen Freizeitangeboten (z.B. Sauna, Billard, Fitnessraum...) umgebaut werden. Da insbesondere das Vorderdorf stark durch den Kurtourismus geprägt wurde und hier nun viele Gebäude leerstehen, sollen hier neue Impulse gesetzt werden. Die leerstehenden Häuser haben vielfältige räumliche Strukturen, die für manche Unterkunftsmöglichkeiten besonders und für andere weniger gut geeignet sind. Als Beispiel möchten wir besonders die Häuser, die bereits als Wohnhäuser oder Ferienwohnungen konzipiert sind hervorheben. Diese eignen sich gut für Familien mit Kindern. Manche Gebäude besitzen besondere Potentiale und Flächen für ergänzende Nutzungen, z.B. eine Werkstatt in der Scheune, Atelier, Ladenflächen, Kita, Büroflächen u.ä.. Diese können sowohl für Bewohner als auch für das gesamte Dorf zur Verfügung stehen. Jurykommentar: „Die Jury sieht in dem Vorschlag eine intelligente Auseinandersetzung mit Beweggründen von Wanderungen und erkennt über die Gruppe der Zuwandernden hinaus auch ein Potenzial für die Erhöhung der Wohnbindung auch von lokalen Auszubildenden, Berufeinsteigern oder sich gründenden Familien, für welche die Wohnungsfrage ebenfalls bislang ungelöst bleibt.“


Der Rückgang von Touristen und der hohe Mangel an Fachkräften stehen sich in Bernau und Menzenschwand gegenüber. Ein Ziel ist es, Fachkräfte mit einem attraktiven Wohn- und Arbeitsangebot zu locken.

Das Konzept von Bed ‚n‘ Job vermittelt zwischen Angebot und Nachfrage. Entsprechend den Wohn-

Azubis

Fachkräfte (Pendler, Singles)

bedürfnissen

Fachkräfte (Familien, Paare)

entstehen verschiedene Wohnformen in den bestehenden Leerständen.

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easy combi hui-yen chen, buyuan liu, antonio landsberger

Wer nicht mit dem eigenen PKW in Menzenschwand anreist, sondern mit dem Zug, wird direkt bei der Ankunft in der Gemeinde Aha am Bahnhof mit einem kargen ÖPNV-Angebot konfrontiert. Deshalb hat sich unsere Gruppe mit dem Thema der Mobilität in Menzenschwand und Umgebung beschäftigt.

Brücke. An diesen Punkten führen wir zwei E-BikeStationen ein. Dadurch erreichen wir bessere Umsteigebeziehungen. Wir empfehlen zudem eine zusätzliche Verleihstation am Bahnhof Aha und an der Menzenschwander Brücke. Kombiniert man die bestehenden Buslinien mit einem Ruf-Taxi Service und den zwei neuen E-Bikestationen, so kann man ein optimiertes Combi-System schaffen.

Für Touristen und Bewohner in Menzenschwand und Bernau ist die Bahnstation Aha der wichtigste Bahnhof in der Umgebung. Der Bus zwischen Menzenschwand und Aha Bahnhof verkehrt nur dreimal am Tag. Es kommt noch hinzu, dass die Ankünfte und Abfahrten von Aha so getaktet sind, dass Anschlüsse mit dem Zug knapp verpasst werden. Während die Busse zwischen Menzenschwand und St. Blasien nur sehr unregelmäßig und teilweise mit großem zeitlichen Abstand (ca. 2h) fahren, ist die Linie zwischen St. Blasien und Bernau deutlich komfortabler. Beide Linien verkehren allerdings nur zwischen 6 Uhr vormittags und 19 Uhr am Abend. Dass die Linien nur bis 19 Uhr fahren, schränkt die Bewegungsfreiheit stark ein, wenn man beispielsweise eine Abendveranstaltung besuchen möchte, sei es ein Konzert oder eine Kinoaufführung in einem anderen Ort.

Damit dieses System auch funktioniert, muss der bestehende Fahrradweg von Menzenschwand zur Menzenschwander Brücke und darüber hinaus befestigt werden und eine neue Fahrradstrecke von Menzenschwand nach Aha gebaut werden. Die Kreuzung Menzenschwander Brücke wird mit einer autark operierenden E-Bikestation ausgestattet, die ausreichend Plätze für die Leihfahrräder bietet und in eine Bushaltestelle mit Dach integriert ist. Dies wäre für die Station in Aha ebenfalls möglich. Wir sind der Meinung, dass es auch im Interesse aller Bürger in Menzenschwand und Bernau ist, das bestehende Mobilitätsangebot zu verbessern, um mehr Teilhabe aller durch erhöhte Erreichbarkeit zu schaffen.

