ARCHITECTURAL DIGEST. Stil, Design, Kunst & Architektur Special Uhren & Juwelen 2020
New Work
Arbeiten zu Hause und wohnen im Büro? Wie wir die neue Arbeitskultur selbstbewusst gestalten
Deutschland November 2020 / 8 Euro
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Inhalt November 64
New Work Interview Arbeiten am See, am Meer, am Waldrand: ein Gespräch mit Ulrich Bähr über die Vorteile von Coworking im Grünen.
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Büro-Bistro
Uhren und Juwelen 2020 Galaktisches Glimmen und fantastische Tierwesen! Wir spazieren mit Bulgari durchs barocke Rom, entdecken bei Tiffany außerirdisches Blau und bei Hemmerle Schri zeichen in Achaten, steigen mit Rolex auf den Everest, lassen einen Van Cleef & Arpels-Armreif wie einst Marlene klicken, besuchen Patek Philippes neuen Hauptsitz, bestaunen Chanels Webkünste – und noch mehr!
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Projekt Vor 20 Jahren baute sich Architektin Sarah Wi lesworth in London ein Haus aus Stroh. Nun war es Zeit für ein Update. 110 Praxis
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Reise Im „Birch“ bei London lässt es sich gut töpfern, meditieren, sogar arbeiten. 16 Editorial 18 Impressum 20 Agenda 25 AD stellt vor
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Kunst
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Stil
32 Zen und die Kunst des Arbeitens
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Fotos: Genevieve Lutkin; Liaigre; Louis Vuitton; Porträt: Sebastian Faena
New Work 27
Büro-Neuheiten Alle reden davon, dass sich Arbeiten verändert, wir zeigen, wie es schöner wird: elegante Stühle, Tische, diskrete Wände. 51 Talent
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Adresse Am Münchner Hauptbahnhof hat sich Bureau Borsche neu eingerichtet. 58 Büro-Küchen
102 Francesca Amfitheatrof
Jedes Bild eine Erschü erung: Endlich bekommt der Fotograf Michael Schmidt in seiner Heimatstadt eine Retrospektive. 126 Bücher 128 Mobil
Inhalt November 131
Leben 132
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Federleicht Modebloggerin Tamu McPherson findet man online unter „All the Pretty Birds“. Ihr buntes Nest fürs wahre Leben hat sich die Jamaikanerin in Mailand geschaffen.
Tamu McPherson
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Sweet, soft & lazy Für eine junge Frau schuf Daniela Saliba in Fort Lauderdale ein lichtes Apartment mit Vibes wie aus einem Swingsong. Im Mittelpunkt: ein neues Sofa.
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Märchen aus Porzellan Im Reich von Bjørn Wiinblad: Das Blaue Haus nördlich von Kopenhagen ist eine Menagerie aus Fabelfiguren und Geschichten voller Magie.
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Mit Weitblick Selten kommen sich Arbeiten und Wohnen einmal so nah wie hier in Berlin. Und selten sehen beide, dem Decorator Gisbert Pöppler sei Dank, so gut aus.
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Farbe ist Trumpf Mit grandiosen Tönen und viel Gegenwartskunst wecken Ed und Alice Workman ihr viktorianisches Stadthaus in Bruton aus dem Dornröschenschlaf.
Cover: Wolfgang Stahr; Fotos: Valentina Sommariva; Claire Worthy
178 Summaries 180 Apropos 182 Genie & Spleen ARCHITECTURAL DIGEST. Stil, Design, Kunst & Architektur
Deutschland November 2020 / 8 Euro
Special Uhren & Juwelen 2020
New Work
Arbeiten zu Hause und wohnen im Büro? Wie wir die neue Arbeitskultur selbstbewusst gestalten
Auf dem Cover: Das Triplex eines Berliner Paars gestaltete Gisbert Pöppler als Wohnatelier – inklusive eines schwebenden Raumteiler-Regals.
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Best of Bruton
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AD Editorial
„Egal wie flexibel unsere Arbeitswelt zukünftig werden wird – wir werden immer kulturell aufgeladene Räume dafür suchen.“
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Fotos: Fotoatelier Louis Held; Alexander Burzik / Klassik Stiftung Weimar; Porträt: René Fietzek
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lich niemals auf die Schliche. Von der Tatsache, dass Thomas Mann einen Jadebecher und das Fragment eines Elefantenstoßzahns auf seinem Schreibtisch liegen hatte, führt kein Weg zum „Zauberberg“. Und doch – ich gestehe es – ziehen historische etztes Jahr wurde in Weimar nicht nur das lang erwartete Bau- Schreibtische mich magisch an. Umso mehr in einer Zeit, in der haus-Museum eröffnet, sondern auch das nach langer Sanierung wir uns auch bei AD intensiver denn je damit beschäftigen, wie wieder zugängliche Neue Museum. Vor 151 Jahren als Großherzog- wir zukünftig Leben und Arbeit verbinden wollen. Selbstredend liches Museum erbaut, widmet sich das Haus ganz der kunst- und erschöpft sich das Thema nicht mit der Wahl eines Aura-Spenders. kulturgeschichtlichen Entwicklung von 1860 bis 1918. Während Aber herrje, wie gern säße ich bei der Suche nach möglichen Antdas Gebäude gegenüber eher enttäuscht, überrascht im Neuen Mu- worten an diesem verwitterten Klappaltar aus Weimar. ‹ seum die neue Dauerausstellung über „Van de Velde, Nietzsche und die Moderne um 1900“ mit ihrer glänzenden Szenografie der Dresdner Designagentur Whitebox. Entlang an Exponaten des belgischen Universalkünstlers Henry van de Velde, der sich als Maler nicht für begabt genug hielt und begann, den Schwung der Jugendstil-Lineatur einfach in die drei Dimensionen eines Möbels zu übersetzen, steht man irgendwann in einem Raum mit nur einem Tisch. Es handelt sich um einen weiß lackierten Arbeitstisch mit verstellbarer Zeichenplatte aus dem Jahr 1902 – einst im Besitz des Malerdesignerarchitekten, der sich wie vielleicht kein Zweiter die gestalterischen Strömungen vor ihm anzuverwandeln verstand (nicht zuletzt den Weimarer Klassizismus der Goethezeit) und ohne dessen Kunstgewerbeschule es das Bauhaus nie gegeben hätte. Der Tisch van de Veldes also, einer von diversen. Ein Stück, das meine Fantasie sogleich völlig elektrisiert. Man kennt natürlich die berühmten Fotos Louis Helds (wie oben um 1906), die van de Velde über seine Arbeit gebeugt zeigen. Aura, Devotionalie, schon klar. Dem Geheimnis der Kreativität kommt man über die Platte, auf der jemand seine O liver Jahn Zeichnungen gemacht oder seinen Füller aufgeschraubt hat, natür-
AD Impressum
ARCHITECTURAL DIGEST. STIL, DESIGN, KUNST & ARCHITEKTUR erscheint in der Condé Nast Germany GmbH Oskar-von-Miller-Ring 20, 80333 München Telefon 089 38104-0 mail@condenast.de, www.condenast.de ad@admagazin.de, www.admagazin.de
Chefredakteur Oliver Jahn
Redaktion Stv. Chefredakteur & Style Director Dr. Simone Herrmann Art Director Inka Baron Textchef & Kunst Barbara Gärtner Managing Editor Eike Schrimm Interior/Küche/Bad Karin Jaeger Retail/New Work Bettina Schneuer Textredaktion Andreas Kühnlein, Florian Siebeck Stil Sally Fuls (Ltg.), Mona Bergers, Lilian Ingenkamp Bildredaktion Thomas Skroch (Ltg.), Isa Lim, Samantha Taruvinga Art Department Viviana Tapia (Stv. Art Director), Selina Lang Assistenz der Chefredaktion Johanna Hänsch Mitarbeiter dieser Ausgabe Reinhard Krause, Sophia Lierl, Iain Reynolds, Christof Rostert Autoren dieser Ausgabe Ulrich Clewing, Jane Keltner de Valle, Hannah Newton Fotografen dieser Ausgabe Elias Hassos, Ivan Jones, Denilson Machado, Thomas Loof, Charlotte Schreiber, Valentina Sommariva, Wolfgang Stahr, Claire Worthy Illustrator dieser Ausgabe Emiliano Ponzi Büro Mailand Anna Riva, Paola Dörpinghaus Tel. +39 02 29000718, p.dorpinghaus@condenast.it Büro New York Christina Schuhbeck Tel. +1 212 2866856, christina_schuhbeck@condenast.com Schlussredaktion/Dokumentation Lektornet Syndication syndication@condenast.de Redaktion admagazin.de Andreas Kühnlein (Ltg.), Valerie Präkelt (Feature & Social Media Ltg.), Clara Westhoff (Trainee) Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt Oliver Jahn Vertrieb Abonnement-Betreuung Deutschland und Österreich: AD ARCHITECTURAL DIGEST Leserservice Postfach 290, 77649 Offenburg Tel. 0781 6394509 E-Mail: abo@ad-magazin.de, www.ad-magazin.de/abo Jahresabonnement: 68 €; Studenten (gegen Nachweis): 34 € Schweiz: AD ARCHITECTURAL DIGEST Leserservice Postfach, 6002 Luzern, Tel. +41 41 3292244 E-Mail: ad@leserservice.ch, Jahresabonnement: 115 sfr Andere Länder: Adresse siehe Deutschland, Preise auf Anfrage AD ARCHITECTURAL DIGEST (German) (USPS no 24066) is published monthly by Condé Nast Germany. Known Office of Publication: Data Media (A division of Cover-All Computer Services Corp.), 660 Howard Street, Buffalo, NY 14206. Periodicals postage is paid at Buffalo, NY 14205. Postmaster: Send address changes to AD ARCHITECTURAL DIGEST, Data Media, P.O. Box 155, Buffalo, NY 14205-0155. E-Mail: service@roltek.com, toll free: 1-877-776-5835 Bestellung von Einzelheften Preise, Verfügbarkeit und Bestellung unter abo.ad-magazin.de/einzelhefte Für weitere Fragen: Tel. 01806 012906
Zurzeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 24 vom 1.1.2020. Alle Rechte vorbehalten. Die Zeitschrift und alle darin enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwil ligung des Verlags strafar. Für unverlangt eingesandtes Text und Bildmaterial wird keine Haftung übernommen. ISSNNr. 14331764
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Anzeigen/Vermarktung Sales Christina Linder, Head of Sales christina.linder@condenast.de, Tel. -430 Director Business Development Felix Wagner, felix.wagner@condenast.de, Tel. -818 Product Manager Luise Heithoff, luise.heithoff@condenast.de, Tel. -816 Marketing Manager Antonia Altweger, antonia.altweger@condenast.de, Tel. -241 Creative Studio Susanne Jungbluth, Executive Director susanne.jungbluth@condenast.de, Tel. -373 Advertising Operations Katharina Schumm, Head of Revenue Management, Ad & Marketing Service katharina.schumm@condenast.de, Tel. -135 Vertrieb Alima Longatti, Head of Direct Marketing & CRM alima.longatti@condenast.de, Tel. -301 Einzelverkauf MZV GmbH & Co. KG, Karsten Reißner (Bereichsleitung) Herstellung Leitung Lars Reinecke, Director Production Digitale Vorstufe/Druck Mohn Media, Mohndruck GmbH Carl-Bertelsmann-Straße 161 m, 33311 Gütersloh Unternehmenskommunikation/PR Laura Sodano, PR-Manager laura.sodano@condenast.de, Tel. -503 Finanzen Roland Riedesser, Finanzdirektor Chief Business Officer Oliver Janik Geschäftsführerin und Herausgeberin Jessica Peppel-Schulz
design Mario Bellini - www.bebitalia.com
Wer, wie, was? Redaktion: Johanna Hänsch, Karin Jaeger und Reinhard Krause
Neu eröffnet Live Lab Studios, Düsseldorf Concept-Store für nachhaltiges Design und Fair-Trade-Mode. livelabs tudios.com
Bucherer, München Die erste Boutique für Uhren aus Vorbesitz, Residenzstrasse 11. bucherer.com
Werkgut, Meezen Kreativkurse auf Mikaela Dörfels Landgut in Schleswig-Holstein. werkgut.eu
Reform, München Dänisches Küchendesign im Gärtnerplatzviertel, Müllerstraße 42.
Dolce Vita aus 1001 Nacht Die neuen Zimmer und Suiten des „Palazzo Avino“ von Cristina Celestino sind so märchenhaft wie die Amalfiküste vorm Fenster (DZ ab 400 Euro inkl. Frühstück). Und flirrend wie ihr „Ravello Chair“ re.
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Drei Fragen an Nathalie Du Pasquier Für Mutina entwarfen Sie gerade Ihre erste Fliesenkollektion „Margherita“. Wieso dieser Name?
Meine Concierge heißt so. Sie ist ein unglaublich liebenswürdiger Mensch, also habe ich diesen Namen gewählt. Außerdem erinnert er natürlich an die Blume. Es ist ein populärer Name, ich mag ihn sehr. Und er funktioniert gut mit der simplen Ästhetik meines Dekors. Die Kacheln sind geometrisch und zugleich verspielt. Wie würden Sie den Stil beschreiben?
Futuristisch traditionell – da sie sich auf so viele Arten kombinieren lassen. Sie sind ein bisschen wie altmodische Keramiken, zugleich aber auch ausgesprochen zeitgemäß, ohne sich um kurzlebige Trends zu scheren. Für welche Räume eignen sie sich am besten?
Für kleine, aber auch für den Boden im Wohnzimmer oder die Wand im Flur. Wer mutig ist, mixt die verschiedenen Fliesen und entwirft damit sein eigenes Muster. Das ist sehr expressiv! Nathalie Du Pasquier war Mitbegründerin der Designgruppe Memphis. Der Fliesenhersteller Mutina musste sie nicht lange um einen Entwurf bitten – die Französin liebt Kacheln! mu t in a. it
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Weinen + Bieten … für die Kunst? Dazu geben Ketterer und PIN., die Freunde der Pinakothek der Moderne, am 21.11. Gelegenheit. Mit 100 Werken wie o. „Crying (III, Outwards)“ von Grace Weaver, 2020, auf ihrer 18. BenefizAuktion. An acht Orten und online auf ket tererkuns tlive.de
Fotos: Davide Lovatti; Cristina Celestino Studio; © Grace Weaver & Soy Capitán, Berlin; Delfino Sisto Legnani; Porträt: Ilvio Gallo
AD Agenda
AD Agenda
… im November „Plastic Field“ Dass Form und Funktion in ziemlich wilder Ehe leben können, bewies Ettore Sottsass 1981 mit der „Tahiti“Leuchte re. und dem Regal „Beverly“ (u. in Karl Lagerfelds Wohnung, Monte Carlo). Die mk Gallery in Milton Keynes zeigt über 150 Memphis-Ikonen, 21.11.–24.4.21.
Nicht verpassen! Highlights, München Internationale Kunstmesse in der Münchner Residenz, 22.–25.10. munichhighlights.com
Zeughausmesse, Berlin Messe für Angewandte Kunst im Kühlhaus Berlin, 12.–15.11. zeughausme s se.de
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Galerie Fumi, London Design-Ausstellung „It’s Good To Be Home“ in Mayfair, bis 31.12. galler y fumi.com
„Das Piranesi-Prinzip“, Berlin Ausstellung zum 300. Geburtstag von Giovanni Battista Piranesi in der Kunstbibliothek, bis 7.2.21. smb.museum
Der Coverentwurf, den Hergé 1936 für „Le Lotus Bleu“ ablieferte, war seinem Verleger zu aufwändig. Und so wanderte die Skizze (u. ein Detail) „sorgfältig geknickt“ in die Schublade von dessen kleinem Sohn. Artcurial bringt das Tusch- und Aquarell-Capriccio am 21.11. zum Aufruf – Taxe: 2 bis 3 Mio. Euro. ar tcurial.com
Synergien nutzen „Sarto“ heißt die Kooperative von Berliner Design-Institutionen wie Minotti, Herrendorf und Ruby. Es entstehen „tailored interiors“ wie oben Poliforms „Alea“-Küche, in Szene gesetzt von Friedhelm Ahlert für Dopo Domani.
Fotos: Jacques Schumacher; Pariano Angelantonio; Jordana Schramm; © Hergé Moulinsart 2020
Tim und Struppi unterm Hammer
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AD stellt vor
Antonia Altweger suchte während des Lockdowns nach dem „produktivsten Spot“ in ihrer 36 QuadratmeterWohnung. „Das Bett mit dem Sofa als Tischersatz war es jedenfalls nicht!“, fasst sie ihre Feldstudie zusammen. Für ADs Marketing Manager kommt unser New Work Special also genau zur rechten Zeit. Antonias Favorit: Wandregal „James“ mit Mini-Desk auf S. 34
Elias Hassos erlebte sein „graues Wunder“ bei Bureau Borsche. Das neue Büro der Münchner Kreativagentur liegt ums Eck vom Hauptbahnhof, eine nicht unbedingt einladende Gegend also. Von Tristesse im Business jedoch keine Spur: „Räume mit minimalster Einrichtung, sauber entsättigt auf wenige Farben Grau. Sehr konsequent das Ganze!“ Ein Fest für den Fotografen – und für uns. S. 52
Luise Heithoff
Fotos: Privat (2); Elias Hassos; Ortwin Klipp
ist Generalistin: Als Product Manager hat sie die gesamte Vermarktung von AD im Blick, von Print bis zur Culture Consultancy. Und sie glaubt fest an die Renaissance des Headquarters in Zeiten des Homeoffice: „Remote arbeiten zu können eröffnet uns neue Optionen. Doch umso wichtiger wird die persönliche Begegnung im Büro – das künftig ganz anders aussehen wird.“
Felix Wagner wurde adoptiert. Und zwar: von uns. Seit vier Jahren ist Felix Teil der erweiterten AD-Familie: Sales Manager bei Condé Nast, Ideenmaschine, Strategieprofi und Problemlöser. Und nun gehört er endlich ganz zu AD: Als neuer Director Business Development „komme ich immer dann ins Spiel, wenn es ums Geld geht“. Oder Events. Consulting. Formate … Willkommen zu Hause, lieber Felix!
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Stil
Redak tion: Simone Herrmann und Sally Fuls
Fotos: Cor Sitzmöbel
New Work Neuheiten, Talent, Adresse, Küche, Uhren & Juwelen und Praxis
New Work
Let’s work
Stil Neuheiten
Ob Großraumbüro oder Homeoffice: Cor zeigt, wie Konzentration und Entspannung ein Spitzenteam bilden.
together
A
t home, at work, at play“, sangen die Sparks auf ihrem grandiosen Album „Propaganda“. Damals, 1974, hätte sich niemand träumen lassen, dass aus dieser Trias einmal eins werden könnte: das Zuhause, das zugleich als Büro dient, und der Arbeitsplatz, der nebenbei zur Spielwiese für kreative Aus-Zeiten wird. Cor ist ein Vorreiter des Gedankens, dass auch Möbel heute Multitasker sein müssen. Das eigens gegründete Cor Lab hat eine Produktfamilie entwickelt, die zu konzentriertem Arbeiten einlädt – deren Module aber mit zwei Handgriffen zu Wohnrequisiten werden, die uns nach Feierabend nicht unentwegt an unser Tagwerk denken lassen. Da gibt es einen (elektrisch wie manuell) höhenverstellbaren Arbeits-, Konferenz- oder eben Esstisch, ein modulares System von Raumteilern, die optisch separieren, Geräusche schlucken und zudem als Desk, Regal oder Garderobe fungieren. Und selbstredend hat der westfälische Sitzmöbelhersteller eine ganze Armada von Sesseln, Sofas und Bänken ausgetüftelt, die als Solitäre, aber ebenso sehr als Teamplayer punkten. RK
Moderne Arbeitsnomaden, von o.: Raumteiler „Chart“, hier als Mini-Desk, ab 4962 Euro, Sofa „Floater“ (ab 3986 Euro, linke S. als Sessel), Hocker „Drop“, ab 594 Euro, und re. die Bank „Bridge“ mit abgesteppter Polsterung, ab 1724 Euro.
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New Work
Stil Neuheiten
Die neuen Stühle und Sessel – von salopp bis innovativ, von elegant bis ergonomisch.
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5 4 1 Das Gegenteil von rustikal: „Kay Lounge“ von Jean-Marie Massaud, ab 3114 Euro p oliform.it 2 Dem gehen wir gern ins Netz: Stefan Diez' Bürostuhl „D1“, ab 699 Euro wagner-living.de 3 Rodolfo
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Dordonis daunengepolsterter Drehsessel „Mattia“ mit Rückholmechanismus, 4220 Euro minot ti.it 4 Bei Konstantin Grcics „Citizen“ federt der Sitz an Seilen unter der Lehne, um 2200 Euro vitra. c om 5 „Aeron“, ab 1531 Euro, entlastet Lendenwirbel und Kreuzbein herman miller.c om 6 Marathonsitzungen? Sind mit de Sedes „DS-414“ geradezu ein Vergnügen. Ab 1955 Euro de se de.ch 7 „Viola“ (Preis auf Anfrage) von Studio AB Concept für p oltronafrau.com
Fotos: Poliform; Wagner Living; Minotti; © Vitra, Creator Studio AKFB; Herman Miller; de Sede; Poltrona Frau
Sitzen
& meeten
Leucht
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kraft 2
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4 1 Hängt an Textilgurten: „BLT“, ab 220 Euro thef ild.com 2 „Eggboard Matrix“ dämpft zugleich den Schall, um 1940 Euro ar temide.com 3 Die „Peitschenleuchte“ (Typ 113) erhellte schon das Bauhaus, Reedition um 2720 Euro midgard.com 4 „Dorval 02“ aus Aluminium, Preis auf Anfrage, SCMP Design Office für lamb er tet f ils.com 5 Sensorgesteuerte Bürobeleuchtung „Team“, Preise auf Anfrage tobiasgrau.com 6 „Post Floor Lamp“ mit Leuchteinheiten aus Magnesium, 599 Euro muuto.com
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Fotos: Andrey Bezuglov; Artemide; Jenner Egberts / Midgard; © Arseni Khamzin / Lambert & Fils; Haw-lin Services; Jonas Jacob Svensson
Helle Köpfchen benötigen vor allem eines: gutes Licht! Diese Modelle brennen für neue Ideen.
