Powision #3 - Extrem is muss

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Extrem is´ mus(s)!


Liebe Lesende, Den staatliche Umgang mit Ausländern - ein klassisch linkes Thema - stellt Markus Henn in Frage und bringt einen ideell negierten Nationalstaat gegen faktisch negierte Menschen in Stellung. Das darauffolgende Interview mit einem Exil-Iraner aus Leipzig öffnet den Blick auf die ganz realen Probleme dieser, an den Rand gedrückten, Menschen.

Was haben wir im Sommer 2006 nur getan? Wir haben nach der Zukunft der Universität gefragt, im Winter darauf nach der Zukunft der Studierenden und diesesmal beschäftigt uns die Zukunft der Gesellschaft. Extremismus wird immer ein viel diskutiertes Thema sein, nicht zuletzt, weil die gesellschaftliche Mitte die Landschaft politischer Anschauungen festlegt. Sie setzt Gebiete ins Zentrum, an den Rand oder außerhalb der „Normalität“. Je nachdem, wo sich ein Gebiet befindet, muss es sich rechtfertigen, verteidigen oder gegen allzu viel Nähe abgrenzen. Diese Ausgabe richtet sich an den Fragen aus, wo finden sich Extremismen, wie wird ihnen begegnet und auf welche Art zeigen sie sich.

Die Artikel von Ken P. Kleemann und Daniel Mützel erlauben noch einmal eine differenzierte Sichtweise auf das Extremismusproblem im Allgemeinen sowie auf dessen islamisch-fundamentalistischen Variante im Speziellen. Das Magazin schließt mit einer Betrachtung des politischen Extremismus von links. Einerseits erfolgt ein allgemeiner Aufruf zu vermehrter Forschung über das Phänomen, andererseits ein privates Resümee der Ereignisse um den G8-Gipfel in Heiligendamm.

Der erste Artikel bezweifelt, dass die „permanente Überwachung aller Europäer“ durch die Vorratsdatenspeicherung mit der privaten Selbstbestimmung des Einzelnen in Einklang steht. Im (unbeabsichtigten) Dialog dazu steht der Artikel von Michael Klemm, der nach einem neuen Verständnis von Freiheit und Sicherheitsbedürfnis fragt.

Die stark gestiegene Leserzahl des letzten Magazins läßt uns eine (stille) Diskussion der Artikel vermuten, der wir Raum geben wollen. Wir nehmen gerne Leserbriefe an und veröffentlichen sie zeitnah auf unserer Homepage. Wir rufen außerdem zur Mitarbeit in unserer Projektgruppe auf. Es sind keine speziellen Voraussetzungen nötig, um Vortragsreihen und Workshops zu organisieren oder Magazine herauszugeben. Jeder kann sich beteiligen und seine Ideen einbringen. Zukünftige Autoren sind ebenso willkommen.

Die Lage der „deutschen Nation“ offenbart einen „Extremismus der Mitte“. Ob als Kontrast oder als Ausblick auf die zukünftige Masse der Gesellschaft, mag der Leser entscheiden, jedenfalls hat Anna von Arnim genau hingehört, wie die allgemein Verdächtigten der extremen Rechten Jugendliche aus der Mitte abholen wollen. Explizit kann dies bei Christina Kaindl verfolgt werden. Sie zeigt, wie rassistische Gewalt als Globalisierungskritik gesehen werden kann.

Die Redaktion wünscht eine anregende und kontroverse Lektüre!

Bevor die Frage in den Mittelpunkt rückt, ob es auch jenseits von ideologischer Fremdenfeindlichkeit zweifelhaften Umgang mit Ausländern gibt, weist Michael Stephan auf eine Debatte um den Extremismus ganz anderer Art hin: die freie Gesellschaft wird durch „Environmentalism“ torpediert.

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Inhaltsverzeichnis 4

Autorenverzeichnis

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Extremismus und Überwachung von Dirk Weil

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Wie bekämpft man jemanden, der sterben will? von Michael Klemm

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Zur diskursiven Lage der „deutschen Nation“ von Elena Buck, Stefan Kausch, Gregor Wiedemann

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Kinderlein kommet ... von Anna von Arnim

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Grenzen lokaler Demokratie von Daniel Schmidt

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Die Konstruktion des „Fremden“ von Susanna Karawanskij

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Völkischer Antikapitalismus von Christina Kaindl

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Ökoextremismus von Michael Stephan

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Border, Nation: Deportation von Markus Henn

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Die Aufschiebung der Abschiebung Interview mit einem Exil-Iraner

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Nationalismus als Konstrukt von Julian-Christopher Marx

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Kulturkampf, „Leitkültür“ oder Mekka in Deutschland oder was? von Ali Ertan Toprak

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Beim Untergang der Titanic ... von Henryk M. Broder

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LaLa-Land von Ken P. Kleemann

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Postmoderne Verwirrspiele von Daniel Mützel

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„Autonome Bewegungen“ von Michael Klemm

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G8 – Großdemonstrationen und ihre Folgen von Richard Oertel

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Impressum

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AutorInnen

ANNA VON ARNIM hat an der Universität Leipzig Politik- und Kulturwissenschaft studiert. HENRYK M. BRODER ist Journalist, Publizist und Schriftsteller. Er schreibt unter anderen für den „Spiegel“ und den „Tagesspiegel“. Das FORUM FÜR KRITISCHE RECHTSEXTREMISMUSFORSCHUNG (FKR) ist eine Gruppe engagierter StudentInnen und NachwuchswissenschaftlerInnen innerhalb des Vereins Engagierte Wissenschaft e.V. MARKUS HENN ist Sprecher des Münchner Flüchtlingsrats (MFR) und Student der Politikwissenschaft. SUSANNA KARAWANSKIJ ist Projektkoordinatorin des DAPHNE-Forschungsprogramms RYPP am Institut für Politikwissenschaften an der Universität Leipzig. CHRISTINA KAINDL promoviert derzeit in Politologie und arbeitet zu Rechtsextremismus, Subjektivierung im High-Tech-Kapitalismus und Kritischen Wissenschaften. KEN P. KLEEMANN studiert Politikwissenschaft an der Universität Leipzig. MICHAEL KLEMM studiert Politikwissenschaft und Verwaltungswissenschaft an der Universität Leipzig und ist Mitglied im Leipziger Studentischer Arbeitskreis für Sicherheitspolitik (LeipSich). JULIAN-CHRISTOPHER MARX studiert Politikwissenschaft an der Universität Leipzig. DANIEL MÜTZEL studiert Politikwissenschaft an der Universität Leipzig. RICHARD OERTEL war Teilnehmer an den diesjährigen G8-Gipfelprotesten. MICHAEL STEPHAN ist Student der Amerikanistik und Politikwissenschaft an der Universität Leipzig und derzeit an der Karlsuniversität in Prag. DANIEL SCHMIDT ist Dozent im Bereich der Politischen Theorie am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Leipzig. ALI ERTAN TOPRAK ist Generalsekretär der Alevitischen Gemeinde Deutschland e.V. DIRK WEIL ist Mitarbeiter im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung und studiert Politikwissenschaft an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.


Extremismus und Überwachung Powision - We know what you did last summer ... Wann immer man sich mit Fragen der Überwachung beschäftigt, gilt es die Frage zu beantworten, ob - und wenn ja - in welcher Weise Überwachung unseren Alltag beeinflusst. Schließlich, so die gängige Meinung, habe man ja nichts zu verbergen. Michel Foucault beschrieb in „Überwachen und Strafen – Die Geburt des Gefängnisses“, wie sich das Wissen um die eigene Überwachung auf das Verhalten der Überwachten auswirkt: Die Folge ist eine Selbstkonditionierung auf die Maßstäbe der Überwacher.

Funktionsbedingung eines auf Handlungsund Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.“2 An dieser Feststellung müssen sich alle Überwachungsmaßnahmen oder sonstige Maßnahmen messen lassen, deren anfallende Daten geeignet sind, zur Überwachung umgewidmet zu werden.3 Eine Überwachungsmaßnahme, insbesondere dann, wenn Sie in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung eingreift, darf nur angewendet werden, wenn andere Maßnahmen nicht Erfolg versprechend sind. Aufgrund der großen Eingriffstiefe kamen Überwachungsmaßnahmen bislang nur in Ermittlungsverfahren zur Aufklärung schwerer Kriminalität zur Anwendung. Die Liste der Straftaten, bei denen beispielsweise die Telekommunikation überwacht werden darf, umfasst im Wesentlichen schwere Delikte wie z. B. Bildung einer terroristischen Vereinigung, organisierte Kriminalität, Rauschgiftdelikte und auch Mord. Weiterhin sind diese Maßnahmen nur dann zulässig, wenn ein Richter deren Anwendung im laufenden Verfahren genehmigt. Dem Richter fällt es zu, die Persönlichkeitsrechte in Vertretung für die verdächtigte Person zu wahren.4

Dass die These von der Selbstkonditionierung greift, kann am eigenen Beispiel im Alltag beobacht werden: Fährt man an eine Ampel heran, die gerade auf „gelb“ gesprungen ist, wird man im Regelfall noch beschleunigen und durchfahren. Ist diese Ampel jedoch mit einer Kamera überwacht, wird man eher scharf bremsen.1 Akzeptiert man diesen Einfluss der Überwachung, so lässt sich erwarten, dass eine bewusste Überwachung bestehende Normen verengt, da die so internalisierte Überwachung Verhaltensweisen unterbindet, die man unter anderen Umständen als eventuell grenzwertig, aber noch akzeptabel angesehen hätte. Überspitzt ausgedrückt schafft Überwachung neue „Extreme“ durch Verengung dessen, was als Norm betrachtet wird.

Musste bei allen bislang verabschiedeten Maßnahmen unabhängig von ihrer Eingriffstiefe ein begründeter Anfangsverdacht zur Anwendung vorliegen, so wird mit der Vorratsdatenspeicherung eine neue Qualität der Überwachung erreicht: Die permanente Überwachung gilt für alle Europäer.

Dass es sich hierbei nicht um eine schlichte Hypothese handelt, wird mit einem Blick in die Urteilsbegründung zum Volkszählungsurteil deutlich. Das Bundesverfassungsgericht führte aus: „Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. [...] Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare

Dies kommt de facto einer Abkehr von der Unschuldsvermutung hin zum permanent erforderlichen „Unschuldsbeleg“ gleich. Bundesinnenminister Schäuble bestätigte diese Annahme im Interview mit dem Stern, in dem er deutlich machte, „dass der Grundsatz der Unschuldsvermutung im Kampf gegen terroristische Gefahren nicht gelten könne“.5

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heutiger Diktion unnötig und hinderlich ist.

Durch die Nutzung von Telefonie- und Internetdiensten lassen sich auch ohne die Überwachung des gesprochenen Wortes aus Rufnummern und Anrufzeiten weitgehende Informationen über Lebensrhythmus, Kontakte und Interessen gewinnen (z. B. Hotlines, Datinglines, Telefonseelsorge). Durch die Verbreitung der Mobiltelefonie werden diese Daten weiter individualisiert, da ein Mobiltelefon – im Gegensatz zu Festnetzanschlüssen – im Regelfall nur von einer Person genutzt wird. Zudem ist eine räumliche Ortung des Mobilfunknutzers und somit die Erstellung eines Bewegungsprofils möglich.

Dabei bedarf es keiner Diktatur oder schlechter Menschen an Schlüsselpositionen, um die gesammelten Daten und die geschaffene Infrastruktur rechtsstaatswidrig zu nutzen. Es ist erstaunlich, welches Eigenleben Organisationen und Apparate entwickeln können. Donald N. Michael legte 1971 dar, dass die Ausweitung von Befugnissen der eigenen Organisation zwar nicht das Ziel, aber immanente Konsequenz der Existenz einer Organisation ist.6 In der politischen Debatte entwickelte sich zudem eine Spirale rhetorischer Antiterrorlogik, der zu entrinnen nahezu unmöglich ist. Wer Fragen nach Vereinbarkeit bestimmter Maßnahmen mit dem Grundgesetz stellt, riskiert damit, als Terrorhelfer gebrandmarkt zu werden. Und welcher Politiker mag schon riskieren, als allgemein bekanntes Sicherheitsrisiko zu gelten? Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass auf diese Weise Menschen in die Nähe von Extremisten gerückt werden, die sich gerade für den Erhalt einer freiheitlichen Grundordnung einsetzen…

Durch die Vorratsdatenspeicherung ist die Erstellung solcher Profile künftig im Nachhinein auf sechs Monate möglich, sollten sich die Bundesländer mit ihren Forderungen durchsetzen wäre es gar ein Jahr. Eine Aufzählung der zu speichernden Daten würde den Rahmen des Artikels sprengen, kurz zusammengefasst wird folgendes protokolliert: Die Identität der Nutzer, Rufnummer bzw. Kennung, Standort, Art der genutzten Dienste und Geräte sowie Zeitpunkt und Dauer der Nutzung.

Dennoch, es geht auch anders: Das kanadische Parlament hat im Frühjahr 2007 die Verlängerung der dortigen Antiterrorgesetze abgelehnt.

Eine Speicherung der Inhaltsdaten ist nicht vorgesehen, jedoch ist diese manchmal unvermeidlich, da bspw. bei SMS und MMS keine Trennung von Inhaltsund Protokolldaten erfolgt. Ebenso ist die Speicherung der E-Mail Betreffzeilen vorgesehen, die häufig Rückschlüsse auf den Inhalt der Kommunikation zulassen.

DIRK WEIL

Damit einher geht eine direkte Schwächung der europäischen Presse. Welcher potentielle Informant wird künftig – die CiceroAffäre im Hinterkopf – das Risiko auf sich nehmen, Pressevertreter auf Missstände aufmerksam zu machen, wenn er damit rechnen muss, dass ein einfacher Blick in die Protokolldateien seine Identität offenbart?

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Vgl. http://hosting.zkm.de/ctrlspace/d/intro (letzter Zugriff: 27.06.07) 2

BVerfGE 65, S. 43

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Anm. d. Autors: Z. B. die Mautdatenerfassung des TollCollect-Systems. 4

Anm. d. Autors: Leider zeigt die Studie des Max-PlanckInstituts für ausländisches und internationales Strafrecht zur TKÜ, dass die Richter eine Prüfung der Anträge im Wesentlichen für überflüssig halten. 5

Vgl. http://www.stern.de/politik/deutschland/:WolfgangSch%E4uble-Im-Zweifel-Angeklagten/587226.html (letzter Zugriff: 27.06.07)

Natürlich stellt sich die Frage, ob der Bürger einem demokratischen Staat nicht so weit vertrauen sollte, dass die erfassten Daten nicht missbraucht werden. Das erfordert jedoch eine Kontrolle der Überwacher, die nach

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Vgl. Michael, Donald N. (1971), Democratic Participation and Technological Planning, in: Harvard Studies in Technology and Society Information, Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts, S. 292

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Wie bekämpft man jemanden, der sterben will? Seit den versuchten Anschlägen auf zwei Regionalzüge der Deutschen Bahn mittels so genannter Kofferbomben im Juli 2006 ist Deutschland nicht länger nur Rückzugsraum sondern auch Operationsgebiet islamistischer Terroristen geworden.1 Soviel nichts Neues. Schäuble erzählt es uns jeden Tag. An seiner Hand auch gleich Maßnahmen zur Abwehr der terroristischen Gefahr: Luftsicherheitsgesetz, Rasterfahndung, Vorratsdatenspeicherung, Anti-Terror-Datei, Telekommunikationsüberwachung. Doch warum bräuchten wir Instrumente zur Gefahrenabwehr, die zum Teil weit im Vorfeld einer konkreten Gefahr oder Straftat ansetzen?

westlicher Gesellschaften entdeckt haben und ausnutzen: Kriegerehre und bedingungslose Opferbereitschaft sind uns nach zwei Weltkriegen fremd.4 Niemand erwartet von uns, dass wir unser Leben als Waffe einsetzen und auch von niemand anderen erwarten wir, derartiges zu tun oder würden Sie ein entführtes, vollbesetztes Passagierflugzeug, das über einer deutschen Großstadt zum Absturz gebracht werden soll, abschießen lassen? Der islamistische Terrorismus setzt hier an und fordert die postheroische Gesellschaft heraus indem er ihr Verhältnis zu Leben und Tod asymmetrisch gegen sie wendet: „Amerikaner lieben das Leben, unsere Krieger lieben den Tod“.

Terroristen sind nicht geisteskrank

Nichtstun ist (k)eine Lösung

Obwohl uns Selbstmordattentäter verrückt erscheinen, sind sie nicht geisteskrank. Sie handeln vor dem Hintergrund ihrer Informationen und ihrer Normen sehr rational.2 Terroristen, die den Verlust des eigenen Lebens planmäßig in Kauf nehmen, glauben, dass, während sie Recht haben, alle anderen im Unrecht sind. Die „Richtigkeit“ ihrer Sache berechtigt sie für die Unterstützung derselben zu töten und zu verletzen. Sich einer terroristischen Gruppe anzuschließen ist dabei eine endgültige Entscheidung und diejenigen, die sich zu einem solchen Schritt entschließen, distanzieren sich moralisch vom Rest der Gesellschaft. Dies engt ihren Blick ein und macht sie gegenüber eher rationalen Sichtweisen blind. Das terroristische Selbstmordattentat schließlich wird zur Belohnung für die Entbehrungen während des harten Trainings, die Überwachung durch die Gruppenmitglieder und die Angst vor Entdeckung.3

Wie bekämpft man jemanden der sterben will? Für Gesellschaften im Krieg fällt die Antwort leicht: Japanische KamikazePiloten sollten möglichst abgeschossen werden, bevor sie einen selbst in die Luft jagen konnten. Israel, das unter terroristischen Attentaten bisher am schlimmsten leidet, macht es sich zur Sicherheitsdoktrin, potenzielle palästinensische Selbstmordattentäter zu verhaften oder im Zweifelsfall zu erschießen. Heute aber befinden sich nur wenige westliche Gesellschaften im Krieg und trotzdem ist die Bedrohung durch terroristische Anschläge, z.B. mit entführten Passagierflugzeugen, nicht länger Utopie. Wenn Schäuble nun wieder an einem neuen „Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz“ schnürt, dann nicht, weil er seit dem an ihm verübten Attentat an einer unbehandelten posttraumatischen Belastungsstörung leidet5, sondern weil er eine Antwort auf die Frage zu finden sucht, wie man jemanden bekämpft der sterben will. Im wissenschaftlichen Diskurs steht er damit einer zweiten Denkschule allein gegenüber, die auf diese Frage einfach nur die Antwort „heroische Gelassenheit“ gibt.6 Terroristen, die den Verlust des eigenen Lebens planmäßig in Kauf nehmen, könne man nicht aufhalten, sondern müsse ihre Anschläge solange aussit-

Asymmetrisierung von Leben und Tod Terroristische Selbstmordanschläge stellen für uns eine irrationale Bedrohung dar, weil islamistische Terroristen die ihrer Meinung nach fundamentale Schwäche

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zen bis sich die Überlegenheit des demokratischen Rechtsstaats quasi von selbst einstellt. Natürlich kann der Zeitgeistanalytiker Münkler keine Anzahl von ausgesessenen Anschlägen auf einen demokratischen Rechtsstaat nennen, die auch den letzten Terroristen von der Überlegenheit desselben überzeugen. Muss er auch nicht. Die Gefahr wird abgewehrt indem sie ausgesessen wird: Terrorismus ein „Risiko“ wie Arbeitslosigkeit.