Unser Projekt Easy Comby empfiehlt eine Kombination mehrerer Mobilitätsoptionen als Lösung. Vernetzt man die bestehenden Strukturen und stimmt sie besser aufeinander ab, lässt sich mit relativ geringem Aufwand vieles erreichen. Um für Touristen und Einwohner das Verkehrsangebot gleichermaßen zu verbessern, fokussieren wir uns auf zwei wichtige Knotenpunkte: den Bahnhof Aha und die Bushaltestelle Menzenschwander 112

Jurykommentar: „Die „einfache“ Mischung der bestehenden Verkehrs- und Transportmitteln mit einem zusätzlichen Mobilitätsangebot ist eine pragmatische und kluge Lösung. Bestehende Busverbindungen sollen durch ein Fahrradleihsystem ergänzt werden. Ruftaxis als „Bürgerbusse“ erweitern das wetterunabhängige Angebot während besucherschwachen Zeitspannen. Eine gute Lösung, um die heutigen Bedürfnisse an den Tourismus auch in Menzenschwand anzupassen.“


Zielgruppenanalyse Welche Gruppen haben welche Bedürfnisse? Bewohner und Touristen haben unterschiedliche und vielfältige Bedürfnisse der Mobilität.

optimal verknüpfte verkehrssysteme

Das Easy Comby System kombiniert mit Bus und Bahn, Ruftaxi, Gepäcktaxi, E-Bikes bestehende Potenziale. Mit einem neuen Radwegenetz und neuen Marketingstrategien passt sich das Angebot gut an die Nachfrage an.

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SPORTSCHWARZWALD pHILIPP PEROCK

SportSchwarzwald: Zukunft einer Region mit Image - Problemen. Dem Schwarzwald kann ein Imageproblem bei jüngeren Touristen bescheinigt werden. Der Region haften Attribute an wie „langweilig“ und „altmodisch“. Diesem Bild entspricht die Altersstruktur der Übernachtungsgäste. Will die Region im Wettbewerb um Touristen in dieser für sie so wichtigen Branche nicht weiter zurückfallen, muss sie sich bei einer jungen Zielgruppe neu positionieren und profilieren. Für den Schwarzwald bedeutet das zum Einen nach dem Kurtourismus ein neues Thema und eine neue Zielgruppe als Perspektive für den regionalen Tourismus zu finden. Zum Anderen muss dieses neue Thema auch inhaltlich gefüllt und umgesetzt werden, sich also räumlich in konkreten Angeboten widerspiegeln, damit das Imagemarketing tatsächlich mehr ist als bloße Werbung. Auf der Suche nach einem neuen Thema ist für den Schwarzwald zunächst festzustellen, dass das bisherige Imagemarketing meist dazu tendiert, einen Bezug zur geografischen Region herzustellen (Hochschwarzwald, Südschwarzwald, Münstertal, etc.). Nachteilig an diesen Regionalimages ist jedoch, dass das Bild der Gesamtregion Schwarzwald bereits besetzt ist mit den zuvor beschriebenen Attributen, die dem Ansprechen einer jungen Zielgruppe zum Nachteil gereichen. Ein Ausweg in der Imagebildung bietet die Abkehr vom Regionsbezug und Herstellung eines Aktivitätsbezugs. Einen auffälligen Anknüpfungspunkt vor Ort stellen im Sommertourismus neben den Wanderern aller Altersgruppen bereits zahlreiche junge Mountainbiker und Nutzer anderer Trendsportarten wie 114

etwa Paragliding dar. Der Terminus Sport weckt für die für den Imagewandel der Region wünschenswerten Assoziationen: Aktivität, Jugendlichkeit, Modernität. Folgerichtig eröffnet der Sport das ideale Thema des Imagemarketings mit der neuen Regionalmarke „SportSchwarzwald“. Damit die Marke SportSchwarzwald mehr wird als Werbung, muss sie das Versprechen Sport allerdings auch inhaltlich einhalten, durch Stärkung und Ausbau vorhandener Angebote, durch die Vernetzung von Angeboten und deren räumlicher Akzentuierung, die den Imagewandel örtlich sicht- und erlebbar machen. Anlaufstellen in den einzelnen Ortsteilen sind die Dorfstationen der Marke SportSchwarzwald, die als ein neues bauliches Element im Ortsbild den Imagewandel funktional und gestalterisch unterstützen. Funktional als örtliche zentrale Haltestelle der SportBusse und durch umfangreiche Dienstleistungen zum Sport, wie etwa digitale Terminals mit lokalen und regionalen Informationen zum Sportangebot, Kartenmaterial und Routenvorschlägen, Übernachtung und Gastronomie, Wasser, Werkzeugservice, Internet, Strom für Mobiltelefone. Daneben ist die Dorfstation Botschafter der Marke SportSchwarzwald und des mit ihr verbundenen Imagewandels durch ihre architektonische Gestaltung. Jurykommentar: „Die Arbeit von Philipp Perock hat die am weitesten entwickelte architektonische Dimension. Durch heimisches Material wie Holzschindel und Brett soll der Ortsbezug hergestellt werden. Ingesamt ein sehr wertvoller Beitrag zum Thema des Imagewandels, der mit Mut, Entschlossenheit und innovativen Ideen gelingen kann.“


