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ARCHITECTURAL DIGEST. Stil, Design, Kunst & Architektur

Deutschland April 2020 / 8 Euro

Kyoto leuchtet Ein neues Aman-Hotel feiert das Licht und die Langsamkeit

Flammendes Herz

Das uralte Handwerk der Glasmanufaktur von Poschinger

Special Stoffe Teppiche Parkett

Spielerisch Mystik, Märchen, Bonbonfarben: Wer hier wohnt, macht seine eigenen Regeln!






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Inhalt April

70

70

Special Stoffe, Boden & Teppiche

Frische Stoffe!

70 Inspiration Stoffe

74

Stoff Frühling Sneak-Preview für München: Die neusten Stoff- und Tapetenkollektionen beamen uns in sanfte Sphären.

78

Studio Parkett ist robust, edel und nachhaltig. Und als wäre das nicht schon genug, lässt es sich immer wieder auf Neues ein. Für immer und jetzt! 84 Teppich & Boden

} 90

Adresse Tief im Bayerischen Wald erfindet sich die Glasmanufaktur Freiherr von Poschinger neu – mit jahrhundertealter Tradition.

Fotos: Benjamin Brinckmann/Studio Condé Nast; Fabrice Gousset, Courtesy Galerie Kreo; Porträt: Raphaël Dautigny

94 Praxis Küche

31 Editorial 32 Impressum 37 Private View 38 Agenda 42 AD stellt vor

66

Festen

45

Stil 46

Neuheiten Breaking News im April: Frédéric Pellenqs schickes Wellensofa und ein delftblauer Lüster von Designstudio Pelle. 53 Porträt Karimoku Case Study 56 Porträt Avoirdupois 58 Projekt Wittmann 64 Thema Vivarium

66

Interview Exquisite Materialien und entschiedene Leere prägen die subtile Eleganz des Pariser Interior-Duos Festen. Ein Gespräch.

64

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Inhalt April

Auf dem Cover: Tabula rasa? Nein danke! Tom Hoyer-Kast strich die müde 80er Jahre-Küche seiner Münchner Wohnung in Eistönen der Fifties.

97

Architektur 98

Projekt

Cover: Daniel Schäfer; Fotos: Herbert Gehr / The LIFE Images Collection / Getty Images; Don de Marc Chauveau par l’intermédiaire de la SAMO, Musée d’Orsay

Das Böse sitzt im Glashaus: Wie Hollywood die mondäne Architektur-Moderne zum Schauplatz schurkischen Verbrechens machte. 104 Radar

106

Kulthaus Gertrude Vanderbilt Whitney richtete sich ein Atelierhaus in den Wäldern von Long Island ein. Für sich und ihre Kunst. Ein Besuch bei ihrem Urenkel.

106

Gertrude Vanderbilt Whitney 111

112

Monsterparade

Panorama 112

Kunst Wenn das Unterbewusstsein Monster gebiert wie die von Léopold Chauveau, kann es gar so finster dort nicht sein. Eine Entdeckung im Musée d'Orsay. 116 Ausstellungen 118 Bücher

120

Reise Gute Dinge brauchen Zeit zum Wachsen. 20 Jahre nach den ersten Skizzen ist das „Aman Kyoto“ nun vollendet. 124 Reise Neuheiten 126 Mobil


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Inhalt April 129

Leben

138

Nithurst Farm

130

Diplomat der Dinge Im eleganten Pariser Appartement von Pepe López Reus werden aus Inspirationen, Kulturtechniken, ja sogar Mülltüten zauberha e Kunstwerke.

138

Tarkowskis Traum Ein Haus, in dem nichts ist, wie es scheint: Architekt Adam Richards und seine tollkühne Farm in West Sussex.

146

Hand und Herz Zwei Münchner Interiorprofis und ihre Wohnung voller Architekturflausen – eine Liebesgeschichte unter Kreuzrippen.