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Unser vielleicht wichtigstes Arbeitsrequisit ist der Schreibtisch. Warum nicht auch das persönlichste?
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Fotos: Pierre Even / © Delcourt Collection; Liaigre; Jonas Jacob Svensson; Team 7
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verbergen sich Ladestationen und Leuchten in den Streben usm.com 6 Ob hoch oder tief, das können Coworker am Doppelschreibtisch aus der „Apollo“Kollektion ganz individuell regeln, Preis auf Anfrage manerbaspa.com 7 „New Order“ aus pulverlackiertem Stahl von Stefan Diez, 4038 Euro hay. com 8 Einfach bello ist der schlanke „Pico“, Platte in diversen Marmoren oder Hölzern, Preis auf Anfrage flex form.it 9 Fenster zum Wissen: Wandregal „James“ aus Eisen, 649 Euro sera x.com
Fotos: USM; Manerbaspa; Hay; Flexform; Serax
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Ordnung ist das halbe … Büro. Mit diesen neuen Regalen werden innere und äußere Aufgeräumtheit zu einer Einheit.
2 1 Frische Brise: Die Masten des Regalsystems
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Fotos: Courtesy Living Divani; Lyes Restom; Hem Design Studio; Molteni
„Sailor“ gibt es auch als Floor to Ceiling-Lösung. Preis auf Anfrage livingdivani.it 2 „Fillet“ aus pulverbeschichtetem Stahl und Nussbaum geht elegant in die Kurve, 2274 Euro b orgibas tormagi.c om 3 Das stählerne „Hide Pedestal“ der Kölner Designerin Karoline Fesser ist Stauraummöbel und Sockel für Key-Pieces in einem. In sechs Farben, 359 Euro hem.com 4 Die kompakte Workstation „Touch Down Unit“ (Preis auf Anfrage) von Studio Klass läuft durch Ziehen, Heben und Drehen zu voller Funktionalität auf unifor.it
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kungen: „NYNY Drawers“ mit Wiener Geflecht, 5914 Euro g e b r u d e r th o n e t vienna.com 6 Turmbau zu Magis: Jerszy Seymours Regal „Bureaurama“, hier als fünfstöckiges Doppel, je ab 2618 Euro magisde sign.c om 7 Die Konsole „Boteco“ ist ein Tiefstapler, das Fach mit Lackierung in Marmor Sahara Noir verbirgt sich im Palisander-Korpus. 12 950 Euro minot ti.com 8 Normal Studios stapelbare Etagere „Pop 900S“, 50 Farben, 394 Euro tolix.de 9 Wie kandierte Äpfel locken die Keramikkugeln am Garderobenbaum „Pins“ (2279 Euro) von marioni.it
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Fotos: Gebrüder Thonet Vienna; Magis; Minotti; JP Ehrmann; Cesare Ducci
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DENIM Dunkles Indigo, zeitlos und zu allem passend, wie eine Jeans. NO 55 feiert den ikonischen blauen Farbton des Denimstoffs. In den 00ern werden Jeans zum universell salonfähigen Kleidungsstück: Sie sind der Inbegriff zeitloser Lässigkeit. CAPAROL ICONS sind luxuriöse nachhaltige Innenfarben made in Germany mit 120 Farbikonen für anspruchsvolles Interior Design.
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Fotos: File Under Pop; Cristopher Civitillo; Søren Staun Petersen; Ronald Smits; © Marco Covi
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cker Falter: Sichtschutz „Friendly Border“ aus Trevira und Buche, ab 189 Euro njus tudio.com 3 Schalldämpfende FilzPinnwand „Retell“, 122 Euro g ejs t.c om 4 Raumtrenner auf Rollen: aus Acryl oder Stoff, in vier Formen, 1316 bis 2714 Euro dutchinver tuals.nl 5 Trennwandmodule „Paravan“ und Stuhl „Kinesit“, Preise auf Anfrage arp er.com
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Stil Talent
Daytrip Studio Redaktion: Mona Bergers
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Fotos: Mariell Lind Hansen; Porträts: Courtesy of Daytrip Studio
m liebsten würden sie eine neue Farbe oder ein neues Material erfinden. „Aber wie wahrscheinlich ist das schon?“ Pionierarbeit leisten Emily Potter und Iwan Halstead von Daytrip Studio (sie gründeten ihr Label nach dem gemeinsamen Interiordesign- und Architekturstudium kurz entschlossen auf einer Sommerparty!) dennoch: indem sie neue Arbeitswelten gestalten nämlich. Bei „Media Offices“, einer Auftragsarbeit für eine Medienagentur, sollten sie die weibliche Ästhetik vergangener Zeiten reinterpretieren und ließen sich vom Hollywood-Glam der 20er, dem Küchenschürzen-Frauenbild der 50er und der TV-Szene der 70er inspirieren, bevor sie alles ins Heute holten. „Das Herzstück ist das Sofa mit gestreiftem Bezug von Raf Simons im teilbaren Loungebereich. Es sorgt für L. A. Pool-Vibes; ein bisschen wie aus einem Foto von Slim Aarons.“ An Büroräume gehen die beiden Enddreißiger sowieso heran, als gestalteten sie ein Zuhause, denn sie verstehen beides als Ergänzung. „Die Grenzen verschwimmen immer mehr. Zurück am Schreibtisch könnte zukünftig auch zurück auf dem gelb-beigen Streifensofa heißen. Wir sind Pragmatiker, aber auch Träumer.“ Ihre nostalgischerfrischenden Interiorwelten beweisen es. daytrip.studio
Back to the Future: Ein industrielles Lagerhaus aus dem 18. Jahrhundert wandelten Daytrip Studio in ein Büro mit California Clubhouse-Flair (o.). Schönes Faltwerk! Der Loungebereich (ganz o.) kann durch eine Schiebewand geteilt werden. Wie Iwan Halstead und Emily Potter (re.) arbeiten? „Mit Blick in die Londoner Wolken.“
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Stil Adresse
Back to Work!
Sprechen wir über die Arbeit. Am Münchner Hauptbahnhof hat sich Bureau Borsche neu eingerichtet. Und sich versierte Hilfe von Gonzalez Haase, Stefan Diez und Wagner Living geholt. Interview: Valerie Präkelt / Fotos: Elias Hassos
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Elegante Effizienz: Im März bezog Bureau Borsche, weltweit eines der gefragtesten Grafikdesign-Unternehmen, seine neuen Räume. Mirko Borsche (re.) und sein Team zählen Balenciaga, Supreme und Adidas zu ihren Kunden. Gerade arbeiten sie am neuen Auftritt des Fußballclubs Inter Mailand.
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m Tag des Lockdowns zog Mirko Borsche in die neuen Räume seines Grafikdesign-Büros am Münchner Hauptbahnhof, mitten auf die Baustelle. Notgedrungen schickte er sein Team ins Homeoffice. Dort wollte aber niemand lange bleiben. Ein Gespräch über Arbeitskultur, räumliche Nähe und das Ende der Gemütlichkeit. Herr Borsche, interessiert Sie das Thema „New Work“?
Ja, aber erst seitdem ich wusste, dass wir in ein neues Büro ziehen. Wir haben idyllische Isar-Nähe gegen Hauptbahnhofslärm eingetauscht. Da musste auch gestalterisch ein radikaler Wandel her. Sie waren vorher in einem Altbauloft. Warum der Umzug?
Wir haben lange sehr viel Miete gezahlt und wollten lieber eine Immobilie kaufen. Ich habe vier Jahre gesucht, bis ich in der „Süd-
New Work
Stil Adresse Planen in Modulen: Gonzalez Haase, Bureau Borsche, Stefan Diez (von ihm ist auch der „D1“-Sessel links) und Wagner Living entwickelten das System „D2“ aus Alu-Leichtbauplatten mit Wabenstruktur, einem Material aus dem Flugzeugbau.
ben kürzere Wege. Gleichzeitig haben wir mit dem ganzen Platz endlich Ausweichmöglichkeiten für Meetings. Ja, die Grundgemütlichkeit ist weg, aber das hilft bei der Konzentration. Und als Grafiker brauchen wir schnelle Kommunikation und Nähe, um effektiv zu arbeiten. Fehlt Ihnen die Gemütlichkeit?
Früher haben wir abends im Großraumbüro schon mal gekocht und etwas getrunken. Das tun wir immer noch – aber in einem anderen Raum oder auf der Terrasse. Und trennen so Feierabend von Arbeit. Das klingt ein bisschen nach Erwachsenwerden.
In unserem alten Loft habe ich sogar eine Zeit lang gewohnt. Das war wirklich hart. Wenn ich krank war, hat mir trotzdem jemand den Kunden am Telefon gereicht. Was ist jetzt anders?
Ich bin kein Wissenschaftler. Aber aus der Erfahrung der letzten Monate bin ich froh, dass das Wohnliche nur bei mir zu Hause ist. Nach dem Lockdown wollten alle meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zurück ins Büro. Wir arbeiten jetzt übrigens deutschen Zeitung“ dieses völlig verwahrloste Gebäude fand. Es gab keinen Strom, kein Wasser und nur eine Außentoilette. Aber das Gefühl stimmte – jetzt haben wir plötzlich 300 Quadratmeter zur Verfügung. Die Sie gemeinsam mit Gonzalez Haase AAS eingerichtet haben.
Genau – und dann kamen auch noch Stefan Diez und Wagner Living ins Spiel. Mit Judith Haase und Pierre Jorge Gonzalez habe ich schon öfter zusammengearbeitet, zum Beispiel für Slam Jam oder Adidas. Ihr Stil passt hier perfekt rein, sie benutzen oft Baumaterialien. Mit Bureau Borsche waren wir vorher in besagtem Altbauloft. Früher war es sehr wohnlich, hier herrscht eine konzentriertere Arbeitsatmosphäre. Dabei sieht man aktuell öfter das Gegenteil: Die Büros werden wohnlicher …
Ja, aber das wollten wir hier nicht. Und tatsächlich hat sich unser Arbeitsalltag radikal geändert. Wir arbeiten kürzer. Vorher saßen wir in einem großen Raum an zwei Tischen, jetzt nur noch an einem. Wir ha-
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„Je enger wir räumlich zusammenarbeiten, desto kürzer ist unser Arbeitstag.“ Mirko Borsche
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Stil Adresse wenige, die sich in der Außendarstellung etwas trauen. Dann kam unser Bauprojekt. Für das neue Büro haben wir gemeinsam mit Gonzalez Haase, Stefan Diez und Wagner Living ein modulares Möbelsystem aus Regalen und Tischen entwickelt. Daraus entstand ein Prototyp, der unter dem Namen „D2“ demnächst auf den Markt kommt. Mit unseren Büroräumen hat Wagner Living nun eine Art Showcase für Geschäftskunden, die nicht einfach nur einen neuen Stuhl suchen, sondern eine Gesamtlösung. Ohne jetzt angeben zu wollen – das ist doch schon was, oder? (lacht) Und dann haben wir noch den Projektraum, in dem wir beide jetzt gerade sitzen. Was passiert denn hier?
„Nach dem Lockdown bin ich heilfroh, das Wohnliche nur zu Hause zu haben.“ Mirko Borsche alle am Laptop. Das ist für Grafiker ungewöhnlich, eigentlich kann der Bildschirm nicht groß genug sein. Was für eine „New Work“-Revolution! (lacht) Wir haben auch gesagt, dass jeder sitzen darf, wo er will – und sind doch jeden Tag am gleichen Platz. Ist Homeoffice bei Ihnen eine Option?
Ich bin ja Kreativdirektor bei der „Zeit“, deren Redaktionen in Hamburg und Berlin sitzen. Die Kommunikation ist so gut eingespielt, dass das von München aus bestens funktioniert. Wir machen aber auch viel Projektarbeit. Gestaltung ist ein Prozess, der für mich nur dann remote funktioniert, wenn es vorab einen festgelegten Styleguide gibt. Im Lockdown waren wir aber natürlich alle zu Hause. Sprechen wir über die Gestaltung Ihrer neuen Räume: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Gonzalez Haase, Stefan Diez und Wagner Living?
Stefan Diez hat für Wagner Living den Stuhl „D1“ entworfen und bat mich, an der Kommunikation seines Stuhls zu arbeiten. Da habe ich erst einmal Nein gesagt. In der deutschen Möbelbranche gibt es nur sehr Willkommen in Projektraum (rechts): Hier sollen künftig Ausstellungen stattfinden. Dem Wirtshausstuhl „W-1960“ von Wagner Living verpasste Bureau Borsche schon jetzt eine neue Farbe, der Tisch und das Regal sind Prototypen des „D2“-Systems.
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Das wird ein Raum für Ausstellungen, Workshops, Pop-ups. Wenn uns ein Konzept gefällt, vermieten wir ihn günstig, um gute Projekte zu fördern. Dieser Raum darf nie als Büro annektiert werden. Es ist ein Platz für Freunde. Hier erforschen wir, was jenseits des Büros passiert. ‹
DĂźsseldor f w w w.goldschmiede-schubar t.de
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Stil Küche
Stopover
Jedes Büro braucht eine Küche
Redaktion: Karin Jaeger und Bettina Schneuer
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Ein schneller Kaffee, ein kurzer Plausch unter Kollegen: In Lo s und Shared Offices kreuzen sich viele Wege in einer offenen Küche (g. oben als Insel in einem Münchner Bürolo von Moomii Interior Design und Böhmler).
Option für kleine und cleane Büros: Die Küche verschwindet, wenn sie nicht gebraucht wird. In dem Lo g. oben in Bratislava haben Arhitekti Počivašek Petranovič die kitchenette im Wandschrank untergebracht.
1 Hygienisch: „Talis Select“ (hier in Edelstahl)
1 Alternative zur Maßfertigung: Auch viele
kann seitlich per Hand bedient werden – oder auch frontal per Ellenbogen. 500 Euro. hansgrohe.de 2 Robust: Das NanotechMaterial Fenix fühlt sich matt an und ist unempfindlich gegen Fingerabdrücke und Kratzer. Verbaut wird es unter anderem bei Leicht Küchen oder (g. o.) Cesar Cucine. cesar.it 3 Jetzt auch in Grau: die To-goBecher der Porzellanserie „Kurland“, 69 Euro. Wer Verwechslungen vermeiden will, lässt sein Monogramm aufmalen. kpm-berlin.com
Küchenhersteller, darunter Arclinea, Sanwa und Poggenpohl, bieten Schrankküchen an. Und selbst in manche Büromöbelsysteme wie die Regale von USM Haller lassen sich Küchenelemente integrieren, von der Besteckschublade (im Bild, usm. com) bis zum Einbaubackofen. 2 Macht sich nicht unsichtbar, gibt aber immerhin die Tischfläche frei, wenn es nicht gebraucht wird: das innovative Induktionsplatten-Duo „Ordine“, ab 480 Euro. fabita.it
Fotos: Jens Bruchhaus; Hansgrohe; Cesar; KPM Berlin; Urban Petranovič; USM; Fabita; Genevieve Lutkin; Marazzi; La Marzocco; Jens langkjær; Samsung Electronics; Grohe; Michael Rygaard; Bodum; Farbraum; Sanwacompany
… und wenn es nur zum Teekochen ist. Doch geht da nicht noch mehr? Wir finden: Im ema corporate kitchen schlummert viel Potenzial. Eine kleine Typologie – von der Randerscheinung bis zum Centerpiece.
Versteckt
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Kompakt
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Inspirierendes Interior fördert die Zusammenarbeit. Was also spricht gegen eine Küche im Stil einer eleganten Bar oder eines legeren Bistros wie im Coworking-Space „Public Hall“ in Westminster (g. o.) von Sella Concept?
Da sich sowieso alle in der Küche treffen, weshalb nicht gleich Meetings dort abhalten? Die Designagentur Femmes Régionales lädt (g. o.) in einer Kopenhagener Firma Lagerhaus-Look mit Panton’scher Farbenergie auf.
Nur das Nötigste, aber das ganz selbstbewusst: Mobile Module wie die Mini-Insel mi en im Raum (g. oben, von Frama; gibt es auch noch kleiner) sind flexibel und geben jedem Office einen lässigen Werkbank-Appeal.
1 Nahezu unkaputtbar: Arbeitsplatten aus
1 Kein Stau mehr am Ofen: Der Garraum
1 Teatime: Der Elektrokocher „Bistro“ er-
Feinsteinzeug sind hitzebeständig, kratzfest und – anders als viele Natursteine – säureresistent. Sie sind uni oder beispielsweise als Marmornachbildung erhältlich, o. „Grande The Top“ in Calacatta-Optik, 12 mm dünn, Preis auf Anfrage. marazzigroup.com 2 Für Büro-Baristas: Bei der Siebträger-Espressomaschine „Linea Mini“ lassen sich per App unterschiedliche Brühprofile programmieren. In 6 Farben und blinkendem Edelstahl, 4356 Euro. lamarzoccohome.com
von „Dual Cook Flex“ kann in zwei separate Bereiche geteilt werden, so lassen sich verschiedene Gerichte parallel zubereiten oder aufwärmen (Achtung, Dunstabzug einplanen!). Preis auf Anfrage. samsung.com 2 Spart Zeit und Logistik-Aufwand: Die Armatur „Grohe Blue Professional“ liefert sprudelndes, „Grohe Red“ kochend heißes Wasser, 2507 bzw. 1265 Euro, grohe.de. Küchenhersteller wie Leicht oder Schüller haben passende Unterschränke für das Equipment.
hitzt Wasser hinter Glas auf fünf Temperaturstufen. Auch in Weiß, 109 Euro. bodum. com 2 Becher „Cupit Colore“ aus Porzellan mit Kunststoff-Trinkdeckel und Silikonmanschette, in vielen Farben, 25 Euro. kahla porzellan.com 3 Superschmal: Gerade einmal 90 cm breit ist die neue Kompaktküche „Mortana“ aus zementgrauem Feinsteinzeug, sanwacompany.com. Ebenfalls gute Adressen für Modul- und Mikroküchen sind Vipp, Popstahl, Alpes Inox oder Miniki.
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Architektur Interview Interview: Bettina Schneuer / Fotos: Charlotte Schreiber
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tehen wir vor einer Renaissance des Regionalen, weil das Internet viele Arbeitende ortsunabhängiger macht? Wo, wie und für wen Laptop und Land zusammenpassen und was das für Menschen, Firmen und die Umwelt bedeuten kann, lotet CoWorkLand aus – und vernetzt am Thema Interessierte. Wir sprachen mit Ulrich Bähr, Vorstand der 2019 gegründeten Genossenschaft. Herr Bähr, wie entstand die Idee von CoWorkLand?
Lange vor Corona. Wir glauben daran, dass die Arbeit zum Menschen kommen kann, nicht nur umgekehrt. Noch pendeln an jedem Werktag Abertausende vom Land, aus den Speckgürteln rein in die urbanen Räume. Wie in den 50ern – obwohl wir in Zeiten der Digitalisierung leben. 2017 fingen wir mit dem Projekt „Region digital“ an auszuloten, was auf dem Land geht. Es folgten verschiedene Aktionen, im Sommer 2018 etwa zogen wir mit unseren Pop-up-Containern zum Coworken durch Schleswig-Holstein, um die Resonanz zu testen. Der „Summer of Pioneers“ startete 2019 in Wittenberge an der Elbe mit 20 Digitalnomaden aus Berlin und Hamburg. Parallel liefen Workshops mit großstädtiUlrich Bähr ist Projektleiter bei der Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein und Gründungsvorstand von CoWorkLand. Die Genossenschaft berät Gründer in Coworking-Fragen und baut ein Netzwerk auf.
Arbeiten, wo andere Urlaub machen An Seen, am Meer, am Waldrand: Coworking im Grünen vermeidet Pendlerstaus und stützt schwache Regionen. Sieht so die Zukunft der Arbeit aus? 64
making places reflecting you
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Architektur Interview
Im „Alten Heuboden“ (re.) zwischen Kiel und Rendsburg arbeiten seit 2018 auf 200 m2 Sonnensegelmacher (li.). Digitale Coworker, die 1 Gbit-Glasfaser schätzen, können für 12 Euro am Tag einen flexiblen Arbeitsplatz am Tisch u. mieten. In den Pausen lockt der nahe Westensee zum Baden oder Angeln.
schen Start-ups, um herauszufinden, was die brauchen und sich wünschen. CoWorkLand startete im vergangenen Herbst. Wie sind die Reaktionen?
Zugangspass für alle unsere Mitgliedsorte anbieten, sodass es leichter wird, verschiedene Spaces mal zu testen. Und wir reden aktuell mit Unternehmen über Kontingentverträge: In den Metropolregionen rund um Hamburg, Kiel oder München wollen ja Firmen ihren Mitarbeitern künftig einen Mix aus Homeoffice und Vor-Ort-Arbeit im Büro anbieten, nun sollen auch Plätze in den CoWorkLand-Orten dazukommen – wir nennen das Coworking-Satellitenringe. Das klassische Büro fungiert nur noch als Hauptlagerfeuer; unsere Spaces drum herum plus Homeoffices verringern dramatisch den individuellen Pendlerverkehr und schenken den Arbeitenden mehr freie Zeit.
Wir haben einen Nerv getroffen, ein wirkliches Bedürfnis erkannt. Die Idee, irgendwie irgendwo auf dem Land einen Coworking-Space aufzumachen, war bei vielen da, wir haben sie ins Handeln gebracht. In bestimmten Gegenden brodelt es geradezu, etwa im Wendland, wo wir nun einen Standort haben – mitten in Hitzacker. Seitdem sind unter dem Dach von CoWorkLand rund 30 sehr unterschiedliche Spaces entstanden, vor allem im Norden, aber auch bei München, Reutlingen und Tübingen. Weitere sind kurz vor der Eröffnung. Was wäre ein typischer Standort? Wir beraten und vernetzen Menschen, die Den gibt es nicht – die neu entstandenen gründen wollen, ebenso wie Kommunen Gemeinschaftsbüros sind sehr vielfältig in oder Gemeinden, die wissen wollen, ob ihrer Lage und vorherigen Nutzung. Da und wie sich das bei ihnen verwirklichen gibt es das ehemalige Marinelazarett in ließe. Und wir reden mit denen, die nur Kiel nahe der Förde, wo ich arbeite. Oder zeitweise genutzte Räume haben, von Bi- das kleine „Denkerhaus“ in Dießen, fast am bliotheken über Kirchengemeinden bis hin Ammersee. In Preetz am Kirchsee bilden zu Sportvereinen. Alte, stillgelegte Bahn- die historische Musikschule von 1896, neu höfe oder von Genossenschaften geführte gebaute Containerpavillons und ein Haus mit Ferienwohnungen zusammen das „coBankfilialen haben wir ebenso im Blick. Wer nutzt die bei Ihnen vereinten Orte? baas“. Und die viele Hektar große alte Noch sind es vor allem Kreative und Frei- Gutsanlage Mechow bei Ratzeburg ergänzt berufler, kleine Start-ups oder spezielle ein Pop-up-Coworking-Space – besonders Handwerksberufe. Aber auch zum Beispiel interessant für Menschen mit Pferd, weil ein Ingenieur, der remote für die NASA ar- das dort eingestellt werden kann und es beitet. Demnächst werden wir eine Art herrliche Ausreitmöglichkeiten gibt.