Strategien zum imagewandel

Das Bild eines „langweiligen“ und „altmodischen“ Schwarzwald kann mit eine gezielte Startegie zu einem Imagewandel führen. Die bestehenden Outdoor Sportmöglichkeiten bieten großes Potenzial.

räumliche konzeption Vernetzung und Ortsbildung Ein Imagewandel wird durch das hinzufügen von räumlichen und baulichen Elementen erweitert.

Dorfstationen: Orte des Imagewandels

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Leerstandsmanagement Oskar walburg

In der Gemeinde Bernau und Menzenschwand stellt der Leerstand von Gebäuden eine große Herausforderung dar. Leerstehende Gebäude sind in vielen Orten im ganzen Südschwarzwald vorzufinden. Das von mir entwickelte Konzept des interkommunalen Leerstandsmanagement sieht vor, nicht etwas komplett neu zu erfinden, sondern es soll auf dem bisher geleisteten aufbauen und dieses weiterentwickeln. Als Beispiel nutze ich für mein Projekt die Erkenntnisse des LEADER+ Projekt von 33 Gemeinden des Südschwarzwalds „Schwarzwaldort – Lebensort“. Die Idee ist, dass schon ausgeführte interkommunale Ansätze der Leerstandbewältigung bzw. die Aktivierung innerörtlicher Potenziale keine temporäre Erscheinung bleiben, sondern langfristig fortgeführt werden. Das Ziel ist die Kräfte aller Akteure zu bündeln, voneinander zu profitieren und eine gemeinsame Informationsplattform bzw. Datenbank für das Leerstandsmanagement aufzubauen. Das Management soll auf drei Ebenen agieren: interkommunales Leerstandsbüro (ikLb), Handlungskonzepte, Strategien der Bewusstseinsbildung. Das ikLb soll den Kommunen mit Rat und Tat behilflich sein sowie bei der Bewusstseinsbildung helfen bzw. durch eigene oder gemeinsame Maßnahmen die Bewusstseinsbildung forcieren. Das ikLb soll eine interkommunale Datenbank entwickeln, welche mehrere Bestandteile hat. Die Datenbank soll Bereiche enthalten, die für jedermann online einsehbar sind, aber auch Bereiche, die nur für die Verwaltungen abrufbar sind. Online verfügbar sein soll eine Gebäude116

börse, in der alle zum Verkauf stehenden oder mietbaren Objekte und Grundstücke der Region über ein geographisches Informationssystem abrufbar sind. So kann jeder mittels einer Karte nach verfügbaren Objekten suchen und durch einen Klick auf der Karte weitere wichtige Informationen dazu erhalten. Durch diese zentrale Plattform erhält die Vermarktung ein ganz anderes Gewicht. Des weiteren soll die Datenbank gelungene Aktivierungsbeispiele, eine Sammlung von Hinweisen und Unterlagen zur Modernisierung, Miet- und Kaufgesuche oder auch Kontaktlisten zu Gutachtern, Architekten usw. enthalten. Die Online-Datenbank soll übersichtlich gestaltet sein und die wichtigsten Informationen gebündelt bereitstellen. In der Datenbank soll nur für die Verwaltungen abrufbar eine vollständige Leerstandskartierung (alle Leerstände incl. derer, deren Eigentümer nicht verkaufen wollen) enthalten sein, die zudem durch eine Kartierung potenziell zukünftiger Leerstände ergänzt werden könnte. Weitere Aufgaben des ikLb sind die Erstellung einer Leerstandsfibel, Hilfestellungen zur Weiterbildung der Verwaltungen, Vernetzung von Akteuren und Kommunen, die Initiierung und Koordination von Arbeitskreisen, Monitoring und Auskunft der Fördermöglichkeiten oder Einführung einer turnusmäßigen Bürgermeisterkonferenz zum gegenseitigen Erfahrungsaustausch. Jurykommentar: „Der Beitrag zeigt den vielversprechenden Ansatz einer kommunalen Kooperation und einer effektiven Bündelung von Kompetenzen in einer eigenständigen organisatorischen Einheit. Auch entspricht insgesamt die Fülle der Einzelvorschläge der Komplexität des Themas.“


interkommunales leerstandsmanagement

Bestehende Konzepte im Leerstandsmanagement sollen durch Unterst체tzung einer Internetplattform erweitert werden. Die Vernetzung von Akteuren, Hilfestellungen f체r Interessenten, Auskunft und Beispieldarstellungen erg채nzen das Angebot.

