Wisperzimmer

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Marie T. Martin Wisperzimmer Gedichte

poetenladen


Erste Auflage 2012 © 2012 poetenladen, Leipzig Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-940691-33-0 Illustration und Umschlaggestaltung: Miriam Zedelius Druck: Pöge Druck, Leipzig Printed in Germany poetenladen, Blumenstraße 25, 04155 Leipzig, Germany www.poetenladen-der-verlag.de www.poetenladen.de verlag@poetenladen.de


Help me here. Whisper it. What can I What can I give to a child In farewell? Soly, speak soly. In farewell to a child who is sleeping Give? What can I give but a dream? Seán Rafferty


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Was die T端rangel mir versprach

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Als ich noch hören konnte was die Türangel mir versprach und ich lauschte dem vielstimmigen Karpfenchor wie er zitierte aus dem großen Buch der Pappel war mein Kopf so groß dass der Mond hineinpasste und meine Hände wuchsen ins Gras als ich noch lauschte dem Karpfenchor der Ordnung vieler Stimmen versuchte ich zu dirigieren mit einem Strohhalm ich fing einen Igel weil diese Tiere unterm Laub Dinge gelernt haben Musiktheoretisches Notenlinien auf alten Blättern der Igel sagte mir nichts die Karpfen sangen wie sie es vom Grund auf gelernt haben als zitierten sie aus dem großen Buch der Pappel dies wenigstens kannte ich ein sinniges Werk voller Vibrationen verstand immerhin dass der Mond zu weit war und ich lieber Türknöpfe suchen sollte einen Brieastenschlitz Grasnarben um Salbe darauf zu streichen so wie später auf Bruchstellen im Satz wenn ein Wort fehlt das noch wachsen soll ein Stückchen Haut gewisse Zellschichten in denen sicher das Wissen der Pappeln lagert und draußen ein Köder Licht damit du in den Tag gehst

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Was zwischen den Gräsern verloren ging Libellenlieder auf und nieder haben wir uns nach der Geburt getroffen selbst das Atmen ist zu laut wenn ein Flügel über das Grün geht wird es bestimmt ein Verwandter sein oder liegt der Kiesweg vor der Wiese still tippeln Füße über Steine die sagen könnten was sie wissen Schachtelhalm Knabenkraut Wabenwürfel Fühler spüren an den Fußsohlen was du denkst auf und wieder es ist nicht viel was zwischen den Gräsern verloren ging

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Deine Finger brizzeln wie elektrische Stäbe berühr nicht zu viel es könnte zerfallen der Frosch in der Hecke Tuja der Gesang von Grün wenn du dich wegdrehst ist er vielleicht noch lebendig oder nur hälig gestoben mit links weinst du die Kaulquappen in den Becher auf der anderen Seite Zickzacktannen dort wohnt die Säge reißt Stücke aus dem Wald berühr nicht zu viel es könnte zerfallen du musst nur die Augen rasch öffnen und alle Birken beginnen zu blühen

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Heute nicht heute geht der Wind so komisch alle Zitronen im Kreis beginnen zu leuchten heute nicht heute liegen Waren auf dem Lauand zur Kasse du hast wohl das meiste davon gekau darunter den Fisch mit den schillernden Flossen das ludicht verpackte Kraut ohne Namen heute nicht heute sind die Tüten mit Wasser gefüllt hängt wirklich ein Farnstrauß am Mantelhaken und Regen Limetten der windstille Ort dort drüben im Flur sieht dich die Katze dort schaffst du den Weg zur Küche nicht mehr dort sieht dich am frühen Abend die Katze und schließt deine grünen Augen zu schnell

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Im Wisperzimmer sind alle Geschichten ein Rascheln blättrige Narben ohne Anfang und Ende wo ist das Echo gelagert wenn keiner mehr singt im Wisperzimmer sind Blattlichter Äste aus Stimmen hier strecken sich Ende und Anfang entgegen hier liegt was erklingt wenn wir jünger werden wenn wir Blattspitzen sind im Wisperzimmer der Birken