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Der „Anscharcampus“ (re.) im Norden Kiels war einst ein Marinelazarett, hier befindet sich heute unter anderem die CoWorkLandZentrale mit eigenem Coworking-Space: li. der „Großraum“ mit fünf Arbeitsplätzen, li. u. die Teeküche. Raumgestaltung: Rike Gloy-Brüchmann und Laik Design.
Die Pandemie hat Millionen Menschen ins Homeoffice gebracht. Warum nicht weiter so?
Das Arbeiten zu Hause ist ja kein purer Heilsbringer. Es kann auch soziale Isola tion für Alleinlebende, Stress für Eltern, Nichteinhaltung von Arbeitsschutzregeln bedeuten. Da setzen wir an. Uns geht es nicht um ein Gegeneinander, sondern um die notwendige Flexibilisierung unserer Arbeitswelt. Im CoworkingSpace statt am Küchentisch finden Freiberufler und Ar beitnehmer einerseits den Platz, den sie für eine produktive Tätigkeit benötigen, ange fangen von der kompletten ITInfrastruk tur über die professionelle Raumausstat tung bis zur nötigen Ruhe – besonders auf dem Land! Andererseits könnten ländliche Ortskerne durch neue, geteilte Büros in al ten, leer stehenden Gebäuden wiederbelebt werden, denn wo wieder Menschen arbei ten, siedeln sich auch Läden, Cafés und Kinderbetreuung an. Also eine Art „Pimp the Pampa“?
Dort, wo es immer noch Cappuccino mit Sprühsahne gibt, auf jeden Fall! Aber im Ernst: eher eine punktuelle Urbanisierung der Pampa. Damit es diejenigen, die bislang in HamburgAltona oder in BerlinMitte in teuren CoworkingSpaces saßen, zum Ar beiten aufs Land zieht, müssen drei ver schiedene Punkte stimmen. Erstens muss der Ort schön sein, also vielleicht eine charmante Altstadt bieten, die Nähe zum Meer oder zu Seen oder OutdoorSport
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möglichkeiten – das alles ist bei CoWork LandSpaces im Portfolio. Zweitens muss es topschnelles Internet geben, und da sind ländliche Regionen oft klar im Vorteil. Denn wenn es Netz gibt, dann liegen dort Glasfaserkabel, und an denen hängen zu dem nicht Zehntausende NetflixAccounts. In den Sommerferien haben mein Sohn und ich ein paar Spaces besucht – auf dem Gut Mechow beim Naturschutzgebiet am Schaalsee hatten wir ein deutlich besseres Netz als zu Hause in Kiel! Drittens: Es muss like-minded people geben, sozusagen eine kritische Masse an Gleichgesinnten – da ran arbeiten wir, und unsere starken Zu wachsraten geben uns recht. Sie nennen die Standorte auch Korallenriffe. Warum?
Weil sich im Idealfall viele andere Ideen und Aktivitäten daneben ansiedeln. Wie im Resthof Viehbrook bei Neumünster, der neben Coworking noch Hofladen und Kita, Gemeinschaftsgarten und Gästeapart ments bietet; außerdem ist dort eine „Ar che“ ansässig, wo uralte, vom Aussterben bedrohte Nutztierrassen gezüchtet werden. Quasi ein neues Minidorf ist entstanden. Mein Traum wäre: In fünf Jahren gibt es bundesweit tausend CoWorkLandSpaces. Angesichts unseres exponentiellen Wachs tums ist das sogar realistisch. ‹ Das Projekt wird durch die Heinrich-Böll-Stiftung, das Bundeslandwirtschaftsministerium sowie aus dem EU-Fond für regionale Entwicklung unterstützt. coworkland.de
Photographer: Dylan James; Art Direction & Styling: Karin Bochnik
ONCE UPON A TIME IN VIENNA LONG BEFORE BAUHAUS
Vor 150 Jahren wurde Josef Hoffmann – Vorreiter der Moderne – geboren. Im Jahr 1910 entwarf er den KUBUS Sessel, der zur zeitlosen Ikone wurde. Die Wittmann Möbelwerkstätten fertigen das Original noch heute. In ursprünglicher und unnachahmlicher Handwerksqualität. Für alle, die ein Stück Designgeschichte besitzen wollen, gibt es den KUBUS Sessel bis 31.12.2020 zum einheitlichen Preis: dem günstigsten* - ganz gleich, welche Lederqualität Sie wählen. Fragen Sie Ihren autorisierten Wittmann Fachhändler: www.wittmann.at * Entspricht einem Preisvorteil von bis zu 23%; es wird stets der Preis in der günstigsten Kategorie (Leder Color) gerechnet.
Uhren und Juwelen 20 20 Ein glitzernder Wassertropfen und die Milchstraße. Im Kleinen verbirgt sich das Universum. Und in der Natur finden die besten Uhrmacher und Juwelenkünstler auch in diesem Jahr: Verve!
Shaun, der Zauberer Sein Emblem ist die Distel, von jenem gothic appeal umweht, der ihn in den Mil len niumsjahren berühmt machte: Shaun Leane, Londoner Maurersohn, hat mit seinen Juwelen für die Shows seines Freundes Alexander McQueen Leuchtfeuer der Imagination entzündet. Hexentänze und federleichte Märchen. Leanes Schmuck, in dem Europas Historie, Afrika und die uralten Rituale indigener Völker klingen, verlangt Haltung. A itude. Elsterfedern am Ohr, goldene Stacheln am Hals: Dazu braucht es einen eigensinnigen Kopf. Das Londoner Auktionshaus Phillips widmet ihm nun eine Online-Schau: „Flawless“. s h a u n l e a n e . c o m
Aus der Kollektion von Phillips, London: Leanes „Quill“-Choker o. (16 730 Euro) ist mit 18-karätigem Gelbgold überzogen. Sein Klassiker: die „Silberdistel“Brosche mit Spinellen und Tahiti-Perlen. Fascinator und Ohrschmuck in einem – der „Black Feather Fan“-Ohrring rechts.
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Redak tion S i m o n e H e r r m a n n u n d M o n a B e r g e r s
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Schau, da!
Fotos: R o b R u s l i n g / S h a u n L e a n e ( 3 ) ; B o u c h e r o n ( 2 ) ; Va n C l e e f & A r p e l s ; Vo l k e r K i r s c h n e r / O t t o J a k o b
1942 ist er aus dem Atelier geschlüpft, der Paradiesvogel-Clip mit Rubin- und Saphirgefieder. Im Pariser Naturhistorischen Museum, in Van Cleef & Arpels’ grandioser Schau „Pierres Précieuses“, fliegt er bis 14. Juni 2021. v a n c l e e f a r p e l s . c o m
Vo n r Kostba rkeit des Moments Claire Choisne liebt diese stillen Momente in der Natur – „Wolken und Gedanken ziehen lassen und zusehen, wie sich das Licht in einem Wassertropfen fängt.“ Oder wie eine Flaumfeder (o., Brosche mit Perlmu und Diamanten) durch die Lu segelt. „Plötzlich wird man selbst ganz leicht“, meint Boucherons Kreativchefin bei der Präsentation ihrer Kollektion „Contemplation“. Der Gedanke zu „Fenêtre sur Ciel“ (ganz oben), einem Geschmeide aus Titanschuppen, die mit Perlmu und Dia manten besetzt und mit Airbrush bemalt sind, sei ihr in James Turrells Lichtraum „Open S “ auf Naoshima gekommen. „Es war, als ob sich der Himmel öffnete. Ein Fenster tat sich auf.“ Choisne konzentriert das Blau im großen Tansanit (35 Karat) – und ihr Halsband gibt den Blick frei auf den inneren Himmel der Trägerin. b o u c h e r o n . c o m
Ohrmuscheln Präzise entzwei. Otto Jakob setzte die beiden Teile einer barocken Keshi-Südseeperle für seine „Kutakuta“-Ohrringe in eine Schale aus geschwärztem Weißgold mit Goldrelief. Ein prachtvoller Panzer für die gravierten Cabochons aus antiker Engelshautkoralle im Innern. Und eine neue Spezies aus Jakobs Tierreich der Fantasie. o t t o j a k o b . d e
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Wu nder s a me Wi l d f ä n g e 1 Titanarmband „Jaipur’s Treasures“ mit Mondsteinen und Diamanten s u z a n n e s y z . c h 2 „Beetle the Magnificent“ an einer Bronzekette, 1400 Euro b e g u m k h a n . c o m 3 Flieg, Käfer, flieg! „Ladybird Ring“ mit Citrin, Saphiren und Diamanten. b u c h e r e r . c o m 4 Schildkrötenbrosche mit Achat und Iolith m a h r o k h - b e c k . d e 5 „Tesori Del Mare“-Weißgoldband mit Rubinen und Spessartinen g i a m p i e r o b o d i n o . c o m 6 Ohrringe „Tettix“ aus Emailabgüssen der Malaysischen Laubheuschrecke o t t o j a k o b . d e 7 Fische küssen besser! „Caravan“-Ohrringe mit Tansaniten und Tsavoriten, 28 000 Euro l y d i a c o u r t e i l l e . c o m 8 Saphire und Diamanten zieren Jean Schlumbergers „Starfish Brooch“, 132 000 Euro t i f f a n y . d e
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Fotos: S u z a n n e S y z ; B e g ü m K h a n ; B u c h e r e r F i n e J e we l l e r y ; M a h r o k h B e c k J e we l l e r y ; G i a m p i e r o B o d i n o ; Vo l k e r K i r s c h n e r / O t t o J a k o b ; Lyd i a C o u r t e i l l e ; T i f f a n y & C o .
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1 „Escale Spin Time Météorite“ mit zwölf rotierenden Würfeln und Zifferblatt aus Meteoritengestein des „Gibeon“ l o u i s v u i t t o n . c o m 2 Bei „Cape Cod Martelée“ sind Edelstahlgehäuse und Zifferblatt fein gehämmert, ab 2900 Euro h e r m e s . c o m 3 „Essentials No. 2 Chronograph“ aus Edelstahl und Saphirkristall, 600 Euro z i n o d a v i d o f f . c o m 4 Mit 581 Diamanten im Brillantschliff ist die gelbgoldene „Maillon de Cartier“ besetzt, 116 000 Euro c a r t i e r . d e 5 Yohji Yamamotos „Big Bang GMT All Black“ (23 300 Euro, Edition von 50) aus Keramik und Kautschuk h u b l o t . c o m Mood: Maison Margiela.
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Fotos: L o u i s Vu i t t o n ; C a l i t h o ; Z i n o D a v i d o f f ; C a r t i e r ; H u b l o t ; M a i s o n M a r g i e l a A r t i s a n a l d e s i g n e d b y J o h n G a l l i a n o
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DI E UNIKATSCH H MIE EDE . STUTTGART
juwelier-jacobi.de
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M e h r We i ß h e i t 1 Diamanten in der Kurve! „Trésor Quartz“, 4480 Euro o m e g a w a t c h e s . c o m 2 Zeitschleifen? „Grand Bal Ruban“ mit Goldfäden oder Federmarketerie im Zifferblatt, Edition von 18 d i o r . c o m 3 Das perlt! „Navitimer Automatic 35“, Perllünette, Edelstahlgehäuse und -band, auch mit Alligatorleder, ab 3800 Euro b r e i t l i n g . c o m 4 Patentiert! Flyback-Chronograph mit Schwingtrieben: „RM 72-01“ hat eine 50 Stunden-Gangreserve r i c h a r d m i l l e . c o m 5 Auf dem Zifferblatt blüht ein Opal-Blümchen: „Tambour Spin Time Air Opal“ mit Diamanten und Saphiren l o u i s v u i t t o n . c o m Mood: Maison Margiela.
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Fotos: O m e g a ; D i o r ; B r e i t l i n g ; R i c h a r d M i l l e ; L o u i s Vu i t t o n ; M a i s o n M a r g i e l a A r t i s a n a l d e s i g n e d b y J o h n G a l l i a n o
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www.goldschmiede-boecking.de
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Beige bis Burg under 1 Weißgold trifft auf Alligatorleder: „Code 11.59 Chronograph Automatic“ mit Flyback-Funktion, 44 100 Euro a u d e m a r s p i g u e t . c o m 2 Schön schräg: gelbgoldene „Tank Asymétrique“ mit Handaufzug und Saphirkrone, Edition von 100, 26 700 Euro c a r t i e r . d e 3 Zeit ohne Ziffern? Grand Complication „5303R Minute Repeater Tourbillon“, seitlich schimmern Weißgoldintarsien p a t e k . c o m 4 „Reverso One“ aus Edelstahl, dazu 27 von Hand gesetzte Diamanten, 5350 Euro j a e g e r - l e c o u l t r e . c o m 5 Bronzegehäuse & Nato-Armband: „1858 Monopusher Chronograph“, 5400 Euro m o n t b l a n c . d e Mood: Marni.
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Fotos: A u d e m a r s P i g u e t ; C a r t i e r ; P a t e k P h i l i p p e ; J a e g e r - L e C o u l t r e ; M o n t b l a n c ; K o l l e k t i o n M a r n i S S 2 1 Vo l . 1
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Galactica! 1 „Arctic Ice“-Keramikring mit Paraiba-Turmalin s u z a n n e s y z . c h 2 Graugoldring mit Aquamarin g o l d s c h m i e d e s c h u b a r t . d e 3 „Soffione Necklace“ aus Gelb- und Weißgold mit Diamanten b u c c e l l a t i . c o m 4 Guillochierte Messingbrosche „Eier zeigen“, 1200 Euro f r i e d a - d o e r f e r . d e 5 „One of a kind“-Roségoldstecker mit Diamanten, Brillanten und Turmalinen o e d i n g - e r d e l . d e 6 Goldanhänger „Mirage Loop“, ab 950 Euro n i e s s i n g . c o m 7 „Colonna by Kim“-Ring mit Aquamarinen, 31 170 Euro w e m p e . c o m 8 Art déco-Collier aus Jade und Tsavoriten, 10 600 Euro g o l d s c h m i e d e - b o e c k i n g . d e 9 Diamantenohrringe „Spiked Secret“, 49 000 Euro j i r g e n s . c o m 10 Platinring mit Beryll, 6250 Euro j u w e l i e r - j a c o b i . d e
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Fotos: S u z a n n e S y z ; S t u d i o P i x e l g o l d ; G o l d s c h m i e d e S c h u b a r t ; J i r g e n s J u we l e n s c h m i e d e ; R a i n e r S c h ä l e / S t u d i o P i x e l g o l d ; B u c c e l l a t i ; N i c o l e E b e r we i n / F r i e d a D ö r f e r ; O e d i n g - E r d e l ; N i e s s i n g ; We m p e
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ildende Künstler wissen seit je um den Wert differenzierten Sehens. Eines Sehens, bei dem man die Welt um sich herum aufmerksam und in allen Facetten wahrnimmt, um daraus etwas Eigenes, nie Dagewesenes zu erschaffen. Und auch, wer ein Werk als Betrachter begreifen will, braucht ein geübtes Auge, das die Besonderheit einer Landschaft ebenso nuanciert erfasst wie die Schönheit von raffiniert strukturierten Holzarbeiten, kunstvoll geschliffenem Glas oder einem komplexen Faltkunstwerk. Den höchsten Grad der Vollkommenheit erreichen auch hier die Takumi – die besten japanischen Handwerksmeister, die für diesen Titel rund drei Jahrzehnte an der Perfektionierung ihrer Fähigkeiten arbeiten und selbst modernsten Maschinen überlegen sind. So auch bei LEXUS, wo Toshiyasu Nakamura für den vielfältig reflektierenden Kiriko-Glaseinsatz in der Türverkleidung des LEXUS LS den idealen Schliff gefunden hat. Ein weiterer Takumi, der mit handwerklichem Geschick sowie überaus scharfem Blick die makellose Ästhetik der Fahrzeuge sichert, ist Yasuhiro Nakashima. Für den Kühlergrill des LEXUS LS, bei dem sich 5000 Einzelmotive zu einem faszinierenden Gittermuster verzahnen, nahm er in enger Kooperation mit dem Designteam die Feinjustierung des digital erzeugten Modells vor, um es in ein gestalterisches Wunder zu verwandeln. Mit monatelanger Hingabe an die Sache, untrüglichem Blick fürs Detail und individuell gefertigten Werkzeugen zum Feilen, Modellieren und Polieren. lexus.de/handwerkskunst
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La Grande Bellezza! Bulgaris Kreativchefin Lucia Silvestri hat dem barocken Rom eine furios funkelnde Liebeserklärung gemacht.
B arocko!“ Mindestens fünf Rs rollen, wenn Bulgaris Juwelenzauberin Lucia Silvestri das ausspricht: barock. Wie ihr Haus, das jenes „Mai Troppo“ zum Stilprinzip erhoben hat. Mehr ist mehr. Farbenfluten, Bewegung, die Lust am Außergewöhnlichen! Überall verdrängte die bewegte Linie die gerade, die Kurve den rechten Winkel, die Mauern schwangen, die Säulen drehten sich. Eine Epoche, die ganz Europa in ihren Bann zog, aber nirgends Herz und Sinne so hinriss wie in Rom. „Die Stadt“, erklärt Silvestri, „ist unsere Muse. Immer schon, seit 136 Jahren. All die Kirchen und Kunstwerke. Selbst die Travertinsteine des römischen Straßenpflasters finden sich in unseren ‚Parentesi‘-Stücken wieder.“ Auch sie ist Römerin, eine, der Männer und Frauen hinterherschauen – und dann mit schöneren Gedanken weitergehen. Eigentlich habe sie Biologie studieren wollen, damals, vor 37 Jahren. „Aber als ich dann mit 18 im Atelier vor einem Tisch mit Edelsteinen stand, war ich für alles andere verloren.“ Die Bulgari-Brüder vertrauen ihr den Einkauf der Steine an; sie reist um die Welt, zu den großen Händlerfamilien, nach Israel, New York, Jaipur, Hongkong, sogar nach Idar-Oberstein. „Von einigen Familien kenne ich mittlerweile drei Generationen“, erzählt sie. „Business, klar, aber es ist auch die Leidenschaft, die uns verbindet.“ Für den außergewöhnlichsten Stein, den lebendigsten Schliff, die schönste Farbe. „Das blieb uns,
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obwohl 2020 alles anders war“, sagt sie und erzählt von der Zeit des Lockdowns in Italien. „Diese Sehnsucht nach dem Draußen, nach dem Berühren und Berührtwerden“, Silvestri wirft ihr Haar zurück und schlingt die Arme um ihre Schultern, „schrecklich! Wie gut, dass wir all unsere Sehnsuchtsorte in den Schmuckstücken wieder aufleben lassen konnten.“ So kommt es, als
Fotos: B u l g a r i ( 5 ) ; C h o p a r d ( 2 )
sähe man in der Komposition des Smaragdcolliers „Emerald Star“ zur geometrischen, leicht konkaven Decke der Barockkirche Sant'Ivo alla Sapienza von Francesco Borromini auf. In „Wings of Rome“, einer Platinhalskette, erkennt man die Flügel des Erzengels Michael, der in Bronze über der Engelsburg wacht. „Und der große Rubellittropfen des Colliers ‚Lady Rubellite‘ an einer Perlenkette mit Quästchen erinnert mich an das Licht und die Weingelage auf den Gemälden Caravaggios. Haben Sie nicht auch das Gefühl, dass dieses leuchtende Rot jeden Moment herausschwappen könnte?“ Lucia Silvestri lacht. Am Ende, nach einem funkelnden Streifzug durch das barocke Rom, vorbei an Kirchen und Statuen, an Maderno und Bernini, hält sie „Cabochon Exuberance“ in den Händen, eines der prächtigsten Colliers. „Die Anlagen der Farnesischen Gärten auf dem Palatin haben uns dazu inspiriert. Die Tansanite, Aquamarine und Rubellite sind nach den verschiedenen Formen der Gartenräume und Wasserspiele als Cabochons geschliffen, und dazwischen haben wir die Smaragde wie Buchskugeln gesetzt.“ Mit etwas Fantasie kann man darin herumspazieren. „Sehen Sie, wie die Fontänen springen?“ = bulgari.com
Mein lieber Schwan!
O b man noch einen Drink zu Chopards Schwanenring braucht, sei dahingestellt, aber Gesprächsstoff (und das ist Sinn und Zweck eines Cocktailrings) bietet er allemal. Ein Schwanenpaar aus Keramik, das einen blauen Alpsee von Opal in seinem Diamantgefieder trägt – wer da nicht an Ludwig II denkt, wie er auf Schloss Linderhof zu Wagners „Lohengrin“ in einer Muschelbarke durch seine elektrisch beleuchtete Grotte glitt … Der „Kini“ – immer noch ein Small Talk-Thema de luxe! Mit einem spektakulären Plot, eher nach der „Pirates of the Caribbean“-Seite hin, kann auch Chopards „Red Carpet“-Collier (o.) mit Smaragdperlen, Topasen, Turmalinen und Saphiren aufwarten. Am grün flimmernden OpalCabochon hängen die Edelsteinketten, als hätte Jack Sparrow sie mit dem Enterhaken aus dem Meer gezogen, über und über mit glitzerndem Seetang bedeckt. Auch der empfindsame Opal selbst ist ein echtes conversation piece. Fühlt man sich wohl in seiner Haut, leuchtet er. Apropos Green Glamour. Schon vor Jahren hat Chopard-Chefin Caroline Scheufele als Pionierin in der Haute Joaillerie eine Initiative gestartet: zertifizierte Minen, ethisches Gold, Fair Trade-Steine. Und das ist wohl die schönste Geschichte! SH chopard.com
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Tex t S i m o n e H e r r m a n n „Netzwerk des Lichts“ nennt Pierre Hardy die Weißgoldbrosche mit Mondstein, QuarzCabochon (24 Karat) und braunem Diamanten. Am Ring funkeln drei rosa-braune Diamanten. Wie Glühwürmchen flimmern ringsum die Brillanten.