58

„Paradise Bird“

154

Des Pudels Kern 154

Whinnie Williams & Co.

Die Welt von Whinnie Williams in Margate beweist: Low Budget muss kein Widerspruch sein zu einem stark erhöhten Glamour-Faktor.

160 Fotos: Brotherton-Lock / Photofoyer; Wittmann; Porträt: Claire Worthy

Linienliebelei Wie Kalligrafen schrieben ein Paar und seine Architektin Fi ies-Chic und Pastellfarben in ein historisches Pariser Appartement.

168

Waidmannsheil Ein Jagdhaus ganz ohne Geweih und Geröhr: die Geschichte einer gewachsenen kreativen Gemeinscha in den Cotswolds. 176 Summaries 177 AD bei Ambiente 180 Apropos 182 Genie & Spleen




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AD Editorial

„Die Glasmanufaktur von Poschinger schafft seit 450 Jahren Objekte, die die kleinen Gesten unseres Alltags nachhaltig veredeln.“

Foto: Ragnar Schmuck; Porträt: René Fietzek

E iner der beliebtesten Treffpunkte in so ziemlich jedem Büro dieser Erde dürfte die Teeküche sein. Der Ort, an dem jeden Tag Gerich­ te und Gerüchte aufgewärmt werden. Nicht selten steht dabei in der Ecke dieses Ding. Ein riesiger auf den Kopf gestellter Wasser­ kanister samt Zapfanlage mit integriertem Plastikbecherspender. Geduldig und schweigend wie ein Buddha lauscht dieser gewich­ tige Durstlöscher dem water-cooler talk, quittiert das Gehörte nur ab und an mit leisem Glucksen und versinkt dann wieder im Däm­ mer. Es achtet niemand weiter auf ihn, sonderlich ansehnlich ist er in seiner unförmigen Kunststoffpracht auch selten. Der gemeine Wasserspender gehört zu den eher praktischen Alltagsobjekten, die bisher nicht mit allzu viel Gestaltungswillen belästigt worden sind. Bis Werner Aisslinger, Tina Bunyaprasit und Thomas Biswanger kamen. Zusammen mit der über 450 Jahre alten Glasmanufaktur Freiherr von Poschinger im Bayerischen Wald (siehe S. 90) – für mich persönlich die beglückendste Manu­ faktur­Entdeckung des vergangenen Jahres – entwickelten die bei­ den Berliner Designer und der Münchner Design Consultant eine

Serie neuer, ungemein schlichter, bauchig­handschmeichlerischer Trinkgläser. Und eben einen Wasserspender (siehe oben), der weit mehr als bloßes Reservoir für neongrelle Officeküchen ist. In einer Zeit, zu deren düsteren Zukunftsszenarien auch die zunehmende Knappheit des Trinkwassers gehört, wird dieser formschöne, transparente Koloss, durch dessen gefärbtes Glas der Inhalt fast golden schimmert, nicht zufällig zu einem geradezu rituellen Ge­ fäß, um das man sich versammeln möchte, um einen Moment in­ nezuhalten und sein Bewusstsein weniger zu reinigen als zu schärfen für die Kostbarkeit dieses selbstverständlich scheinen­ den Rohstoffs, mit dem wir allzu verschwenderisch umgehen. Man mag das für Überinszenierung halten – für mich model­ liert es mit poetischer Geste ein Statement für einen achtsame­ ren Umgang mit jenem LEBENS­Mittel, das wir achtlos aus den Hähnen pladdern lassen. Davon abgesehen, dass dieser mundge­ blasene Spender auf seinem Eichenholzständer unwiderstehlich schön ist und im Grunde jede bessere Anwaltskanzlei oder Arzt­ praxis von Anchorage bis Zürich veredeln sollte. Es könnte sein, dass damit in der Teeküche das am erfrischendsten gehandelte Gerücht in Zukunft der Name einer alten Glasmanufaktur aus dem Bayerischen Wald sein wird.