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Inhalt

Was die Türangel mir versprach

Als ich noch hören konnte 11 Was zwischen den Gräsern verloren ging 12 Deine Finger brizzeln wie elektrische Stäbe 13 Kennst du die Namen der Blumen nicht 14 Unter Zwielichtdecken 15 Poch Poch die Vögel am Fenster 16 Ich wollte nach dem Inneren 17 Im Treppenhaus wächst Klee 18 Im Schatten der Garagen 19 Heute nicht heute geht der Wind 20 Im Wisperzimmer 21

Ich schweige anders als die Fische

Draußen ein Fetzen Segeltuch 25 Seit Tagen schon keine Zeile 26 Landkarte 27 Ich schweige anders als die Fische 28 Ist das nicht Leidenscha 29 Südwärts 30 Wir schwanken noch 31


Warum der Kalender rückwärts läuft

Wir fingen die Raben im Schlaf 35 Sieh nach was du findest 36 Wir müssen nicht tun als ob 37 Lesen wir uns gegenseitig 38 Kein Name vergeben 39 Werden wir Schneeflocken 40 Dies ist die Bar der vorgerückten Stunden 41 Lege Spuren über den Rand 42 Was ist der Nennwert 43

Versteck unter Efeudecken

Tamarisken ein Tanz 47 Warum die Pappel so zittert 48 Ins dunkle Baumspalier 49 Windlichter fliegende Kerzen 50 Kleefelder du wusstest nicht 51 Du weißt jeder Abend 52 Dreht euch im Kreis 53 Verbündete unter den Spatzen 54 Siehst du wie du Lichterketten 55 Alle Decken sind zu dünn geworden 56

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Wieviele Farben hat die Hand

Hier wächst ein Baum aus Licht 61 Ein Glas halbvoll mit Wasser 62 Ich möchte dir noch vorlesen 63 Der kürzeste Tag im Jahr 64 Nimm ein Blatt vor den Mund 65 Hege das Licht 66 Ein Mann mit einer Palette 67 Ich erhaschte den Saum 68 Wie ich dich am Bahnhof erkenne 69

Takt an Land

Und übten doch den Takt an Land 73 Drei Kinder die einen Faden spannen 74 An jeder Klinke führt ein Tanz vorbei 75 Dreiundvierzig Muskeln bewegen sich 76 Das Hundertvierundvierzig-Teile-Set 77 Und überall können wir singen 78 Und der Bus fährt zu den Gärten 79 Dies ist das Paradies nicht wahr 80 Die Kreuzung an der wir unentwegt stattfinden Dank

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arie T. Martin, geboren 1982 in Freiburg, studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und absolvierte eine Ausbildung zur eaterpädagogin. Sie lebt in Köln. 2007 erhielt sie den Förderpreis des MDR-Literaturwettbewerbs und 2008 das Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium. 2010 war sie Stipendiatin der Stadt Köln in Istanbul. Nach ihrem Erzählband Lupost (poetenladen 2011) erscheint mit Wisperzimmer ihr Lyrikdebüt.

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inige Gedichte von Marie T. Martin gehören nicht nur zu den neuzeitlichen Zaubersprüchen, sondern sie wissen den Leser auf eine Art zu berühren, wie es in der heutigen Lyrik selten der Fall ist. Im Bewusstsein der Vergänglichkeit, auch der Vergänglichkeit des Schönen, gelingen ihr fragile poetische Gebilde: verletzlich, tröstlich und heilsam. Ihre Gedichte wagen den Anruf und Anklang an die Epoche der Romantik und scheuen sich nicht vor einem wahren Pathos, das alle Zeit Kennzeichen großer Dichtung war und ist. Tom Schulz

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Marie T. Martin Wisperzimmer Gedichte Leipzig: poetenladen 2012 Gebundene Ausgabe 16.80 EUR ISBN 978-3-940691-33-0



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