D ie Kollektion ist der Zärtlichkeit gewidmet, jedes Stück dachte ich mir wie eine Liebkosung. Die Ketten legen sich mit derselben Sanftheit um den Hals, als würde einen je mand in die Arme nehmen“, sagt Pierre Hardy, künstleri scher Direktor der Haute Joaillerie von Hermès, über „Li gnes Sensibles“. 45 Schmuckstücke voller Emotion. Für Hardy, der während seines Kunststudiums in einer Bal lettkompanie tanzte, liegt „alles in der Linie“, ein Strich, in dem sich Empfindung ausdrückt, ein Gedanke, der zur
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Geste und schließlich zur Form wird. Dabei, erklärt der Designer, sei das Licht entscheidend. „Ich behandele es als eigenständiges Element, als wäre es Material.“ Es ist in den Steinen, im sanften Schein von Roségold, im Glimmen der Diamanten, in den Farben. Zarte Töne schlägt Hardy bei seinem Diamantring (o.) an, melodisch hüpft das Licht von Zimtbraun zu Rosa und Rosenholz – und die Diaman tentonfolge wieder zurück, leuchtet auf, glitzert, sprüht, tanzt. In der Brosche (g. o.) leiten mit Brillanten übersäte Weißgoldketten das Licht vom grauen Mondstein über den durchscheinenden Spiegel des QuarzCabochons bis zum Funkeln des braunen Diamanten. Virtuose Stücke, die je de Bewegung mit Poesie aufladen. = hermes.com
Fotos: A n g e L e c c i a
D ie Po e s ie der G e s t e
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We b Künste
Tex t S i m o n e H e r r m a n n
Wer Chanel sagt, meint: Kostüm. Patrice Leguéreau hat den Tweed nun aus Gold und Juwelen weben lassen.
C hanel und Tweed. Eine Affäre, die noch während ihrer turbulenten Liaison mit dem Herzog von Westminster begann. Mitte der 1920er-Jahre, bei einem Wochenende in den schottischen Highlands. Der Ausgang ist bekannt. Mademoiselle ließ His Grace sitzen und wurde mit ihren Kostümen aus Harris-Tweed weltberühmt. Auch Patrice Leguéreau konnte die Finger nicht mehr von den Geweben lassen, die ihm Stickerei-Papst François Lesage in seinem Archiv zeigte. Das war 2009, und Leguéreau, der nach dem Abschluss an der Pariser Talentschmiede École Boulle als Graveur und Gemmologe elf Jahre bei Van Cleef & Arpels gearbeitet hatte, machte sich als neuer Kreativdirektor der Haute Joaillerie von Chanel daran, den Klassikern des Hauses neuen Drive zu geben: Löwenköpfe, Kometen, Kornähren … Schließlich inspirierte ihn Chanels Liebe zu Russland, zu Djagilews Ballets Russes (und ja, auch hier gab es wieder einen Großfürsten, wenn auch einen emigrierten) 2019 zu einer betörenden Juwelen-Saga. „Aber die ganze Zeit überlegte ich, wie man es wohl fertigbrächte, Tweed aus Gold und Edelsteinen nachzuempfinden“, erzählt Leguéreau. Diese Struktur, dicht und luftig zugleich! Schuss- und Kettfäden aus Seide und Wollbouclé, manchmal waren auch Metallicfäden oder Stränge aus Cellophan, Bast oder Perlen eingewebt, mit Fransen besetzt und mit Seide
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Tif fanys First Lady Chanels Tweed inspirierte Patrice Leguéreau zu Ohrringen (o., Gold, Onyx und Diamanten), Armband (u. mit Tsavoriten) und Plastron (links, mit 10,2 KaratDiamant, Spinellen, Saphiren, Perlen, Diamanten). Adut Akech (u.) in Chanel-Couture 2020.
unterlegt und im Futter dieses Kugelkettchen, das ab 1954 den perfekten Sitz des Kostüms garantierte. Wie Telegrafistinnen, spotteten Chanels Kritiker, sähen Frauen darin aus, so maskulin, so – selbstbestimmt. Als einziger Schmuck: Messingknöpfe an Leisten und Taschen, dazu höchstens ein paar Borten. Leguéreau vergrub sich in die Archive. Ein halbes Jahr verfloss über den ersten Entwürfen. Zeichnungen, Wachsmodelle, erste Metallversionen. Zwei Jahre habe es gedauert, verrät er, „bis die Kollektion stand“. Von den Ohrringen aus Gelbgold, Onyx und Diamanten, die wie Kostümknöpfe aussehen, über die aus Tsavoriten und Goldschnüren gewirkten Bracelets bis zum Juwelen-Plastron, durch das eine Goldkette geführt ist, sodass es sich öffnet wie ein Fächer und sich um die Büste schmiegt wie ein Kostümkragen. Chanel hat etwas Unvergleichliches aus diesem Männerstoff herausgelockt: Charisma. Patrice Leguéreau lässt es strahlen. = c h a n e l . c o m
D ieses Blau! Das hat etwas Außerirdisches … Victoria Reynolds: Ein Tansanit (o.), den wir mit
einem Smaragdschliff in die reduzierte Formensprache unseres Designdirektors Reed Krakoff gebracht haben. Mit „Fotoecken“ aus Platin und an eine Kette aus weißen Diamanten gelegt.
Fotos: M i k a e l J a n s s o n ( 2 ) ; C h a n e l ( 4 ) ; T i f f a ny ( 3 ) ; Por träts: C h a n e l ; S e b a s t i a n K i m
Sie sind in diesem Jahr als Chef-Gemmologin auf Melvyn Kirtley gefolgt, Glückwunsch!
Ich bin die erste Frau in der Geschichte von Tiffany & Co. Ein Holly Golightly-Gefühl, genau wie vor 35 Jahren, als ich von der Rhode Island School of Design an die 5th Avenue kam. Teil dieses Mythos zu sein ist eine große Verantwortung. Nothing less than perfect in look, fall and touch. Das sind wir Reed und unseren legendären Designern wie Jean Schlumberger oder Elsa Peretti schuldig. Was bedeutet Modernität für Sie?
Einfach sein, präzise, grafisch: Smaragd-, Kissen-, Marquiseschliffe. Erstklassige Diamanten, die grandiose Farbsteine – 2020 vor allem in Blautönen – inszenieren. Haute Joaillerie für den Alltag. Bei Tiffany reicht die Gefühlsskala sehr weit …
Von den koketten Midcentury-Fantasien Schlumbergers (o., Brillantohrringe mit Goldfransen) bis zu Perettis lässigen „Diamonds by the Yard“Ketten aus Silber und Reeds prickelndpuristischen Stücken. Ich liebe diese Verve, den Mix! SH t i f f a n y. c o m
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Tex t M o n a B e r g e r s
Der Bau begann 2015 (g. links). Zeitgleich wurde der Vorgänger von Patek Philippes „5370P Split Second Chronograph“ (links) lanciert. Das Zifferblatt aus Emaille strahlt in Azur. Eine Spur lichter: das Genfer Blau (u.) über dem neuen Manufakturgebäude.
S uperlative – darauf versteht sich Patek Philippe, aber vor allem auf jene unnachahmliche Eleganz, die das Spektakuläre der Uhrmacherkunst in klare architektonische Designs fasst. So erinnert das im Frühjahr eröffnete neue Produktionsgebäude in Plan-les-Ouates bei Genf (auf dem einstigen Parkplatz der Manufaktur) nicht von ungefähr an die beschwingte Formensprache der „Nautilus“-Modelle. Ein Bau von solch linearer Leichtigkeit, dass man seine
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Dimensionen – ein Keller, in den 90 olympische Schwimmbecken passen würden, ein Bauvolumen, das sieben Airbus A380 entspricht und in dem so viele Tonnen Betonstahl verbaut wurden, dass zwei Eiffeltürme davon hätten errichtet werden können – glatt übersieht. Dabei vereint der Neubau alle Ateliers und Metiers nach fast einem Vierteljahrhundert wieder unter einem Dach. Bei 62 000 Chronometern, die hier jährlich vom Entwurf bis ins Etui gelangen werden, eine echte Schaltzentrale. Weshalb das zehnstöckige Gebäude von Frisk de Marignac Pidoux Architectes denn auch an einen Luxusdampfer denken lässt. Immer das große Blau vor den Fenstern. = patek.com
Fotos: P a t e k P h i l i p p e
Wa t c h o u t !
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Zur Sache, Schätzchen! Yasmin und Christian Hemmerle stellen vor: 1 Ohrringe mit JaspisPlatten und Umba-Saphiren, 2 Karneol-Intaglio an der Kordel, 3 Smaragdarmreif, 4 Cuff aus eloxiertem Silber, Weißgold und Diamanten, 5 Achatohrringe mit bronzenem Efeu. Gemälde „Slow dawn“ (o.) von Kibong Rhee, 2020. 6 „Medusa“-Brosche (re. Seite) im diamantenen Aluminiumkranz.
We n n S t e i n e leb end i g werden … Yasmin und Christian Hemmerle lassen die Natur in ihren schönsten Facetten leuchten. Ein Atelierbesuch. Tex t S i m o n e H e r r m a n n
Fotos: H e m m e r l e ( 6 ) ; J e r e my H a i k / C o u r t e s y T i n a K i m G a l l e r y, N e w Yo r k ; Por trät: J e n s B r u c h h a u s
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Malerei, von bernsteinfarbenem Licht durchflutet. Tief in den Erdschichten sind sie gewachsen, diese grandiosen Bilder. „Auf mich wirken sie wie flandrische Tapisserien“, sagt Yasmin Hemmerle, „man kann jedes einzelne Blättchen sehen.“ Das bronzene Efeu obenauf scheint derweil aus den amorphen Baumgebilden in den Achaten herauszuwachsen, ins Dreidimensionale.
s ist, als würde man in der Dämmerung über eine weite ausgetrocknete Ebene gehen, irgendwo tief im Süden. Ein metallischer Glanz liegt auf den rissigen Erdschollen, am Himmel flimmern Sterne, bevor sie sich wieder in die Diamanten am Rand des Cuffs (li. S., Bild 4) zurückverwandeln, den Yasmin Hemmerle gerade in den Fingern dreht. Und doch, für einen Moment war da kein Armreif mehr, sondern weites Land, Bilder von Alberto Burri, Hitze und Mondlicht. „Der Perlmuttglanz hat sich durch Zufall bei der Eloxierung des Silbers ergeben“, erklärt Christian Hemmerle. Ein Ton, den keiner seiner Goldschmiede, nicht die jungen, internationalen, und auch nicht der 80-jährige Werkstattleiter, der noch heute ab und zu im Atelier vorbeischaut, je reproduzieren könnte. Ein einzigartiges Stück, avantgardistisch, kühn stilisiert und zugleich altmeisterlich, feinsinnig bis ins Detail, wie alle Hemmerle-Stücke, seit Christians Vater Stefan den Stil in Wir sitzen im Studio, eine Etage über den 1980er-Jahren begründete. Kunst dem eleganten Geschäft an der Münchund Natur begegnen sich darin. ner Maximilianstraße. Der Raum ist „Es geht uns immer um Originalität, karg und kostbar möbliert, hell, vom um Unverwechselbarkeit“, sagt Hem- Schreibtisch aus blickt man auf ein Bild merle, drum seien virtuelle Präsentati- des koreanischen Künstlers Kibong onen „bloß second best“. Denn das Cha- Rhee. Hohes Gras, Wasser, Bäume, als risma des Schmucks teile sich nur im wären sie aus grüner Luft geronnen. direkten Gegenüber mit. „Schließlich „Die Stilisierung asiatischer Kunst bemuss man in so etwas hineinschauen“, rührt mich auf sehr emotionale Weise“, sagt er und hält ein Ohrringpaar mit Christian Hemmerle legt Ohrclips mit Landschaftsachaten ins Licht. Barocke Jaspis-Platten vor, die so beschnitten
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sind, dass sie aussehen wie asiatische Kalligraphien. Grandiose Schriftzüge, auch sie von der Erde in Jahrmillionen gemalt. Burgunderrot mit pinken Reflexen. Pink sind auch die Umba-Saphire an den Baldachinen – „upside down“, mit der Spitze nach oben gesetzt, das macht sie „noch funkeliger“, sagt Yasmin Hemmerle, die aus Kairo stammt, in ihrem hellsichtigen Deutsch. An ihrem Handgelenk glitzert nun ein klassischer Hemmerle-Armreif. Nicht der aus Holz mit kandisfarbenen und braunen Diamanten, ihr „Glücksbringer“, den sie 2006, im Jahr ihrer Hochzeit, bekam, sondern ein smaragdgrüner. Der Reif ist mit Weißgold ausgeschlagen, kühl wie Seide, außen sind Smaragde ins Pavé gesetzt, als wäre es Schlangenhaut, warm und weich fühlt sich das an, lebendig wie ein wechselwarmes Reptil. Man könnte sich in eine Art Trance hineinstreicheln, wenn Christian Hemmerle nicht einen aus rotem Karneol geschnittenen Porträtkopf hervorholte, wohl aus dem französischen Empire. Das rot glühende Intaglio ist mit einer gestrickten Kordel aus Karneolperlen, einer Erfindung des Hauses, umschlungen. Dann glitzert es silbrig, und aus einem Kranz luftiger Aluminiumschuppen, in denen winzige Diamanten zittern, blickt das Schlangenhaupt der Medusa. Hemmerle hat der Gemme aus einer zerbrochenen klassizistischen Brosche einen modernen Rahmen gegeben und im Zusammenspiel von Stein, Aluminium und Diamanten die alte Geschichte von Kunst und Natur atemberaubend neu erzählt. = h e m m e r l e . c o m
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W ie eine blutrote Calla saß es ihr am Handgelenk. 73 Rubine und 141 weiße Diamanten. Marlene Dietrichs JarretièreArmband spielte auch im Eifersuchtsdrama „Stage Fright“ eine Rolle. Der Schriftsteller Erich Maria Remarque soll es ihr 1937 geschenkt haben. Oder war es Louis Arpels? Schmuck einer Frau, die sich sämtliche Extravaganzen leistete. Im Film wie im Leben. Die Dietrich! Preußische Offizierstochter, Blauer Engel, Hollywoodstar und Frontfrau gegen Hitler. Der Armreif, einem Strumpfband nachempfunden, wurde ihr Emblem. Zwei Rubin-Halbkreise, die Steine im serti mystérieux zargenlos gefasst und mit einer Diamantspange verbunden. Ein modernes, ja futuristisches Stück in jenem Zukunftsgeist, der Van Cleef & Arpels seit seiner Gründung 1906 leitete. Kurz vor Marlenes Tod 1992
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brachte es bei Sotheby’s 990 000 Dollar – und verschwand in einer Privatsammlung. Der Mythos blieb. 2020 legt das Pariser Haus ein neues Jarretière-Armband auf. Zwei Halbkreise, die eins werden. Besetzt mit Burma-Rubinen, taubenblutrot mit purpurnen Reflexen, gesäumt von runden und Baguette-Diamanten. Aber nun sind sie mit Roségold gefasst: 72 Rubine, ein Stein weniger als für Marlene. Und doch spinnt „Rubis en scène“ die Geschichte der Dietrich fort, denn die durchbrochene, mit Diamanten besetzte Konstruktion aus Platin und Weißgold erinnert an die Streben und Bögen des Eiffelturms, wenn er sprüht und funkelt in der Nacht. So hat sie ihn gesehen, in der Dämmerung ihres Lebens, von ihrem Apartment in der Avenue Montaigne aus, kühn, alles überragend wie sie selbst. Auch hier ist der Verschluss ein Kabinettstück der Juwelierskunst, ein lustvolles klick, und es rastet ein. Ein Cuff, bei dem es keine Halbheiten gibt, mit dem man Farbe bekennen muss: Alles auf Rot! Courage! = v a n c l e e f a r p e l s . c o m
Fotos: Va n C l e e f & A r p e l s ; Por trät: M o v i e p i x / G e t t y I m a g e s
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Tex t M o n a B e r g e r s
Hoch hinaus
D er Gipfelsturm begann eigentlich mit einem Tauchgang. Denn Rolex lancierte 1926 die erste vollkommen hermetisch schließende (und somit wasserdichte) Armbanduhr der Welt. Die sogenannte „Oyster“. Sie glich ihrem natürlichen Vorbild in allem: „Die Auster ist eine mustergültige Hüterin ihres Hauses und duldet weder Staub noch anderen Schmutz im Innern“, erklärte Gründer Hans Wilsdorf. Zum Beweis ließ er in den Schaufenstern britischer Rolex-Einzelhändler Aquarien aufstellen, in denen zwischen Wasserpflanzen und Goldfischen die „Oyster“ schwamm und präzise die Uhrzeit angab. Ihre Rüstung erwies sich fünf Jahre später als noch bahnbrechender: Mit einem rotorbetriebenen Selbstaufzugsmechanismus nämlich. Der Nachfolger, die „Oyster Perpetual“, war geboren. Sie wur-
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de durch ihre Widerstandsfähigkeit und Ganggenauigkeit zum Zeitmesser von Pionieren, begleitete, eng ums Handgelenk geschnallt, Entdecker und Forscher auf ihren waghalsigen Expeditionen. So erreichte sie 1953 mit Sir Edmund Hillary und Sherpa Tenzing Norgay den 8848 Meter hohen Gipfel des Mount Everest. „Wir betrachten die Rolex Oyster als essenziellen Bestandteil unserer Kletterausrüstung“, erklärte Expeditionsleiter Sir John Hunt damals. Und auch heute ist Rolex mit seinen Entwicklungen wortwörtlich der Zeit voraus: Die „Oyster Perpetual Sky-Dweller“ etwa zeigt zwei Zeitzonen zugleich an – für Flüge dies- und jenseits der Schallmauer. Dabei trägt nun auch das klassische Modell erstmals das elastische Oysterflex-Band. In Bewegung bleiben – Rolex geht voran. = rolex.com
Fotos: A l a i n C o s t a / © R o l e x ; © A l f r e d G r e g o r y / R o y a l G e o g r a p h i c a l S o c i e t y ; J e a n - D a n i e l M e ye r / © R o l e x
1953 mit Sir Edmund Hillary und Sherpa Tenzing Norgay auf dem Gipfel des Mount Everest: die „Oyster“.Die neue „Oyster Perpetual Sky-Dweller“ (links) erinnert an das erste „Oyster Perpetual“Modell von 1931 (unten).
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Für Victoire de Castellanes Juwelen-Schau hat Maria Grazia Chiuri eigens Couture-Modelle entworfen. Dazu flirren eisblaue Paraiba-Turmaline an den Ohrringen. Die goldene Zuchtperle schimmert am Diamantreif, und am Doppelring mit pinken Padparadscha-Saphiren blinzeln Diamanten den SpessartinGranaten und Perlen zu.
Au genbl ick, ver wei le do ch …
S aphire flirren an einer Hand, violette und mauvefarbene, leicht wie Fliederduft, vom Ohr tropfen Turmaline in Paraiba-Blau, und eine große Perle glüht golden an einem Reif aus Diamantblättern … Dior-Models in elfenzarten Tüllplissees haben die 67 Schmuckstücke der neuen Kollektion „Tie & Dior“ präsentiert. Ein Juwelen-Defilé, für das Victoire de Castellane, seit 21 Jahren „magicienne en chef“ der Haute Joaillerie von Dior, kunstvolle Stickereien
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aus rosa Madagaskar-Saphiren, Smaragden, Granaten, Rubelliten und Rubinen aus Mosambik erfand. Dazu erstmals Zuchtperlen. „Auf mich wirken sie wie kleine seidige Kugeln. Der opake Perlmuttlüster kontrastiert mit dem Funkeln der facettierten Steine.“ Überhaupt gehe es ihr um Interaktion. „Farbverläufe, Bewegung, Dialog!“ Assemblagen, die sie so traumsicher wie ein spielendes Kind zusammensetzte. „Ich wollte, dass sich die Steine gegenseitig färben“, erklärt sie, „zwischen den Diamantreihen verschmelzen die Farben, sie bewegen und verbinden sich.“ Es ist ein stetiges Pulsieren. Schmuck in immer neuem Gespräch zum Thema „Du bist so schön!“. = d i o r. c o m
Urh.: Walter Wittek
Kora l le, Aquamarin und Ony x
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Fotos: D i o r ( 5 ) ; S o p h i e C a r r e ( 1 ) ; C a r t i e r ( 3 )
rünblau und glasklar. Das Meer leuchtet in drei Aquamarinen. Durch die Tiefen des Schliffs sieht man hinunter, tiefer und tiefer, bis zum Gold auf dem Grund. Ein Schatz von einem Ring! „Panthère Tropicale“ hat Atelierchefin Jacqueline Karachi-Langane ihn genannt und darin die Codes von Cartier neu erzählt. Die Pantherin, das Wappentier des Hauses, verbirgt sich im Diamantpavé mit Onyxflecken. Und die Tropen? In den roten Korallen. Diamantstege führen hinüber zum Meer: „Surnaturel.“ SH c a r t i e r. c o m
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Fotos: J u we l i e r F r i e d r i c h ; Por trät: I n g m a r K u r t h
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Geschichte mit Glitz Alter Schmuck in neuem Glanz. Friedrich-Chef Marc Stabernack öffnet für uns seine Schatullen. Inter view S i m o n e H e r r m a n n
S ie bieten bei Friedrich neben neuen Designs auch antiken Schmuck. Was fasziniert Sie an diesen Stücken? Marc Stabernack: Hinter jedem Juwel
verbirgt sich das Talent eines Goldschmieds, eine Liebes- oder Familiengeschichte und spannende Einsichten in Kulturgeschichte. Etwa diese beiden Colliers hier, besser gesagt: Paruren … Das dreiteilige Set aus grünem Malachit und der Korallenschmuck?