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Res端mee


VIELFALT, HALTUNG UND FLUGHÖHE Köbi Gantenbein

Heute Morgen in der Frühe fuhr ich mit der Eisenbahn von Freiburg nach Aha. So heisst die nächste Station zu Menzenschwand. Diese reizende Bahnfahrt ist eine Einführung in die Schönheit und die Lehre der Vielfalt, der kulturellen und gesellschaftlichen Vielfalt zuerst. Der Bahnhof Freiburg ist ein ICE-Mocken, feist, konsumgeladen und selbstbewusst, je weiter die «Höllentalbahn», wie der Regionalzug hier heisst, fährt, umso mehr wird sie zum Bähnli, bald schon rottelt und rüttelt es und hat nur noch ein Geleise statt der Vielfachtrassen der Metropole. Seine Stationen werden zu Bahnhöfli mit wunderschönen Namen wie «Himmelreich». Und entsprechender Architektur: Die Normschilder der Deutschen Bahn haben die handgemalten Buchstaben noch nicht verdrängen, das Industrial Design noch nicht die hölzernen Laubsägeli-Fassaden der Stationsgebäude verjagen können. Und statt expressschnell geht’s langsam aufwärts bis auf 1000 m.ü.M. So hat der Passagier Zeit, nicht nur die kulturelle Differenz des Bahnapparates zu würdigen, sondern auch aus dem Fenster zu schauen: Grün in aller Vielfalt – hell-, linden-, blau-, gelb- und dunkelgrün. Und natürlich schwarzgrün, denn wir sind ja im Schwarzwald, wo der Tannhäuser, das Glasmännchen und der Kohlenmunk-Peter wohnen. Diese natürlich gewachsene Schönheit der Vielfalt, diese berückende Grünorgie, dieser frühherbstliche Farbentanz. Vielfalt heisst die erste Bemerkung zur Würdigung der neun Arbeiten. Vielfalt an Themen von der Bildung zum Wohnungsmarkt, von den Grundlagen des Planermetiers zum Tourismus. Der ist in sich

vielfältig. Wir treffen auf den romantischen Fremdenverkehr von Stadtkind, Heidi & Geissenpeter und auf den Tourismus für die Sportskanonen. Und Vielfalt in den Arbeiten. Die Studenten sind keine ideologisch vernagelten Besserwisser, sie untersuchen das Dorf von allen Seiten her und probieren viele Perspektiven. Sie stellen ihre Erkenntnisse vielfältig dar – oft virtuos mit der Zeichnung, der Tabelle, dem Diagramm, dem Comic, der Collage, ja gar dem Film. Haltungen Planung und Architektur können zynische Geschäfte sein. Es geht um viel Geld, um Macht, um Spekulation und die Profite werden rücksichtslos durchgesetzt und eingetrieben. Planerinnen sind Rädchen in einem Geld- und Machtgefüge und es sind nicht wenige, die dieses munter anheizen und mit Mackergesten grossartige Würfe in Städte pflanzen und übers Land leeren. Es ist rührend – die gut zwei Dutzend Studentinnen und Studenten sind anders. Sie sind wahrhaftig und getragen von heiligem Ernst. Sie wollen «einen Beitrag leisten», sie wollen den Erdball verbessern, sie glauben an den «andern Weg» und wollen ihn. Angewiesen aber von ihren Professorinnen und Professoren, denen es ein Anliegen ist, dass man ihre Studierenden dann auch brauchen kann draussen vor der Schultüre, setzen sie all diese Ernsthaftigkeit und Weltreform um mit den Mitteln des Metiers – der Analyse, dem Entwurf, der Darstellung. Die Ernsthaftigkeit kreist immer um den Bestand. Die Studentinnen untersuchen sorgsam, was da ist, sie drehen Steine um wie die Archäologen auf der Akropolis, damit nichts zu Schaden komme. 119


Sie haben große Neugier für die sozialen, historischen und wirtschaftlichen Geschichten. Und für die Leute, die sie so gastlich empfangen haben auf dem Land. Sie haben den Auslauf aufs Land auch genutzt, um sich von ihrem ureigenen Geschäft, dem Urteil für gestalterisch-künstlerische Güte zu entlasten – Kritik an all den architektonischen Schönheiten und Hässlichkeiten von Menzenschwand gab es ebenso wenig wie Entwürfe zu diesem Thema verbindlich geworden wären. Das ist sehr wohl zu akzeptieren, denn in zehn Tagen war genug zu tun, um die Konzepte mit Wahrhaftigkeit zu grundieren und mit reformerischem Glanz zu polieren. «Studenten! Vergesst diese Ernsthaftigkeit, diesen Willen zum Guten und den Glauben, dass das «Andere» sehr wohl machbar ist, nicht. Ihr springt nach dem Diplom hinein in den Teich des real existierenden Planens und Bauens. Er ist voller Hai- und Schwertfische. Bleibt sensibel und macht Musik wie die Vögel im Schwarzwald» Die Flughöhe Keine Arbeit repetiert einfach das, was die Studentin halt können muss, wenn sie das Diplom Abb. 69: Gruppe WerkRaum während einer Betreuung

