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Die JVA Hindelbank – damals und heute

Die JVA Hindelbank –

damals und heute

Der Bau des Schlosses Hindelbank dauert von 1721–25. Es ist für fünf Generationen bedeutender Herrschaftssitz der Berner Patrizierfamilie von Erlach. In den 1850er-Jahren nimmt Maria Anna von Erlach-von Muralt in der Ross-Scheune «des pauvres enfants vagabonds» auf und führt während einiger Jahre eine private Armenanstalt.

1866 übernimmt der Kanton Bern das Schloss und betreibt darin während drei Jahrzenten eine staatliche Armen- und Verpflegungsanstalt für Frauen. 1895/96 wird die Institution in eine «Weiberarbeitsanstalt» umgewandelt und organisatorisch der damaligen Polizeidirektion unterstellt. Vorgesehen ist sie für Frauen, die auf der Grundlage des bernischen Arbeitsanstaltengesetzes von 1884 administrativ interniert werden. 1911 verlegt der Regierungsrat das «Weiberhaus» der Strafanstalt St. Johannsen nach Hindelbank. Fortan befinden sich Zwangsarbeits- und Strafanstalt unter einem Dach. Die anfänglich als Provisorium gedachte Zusammenlegung wird zu einer Dauerlösung und endet erst, als in den frühen 1980er-Jahren die Praxis der administrativen Versorgung durch den fürsorgerischen Freiheitsentzug ersetzt wird.

In den Jahren 1959–1966 entstehen Neubauten auf dem Areal. Das Schloss wird renoviert und als Verwaltungstrakt genutzt. 1970 folgt der Bau eines Hochsicherheitstraktes. 1995–1997 werden die Zellen vergrössert, Räume für Wohngruppen entstehen, und das Direktorenhaus wird zum Besucherhaus umgebaut. Gleichzeitig wird rund um das Gelände ein Zaun errichtet.

1992 wird der Landwirtschaftsbetrieb verpachtet. Ein Leitbild wird erarbeitet und der Vollzug in Hindelbank sozialpädagogisch ausgerichtet. 1995 übernimmt mit Marianne Heimoz erstmals eine Frau die Leitung der Justizvollzugsanstalt. Auf sie folgt 2011 die amtierende Direktorin Annette Keller.

Heute bietet die JVA Hindelbank als einzige Vollzugsanstalt für Frauen in der Deutschschweiz insgesamt 107 Haftplätze im offenen und geschlossenen Straf- und Massnahmenvollzug. Rund 110 Mitarbeitende (90 Vollzeitstellen) arbeiten in den Bereichen Sozialarbeit, Arbeit und Bildung, Sicherheit, Freizeit sowie Zentrale Dienste.

Ein Drittel sitzt wegen Tötungsdelikten

Rund die Hälfte der eingewiesenen Frauen sind Schweizerinnen, die andere Hälfte Ausländerinnen aus rund 30 Nationen. Das Durchschnittsalter liegt bei 40 Jahren. Am stärksten vertreten ist die Alterskategorie der 31- bis 40-Jährigen. Rund ein Drittel der Frauen wurde wegen Tötungsdelikten eingewiesen, ein weiteres Drittel wegen Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Die weiteren Straftaten betreffen unter anderem Diebstahl, Raub oder Betrug. Bei rund 40 Prozent der Eingewiesenen wurde eine psychische Störung diagnostiziert. Jede Zweite hat selbst Gewalt erlebt.

Die Frauen leben in sieben Wohngruppen, davon drei im Normalvollzug. In der Therapie-WG sind bis zu 17 Frauen, in der Wohngruppe Integration und Sicherheit acht Frauen untergebracht. Weitere sechs Plätze sind für Mütter mit Kindern vorgesehen. 12 Plätze bietet die Aussenwohngruppe. Jede Frau lebt in einer Einzelzelle, in die sie nachts eingeschlossen wird. Tagsüber bewegen sich die Eingewiesenen frei in der Wohngruppe und deren Räumlichkeiten. Die Zuteilung zur Wohngruppe erfolgt nach Vollzugsart, Sicherheitsstufe, Vakanzen sowie Profil der Eingewiesenen.

An den Werktagen arbeiten die eingewiesenen Frauen im Normalfall während sieben Stunden in den verschiedenen Werken: Biowerk (Gärtnerei und Tierpflege), Kochwerk, Packwerk, Stoffwerk, Waschwerk, Werkatelier sowie Hauswirtschaft. Für ihre Arbeit erhalten die Frauen keinen Lohn, sondern ein Entgelt von durchschnittlich 26 Franken pro Tag. Pro Monat kann so ein Einkommen von 400 bis 650 Franken erzielt werden, davon sind 50 Franken für die Zeit nach dem Austritt reserviert. Über einen Teil des Entgelts können die Frauen frei verfügen.

Ein Gefängnisplatz kostet pro Tag zwischen 358 Franken im Normalvollzug und 660 Franken in der höchsten Stufe des Sicherheitsvollzugs. Die Tarife legen die beteiligten Kantone fest. Die JVA Hindelbank verwaltet ein Budget von jährlich rund 15 Millionen Franken. Die soziale Reintegration ist der letzte Schritt im Vollzugsplan und hängt eng mit der Rückfallprävention zusammen. Wieder in den Freiheitsentzug eingewiesen werden rund 20 Prozent der Entlassenen – meist wegen Diebstahl und weiterer Delikte im Zusammenhang mit einer Drogensucht.

•• text: carole bolliger, fotos: zvg. jva hindelbank und michael orlik

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