Passgesetzgebung, Vorratsdatenspeicherung, Videoüberwachung und Anti-Terror-Datei haben nicht den Sinn, den Sicherheitsbehörden ihre Arbeit so effizient wie möglich zu machen, sondern effektive Gefahrenabwehr unter Wahrung der Rechte der Betroffenen und Dritter zu gewährleisten. Gelegentlich wird behauptet, dass diese Gesetze nicht dazu geeignet seien, die angestrebten sicherheitspolitischen Ziele zu erreichen und symbolische Politik seien.8 Wenn aber die Antwort auf die Dekonstruktion von Symbolen durch den Terrorismus tatsächlich die Konstruktion weiterer Symbole ist, besitzt auch dies eine Funktion: Symbole stellen ein Folie dar, politische Grundorientierungen, Werte und Normen zu vermitteln und Politik in ihrer Komplexität erfahrbar zu machen.

Nenn- und Symbolwert der Sicherheitsgesetzgebung Tatsache ist, dass jemand der sterben will, mit den uns derzeit zur Verfügung stehenden Mitteln der Gefahrenabwehr unerkannt bleibt und die Bombe weit in die Mitte der Gesellschaft trägt. Soll aber Gefahrenabwehr effektiv bleiben, können wir vor der Transnationalisierung solcher, vermeintlich „irrationaler“ Bedrohungen nicht so tun, als könne man diese schadlos aussitzen. Um die Menschen in ihrem Vertrauen zu dem Gemeinwesen, in dem sie leben, und seine Institutionen zu stärken, ist das Polizeiund Ordnungsrecht deshalb wieder verstärkt zum Instrument gefahrenabwehrender Politik geworden.7 Luftsicherheitsgesetz,

Richtig ist, dass Polizei und Nachrichtendienste den Bürgern in komplexen Gesellschaften mit ihren vielfältigen Bedrohungen keine hundertprozentige Sicherheit vor Anschlägen garantieren können. Aber man kann sie davon überzeugen, dass sie ihr Bestes tun werden um Anschläge zu verhindern und dass sie dafür über alle geeigneten, erforderlichen und angemessenen Möglichkeiten verfügen.

MICHAEL KLEMM

1

Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 2006 (Vorabfassung), S. 193

Traumata die Urteilsfähigkeit des Ministers?“, in: Telepolis, 10.04.2007, <http://www.heise.de/tp/r4/artikel/ 25/25046/1.html>

2

Elwert, Georg: Weder irrational noch traditionalistisch. Charismatische Mobilisierung und Gewaltmärkte als Basis der Attentäter des 11. September, in: Clausen/ Geenen/Macamo (Hrsg.), Entsetzliche soziale Prozesse. Theorie und Empirie der Katastrophen, Münster 2003, S. 95

6

Münkler, Herfried: „Psychische und ökonomische Ermattung“, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 145, Seite 13 (27.05.2006) 7

Klemm, Michael: Polizeirecht und Verfassung. Einschränkungen der Grundrechte durch das sächsische Polizeigesetz, 2006 (Seminararbeit)

3

Milton, Rod: The psychology of terrorism, in: Australian Defence Health Services, 7 (2006), S. 62

8

Preuß, Torsten: Symbolische Politik. Über die Wirksamkeit ausgewählter deutscher Sicherheitsgesetze. Ergänzt um diskurstheoretische Überlegungen, 2007 (Magisterarbeit)

4

Böhm, Andrea: „Kein Held, nirgendwo“, in: Die Zeit, 29.06.2006, Nr. 27 5

Mühlbauer, Peter: „Schäubles Symptome. Trüben

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Zur diskursiven Lage der „deutschen Nation“ lektives Glücksgefühl und Normalisierung des deutschen Selbstbildes sich so überraschend und unerwartet Bahn brachen. Tatsächlich laufen seit Jahren diskursive Prozesse in Richtung einer Modernisierung des „Deutschtums“. Beispielhaft hierfür stehen groß angelegte mediale Imagekampagnen wie die 2002 gegründeten Initiativen „Deutschland packt’s an“ und „Deutschland TM“, letztere mit dem selbst gesteckten Ziel der Schaffung und Unterstützung von zweierlei Identitäten: einer deutschen „Corporate Identity“ für die Unternehmen und einer nationalen Identität für jeden Einzelnen. In vorbildlicher Arbeitsteilung haben die Kampagnen „Deutschland – Land der Ideen“ und „Du bist Deutschland“ vor der Fußball-WM diese die Identitätsbildung unterstützenden Aufgaben übernommen.7 Ein Positionspapier der Konrad-Adenauer-Stiftung prognostizierte bereits im Jahre 2004: „Patriotismus ist freilich kein seelischer Dauerzustand, er zeigt sich dann, wenn er (heraus-)gefordert wird. Hier ist an vieles an natürlichen [sic!] Emotionen zurückgedrängt worden“ 8. Es zeige sich darüber hinaus „das Bedürfnis, auch kollektive Emotionen öffentlich artikulieren zu dürfen. Es mehren sich die Anzeichen, dass dieses Bedürfnis zunimmt“. Inzwischen „darf“ man, und tut es auch nach Kräften. Überaus positive Bezüge auf den Patriotismus und die Nation finden sich auf allen Diskursebenen, vom Alltag über die Medien bis Politik und Wissenschaft.

„Wir haben es […] mit einer gesellschaftlichen Entwicklung zu tun, die zwar keine Wiederholung des Dritten Reiches bedeuten wird, die aber eine Gesellschaft zur Folge haben könnte, die autoritär, gefährlich und für viele Menschen bedrohlich ist.“1 Die besorgniserregenden Entwicklungen am ‚extremen’ rechten Rand der Gesellschaft in den letzten Jahren (Wahlerfolge rechter Parteien, Zunahme rechtsextrem motivierter Straftaten usw.) dürfen den Blick nicht dafür verstellen, dass es v.a. die gesellschaftliche „Mitte“ ist, die diskursiv verhandelt, welche Positionen zurzeit als ‚extrem’, und welche als ‚normal’ oder ‚demokratisch’ gelten. Diskurse verstehen wir dabei als „Flüsse von Wissen durch die Zeit“2, welche als Träger von aktuell gültigem Wissen Denk- und Handlungsfelder mitbestimmen3 und somit Macht-Wirkungen ausüben. Diese Diskurse konstituieren Sagbarkeits- und Möglichkeitsfelder, in denen individuelle gesellschaftspolitische Einstellungen mitproduziert werden4. Eine Analyse und Kritik ‚rechter Extreme’ muss so auch immer Diskurse der ‚Mitte’ in den Blick nehmen, um Verbindungen und Anschlussstellen zwischen beiden, vermeintlich klar abgrenzbaren Bereichen aufzeigen. Die Renaissance des Patriotismus „Wir sind Deutschland. Ja zu SchwarzRot-Gold! Ja zu Deutschland-Fahnen am Auto! Ja zu deutschem Bier! Ja zur deutschen Frau, die lächelnd zuschaut!“5 war in der Bild-Zeitung während der Fußball-WM 2006 in Deutschland zu lesen. Diese und unzählige weitere mediale Selbstbeweihräucherungen der wieder entdeckten „Wir“-Gruppe können als vorläufiger Höhepunkt eines „Neuen Patriotismus“ gelten, der seit dem Sommer 2006 endgültig massentauglich geworden zu sein scheint. Nachdem „Wir“ schon Exportweltmeister, Papst und Oscar sind, können wir auch endlich wieder „Wir Deutschen“6 sein. Dabei verwundert es nur auf den ersten Blick, dass in den Augen der Öffentlichkeit kol-

Migrationsdebatten „Zuwanderung muss im ökonomischen und integrationspolitischen Interesse Deutschlands bewusst und transparent gesteuert werden.“9 Für den nationalen Migrationsdiskurs lassen sich zwei problematische Merkmale festhalten: Erstens werden Einwanderung und Einbürgerung auf politischer Ebene vorwiegend anhand ökonomischer Verwertbarkeitskriterien diskutiert. Hierbei werden verschiedene Anforderungen an MigrantInnen formuliert, z.B. hinsicht-

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lich Sprachbeherrschung, Kenntnissen „deutscher Kultur“ und Geschichte und wirtschaftlicher Selbstständigkeit. Diese Hegemonie erlangenden Diskurspositionen materialisieren sich schließlich in behördlichen Praktiken und der staatlichen Gesetzgebung. Vergab schon die 2000 von Rot-Grün eingeführte GreencardRegelung Aufenthaltsgenehmigungen nur für hoch bezahlte Tätigkeiten im IT-Sektor, so sieht auch die aktuelle Reform des Zuwanderungsrechts Einbürgerungen nur bei wirtschaftlicher Selbstständigkeit der EinbürgerungskandidatIn vor. Zweitens werden durch die im Migrationsdiskurs verwendete Sprache Kategorien geschaffen. Man spricht z.B. von „Ausländern“, „Flüchtlingen“, „Asylanten“, „Muslimen“ oder „Türken“. Dabei mitgedacht: Deren Abgrenzung zur Gruppe der „Deutschen“. Den bezeichneten Individuen und Gruppen werden wiederum vermeintliche Eigenschaften und erwartbare Verhaltensmuster zugeschrieben, oft mittels stereotyper Bilder und Symboliken (der „Fremde“, die „Exotin“, das „passive Opfer“ etc.). Allein ihre Bezeichnung mit solchen Begriffen markiert sie als „unnormal“. Deutsche hingegen besitzen das Privileg des Unmarkiertseins und gelten so als implizite Norm. Hiermit verbindet sich einerseits eine indirekte Forderung nach kultureller Assimilation, andererseits führt „das Wissen über die anderen […] dazu, dass die Grenzen zwischen ‚uns’ und ‚ihnen’ im Alltag immer aufs Neue aufgerichtet werden; der Unterschied wird ständig reproduziert“10.

so findet sich der Begriff mittlerweile im neuen Entwurf des CDU-Grundsatzprogramms, definiert als „klares Bekenntnis zu uns selbst als einer durch Geschichte und Kultur geprägten Gemeinschaft“12. An weiteren Definitionen fürs „Deutschsein“ versuchen sich seit etwa einem Jahr die Einwanderungsfragebögen der Länder Hessen und Baden-Württemberg. Hier schlägt der einbürgerungswilligen KandidatIn anhand von Fragenkatalogen die gesamte Klaviatur ‚unserer’ Vorurteile entgegen: Einbürgerungswillige sind potenziell antidemokratisch, TerroristInnen, homophob, unterdrücken Frauen und neigen zu Polygamie und Ehrenmord. Die Deutsche dagegen zeichnet sich durch Toleranz, Demokratie-Begeisterung und vor allem eine „lebendige Geistes- und Kulturgeschichte“ aus13: Der Verweis auf Goethe und Schiller darf selbstverständlich auch hier nicht fehlen. Neben der permanenten Kennzeichnung von Unterschieden zu einem vermeintlichen „Deutschsein“ sind es vor allem exklusiv wirkende Definitionsinhalte des Leitkulturbegriffes (z.B. Deutschland als Geschichtsgemeinschaft und „Teil der europäischen Völkerfamilie“12), die nicht nur eine nachhaltige Integration erschweren, sondern offensichtlichen Anschluss an rechtsextreme Positionen bieten. Buchveröffentlichung des Forums für kritische Rechtsextremismusforschung: Der Band versammelt Beiträge zweier Vortragsreihen des FKR zu Diffusions- und Austauschprozessen zwischen „Mitte“ und „Extremen“.

Orientierungshilfe Leitkultur Fast ausschließlich in Bezug auf die türkische oder muslimische Minderheit in Deutschland findet der Begriff „Parallelgesellschaft“ vor allem auf den Diskursebenen Medien, Politik und Wissenschaft Anwendung. Unabhängig von seinem empirischen Gehalt11 produziert seine Verwendung eine mögliche Bedrohung der deutschen Mehrheitsgesellschaft durch ein Kollektiv des Fremden. Sicher nicht zufällig erfährt der Begriff der „deutschen Leitkultur“ im Kontrast zur „Parallelgesellschaft“ seit geraumer Zeit eine deutliche Aufwertung. Löste die Rede von einer „deutschen Leitkultur“ vor einigen Jahren noch heftige Gegenreaktionen aus,

Preis: 8,50€ Bezugsmöglichkeit: www.engagiertewissenschaft.de

Extremismus der Mitte? Effekt dieser drei Diskursstränge ist eine Verstärkung der Kategorien „Wir Deutsche“ in Abgrenzung zu „den Anderen“. Der angeblich harmlose „Neue Patriotismus“ schaufelt neue und befestigt alte Gräben zwischen den sprachlich und symbolisch vermeintlich klar abgrenzbaren Kollektiven; der Migrationsdiskurs spiegelt ‚unser’ Bild von ‚den’ AusländerInnen wider und weist ihnen ihre Rollen zu; die Debatte

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um eine Leitkultur letztendlich produziert verschiedene Ideen vom ‚Deutschsein’ die von Verfassungsloyalität bis zu „völkischen […] Ideologien“14 reichen. Sind die beschriebenen Diskurspositionen schon für sich allein bedenklich, so besteht ihre viel größere Gefahr in der Verschränkung mit anderen Diskurssträngen. Solche Verschränkungen können brisante Wirkungen hervorbringen. Bis Anfang der 90er Jahre beispielsweise dominierten in der Migrationsdebatte Neid provozierende Kostenargumentationen, die das Pogromklima für Rostock und Hoyerswerda mit zu produzieren halfen. Nach der faktischen Abschaffung des Asylrechts 1993 verlagerte sich der Schwerpunkt auf „eine angebliche Bedrohung Deutscher durch kriminelle Ausländer“1. Seit dem 11. September 2001 schließlich wird Einwanderung vor allem im Zusammenhang mit innerer Sicherheit und Terrorismus diskutiert. Durch die Migrationsdebatten und -politiken wird ein Staatsrassismus15 verhandelt und exekutiert, der nicht nur deutschlandweit, sondern EU- und weltweit Menschen ausschließt: an den Grenzen Deutschlands, vor allem an den Rändern der sog. „Festung Europa“ und innerhalb weltweiter Flüchtlingsund Migrationsregime.

dürften im Fahnenmeer während der FußballWM im vergangenen Sommer untergegangen sein“16. Mit dem Patriotismusdiskurs verknüpfen sich Debatten um Vergangenheitsbewältigung und Erinnerungskultur. Insgesamt sind als Trend für die politischen Diskurse jenseits und in Verbindung mit dem angesprochenen „Patriotismus“-Thema in der Bundesrepublik vielfältige Normalisierungstendenzen zu beobachten, die Bezug nehmend auf die Intention bestimmter politischer Akteure als erfolgreiche Salamitaktik zu beschreiben sind. Anschlussstellen nach rechts in Diskurselementen der Mitte treten hier offen zu Tage. Rechtsextremismus erscheint aus dieser Sicht als „Effekt von Diskursverschränkungen […] wobei das im engeren Sinne rassistische Wissen nur als ein Element einer diskursiven Konstellation anzusehen ist und nur als dieses eine Element Wirkung erzielen kann, wenn es sich mit anderen Diskursen verschränkt“1. Seine Bekämpfung muss somit mit einer „Mikropolitik der Kritik“ gesellschaftlicher Verhältnisse beginnen, die solche Rassismen, Essentialismen und Naturalisierungen konsequent aufdeckt4.

Ein weiteres Beispiel: „Die Deutschen haben aus der Geschichte gelernt“13 – aber scheinbar nur, um sie endlich vergessen zu können: „Hitler und der Holocaust schienen noch immer stärker als die deutsche Gegenwart. Das ist vorbei. Letzte Zweifel

ELENA BUCK, STEFAN KAUSCH UND GREGOR WIEDEMANN FORUM FÜR KRITISCHE RECHTSEXTREMISMUSFORSCHUNG

1

Jäger, Siegfried (2001): Soziale Probleme und rechtspopulistische Demagogie, in: Heilig / Pau (Hrsg.): Für eine tolerante Gesellschaft – gegen Rechtsextremismus und Rassismus, Berlin. 2

Jäger, Siegfried (2004): Kritische Diskursanalyse, Münster. 3

Wodak, Ruth et. al. (1998): Zur diskursiven Konstruktion nationaler Identität, Frankfurt/Main. 4

Vgl. dazu ausführlicher Buck, Elena/Kausch, Stefan/ Rodatz, Mathias (2007): „Einleitung“, in: „Diffusionen. Der Kleine Grenzverkehr zwischen Neuer Rechter, Mitte und Extremen, Dresden. 5

http://www.bild.t-online.de/BTO/news/aktuell/2006/06/ 08/kommentar/kommentar.html, 07.06.2007, 17:41. 6

Matussek, Matthias (2006): Wir Deutschen. Warum die anderen uns gern haben können, Frankfurt. 7

Langenscheidt, Florian (2006): Das Beste an Deutschland. 250 Gründe, unser Land heute zu lieben, Wiesbaden. 8 Buchstab / Gauger (2004): Was die Gesellschaft zusammenhält - Plädoyer für einen modernen Patriotismus.

BMI (2007): http://www.zuwanderung.de/3_politziele.html, 08.06.2007, 21:04. 9

10

Terkessidis, Mark (2007): Die Banalität des Rassismus, in: FKR (Hrsg.): Diffusionen, Dresden. 11

Gegen eine empirische Relevanz des Begriffs: Janßen / Polat (2006): Soziale Netzwerke türkischer Migrantinnen und Migranten, in: APuZ 1-2/2006. 12

CDU (2007): Grundsätze für Deutschland. Beschluss der Grundsatzprogramm-Kommission. 13

Hessisches Ministerium des Innern (2006): Leitfaden Wissen & Werte in Deutschland und Europa. 14

Hentges, Gudrun (2007): Themen der Rechten – Themen der Mitte. Das Plädoyer für eine deutsche Leitkultur als Lehrstück, in: FKR (Hrsg.): Diffusionen, Dresden. 15

Zum Begriff des Staatsrassismus vgl. ausführlicher: Foucault, Michel (2001): In Verteidigung der Gesellschaft, Frankfurt/Main; Stingelin, Martin (2003): Biopolitik und Rassismus, Frankfurt/Main. 16

Der Spiegel (2007): Die Erfindung der Deutschen. Wie wir wurden was wir sind, Ausgabe 4/2007.