bestehen will. Keine Arbeit betet nur den Kanon herunter. Keine verliert sich in der Demut vor dem Millimeter und der Entzückung am gestalterischen Detail – so essentiell und unbedingt diese zwei Haltungen und Können für jeden aufrichtigen Architekten sind. Die Studenten aber haben ihre Flügel in diesen zehn Tagen aufgespannt und sind hoch über ihre Felder hinaus geflogen. Man sah, dass sie schwankten und nach Luft schnappten ab und zu – aber wie gewiefte Piloten dies tun, liessen sie das lieber niemanden merken. So flogen die Studentinnen hinauf in die dünnen Lüfte des Marketings, wagten sich kühn – und erfolgreich – in die Geschäfte der Grafik oder probierten den Überblick des Verkehrsplaners. Eindrücklich bewährten sie sich als Kurdirektorinnen, Energieplaner oder Tourismusexpertinnen als hätten sie nie etwas anderes studiert und wagten gar den Luftsprung in die Sozialpädagogik, weit weg von allem Planzeichnen 1:100 mit jungen Menzenschwanderinnen und -schwandern Tatsachen bauend – ein Jugendhaus aus einem nicht mehr gebrauchten Stall. Keine Hochfliegerin ist über fremdem Feld abgestürzt, alle haben ihren Flug zu eleganter Landung gebracht. Hohe Flüge zu wagen braucht Mut und ist essentiell für jede Ausbildung; hoch fliegende Studentinnen sind auch ein Lob an ihre Professoren, die in diesen Schwarzwald-Tagen den Luftflug ermuntert, zugelassen, und gefördert haben – und das Netz ausgespannt, wenn die Böen eine Hochfliegerin zu zerzausen drohte.

Köbi Gantenbein, Chefredakteur Hochparterre 120


Wandel gestalten Kerstin Gothe, Johann Jessen, Antje Stokman

Die Lehrenden fassen die Ergebnisse der Sommeruniversität UPDATE Schwarzwald in 10 Thesen zusammen, die den Bürgermeistern und Akteuren vor Ort als Handlungsempfehlung dienen sollen. In den Thesen scheint die Komplexität und Vielfalt der studentischen Ergebnisse und der Fachvorträge auf:

4. An der Energiewende teilhaben und sie mitgestalten Umstellen auf landschaftsangepasste, auf lokale Kreisläufe ausgerichtete Konzepte der Energieerzeugung (ortsspezifischer Mix aus Wasserkraft, Windenergie, Bioenergie und/oder Solarenergie), Erhaltung der Kulturlandschaft Schwarzwald auch durch Energiewirtschaft.

1. Die Besonderheiten von Bernau und Menzenschwand nutzen Die Landschaft des Schwarzwalds, das eindrucksvolle tradierte Ortsbild, die Stille und Abgeschiedenheit des Tales bei gleichzeitiger Nähe zu Tourismuszentren und attraktiven Städten wie Freiburg und Basel. Damit haben die Orte genau das, was viele Menschen sich wünschen und wonach sie sich sehnen: Ländliche Ruhe in schöner Umgebung bei erreichbarer städtischer Vielfalt.

5. Erreichbarkeit und Anbindung verbessern Lücken in der ÖPNV-Versorgung durch Nutzung neuer Organisationsformen und Technologien (E-Bike, Car-Sharing, Ruftaxi etc.) schließen! Leistungsfähige Datennetze müssen überall zugänglich sein.

2. Neue Formen der Gastgeberkultur entwickeln Ein vielfältigeres Spektrum an Unterkünften (0 bis 4 Sterne), an Gastronomie und an Freizeitaktivitäten, um einen größeren Adressatenkreis zu erreichen; stärkere Einbindung in die Angebote der benachbarten Tourismuszentren Schluchsee und Feldberg.