O liver Jahn

31


ARCHITECTURAL DIGEST. STIL, DESIGN, KUNST & ARCHITEKTUR erscheint in der Condé Nast Germany GmbH Oskar-von-Miller-Ring 20, 80333 München Telefon 089 38104-0 mail@condenast.de, www.condenast.de ad@admagazin.de, www.admagazin.de

Chefredakteur Oliver Jahn

Stv. Chefredakteur & Style Director Art Director Textchef & Kunst Managing Editor Interior/Küche/Bad Textredaktion Stil Bildredaktion Art Department Assistenz der Chefredaktion Mitarbeiter dieser Ausgabe Autoren dieser Ausgabe Fotografen dieser Ausgabe

Illustratoren dieser Ausgabe Stylisten dieser Ausgabe Büro Mailand Büro New York Schlussredaktion/Dokumentation Syndication Redaktion admagazin.de

Redaktion Dr. Simone Herrmann Inka Baron Barbara Gärtner Eike Schrimm Karin Jaeger Andreas Kühnlein, Dr. Uta Seeburg Sally Fuls (Ltg.), Mona Bergers, Lilian Ingenkamp, Nina Luisa Vesic, Friederike Weißbach Thomas Skroch (Ltg.), Isa Lim, Samantha Taruvinga Viviana Tapia (Stv. Art Director), Selina Lang, Anastasia Novikova (Trainee) Johanna Hänsch Andrea Brandis, Reinhard Krause, Sophia Lierl, Iain Reynolds, Christof Rostert Gesine Borcherdt, Ana Cardinale, Ulrich Clewing, Wendy Goodman, Dinah Hall, Florian Heilmeyer, Hannah Newton, Florian Siebeck Fritz Beck, Benjamin Brinckmann, Brotherton-Lock, Stephen Kent Johnson, Paul Massey, Constantin Mirbach, Luis Ridao, Matthieu Salvaing, Daniel Schäfer, Thomas Skroch, Claire Worthy, Torsten Zimmermann Carlos Fueyo, Emiliano Ponzi Judith Pretsch, Nina Luisa Vesic Anna Riva, Paola Dörpinghaus Tel. +39 02 29000718, p.dorpinghaus@condenast.it Christina Schuhbeck Tel. +1 212 2866856, christina_schuhbeck@condenast.com Lektornet syndication@condenast.de Andreas Kühnlein (Ltg.), Valerie Präkelt (Feature & Social Media Ltg.), Clara Westhoff (Trainee)

Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt Oliver Jahn

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Smow — Burgplatz 2, 04109 Leipzig / Image Wohn + Objekteinrichtungen — Potsdamer Platz, Wilhelmstraße 43, 10117 Berlin-Mitte / dopo domani — Kantstr. 148, 10623 Berlin / Minimum Kantstrasse 17, 10623 Berlin / Modus Möbel — Wielandstraße 27-28, 10707 Berlin / Studio Piergianni — Grindelhof 81, 20146 Hamburg / Der neue Beckmann — Klosterstern 4, 20149 Hamburg Gärtner — Große Bleichen 23, 20354 Hamburg / Clic — große Elbstraße 68 Stilwerk, 22767 Hamburg / punct object — Große Elbstraße 68, 22767 Hamburg / Popo — Auf den Häfen 12-15, 28203 Bremen Seydlitz — Theaterstraße 15, 30159 Hannover / lomann[s] — Grünstraße 15, 40212 Düsseldorf / Citizenoffice — Speditionstr. 17, 40221 Duesseldorf / Einrichtungshaus Blennemann — Brückstraße 59 – 63 44787 Bochum / Arredare — Huyssenallee 89-93, 45128 Essen / Designfunktion Essen — Wittekindstraße 1, 45131 Essen Rüttenscheid / Drifte — Holderberger Straße 88, 47447 Moers-Kapellen Design International — Oppumer Straße 175, 47799 Krefeld / Ventana — Stubengasse 22, 48143 Münster / Markanto — An der Linde 11-13, 50668 Köln / Pesch — Kaiser-Wilhelm- Ring 22, 50672 Köln Stoll Wohnbedarf — Mauritiussteinweg 60, 50676 Köln / Mathes — Büchel 29-31, 52062 Aachen / Frick — Kaiserstraße 28, 60311 Frankfurt / Leptien 3 — Grosse Friedberger Strasse 29-31 60313 Frankfurt am Main / Meiser home of living — Ludwigstrasse 71, 63456 Hanau-Steinheim / Casa Nova Einrichtungen — Taunusstrasse 37, 65183 Wiesbaden / Maurer — Dudweilerstrasse 94 66111 Saarbrücken / Bolz Licht & Design — Mainzer Str. 77, 66121 Saarbrücken / Freisberg Wohnbedarf — Edigheimer Straße 7, 67069 Ludwigshafen / Axel Walther Wohnen — Gilgenstraße 26a, 67346 Speyer Seyfarth Augusta — Augustaanlage 21-23, 68165 Mannheim / Weckesser — In den Weinäckern 11, 69168 Wiesloch / Behr — Paulinenstr. 41, 70178 Stuttgart / Kampe | 54 — Danneckerstraße 46 A, 70182 Stuttgart Architare Barbara Benz Einrichten — Dorotheenstr. 6, 70173 Stuttgart / Behr — Bahnhofstr. 100, 73240 Wendlingen / Wohnform — Zollernstraße 29, 78462 Konstanz / Fretz — Fürstenbergstraße 38-40 78467 Konstanz / Seipp Wohnen — Bismarckstraße 35, 79761 Waldshut-Tiengen / Böhmler — Tal 11, 80331 München / AmbienteDirect — Lenbachplatz 3, 80333 München / Koton — Barer Straße 38 80333 München / Neue Werkstätten — Promenadeplatz 8, 80333 München / Designfunktion München — Leopoldstraße 12, 80804 München / Interni by inhofer — Germanenstr. 2, 89250 Senden Designfunktion — Nürnberg, Hauptmarkt 2, 90403 Nürnberg / Etsedia — Kreuzgasse 1, 93047 Regensburg / Büroforum Planen und Einrichten — Edith-Stein-Str. 3, 97084 Würzburg-Rottenbauer Österreich Designfunktion Wien — Bauernmarkt 12, 1010 Wien / Mood — Schleifmühlgasse 13, 1040 Wien / Bruckmüller — Traungasse 8-12, 4600 Wels / Reiter — Haller Straße 201, 6040 Innsbruck Reiter — Bundesstraße 102, 6830 Rankweil


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AD Private View

Foto: François Halard; Porträt: Catherine Panchout/Getty Images

Antony Gormley (oben) ist der Anthropologe unter den Bildhauern. Stets denkt er den Körper im Raum mit. Vielleicht hängt deshalb re. eine Schaukel im Durchgang. Das Bild stammt aus „L’intime photographié“, einem zauberhaften Fotoband (Actes Sud, 85 Euro), für den François Halard die Inspirationsräume von Kreativen fotografierte.

Antony Gormley Wie ein Mitspieler, der gleich zum Rundlauf dazukommt, steht einer von Antony Gormleys Eisenkerlen hinten links in der Beletage von West Acre High House bei Norfolk. Vor zehn Jahren haben sich der Bildhauer und seine Frau, die Malerin Vicken Parsons, das Anwesen aus dem 18. Jahrhundert gekauft und mit der Hilfe ihres Freundes David Chipperfield umgebaut. Nun wirkt es wie Gormley selbst, der entspannt in Wanderstiefeln durch seine Ausstellungen in Großgalerien führt: herzlich, klug und voller Respekt vor Geschichte und Gegenwart. BG