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Kinderlein kommet ... Im Gespräch mit NPD und JN-Politikern über die Jugendpolitik in Sachsen „Fressen, saufen, vor der Glotze Videos schauen, ‚Bravo’ und ‚Bild’ lesen, (...) das schnelle Auto und der Joint mal so eben zwischendurch“1 - so skizziert der JN Bundesvorstand sein Bild von der heutigen Jugend und ruft dazu auf, durch den Eintritt zu den „Jungen Nationaldemokraten“ dem Leben wieder einen Sinn und der Freizeit wieder einen Inhalt zu geben. Die Perspektivlosigkeit und Zukunftsängste der jugendlichen „Weltveränderer“ gelte es bei der JN in einen „bewussten Widerstand“ umzuformen. Nichts leichter als das. Man müsse die jungen Menschen nur in ihrer eigenen „Lebenswelt“ abholen und bei ihren „konkreten Problemfeldern“ ansetzen. Der JN-Bundesvorsitzende Stefan Rochow zählt einige der „richtigen“ Themen auf: Jugendarbeitslosigkeit, Ausbildungsmangel, Drogen, „Veramerikanisierung (...) unserer Kultur“, Schulprobleme, mangelnde Wertvermittlung durch die Regierung. Den Jugendlichen soll ein „geschützter Raum“ geboten werden, für Differenzen mit LehrerInnen, Eltern und ihre sexuellen Erfahrungen finden sie beim NPD-Bürgerbüro in Dresden Gesprächspartner. Die NPD und ihre Jugendorganisation JN wollen breitgefächert aufstellen und jedem Jugendlichen Perspektiven eröffnen. Die Jugend kann wählen zwischen Musikveranstaltungen, Demonstrationen, Wanderungen und Singekreisen, Museumsbesuchen, Schulungsveranstaltungen, Vorträgen, politischen Kampagnen und Mahnwachen. Die rechtsextremen Parteien vereinnahmen (Sport-) Vereine, dominieren öffentliche Jugendklubs und Diskos, sind in Kreisschulelternräten präsent, zeigen sich als Sprachrohr der Sorgen der jungen Menschen und als Schutzschild vor der Staatsregierung- harsche Kritik am deutschen Staat? Nach der neuen Strategie bemühen sich integre Persönlichkeiten vor Ort um ein möglichst bürgerliches Image und moderat formulierte Programmatiken. Die rechte Ideologie

transportieren sie über tages- und sozialpolitische sowie regionale Sujets. Stefan Rochow akzentuiert die Jugendpflege der JN in Sachsen als primäres Handlungsfeld. Aufgrund des Eintritts der NPD in den sächsischen Landtag 2004 distanziere man sich von Aktionismus und Demonstrationen. Neben Pfingstlager und Naturpfadwanderungen betont er die Bedeutung von Schulungen um eine „klare Weltanschauung zu vermitteln“ Der Kreisverband in der Sächsischen Schweiz wurde im Mai 2005 mit der Absicht gegründet, „im Frontgebiet“ eine „Kaderschmiede“ zu etablieren, die als „Schulungsplattform“ den jungen Menschen diene und „für [den] Wahlantritt 2009“ vorbereite.2 Die „Schulungsblöcke“ Rhetorik, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Versammlungsrecht werden mit jeweils einem „Wissenstest“ abgeschlossen; so würden sich die Jugendlichen bewusst mit der Politik der JN auseinandersetzen. Bei der vergangenen „U18-Wahl“ votierten 16,3% der unter Achtzehnjährigen für die NPD und kürten sie so zur drittstärksten Partei.3 Auch bei der Bundestagswahl 2005 stimmten 15% der männlichen Jungwähler in Ostdeutschland für die rechte Partei.4 Der Mobilisierungserfolg ist laut Jens Steinbach und Thomas Rackow auf das breite Freizeitangebot der NPD und JN zurückzuführen. Die Jugendpflege positioniere sich bewusst im vorpolitischen Raum, von dem aus der Nationalismus und die Idee einer „Volksgemeinschaft“ mehr Anziehungskraft auf den Jugendlichen entfalten könne. In der Sächsischen Schweiz nehmen die jungen Menschen die Angebote der Arbeitsgemeinschaften „Familie“, „Brauchtum“, „Soldaten erzählen“ und „Malen und Basteln“ wahr. Hinter den historisch- kulturellem Programm verbirgt sich meist eine Thematisierung des Nationalsozialismus und des Mittelalters (Besuch von Soldatengräbern und ehemaligen NS-Bauten, Zeitzeugengespräche).

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Am Ostersonnabend 2006 lud die NPD zum „Wandern auf germanischem Boden“ ein.5 Thomas Rackow erläutert, dass den Jugendlichen hierbei der Gemeinschaftsgeist, die Heimatverbundenheit und die Geborgenheit innerhalb der rechten Gemeinschaft wichtig sei. Auch die Musikveranstaltungen als subkulturelles Angebot locken die Jugendlichen zur JN und NPD: „Musik ist ein hervorragendes Mittel politische Inhalte zu vermitteln“ konkretisiert Stefan Rochow. Im Anschluss an Schulungstage und historische Vorträge bietet er daher stets Musikgruppen und Liedermacher. Bleibt die Frage, wie die Metamorphose von der Sympathie der jungen Menschen für die Freizeitangebote in eine Empathie für die politische Ideologie der rechten Organisationen verläuft. Uwe Leichsenring ist der Überzeugung, dass ein „Grundkonsens mit der Politik“ bei jedem von Anfang an vorhanden sei und sich dieser nur unterschiedlich intensiv ausgestalte. Ihm widersprechen Jens Steinbach und Thomas Rackow: Die Jugend interessiere sich nur für das Feiern und den Spaß im Freundeskreis. Stefan Rochow entwirft ein anderes, differenzierteres Bild. Demnach kämen die Achtzehnjährigen „ganz klar aus politischen Erwägungen“ und „ganz bewusst“ zur JN. Hingegen würden sich die Vierzehnjährigen noch nicht für Politik interessieren und „natürlich erst mal durch

den Gemeinschaftsaspekt“ zur JN finden. Bis zu ihrem 21. Lebensjahr, dem Ende ihrer „Entwicklungsphase“, wolle die JN ihnen „ein Weltbild (...) vermitteln, das sie ebend auch selber festigt“. Dieser Schritt von der Freizeit zur Politik ist laut dem JN-Bundesvorsitzenden ein „sehr sehr fließender Übergang“. Zudem stehe auch der Kameradschaftsaspekt in einer engen Verbindung zur Politik, so dass sich daraus „natürlich auch (...) Politik“ ergebe. Seit den Ankündigungen Udo Voigts6 und Holger Apfels7 der neunziger Jahre, durch eine kreative und kontinuierliche Jugendarbeit einen „harten Kern“ politischer Aktivisten zu formen, hat sich der NPD-Landesverband in Sachsen als weitaus größter etabliert und die JN seit ihrer angekündigten Profilbildung 2005 über zehn weitere Stützpunkte eingerichtet. Von den Jugendlichen werden sie als einzige mit einem jugendspezifischen Angebot wahrgenommen, sie bieten beispiellose Lösungsskizzen, offerieren ein geschlossenes Weltbild und dominieren ungehindert öffentliche Räume. So gestalten sie eine alternativlose rechte Erlebniswelt, entwickeln sich aus ihrer gesellschaftlichen Isolation heraus und werden salonfähig. Der Kampf um die „kulturelle Hegemonie“ reüssiert insofern, als dass die Rechten für die jungen Menschen zur Selbstverständlichkeit werden und der rechtsextremistische Ideologierahmen der Jugendlichen erweitert wird. So viel zur pluralistischen Gesellschaft..?

ANNA VON ARNIM Alle Aussagen beziehen sich auf meine Interviews mit dem JN- Bundesvorsitzendem Stefan Rochow und dem ehemaligen Parlamentarischen Geschäftsführer und NPD- Kreisgeschäftsführer Sächsische Schweiz Uwe Leichsenring (17.5.06 Dresden), dem JN- Kreisgeschäftsführer Sächsische Schweiz und ehemaligem Kader der „Skinheads Sächsische Schweiz” Thomas Rackow (12.6.06 Pirna), dem JN- Landesvorsitzenden Sachsen Jens Steinbach (Fragebogen 28.6.06) und dem Landespressesprecher Sachsen, MdL Matthias Paul (Fragebogen 26.6.06) 1

NPD- Bremerhaven 2006: „Eine andere Jugend. Vom deutschen Elend“, http://www.npd- bremerhaven.de/ jungenationaldemokraten/eineanderejugend/eineanderejugend.html (Stand: 17.01.06). 2

JN- Sächsische Schweiz 2006: „Herzlich Willkommen auf den Seiten der Jungen Nationaldemokraten (JN) Sächsische Schweiz!“, http://www.npd-saechsische-schweiz.de/jn (Stand: 19.04.2006). 3

Gangway e.V.- Verein für Straßensozialarbeit 2006: http://www.u18.org (Stand: 03.07.2006).

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Kobylinska, Alexander/Walter, Caroline 2005: Stabil ‚Rechts’: Das Touristenziel Sächsische Schweiz wird zur Hochburg der NPD, Sendung vom 22.09.2005 in „Kontraste“. 5

NPD- Parteivorstand (Hg.): Deutsche Stimme 2006: Riesa Jg.31, Nr. 04; NPD- Sächsische Schweiz 2006: „Die Jugend ist bei uns!“, www.npd-saechsische-schweiz.de (Stand: 18.04.2006). 6

Sendbühler, Karl- H. 1996: „Udo Voigt ist neuer NPD Parteivorsitzender!“, NPD- Parteivorstand (Hg.): Deutsche Stimme, Riesa Jg.20, Nr.3/4. 7 Rabe, Stefan 1998: „NPD- Parteitag bestätigt Udo Voigt im Amt“, NPD- Parteivorstand (Hg.): Deutsche Stimme, Riesa Jg. 23, Nr.2.

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Grenzen lokaler Demokratie Nach einer Serie ausländerfeindlicher und antisemitischer Straftaten machte 2000 der damalige Bundestagspräsident Thierse eine Entdeckung: „Jetzt begreifen wir, dass der Rechtsextre-mismus nicht nur am Rand der Gesellschaft angesiedelt ist, nicht isolierbar ist, sondern dass ausländerfeindliche Einstellungen, Intoleranz, zunehmende Gewaltbereitschaft bis weit in die Mitte der Gesellschaft hineinreichen.“ Diese Feststellung zieht einige Fragen nach sich. Nämlich: • Was heißt eigentlich „in der Mitte der Gesellschaft”? Sind nicht politische Rhetorik, Wahlentscheidungen, Alltagsgespräche am Stammtisch, im Verein oder sonstwo Phänomene, die sich nicht einfach schematisch ins sogenannte „politische Spektrum” einordnen lassen? • Findet sich diese intolerante, rassistische, vielleicht sogar gewaltbereite „Mitte der Gesellschaft“ möglicherweise auch bei kommunalen Amtsträgern, in Polizeibehörden, im Fußballverein? • Und wenn ja, was bedeutet das für die Arbeit zivilgesellschaftlicher Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus engagieren? Wie werden sie in kommunale Strukturen eingebunden? Dies sind die Ausgangsfragen einer Studie, die am Institut für Politikwissenschaft der Universität Leipzig angefertigt wurde.1 Die AutorInnen haben soziale Mikrostrukturen in ländlichen Räumen untersucht und rekonstruiert. Dazu wurden modellhaft zwei kleinere Kreisstädte in Sachsen und Bayern ausgewählt, die eminente Probleme mit rechtsextremen Gruppen haben und in denen aber auch Bündnisse gegen Rechtsextremismus beziehungsweise für Demokratie geschmiedet worden sind. In beiden Regionen sind die Wahlergebnisse rechter Parteien überdurchschnittlich hoch, ebenso die Zustimmung zu als rechtsextrem eingestuften Aussagen in quantitativen Einstellungstudien.

Die Ergebnisse können kurz so zusammengefasst werden: 1. Rassismus, Antisemitismus und andere, vielleicht allophobe Erscheinungen existieren in der Mitte der Gesellschaft. Deshalb macht es genau genommen gar nicht viel Sinn, in diesem Zusammenhang von „links“, „Mitte“ und „rechts“ zu sprechen. Vielmehr verstärkt diese schematische Verortung die Tendenz, dass sich zum Beispiel das lokale Establishment von offen „rechts“ auftretenden Gruppierungen abgrenzt, ohne die eigenen Einstellungen und Beiträge zum lokalen Diskurs zu reflektieren. 2. Für die Existenzbedingungen einer Naziszene im ländlichen Raum ist das institutionelle Gefüge der Gemeinden von entscheidender Bedeutung. Die Besonderheit von Kleinstädten und Dörfern besteht darin, dass der öffentliche Raum in diesen Kommunen schneller und nachhaltiger durch bestimmte Gruppen und Einstellungen dominiert werden kann. Manche Dinge werden eher denkbar und sagbar, ohne dass eine nennenswerte Opposition dagegen steht. Dazu kommt oft ein hoher Konformitätsdruck durch soziale und persönliche Abhängigkeiten. 3. Das Problem im ländlichen Raum ist nicht in erster Linie ein Mangel an zivilgesellschaftlichem Engagement (zumindest in den beobachteten Fällen). Woran es hapert, das ist die Offenheit der bestehenden Strukturen für Alternativen. In beiden Städten werden die Bürgerinitiativen von der jeweiligen Rathausspitze dominiert. Dabei versuchte man, möglichst viele lokale Gruppen und Vereine, Schulen und Kirche einzubinden sowie gleichzeitig andere Gruppen, die nicht „natürlicherweise“ dazugehören, draußen zu halten. Diese Erkenntnisse haben eine Relevanz für die geplante Umstellung der bisherigen Bundesprogramme zur finanziellen Unterstützung solcher Initiativen. Nach den

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Die Konstruktion des „Fremden“ Das Forschungsprogramm RYPP

Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus sind schon seit geraumer Zeit Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen und ebenso medialer Berichterstattung. In diesem Themenfeld rückt insbesondere die „Gruppe“ der Jugendlichen ins Zentrum des Interesses; als Opfer oder Täter rassistisch motivierter Gewalt. Ginge man von der Existenz eines „Rechtsradikalismus-Gens“ aus, so könnten die Sozialforscher den Stift beiseite legen und die Arbeit Genforscherinnen und anderen N aturwissenschaftlerinnen überlassen. Nun, da dem (bisher zumindest) nicht so ist, muß man nach anderen Ursachen suchen, die offensichtlich im Bereich der Sozialisation zu finden sind. Da Einstellungen weder angeboren sind, noch zwangsläufig aus unmittelbaren Erfahrungen heraus gebildet werden, sondern Sozialisationsergebnisse sind, gilt es jene Instanzen zu untersuchen, wobei neben Familie und sog. Peergroups für den Staat nur Schule als Zugriffsmöglichkeit bleibt.

te für Jugendliche und untersucht in diesem Sinne den Zugriff des Staates auf rechtsradikale Einstellungen. Das auf zwei Jahre angelegte Projekt untersucht zum Einen die Sozialisation „Das Fremde“ und will zum Anderen demokratische Bildungsarbeit in die Lehrerausbildung einbinden. Zusammen mit den Partnern vom IMER Institut der Universität Malmö und dem Antidiskriminierungsbüro Sachsen werden die Forschungsergebnisse einem internationalen Vergleich unterzogen. In Folge werden die Ergebnisse mittels Seminare für Lehramtsstudierende und Workshops für Lehrende in Ostdeutschland und Südschweden in den Unterricht implementiert. Eine hochkarätige internationale Konferenz zu diesem Thema findet im März 2008 in Leipzig statt.

Das im Rahmen des DAPHNE IIProgramms von der Europäischen Kommission geförderte Forschungsprojekt RYPP („rightwing youth violence prevention programmes“) evaluiert die Methoden verschiedener Präventions- und Sensibilisierungsprojek

Plänen der Großen Koalition sollen diese Gelder in Zukunft von den Kommunen selbst verteilt werden. In der Konsequenz dürfte das bedeuten, dass die Förderung fast ausschließlich an sogenannte Quasi-Nichtregierungsorganisationen geht und staatlich unabhängige Vereine außen vor bleiben. 1

SUSANNA KARAWANSKIJ

DANIEL SCHMIDT

Doris Liebscher, Christian Schmidt: Grenzen lokaler Demokratie. Zivilgesellschaftliche Strukturen gegen Nazis im ländlichen Raum. Die Studie steht zur Verfügung unter: http://www.gruene-bundestag.de/cms/rechtsextremismus/ dokbin/187/187846.pdf. (Im Auftrag der Bundestagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen; Projektleitung: Rebecca Pates und Daniel Schmidt.)

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Völkischer Antikapitalismus als Erfolgskonzept der extremen Rechten? Noch in den 80er Jahren traten die Parteien der extremen Rechten überwiegend als Vertreter neoliberaler Positionen auf. In den 90er Jahren wandelten sich die Programme der extremen Rechten und nahmen – in unterschiedlichem Ausmaß – Globalisierungsund Kapitalismuskritik auf. Der folgende Artikel beleuchtet, wie es Teilen der extremen Rechten gelingt, Erfahrungen der Einzelnen mit der neuen Produktionsweise zu artikulieren und in rechte Erklärungsmuster einzubetten. Dabei zeigt sich ein Wandel der Inhalte und der (ästhetischen) Form extrem rechter Politik.

des gleichen, existenziell bedrohlichen Vorgangs: der imperialistische Kampf gegen das Volk, dem der Nationalismus als »Befreiungsbewegung« gegenübergestellt wird. Gegen die Fremdeinflüsse wird die Einheit und Gleichheit des Volkes gestellt. Die Volksgemeinschaft verspricht soziale Absicherung: »Der Nationalismus erstrebt soziale Gerechtigkeit und nationale Solidarität.«4 In Querfrontstrategien versucht die extreme Rechte sich an die sich allgemein links verstehende Globalisierungsbewegung anzubiedern oder - wo es möglich ist - sie zu integrieren und stellt gemeinsame Politikmöglichkeiten heraus.