6. Unterschiedliche Strategien, um Leerstände zu aktivieren und Nachfrage und Angebot bei den Immobilien zusammenzubringen Für die großen, heute schon zum Verkauf stehenden Objekte wie leerstehende Kliniken oder Hotels regionale Immobilienmessen veranstalten: Expo Real Schwarzwald! Auch ortsferne Institutionen wie zum Beispiel Universitäten, große Unternehmen und Verbände als Investoren oder Abb. 70: Jugendherberge in altem Schwarzwaldhaus in Men-

3. Nicht nur Tourismus! Es gibt eine wachsende Nachfrage von Städtern nach Auszeiten Rückzug für intensive Arbeitsphasen; Arbeitsplätze an unterschiedlichen Standorten; Zeit für die Pflege intensiver Hobbies usw. Hier sind Angebote auch in den sonst nachfrageschwächeren Jahreszeiten attraktiv.

zenschwand

121


Nutzer für die Umnutzung der Leerstände ansprechen. Kultur der Kooperation entwickeln: Für die vielen übrigen Objekte des Leerstands überlokal organisierte Tage der offenen Scheunen oder Leerstandsbörsen durchführen und neue Nachfragegruppen ansprechen. Gerade große Höfe überfordern oft einen einzelnen Haushalt. Gemeinsam mit anderen geeignete Nutzungs- und Finanzierungsmodelle finden. Bauherrengemeinschaften für Gruppenwohnprojekte im Schwarzwalddorf – um neue Wohnformen in großen Kubaturen zu ermöglichen. 7. Offenheit für temporäre Nutzungen Anreize geben, Leerstände und untergenutzte Bauten durch vorläufige oder befristete Nutzungen ins Gespräch zu bringen, probeweise zu nutzen und zu aktivieren! Das Bereitstellen von Raum für solche Aktivitäten als vorbildlich für die Entwicklung der Dorfgemeinschaft auszeichnen und unterstützen. Bauten leer stehen zu lassen ist keine Privatsache, sondern eine Angelegenheit des ganzen Dorfes. 8. Raum und Gelegenheit für Menschen mit Engagement, Energien und Ideen bieten Begabungen und Talente der Bewohner fördern, die gut ausgebildete Enkelgeneration zur Rückkehr ermutigen, Raumpioniere anlocken! PatchWork-Existenzen (moderne Formen gemischter Einkommen) ermöglichen! 9. Dörfliche Gemeinschaftseinrichtungen anreichern und hierfür den Leerstand nutzen Wenn sich allmählich die Bewohner- und Besucherstruktur ändert, werden auch andere Anforderungen an die gemeinschaftlich genutzten 122

Einrichtungen gestellt – von den Touristen, von den temporären Bewohnern und den Neuhinzugezogenen. Das neue Jugendhaus könnte ein erster Anfang sein. Selbst organisierte Gemeinschaftseinrichtungen fördern und interkommunal vernetzen. 10. Baukultur Schwarzwald weiter stärken Bernau und Menzenschwand mit ihrer einzigartigen historischen Bausubstanz können von jeder Stärkung der regionalen Baukultur profitieren. Umbauten und Neubauten sollten daher durch hohe architektonische Qualität und verantwortlichem Umgang mit der historischen Bausubstanz das Ortsbild bereichern. Die regionalen Wertschöpfungsketten von der Holzwirtschaft, über Sägerei und Zimmerei bis zum Innenausbau sind zu stärken.

Prof. Kerstin Gothe, KIT Karlsruhe Institut für Technologie Prof. Johann Jessen, Universität Stuttgart Prof. Antje Stokman, Universität Stuttgart


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ANHANG


PRESSE

Abb. 71: Im Zeitraum der Sommeruni sind verschiedene Zeitungsartikel in der lokalen Presse erschienen.

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ÖffenltichkeitsmaterialIEN

Abb. 72: Flyer und Briefkasteneinwurf mit Ankündigung

Bewerbung echow@kit.edu 2 an: philipp.d bis zum 15.6.201 Vordiplom n: Abgeschlossenes tur/ Voraussetzunge tung Architek in der Fachrich oder Bachelor ftsplanung. lanung/Landscha Städtebau/Stadtp max. zwei Seiten Lebenslauf und die Bitte einen kurzen ten beifügen, ten oder Fähigkei Vorarbei über mitbringen. Sie in das Projekt nde : max. 40 Studiere Gruppengröße Unterkunft g ca. 250 € für Unkostenbeitra ung und Verpfleg oder Stegreif als Wahlfach ECTS 3 Anerkennung: g und Bauen FG Regionalplanun Raum im Ländlichen Landschaft n von Stadt und Institut Entwerfe tur Fakultät für Architek für Technologie Karlsruher Institut

der SommerUniversität an die Bürger

tionen: p Weitere Informa schwand2012.ph mmerunimenzen rbl.iesl.kit.edu/so 81614703479/ com/events/3532 www.facebook.