Beim Korallencollier und der Brosche fehlen die Ohrringe – man kann ihre Abdrücke noch in der Original-Schatulle (linke Seite, Bild 4) erkennen, während die Malachit-Parure (1) komplett ist. Beide würde ich auf die Zeit um 1860–80 datieren. Typischer Souvenirschmuck, der in Neapel an Touristen verkauft wurde. Der Vesuv, Pompeji – all das war damals Teil der Grand Tour. Wobei die mit antikisierenden Reitern und Porträtköpfen gravierten Malachitmedaillons gar nicht aus Italien stammen, sondern aus Russland. War das denn nicht zu kostspielig?
Damals nicht, und weil Nordeuropäerinnen, besonders die englischen Damen, eher hellhäutig waren, bestimmte dann die Nachfrage das Angebot – der russische Malachit ist göttlich für Rothaarige! Ein wunderbarer Farbklang. Aber die Korallen sind italienisch?
Ja, nach ihnen wurde vor Ort getaucht, und dort sind sie auch verarbeitet worden. So etwas bekommt man heute nicht
mehr, die Mittelmeerkoralle steht unter Artenschutz. Alter Schmuck ist Nachhaltigkeit par excellence, nichts geht verloren, auch Gold recyceln wir. Und er ist ein Stück Zeitgeschichte. Die Brosche und das Collier etwa spielen mit dem Goldband, den Granulatperlen und den Koralltropfen auf Artefakte an, die Heinrich Schliemann in Kleinasien entdeckte. Es gibt ein Foto von Schliemanns Frau Sophia mit Juwelen aus dem „Schatz des Priamos“ – sie muten ähnlich an.
Wie gesagt, um 1873–77 war Schliemanns Troja in aller Munde. Die Juweliere reagierten damals genauso auf die Sehnsüchte der Menschen wie wir heute. An welchen Epochen hängt Ihr Herz?
Von den 1970ern zurück ins 19. Jahrhundert. Ich habe ein Faible für Frankreich, aber auch den Schmuck des Frankfurter Juweliers Koch aus der Kaiserzeit oder die Kunst der Berliner Hoflieferanten Gebrüder Friedländer, damals: Unter den Linden 28, bewundere ich sehr, die Stücke sind wunderbar zart, filigran und haben doch Präzision und Klarheit.
Schliffe könnten auch aus einer Schatzkammer des Rokoko stammen, dagegen wirken heutige Brillantschliffe mit ihrem standardisierten, allzu perfekten, kalten Glanz wie von der Stange. Sie klingen fast wehmütig …
Diesen Zeitaufwand kann niemand mehr bezahlen – leider. Geschliffen wurde mit Wasserkraft, an der Scheibe und per Hand. Deshalb hat der Stein Feuer, einen Charakter, eben weil er winzige Fehler hat, weil man den Menschen darin spürt. Auch die Zitterbroschen (3) mit Smaragden und Diamanten, Heckenröschen und Hagebutte, die wohl aus einer Tiara herausgebrochen und dann an einer Feder befestigt wurden, haben diese Wärme. Erleben Broschen nun ein Comeback?
Ich bitte darum! In den Thirties wurden sie in Höhe des Schlüsselbeins getragen, nicht so bieder am Revers. So unterstreichen sie jede Geste mit ihrem Glitzern. Was lehrt alter Schmuck Sie heute?
Alles. Er ist eine emotionale Aktie, schöner als Geld, wertbeständig wie Ich habe hier eine Notenschlüssel-Bro- Gold, Ausdruck von Individualität. Gesche, Platin und Diamanten (6), um 1925, nauso wie wir Antikes aufarbeiten, inaus dem ach so strengen Art déco, die tegrieren wir Altes in neue Designs. Bei so melodisch ist mit ihrer kleinen Gale- unseren Ohrringen (5) etwa haben wir rie, dass man fast an das Neorokoko der Mikromosaike, auch sie ein Italien1950er-Jahre denken könnte. Aus den Souvenir aus dem 19. Jahrhundert, mit Fifties wiederum stammt die Perlen- Türkisen kombiniert und in korinthikette mit der Blütenbrosche und den sches Erz gebettet, das ist eine goldBommelchen (2) – für 135 000 Euro ei- haltige Bronze aus der Antines unserer kostbarsten Stücke –, aber ke, die wir wiederbelebt die Wärme, das lebendige Feuer der Alt- haben. So schließt sich schliffdiamanten und die Varianz ihrer der Kreis! = f r i e d r i c h . e u Wobei es innerhalb der Zeiten oft zu Stilkapriolen kommt, oder?
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The sky is the limit? Nicht für sie. Francesca Amfitheatrof hat für Louis Vuitton neue Galaxien erobert. Ihre Juwelen erzählen von der Weite – und von ihr selbst. Tex t S i m o n e H e r r m a n n
O ben, bei den Sternen. „Das All hat mich von jeher fasziniert“, erzählt Francesca Amfitheatrof. „Und bald wird eine Frau zum Mars fliegen!“ Dieser Pioniergeist, dieses „Wenn ihr wollt, ist es kein Traum mehr“, habe auch sie beflügelt. „Stellar Times“ hat sie ihre neue Haute JoaillerieKollektion für Louis Vuitton genannt. 90 Stücke, sieben Geschichten, die das Sonnensystem, den Mond, die Erde, den Roten Planeten oder die Konstellationen der Sterne im Glanz von gelben Saphiren, in Myriaden von Diamanten, in den Spinell-Bahnen eines Colliers oder im grünen Flimmer eines blauen Opals zeigen. Von oben betrachtet ist die Erde ein schöner Stern. Oder ein Stein. „Diamanten und Opale“, erklärt Amfitheatrof, „gibt es schon seit dem Big Bang. Die Steine sind so alt wie das Universum. Diese Synergie hat mich gereizt. Ich wollte Geometrie, Dynamik, Schmuck, der Frauen ermäch-
Die Hälf te des Himmels
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tigt“, sagt sie. Prachtvolle Ringe, Farbstei- als Abenteuer zu begreifen – darin erkenne in einer Rüstung aus Diamanten, lange ne ich mich selbst.“ 2019 hat sie ihre erste skulpturale Colliers sind so entstanden, Juwelen-Kollektion vorgestellt. „Riders of aber derart fein artikuliert, dass sie jede the Knights“, eine Hommage an die HerrBewegung wie etwas Lebendiges mitma- scherinnen des Mittelalters, große Stücke, chen. Viel von ihr selbst steckt in diesem „bold“. Damit hat Amfitheatrof die Mauern Schmuck, der von unendlicher Weite und eingerissen, die Männer über Jahrhundervom „Call of the Unknown“ erzählt. te in den Ateliers rund um die Place Neue Horizonte. Schon allein ihr Na- Vendôme aufgebaut hatten. Und nun? Will me erzählt von dieser Lust. Francesca sie ganz nach oben, die Hälfte des HimAmfitheatrof, Tochter eines russischen mels. Mindestens. Louis Vuittons EmVaters und einer italienischen Mutter, En- blem hat sie in „Stellar Times“ dekonstrukelin des Komponisten Daniele Amfithe- iert. Sie löst es auf, in Gold und Diamanten, atrof. In Tokio wird sie geboren, wächst in Licht, Raum und Rhythmus. Keine in New York, in Rom, in Moskau und in Grenzen mehr, nur Transluzenz und LiniKent auf – und zu einer Kosmopolitin he- en, die sich kreuzen, bevor sie wieder ins ran, unkonventionell, immer mit eigenem Weite führen. = louisvuitton.com Standpunkt. Beliebigkeit ist ihr ein Graus. In London studiert sie Schmuckdesign. Es sind die frühen 90er-Jahre, „Cool Britannia“ in Kunst und Mode. Alexander McQueen, Damien Hirst und Tracey Emin sind ihre Freunde. „Ich habe einen Ring gegen ein Kleid oder ein Bild getauscht, keiner von uns hatte Geld, aber alles war möglich. Jeder wollte sein eigenes Ding machen, unverwechselbar sein.“ Sie geht ans Royal College of Art, dann zu Giovanni Corvaja nach Padua, einem der experimentellsten Goldschmiede der Welt, begreift sich seitdem „vor allem als Metallschmiedin“. Karl Lagerfeld fördert sie, bringt sie zu Chanel. Längst spielt sie in der ersten Liga, als sie 2013 Design Director bei Tiffany & Co. wird. Dort entwirft sie die „T“-Linie, bis heute ein Bestseller. Dann kommt das Angebot von Louis Vuitton. „Das Frauenbild des Hauses gefiel mir, frei und stark. Das Leben
Herrin der Ringe! Francesca Amfitheatrof (li. S.) und ihr Planetensystem für den Finger: 1 „Soleils“ mit gelbem Saphir, 2 „Apogée“ in Turmalingrün und Tansanitblau, 3 Gelbgoldener Cocktailring mit Smaragd, 4 Opal-Ring „Céleste“, 5 „Lune Bleue“-Collier mit 15-karätigem Saphir und 777 Diamanten. 6 Violettrosa Spinelle leuchten in den Ohrringen „Interstellaire“.
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Fotos: L o u i s Vu i t t o n ; Por trät: S e b a s t i a n F a e n a
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Cycle of Life
Vor gut 20 Jahren legte Sarah Wigglesworth ein visionäres Beispiel grüner Architektur vor – aus Stroh. Jetzt war es Zeit für ein Update. Text: Andreas Kühnlein/ Fotos: Ivan Jones
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troh duftet wundervoll. Es atmet. Es ist warm, ein hervorragender Isolator. Und es dämpft sogar den Schall, den Londoner Stadtlärm zum Beispiel oder den der Zugtrasse Richtung Schottland. Als Sarah Wigglesworth und ihr Partner Jeremy Till sich Ende der 90er-Jahre entschlossen, ein Haus aus Stroh zu bauen, schien die Idee so seltsam, so unerhört, dass sich zunächst nicht einmal eine Baufirma fand, die sich ein solches Unterfangen aufhalsen wollte. Doch die beiden Architekten waren überzeugt, dass sich der Versuch lohnte. Sie besorgten sich krude DIY-Bücher von ein paar Hippies aus Arizona, frühe Manifeste einer Counterculture des ökologischen Bauens, die mit dem experimentierte, was die Prärien des amerikanischen Südwestens reichlich boten: Stroh. Nur dass Wigglesworth und Till nicht irgendwo auf dem Land bauen wollten. Sondern mitten in London. Damals, erinnert sich Wigglesworth, die selbst unterrichtete, habe sie vor allem in der Lehre ein tiefes Ungleichgewicht empfunden zwischen der Ambition, was Architektur schaffen könnte, und einer frustrierenden Realität aus knappen Budgets und uninspirierten Gewohnheiten. Für Wigglesworth und Till lag darin der Auslöser, etwas ganz und gar Neues zu versuchen. Simpel und bescheiden in seinen Elementen, hypermodern in seiner Gestalt – anders als die selbst entwickelten Ökohäuser, die ein paar Aussteiger in Nordwales bis dato zuwege gebracht hatten. So entstand das Experiment einer neuen Architektur im gleichermaßen verantwortungs- wie lustvollen Umgang mit den
Ressourcen. Auch den finanziellen: Den Großteil des Hauses bauten die beiden Architekten selbst, zusammen mit einem ebenso experimentierfreudigen Konstrukteur – um Erfahrungen zu sammeln, aber auch um zu zeigen, was auf diese Weise tatsächlich möglich war. Eine Ermutigung, in jeder Hinsicht. 1999 wurde das Straw Bale House fertig, und die Presse feierte den Low Impact-Bau – der neben den Strohballen in seiner Nordseite beinahe komplett aus recycelten Materialien besteht – begeistert, weil er der Ökoarchitektur auch ästhetisch eine ganz neue Richtung aufzeigte. Channel 4 widmete dem visionären Bau sogar eine Folge seiner Serie „Grand Designs“. „Aber wissen Sie, wann wir den Auftrag für unser nächstes Wohnhaus bekamen?“, fragt Sarah Wigglesworth. „16 Jahre später.“ Die Zeit war offenbar nicht recht reif für eine solche Art zu bauen, und es sollte noch Jahre dauern, bis der Klimawandel und seine Begleiter weit genug ins allgemeine Bewusstsein drangen. Doch für das britische Architektenduo war das Experiment ein nachhaltiger Erfolg, und gut 20 Jahre später spricht Wigglesworth mit tiefer Begeisterung von dessen Wohnqualitäten, auch wenn sich mittlerweile eine Menge Im ausgehenden 20. Jahrhundert setzte das Straw Bale House einen neuen Standard für Eco-Architektur, auch in ästhetischer Hinsicht. Aus aufgeschichteten Strohballen in einem Gerüst aus Holz und Stahl (u. li.) schuf Architektin Sarah Wigglesworth einen großzügigen Experimentalbau (li. S.), grün bis in die Küche unten.
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Architektur Projekt
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Licht gehört zu den wichtigsten Baumaterialien im Straw Bale House – gerade wurde das komplette System auf LEDs umgestellt. „Long life, loose fit“, sagt die Architektin – ein Haus müsse sich außen wie innen immer wieder an seine Bewohner anpassen können.
„Ich glaube, der Farmer, den wir nach Stroh fragten, hat uns für verrückt gehalten. Auf eine durchaus gute Weise.“ Sarah Wigglesworth 106
getan hat in Sachen materialschonendes, energieoptimiertes Bauen, etwa mit dem Passivhaus-Standard. Ein solches wird es nicht ganz werden, aber es ist nahe dran, seit das Straw Bale House von seinen Besitzern einer gerade abgeschlossenen Verjüngungskur unterzogen wurde. Das Paar beauftragte die Energieexperten von Enhabit, das Haus von innen nach außen, vom Dachfirst bis in die Grundfesten zu vermessen; es wurden Kältebrücken an Stahlträgern identifiziert, undichte Fenster hier, zu viel ungefilterte Sonneneinstrahlung dort. Der folgende Umbau verbesserte die CO2-Bilanz des visionären Hauses noch einmal um 62 Prozent und machte den Bau, der seiner Zeit einst so weit voraus war, fit für eine grüne Zukunft. „Es ist seltsam“, sagt die Architektin, „obwohl sich optisch nicht viel verändert hat, fühlt sich das Haus seit dem Umbau anders an, fertiger. Es ist, wie wir, erwachsen geworden.“ Der wichtigste Baustoff aber hält dem Test der Zeit auch nach zwei Jahrzehnten mühelos stand. Man muss ihn nur trocken halten. Ihn vor Feuer schützen. Und vor
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Sarah Wigglesworth Architektin, London Die Spezialität von Sarah Wigglesworth und ihrem Team sind nutzerzentrierte, ökologische Entwürfe für nachhaltige Gemeinschaften. Sie hat Masterpläne entwickelt und Büros gebaut, Sozialwohnungen, Kultur- und Bildungseinrichtungen, vor allem aber Orte entwickelt, die Erfindungsreichtum, Kreativität und Lebensfreude ausstrahlen. Und zeigen, wie schön verantwortungsvolles Bauen sein kann.
Schädlingen: den Mäusen, die sich gern hübsche Nester hineinbauen würden, und allerlei Insekten, denen die Wände ein gefundenes Fressen wären. Dann, erklärt Wigglesworth, verhält sich das in Ballen zur Wand geschichtete Stroh nicht anders als das Holz, aus dem die tragende Struktur des Straw Bale House konstruiert ist. Zeit war auch der entscheidende Faktor bei der zweiten Ebene des Umbaus: Das Straw Bale House passte sich seinen älter werdenden Bewohnern an. „Das Problem ist“, sagt Wigglesworth, „dass die meisten Menschen das zu spät angehen, wenn die Krise schon begonnen hat und man überfordert ist von der notwendigen Veränderung.“ Deshalb baute sie einen Teil des Hauses schon jetzt so um, dass dort irgendwann eine Pflegekraft leben kann, wenn sie nötig wird. Und sie ließ die Kompostiertoilette gegen eine mit Wasserspülung austauschen. „Darum“, lacht sie, „will ich mich lieber nicht mehr kümmern müssen, wenn ich mal 80 bin.“ Die Ideen indes sind der Architektin längst nicht ausgegangen, und inzwischen denkt sie ans nächste Lebensalter ihres Hauses, wenn es Zeit wird für ein weiteres Update und ein neues Herz. Oder wenigstens einen neuen Boiler. „In 20 Jahren tauschen wir Ess- und Arbeitsplatz (o.): Die Verbindung aus Home und Office den dann gegen eine Luftwärmepumpe aus.“ Bis dahin hat die praktiziert Sarah Wigglesworth seit zwei Jahrzehnten. „Auf die Apokalypse waren wir also gut vorbereitet.“ Hinter der einzigen Technik noch ein wenig Zeit, auf- und Sarah Wigglesworths nächsBacksteinwand im Haus (o. re.) verbirgt sich die Speisekammer. te Vision einzuholen. Es wird wohl kaum ihre letzte sein. ‹
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Porträt: Timothy Soar
swarch.co.uk
VIA Projekt N° 21
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Bad des Monats Redaktion und Text: Karin Jaeger und Lilian Ingenkamp
Designer: Miriam Gassmann Ort: Paris, 3. Arrondissement Einrichtung: · Duschkabine aus brüniertem Stahl, Entwurf der Architektin · Maßgefertigte Bank mit abnehmbarem Sitz (darunter Stauraum für Windeln und Badeenten), bezogen mit Outdoorstoff „Club“ von Boussac Materialien: · Schwarz-weiße Terrazzoplatten, über Surface, sur face.fr · Zellige-Fliesen an Wand und Wanne, über Surface · Darüber Béton Ciré (gewachster Zementputz)
Das macht es besonders: Für eine junge Familie richtete Interiordesignerin Miriam Gassmann ein Bad ein, das den Wunsch der Eltern nach dunkler Eleganz spiegelt – und dabei den Spaßfaktor für die kleinen Söhne nicht vergisst. Die beiden bekamen eine Badewanne mit Wal-Korb und viel Stauraum für Spielzeug.
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Fotos: Stéphane Deroussent; Skultuna; Svenskt Tenn; Acqua di Parma; Jo Malone; Frama; Goutal Paris; Trudon; Byredo (2); Rami Mekdachi; Mallory Chen
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ussten Sie eigentlich, dass auch das Licht manchmal geputzt werden muss? Und zwar mithilfe der Gerätschaften oben und unten. Dochtschere (von Byredo) und Löschhütchen (von Skultuna und Svenskt Tenn) waren einst unentbehrliche Helfer im Haushalt. Und nicht nur dort: Bis ins späte 18. Jahrhundert gab es den Beruf des Lichtputzers, der unter anderem in Theatern die Kerzen am Brennen halten und so für eine gleichmäßige Beleuchtung sorgen sollte. Dafür mussten regelmäßig die Dochte gekürzt werden. Heute ist das bei den meisten Kerzen nicht mehr nötig – bei voluminösen Duftkerzen aber noch immer sinnvoll. Vor dem Anzünden sollte man den Docht auf circa fünf Millimeter stutzen, damit die Kerze nicht rußt und gleichmäßig abbrennt. Sollte sich dennoch in der Mitte ein Trichter bilden, könnte das daran liegen, dass man sie zu kurz brennen lässt. Erst nach zwei bis drei Stunden – je nach Durchmesser – hat sich die oberste Wachsschicht komplett verflüssigt. Gelöscht wird die Kerze dann am besten, indem man den Docht kurz ins flüssige Wachs dippt – oder das Löschhütchen zum Einsatz bringt. Das raubt der Flamme einfach den Sauerstoff und vermeidet so Rauch, Ruß und herumfliegende Glutkrümel. Und lässt den Rosenduft noch ein Weilchen unverqualmt im Raum schweben, wenn die Kerze schon verloschen ist. KJ
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5 Welt am Docht Diese Kerzen schicken Nase und Geist auf Reisen: 1 Erfrischt wie ein Zitrus-Drink: „Aperitivo in Terrazza“, 56 Euro acquadiparma.com 2 „Pastel Macaroons Townhouse Candle“ lädt mit süßer Note zum afternoon tea nach London, 90 Pfund jomalone.co.uk 3 Mit „Deep Forest“ streift man durch Pinienwald – überraschend umweht von zarten Blüten, 55 Euro framacph.com 4 Wie ein Ausflug aufs Land: „Une Maison de Campagne“ mit Rosen- und Beerenduft, wiederauffüllbar, 57 Euro goutalparis.com 5 Beschwört die wilden Moore Schottlands herauf: „Balmoral“ (75 Euro) trudon.com 6 Byredos „Bibliothèque“ versetzt mit Pfirsich, Pflaume und Ledernoten in Schmökerstimmung, 62 Euro, über ludwigbeck.de 7 Würzige Holzaromen: „The Woody Office of Daddy“, 40 Euro lolajamesharper.com 8 „Calligraphy Room“ erinnert Litlab-Gründerin Mallory Chen an „Tinte und Taifunluft“ im taiwanesischen Studio ihres Großvaters (großes Bild); 61 Euro im nachfüllbaren Betonbehälter lit.berlin
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SHOP.VOGUE.DE
„Welcome to Wonderland“ steht am Eingang des „Birch“-Hotels. Das imposante Gebäude war einst nur ein Jagdhaus – musste aber groß genug für Queen Victoria samt Hofstaat sein, sollte sie mal vorbeischauen. Der mintfarbene Kinosaal (u.) hätte ihr sicher gefallen.