Anknüpfungspunkt Antiimperialismus Zentrales Thema der JN/NPD ist der völkische Nationalismus, dem etwa rassistische Argumente nachgeordnet sind, bzw. diese werden vom Nationalismus abgeleitet. Grundlage ist ein Verständnis von Nation, die auf einem einheitlichen Volk basiert, das eine gemeinsame Abstammungsgeschichte hat. Die Selbstbestimmung des »Volkes« werde untergraben durch Fremdeinflüsse. genannt Imperialismus, der auf politischen, ökonomischen und kulturellen Ebenen agiere und dort zu bekämpfen sei. Die »Fremdeinflüsse« sind äußere und innere Feinde: wie etwa multinationale Konzerne und supranationale Organisationsformen (EU, NATO), die nicht auf Grundlage des Ethnopluralismus1 existierten. Der Kampf gegen den »Imperialismus der Multis und der USA« nimmt einen zentralen Stellenwert ein.2 Als innere Feinde gelten etwa ausländische Wohnbevölkerung und Flüchtlinge. Kulturelle Vielfalt wird als »Vernichtung der Kultur« und damit als »Vernichtung des Volkes« gesehen. Entsprechend sind die Anwesenheit von »Volksfremden« in der Gesellschaft3 und die gesellschaftlichen Prozesse Globalisierung, Verbreitung transnationaler Unternehmen und supranationale Organisierung Aspekte

Indem multinationale Konzerne und die Anwesenheit von Flüchtlingen, von ausländischen Mitbürgern etc. in Deutschland vom rechten Standpunkt aus als zwei Seiten der gleichen Medaille gedacht werden, kann das eine unmittelbar im anderen bekämpft werden. Rassistische Gewalt ist dann unmittelbar Antiglobalisierungspolitik. Die Komplexität der realen Zusammenhänge muss nicht gedacht werden, die Erfahrung von politischer Hilflosigkeit angesichts globaler Prozesse kann in Handlungen umgesetzt werden. Aktuell starten die JN in Kooperation mit verschiedenen Kameradschaften eine »antikapitalistische und antiglobalistische Kampagne Zukunft statt Globalisierung«.5 In ihr wird zusammengeführt und systematisiert, was sich in den letzten Jahren verstärkt als Bezugspunkte rechtsextremer Mobilisierungen gezeigt hat: Arbeitslosigkeit, Niedriglohn und »prekäre Beschäftigungsverhältnisse« werden als Krisenerscheinungen des Kapitalismus gefasst. In der Schulungsbroschüre »Privatisierung«6 wird das »Volkseigentum« gegen die »Ausplünderung« verteidigt. Die Sachzwanglogik herrschender Politik wird angegriffen und eine »mögliche Alternative zum bestehenden System« entgegengestellt. In völkischer Reartikulation der zapatistischen Losung »Eine Welt, in der viele Welten Platz

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haben« rufen sie zur Ablösung der »einen Welt des Kapitals« durch eine »Welt der Tausend Völker« auf. Anknüpfungspunkt Gerechtigkeit An welche alltäglichen Erfahrungen der Menschen mit veränderten Anforderungen in Arbeit und Gesellschaft können rechtsextreme Denkangebote anknüpfen? konnDie Siren-Untersuchung7 te das Ineinandergreifen von subjektiven Erfahrungen neoliberaler Umstrukturierungen und dem Hinwenden zu rechtsextremen Argumentationen zeigen. Zentral scheint die Erfahrung, dass die Einzelnen ihre Position in der sozialen Welt aufgrund der veränderten gesellschaftlichen Anforderungen überdenken müssen.8 Es entstehen Gefühle von Ungerechtigkeit und Frustration, weil die Menschen trotz schwerer Arbeit und schmerzlicher Unterordnung nicht in der Lage sind, die angestrebte Position zu erreichen. Das Gefühl des »aufgekündigten Gesellschaftsvertrages« bezieht sich auf die implizite Vorstellung, dass »harte Arbeit« gesellschaftliche Absicherung, Lebensstandard und Anerkennung einbringe. Die Enttäuschten äußern durchaus Bereitschaft, härter zu arbeiten und mehr zu leisten, müssen aber feststellen, dass ihre legitime Erwartung an verschiedene Aspekte von Arbeit, Beschäftigung, sozialen Status oder Lebensstandard dauerhaft frustriert werden: Der Vertrag ist einseitig gekündigt worden. Dies führt zu Ungerechtigkeitsgefühlen und Ressentiments in Bezug auf andere soziale Gruppen, die sich den Mühen der Arbeit anscheinend nicht in gleichem Maße unterziehen und für die besser gesorgt werde oder die ihre Sachen (illegal) selbst arrangierten: einerseits Manager, Politiker mit hohem Einkommen, die sich großzügige Pensionen zusprächen, andererseits Menschen, die von der Wohlfahrt lebten, statt zu arbeiten, oder Flüchtlinge, die vom Staat unterstützt würden. »Diese gestörte Balance in ihrem Bezug zur Arbeit bei gleichzeitigem Mangel an legitimen Ausdrucksformen für das Leiden scheint in vielen Fällen der Schlüssel für das Verständnis des Zusammenhanges zwischen sozioökonomi-

schem Wandel und politischen Reaktionen zu sein.«9 Politische Botschaften und Ideologien des Rechtspopulismus, die die zweifache Abgrenzung »des Volkes« von Eliten oben und Ausgestoßenen unten in Anschlag bringen, finden hier Resonanz. Die Abgrenzung von angeblichen untätigen Leistungsempfängern, also Flüchtlingen, Sozialhilfeempfängern, Kranken und Behinderten, findet sich dabei bis in die höchsten Hierarchieebenen der Beschäftigten (oft auch als Wohlstandschauvinismus bezeichnet) und ist auch in gewerkschaftlichen Kreisen verbreitet. Anknüpfungspunkt soziale Sicherheit Zentral sind weiter die Angst vor Deklassierung, Unsicherheit und Ohnmachtgefühle, die mit industriellem Niedergang, prekärer Beschäftigung und Entwertung von Fähigkeiten und Qualifikationen verbunden sind. Die Erfahrung, Spielball der ökonomischen Entwicklung oder scheinbar anonymer Mächte zu sein, wird verbunden mit rechtspopulistischen Mobilisierungen, die die Bevölkerung als passives Opfer von übermächtigen Gegenspielern ansprechen. Ähnlich »funktioniert« die nostalgische Wertschätzung der guten alten (Arbeiter-) Zeiten und die populistische Glorifizierung von traditionellen Gemeinschaften. Die öffentliche Anerkennung der Probleme von Prekarisierung und sozialem Abstieg ist hier ein Vorteil für die extreme Rechte. Ebenso vermag ihre Thematisierung von nationalen oder subnationalen Einheiten als Träger kollektiver Interessen die Ohnmachtgefühle anzusprechen, die sich nicht nur auf die individuelle Ebene beziehen, sondern auch kollektive Einheiten wie Regionen, die Arbeiterklasse, die Nation. Die extreme Rechte thematisiert die Alltagserfahrung der Einzelnen mit der neuen Produktionsweise und löst sie in Richtung der Volksgemeinschaft. Die »völkische Identität« birgt das Versprechen von sozialer Sicherheit und Gleichheit, Solidarität und Zugehörigkeit. Die Aufwertung entlastet von der Sorge, ob man selbst dazugehören wird, ob die im neuen Sozialstaat geforderte eigene »Aktivierung« ausreichen wird. Gleichzeitig wird das Prinzip der Konkurrenz für den verschärften Kampf um gesellschaftliche Ressourcen gegen »undeutsche« Elemente genutzt.

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Rechtsextremes Denken ermöglicht also ein widersprüchliches Bewegen in den Zumutungen, die neoliberale Politik den Subjekten auferlegt: Einerseits werden diese zurückgewiesen und im rechtsextremen Modell von volksgemeinschaftlichem Sozialstaat aufgelöst, andererseits werden ihre Formen der Ausgrenzung, Brutalisierung, Mobilisierung des Subjekts aufgegriffen und gegen die gesellschaftlich Marginalisierten gewendet. Es ermöglicht damit ein »Denken in den Formen«, das sich inhaltlich dennoch als Opposition geriert, mithin die Grundlagen gesellschaftlicher Konkurrenz und Verwertung affirmiert. Dabei hilft es wenig, von »Demagogie« oder »Instrumentalisierung« der sozialen Frage durch die extreme Rechte zu sprechen, weil so nicht verstanden werden kann, welchen Stellenwert und auch inhaltliche - problematische - Konsistenz die rechten Argumentationen zur Sozialpolitik haben und warum sie für viele Menschen attraktiv erscheinen. Der aktuelle Rechtsextremismus »beschwindelt« die Menschen nicht einfach, sondern er greift subjektive Erfahrungen mit gesellschaftlichen Umbrüchen auf, bietet ein Modell für ihr Verständnis und ihre Veränderung und muss dabei nicht mit den eigenen Grundlagen - völkischer Nationalismus, Rassismus und Ungleichheitsideologien und Ablehnung von Demokratie zugunsten von Volksentscheiden und strafferen Führungskonzepten - brechen. Indem die extreme Rechte Kritik an Produktionsweise, Globalisierung, Kapitalismus und politischer Passivierung »revolutionär« artikuliert, ist sie zwar für aktuelle Einbindung in den Block an der Macht unbrauchbar. Dennoch leistet sie eine passive Hilfe, indem sie diese Kritik absorbiert und kanalisiert und emanzipatorische Perspektiven schwächt. Der Erfolg der Linkspartei bei der letzten Wahl zeigt, dass die Kritik von Sozialstaatsreformen, Globalisierung und Kapitalismus nicht per se rechts kodiert ist. Daraus ergibt sich die Anforderung an linke Politik, die Entwicklung popular-demokratischer Positionen voranzubringen, in denen die alltäglichen Erfahrungen, das Leiden und die Widersprüche der Produktionsweise repräsentiert sind und Perspektiven auf

eine nach-kapitalistische Gesellschaft eröffnet werden. Eine abstrakte und ausschließliche Fundamentalkritik oder eine Orientierung auf realpolitisch mögliche, kleine Schritte, die notwendig im Rahmen des Bestehenden argumentieren, werden es nicht vermögen, Perspektiven auf eine veränderte Gesellschaft mit den Erfahrungen der Umarbeitung von Lebensweisen bei den Menschen zu verbinden und werden ihnen so auch keinen Grund geben, dieses politische Projekt als ihr eigenes zu übernehmen.

CHRISTINA KAINDL

Literatur: Christina Kaindl (Hg.): Kritische Wissenschaften im Neoliberalismus. Marburg 2005. Und: dies. (Hg.): Neoliberalismus und Subjekt. Marburg, i.Ersch.

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Ethnopluralismus kann als »Rassismus ohne Rassen« bezeichnet werden; er stellt eine völkische Konstruktion dar, die vor allem auf die »Reinheit« von Völkern zum Erhalt ihrer Identität und Lebensfähigkeit abzielt. Vermischung von »Völkern« wird hier als Existenzgefährdung gedacht. 2

Das Andocken an Kapitalismuskritik und ihre Umdeutung ins Völkische ist eine Strategie, derer sich auch der historische Faschismus bedient hat. 3

Hier vor allem Ausländer, aber die Argumentation ist offensichtlich anschlussfähig, um auch gegen andere, innere »Volksschädlinge« gerichtet zu werden. 4http://www.jnbuvo.de/index.php?option=com_content& task=view&id=108&Itemid=33 5

www.antikap.de

6

http://snbp.info/files/Privatisierung.pdf

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Eine europaweite qualitative Untersuchung zu Veränderung der Anforderungen in der Arbeit und rechtspopulistischen Denkweisen, vgl. www.siren.at und Jörg Flecker/Gudrun Hentges: »Rechtspopulistische Konjunkturen in Europa «. In: Joachim Bischoff u. a. (Hg.), Moderner Rechtspopulismus, Hamburg 2004, S. 119-149 8

Dabei konnten unterschiedliche Typologien herausgearbeitet werden, die die jeweils sehr unterschiedlichen Erfahrungen von prekarisierten Putzfrauen bis hoch qualifizierten IT-Arbeitern formulieren. 9

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In: Joachim Bischoff u. a. (Hg.), a. a. O. , S. 142


Ökoextremismus Václav Klaus und der Kampf gegen den Kampf der globalen Erwärmung Ökoextremismus? Das hört sich doch irgendwie verdächtig nach längst vergangenen Zeiten an, als Greenpeace und Co. noch eher als versprengte Radikale und unverbesserliche Idealisten angesehen werden konnten, die meist ideologisch verdächtig nahe beim linken Klassenfeind zu finden waren. Doch weit gefehlt, besagter Vorwurf ist aktuell, aktueller als je zuvor – das zumindest, wenn man dem tschechischen Staatspräsidenten Václav Klaus folgt. Wobei, wieder Klaus zufolge, die Verbindung zum Kommunismus ebenso aktuell ist wie damals. Für seine Aussagen wird Klaus derzeit häufig verspottet und angefeindet, dies meines Erachtens jedoch oft aufgrund einer verkürzten Darstellung seiner Argumentation. In diesem Artikel möchte ich zuerst seine wichtigsten Argumente zusammenfassen, dann einen kleinen Überblick über internationale Reaktionen bieten, und schließlich versuchen, ein Fazit zu ziehen. „The – so called – climate change and especially man-made climate change has become one of the most dangerous arguments aimed at distorting human efforts and public policies in the whole world.”1 Dieser Satz, die Einleitung in einem Artikel von Klaus an das U.S.Repräsentantenhaus, ist bereits der Kern dessen, worauf der tschechische Präsident hinaus möchte. Dieses Thema ist gewissermaßen seine Mission, dafür kämpft er bereits seit längerem – jüngst auch mit der Veröffentlichung eines Buches ,Modrá, nikoli zelená planeta. Co je ohroženo - klima nebo svoboda? (Der blaue, nicht der grüne Planet. Was ist bedroht - das Klima oder die Freiheit?), für welches derzeit in ganz Tschechien großflächig geworben wird. Ausgehend von seiner Überzeugung, dass die wissenschaftliche Debatte über die

globale Erwärmung nicht tief genug sei, um daraus politische Entscheidungen abzuleiten, sieht Klaus die aktuelle Bewegung der Bekämpfung der Erderwärmung in erster Linie als ein groß angelegtes Unternehmen politischer Interessengruppen, das die Freiheit bedroht. „What I am really concerned about is the way the environmental topics have been misused by certain political pressure groups to attack fundamental principles underlying free society.“2 Der Environmentalism3 habe im 21. Jahrhundert den Kommunismus als größte Bedrohung der Freiheit abgelöst. Ähnlich wie früher im Kommunismus, solle heute die freie Entwicklung der Menschheit durch eine zentrale und globale Steuerung abgelöst werden, heute eben mit dem Ziel des Schutzes von Erde und Natur. Im Detail sehe das so aus, dass die Environmentalists, die ihre Ansichten als unwiderlegbare Wahrheiten ansähen, im Kern vor allem Angst vor der Zerstörung der Erde verbreiteten. Der Erfolg dessen wiederum dränge Entscheidungsträger, illiberale Maßnahmen zu ergreifen, arbiträre Grenzwerte, Regulationen und Restriktionen einzuführen und den Einfluss von bürokratischen Entscheidungsprozessen auf die Bürger auszubauen. Den Klimawandel beschreibt Klaus hauptsächlich als ein natürliches Phänomen, gegen den die Menschheit prinzipiell machtlos sei. Stattdessen sollten Entscheidungsträger unter allen Umständen den Prinzipien der liberalen Gesellschaft weiterhin folgen, und das Recht zu wählen und zu entscheiden nicht vom Volk auf eine Interessengruppe übertragen, die behaupte, die Welt besser zu kennen als der Rest der Menschheit. Im Umgang mit einem sich verändernden Klima sollte man die Möglichkeiten der Menschheit gegenüber der Natur realistisch einschätzen. Klaus votiert deshalb auch gegen den Kyoto-Vertrag, welcher willkürliche Ziele setze, viel koste, aber keine realistischen Erfolgsaussichten habe. Wenn Klimawandel existiere, solle man

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diesen nicht hoffnungslos bekämpfen, sondern sich vielmehr auf die Folgen vorbereiten. Kosten-Nutzen-Analysen seien hierbei dem Vorbeugeprinzip der Environmentalists vorzuziehen. Diesen Punkt unterstützt Klaus mit der Argumentation, dass nicht alle Folgen einer globalen Erwärmung negativ sein müssen, und zum Beispiel weite Teile bisher zu kalter Gebiete bewohnbar werden könnten. An dieser Stelle bietet sich ein Sprung von Klaus’ Argumentation zu deren Wahrnehmung in der Welt an. Ein großes Problem Klaus’ ist, dass er vor allem mündlich oftmals eher polemisch argumentiert. Sein eben letztgenanntes Argument der Erschließung neuer Lebensräume wurde zuletzt eher dergestalt wahrgenommen, dass der Verlust von Küstenregionen durch den Gemüseanbau in Sibirien ausgeglichen werden könne4, wie er darüber hinaus oft aufgrund persönlicher Erfahrungen argumentiert. Spott und Unverständnis fordert Klaus auf seine polterige Art geradezu heraus. Im Gegensatz zu den eher wohlformulierten Thesen des Papiers, das dem ersten Teil dieses Artikels zu Grunde lag, zielt Klaus in freier Rede deutlich höher. Da spricht er dann schon davon, dass die globale Erwärmung „Unsinn“ sei, und entsprechende Warnungen „überaus gefährlich“5. Schließlich, so stellt Klaus fest, seien auch die Warnungen vor dem Ozonloch oder der Bevölkerungsexplosion falsch gewesen.6 Tschechische Umweltschützer verglichen ihr Land gar schon mit den Galliern bei Asterix und Obelix – uneinnehmbar!7 Im März diesen Jahres machte sich auch Tony Blair im britischen Unterhaus über Václav Klaus’ umweltpolitische Ansichten lustig8 und bei einer Reise in die USA, verbunden mit einem Vortrag beim Cato Institute, erntete Klaus vernichtende Kritik amerikanischer Medien.9 Was in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings eher unterzugehen scheint, ist die Tatsache, dass Klaus gern generell als Kämpfer für einen radikalen Liberalismus auftritt. In der eben genannten Rede beim Cato Institute wandte sich Klaus nicht nur gegen die Umweltlobby, er sprach vielmehr von einer allgemeinen Bedrohung der freien Welt durch eine Vielzahl von „Ismen“, darunter übliche Verdächtige wie Kommunismus und Islamismus, aber auch Feminismus, Europäismus und „human-righ-

tism.“10 Václav Klaus’ Thesen zur globalen Erwärmung grenzen teilweise an eine Verschwörungstheorie. Wenn dann sogar von Environmentalism als „Religion“ die Rede ist11, dann hat er diese Grenze meines Erachtens bereits überschritten. Klaus wirkt wie ein von einer Verschwörung der Klimaschützer getriebener Altliberaler inmitten einer immer unfreier werdenden Welt. Der einsame Kämpfer für die Freiheit ist ihm allerdings auch aufgrund seiner Vergangenheit als tschechischer Staatsmann nicht unbedingt abzunehmen, Korruption und Misswirtschaft gehörten auch im Tschechien unter Klaus als Premier trotz des sonst radikalen Liberalisierungsprogramm s dazu, es kam sogar 1997 zu einem der größten Skandale seit der Wende.12 Blendet man diese Tatsachen hingegen aus, so bleibt das Bild eines großen libertären Ökonomen, für den jeder Eingriff in das freie Spiel der Kräfte des Marktes einem fundamentalistischen und extremistischen Angriff gleich kommt.