37


AD Agenda

Wer, wie, was? Redak tion Johanna Hänsch, Karin Jaeger und Reinhard Krause

Bis XXXL Mailand, Moskau, New York, Singapur – und nun Frank rt / Main: An der Hanauer Landstraße eröffnet Florim seinen neusten Flagshipstore – 700 Quadratmeter für Keramik made in Italy, von Fliesen in „Magnum Oversize“ bis zu Formafantasmas Kollektion „Cromatica“ (o.) für Cedit. florim.com

Nicht verpassen! Magischer Exportüberschuss „Block Beuys“, Darmstadt Seit 1513 beliefert China die Welt mit Porzellan. In Mailand ist die hohe Kunst kultureller Adaption zu bewundern, re. Kangxi-Vase für einen portugiesischen Kardinal. Bis 28.9.

50 Jahre Beuys im Hessischen Landesmuseum, bis 24.5. hlmd.de

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„Gae Aulenti“, Weil am Rhein

In Ihrer Pariser Wohnung zeigen Sie die Installation „Techniques of Design“, ein Zusammenspiel Ihrer Kollektion mit handgefertigten Tapeten von Fromental. Was war die Idee? Die Besucher sollen sich wie zu Hause fühlen und nicht wie in einem Showroom. Die Kollektion ist in eine natürliche Situation eingebettet, dadurch werden das Design und die handwerkliche Qualität wirklich erlebbar. Und wie wirken Ihre Möbel vor den handbemalten Samt- und Papiertapeten? Einfach noch verführerischer! Eine anregende Kombination also? Ja, es sind immer neue Details und Formen zu entdecken, die vor einer weißen Wand weit weniger Wirkmacht entfalten würden. Marta Sala ediert unter dem Label Marta Sala Éditions Möbel und Leuchten. „Techniques of Design“, eine permanente Ausstellung in ihrer Pariser Wohnung, kann mit Voranmeldung besichtigt werden. mar tasalaeditions.it

Retrospektive der Designerin im Vitra Design Museum, bis 11.10. de sign -museum.de

„Marken:Zeichen“, Berlin Design von Stankowski + Duschek in der Kunstbibliothek, 13.3.–28.6. smb.museum

„Beethoven bewegt“, Wien Hommage im Kunsthistorischen Museum, 25.3.–5.7. b e e thovenb ewe gt .com

„Electronic“, London Untertitel: „From Kraftwerk to The Chemical Brothers“, 1.4.–26.7. de signmuseum.org

Salone del Mobile, Mailand Zum 59. Mal: die wichtigste der Möbelmessen. 21.–26.4. salonemilano.it

Fotos: Delfino Sisto Legnani, Courtesy Fondazione Prada; Richard Valencia; Florim Ceramiche; © Antoine Rozès (2)

Drei Fragen an Marta Sala


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… im April

Neu eröffnet LV Maison Osaka Midosuji Ein Flagship wie eine Viermastbark unter vollen Segeln, von Jun Aoki und Peter Marino. louisvuit ton.com

Team 7, Berlin Nach Düsseldorf der zweite Store. Im Stilwerk an der Kantstraße. team7.at

„Tiffany Blue Box Café“, London Frühstück bei Tiffany? Gibt’s für begrenzte Zeit nun auch bei Harrods in Knightsbridge. tif fany.com, harrods.com

Salvatori, Amsterdam Showroom für Bad & Home unter dem Dach von Studio Piet Boon.

Er holte die Models aus den Fotostudios hinaus in die wirkliche Welt, o. etwa aufs Dach des Condé Nast Buildings in Manha an, 1949. Die Fondazione Bisazza in Montecchio zeigt „Norman Parkinson, Fashion Photography 1948–1968“. 13.3.–7.6. fondazionebisazza.it

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Rimadesio, London Im West End: erster MonobrandStore außerhalb Italiens, Architekt: Giuseppe Bavuso. rimade sio.co.uk