Hier darf ich sein
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Panorama Reise
Im „Birch“ nördlich von London treffen entrückte Städter auf ihr zweites Ich: Es wird getöpfert, meditiert und gebacken. Gearbeitet werden darf natürlich auch. Das Getaway wird zum Sinnstifter! Text: Florian Siebeck
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Fotos: Birch; Porträt: Adam Firman
„Es ist egal, wie du aussiehst, wer deine Freunde sind und wo du arbeitest. Du darfst sein, wer du bist. Nur kein Arschloch.“ Chris Penn
ein Hotel kommt heute ohne eine Geschichte aus, aber selten ist sie so wild (und wahr) wie diese. Einst lebte hier Valerie Meux, eine exzentrische socialite, die im Ruf stand, wilde, wochenend füllende Soireen zu veranstalten. Sie fand Spaß daran, ihren Pfer den Zebrastreifen aufzumalen und mit ihnen in einer Herrenkut sche durch Mayfair zu fahren. Kurzum: Sie wusste zu leben. Und hier, im Norden Londons, hatte sie eine Art NeverlandRanch be zogen, sammelte ägyptische Altertümer (heute im British Muse um), hielt Elefanten und hatte eine überdachte Rollschuhbahn. „Es ist nicht gerade die klassischenglische Landhausgeschich te“, sagt Ciarán O’Brien. Der Designer hat das Anwesen der Femme fatale zum „Birch“Hotel umgestaltet und Lady Meux dabei als Bauherrin betrachtet. „Die High Society verachtete sie, weil man sie für eine Prostituierte hielt. Das hier war ihr Stinkefinger an die Welt.“ Die eigentlichen Bauherren, oder sagen wir: Geldgeber, des „Birch“ heißen Chris King und Chris Penn. Der eine ist Unterneh mer, der andere Hotelier – zuletzt führte er das „Ace“ in London. Sie kauften das „Theobalds Estate“, in dem davor ein seelenloses Konferenzhotel untergebracht war, vor vier Jahren, um aus ihm ein Refugium für entrückte city boys (und girls) zu machen. Die Lage des Hauses keine 30 Minuten nördlich vom Bahnhof Liverpool Street prädestiniert es als kurzfristiges Getaway, weshalb das „Birch“ nicht nur Hotel, sondern auch ein Members' Club ist. Man muss kein Mitglied sein, um hier zu schlafen, wer aber Mitglied ist, darf auch ohne Buchung jederzeit vorbeischauen, entspannen oder die zahlreichen Freizeitangebote nutzen. Das Hotel bietet Sportkurse an, Yoga und Meditation, man kann Glas blasen, Brot backen, Vasen töpfern oder Löffel schnitzen. Muss man aber nicht. Im Prinzip funktioniert das „Birch“ wie ein Festival. Jeder Gast darf selbst entscheiden, ob Entspannung für ihn eher nach Klang schale oder Margarita klingt. „Es gibt kein Regelwerk“, sagt Chris Penn. Überall wird gelesen, gelacht und gelungert. Zuweilen wirkt das „Birch“ damit wie eine weniger elitäre Version eines Soho House. „Wenn du ankommst, fragt dich niemand, wo du arbeitest, Ich brauch Tapetenwechsel, sprach die Birke: Das „Birch“ ist eine Idee der Unternehmer Chris Penn und Chris King (o., von links). Im Hotel sollen gestresste Städter zur Ruhe kommen. Die Zimmer sind spartanisch eingerichtet, die Betten dafür umso bequemer.
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wie du aussiehst oder wer deine Freunde sind“, sagt Penn. Es gibt aber eine interne „No Asshole Policy“, fügt er an: Wer arrogant ist oder anderen den Aufenthalt vermiest, ist unerwünscht. Die 140 Zimmer des Hotels sind spartanisch eingerichtet, nur bei der Matratze von Simba hat man sich nicht lumpen lassen. Aber mehr als ruhen soll man auf dem Zimmer eben auch nicht. Fernseher und Schreibtische sucht man vergebens. „Wir wollten kein Retreat gründen, in dem jeder für sich ist.“ Wer etwa arbeiten will, dem eröffnet sich ein beinahe unüberschaubares Labyrinth an geschmackvoll eingerichteten Räumen, die jedem offen stehen, vom schwarz gestrichenen Salon mit senffarbenen Vorhängen und Mahagoni-Couchtischen bis zur Feuerstelle auf der Wiese. „Arbeit ist Teil unseres sozialen Lebens geworden“, sagt Penn. „Aber Bildschirmarbeit isoliert. Und das Letzte, was wir wollen, ist dieses Phänomen noch zu verstärken.“ Man darf also unbeschadet durch das Haus der exzentrischen Lady streunern und sich zwischen aufwändigen Boiserien und verziertem Gesims einrichten. An der Wand sind Matisse-artige Malereien angebracht, den Boden schmückt ein Mosaikfußboden, und irgendwo gibt es eine kobaltblau gestrichene Freitreppe, über der eine leuchtende Kugel wie ein Vollmond von der Decke hängt. Alles wirkt seltsam modern und doch gleichzeitig anheimelnd in die Jahre gekommen. Das liegt auch an der Philosophie, mit der Designer Ciarán O’Brien und sein Büro Red Deer ans Werk gingen: Sie haben die Spuren der Geschichte (inklusive der jüngeren Konferenzhotelzeit) nur minimal kaschiert und folgten damit der japanischen Kintsugi-
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Ästhetik, bei der zerbrochene Tonwaren mit auffälligem Goldlack repariert werden. „Warum sollten wir einen Boden rausreißen, wenn wir ihn einfach flicken können? Warum Fliesen entfernen, wenn es auch ein Anstrich tut?“, fragt O’Brien. „Das alles macht Räume menschlicher.“ Nichts im „Birch“ ist perfekt, aber es nimmt den Druck, selbst perfekt zu sein. Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein? „Selbst wer nur für zwei Tage kommt“, sagt Penn, „soll sich fühlen, als sei er eine Woche im Urlaub gewesen.“ ‹ DZ ab 130 Pfund, Weekender (Fr–Mo) ab 300 Pfund. Mitglieder (120 Pfund pro Monat) bekommen vergünstigte Raten. birchcommunity.com
Fotos: Fergus Coyle (2); Birch (2);
„Wir haben von Anfang an Künstler involviert, statt das Haus später zu dekorieren“, sagt Ciarán O’Brien. Garderobenständer (o.) wurden etwa von Jan Hendzel entworfen; die Keramik stammt von Emma Louise Payne, die auch Workshops im Hotel anbietet.
Das „Birch“ bietet nicht nur Raum zum Arbeiten und Entspannen (oben etwa der Evelyn Room), sondern hat auch drei Restaurants, die vom „Farm to table“-Apologeten Robin Gill geführt werden. Das Essen darf man sich trotzdem überallhin mitnehmen.
Panorama Kunst
Grau liegt jenseits von Schwarz und Weiß Jedes Bild eine Erschütterung: Der große Fotograf Michael Schmidt hat mit seinen epochalen Serien Deutschlandbilder geschaffen. Endlich feiert ihn seine Heimatstadt Berlin mit einer Retrospektive.
Foto: © Stiftung für Fotografie und Medienkunst mit Archiv Michael Schmidt
Text: Barbara Gärtner / Fotos: Michael Schmidt
Foto: Jens Ziehe / Copyright: Katharina Grosse und VG Bild-Kunst, Bonn, 2020
Erst ging er als Polizist auf Streife, dann mit der Kamera: Michael Schmidt (ganz u., 2010, fotografiert von Albrecht Fuchs) blieb seinem Revier treu. Einzelne Fotos tragen keine Titel. U. rechts aus „Berlin nach 45“ (1980), daneben: „Berlin-Wedding“ (1976–78). Auf der vorherigen Seite eine Aufnahme aus der epochalen Serie „Waffenruhe“ von 1985–87.
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as Bild ist brutal. Ein Tisch, darauf ein Mädchen. Ein Rinnsal Blut, fast schon geronnen, zerteilt das Kinn wie eine dünne, dunkle Linie in zwei fast gleich große Hälften. Die Kamera schaut hinunter, das Kind zur Decke hinauf. Kein Blickkontakt. Es wirkt wehrlos, das Mädchen, aber am Leben, immerhin, nur Nasenbluten. Was den Fotografen interessierte, war wohl die Spur der Verwundung, das hilflose Ausgeliefertsein, doch es ist nicht die Perspektive eines Voyeurs, es geht nicht um Moral oder Mitleid, sondern eher um das, was ist. Eben eine feine Linie auf der hellen Fläche des Kindergesichts. Ein Körper auf einem Tisch, mehr nicht. Michael Schmidt schenkt seinen Betrachtern wenig. Keine Titel, kaum Daten, keine Romantik – und so ist man auf sich selbst zurückgeworfen, wie auch die Menschen, die Dinge, die Orte, selbst die störrische Natur, die er in den 50 Jahren seines Schaffens fotografiert hat. Was bleibt, sind die Informationen auf dem Bild selbst und das, was das Hirn in seinem Assoziationseifer damit anstellt. Vielleicht ist das spröde, vielleicht kennen ihn deshalb nur wenige in Deutschland, nicht mal die, die sonst die amerikanischen Fotografenhelden anschwärmen: William Eggleston,
„Ich ordne mich den zu fotografierenden Dingen unter. Nur durch die Selbstdarstellung der Dinge kann man Sinn und Zweck erkennen.“ Michael Schmidt 120
Fotos: © Stiftung für Fotografie und Medienkunst mit Archiv Michael Schmidt; Porträt: © Albrecht Fuchs, Köln
Panorama Kunst
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Contemporary Week 24. – 30. November
Zeitgenössische Kunst Klassische Moderne Juwelen, Uhren
www.dorotheum.com Günther Uecker, Kopf, 1955/56, 60 x 34 x 38 cm, € 300.000 – 400.000, Auktion 25. November
Panorama Kunst
Larry Clark, Stephen Shore, Diane Arbus, Lewis Baltz. Und Michael Schmidt, der sie alle als Ausstellungsmacher erstmals nach Deutschland holte, an die von ihm 1976 (quasi zeitgleich mit der Becher-Klasse an der Kunstakademie Düsseldorf) gegründete Werkstatt für Photographie an der Volkshochschule Berlin-Kreuzberg, dieser Michael Schmidt also ist einer der wichtigsten, aber der wohl am wenigsten bekannte Nachkriegsfotograf Deutschlands. Dabei hatte er große Ausstellungen – vor allem in New York. Zwei seiner Serien („Waffenruhe“ 1987, und „Ein-heit“, 1991–1994) wurden im MoMA gefeiert, 2010 richtete ihm das Münchner Haus der Kunst eine Retrospektive ein, und nun, sechs Jahre nach seinem Tod 2014, zeigt der Hamburger Bahnhof in Berlin eine Schau seines Lebenswerks, die in den kommenden zwei Jahren durch die großen Häuser in Paris, Madrid und Wien weitertourt. Geboren wurde er in Berlin. Auch als Künstler. Nur wenige Monate nach dem Krieg kam Schmidt im Oktober 1945 in Kreuzberg zur Welt, und von ein paar Jahren abgesehen (und dem Zweitwohnsitz in Schnackenburg), blieb er sein ganzes Leben dort wohnen. Drei seiner wichtigsten Serien hat er hier fotografiert, damals, als die Stadt nur arm, nicht sexy war. Eine Kriegsversehrte mit ihren Brachflächenpfützen, dieser ganzen wintertrüben Ödnis. Und dazu die Bewohner, die Kreuzberger Alten, die Hinterhofkinder, die Beamtenbiederlinge in ihren Stuben, die türkischen Gastarbeiterfamilien beim Picknick, all das Gestrüpp. Zur Fotografie fand er eher zufällig. Der Vater war Lagerverwalter, die Mutter machte Lampen, eine Lehre als Anstreicher brach er ab, dann schickte ihn der Vater zur Westberliner Bereit-
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Fotos: © Stiftung für Fotografie und Medienkunst mit Archiv Michael Schmidt
Er verbrachte sein Leben in Kreuzberg, im Schatten der Mauer. Bilder dieser geteilten, verwundeten Stadt und ihrer Bewohner sammelte er für die Serie „Waffenruhe“ (li. und u., 1985–87), die er als Ausstellung und Künstlerbuch konzipierte.
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Panorama Kunst „Jedes Bild muss eine Erschütterung in sich bergen“, hat Michael Schmidt einmal gesagt. Seine Fotos appellieren nicht an Mitleid oder Moral und sind in ihrer Haltung doch zutiefst humanistisch. Mit Informationen geizt er allerdings. Das Mädchen mit Nasenbluten rechts heißt schlicht „o. T.“ (1965–67).
auch Abbildungen von Zeitungsfotos, Fahndungsplakaten, seinem eigenen Pass. Es ist eine Reise durch das Deutschland nach der Wiedervereinigung und gleichermaßen als Ausstellung und Künstlerbuch konzipiert. Auch „Waffenruhe“ erscheint 1987 als Buch mit einem Text von Einar Schleef, darin durchstreift Schmidt Berlin im Schatten der Mauer, ein Psychogramm der geteilten Stadt. „Für jedes Thema hat er einen individuellen Zugang zur Wirklichkeit entwickelt, damit hat sein Werk Vorbildcharakter“, ordnet ihn Kurator Thomas Weski in die Fotogeschichte ein. Es sind die Nuancen, die Ausschnitte, die Motive, mit denen sich Michael Schmidt abhebt von der Anton Corbijn-Gefälligkeit. Und das suppige Grau. Bis auf ein paar Bilder am Anfang und der letzten Serie „Lebensmittel“ (2006–2010) verzichtete er auf Farbe; starke Kontraste gibt es nur bei „Waffenruhe“. „Es war ein ganz bewusster Schritt, die Bilder ins unermessliche Grau zu treiben, sodass Schwarz und Weiß in ihnen eigentlich gar nicht mehr vorkommen. Grau ist für mich eine Farbe der Differenzierung, so komisch das klingt.“ Grau also als Farbe der nüchternen Empathie. ‹ „Retrospektive. Fotografien 1965–2014“ bis 17.1.21 im Hamburger Bahnhof, Berlin. Danach: Jeu de Paume, Paris (11.5.–29.8.21), Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía, Madrid (28.9.21–28.2.22), Albertina Museum, Wien (24.3.–12.6.22). Katalog: Koenig Books, 60 Euro. smb.museum
Für jede Serie entwickelte er eine eigene Bildsprache. Bei „Lebensmittel“ (links oben und links), entstanden zwischen 2006 und 2010, kombiniert er erstmals Farbe mit Schwarzweiß. „Ich habe mich mal als Sackgassen-Fotograf bezeichnet. Das heißt, ich latsche immer in eine Sackgasse und finde keinen Ausweg. Dann akzeptiere ich diesen Zustand, und irgendwann bin ich wieder draußen.“
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Fotos: © Stiftung für Fotografie und Medienkunst mit Archiv Michael Schmidt
schaftspolizei. Im Spind eines Kollegen entdeckte er mit 20 einen Fotoapparat, sparte 800 Mark, drei Monatsgehälter, für die Kleinbildkamera Exakta Varex, aber mit den anderen aus dem Amateurverein, dem er dann beitrat, konnte er wenig anfangen. „Wenn ich Regen fotografierte, sah das aus wie Regen. Wenn die det fotografierten, sah das aus wie Glasperlen.“ Zehn Jahre hielt er es bei der Polizei aus, brachte es zum Hauptwachtmeister, fotografierte an den freien Tagen nach seinen Schichten und quittierte dann 1973 wegen psychischer Probleme den Dienst. Und war Fotograf. Später sagte er einmal: „Ich glaube, ich bin Polizist geblieben, ich hab nur die Front gewechselt. An sich wollte ich Gerechtigkeit.“ Ein Berliner. Durch die Ausstellung im Haus der Kunst führt ein eher leiser, verschmitzter Mann. Thomas Weski, Leiter der Stiftung für Fotografie und Medienkunst mit Archiv Michael Schmidt, erinnert sich auch, dass er im Gespräch bisweilen „direkt und fordernd“ war. Und sehr überzeugend konnte er sein, wenn es darum ging, Geld für seine Projekte aufzutreiben. Das war auch nötig: 163 Bilder umfasst die epochale Serie „Ein-heit“, darunter
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Leseprobe Redaktion: Oliver Jahn und Florian Siebeck
Mode Karl Lagerfeld gab sich stets zugewandt und war doch unnahbar. Als Meister der Selbststilisierung nahm er es mit der Wahrheit nie ganz genau. In seiner Biografie räumt „FAZ“-Modechef Alfons Kaiser mit Legenden auf und macht so einen Menschen greifbar, der zeitlebens hinter seiner Maske verschwand. Karl Lagerfeld: Ein Deutscher in Paris. C. H. Beck, 383 S., 26 Euro.
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Vor 100 Jahren starb mit Max Klinger eine Lichtgestalt der europäischen Kunstszene. Der Bildhauer, Maler und Grafiker prägte das moderne Menschenbild in der Kunst und überwand dabei nicht nur Gattungs-, sondern auch Landesgrenzen, zeigen dieser Katalog und die Bundeskunsthalle in Bonn (bis 31. Januar 2021).
Welches Stigma noch immer auf queerer Kunst lastet, hat Benjamin Wolbergs erfahren: Zu radikal, zu riskant schien vielen Verlagen die Anthologie des Art Directors mit zeitgenössischen Fotografien von Kostis Fokas bis Gerardo Vizmanos (o., v. l.). Also setzte er auf Crowdfunding – und schuf ein progressives Standardwerk.
Einfach mal an die Türen einflussreicher Sammler und Kreativer klopfen? Alex Eagle hat’s gemacht und Freunde wie Beata Heuman, Margherita Missoni und Kim Jones zu Hause besucht. Die zeigen gleich auch noch ihre Lieblingsstücke und erzählen einen Schwank aus ihrem Leben. Ein ganz persönlicher Wohnungsstreifzug.
Max Klinger & Europa. Hirmer, 312 S., 45 Euro.
New Queer Photography. Kettler, 304 S., 58 Euro.
More Than Just a House. Rizzoli, 288 S., 50 Dollar.
Cover- und Innenabbildungen: Kostis Fokas; Gerardo Vizmanos; C. H. Beck; Hirmer Verlag; Verlag Kettler; Rizzoli
Panorama Bücher
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Panorama Mobil
Klassenbester Mercedes-Benz gibt seinem Flaggschiff ein Facelift, bei dem es vor allem auf die inneren Werte ankommt.
Für gewöhnlich brüsten sich Autohersteller gern mit Superlativen. Mercedes-Benz geht den umgekehrten Weg – und hat in seiner neuen S-Klasse erst mal die Zahl der Bedienelemente reduziert. Das schlankere Cockpit samt Head-up-Display in der Windschutzscheibe reagiert nun vor allem auf Gesten und Blicke; alles fühle sich „mühelos und leicht“ an, sagt Chefdesigner Gorden Wagener. Ab 2021 soll das Auto, das zuhört und mitdenkt, auch selbst das Steuer übernehmen können. FS mercedes-benz.de
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Foto: Mercedes-Benz AG
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Leben
in Mailand, Fort Lauderdale, Lyngby, Berlin und Bruton
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Bjørn Wiinblads Wohnhaus in Lyngby steht ganz im Bann seiner fantasiesatten Kunst. Und doch gibt es auch Ankerpunkte in anderen Zeiten und Kulturen, wie die Fayencefliesen im Flur. Deren Delfter Blau stand Pate für den Indigo-Ton der Wand – welch perfektes Setting für die Kimonosammlung des Meisters!
Mailand
Federleicht Modebloggerin Tamu McPherson findet man online unter „All the Pretty Birds“. Ihr buntes Nest fürs wahre Leben hat sich die Jamaikanerin in Mailand geschaffen. Text: Jane Keltner de Valle / Fotos: Valentina Sommariva
Das türkise Hündchen nach dem Klassiker von Koons verkauft der Museumsshop des MoMA als Buchstütze – hier wartet es neugierig auf Gäste. Rechte Seite: Tamu McPherson auf dem Azucena-Sofa in ihrem Wohnzimmer. Das Gemälde schuf ein Freund, der Brasilianer Marcel Cordeiro.
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Tradition zu Füßen: Auf dem historischen Mosaik thront ein Esstisch aus Stahl und Glas aus den Siebzigern von Carlo Scarpa; dahinter ein Highboard aus der ehemaligen PirelliZentrale. Die Wände ließen McPherson und Interiordesigner Raimondo Garau in zartem Salbeigrün streichen.
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„Das Haus meiner Kindheit in Jamaika war außen grün gestrichen. Ich bin mit Farben aufgewachsen, ich habe sie schon immer geliebt!“ Tamu McPherson
Der namenlose Fifties-Sessel im Schlafzimmer wurde neu bezogen – mit einem Stoff von Kvadrat. Das Bett mit passenden Nachttischen aus Buche entwarf Philippe Starck Ende der Neunziger-Jahre für Cassina. Im Bad (unten) stößt müdes Rosé auf strahlenden Carrara-Marmor.
Good vibes: Das kurvige Vintage-Sofa in der getäfelten Bibliothek ließ Tamu McPherson mit dem Wollstoff „Tonus 4“ von Kvadrat in knalligem Magenta beziehen, die kantigen Sessel kaufte sie in der Galleria Luisa Delle Piane. Über dem Kamin eine antike botanische Schautafel.
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Im Wohnzimmer rahmen Sofa-Klassiker von Knoll und Azucena (in schokobraunem Samt) ein Arrangement verschiedener Vintage-Glastische. Besticktes Kissen von Gucci Décor. Unten das getäfelte Büro der Modebloggerin. Die gestreifte „Shogun Terra“-Leuchte entwarf Mario Botta 1986.
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amu McPherson hat ein besonderes Gespür für Mode – und für inspirierende Locations: Ihr bisheriger Lebensweg vereint gleich vier Orte, an denen so mancher gern einmal wohnen würde: Geboren in Kingston, Jamaika, zog sie als Kind mit ihren Eltern in die Künstler-Enklave von Nyack im Staat New York und später weiter in den Big Apple, um dort an der Fordham Law School zu studieren. Hier verliebte sie sich in einen italienischen Kommilitonen und folgte ihm nach dem Abschluss nach Mailand, mitten hinein in die Schatztruhe des italienischen Designs. Nach der Geburt ihres Sohns lancierte McPherson dort die Website alltheprettybirds. com, mit der sie in der Modewelt Furore machte. Selbst während des verstörenden Covid-19-Ausbruchs in Norditalien ließ sie sich nicht von ihrer Passion abbringen, sondern zeigte unter dem Hashtag #prettylockdown in wöchentlichen Instagram-Posts aus der Quarantäne fantasievoll kombinierte Outfits – vor dem Hintergrund ihres nicht minder schick gestylten Apartments.
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Aus dem Apartment blickt man auf die Kuppel der SpätrenaissanceKirche Santa Maria della Passione. Unten: In der Küche isst die Familie am Tulip Table von Saarinen (Knoll) auf Freischwingern von Marcel Breuer (Thonet), darüber eine Foscarini-Leuchte. Geräte von Sub-Zero Wolf.