MICHAEL STEPHAN 1

Klaus, Václav: „Answers to questions from the House of Representatives of the U.S. Congress, Committee on Energy and Commerce, on the issue of mankind’s contribution to global warming and climate change”. Online: http://www.klaus.cz/klaus2/asp/clanek.asp?id=IgDUIjFzE XAz (letzter Zugriff: 25.06.07) 2 ebd. 3 Für die hier von Klaus intendierte eher negative Bedeutung als „-ismus“, also im Sinne von in etwa „Umweltismus“, existiert keine deutsche Entsprechung, daher verwende ich das englische Wort unübersetzt. 10 Kirchgessner, Kilian: „...Tschechien“. Online: http:// www.tagesspiegel.de/meinung/Kommentare;art141,21426 61 (letzter Zugriff: 25.06.07) 5 Schmidt, Hans-Jörg: „Tschechien: ‚Gerede vom Klimawandel Unsinn’“. Online: http://www.diepresse.com/home /politik/aussenpolitik/290526/index.do?direct=290572&_ vl_backlink=/home/index.do&selChannel=330 (letzter Zugriff: 25.06.07) 6 ebd. 7 Kirchgessner, Kilian: „...Tschechien“. Online: http://www .tagesspiegel.de/meinung/Kommentare;art141,2142661 8 Tschechien Online: „Václav Klaus: Klimawandel ist ein Mythos“. Online: http://www.tschechien-online.org/news/ 7655-vaclav-klaus-klimawandel-ein-mythos/ (letzter Zugriff: 25.06.07) 9 ebd. 10 Klaus, Václav: „Challenges of the Current Era.“ Online: http://www.vaclavklaus.cz/klaus2/asp/clanek.asp?id=3eL wSP6fD2kj (letzter Zugriff: 25.06.07) 11 ebd. 12 Im Zuge einer Spendenaffäre zerbrach 1997 die Regierungskoalition unter Führung der konservativen ODS, Klaus musste als Premier zurücktreten.

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Border, Nation: Deportation Jede politische Haltung und Handlung bewegt sich in einem Kontinuum zwischen zwei gegensätzlichen Extremen; soweit sie sich nicht einem der Extreme zuordnen lässt, unterscheidet sie sich von diesen nur graduell. Politik ist entweder der Kampf zwischen Extremen oder eine Auseinandersetzung über graduelle Unterschiede innerhalb des Kontinuums. Extreme: Universalismus gegen Nationalismus Was das Verhältnis von Mensch und Nationalstaat angeht, sind die gegensätzlichen Extreme die Negation des Nationalstaats und die Negation des Menschen. Die Negation des Nationalstaats ist der Universalismus der Menschenrechte. Er leugnet nationale, rassische, kulturelle und sonstige Unterschiede und behandelt jeden Menschen völlig gleich. Seine Hauptvertreter sind: Ultraliberale, die den Staat an sich ablehnen, und internationalistische Sozialisten, die den Nationalstaat ablehnen und einen sozialistischen Weltstaat errichten wollen. Ein konkretes Beispiel ist die linke Bewegung „Kein Mensch ist illegal“ mit der Parole „no border, no nation, stop deportation“. Der Gegensatz, die Negation des Menschen, ist der Nationalismus. Er ordnet die Menschen völlig ihrer nationalen Zugehörigkeit unter, und diese unterwerfen sich selbst völlig dieser Zugehörigkeit. Der reinste Ausdruck des Nationalismus in der Geschichte war der deutsche Nationalsozialismus mit seiner Rassenlehre: „Du bist nichts, Dein Volk ist alles.“ Extreme bekämpfen sich nicht nur gegenseitig. Aus ihrer Sicht gehört alles, was nicht dem eigenen Extrem entspricht, zum gegensätzlichen Extrem. Der Universalist leugnet den Unterschied zwischen Abschiebung und Gaskammer: „Nazis morden, der Staat schiebt ab, das ist das gleiche Rassistenpack“. Für die Kommunistische Internationale war die Sozialdemokratie Sozialfaschismus; wer nicht für die Revolution kämpfte, be-

trieb Konterrevolution. Genauso hielt es der Nationalsozialismus. Die Mitte: Demokratie Die Demokratie tendiert zur Mitte zwischen Extremen: zwischen Universalismus und Nationalismus; Sozialismus und Kapitalismus; Gleichheit und Freiheit. Damit tritt der Kampf zwischen den Extremen zurück hinter die Auseinandersetzung über graduelle Unterschiede innerhalb einer gesellschaftlich akzeptierten Normalität um die Mitte herum. Diese Normalität ist voller Widersprüche und Inkonsequenzen; ihre Grenzen sind unscharf und ebenfalls Gegenstand der Auseinandersetzung. Eine Haltung, die zu einer Zeit nicht gesellschaftsfähig ist, kann es im Laufe der Zeit werden. Zum Teil erkennt die Demokratie ihre Tendenz zur Mitte an, zum Teil täuscht sie sich darüber. Schon im Grundgesetz ist diese Selbsttäuschung zu sehen: Es stellt mit Absicht die Rechte des einzelnen Menschen, die Grundrechte, an den Anfang, und bei den Grundrechten sind es die universalistischen Menschenrechte, die an erster Stelle stehen: Die Würde des Menschen ist unantastbar; jeder hat das Recht. Von besonderer Bedeutung ist Artikel 3: Niemand darf wegen seiner Heimat und Herkunft benachteiligt werden. Dieser Artikel wird schon im Grundrechteteil selbst gebrochen – wenn die Bürgerrechte beginnen: Alle Deutschen haben das Recht. Der Bruch ist klar und nie aufzuheben. Eine Ausländerin ist keine Deutsche, ein Deutscher kein Ausländer. Der Bruch wird nur dadurch gemildert, dass die Bürgerrechte eingeschränkt auch für AusländerInnen gelten und diese eingebürgert werden können. Jeder Staat, mag er sich noch so universal und liberal verstehen, ist im Kern nationalistisch und knüpft an die Staatsbürgerschaft wesentliche Rechte, die Bürgerrechte. Ein wichtiges Bürgerrecht findet sich im Grundgesetz nicht ausdrücklich: das Aufenthaltsrecht.

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(Zum Teil steckt es im Recht auf Freizügigkeit.) Wer keinen deutschen Pass hat, fällt unter Sondergesetze wie das Aufenthaltsgesetz und muss sich seinen Grenzübertritt und seinen Aufenthalt genehmigen lassen. Zwar ist dies nicht der Nationalismus der Nazis; aber es wird unbestreitbar an die Zugehörigkeit zur Nation angeknüpft. Und diese Zugehörigkeit wird auch in der liberalen, rechtsstaatlichen Demokratie gegen Nicht-Zugehörige, gegen AusländerInnen mit aller Gewalt durchgesetzt. Die Grenzkontrolle und die Abschiebung sichern dort den Schutz der Nation. Border, Nation: Deportation. Normalität der Extreme Da sich die Normalität nur graduell von den Extremen unterscheidet, nimmt sie Teile von beiden Extremen in sich auf. Diese Teile sind es, die aus der Sicht beider Extreme Verrat bedeuten und die Zuordnung der Normalität zum gegensätzlichen Extrem zulassen. Denn was sei der Unterschied zwischen der Forderung der NPD nach „schrittweiser Rückführung hier lebender Fremder in ihre Heimat“ und Otto Schilys „Das Boot ist voll“? Was der Unterschied zwischen der Forderung des NPDlers Jürgen Rieger „Asylanten auszuhungern“ und der tatsächlich praktizierten Entrechtung von Flüchtlingen in Ausreiselagern? Der Unterschied ist: Schily fordert keine massenhafte Rückführung von AusländerInnen; und in den Ausreiselagern werden Flüchtlinge – noch – nicht ausgehungert. Der Unterschied ist graduell – aber es ist ein Unterschied. Die Kritik, mit welcher der Demokrat von den Extremen (und von sich selbst) konfrontiert wird, ist die Kritik am Wert des graduellen Unterschieds.

munistischen Staaten äußerlich geblieben ist: der Ostblock zerbrach in Nationalstaaten; die östlichen Bundesländer kämpfen heute besonders mit Ausländerfeindlichkeit. Und wer anerkennt, dass jedes Recht auch der Macht bedarf, um wirksam sein und geschützt werden zu können, der wird sich einem reinen Universalismus verschließen müssen. Zumindest, solange wir noch keinen Weltstaat haben, in dem alle Menschen Bürger eines einzigen Staates sind und gleiche Rechte haben, bleibt politische Vernunft auf die Macht des Nationalstaats angewiesen. Dennoch kann man sich einsetzen gegen viele einzelne Abschiebungen, gegen das Asylbewerberleistungsgesetz, gegen den Entzug des Flüchtlingsstatus’ von Flüchtlingen aus Irak oder Afghanistan, gegen persönlichen Rassismus – und für großzügigen Flüchtlingsschutz, für erleichterte Einbürgerungen, für einen Weltstaat.

Das Herz freilich neigt zum Universalismus, es empört sich auch über Ausreiselager und Abschiebungen, nicht nur über Aushungern und Gaskammern. Der Verstand sucht nach einem absoluten Unterschied zwischen der dürftigen demokratischen Normalität und dem Nationalismus, welchen er nicht findet. Jeder prüfe sich jedoch ernsthaft, wie viel Universalismus er vor seiner politischen Vernunft vertreten kann. Er sollte dabei nicht vergessen, dass der offizielle Internationalismus der ehemals kom-

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MARKUS HENN


Die Aufschiebung der Abschiebung Glücksphantasien im Spätkapitalismus Powision: Hiva*, du bist gebürtiger Iraner und lebst seit 2001 in Deutschland. Was waren die Beweggründe dein Heimatland Iran zu verlassen und nach Europa zu kommen? Hiva: Die iranische Gesellschaft ist ein Gefängnis. Das Regime, die Religion und viele gesellschaftliche Institutionen wie beispielsweise die Familie nehmen den Menschen die Freiheit zu sagen, was sie wollen und zu leben, wie sie wollen. Außerdem wollte ich ein geisteswissenschaftliches Fach studieren, vielleicht Soziologie, aber das ist in Iran nicht anerkannt. Außerdem ist die universitäre Lehre, überhaupt das ganze Bildungswesen sehr islamisch geprägt und klammert potentiell kritische Strömungen aus oder stempelt sie als überkommene und falsche Ideologien ab. Ich wollte mich damit nie abfinden und so habe an regimekritischen Demonstrationen und Kampagnen teilgenommen. Meine Eltern hatten Angst um mich und ich war mir natürlich im Klaren darüber, dass das nicht lange gut gehen konnte. So habe ich 1999 meine Sachen gepackt und bin in die Ukraine geflohen, um dort zu studieren. Die Studiengebühren konnte ich jedoch nach zwei Jahren nicht mehr aufbringen und so bin ich über Ungarn, die Slowakei und Tschechien nach Deutschland gekommen. Powision: Wie hast du es geschafft, ohne Geld so weit zu reisen? Hiva:‚Reisen’ ist wohl nicht das richtige Wort. Die Grenzüberfahrten organisierten meistens Menschenschmuggler- oder Mafiabanden. In Flüchtlingslagern bekommt man solche Kontakte schnell. Ursprünglich wollte ich nach Frankreich. Ich habe also mein letztes Geld zusammengekratzt und mich denen sozusagen ausgehändigt. Ich habe wochenlang in Kellern gehaust und wurde in Containern hunderte Kilometer durch Osteuropa transportiert. Als ich dann im Jahre 2001 die tschechisch-deutsche Grenze durch ein Waldgebiet überquerte, hatte ich Infektionen, aufgeplatzte Füße und tagelang nichts gegessen.

Powision: Und in Deutschland war dann vorerst Endstation. Was ist passiert? Hiva: Ich machte den Fehler ein deutsches Dorf zu passieren. Die Polizei nahm mich fest und sperrte mich in eine Zelle. Für mich war das ein unvergessliches SchockErlebnis: Deutschland und andere europäische Staaten wecken in Menschen aus armen Ländern Glücksfantasien. Diese hoffnungsvolle Erwartung wurde jedoch gleich nach meiner Festnahme zerstört. Die Polizisten verwehrten mir – obwohl ich offensichtlich abgemagert und krank aussah – Nahrung und sogar Wasser, während sie gemütlich zu Abend aßen. Ich musste mich ausziehen und sogar eine rektale Inspektion über mich ergehen lassen. Das und ihre spöttischen Kommentare waren für mich sehr demütigend. Powision: Was glaubst du, warum sie dich so behandelt haben? Hiva: Ich weiß es nicht. Vielleicht waren sie sauer, weil ich für sie ein neuer Bearbeitungsfall war, der Arbeitszeit kostete. Sie telefonierten jedenfalls wie wild herum, bis sie schließlich merkten, dass sie mich nicht sofort wieder abschieben können, da ich keinen Pass besaß. Am nächsten Tag transportierten sie mich zum Bahnhof und sagten, ich solle nach Chemnitz in ein Asylamt gehen – wieder ohne mir etwas zu essen oder Geld zu geben. In Chemnitz wohnte ich für einen Monat in einem Flüchtlingsheim und stellte einen Antrag auf Asyl. Das Frankreich-Vorhaben wurde erstmal für längere Zeit auf Eis gelegt. Powision: Wurde dein Antrag gebilligt? Hiva: Nach einem Monat wurde mein Asylantrag abgelehnt und ich wurde nach Leipzig in ein anderes Wohnheim geschickt. Ich nahm ein paar Gelegenheitsjobs an und konnte mir so einen Anwalt leisten, um gegen die Ablehnung zu klagen. Zweieinhalb Jahre später wiesen mir die Behörden den Status „Geduldeter" zu. Ich war fortan einer von

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knapp 200.000 Menschen in Deutschland, deren Abschiebung in die unsichere Zukunft verschoben wurde. Powision: Was glaubst du, was geschehen würde, wenn du zurück in den Iran geschickt würdest? Hiva: Meine Familie hatte schon damals Angst um mich, da ich politischer Aktivist war und an vielen regimekritischen Demos teilgenommen hatte. Eine Abschiebung würde einen offiziellen Weg nehmen, d.h. ich würde ins Fadenkreuz der iranischen Behörden allein schon deswegen geraten, weil ich hier politisches Asyl beantragt habe. Seitdem die Reformisten abgehauen sind und sich der fundamentalistische Flügel des Regimes in der Atom-Frage mit den USA und ihren europäischen Verbündeten anlegte, werden die staatlichen Repressionen gegen Abweichler und Regimekritiker immer schärfer. Gerade im Moment leben politisch Engagierte jeglicher Couleur in Iran sehr gefährlich: Menschen verschwinden einfach, werden eingekerkert, gefoltert oder auf offener Straße erhängt. Selbst angesehene Wissenschaftler und Journalisten, die im Ausland politisch tätig waren, kamen nach ihrer Rückkehr in die Fänge der iranischen Sittenwächter. Ich könnte also bei einer Abschiebung mit einer langen Haftstrafe oder Schlimmerem rechnen. Powision: Wie würdest du deine Lebensbedingungen in Leipzig beschreiben, vor allem in Bezug auf deinen Status als „Geduldeter"? Hiva: Ich unterliege einer so genannten Residenzpflicht, das bedeutet, dass ich mich innerhalb der Zone 1 in Leipzig aufhalten muss. Ich kann also mit der Tram nicht einmal bis zur Endstation fahren, wenn diese außerhalb des Stadtgebietes liegt. Neben der Übernachtung stellt mir das Wohnheim kostenfreie Essensversorgung. Darüber hinaus bekomme ich 48 Euro im Monat zur freien Verfügung. Das muss dann für alles reichen, auch für Kleidung. Powision: Wie ist die Arbeitssituation als „Geduldeter"? Bietet Arbeit eine Chance, diesen Status zu überwinden?