Modena-Connection Mit seinen Palmen wirkt der Gucci-Store am Rodeo Drive ohnehin wie eine Fata Morgana der Mode. Dort greift nun die „Gucci Osteria da Massimo Bottura Beverly Hills“ nach Michelin-Sternen. Bottura, der für Gucci schon in Florenz einen Stern erkochte, und CEO Marco Bizzarri sind Freunde seit ihrer Kindheit. gucci.com

Fünf Vokabeln Mahdavisch „Farbe ist meine Sprache, mein Alphabet“, sagt India Mahdavi. Und feiert die Einweihung ihrer neuen Pariser Galerie, 29 Rue de Bellechasse, mit gleich fünf Sondereditionen (oben). Auf dem „Bishop Stool“ (li., 12 000 Euro) erblühen 100 Apfelblüten – Stil von A wie außergewöhnlich bis Z wie zauberhaft. india -mahdavi.com

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Fotos: Norman Parkinson / © Iconic Images; Pablo Enriquez; Courtesy of India Mahdavi (2)

Zu neuen Höhen



AD stellt vor

Nina Luisa Vesic versteht etwas von Schönheit. Die findet unsere Stilredakteurin bei der Suche nach neuen Designs – auf Reisen (li. in Marokko), in Ateliers, auf Messen, im Internet. Und sie gestaltet sie auch. Mit ihren wunderschönen Stylings für AD. In dieser Ausgabe hat sie die neuen Stoffe als charmante Marktstände inszeniert. Selbst die Obstkisten bezog sie von Hand, kuratierte sogar den Wirsing. Diese Hingabe, ihr Gespür für Qualität, ihre Eleganz des Herzens – Nina wird uns fehlen. Nach zwei Jahren verlässt sie AD. Merci chérie! S. 70

Mona Bergers und Constantin Mirbach

Emiliano Ponzi gibt jeder Ausgabe von AD ein Happy End: Seit 2018 illustriert der Mailänder unsere Bildkolumne „Genie & Spleen“, in der er Schrullen berühmter Bewohner zum Kunstwerk werden lässt, „am liebsten verbildlicht durch eine Metapher“. Diesmal ist es Rabe Grip, den Ponzi Charles Dickens auf den viktorianischen Schreibtisch setzte: „Das Bild muss immer Zeit und Atmosphäre transportieren.“ S. 182

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Fotos: Ursula Vesic; Jana Islinger; Ioan Pilat

fuhren gemeinsam in den Winter. Unsere Stilredakteurin begleitete den Münchner Fotografen in den verschneiten Bayerischen Wald, um sich dort an den Schmelzöfen der Glasmanufaktur Freiherr von Poschinger zu erwärmen. Und an der Herzlichkeit des Teams: „Man hatte das Gefühl, zu Gast bei einer Familie zu sein!“ S. 90



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Stil

Foto: Benjamin Brinckmann/Studio Condé Nast, Styling: Judith Pretsch

Neuheiten, Porträt, Projekt, Thema, Interview, Special Stoffe & Böden, Adresse und Praxis

Tanz! Fläche! Bevor Jan Kath mit seinen dekonstruktiven Designs das internatio­ nale Comeback des Teppichs einläutete, ging er, nun ja: gern feiern. Und seitdem komponiert er seine textilen Entwürfe wie Techno­DJs ihre Sets: in Höhen und Tiefen, in Snippets und Überlagerungen. Ein echter Klangteppich aber wurde nun „Goblin’s Dance“. Zwölf Monate Arbeit, 136 Woll­ und Seidenfarben und der Appeal einer manieristischen Tapisserie stecken in dem Gobelin, zu dem Kath 1992 in Amsterdam inspiriert wurde: „Es war einer dieser illegalen Raves, auf dem man einfach keine Wahl hatte – außer zu tanzen.“ SF jan -kath.com

