STADT&LANDmagazin NOVEMBER 2021

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sicherheit

Die JVA Hindelbank – damals und heute

Der Bau des Schlosses Hindelbank dauert von 1721–25. Es ist für fünf Generationen bedeutender Herrschaftssitz der Berner Patrizierfamilie von Erlach. In den 1850er-Jahren nimmt Maria Anna von Erlach-von Muralt in der Ross-Scheune «des pauvres enfants vagabonds» auf und führt während einiger Jahre eine private Armenanstalt.

1866 übernimmt der Kanton Bern das Schloss und betreibt darin

rund 40 Prozent der Eingewiesenen wurde eine psychische Störung

während drei Jahrzenten eine staatliche Armen- und Verpflegungs-

diagnostiziert. Jede Zweite hat selbst Gewalt erlebt.

anstalt für Frauen. 1895/96 wird die Institution in eine «Weiberarbeitsanstalt» umgewandelt und organisatorisch der damaligen

Die Frauen leben in sieben Wohngruppen, davon drei im Normalvoll-

Polizeidirektion unterstellt. Vorgesehen ist sie für Frauen, die auf

zug. In der Therapie-WG sind bis zu 17 Frauen, in der Wohngruppe

der Grundlage des bernischen Arbeitsanstaltengesetzes von 1884

Integration und Sicherheit acht Frauen untergebracht. Weitere sechs

administrativ interniert werden.

Plätze sind für Mütter mit Kindern vorgesehen. 12 Plätze bietet die

1911 verlegt der Regierungsrat das «Weiberhaus» der Strafanstalt St.

Aussenwohngruppe. Jede Frau lebt in einer Einzelzelle, in die sie

Johannsen nach Hindelbank. Fortan befinden sich Zwangsarbeits-

nachts eingeschlossen wird. Tagsüber bewegen sich die Eingewie-

und Strafanstalt unter einem Dach. Die anfänglich als Provisorium

senen frei in der Wohngruppe und deren Räumlichkeiten. Die Zu-

gedachte Zusammenlegung wird zu einer Dauerlösung und endet

teilung zur Wohngruppe erfolgt nach Vollzugsart, Sicherheitsstufe,

erst, als in den frühen 1980er-Jahren die Praxis der administrativen

Vakanzen sowie Profil der Eingewiesenen.

Versorgung durch den fürsorgerischen Freiheitsentzug ersetzt wird. An den Werktagen arbeiten die eingewiesenen Frauen im Normalfall In den Jahren 1959–1966 entstehen Neubauten auf dem Areal. Das

während sieben Stunden in den verschiedenen Werken: Biowerk

Schloss wird renoviert und als Verwaltungstrakt genutzt. 1970 folgt

(Gärtnerei und Tierpflege), Kochwerk, Packwerk, Stoffwerk, Wasch-

der Bau eines Hochsicherheitstraktes. 1995–1997 werden die Zellen

werk, Werkatelier sowie Hauswirtschaft. Für ihre Arbeit erhalten die

vergrössert, Räume für Wohngruppen entstehen, und das Direktoren-

Frauen keinen Lohn, sondern ein Entgelt von durchschnittlich 26

haus wird zum Besucherhaus umgebaut. Gleichzeitig wird rund um

Franken pro Tag. Pro Monat kann so ein Einkommen von 400 bis 650

das Gelände ein Zaun errichtet.

Franken erzielt werden, davon sind 50 Franken für die Zeit nach dem Austritt reserviert. Über einen Teil des Entgelts können die Frauen

1992 wird der Landwirtschaftsbetrieb verpachtet. Ein Leitbild wird

frei verfügen.

erarbeitet und der Vollzug in Hindelbank sozialpädagogisch ausgerichtet. 1995 übernimmt mit Marianne Heimoz erstmals eine Frau die

Ein Gefängnisplatz kostet pro Tag zwischen 358 Franken im Normal-

Leitung der Justizvollzugsanstalt. Auf sie folgt 2011 die amtierende

vollzug und 660 Franken in der höchsten Stufe des Sicherheitsvoll-

Direktorin Annette Keller.

zugs. Die Tarife legen die beteiligten Kantone fest. Die JVA Hindelbank verwaltet ein Budget von jährlich rund 15 Millionen Franken.

Heute bietet die JVA Hindelbank als einzige Vollzugsanstalt für

Die soziale Reintegration ist der letzte Schritt im Vollzugsplan und

Frauen in der Deutschschweiz insgesamt 107 Haftplätze im offenen

hängt eng mit der Rückfallprävention zusammen. Wieder in den Frei-

und geschlossenen Straf- und Massnahmenvollzug. Rund 110 Mitar-

heitsentzug eingewiesen werden rund 20 Prozent der Entlassenen

beitende (90 Vollzeitstellen) arbeiten in den Bereichen Sozialarbeit,

– meist wegen Diebstahl und weiterer Delikte im Zusammenhang mit

Arbeit und Bildung, Sicherheit, Freizeit sowie Zentrale Dienste.

einer Drogensucht.

Ein Drittel sitzt wegen Tötungsdelikten Rund die Hälfte der eingewiesenen Frauen sind Schweizerinnen, die andere Hälfte Ausländerinnen aus rund 30 Nationen. Das Durchschnittsalter liegt bei 40 Jahren. Am stärksten vertreten ist die Alterskategorie der 31- bis 40-Jährigen. Rund ein Drittel der Frauen wurde wegen Tötungsdelikten eingewiesen, ein weiteres Drittel wegen Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Die weiteren Straftaten betreffen unter anderem Diebstahl, Raub oder Betrug. Bei 6

•• text: carole bolliger, fotos: zvg. jva hindelbank und michael orlik


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