Hiva: Ich besitze als Geduldeter keine Arbeitserlaubnis. Die einzige Möglichkeit, die ich habe, sind so genannte nachrangige Arbeiten. Das sind schlecht bezahlte Jobs, die sonst wohl niemand übernehmen würde, sodass keine Konkurrenz auf dem „echten" Arbeitsmarkt entsteht. Auch sind die Angebote gering, gerade wenn man die Stadt nicht verlassen darf. Schwarzarbeit scheint für Leute in meiner Lage die einzige Möglichkeit zum Gelderwerb. Doch die Bezahlung ist noch schlechter, verhandeln ist hier kaum möglich. Ein Stundenlohn liegt bei 2 Euro. Zudem ist man extremer Willkür ausgesetzt, da die Situation von vielen „Arbeitgebern" ausgenutzt wird. Manche glauben in einem permanenten Arbeitsverhältnis eine Chance zu sehen, irgendwann als vollwertiger Bürger anerkannt zu werden. Sie nehmen hohe Risiken auf sich und arbeiten für Hungerlöhne. Das große Problem bei der Duldung ist die enorme Unsicherheit: Es gibt Menschen, die leben schon seit zehn Jahren als „Geduldete" in Deutschland. Sie leben ständig in der Gefahr abgeschoben zu werden. Powision: Was wären denn potentielle Arbeiten, die du auf legalem Wege annehmen dürftest? Hiva: Beispielsweise die Arbeit auf einem Hühnerschlachthof. Hier kann man im regulären Betrieb jedoch nur befristet arbeiten. Der einzige Job, der nach 6 Monaten eine Aufstiegschance zulässt, ist derart gesundheitsschädlich, dass ihn niemand so lange durchhält: Die noch lebenden Hühner müssen draußen in ein Fließband gehangen werden, was zum einen eine starke Belastung für den Rücken bedeutet, da man die gleiche Bewegung den ganzen Tag ausführt. Zum anderen erhält kein Arbeiter schützende Kleidung, was bei den auftretenden Gasen zu erhöhtem Asthmarisiko oder Lungenkrankheiten führen kann. Überstunden sind an der Tagesordnung und werden grundsätzlich nicht ausgezahlt. Eine Chance dagegen zu protestieren habe ich nicht, da ich keinerlei Arbeitnehmerrechte genieße und der Versuch, sich gewerkschaftlich zu organisieren, die Entlassung bedeuten würde. Zwar ist die Bezahlung mit 5,80 Euro nicht

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so schlecht, doch entfällt in diesem Fall jegliche Unterstützung durch das Sozialamt. Kein Geld, kein Essen und keine Sozialwohnung mehr. Dazu kommen natürlich noch die täglichen Fahrtkosten, so dass auch hier letzten Endes nicht viel übrig bleibt. Powision: Wie wurdest du von der hiesigen Gesellschaft aufgenommen? Fühlst du dich als Mensch respektiert oder hast du mit Vorurteilen und Diskriminierung zu kämpfen? Hiva: Ich habe viele nette Menschen hier kennen gelernt und einige davon sind auch meine Freunde geworden. Dennoch gilt, dass man als Mensch, dem augenscheinlich nicht deutsches Blut durch die Adern fließt, mit diskriminierender, teilweise herabwürdigender Behandlung rechnen muss. Die Gängelung und massive Einschränkung meiner Freiheit durch staatliche Behörden, die Demütigung durch die Grenzpolizisten und bei vielen Arbeitsstellen im nachrangigen Arbeitsmarkt sind klare Indizien dafür, dass es offizielle und gesell-

schaftliche Maßstäbe gibt, an denen der Wert eines Menschen abgelesen wird. Es gibt aber auch die andere Form von Rassismus, den positiven Rassismus. Natürlich scheint das auf den ersten Blick weniger bedrohlich zu sein als der negative. Dennoch wird auch hier eine klare Trennlinie zwischen Menschen gezogen und ‚Menschentypen’ generiert, die ganz bestimmte Eigenschaften aufweisen – ob diese nun positiv oder negativ zu bewerten sind liegt dann im Auge des Betrachters. Die Nähe zum negativen Rassismus ist also offentsichtlich. Powision: Wie sind deine weiteren Pläne? Wirst du Deutschland den Rücken kehren? Hiva: Ich möchte vorerst in Leipzig bleiben. Mein Wunsch wäre es an der Universität eine Geisteswissenschaft zu studieren und darüber hinaus meine verschiedenen Sprachkenntnisse zu vertiefen. Eine handwerkliche Ausbildung könnte ich mir auch gut vorstellen. Mit einem Status als „Geduldeter" bleibt das aber bloß Wunschdenken. Ich kann so gut wie nichts machen.

DIE FRAGEN STELLTEN: DANIEL MÜTZEL UND FLORIAN BARTH

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Nationalismus als Konstrukt Eine kurze Skizze zur Debatte um den Völkermord an den Armeniern In die folgende Darstellung wird das Leipziger „Sonntagsgespräch“ vom 29. April 2007 zum Thema „Der Völkermord an den Armeniern“ miteinbezogen. Den Vortag hielt Prof. Dr. Mihran Dabag von der Ruhr-Universität Bochum, die Moderation übernahm Prof. Dr. Georg Meggle von der Universität Leipzig. Die Bezeichnung des Genozids an den Armeniern als eben solchen gilt in bestimmten Diskursen immer noch als ‚extreme’ Position. Die Vernichtung des westarmenischen Lebens in den Jahren 1915/16 war keineswegs, wie oft behauptet, etwa Ergebnis einer mehr oder weniger zufälligen Affekthandlung, sondern Ergebnis einer genauen Planung. Die Opferzahlen sprechen für sich: nach unterschiedlichen Angaben bis zu 1,5 Millionen Toten. Nach Aufständen, hervorgerufen durch das Unabhängigkeitsstreben der Westarmenier, wurde mit einer „Gegenoffensive“ der Türkei ein Völkermord verübt, der bis heute nicht verarbeitet ist. So war der Genozid nach Dabag der Versuch, die neue türkische Identität des Turanismus durch islamisch-orientalische Imperialismus-Aspekte und einen „neuen Nationalismus“ möglichst konsequent zu kreieren. Das aktive politische Gestalten des Panturkismus, einer „Integrationsideologie“, wurde seitens der Jungtürken konsequent betrieben: Ein Volk sollte entstehen, durch eine gemeinsame Sprache, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft. Auch durch das gezielte Ausschalten von vielen Eliten und der Opposition hat es das Regime geschafft, die türkische Identität in Form einer nationalen Großreichs zu verwirklichen. Der Islam diente hierbei als Mittel, die Einheit der Türkei herzustellen, „Turkistan“ zu schaffen. So wurde die islamische Kultur des osmanischen Reiches in die neue Nation aufgenommen, obschon der Abgrenzung willen bewusst offensichtliche Aspekte des arabischen Kulturlebens negiert wurden (Schrift, Sprache etc.). Als Begründung des Genozids gaben die Verantwortlichen eine Handlung für die na-

türliche Identität an; eine Transformation in Kürze (also quasi in der Biographie eines Einzelnen) wurde verlangt und schließlich auch erreicht. Dass damit der gänzliche Verlust der armenischen Identität und Geschichte besiegelt wurde, kommt in den seltensten Fällen zur Sprache. Es soll hier auch nicht verschwiegen werden, dass die Armenier stolz darauf sind, dass das Land um 301 als erstes der Welt das Christentum zur Staatsreligion erhoben hatte. Die Kriege indessen gegen Christen seitens der Muslime begannen schon vor beinahe 1000 Jahren. Bei Kettermann liest man: „1071 vernichtet Alp Arslan die byzantinische Armee bei Mantzikert; dadurch ist Anatolien für die türkische Landnahme frei.“1 Identitätsmuster einer Gemeinschaft werden, so Mihran Dabag weiter, immer wieder reformiert; der Referenzrahmen für eine kollektive Identitätsbildung Armeniens ist also seit dem Völkermord im Wandel. Folglich wird die heutige armenische Identität aufgrund (und nicht etwa trotz!) des Genozids gelebt. Die rigorose Leugnung des Völkermords an den Armeniern ist lediglich ein Definitionsversuch, aber eine klare Rekonstruktionsverhinderung der Tatsachen. Demgemäß ist Dabags Hauptthese, dass die Leugnung des Genozids dessen tatsächliche Fortsetzung bedeutet. Heute steht folglich die armenische Diasporagemeinschaft der „neuen türkischen Nation“ nach wie vor unversöhnlich gegenüber. Im März 2005 gab es auf Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion2 eine Debatte im Deutschen Bundestag anlässlich der neunzigsten Jährung des Beginns des Völkermords. Die damalige Bundesregierung wurde dazu aufgerufen, die Versöhnung zwischen Türken und Armeniern aus historischer Verantwortung voranzutreiben. Die Worte ‚Völkermord’ oder ‚Genozid’ wurden in der Debatte möglichst paraphrasiert. Diese Art der Sprachpolitik, in wel-

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cher sich vor allem Vorsicht und Unsicherheit zeigen, verdeutlicht den Begriff „Völkermord“ als eine Rechtskategorie. Denn damit ergeben sich Konsequenzen, die der Türkei einiges abverlangen würden. Die Türkei, als eigentlich laizistischer Staat, hat durch die Konstruktion von Nationalismen erst eine relative Einheit herstellen können - über den Islam und mit ihm. Die türkische Anerkennung des Völkermords an den Armeniern würde wohl die Identität des Staates verändern, weil keine Konformität mit der Verfassung hergestellt werden kann. Die Präambel der türkischen Verfassung3 konstatiert indirekt die Nichtexistenz von Minderheiten, folglich werden diese auch nicht geschützt. Andersdenkende und Andersgläubige passen nicht in die neue Norm. Dennoch hat sich die Türkei vor nunmehr 80 Jahren in den Lausanner Verträgen verpflichtet, dass „All inhabitants of Turkey shall be entitled to free exercise, whether in public or private, of any creed, religion or belief, the observance of which shall not be incompatible with public order and good morals” (Art. 38).4 Und um den fragwürdigen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union in den Diskurs mit einfließen zu lassen, vertritt Dabag die Auffassung, dass die Anerkennung des Völkermordes seitens der Türkei zu einer der Vorbedingungen des Beitrittsvorgangs gemacht werden sollte. Ist die Europäische Union als Ganzes bereit, den Westarmeniern, als Opfer dieser Katastrophe, deren Recht auf Geschichte zuzugestehen, und sie als Genozidopfer anzuerkennen? Man könnte die EU als Familie betiteln und nach der Familientauglichkeit potentieller Mitglieder fragen, statt Wesentliches wissentlich auszublenden. Ist es verständlich, dass beschwichtigende, als „Appeasement“ bezeichnete Politik, angewandt wird, um die türkische Staatsführung nicht zu kränken? Zwar wurden durch das Europäische Parlament entsprechende Beschlüsse5 gefasst, doch mehr ist nicht geschehen. Außer vielleicht, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan am Tag der deutschen Einheit 2004 in Berlin eine „Quadriga“ in Kleinformat überreichte. Ein höchst beachtenswerter Vorgang.

Anstelle einer selbstkritischen Demut, wie sie spätestens seit Bonifatius abendländische Tradition ist, wird dieses Massaker geleugnet, und zwar rigoros. Sollte ein übersteigerter Stolz- und Ehrbegriff hinreichend sein als Legitimation für das Stillschweigen vieler Europäer? Wie lange kann ein beständiger Nationalismus noch auf so viel Offenheit und Toleranz bauen? Bleibt der Verweis auf den Theologen Johannes Lepsius6, der mit seinem Lebenswerk, dem Armenische Hilfswerk, einen wesentlichen Beitrag zu andauernder Wahrnehmung und letztlich auch Verständnis der christlichen Armenier geleistet hat. Vielleicht kann es gelingen, die Wichtigkeit von Diskurs über Dissens zumindest doch zu akzeptieren, besser noch Farbe zu bekennen. In Leipzig hat man beim „Sonntagsgespräch“ wenigstens den nötigen Mut dazu bewiesen, was nicht zuletzt die obligatorische Polizeipräsenz während der Veranstaltung indizierte.

JULIAN-CHRISTOPHER MARX

1

Kettermann, Günter: Atlas zur Geschichte des Islam. Darmstadt, 2001 2

Deutscher Bundestag, Drucksache 15/4933

3

http://www.tuerkei-recht.de/Verfassung2005.pdf 21.6.2007 4

http://net.lib.byu.edu/~rdh7/wwi/1918p/lausanne.html 21.6.2007 5

http://www.europarl.europa.eu/intcoop/euro/jpc/turk/ history2004_turkey_de.pdf 21.6.2007 6

Lepsius, Johannes: Deutschland und Armenien 19141918: Sammlung diplomatischer Aktenstücke. Potsdam 1919

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Kulturkampf, „Leitkültür“ oder Mekka in Deutschland oder was? Es ist paradox: Auf der einen Seite fordert die Mehrheitsgesellschaft von Migranten mehr Integrationswillen – gleichzeitig sinkt aber die Bereitschaft der Mehrheit, sie als Gleiche unter Gleichen zu akzeptieren. Wenn sich etwa Muslime weder politisch noch beruflich integrieren können, bleibt als letztes Kapital, über das sie verfügen können, die Religion. Dann aber darf die Religion niemand kritisieren, weil sie ja die letzte Ressource ist, die deshalb unbedingt verteidigt werden muss. Dies erzeugt Abschottung und verhindert selbstkritische Entwicklungen. Die Mehrheitsgesellschaft ist an diesem Prozess also durchaus beteiligt.

ner Konkurrenz von alten Werten mit neuen. Diese Wertepluralisierung schafft mehr Freiheiten. Aber dieser Freiheitsgewinn ist nicht kostenlos. Das wird oft unterschätzt, gerade bei Jugendlichen, die mit der Frage konfrontiert sind, welche Werte und Normen gelten, etwa bei Gewalt. Werte müssen in Konflikten miteinander ausgehandelt werden. Denn sie verstehen sich nicht mehr von selbst.

Wir wissen aus wissenschaftlichen Untersuchungen der letzten Jahre: je größer die Integrationschancen, desto geringer die Anfälligkeit für autoritäre Muster und islamische Ideologien.

Genau an diesem Punkt sind wir jetzt in Deutschland angelangt. In den deutschen Medien und Politik missdeuten aber manche diesen Prozess völlig. Angeblich tobt jetzt wieder ein Kulturkampf. Aber zwischen wem eigentlich? Es ist allein ein Kampf der Ewiggestrigen. Sie führen diesen Kampf nicht gegeneinander, sondern gemeinsam – zum Schaden der offenen Gesellschaft.

Kaum jemand spricht aber ernsthaft darüber, wie wenig Migrantenjugendliche gerade mit muslimisch geprägtem Hintergrund einen Abschluss oder einen Ausbildungsplatz erhalten. Die Bildung von Identitäten und Identifikationen vollzieht sich oft als komplexer und von Schwierigkeiten begleiteter Prozess mit vielfältigen Brüchen und Umkehrmöglichkeiten. Vielfältige Integrationsprobleme, ob in Arbeitsmarkt, Schule oder öffentlichem Leben, deuten gar auf eine Abkehr vom Integrationsprozess hin. Soziale und kulturelle Konflikte im Zusammenleben scheinen sich zu häufen. Der Religion (Islam) kommt dabei offenkundig große Bedeutung zu. Die Integration muslimisch geprägter Zuwanderer und somit auch ihrer Religion ist für Deutschland, anders als für manch anderes europäisches Land mit kolonialer Vergangenheit, eine vergleichsweise neue Entwicklung und Herausforderung. Wir haben es heute in der deutschen Gesellschaft mit einer Wertepluralisierung zu tun. Also nicht mit einem Wertezerfall, sondern mit ei-

Fundamentalist wird man nicht durch einen Glauben, sondern durch eine bestimmte Art zu denken oder auch nicht zu denken. Die Fundamentalisten des Islam fühlen sich sehr wohl in einer Gegenwart, in der nicht mehr die Aufklärung und die Säkularisierung den Diskurs bestimmen sollen, sondern das christliche Erbe und die reaktionären Denkmuster des 19. Jahrhunderts, die zur großen europäischen Katastrophe des 20. Jahrhunderts geführt haben. Die sakralen Quellen – und zwar – aller monotheistischen Religionen legitimieren nicht mehr oder weniger Gewalt als die einer anderen monotheistischen Religion. Die Geschichte kennt genug Gewalt und Unrecht im Namen Gottes aller monotheistischen Religionen. Ohne die Aufklärung und Säkularisierung die in Europa bereits stattgefunden hat, würde die CDU heute in der gegenwärtigen Diskussion um die richtige Migrationspolitik sicherlich nicht von einer vom „christlichem Erbe“ geprägten „Leitkultur“ sprechen können. In einer Wirklichkeit, die von einer Vielzahl an Kulturen, Religionen, Ethnien und Philosophien geprägt ist, bildet aber eben nur

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die Säkularität des Staates Gewähr für ein gedeihliches Miteinander. „Wenn ich mich zu meinem Gastland bekenne, wenn ich es als das meine betrachte, wenn ich der Ansicht bin, dass es fortan ein Teil von mir ist wie ich ein Teil von ihm, und wenn ich mich entsprechend verhalte, dann habe ich das Recht, jeden seiner Aspekte zu kritisieren; umgekehrt, wenn dieses Land mich respektiert, wenn es meinen Beitrag anerkennt, wenn es mich in meiner Eigenart fortan als Teil von sich betrachtet, dann hat es das Recht, bestimmte Aspekte meiner Kultur abzulehnen, die mit seiner Lebensweise oder dem Geist seiner Institutionen unvereinbar sein könnten.“ Mit diesen Worten Umschreibt der in Frankreich lebende libanesische Schriftsteller Amin Maalouf „die Integration“ aus der Sicht eines muslimisch geprägten Migranten. Integration verändert demnach beide Seiten, die Mehrheitsgesellschaft wie auch die Zuwanderer. Amin Maaloufs Umschreibung von Integration charakterisiert diesen Prozess auf grundlegende Weise, hat Gültigkeit für alle Integrationsprozesse im Zusammenhang mit der Zuwanderung von Menschen, gleichgültig aus welchem Kulturkreis sie kommen und welches Gastland die Zuwanderer aufnimmt. Sie zeigt, dass ein Bekenntnis zu einem Land, dass die Identifizierung mit seinen Werten und Konventionen einschließlich konstruktiver Kritik an diesen ebenso Bestandteile des Prozesses der Integration sind wie das Recht des aufnehmenden Landes, Aspekte der Kultur der Zuwanderer dann abzulehnen, wenn sie mit der Lebensweise oder den Institutionen des aufnehmenden Landes in Konflikt stehen. Genau für diesen Fall haben wir ein Grundgesetz. Darin sind die Kernwerte unserer Gesellschaft dokumentiert, die uns zusammenhalten.

