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Platzspitzbaby

All die vergessenen Kinder

Pierre Monnard erzählt von der Schweizer Drogenszene der Neunziger: „Platzspitzbaby“.

Im Frühling 1995 – gerade nachdem die offene Drogenszene in Zürich aufgelöst wurde – kommt es für die elfjährige Mia (Newcomerin Luna Mwezi) zum Ortswechsel: Sie zieht mit ihrer Mutter Sandrine in ein verschlafenes Städtchen im Zürcher Oberland. Die Idylle währt aber nur kurz. Als alte Freunde von Sandrine auftauchen, wird diese rückfällig, und Mia muss sich selber zu helfen wissen: wie sie mit der dominanten und gleichzeitig fragilen Mutter umgeht und wo sie so etwas wie Halt finden kann.

Ende der 1980er-Jahre wurde ein kleiner Park beim Zürcher Hauptbahnhof zum Hotspot der lokalen Drogenszene: Dealer und Drogensüchtige fanden am Platzspitz zusammen, täglich waren es bis zu 3.000 Menschen, die hier kauften, konsumierten, auch hausten. 1992 wurde dem Elend der offenen Drogenszene inmitten einer der reichsten Städte der Welt ein Ende gesetzt und der Platzspitz geräumt – womit sich das Problem eben zum nahegelegenen ehemaligen Bahnhof Letten verlagerte – bis auch dieser drei Jahre später geräumt wurde und es den Versuch einer koordinierten Drogenpolitik kam.

BEDRÜCKENDE PERSPEKTIVE Pierre Monnards Film erzählt von dieser Zeit. Sein bewegender Spielfilm ist inspiriert durch die gleichnamige Biografie von Michelle Halbheer. „Platzspitzbaby“ (2013) sorgte für Aufruhr: Halbheer erzählte, wie es war, als Kind im Drogenmilieu aufzuwachsen: eine Geschichte der vergessenen Kinder. Vergessen von ihren süchtigen Eltern und von den überforderten Behörden. Plötzlich schlugen diese in beschaulichen Gemeinden auf.

Monnards Film – der zwischen brutaler Realität und poetischer Fantasiewelt changiert – nimmt diese Perspektive ein. Drehbuchautor André Küttel und Regisseur Pierre Monnard haben vorbereitend viele Gespräche mit Halbheer geführt. Halbheer mag den Film, „man darf nur nicht mein Buch erwarten“, wie sie in einem Interview ausführt: „In der Hauptfigur Mia steckt nicht nur meine Geschichte, sondern auch die anderer Kinder von Suchtkranken. Der Film verdeutlicht den Kampf um die Liebe der Mutter, die Not der Mütter in der Entscheidung zwischen Drogen und Kind sehr eindrücklich. Eine Szene im Film hat mich besonders beeindruckt. Mia fleht ihre Mutter an: ‚Mami, du muesch ufhöre!‘ Die Mutter hält sich an ihr wie an einem Felsen fest. Ich hätte dies meiner Mutter nie sagen können, ich hätte links und rechts eins kassiert. Aber eine Freundin von mir konnte so mit ihrer Mutter reden. Und meine Mutter hat sich auch oft an mir festgehalten.“ www.platzspitzbaby.ch

PLATZSPITZBABY – MEINE MUTTER, IHRE DROGEN UND ICH KINOSTART 19.11., CH 2020, REGIE Pierre Monnard, MIT Luna Muezi, Sarah Spale, Anouk Petri, FILMLÄNGE 100 Min., © Panda

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