Als die Familie vor einigen Jahren in die Altbauwohnung mit den markanten Boiserien und Mosaikböden zog, war es für McPhersons Ehemann eine Heimkehr: Er hatte dort vor fast zwei Jahrzehnten schon einmal gewohnt. Nach dem Tod ihres Mannes hatte seine Mutter das Apartment damals für sich und ihre beiden Söhne erworben. Weil die Wohnung u-förmig geschnitten ist, konnten Mutter und Kinder eigene Flügel bewohnen, und die jungen Männer hatten ein gewisses Maß an Selbstständigkeit. Nachdem die beiden jedoch irgendwann das Nest verlassen hatten, erwiesen sich die Räume für eine ältere Dame allein als zu groß. Und so übergab sie Sohn und Schwiegertochter die Schlüssel, und die nächste Generation zog ein. Auch sonst, erzählt McPherson, habe ihre Schwiegermutter ihr viele Türen geöffnet. „Sie hat mich in das Mailänder Leben eingeführt. Ich habe sie und ihre Freundinnen oft in die Oper begleitet und saß dort mit in ihrer Loge.“ Auch um die Einrichtung der Wohnung machte sie sich verdient; sie überließ den jungen Leuten Vintage-Schätze wie den Tisch von Carlo Scarpa und machte McPherson mit dem Antiquitätenhändler und Interiordesigner Raimondo Garau bekannt, der dann bei der Ausstattung der Wohnung behilflich war. „Meine Schwiegermutter hat einen spektakulär guten Geschmack“, schwärmt McPherson. „Ich wollte an der Wohnung eigentlich gar nicht viel verändern.“ Zusammen mit Garau beschloss sie dann doch, die Wände in zartem Salbeigrün streichen zu lassen; anschließend gingen sie daran, die Antiquitäten, die er besorgte, mit der vorhandenen Einrichtung zu verbinden. Die Dinnerstühle entdeckten sie auf dem Salone del Mobile, eine Kredenz aus der alten Pirelli-Zentrale gelangte als Porzellankabinett zu neuen Ehren. „Unser vorheriges Apartment war ganz auf Le Corbusier ausgerichtet – all die Stühle, die man auf Instagram sieht“, sagt McPherson. „Aber Raimondo riet mir: ‚Du musst diesen Räumen einen neuen Geist einhauchen und sie zu deinen eigenen machen.‘“ Was lag da näher als ein kräftiger Schuss Farbe? Für ihre Ensembles in strahlenden Tönen ist McPherson in der Modewelt bekannt; und auch sonst gibt es für sie nichts Persönlicheres als Farbe. „Das Haus meiner Kindheit in Jamaika war außen grün“, erzählt sie mit einem Lachen. „Ich bin mit Farben aufgewachsen. Ich habe sie immer geliebt.“ In ihrem Wohnzimmer rahmen nun zwei Sofas – ein magentafarbenes von Knoll und ein schokoladenbraunes von Azucena – einen Cocktailtable aus den 70er-Jahren, dessen blau-grüne Glasflächen sich über zwei Ebenen fächern. Auf dem antiken chinesischen Schränkchen daneben prangt Sottsass’ rosafarbene „Shiva“-Vase. Die Kunst an den Wänden ist mit biografischen Assoziationen aufgeladen. Marcel Cordeiro beispielsweise, von dem einige Großformate die Wohnung schmücken, ist ein guter Bekannter von McPherson, und im Entree hängt eine Fotografie von Micaiah Carter – sie zeigt das geflochtene Haar einer jungen Frau und erinnert McPherson an „heranwachsende schwarze Mädchen“. Noch deutlicher spiegelt sich die Reise ihres Lebens in der Küche wider: Zwar meistert McPherson inzwischen italienische Standards wie Risotto, doch „in unserer Hühnersuppe dürfen grüne Kochbananen nicht fehlen“, wie sie stolz erklärt. Farben bringen eben Persönlichkeit ins Spiel – nicht nur beim Kochen. ‹
Keine steife Tafel wie zuvor, sondern nur noch ein kleiner Tulip fĂźr relaxte Talkrunden: Der neue Essbereich mixt munter Stile, Materialien und Mementos an der Wand. Re. Seite: Daniela Saliba (sitzend) und Wohnungsinhaberin Lidiana Fuente fanden sich Ăźber Instagram.
Text: Bettina Schneuer/Fotos: Denilson Machado
Sweet, soft & lazy
Porträt: Alessandra Bomeny
Fort Lauderdale
FĂźr eine junge Frau schuf Daniela Saliba ein lichtes Apartment mit entspannten Vibes wie aus einem Swingsong. Im Mittelpunkt: ein neues Sofa. 141
Die neuen Holzeinbauten aus Eiche nehmen den Ton der originalen Marmorfliesen auf: Eiche, dazu ein knuffiger Allover-Ledersitz (Blu Dot) und die zartblättrige Tapete „Bersa Leaf“ von Anthropologie schenken Wärme, dafür macht sich der Acrylglastisch im Homeoffice unsichtbar.
Ganz oben links: Die Leseecke im neuen Living Nr. 2 schützen zarte Leinenvorhänge (mit extrahohem Saum) vor direkter Sonne. Fast alle Wände der Wohnung tragen Benjamin Moores „Calm OC-22“. Im Schlafzimmer daneben sorgt das Anthropologie-Sofa im Vintage-Look für vitale Miami-Farben. Oben links: Unter dem XL-Print „Sarita“ beim Arbeiten mal was auf die kurze Bank schieben? Sicher! Oben rechts: Mit schmalem Budget und Moores „Ashland Slate“ wurde das Gästezimmer umgestaltet.
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Edras ultrabequemes Sofa „Standard“ mit stufenlos biegbaren Arm- und Rückenlehnen ist der Nukleus für das Redesign des Wohnraums als lässige Lounge. Zur zartgrauen Leinencouch gesellen sich Drehsessel „Gloss“ (Gamma Arredamenti) und ein komfortables Two-tone-Duo von Saba Italia. Triptychon: Lisi Wendel.
„Vergangenes Jahr war ich im Mailänder Edra-Showroom und habe mich sofort in dieses Sofamodell verliebt.“ Daniela Saliba
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iner der vielen Vorteile des Älterwerdens ist, dass sich verfestigt, was man mag – und womit man sich gar nicht wohlfühlt. Dann wird, was nicht passt, endlich passend gemacht. So erging es auch Lidiana Fuente: Mit gerade mal 24 Jahren hatte sie einst ihr Apartment in Fort Lauderdale in einem Neubau aus den Neunzigern bezogen; matter Marmorboden, deckenhohe Fenster, riesige Balkone. Und dann einen Decorator angeheuert, der ihren rund 185 Quadratmetern einen Dreiklang aus viel Gold, dunklen Farben und förmlichem Vierzig-plus-Mobiliar verpasste. Vorgespult ins Jetzt: Im verflixten siebten Jahr hatte Fuente genug und wollte die Scheidung von jenen Tischen und Betten, mit denen sie sich nie sonderlich verbunden gefühlt hatte. Via Instagram ging sie auf die Suche nach professioneller Hilfe und fand Daniela Saliba. „Ich möchte nach Hause kommen – und mich endlich dort sofort zu Hause fühlen“, lautete Fuentes nur scheinbar schlichtes Briefing für die brasilianischstämmige Innenarchitektin mit Studio in Miami, deren Markenzeichen unbeschwertelegante Räume sind. Weil zeitaufwändige Eingriffe in den Grundriss nicht gewünscht waren, tastete Saliba das Bad und die selten genutzte Küche (bislang) nicht an. Ausgangspunkt aller Änderungen war das Wohnzimmer, genauer: ein neues Sofa dort, noch genauer: eine Art superkomfortables Lebensmöbel, das sich eignet für das Chillen mit Freunden, für Fernsehen, Lesen, Mailen, Kuscheln oder ein Schläfchen. Das „Standard“, 2013 vom Couch-Doyen Francesco Binfaré für Edra erdacht, bot aufgrund seines intelligenten Innenlebens die perfekte Lösung – Arm- und Rückenlehnen lassen sich mühelos in vielfältige Positionen biegen und knuffen. Unterschiedliche Sitztiefen der Einzelelemente garantieren Bequemlichkeit, ein sogenannter Gellyfoam steckt technisch hinter dieser Gemütlichkeit, es ist eine spezielle Schaumkissenmasse, die Weichheit mit Festigkeit vereint, kombiniert mit raffinierten unsichtbaren Gelenken. „Vergangenes Jahr war ich in Mailand beim Salone im Edra-Showroom und habe mich sofort in diese Sitz-Ikone verliebt“, erzählt die Gestalterin. Ähnlich erging es ihrer Kundin. Die einladend ausladende Couch mit kieselhellem Leinenbezug kombinierte Daniela Saliba mit einem lässigen Sessel-Trio, zirkelrunden Couch-Tischen aus Metall und einem riesigen Pouf, der fürs Füßehoch ebenso wie für Besuch funktioniert. Die Wand gegenüber dem EdraSofa kleidete sie ganz in warmtonige Weißeiche; dort wohnen nun der Flatscreen und in Schubladen viel Kleinkram. Der untere Lowboard-Bereich dient als wechselnde Ablageund Ausstellungsfläche und nimmt noch eine zusätzliche Sitzbank für Party-Gäste auf. Klug geschichtete, große Teppiche dimmen die Kühle des alten Bodenbelags soft ab – ein Trick, der auch den
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Nachbarraum nun heiterer erscheinen lässt: Was zuvor ein formelles und ungenutztes, weil kühles Esszimmer war, wurde zum relaxten zweiten Living mit Sesselgruppe beim Fenster. Am klassischen kleinen Saarinen-Tulip Table sitzt man in intimer Runde für einen Imbiss zusammen, zu Cocktails und Knabbereien auf einem vergnügten Stuhl-Hocker-Mix – oder auf der neuen, maßgefertigten durchgehenden Eichenbank, die Kissen und Polster wohlig weich machen. Urlaubsmitbringsel, Gesammeltes wie das Moschino-Tuch mit Kaffeemaschinen und Mementos von Lidiana Fuentes Familie mischen sich in der Gallery Wall mit gemeinsam neu ausgesuchten Kunst(hand)werken. Alle Fensterfronten verschleiern nun filigran-frische Leinenvorhänge mit extrahohem Saum für den idealen Fall, sie schirmen die gleißende Sonne Floridas ab, aber lassen im Gegensatz zu den vorherigen schweren Gardinen viel Licht hindurch. Materialien wie Wildleder, Sisal, Fell, Seide und Korbgeflecht sorgen für natürliche Akzente und eine spannende Variation an Texturen, ergänzt durch verspielte Details wie Troddeln, Quasten, Pompons und Fransen. „Zum tropischen Miami und zum Ozean vor der Tür passen dunkelgraue Wände und wuchtige Samtsofas einfach nicht“, finden Saliba und ihre Kundin Fuente. Das neue Mobiliar stammt aus Miamis Design District; auch Onlineshopping kam wegen Corona vermehrt zum Einsatz. Der eklektische Materialmix erinnert an Interiors von Sig Bergamin, einem der Vorbilder von Daniela Saliba und wie sie aus São Paulo. Im Homeoffice – die Wohnungsinhaberin entstammt der vierten Generation einer bekannten Zigarrendynastie, für die sie auch arbeitet – ist ein neuer Schreibtisch aus Acrylglas fast unsichtbar, der wie grob geschnitzt anmutende Lederstuhl namens „Neat“ dagegen ein Blickfang. Hier nutzte Saliba ebenfalls souverän die warme Wirkung von Eichenholz für Regale und Stauraum; Stig Lindbergs reeditierte „Berså“-Blatttapete lässt diesen Bereich femininer erscheinen. Auch im neu gestalteten Schlafzimmer prägt Holz eine Wand mit einem Sideboard samt integriertem Vanity. Ansonsten ist dieser Raum mit seiner neutralen Farbpalette gänzlich für die Entspannung inszeniert. Das Betthaupt mit seinen extrabreiten Chiaroscuro-Querpaspeln schirmt den Ruheplatz gekonnt ab. Zwei üppig bemessene Ankleidezimmer entlasten den Bedroom von Schränken, sodass ein Mustersofa von Anthropologie in Meerestönen für den Morgenkaffee aufgestellt werden konnte. Vorgespult in die Zukunft: In weiteren sieben Jahren werden vielleicht auch Küche und Bad einer Frischekur unterzogen und ein Raum zum Kinderzimmer umgewidmet worden sein, eventuell hält Lidiana Fuente dann auch sechs Hunde wie ihre ältere Schwester? Doch sicher ist: Ihr Edra-Sofa wird weiterhin im Wohnzimmer wurzeln – denn so einen Ankerplatz des Ausspannens gibt man niemals wieder auf. ‹
„Ich wollte nach Hause kommen – und mich dort endlich auch einmal zu Hause fühlen!“ Lidiana Fuente
Natur-Parcours: Bei den Materialien setzte Saliba auf elegante Weißeiche und die neutralen Töne von Sisal, Leinen, Leder, Fell, Filz und Wolle. Rechts ein Blick auf die Media Wall, der Teppich stammt aus Brasilien. U. und u. re.: die Schlafoase mit Bett „Kenobi“ von Bonaldo.
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Wandschönheiten: Die Stiege in Bjørn Wiinblads Haus säumen Plakate, die der Künstler für lokale Musikfestspiele, die UNO oder die Paralympischen Spiele in Seoul entwarf. Re. Seite: Die spritzige Empfangsdame „Eva“ aus blau-weißer Keramik versprühte früher Wasser im Tivoli-Park.
Lyngby
Märchen aus Porzellan Bjørn Wiinblads Blaues Haus nördlich von Kopenhagen ist eine Menagerie aus Fabelfiguren und Geschichten voller Magie. Text: Lilian Ingenkamp / Fotos: Thomas Loof
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Von der dänischen Königin Ingrid bis Arnold Schwarzenegger: Unter der Kacheldecke im Esszimmer waren alle zu Gast. Bjørn Wiinblad war ein spendabler Gastgeber und liebte Gesellschaft. Asiatisches Porzellan aus dem 18. Jahrhundert kombinierte er mit Kristallobjekten für Rosenthal.
Opulenz und Fantasie – das waren, ganz entgegen dem vorherrschenden Funktionalismus seiner Heimat Dänemark, immer Wiinblads Leitbilder. In der Werkstatt (oben) gab er unzähligen Keramikfiguren und Kerzenständern ihr liebreizendes Äußeres. Als Kunstsammler und leidenschaftlicher Bücherwurm füllte er das Haus bis zum Dach (rechte Seite) mit privaten Schätzen.
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Bjørn Wiinblad (oben li. mit einem Weihnachts teller für Rosenthal) ersann unzählige Traum welten: Der Keramikteller li. mit Meerjungfrau ist ein frühes Werk; die Gefäße oben bewa chen seine Schallplattensammlung. Li. S.: Im tiefblauen Schlafzimmer schlummerte Wiin blad meist nur kurz – Ruhe mochte er nicht.
„Ich arbeite praktisch Tag und Nacht, und ich tue es für mein Leben gern.“
Porträt: amw/Ullstein Bild
Bjørn Wiinblad
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Musik begleitete Bjørn Wiinblad sein Leben lang. Als Kind (und als junger Mann auf dem Porträt von Ville Jais Nielsen, re. S.) übte er sich im Flötenspiel. Später entwarf er ganze Bühnenoutfits und -szenerien für die Oper. Auch während seiner Arbeit am Zeichentisch (o.), bei der seine berühmten Figuren mit Mandelaugen und spitzen Nasen entstanden, lief stets klassische Musik.
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enn Bjørn Wiinblad sich doch einmal eine Pause gönnte, dann nur unter der Prämisse, dass ihn seine Mitarbeiter sofort weckten, wann immer sie einen neuen Keramikkopf fertig hatten. Denn die Mandelaugen seiner fabelhaften Figuren mit kantigen Nasen und kleinen Mündern, die ihn so berühmt machten, die malte Wiin blad immer selbst. Mal melancholisch, mal freudig, zuweilen ver schmitzt – aus den Augen ließ er Persönlichkeit sprechen. Wiinblad selbst war ein Künstler mit vielen Facetten. Ein Op timist, ein Lebemann, aber auch ein Workaholic. Er gestaltete un zählige Keramiken, Kaffee und Speiseservice, Plakate, Gobelins, ganze Hoteleinrichtungen, Ausstattungen für Theater, Oper und Ballett – vom Kostüm bis hin zum Bühnenbild. Nie fanden sein schaffensfroher Geist und seine überbordende Fantasie, ja seine kindliche Freude, die all seinen Arbeiten anhaftet, ein Ende. Und das, obwohl Wiinblad in einer Familie aufwuchs, die sich vor allem der Politik verschrieben hatte und wenig anfangen konnte mit all
den Geschichten, in die sich das 1918 geborene Kind hineinträum te. Nach einer verordneten Lehre zum Schriftsetzer gestand Wiin blad einmal: „Wenn mir nicht gerade der ganze Satz auf den Boden fiel, dichtete oder zeichnete ich in der Schublade.“ 1940 begann Bjørn Wiinblad ein Studium an der Grafischen Schule der Königlich Dänischen Kunstakademie und lernte nur drei Jahre später durch seinen Kommilitonen Lars Syberg die Welt der Keramik kennen. Auch wenn ihm das Drehen nicht so sehr lag, das Verzieren entfachte seine Leidenschaft. Üppiges, kräuselndes Haar, niedliche Münder und Bäckchen, romantische Ornamente und orientalische Formen: All dem konnte Wiinblad von nun an Ausdruck verleihen. Unaufhörlich erschuf er neue Gesichter und Charaktere wie „Eva“, „Celestine“, „Cæcilia“ – fast immer Frauen. Als Wiinblad Mitte der Fünfzigerjahre Bekanntheit in Europa erlangte, entdeckte ihn Philip Rosenthal auf einer Reise durch Dä nemark und lud ihn 1960 ein, künstlerischer Leiter der süddeut schen Porzellanfabrik zu werden. Mit dem Service „Zauberflöte“ entwarf der Künstler eines seiner berühmtesten Werke, das sich bis heute in Produktion befindet. Wiinblad, ein Liebhaber klassi scher Musik, illustrierte darin verschiedene Szenen der Mozart Oper in aufwändigen, filigranen Reliefs. Kurz vor seinem Tod 2006 resümierte er: „Ich habe überall in der Welt viele schöne Aufgaben gehabt, nichts aber hat mir – künstlerisch und persön lich – so viel bedeutet wie mein Werk für Rosenthal.“ Arbeit und Leben, das floss bei Bjørn Wiinblad ineinander. Den passenden Ort dafür fand der Künstler im „Blå Hus“, einem him melblauen Holzhaus in Lyngby, nördlich von Kopenhagen, das er 1966 von der schwedischen Kunsthandwerkerin Brita Drewsen erwarb. Hier hatte Wiinblad Wohnung und Werkstatt in einem gefunden. 700 Quadratmeter, vom Boden bis zur Decke gefüllt mit Büchern, Kunst, Schallplatten, Keramik – und zahlreichen Gästen. Wiinblad, der keine eigene Familie hatte, liebte es, span nende Persönlichkeiten um sich zu scharen, und war ein generö ser Gastgeber. Häufig veranstaltete er Dinnerpartys im Blauen Haus, mit illustren Gästen wie Liza Minnelli, Marguerite Viby oder Arnold Schwarzenegger. Der Champagner soll in Strömen geflossen sein, wobei Wiinblad selbst auf Alkohol verzichtete – seine Fantasie sprudelte schon genug. 40 Jahre lang arbeitete Wiinblad in diesem Haus an seinem märchenhaften Universum aus Farben, Formen und Figuren. Vie le Räume sind noch exakt so, wie sie der Künstler kurz vor seinem Tod hinterlassen hat. In kleinen Gruppen kann man das Museum seit einigen Jahren besichtigen und damit zu seiner Renovierung beitragen. Denn es ist immer Wiinblads Wunsch gewesen, „Det Blå Hus“ zu einem Schaffensort für junge Künstler zu machen. Und wer durch die vielen Räume und Kammern spaziert, zwi schen Pinseln und Farben, Postern und Figürchen, dem wird klar: Wiinblads Geist schläft nicht, er ist wacher denn je. ‹
Wiinblad war ein Virtuose der Töne: Er entwickelte ein ausgeklügeltes Farbsystem (links), anhand dessen seine Mitarbeiter Aufträge exakt umsetzen konnten. Re. Seite: Tiefe Einblicke in seine Welt vermittelt ein Besuch im Blauen Haus, als Museum steht es für Kleingruppen offen. Kontakt über bjornwiinblad.dk
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In der obersten Etage wohnen die Hausher ren – wenn sie sich nicht mit ihren Auftrag gebern besprechen. Die Betondecke ist mit heller Eiche verkleidet, den Kamin schmücken ZelligeKacheln von Hermès. Die schwarze Leuchte entwarf Marcel Wanders für Moooi.
Mit Weitblick Text: Ulrich Clewing / Fotos: Wolfgang Stahr
Berlin
Selten kommen sich Arbeiten und Wohnen einmal so nah wie hier. Und selten sehen beide, dem Decorator Gisbert Pรถppler sei Dank, so gut aus. 161
„Alle drei Etagen haben den gleichen Grundriss. Deshalb mussten wir immer wieder kleine Irritationen einbauen, um Eintönigkeit zu verhindern.“ Gisbert Pöppler
Linke Seite: Das grüne Regal im Büro auf der mittleren Etage designte Pöppler, der Teppich kommt von Thomas Wild, Berlin. Stuhl aus der „Elephant“-Serie von Neuland für Kristalia. Links: Im Schlafzimmer steht ein USM Haller-Sideboard, das Foto „NYC“ ist von Frank-Heinrich Müller.
Andree Volkmanns „Le Faune“ von 2018 (li.) hängt über einer rheinischen Kommode aus dem 17. Jahrhundert. Das Farbkonzept von Braun, Grellblau und Türkis re. ist typisch Pöppler. Leuchten: Mawa. U. Küche: Bulthaup, Stühle: Rodney Kinsman, gekauft bei Kollwitz 45, Berlin.