Mann und Frau, die Trennung von Staat und Religion, die gegenseitige Anerkennung der Religionsgemeinschaften oder Meinungs- und Glaubensfreiheit unveränderbar und zu verteidigen sind. Von dieser Gesellschaft und dem Staat können wir nur dann uneingeschränkt akzeptiert werden, wenn wir den im GG festgeschriebenen verfassungsrechtlichen Konsens auch für uns akzeptieren. In diesem Sinne betrachten die in Deutschland lebenden Aleviten das Grundgesetz als „gültigen Gesellschaftsvertrag“. Man muss die liberalen Kreise der Migranten aus muslimisch geprägten Ländern stärken. Dazu muss Öffentlichkeit hergestellt werden. Daran fehlt es. Vor allem darf man nicht einfach Leistungen von Migranten erwarten – und wenn sie diese erfüllen, gegen die Wand laufen oder alleine lassen. Das kann erst recht ein Einfallstor für islamistische Ideologien in die Community sein. Unsere „Leitkültür“ ist der Humanismus, der im Grundgesetz der Bundesrepublik im Art. 1 zum Ausdruck kommt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das Alevitentum ist keine missionarische Religion oder Glaube. Die alevitische Gemeinde Deutschland ist bereit ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Wir stehen mehr denn je für einen interreligiösen und politischen Dialog mit allen gesellschaftlichen Gruppierungen zur Verfügung. „Der Weg ist das Ziel.“

- Alevitische Gemeinschaft als Teil der demokratischen Gesellschaft In der bundesrepublikanischen Gesellschaft gibt es einen Konsens darüber, dass die absolute Untastbarkeit des Menschenlebens, die Gleichberechtigung von

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ALI ERTAN TOPRAK


Beim Untergang der Titanic ...* Robert Misik [österreichischer Journalist, Anm. d. Red.], der schon als Marxist auf die Welt gekommen und es bis heute geblieben ist, brachte eine neue Allzweckwaffe aus dem Arsenal des dialektischen Materialismus in Stellung: den Begriff „Islamophobie“: „Wer den Islamismus bekämpfen will, darf sich darum auch nicht ‚weigern’, von der Islamophobie zu sprechen – schließlich treibt diese ja die Moderaten in die Hände der Radikalen.“ Unklar blieb, warum es immer die Moderaten sind, die in die Hände der Radikalen „getrieben“ werden - und nie umgekehrt. Warum die Riege der Gutmenschen aus Politik, Medien und Wissenschaft nie um eine kommode Ausrede verlegen und allzeit bereit ist, beide Augen zuzudrücken, ist einfach zu erklären. Erstens macht es viel mehr Spaß, sich für die Befreiung Palästinas und der Gefangenen von Guantanamo einzusetzen, weil man dafür nichts anderes tun muss, als auf die Straße zu gehen und ein Poster in die Luft zu halten. Hinzu kommt, dass solche Aktionen garantiert folgenlos sind. Kein Demonstrant wäre gehalten, einen der Gefangenen von Guantanamo bei sich zu Hause aufzunehmen, mit ihm Tisch, Bad und Küche zu teilen, um ihm bei der Rückkehr ins normale Leben zu helfen. Würde er sich aber mit derselben Intensität um die verletzte Menschenwürde der »Importbräute« sorgen, hätte er bald deren Männer, Brüder und Väter am Hals. Ein letzter Rest seiner längst erloschenen Wirklichkeitswahrnehmung signalisiert ihm, dass ihm das nicht gut bekäme. Da unterschreibt er lieber eine Resolution gegen Zwangsprostitution und genießt zwischen zwei Margaritas das Gefühl, sich ganz toll engagiert zu haben. Es geht also nicht darum, etwas zu tun, sondern darum, so zu tun, als ob man etwas täte. Die „aktive Verweigerungshaltung“, die Schneider [Peter Schneider, deutscher Schriftsteller, Anm. d. Red.] in einem Teil der moslemischen Gemeinschaft ausgemacht hat, findet sich also auch in der

„Mehrheitsgesellschaft“. Wissend, dass es ein Problem gibt, dem man nicht gewachsen ist, entscheidet man sich für aktive Ignoranz, organisiert Straßenfeste, gemeinsame Gottesdienste zu Mohammeds Geburtstag, Konferenzen zum Dialog der Kulturen, kurzum, man agiert wie der Kapitän der „Titanic“, der das Bordorchester aufspielen lässt, um den Passagieren den Untergang so angenehm wie möglich zu gestalten. Man könnte natürlich den kleinen Spielraum, der übrig geblieben ist, auch anders nutzen. Wenn man kaum noch etwas zu verlieren hat, kann man sich mehr Mut erlauben. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hätte vor Jahren den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels statt an die „Islamkennerin“ Annemarie Schimmel an den von Islamisten bedrohten Salman Rushdie verleihen und damit demonstrieren können, was der Börsenverein von der Todesfatwa gegen Rushdie hält, die von Frau Schimmel mit großem Verständnis kommentiert wurde. Die deutschen Zeitungen hätten, statt „Jyllands-Posten“ allein zu lassen, die Mohammed-Karikaturen nachdrucken sollen, nicht nur als eine Kundgebung der Solidarität, sondern auch als Warnung an den islamistischen Volkssturm: Ihr könnt toben, so viel Ihr wollt, wir lassen uns nicht beeindrucken und nicht erpressen. Jede Konzession, jeder Artikel, in dem davor gewarnt wurde, Öl ins Feuer zu gießen, jede Entschuldigung eines Politikers oder Firmenmanagers, die sich um einbrechende Umsätze und Gewinne sorgten, war eine Aufforderung an den rasenden Mob, weiter zu machen. Wie der Genosse Zufall es wollte, kamen im Frühjahr 2006 drei mediale Großevents zusammen: der Karikaturenstreit, die Diskussion um Ehrenmorde und andere Familienverbrechen in „Migrantenfamilien“ und die Entdeckung, dass es an vielen deutschen Schulen zugeht wie in einem PiranhaBecken. Allen gemeinsam war, dass sie erstens um das Thema „Gewalt“ kreisten und zweitens nichts als Ratlosigkeit evozierten.

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Ende März wurde bekannt, dass die Rektorin der Rütli-Schule in Berlin-Neukölln im Auftrag der Lehrerkonferenz einen Brief an den Schulsenator geschrieben und ihn gebeten hatte, die Schule aufzulösen. In dem Brief hieß es, ein geordneter Unterricht finde nicht mehr statt, die Stimmung sei geprägt von Zerstörung, Gewalt und menschenverachtendem Verhalten, Lehrer würden ignoriert und oft auch attackiert, in bestimmte Klassen gingen sie nur noch mit Handys, um im Notfall Hilfe holen zu können. Die Belastung sei unerträglich geworden, die Schule am Ende der Sackgasse angekommen, die Lehrer am Rande ihrer Kräfte. Der Anteil der Kinder deutscher Herkunft an der Rütli-Schule, also ohne Migrationshintergrund“, liegt knapp unter 20 Prozent, der Anteil der Kinder „arabischer Herkunft“ dagegen bei 35 Prozent, der „türkischer Herkunft“ bei 26 Prozent. Wer unter solchen Umständen den Ton auf dem Schulhof angibt und wer ein „Integrationsproblem“ hat, liegt auf der Hand. Die Schüler deutscher Herkunft werden als „Schweinefleischfresser“ beschimpft; sie versuchen, sich der Mehrheit anzupassen, indem sie bewusst gebrochen Deutsch sprechen, um weniger aufzufallen. „Das hat es selbst in Berlin noch nicht gegeben: Verzweifelte Lehrer fordern die Behörden auf, ihre völlig in Gewaltexzessen versinkende Schule komplett aufzulösen“, staunte ein Kommentator des Berliner „Tagesspiegel“. Der „Notruf aus Neukölln“ löste eine Diskussion über die Zustände an deutschen Schulen mit einem hohen Anteil an „Migrantenkindern“ aus. […] Selbst der Berliner Schulsenator war oder tat überrascht. Er habe, erklärte er, von den Vorgängen erst aus der Zeitung erfahren. Alle fragten: Wie konnte es so weit kommen? Was ist nur schief gelaufen? Und was muss jetzt unternommen werden, damit es nicht noch schlimmer wird.

Es war eine jener redundanten Debatten, wie sie immer wieder in unregelmäßigen Abständen ausbrechen, mal über die Leitkultur, mal über den Patriotismus und mal eben über die Gewalt an den Schulen. Aber diesmal war ein Detail anders. Man sprach nicht nur über den „Migrationshintergrund“, es wurden auch die beteiligten Ethnien beim Namen genannt. „Früher haben die Türken die Afrikaner gejagt“, erzählte ein Anwohner einer Berliner Zeitung, „jetzt jagen die Araber die Türken“. […] Ein anderer Fall machte die Grenzen der Polizeigewalt deutlich. Ein 15-jähriger deutscher Schüler wurde eine Woche lang von der Polizei zur Schule begleitet, nachdem er von einem 13-jährigen arabischen Mitschüler bedroht und von dessen Clique verprügelt worden war. Die Täter, berichtete der „Tagesspiegel“, gehörten einer bekannten arabischen Gang an, „die seit Jahren den Kiez terrorisierte“. Warum die Polizei den deutschen Schüler auf dem Schulweg schützte, statt die seit Jahren ihr Unwesen treibende Gang von der Straße zu holen, blieb ungeklärt. In Kreuzberg kann es vorkommen, dass Polizisten, die einen Jugendlichen mit „Migrationshintergrund“ festnehmen wollen, sich zuallererst mit seiner Gang rumschlagen müssen, die die Festnahme verhindern will. Alles in allem wurden im Jahre 2005 genau 849 Fälle von Gewalt an Berliner Schulen gemeldet, wobei nicht alle so spektakulär wie die in Neukölln und Charlottenburg waren. 2006 dürften es nicht weniger werden. […]

HENRYK M. BRODER

*Auszug aus: „Hurra, wir kapitulieren! Von der Lust am Einknicken“ von Henryk M. Broder. Erschienen 2006 im wjs-Verlag, Berlin. Mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

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LaLa-Land Wir machen ein Gedankenexperiment: Stellen wir uns vor, wir leben in einem schönen fernen Land nach althergebrachter väterlicher Tradition. Unsere Moral, unsere Wertsphären und unsere Institutionen sind über viele Generationen erarbeitet und funktionieren. Doch etwas ist anders, ist neu, ist verändert. Unsere Interaktionen mit anderen althergebrachten Welten haben sich intensiviert; leider mehr forciert als gewollt. Nun gibt es unter diesen anderen entwickelten Welten eine dominante. Diese sieht das genauso wie wir: Alles funktioniert und ist entstanden durch harte, jahrhundertelange, generationsübergreifende Arbeit. Nur leider denkt sie, dass sie – eben weil sie die dominante ist – auch die richtige ist. Dies versucht sie mit eindeutigen Mitteln allen anderen Welten ebenso klar zu machen. Die Mittel, derer sie sich bedient, sind ein Militäretat, der zwei Drittel der Militärausgaben des gesamten Planeten entspricht. Davon wird der Großteil in zukunftsträchtige militärische Forschung investiert. Sie verfügt über ein Heer von mehreren Millionen „Kriegern“, welche mit der modernsten Ausrüstung ausgestattet sind: Nachtsichtgerät, Infrarotsichtgerät, mobile Dronen, fast rückstoßfreie Maschinengewehre, die neusten atmungsaktiven Stoffe, allgeländetaugliche und sichere Fahrzeuge mit modernsten Zielerfassungsgeräten und punktuell treffenden, automatischen Waffen. Des Weiteren erfreuen sich diese „Krieger“ der schnellsten und effizientesten Logistik der Welt, die es ihnen ermöglicht auch über 10 000 km Entfernung den Ort, an dem sie sich befinden, in ihre althergebrachte, hart erarbeitete Welt zu transformieren. Sie sind von der Richtigkeit ihrer Moralvorstellungen so überzeugt, dass die Motivation dieser „Krieger“ keinen Vergleich findet. Diese Motivation spiegelt sich wieder in der blinden Befolgung der Befehle, die in Echtzeit aus ihrer Welt in alle anderen Welten exportiert werden können. Ein System, so effizient, dass innerhalb von 100 Stunden die drittstärkste Armee auf diesem Planeten be-

zwungen werden konnte. Nicht nur auf dem Land sondern auch zu Luft und zu Wasser haben sie diese Vorherrschaft. Was tun wir nun? Wir wollen unsere Lebensweisen, unsere hart erarbeitete Welt erhalten. Mit konventionellen militärischen Mitteln können wir nichts erreichen. Was bleibt uns noch? Welcher Weg kann uns erhalten? Welcher Weg kann uns retten? Interessantes Experiment?! Offen gesprochen, wir leben in einer Zeit, in der in unserer Welt Publikationen zirkulieren, die vor unserer Kapitulation warnen. Befinden wir uns denn im Krieg? Wir kämpfen gegen vermeintliche Extremisten, weshalb wir mit ihnen nicht verhandeln können und dürfen. Nur leider sehen sich Extremisten nicht als solche. Ob RAF, ETA, PLO, IRA oder Al Quaida, alle sehen sich als Krieger und damit als Soldaten. Soldaten einer Welt, die derselben Funktion unterliegt wie unsere. Zwar mögen der Schein und die Anwendung von Mitteln für uns befremdlich oder gar erschreckend wirken. Dennoch ändert dies nie etwas an der jeweiligen Funktion und an dem jeweiligen Zielmechanismus, der dahinter steckt. Vielleicht sollten wir nicht kapitulieren, aber vielleicht sollten wir unseren Standpunkt nicht als Absolutum oder als Endgültigkeit empfinden, schon gar nicht als richtig. Wir kapitulieren nicht, sondern verhandeln. Verhandeln von Angesicht zu Angesicht, als unterschiedliche aber gleichwertige Partner, um zu einer Lösung zu kommen. Wenn wir uns schon auf Grund harter, jahrhundertelanger, generationsübergreifender Arbeit die Klügeren schimpfen, dann muss für uns die Devise sprichwörtlich lauten: Der Klügere gibt nach.

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KEN P. KLEEMANN


Postmoderne Verwirrspiele Ein Gespenst geht um in der westlichen Hemisphäre – das Gespenst des Kulturrelativismus. Es durchwaltet die Seelen von Globalisierungsgegnern, linken Gewerkschaftern, Friedensbewegten, AntiImps und gutmenschelnden Sozialdemokraten. Sie alle haben sich unter die gemeinsame Fahne des Anti-Bellizismus vereinigt und kämpfen spätestens seit Afghanistan 2001 in trauter Einigkeit gegen „Kriegstreiberei" und „imperialistische Weltpolizisten". Die dort zirkulierenden Meinungen reichen von einem intuitiv hergeleiteten Pazifismus, über einem sich antifaschistisch dünkenden Anti-Imperialismus bis hin zum postmodernistisch gestützten, radikalen Kulturrelativismus. Ihnen allen gemein ist die Aversion gegen die dominante Position der USA auf dem weltpolitischen Parkett, die – so die Unterstellung – mit missionarischem Aufklärungseifer und zivilisatorischer ‚Arroganz’ ein kulturexpansionistisches Infiltrationsprogramm verfolgen, dass sich mal in Kriegen, mal in der Schaffung neuer Freihandelszonen und Absatzmärkte materialisiert. In welche argumentationslogische Aporien, analytische Schwächen und moralische Fallstricke sie sich hierbei verfangen, wird dabei – häufig aus impulsiven antiamerikanischen Ressentiments heraus – leider übersehen. Die Skizzierung eines Weltzusammenhangs, der sich aus hochgradig differenzierten Ideenclustern, kulturellen Netzwerken, Identitäten und Ethnien speist, endet in seiner postmodernen Ausformung in einer Konstellation von grundsätzlich äquivalenten Werten. Die relativistische Zurückhaltung bei der Einführung von Beurteilungskriterien erfordert eine dementsprechende Toleranz gegenüber allen Identitäten und kulturellen Äußerungen. Eine durchaus wohl klingende Idee, gewährt sie doch allen Denkund Organisationsformen die Freiheit, sich nach ihrem Gusto zu entfalten, indem sie eine universalistisch agierende, ‚arrogante’ Missionierungsagentur theoretisch gar nicht erst vorsieht. Problematisch jedoch

wird der heimelige Multikulturalismus, wenn der Wert der Wertfreiheit selbst, welcher erst die Freiheit der Gleichbehandlung verbürgt, ins Fadenkreuz spezifischer Entfaltungsprogrammierer kommt. Die ressentimentgeladene Fixierung auf eine angeblich neokolonialistische Hegemonialkultur aus dem reichen Westen trübt dabei den aufmerksamen Blick auf die Bedrohung aus dem Nahen Osten. Bin Laden bringt in einem Brief1 an die Vereinigten Staaten das Selbstbild der Islamisten auf den erschreckenden Punkt: "You [die USA, D.M.] are the nation who, rather than ruling by the Shariah of Allah in its Constitution and Laws, choose to invent your own laws as you will and desire.” Spätestens hier wird klar, dass der totalitäre Dominanzanspruch islamistischer Denkmuster nicht mit Opferstilisierungen und Widerstandsrhetorik erklärt werden kann. Nicht Reaktion, sondern Aktion ist der Handlungsmovens der Fundamentalisten. Nicht der Verzweiflungsakt, sondern ideologisch infizierte Tötungsabsicht kennzeichnet in den allermeisten Fällen das islamistische Attentat. „Der Islamist zwingt mich, in seiner Welt als Antagonist aufzutreten und dementsprechend auf sein Handeln zu reagieren. Weil er mich als seinen Feind ansieht, zwingt er mich, ihn als meinen Feind anzusehen und erneut in Begriffen zu denken, die ich, als moderner Europäer, hatte vergessen wollen […]."2 Leon de Winter macht deutlich, dass das Ideal der Gleichwertigkeit aller kulturellen Ausprägungen spätestens dann aufgegeben werden muss, wenn dieses Ideal und – in der zwingenden Konsequenz – die Existenz seiner Träger offensichtlich bedroht werden. Denn die politische Zielgerade – das zeigt der oben zitierte Brief islamistischer Gruppen – ist nach islamisch-fundamentalistischer Vernichtungslogik binär kodiert: Tod den Ungläubigen oder totale Unterwerfung unter das Gesetz der Scharia. Die ehrlichen Makler, die ihr Heil am Verhandlungstisch suchen, im

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kommunikativen Austausch der Lebenswelten unter gleichberechtigten Diskussionspartnern, vergessen dabei leicht, dass viele Islamisten gar nicht an Verhandlungen interessiert sind. Sie sind nicht durch Wutmanagement und round-table-Diskussionen zur ‚Vernunft’ zu bringen. Beinahe paradigmatisch ist der Mord an den dänischen Regisseur Theo van Gogh im Jahr 2005, der Augenzeugen zufolge bis zuletzt versuchte, mit seinem Mörder, Mohammed Bouyeri, zu diskutieren. „Natürlich können wir darüber diskutieren", sagte dieser, während er unablässig Kugeln in van Goghs Körper feuerte. „Wir reden doch darüber!"3 Wer sich den offenkundig totalitären Zielsetzungen des politischen Islams analytisch verschließt, gerät zwangsläufig auch in logische Aporien. Ein Relativismus politischer Ideen, radikal und konsequent an sein Ende gedacht, mündet in eine Art darwinistischen Existenzkampf, eine natürliche Auslese von Ideen, in deren Verlauf die tüchtigen (totalitärexpansionistischen) Ideen die untüchtigen (tolerant-passiven) ausmerzen. Er trägt also insofern einen inneren Selbstwiderspruch in sich, als dass er zwangsläufig zu seinem eigenen Totengräber wird. Die Verharmlosung der islamisch-fundamentalistischen Subalternität zur bloßen „Differenz" und „Kulturspezifik", wo sie doch offenkundig expansionistisch und totalitär agiert und unverhohlen agitiert, ist analytisch unbrauchbar, realpolitisch brandgefährlich und darüber hinaus moralisch höchst bedenklich. War die Agenda der Aufklärung und der Moderne die „Entzauberung der Welt" (Horkheimer/Adorno), so exekutiert die Postmoderne programmatisch die „Entzauberung der Entzauberung" (SchmidtSalomon), welche an die Stelle eines objektivierten Wertekatalogs das Dogma der moralischen Beliebigkeit setzt. Wer einem verabsolutierten Relativismus frönt, nimmt sich die Freiheit für die Gleichsetzung von bürgerlichkapitalistischen Gesellschaften mit faschistoiden Unterdrückungsregimen. Man braucht kein Apologet bürgerlicher Verhältnisse und Ideale zu sein, um zu erkennen, dass Freiheit und Gleichheit – so verzerrt, beliebig und nichtssagend die Begriffe auch sein mögen – selbst in ihrer bürgerlichen, formaljuristischen

und ökonomistisch gedachten Ausprägung jedem Unterdrückungsund physischen Gewaltverhältnis vorzuziehen sind. Nun lassen sich zwar ideologisch motivierte Handlungen wie die Unterjochung der Frau oder die Liquidierung von Andersdenkenden zu kulturellen Eigenheiten verklären und mit (ebenso ideologisch motivierter) demokratischer oder andersgearteter Selbstbestimmung philosophisch auf einen Nenner bringen. Beides sind konstruierte Wahrheiten, wie der Wertepluralismus selbst auch. Die Frage ist aber vielmehr eine pragmatische: Welche Wertvorstellungen sollen wie viel Platz innerhalb einer Gesellschaft einnehmen, um welchen sozialen Funktionen gerecht werden zu können. Reibungsflächen entstehen erst bei universalistisch angelegten Wertkonstellationen, was Hierarchisierungsalg orithmen erfordert, um die Selektion der Werte zu regulieren. Der humanistisch motivierte Kulturrelativismus muss sich also fragen, ob es nicht Werte gibt, die über anderen Werten gelten sollten, ob nicht Gleichberechtigung von Mann und Frau, Meinungs- und Entfaltungsfreiheit, Abwesenheit von institutionalisierten physischen Zwangsverhältnissen über Werten wie Gleichwertigkeit kultureller Äußerungsformen stehen sollten. Eine sinnvolle Strategie der Bekämpfung des aggressiven Totalitarismus islamistischer Provenienz erfordert also Zweigleisigkeit: Zum einen das Abschürfen moderater Kräfte, machthungriger Opportunisten und der vielen Fähnchen im Wind, bei denen klassische Erklärungsmuster wie Hunger und Verzweiflung durchaus ihre Berechtigung haben. Zum anderen die Sich-Vergegenwärtigung der konfrontativen totalitären Gewaltideologie, der nichts Abschürfbares oder Verhandelbares anhängt und auf die mit dementsprechenden Mitteln reagiert werden muss.