von Bernau

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Men– Bernau und l im Strukturwandel arten Orte Schwarzwaldidyl Die beiden benachb packen’s an! aft des Südzenschwand lären Landsch der spektaku rungen liegen inmitten nden Verände doch die tiefgreife eitsschwarzwalds, s und Gesundh tschaft, im Tourismu waldhof in der Landwir sen: Schwarz ihre Spuren hinterlas Viele Höfe wesen haben einmal. war das waldklinik – leer, die und Schwarz haftet und stehen mehr bewirtsc men insolwerden nicht Gesundheitsrefor ber nach diversen Kliniken sind Verlust ihrer Arbeitge dem unter leiden vent, die Orte nun? die magnete. Was und Touristen erarbeitet, um uni werden Visionen mobilisieren, In der Sommer der Orte zu n Potenziale ren und bemerkenswerte and zu reaktivie hnlichen Baubest rk Südden ungewö für den Naturpa sformen innovative Nutzung zu entwickeln. schwarzwald

Veranstalter ktur, KIT Fakultät für Archite sität Stuttgart mit der Univer in Kooperation

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IN SOMMERUNI WAND MENZENSCH 2 8.8 – 17.8.201

rn, Schwarzwaldhäuse alten und neuen , sterbende GastLeerstände in n in der Insolvenz WohnSchwarzwaldklinike nichtssagende eits neue und Anforderungen höfe – und anderers Die durch die Ortsrändern. bauhäuser an den Kurbetriebs geformte mehr schaft und des scheint nicht der Landwirt alddörfer der Schwarzw Eine Klinik liche Struktur en zu passen. nen Nutzung 700 Einzu den verbliebe von gerade mal in einem Dorf Die gleiche mit 130 Betten und wozu? braucht das, aldhöfe, die wohnern – wer der Schwarzw Wirtschaftsteile volumens ausmaFrage trifft die Drittel des Gebäude Wohnmeist etwa zwei haben. Und der keine Nutzung chen und heute außen so urgemüt Drittel, das von n nde teil, das verbleibe Komfortansprüche im Inneren heutigen öhe ist lich scheint, ist dunkel, die Deckenh Es zieht, es ist dort einen langen völlig fremd: – kaum einer möchte en. Kachelof unter zwei Metern trotz r verbringen, Schwarzwaldwinte in diestecken – inne wohnt ein Zauber le? Doch jeder Krise ungeahnte Potenzia alddörfern nicht innovative sen Schwarzw viel Raum für wir heute so Wo sonst finden Konzepte?

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er der Jury: Gastkritik, Mitglied des VAI Abendvorträge, le (Geschäftsführerin - Marina Hämmer ) Architekturinstitut t Vorarlberger der Zeitschrif ein (Chefredakteur - Köbi Gantenb ige Hochparterre) l für Nachhalt Michaeli (Lehrstuh ) - Prof. Mark Land, TU München von Stadt und ng ntwickEntwicklu l für Ortsbilde Wagner (Lehrstuh - Prof. Christian , HTW Chur) splanung der lung und Siedlung arzwald sowie Naturparks Südschw - Vertreter des Gemeinden

SOMM

2 8.8 – 17.8.201 SCHWAND IN MENZEN

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126

:

Wir danken unseren Spendern

SommeRuni d und menZenSChWan


Abb. 73: FacebookSeite zur Sommeruni

127


Quellen

Burckhardt, Lucius: Warum ist Landschaft schön. Die Spaziergängerwissenschaft. Martin Schmitz Verlag, Berlin 2006: 92. Dannebeck, Sandra; Hoppe, Ansgar; Küster, Hansjörg; McCracken, David: Einflussfaktoren auf Kulturlandschaften: ein Überblick. In: Krzywinski, Knut; O’Connell, Michael; Küster, Hansjörg (Hrsg.): Wo Demeter ihre Felder hat und Pan zuhause ist: Europäische Kulturlandschaften. Bremen 2009, 47-54. Föhl, Patrick; Neisener, Iken: Kulturkonzept für den regionalen Wachstumskern (RWK) Prignitz, Studiengang Kulturarbeit der Fachhochschule Potsdam 2009. Innerschweizer Heimatschutz: Kriterien zur Förderung qualitätvollen Bauens. Luzern 2008. Krause, Werner: Zur Kenntnis der Wiesenbewässerung im Schwarzwald. Veröffentlichungen der Landesstelle für Naturschutz und Landschaftspflege in Baden-Württemberg 24, 1956, 484–507. Küster, Hansjörg: Das ist Ökologie. München 2005, 173. Küster, Hansjörg: Die Entdeckung der Landschaft. Einführung in eine neue Wissenschaft. München 2012. Küster, Hansjörg: Geschichte des Waldes. 3. Auflage, München 2008. Loos, Adolf: Regeln für den, der in den Bergen baut. In: Der Brenner, Heft 1, 1913, 40. Matthiesen, Ulf: Raumpioniere. In: Oswalt, Philipp (Hrsg.): Schrumpfende Städte. Ostfildern 2004 Mörsch, Carmen: KunstKur. Dortmund (GIAH GmbH) 2002 Richert, Wiebke: Den Strand unterm Pflaster entdeckt, die Sterne aufs Parkdeck geholt – „Nigihaven na der Zen“ – ein Sommerprojekt mit offenem Ausgang. In: Mandel, Birgit (Hrsg): Kulturvermittlung zwischen kultureller Bildung und Kulturmarketing. Bielefeld 2005 Schäfter, Ortfried: Lernen in der Zivilgesellschaft – aus der Perspektive der Erwachsenenbildung. In: Voesgen, Hermann (Hrsg.): Brückenschläge. Neue Partnerschaften zwischen institutioneller Erwachsenenbildung und bürgerschaftlichem Engagement. Bielefeld 2006 Voesgen, Hermann: Den Raum neu ordnen. In: Volke, Kristina (Hrsg.): Intervention Kultur. Wiesbaden 2010 Voesgen, Hermann: Zwischen Verwertung und Intervention: Kunst als lokale Wissensressource. In: Matthiesen, Ulf; Mahnke, Gerhard (Hrsg.): Das Wissen der Städte. Wiesbaden 2009 Wilmanns, Otti: Exkursionsführer Schwarzwald. Eine Einführung in Landschaft und Vegetation. Stuttgart 2001.