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„Gisbert Pöppler ist wirklich der Beste, weil er für jede Bauaufgabe den richtigen Ton findet. Das kam uns in diesem Wohnbüro sehr entgegen.“ Sonja Beeck
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Metro-Kacheln und Marmor aus Brasilien im großen Bad ergeben einen Klang, als seien sie derselbe Ton, nur einmal in Dur und einmal in Moll. Der Vorhangstoff ist wie alle Vorhänge hier von Dedar, in diesem Fall: „Nigel’s Tartan“ für Hermès. Li. S.: Sonja Beeck und Jürgen Willinghöfer.
Wenn Wände fehlen, warum nicht Kunst ans Fenster hängen? Bilderserie der Philosophischen Bauern aus Berlin. Den Stuhl li. hat Jean-Marie Massaud für MFD Italia entworfen; Xavier Lusts „La Grande Table“ umringen Philippe Starcks „Lord Yo“-Stühle für Driade. Teppich: Marcel Wanders für Moooi.
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anchmal hat man den Eindruck, dass zwar gerade viel von den neuen Formen der Arbeit die Rede ist, die meisten aber so überragend neu nun auch wieder nicht sind. Coworking-Spaces gibt es schon seit Jahrzehnten, sie hießen früher nur anders. Und auch Homeoffice bedeutet streng genommen bloß, dass man Schreibtisch und Computer nach Hause verlegt hat. Sonja Beeck und ihr Mann Jürgen Willinghöfer sind den umgekehrten Weg gegangen: Sie wohnen in ihrem Büro. Die Hausherrin steht an einem der großen Fenster im siebten Stock und schaut hinaus: „Hier hat sich in den letzten Jahren wirklich eine Menge getan“, sagt Beeck. Das Panorama ist jedenfalls schon mal nicht schlecht, ein bisschen wie Klein New York: vor uns links die Bauten von Renzo Piano und Hans Kollhoff am Potsdamer Platz, vis-à-vis das ehemalige GSW-Hochhaus mit den markanten farbigen Sonnenblenden von Sauerbruch Hutton, die Batterie Wohntürme an der Leipziger Straße und rechts der Axel Springer-Verlag. Dazwischen sieht man noch den Fernsehturm am Alexanderplatz und – etwas verloren – die Kuppeln des neu errichteten Schlosses und der beiden Dome am Gendarmenmarkt. Dass sich in den letzten Jahren „eine Menge getan hat“, könnte man auch von Sonja Beecks eigenem Berufsweg behaupten. Erst
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ist sie, Tochter eines Architekten, selbst Architektin geworden. Danach: Dissertation, Gastprofessuren in Innsbruck und Kassel, die Entwicklung stadtplanerischer Konzepte für die Stiftung Bauhaus in Dessau. Ihr jüngstes Projekt, die Einrichtung der neuen Dauerausstellung im Jüdischen Museum Berlin, ist gleich um die Ecke, in Daniel Libeskinds expressionistischem Neubau an der Lindenstraße, also praktisch in Rufweite. Und sie hat auch, gemeinsam mit 30 anderen Kreativen – Fotografen, Architekten, Leuten aus der Werbung –, an der Planung des Gebäudes mitgewirkt, in dem sie und ihr Mann nun wohnen und arbeiten. Im Fachjargon nennt man es Baugruppe. „Das bedeutet, dass es nicht einen einzelnen Bauherren gab, sondern viele“, sagt Beeck. „Wir trafen uns über Monate einmal die Woche, und jeder konnte seine Wünsche äußern, die dann in den Entwurf der Architekten Britta Jürgens und Matthew Griffin aufgenommen wurden.“ Das entspricht nur bedingt den Gepflogenheiten einer Branche, in der es Usus ist, die Stunden nicht in Minuten, sondern in Euro zu messen, aber Beeck denkt gern an diese Zeit zurück. „Wir haben viel geredet, das stimmt“, sagt sie und lacht. „Aber ich fand es schon sehr interessant, die Arbeitsweisen und damit verbundenen Bedürfnisse der anderen kennenzulernen. Diese Gespräche waren für mich auch eine Bereicherung.“ Als Architektin, Stadtplanerin und Hochschuldozentin hat sie sich einen ganzen Strauß unterschiedlicher Qualifikationen angeeignet. Sonja Beeck ist aber auch kompetent genug, um die Gren-
Das Sofa „Pianoalto“ auf der dritten Etage designten Ludovica und Roberto Palomba, der Teppich ist aus Jürgen Dahlmanns „Rajasthan“-Kollektion. Beistelltische: Sebastian Herkner für Moroso. Die Oberlichter in unterschiedlichen Winkeln anzubringen war Pöpplers Idee. Strahler von Mawa.
zen ihrer Kompetenzen zu erkennen. Deshalb engagierten sie und ihr Mann für die Gestaltung ihres eigenen Wohnateliers den Berliner Interiordesigner Gisbert Pöppler. Eine Entscheidung, die sie nicht bereut haben: „Gisbert ist wirklich der Beste“, schwärmt Beeck. „Das Problem war“, erklärt Gisbert Pöppler ein paar Tage später am Telefon, „dass die Räume nicht übertrieben groß sind, sich aber über drei Etagen erstrecken. Und dass sich alle drei Stockwerke in ihrer Anlage doch stark ähnelten.“ Um die in so einem Fall leicht aufkommende Eintönigkeit zu vermeiden, mussten sich der Designer und sein an dem Projekt maßgeblich beteiligter Mitarbeiter Xavier Busch etwas einfallen lassen, das über den gewohnten Rahmen der Interiorgestaltung hinausging. „Es war mir von Anfang an klar, dass wir das Problem nur durch Vielfalt lösen konnten“, sagt Gisbert Pöppler. „Und dass wir in unseren Entwurf immer wieder auch kleine Irritationen integrieren wollten.“ Der Interiordesigner ist bekannt dafür, Dinge zu kombinieren, die eigentlich nicht zusammenpassen – genau deshalb hatten ihn Sonja Beeck und Jürgen Willinghöfer ja engagiert. Eine der großen Gesten, die das Ganze zusammenhalten, ist die Wand gegenüber der Fensterfront, die über alle drei Stockwerke verläuft: Ihr wurde von Pöppler und Busch ein erdig-braun eingefärbter Rohputz verpasst, ein Kunstgriff, durch den die an sich doch recht luftige architektonische Struktur eine gewisse Festigkeit erhält. Was auch sehr ungewöhnlich wirkt, sind die helle Holzverklei-
dung an Decke und Seitenwand und der mit irisierenden marokkanischen Zellige-Kacheln von Hermès versehene Kamin in der obersten Etage: zwei überaus glückliche Entscheidungen – und bei all dem Beton, dem Glas und dem Stahl, die hier sonst dominieren, definitiv echte Überraschungen. Weitere „Irritationen“ à la Pöppler stellen die beiden Bäder dar, von denen das obere auch für Mitarbeiter und Gäste gedacht ist. Beide klein, beide spektakulär! Hier ist der Mix schier überwältigend: in der Farbkomposition, in den mal glänzenden, mal matten, haptisch maximal diversen Oberflächen, in der Mischung aus Beton, Marmor und einem zweiten Naturstein, bei dem Pöppler und Busch zu dem aufregendsten, seltensten griffen, den sie kriegen konnten. Marinace stammt aus Brasilien und sieht aus wie Terrazzo, nur in groß und sehr bunt – ein umwerfender Effekt. Angesichts dieser positiven Reizüberflutung drohten die Design-Stücke in den Hintergrund zu rücken. Was Pöppler jedoch mit seinen eigens entworfenen, maßgefertigten Möbeln, den Leuchten von Mawa, charismatischen Pieces von Sebastian Herkner, Marcel Wanders, Antonio Citterio und Ludovica und Roberto Palomba, erfolgreich verhinderte. Ganz zu schweigen von den Orientteppichen von Thomas Wild, den ausgesuchten Antiquitäten oder der Kunst an den Wänden, etwa von Andree Volkmann oder dem großartigen Leipziger Fotografen Frank-Heinrich Müller. Dies alles verschmilzt hier zu einem Ort, an dem man gern arbeitet. Oder wohnt. Oder dieses eine Mal tatsächlich beides. ‹
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Farbe ist Trumpf Text: Hannah Newton & Florian Siebeck / Fotos: Claire Worthy
„Book Room Red“ heißt der Farbton, in den Alice und Ed Workman ihr Arbeitszimmer getaucht haben. Die kunstsinnigen Hausherren hatten es als Raum für besondere Momente und Stücke geplant (über dem Sofa etwa hängt ein Gemälde von Roy Oxlade), doch in den vergangenen Monaten wurde es ihr Refugium.
Bruton
Mit grandiosen Tönen und viel Gegenwartskunst wecken Ed und Alice Workman ihr viktorianisches Stadthaus aus dem Dornröschenschlaf. 169
„Wohlproportionierte Fenster, hohe Räume, ein großer Salon: Das sind Dinge, die man nicht mal eben ändern kann. Zum Glück!“ Ed Workman
Das Herz des Hauses: Wo heute die Küche (Devol) im Morgenlicht steht, war es vorher finster. Alice und Ed Workman (o.) – leidenschaftliche Gastgeber – öffneten den Raum durch lichte Türen zum Garten (ganz oben rechts). Genauso offen führt die Küche zum Ess- und Wohnzimmer (g. oben links), wo museumsreife Bilder von Phyllida Barlow und Bridget Riley hängen.
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Family & friends: Im Schlaf zimmer begegnen sich ein Gemälde von Alice Work mans Großvater Cavendish Morton und Tuschezeich nungen ihrer Freundin Kate Hawkins. Von Hawkins’ Fir ma Common Room stammt auch die Tapete über dem Bett, eine Hommage an die Arbeiten von Jasper Johns.
Eine handbedruckte Tapete von William Morris gab den Ton für die Gestaltung des Wohnzimmers vor. „Ich liebe die Haptik“, sagt Ed Workman. Den Kamin ließ er eigens einbauen, um an alte Zeiten zu erinnern. Auf dem Sims stehen Edmund de Waals Keramiken unter einer Stickerei von Des Hughes.
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on der Metzgerei zur Tierarztpraxis zur Schule: Dieses viktorianische Haus hat viele Inkarnationen durchlebt. Im Laufe der Jahrhunderte ist es so oft an- und umgebaut worden, dass nichts von seiner einstigen Finesse blieb. „Aber viel wichtiger ist ja, dass das Grundgerüst stimmt“, sagt Ed Workman. „Hohe Räume, ein großer Salon, wohlproportionierte Fenster: Das sind Dinge, die man nicht mal eben ändern kann.“ Der Brite hat die internationale Expansion der Galerie Hauser & Wirth vorangetrieben und die Eröffnung des Wirth’schen Hotels „The Fife Arms“ in den schottischen Highlands
betreut, nun führt er das englische Landhaushotel „The Newt“ der südafrikanischen Unternehmerin Karen Roos in Somerset. Zusammen mit seiner Frau Alice, die die europäischen Kulturzentren von Hauser & Wirth leitet, hat er sich deshalb in Bruton niedergelassen, einer malerischen kleinen Ortschaft südlich von Bristol, die in den letzten Jahren bei Künstlern und Schriftstellern immer beliebter geworden ist. „Wir haben zwei, drei Jahre nach dem passenden Haus gesucht“, sagt sie. Von der Straße aus macht es einen eher unscheinbaren Eindruck, doch hinter der breiten Eingangstür verbirgt sich ein großzügiger Korridor mit Gemälden des britischen Malers Cavendish Morton. Er war Alice Workmans Großvater, 2015 ist er gestorben. „Künstler seiner Generation haben ihre Werke selten katalogisiert, sie schickten sie einfach in die Welt“, sagt Alice Workman. „Deshalb bin ich heute immer wieder überrascht, wenn irgendwo Bilder von ihm auftauchen.“ Auch die Workmans sind fest im Kunstbetrieb verankert, oft laden sie Künstler und Galeristen zum gemeinsamen Kochen ein. Auch deshalb hat die Idee von Gastfreundschaft bei der Gestaltung des viergeschossigen Stadthauses eine große Rolle gespielt – neben den Bedürfnissen als wachsende Familie: Sohn Arthur ist vier Jahre alt, gerade erwartet Alice ihr zweites Kind. Deutlich werden
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die Wertvorstellungen des Paares in der erdfarbenen Küche, deren geseifter Eichenfußboden in einen offenen Ess- und Sitzbereich übergeht. Rote Türen führen auf eine geräumige Terrasse, umarmt von Backsteinmauern, an denen englische Kulturrosen und Malven emporklettern. „Das Parterre s0llte eine gewisse Ruhe ausstrahlen, weil wir uns hier oft aufhalten“, sagt Ed Workman. „Aber unser Haus darf ruhig ein bisschen von allem haben.“ Die erste Etage ist deshalb wesentlich quirliger gestaltet. Eine handbedruckte Tapete von William Morris, die an viktorianische Zeiten erinnert, bildet den Kontrast zur zeitgenössischen Kunst des Paares und war auch farblich Ausgangspunkt für die Einrichtung des Salons. Einen Kamin und Stuck an der Decke ließen die Workmans ergänzen, um die historischen Wurzeln des Gebäudes zu betonen. Das Mobiliar wurde mit Samt bezogen. „Im ‚Fife Arms‘ habe ich gelernt, dass ein Raum an Komfort gewinnt, wenn man nur mutig genug ist, sukzessiv Dinge hinzuzufügen.“ Vom Wohnzimmer führt eine offene Doppeltür ins Arbeitszimmer, das in einem dunklen Terrakotta-Ton von Farrow & Ball gehalten ist. „Wir haben es als Rückzugsort entworfen“, erklärt Alice Workman. „Ohne Fernseher, nur Kunst und Bücher.“ Der Arbeitsbereich ist im Stil des Midcentury gehalten; so ist etwa der Schreibtisch ein Entwurf von Robin Day für die Royal Festival Hall von 1952, die Bücherregale brachte Poul Cadovius 1948 über seine Firma Royal System heraus. Gefunden wurden die Stücke auf Auktionen, in Antiquitäten- und Trödelgeschäften, einige sind Geschenke früherer Kunden. „Bis zum Lockdown hatten wir den Raum nie als vollwertigen Arbeitsplatz genutzt, dabei ist er ein hervorragender Ort dafür“, Als häufig genutzter Raum ist das Esszimsagt Alice Workman. „Der Blick vom mer (o.) in Holz und Schreibtisch fällt nach draußen in den erdigen Tönen gehalGarten, und jeden Tag sieht die Welt ten, an der Wand dort anders aus.“ ein Print von Richard Auch im Obergeschoss wirkt jeder Long. „Jeder Raum reagiert auf unsere Raum wie eine andere Welt. VerschiedeBedürfnisse“, sagt ne Tapeten von Common Room, die von Alice Workman. Re. zeitgenössischen Künstlern gestaltet Seite: Das Badezimwerden, ergänzen eine große Sammlung mer im vierten Stockan Kunstwerken, die sich bis nach ganz werk ist in „India Yellow“ gestrichen. oben zieht. Das frühere Dienstbotengeschoss ist ähnlich farbenfroh gehalten, wirkt ohne die markanten Tapeten aber etwas zurückhaltender. Nichtsdestotrotz ist Farbe auch hier Trumpf: Die Workmans haben ihr Badezimmer in einem satten Gelbton gestrichen, der Stoff für das Rollo stammt wieder von William Morris. Auch wenn Ed und Alice Workman ihr Faible fürs Dekor kultivieren, so ist ihnen doch wichtig, dass „nichts um seiner selbst willen hinzugefügt wurde“, wie der Hausherr betont. „Ich achte sehr darauf, dass die Dinge so zueinanderpassen, dass man es nicht einmal bemerkt.“ ‹
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AD Summaries Jewelry (p. 92) Yasmin and Christian Hemmerle present one-offs that fuse nature, craft, and art.
Virtual viewing just isn’t the same, argues jeweler Christian Hemmerle. “To appreciate a piece’s charm, you have to look right into it,” he explains as he holds a pair of landscape-agate earrings up to the light, miniature works of art reminiscent of baroque paintings. We meet in the studio above the firm’s elegant Munich boutique. The space is simply but exquisitely furnished; facing its desk is an ephemeral landscape by Korean artist Kibong Rhee. “I find the stylization in Oriental art deeply affecting,” he says, presenting a pair of jasper clip-ons whose wine-red patterns themselves call to mind Oriental calligraphy. They are topped with clusters of pink Umba sapphires, mounted upside down “so they’re even sparklier,” says Yasmin Hemmerle, whose emeraldencrusted bangle has us transfixed – at least until our hosts bring forth an antique carnelian portrait pendant, now hung on a chain of Hemmerle's carnelian beads. Then Medusa herself takes center stage, staring out from the heart of a brooch – a diamondstudded design that Hemmerle has inset with the remains of a classical gem.
Milan (p. 132) A fashion blogger puts her own stamp on a historic, handed-down apartment.
When Tamu McPherson moved into this U-shaped, three-bedroom apartment, it was a kind of homecoming for her Italian husband, whom she met at university in New York. His mother originally bought the wood-paneled, mosaic-floored property for herself and her two sons but, once the boys had left home, it proved too big for one and so she decided to let the next generation take it on. McPherson's decors, too, owe much to her mother-in-law. Not only did the older woman pass on vintage treasures by the likes of Le Corbusier and Carlo Scarpa, she also connected the new occupants with interior designer Raimondo Garau. Together, they chose a soft sage green for the walls, then set about layering existing furnishings with newly acquired antiques, among them a credenza from the old Pirelli HQ. All that was missing was a personal touch and, for Jamaican-born McPherson, there's nothing more personal than color. Now bold-hued
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By Iain Reynolds
sofas surround a tiered cocktail table of blue glass, while the library pairs angular color-block chairs with a curvy sofa clad in a magenta fabric by Kvadrat.
Fort Lauderdale (p. 140) Daniela Saliba softens a nineties home with a warmer, more welcoming vibe.
Her first decorator, hired at 24 after she’d just moved in, filled her airy, newbuild apartment with formal furnishings and gold and dark hues. Seven years on, Lidiana Fuente, who works for the family cigar firm, decided it was time to ditch those unloved decors, and so turned to Miami's Daniela Saliba for help. Aiming to imbue its airy, marble-floored rooms with a more easy-going feel, the interior designer began by seeking the ideal sofa, alighting on Edra's Francesco Binfarédesigned “Standard", a supremely comfortable piece featuring flexible backrests and sides. Upholstered here in pale-gray linen, it is accompanied by a trio of chic Italian armchairs and an oak storage unit that’s part lowboard and part wall panel. The formerly unused dining room, meanwhile, was turned into a sociable space offering casual seating, a small Saarinen Tulip table, and a bespoke, full-length oak bench adorned with an assortment of cushions.
Berlin (p. 160) Gisbert Pöppler turns a newbuild shell into an eclectic live / work sanctuary.
She’s taught at universities, worked on urban planning concepts for the Bauhaus Foundation Dessau, and devised a new permanent exhibition for Berlin’s Jewish Museum. Now architect Sonja Beeck has, together with 30 co-developers, helped to plan a new creative hub in the heart of the city, working closely with architects Britta Jürgens and Matthew Griffin. After taking a triplex unit at the top of the building, Beeck and husband Jürgen Willinghöfer brought in decorator Gisbert Pöppler for the fit-out of their live/work space. For Pöppler, the biggest challenge was countering the uniformity of the three different levels, all of which had very similar layouts and the same glass-and-concrete shell. This he achieved via a diverse mix of choice antiques, bespoke creations, and contemporary designs such as Sebastian Herkner side tables, while the distinctive fixtures include pale-wood ceiling paneling and a chimney clad in Moroccan zellige tiles by Hermès.
Bruton (p. 168) Ed and Alice Workman fill their Somerset home with color and contemporary art.
Having previously served as a butcher’s, a Lyngby (p. 148) vet’s, and a school, the place had been Bjørn Wiinblad’s Blå Hus is a celebration knocked about so much that little remained of the artist and his enchanting oeuvre. of its period features. More importantly, He designed everything from tapestries and though, it had good bones, says Ed Workstage sets to entire hotel interiors, but it’s man, who previously helped develop new for his ceramics that Danish artist Bjørn locations for Hauser & Wirth and now runs Wiinblad is best known, be it his dinner The Newt, a nearby country house hotel services for Rosenthal, whose creative di- (wife Alice heads the gallerists' European rector he was from 1960, or his mostly fe- cultural centers). male figurines, charming ornaments with From the street, the four-story townexpressive faces and Oriental forms. house looks quite humble, but the couple For some 40 years, Wiinblad’s workplace were won over by its spaciousness, high was a sky-blue timber house in Lyngby, ceilings, and good-sized windows. The north of Copenhagen. Today, his home and latter they augmented with glazed red studio are a museum that offers small- doors that lead to a large terrace and add group tours, the proceeds from which help light to the basement kitchen, which is to fund the building’s renovation. Many of open to the sitting/dining area and shares its spaces are exactly as Wiinblad left them its earth tones and soaped oak flooring. (he passed away in 2006): His vast record Upstairs, the aesthetic is more exuberant: and book collections remain in situ; the A cozy living room thus contrasts William blue dining room retains its tiled ceiling, Morris wallpaper with contemporary art, 18th-century porcelain, and Rosenthal crys- the adjacent study sets mid-century furnitalware; and lining the staircase walls are ture against dark terracotta walls, and the Wiinblad-designed posters for everything bedrooms and bathroom all burst with from music festivals to the UN. bold color. ‹
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AD Genie & Spleen
Ein Himmel voller Kartoffelsterne 182
Illustration: Emiliano Ponzi
Alex Katz malte schon als Kind. Und zwar mit Buntstiften an die Wand des Treppenaufgangs seines Zuhauses in Queens. Die Eltern waren überrascht, aber nicht aufgebracht; die Zeich nungen durften bleiben. Eine Tugend (oder Unart?), die sich der amerikanische Künstler wohl erhielt: Denn in seiner Sommerresidenz in Maine, die er 1954 ursprünglich mit zwei Kommilitonen nach seinem Stipendium dort kaufte, zeigt sich eine ähnlich, nun ja, nai ve Wandgestaltung. Zuvor eigenhändig und fein säuberlich aus zwei Kartoffelhälften ge schnitzt, stempelte Alex Katz das Entree von oben bis unten, von links nach rechts in einem Muster aus Kreisen und Sternen. Stil ist bei ihm eben schon immer das Hauptelement. MB Die Dezember/Januar-Ausgabe erscheint am 11. November 2020
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