DANIEL MÜTZEL

1

http://observer.guardian.co.uk/worldview/story/ 0,,845725,00.html (letzter Zugriff 28.06.07) 2 http://www.cicero.de/97.php?ress_id=1&item=230&a ktion=blaettern&teil_num=1&teil_gesamt=12 (letzter Zugriff 28.06.07) 3 http://www.benadorassociates.com/article/16672 (letzter Zugriff 28.06.07)

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„Autonome Bewegungen“: Politischer Extremismus von links In der Vorabfassung des kürzlich veröffentlichten Verfassungsschutzberichts 2006 wird man unter dem Stichwort „Leipzig“ an acht Stellen fündig. Im Kapitel „Rechtsextremistische Bestrebungen und Verdachtsfälle“ wird Leipzig einmal im Zusammenhang mit den neonazistischen Demonstrationen des Hamburgers Christian WORCH erwähnt und zweimal im Zusammenhang mit der Polemisierung Michel Friedmans durch das NPD-Mitglied Jürgen GANSEL anlässlich des Fußball-WM Spiels Iran-Angola. Die meisten Treffer aber finden sich in der Rubrik „Linksextremistische Bestrebungen und Verdachtsfälle“. Deutschlands vergiftete Geister treffen sich in Leipzig So gibt es in Leipzig eine – z.T. konspirativ hergestellte und verbreitete – Publikation aus der autonomen Szene („incipito“), in der u.a. Taterklärungen, Positionspapiere, Aufrufe zu Demonstrationen, „Bastelanleitungen“ (Anleitungen zur Herstellung u. a. von Brandund Sprengsätzen) und andere für die linksextremistische Diskussion und Praxis relevante Beiträge veröffentlicht werden (S. 138).1 In der Region Dresden/Leipzig existieren Gruppen gewaltbereiter Linksextremisten (S. 140). Am 1. Mai waren bis zu 1.500 „Gewaltbereite“ unter den insgesamt 5.000 Personen, die gegen angemeldete Aufzüge der Rechtsextremisten Christian WORCH und Steffen HUPKA demonstrierten (S. 145). Die „Leipziger Antifa“ (LeA) erklärt im ideologischen Streit zwischen antideutschen und „traditionalistischen“/ pro-palästinensischen Positionen die Unvereinbarkeit antizionistischer/antisemitischer Positionen mit antifaschistischen Positionen (S. 153). Schließlich beteiligten sich in Leipzig am 3. Oktober mehrere hundert Autonome an einer Demonstration von insgesamt etwa 3.000 Personen gegen einen von dem Rechtsextremisten WORCH organisierten Aufzug (S. 184). Für gewalttätige Linksextremisten ist Leipzig Aktions- und

Ruheraum zugleich. Das weiß auch WORCH und kommt deswegen immer wieder nach Leipzig. Provokation und Reaktion wechseln sich ab – Leipzig in den Schlagzeilen. Politisch motivierte Kriminalität Dabei sind Straßenkrawalle, die im Rahmen von Demonstrationen oder im Anschluss daran provoziert werden, eine typische Form autonomer Gewalt. Wenn von 1.500 „Gewaltbereiten“ die Rede ist, schlägt sich das oft auch in einer hohen Zahl von Gewalttaten nieder. Das Bundeskriminalamt (BKA) registriert diese Gewalttaten mit extremistischen Hintergrund im Definitionssystem „Politische motivierte Kriminalität – links“. Als politisch motiviert gilt eine Tat insbesondere dann, wenn die Umstände der Tat oder die Einstellung des Täters darauf schließen lassen, dass sie sich gegen eine Person aufgrund ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft, sexuellen Orientierung, Behinderung oder ihres äußeren Erscheinungsbildes bzw. ihres gesellschaftlichen Status richtet. Die Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele gewaltbereiter Linksextremisten reichen dabei von Gesetzesverletzungen über Gewalt gegen politische Gegner bis hin zu vielfältigen militanten Aktionsformen. Für das Land Sachsen registrierte das BKA zwar einen Rückgang von Gewalttaten mit extremistischen Hintergrund aus dem Bereich „Politische motivierte Kriminalität – links“ (2006: 93, 2005: 108), allerdings reicht es für den Freistaat nach Berlin und Hessen immer noch für die dritte Stelle in der Statistik (fünfte Stelle bezogen auf Einwohnerzahl). Anti, Anti, Anti… Unter den gewaltbereiten Linksextremisten stellen jene, die sich selbst als Autonome bezeichnen, den weitaus größten Anteil. Obwohl die Bewegung der Autonomen nicht

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homogen ist, propagieren sie doch gemeinsame Vorstellungen eines freien, selbstbestimmten Lebens in „herrschaftsfreien Räumen”, die sich durch die Abwesenheit „struktureller Gewalt” (= staatliches Gewaltmonopol) auszeichnen. Einen Staat lehnen sie daher als „repressiv” ab und behalten sich das Recht vor, ihn durch die Anwendung von Gewalt zu überwinden.

Dringender Forschungsbedarf Zur Psychologie der Autonomen ist auch 25 Jahre nach ihrer Formierung wenig bekannt. Was treibt Menschen in autonome Bewegungen? Welche Rolle spielt (kollektive) Gewalt? Unter welchen Bedingungen lösen sich Menschen aus der autonomen Szene? In der Tat hat sich die Forschung mit diesem Phänomen bislang kaum beschäftigt. Dabei ist das Verständnis dieser Fragen wichtig, um Kriminalität durch vorbeugende Maßnahmen einzudämmen, das Sicherheitsgefühl der Bürger zu verstärken und die durch Kriminalität entstandenen Schäden zu verringern. Es besteht ein dringender empirischer Forschungsbedarf.

MICHAEL KLEMM

1

Die Redaktion erklärt ihre Auflösung am 16.10.2006 (Anm. d. Autors)

„Antirepressionsarbeit und Rote Hilfe [sind] notwendig, ... um z. B. Revolution zu machen, ‚Antifa heißt Angriff‘ tatsächlich in der Praxis umzusetzen oder ‚Krieg dem imperialistischen Krieg‘ entgegenzusetzen.“ („DIE ROTE HILFE“ 3.2006, S. 19)

Mehr aber als durch diffuse anarchistische und kommunistische Ideologiefragmente ist das Selbstverständnis von Autonomen durch Anti-Einstellungen geprägt („antikapitalistisch”, „antifaschistisch”, „antipatriarchal”, „antirassistisch”). Interessanterweise spielt kollektive Gewalt eine in großem Maße identitätsstiftende Rolle in der Szene obgleich es in der Tat unzureichend wäre, die Autonomen auf ihre Gewaltbereitschaft zu reduzieren. Denn erst die Verbindung von Gewaltbereitschaft mit der Kultivierung konsequenter Feindbilder machen Autonome zu Extremisten. Über die gewaltsame Überwindung des Systems hinaus, bieten sie keine weitere „Orientierung”. Zweck und Mittel verschwimmen in diffusen Räumen.

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G8 – Großdemonstration und ihre Folgen „Eine andere Welt ist möglich, hieß das Motto der Demo. Eine Welt ohne Randale und Gewalt ist es offenbar nicht.“1 Das waren die letzten Worte des Artikels über die Großdemonstration der Globalisierungskritiker und G8 Gegner aus der Leipziger Volkszeitung. In der Frankfurter Allgemeinen war zu lesen, dass „die Ausschreitungen von 2000 bis 3000 schwarz vermummten Gewalttätern begonnen wurden, die Steine und Brandtflaschen auf Polizisten und Fahrzeuge warfen und mit Latten und Knüppeln prügelten.“2 In den meisten öffentlichen Medien, vor allem des deutschsprachigen Raumes, sah die Berichterstattung ähnlich aus. „Die Polizei hat sich an ihren deeskalierenden Kurs gehalten“3, die Gewaltakte wurden von den linken Steinewerfern angezettelt, die aus ganz Europa angereist sind, um sich eine Schlacht mit der Polizei zu liefern. Attac, die grüne Partei, auch der Großteil der Demonstrationsleitung distanzierte sich von den Gewaltakten, ja verurteilte sie. Bilder von brennenden Autos, von eingekesselten Polizisten, von zerstörten Einkaufspassagen erreichten die Bildschirme der gesamten Republik. Die größten Ausschreitungen die das Nachkriegsdeutschland jemals erlebt hatte. Doch wo liegt der Ursprung der Eskalation? Zwei riesige Demonstrationszüge, deren Teilnehmerzahlen für die meisten Menschen noch immer um die dreißigtausend liegen dürften, marschierten durch die Stadt, mit dem Ziel sich im Hafengelände zur Abschlusskundgebung zu vereinen. Am Hafen angekommen füllte, sich der Platz unaufhörlich mit Menschenmassen. Bei genauerem Hinsehen fiel ein Polizeiwagen auf, der zentral auf dem Versammlungsplatz hielt – eine Provokation? Die Verwirrung wurde größer, als man sah, wie zwei vermummte Menschen den Wagen mit Steinen beschossen. Immer mehr Menschen versammelten sich um den Polizeiwagen, Steine schlugen ununterbrochen in das Auto ein, bis der Fahrer

des Wagens entschied die Flucht anzutreten, indem er den Platz in Schrittgeschwindigkeit verließ. Der Startschuss für den Straßenkampf war nun gegeben. Ein ständiges Geben und Nehmen auf beiden Seiten ließ die eigentliche Demonstration mehr und mehr in den Hintergrund rücken. Demonstranten kesselten die Polizei ein, warfen riesige Steine und hetzten die Polizisten. Nach kurzen Ruhephasen, in denen sich die Polizei zurückzog, eskalierte die Situation immer dann, wenn die Polizisten den nächsten Vorstoß ausführten. Mit Knüppeln in der Hand schlugen sie wahllos auf die Demonstranten ein, die dadurch in immer größere Aufruhr gebracht wurden. Ein surreales Bild zweier Welten überschattete das Hafengelände. Auf der einen Seite versammelten sich friedliche, auch verängstigte Menschen, die den Reden der Globalisierungskritiker und der Musik lauschen wollten. Menschen tanzten, lachten, regten sich ab und an über den überwachenden Hubschrauber auf, der dem Platz seine ständige Aufmerksamkeit schenkte. Nur durch die Redner und den aufsteigenden Rauch wurden sie über die Geschehnisse der anderen Seite informiert. Hier fand ein nicht zu bändigender Kampf zwischen zwei Lagern statt, die sich gegenseitig ihre Stärke beweisen wollten. Die Polizei sah sich gezwungen, mit einem radikalen Schlag in das Herz der Demonstration die Gewalt zu unterbinden. Mit einem Mal wurden die beiden Welten mithilfe der Polizei vereinigt. Mit Wasserwerfern, knüppelnden Hundertschaften und schwerem Gerät drängten sie in die friedliche Demonstration vor. Sogar ein Rollstuhlfahrer, der sich waghalsig dazwischen werfen wollte, um das vordringen der Polizei zu verhindern, wurde von Stockhieben aus seiner Fortbewegungshilfe gerissen und fiel auf den Boden. Die Polizei stürmte in die friedliche Menge, hinterließ Spuren der Angst in den Herzen der Menschen, auch in jenen, die die Gewalt ablehnen. In mir selbst ist ein Stück Seele zerbrochen, als mir das Ausmaß der Diskriminierung

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und der Menschenrechtsverletzung bewusst wurde. Nun hatten die Polizisten es tatsächlich geschafft, alle friedlichen Demonstranten zwischen dem Hafenbecken und der Polizeisperre einzukesseln. Die Gewalt suchenden Demonstranten haben sich zu diesem Zeitpunkt überall in der Stadt befunden - aber nicht an diesem Ort. Was wollte die Polizei also erreichen mit ihrem Vorstoß? Vor uns standen aufgereihte Polizisten, von denen einer sagte, nachdem er gefragt worden ist, was er hier mache: „Ich bin hier, weil ich Lust daran verspüre, solchen Leuten wie euch mal richtig die Fresse zu polieren.“ Und wieder ein Tritt auf die schon verletzte Seele. Das Bedrohungsszenario verschärfte sich, Wasserwerfer fuhren auf, die Leute bekamen Panik, niemand wusste, was jetzt passieren sollte. Rauch über der Stadt. Doch endlich, nach einer unendlich erscheinenden Zeit, zogen sie ab. Man fühlte sich wie ein Zebra, das im letzten Moment das Erbarmen des Löwen erfahren durfte und verschont blieb, obwohl man doch nur friedlich seinen Protest ausdrücken wollte.

Die Zeit in der Umgebung Heiligendamms ist dennoch gezeichnet von tiefer Erschütterung, hervorgerufen durch das Vorgehen der Polizei. Nicht nur die Gewaltausbrüche, auch die Hilflosigkeit im Umgang mit friedlichen, kreativen Protesten haben immer wieder gezeigt, dass die Reformdringlichkeit auch nicht vor den Ausbildungsbedingungen der Polizisten Halt machen kann. Insgesamt muss man die Gewalt verurteilen, sie stärkt nur die Position der Herrschenden, lässt die positive Botschaft versickern und hindert viele Menschen, die Kritik hegen, aufzustehen, um ihren Protest zu verkünden. Mit der Gewalt wurde der immense finanzielle Aufwand der Staatsmacht nur legitimiert statt angeprangert. Findet andere Wege eurer Verärgerung über die globalen Vorgänge Ausdruck zu verleihen.

RICHARD OERTEL

Nach diesen unglaublichen Ereignissen fühlte man sich in den Ketten der Scheindemokratie gefangen, der Willkür der Staatsgewalt ausgesetzt, nur weil man auf der Seite von Steine werfenden Autonomen gestanden hat? Kurze Zeit habe ich gezweifelt, ob ich denn überhaupt an den Blockaden teilnehme, die für die nächste Woche geplant waren. Doch als man wieder im Camp eintraf und viele die gleiche Sicht auf die Dinge hatten, fand man wieder zur Ruhe und mit der Ruhe kam die Energie. Lange Gespräche, anregende Unterhaltungen mit Globalisierungskritikern aus ganz Europa, Musik und Tanz haben zu einer harmonischen Atmosphäre beigetragen, in der man keinen Funken aggressiven Umgangs spüren konnte. Das Lagerkonzept überraschte mit basisdemokratischen Organisationsmustern, in der jeder in die Verpflichtung genommen wurde, seinen Teil zum großen Ganzen beizutragen. Für mich war diese Lebensorganisation in den Camps die Alternative zur kapitalorientierten Globalisierung.

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Leipziger Volkszeitung, Montag den 04.06.2007, Artikel auf Seite 3 2

Frankfurter Allgemeine, Montag den 04.06.2007, Artikel auf Titelseite 3

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Leipziger Volkszeitung, Artikel Titelseite


Herausgegeben von der Projektgruppe „Powision“ am Fachschaftsrat des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Leipzig 3. Ausgabe Erscheinungstermin: 07.2007 Preis: 1,00€

Anschrift (Leserbriefe erwünscht): Powision, c/o FSR PoWi, Beethovenstraße 15, 04107 Leipzig E-Mail: kontakt@powision.de www.powision.de Redaktion: Florian Fritsch, Karsten Schubert, Julian-Christopher Marx, Daniel Mützel, Ken P. Kleemann, Florian Barth und Micha Fiedlschuster Künstlerische Gestaltung: M. E. (sadder@gmx.de) Layout: Micha Fiedlschuster, Daniel Mützel Druck: Merkur Druck- & Kopierzentrum GmbH Hauptmannstraße 4 04109 Leipzig

Verantwortlich für den Inhalt sind die jeweilig aufgeführten AutorInnen der Beiträge. Die Entscheidung hinsichtlich der Rechtschreibregeln unterliegt dem Ermessen der AutorInnen. Das nächste Magazin erscheint voraussichtlich im Wintersemester 2007/2008. Mitarbeit und Artikel werden gewünscht. Dank gilt den Förderern dieser Ausgabe:

ISSN 1864-9777


ISSN 1864-9777


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