128


Abbildungen

Abb. 1-3:

Foto Luigi Pantisano

Abb. 4:

Foto Johannes Jörg

Abb. 5-6:

Foto Luigi Pantisano

Abb. 7:

Foto Kerstin Gothe

Abb. 8-10:

Foto Luigi Pantisano

Abb. 11-17:

Foto Hansjörg Küster

Abb. 18:

Zeichnung von Richard Schilling, Das alte malerische Schwarzwaldhaus, 1915

Abb. 19:

Foto Gerhard Zickenheiner

Abb. 20:

Foto Jeras 2000, Regierungspräsidium Freiburg, Referat Denkmalpflege

Abb. 21:

Foto Carmen Winkels

Abb. 22-23:

Foto Florian Rauch

Abb. 24:

http://commons.wikimedia.org/wiki/File:School_Paspels.jpg

Abb. 25:

Foto Ralph Feiner

Abb. 26:

Foto Milo Keller / www.milokeller.com

Abb. 27:

Foto Florian Rauch

Abb. 28:

Foto Börje Müller

Abb. 29:

Foto Florian Rauch

Abb. 30:

Foto Börje Müller

Abb. 31-33:

Foto Gerhard Zickenheiner

Abb. 34:

www.kunstbilder-galerie.de

Abb. 35:

Foto Gerhard Zickenheiner, Darstellung von F. Faller

Abb. 36-40:

Foto Gerhard Zickenheiner

Abb. 41:

Grafik Universität Bamberg, Masterstudiengang Denkmalpflege

Abb. 42-43:

Foto Christian Wagner

Abb. 44-48:

Foto Martin Wypior

Abb. 49:

Grafik Architektenkammer Baden-Württemberg, Kammerbezirk Freiburg

Abb. 50:

Foto Architektenkammer Baden-Württemberg, Kammerbezirk Freiburg

Abb. 51-66:

Foto Antje Stokman, Kerstin Gothe, Johannes Jörg, Luigi Pantisano

Abb. 67:

Foto Michael Krauss

Abb. 68:

Foto Luigi Pantisano

Abb. 69-70:

Foto Luigi Pantisano

Abb. 71:

Foto Luigi Pantisano

Abb. 72:

LUV Design I Büro für Gestaltung

Abb. 73:

Bildschirmfoto Luigi Pantisano 129


Dank

Dieses Projekt wurde gefördert durch den Naturpark Südschwarzwald mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg, der Lotterie Glücksspirale und der Europäischen Union (ELER) sowie durch die beiden Gemeinden Bernau und Menzenschwand.

Wir danken unseren Unterstützern:

130


SOMMERUNI 2012 Herausgeber Prof. Kerstin Gothe, Prof. Dr. Johann Jessen, Prof. Antje Stokman Institut Entwerfen von Stadt und Landschaft Karlsruhe Institut für Technologie Englerstraße 11, Geb 11.40 76131 Karlsruhe http://rbl.iesl.kit.edu Städtebau-Institut Institut für Landschaftsplanung und Ökologie Universität Stuttgart Fakultät Architektur und Stadtplanung Keplerstraße 11 70174 Stuttgart www.uni-stuttgart.de/si Redaktion Dipl. Ing. Luigi Pantisano Mitarbeit Johanna Kolb Layout LUV Design I Büro für Gestaltung luv-design.de Druck Walter Digital GmbH, Korntal-Münchingen

ISBN 978-3-00-043526-3 Copyright©2013 Universität Stuttgart

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ISBN 978-3-00-043526-3


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