Special Stoffe, Teppiche & Böden ab Seite 70

Redak tion Simone Herrmann und Sally Fuls

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Stil Neuheiten

Very fashionable

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Soanes „Hurlingham Sofa“ mit raffinierter Gitterstruktur entsteht in der firmeneigenen Rattanwerkstatt. Unten trägt der Dreisitzer die Stoffe „Timbuktu“ und „Koro“ von Modedesigner Duro Olowu. 13 100 Euro. soane.com

Mondän Oder ein wenig frivol? Die Umgebung macht den Unterschied bei Sebastian Herkners Screen „Venier“ aus Metall und Lederbändern, die an das Gurtgeflecht eines Daybeds erinnern. Preis auf Anfrage. RK lamanufac ture -paris.fr

… hängen die Glastropfen von „Lariat“ nicht, wohl aber an Kabeln, die ein Netzgewebe aus feinem Messingdraht umhüllt. Apparatus konfiguriert die Leuchten nach Kundenwunsch. Pendel ab 2200 Dollar. apparatus s tudio.com

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Fotos: Soane Britain; Studio Blanco; Mikko Ryhänen; Courtesy of Apparatus

Geheimnisumrankte Verflechtungen akzeptieren wir nur noch, wenn sie – wie hier – zu glasklaren Entwürfen führen.

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Stil Neuheiten

Kim

Teuer, prall, selbstbewusst: Vier Designs wie frisch aus dem Hause Kardashian­West – das wir im Porträt auf ad­magazin.de zeigen

Auch dunkel erhellend Farbe und Finish sind alles: Lucie Koldova arran­ gierte drei simple Röhren zur „Puro Contour Eclectic“. Dank säuresatiniertem Glas in Nacht­ schwarz ein echtes Highlight! Ab 4005 Euro. brokis.c z

Einen draufgesetzt!

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Rillen zum Chillen Nahaufname: Die vollendeten Run­ dungen der Mondsichel waren die Inspiration für Mia Senekals „New Moon“. Aber es könnte auch sein, dass die Designerin aus Kapstadt für die üppig gepolsterten Rippen tief ins Vergrößerungsglas geblickt hat – und zwar auf eine Stoffprobe Cord. Tatsächlich ist das Sofa mit herbst­ braunem Samt bezogen und da­ durch, Rille für Rille: galaktisch soft! Über Murrmurr, 1969 Euro. SF murrmurr.co. za

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Fotos: Editions Milano; Brokis; Niel Vosloo Photography; Courtesy of Kelly Wearstler

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Stil Neuheiten

Sonne, Sand und Meer: Die französische Riviera in­ spirierte Frédéric Pellenq zu „Camarat“. Sanfte Wogen ziehen über die Lehne des Sofas mit Kvadrat­Stoff und Nussbaum­Details. Edition von zwölf Stück, 15 960 Euro.

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Auf Biegen und nicht Brechen Tino Seubert und Theodóra Alfreðsdóttir lassen Holz schwingen. Für ihre „Corrugation“­Leuchten experimentieren sie mit Bugholztechniken wie einst Alvar Aalto. Ein Ergebnis: die Doppelapplike aus Eschenfurnier und Stahlrohr, 950 Pfund. tinoseub er t .com, the o doraalfre dsdot tir.com

Eine Generation junger Designer schlägt, nun ja, Wellen. Es kräuselt, wogt und rollt in ihren Entwürfen – Seegang als sanfte Rebellion gegen den Rationalismus.

Die perfekte Welle

New Wave … schüttelt Giancarlo Valle einfach aus dem Ärmel: Im New Yorker Apartment des Ar­ chitekten und Designers schlängelt er sich über Einbauten und Eigenentwürfe. FW gianc arlovalle.com

Fotos: Carl Kleiner; Frédéric Pellenq; Stephen Kent Johnson/Otto; David Wilman

Ode an den Sommer


VON SCHÖNEM UMGEBEN.

DER NEUE ALFA ROMEO STELVIO


Stil Neuheiten

Palm blings! Von Delft nach Downtown: New Yorks Designstudio Pelle taucht seinen Chandelier „Bubble“ (seit zwölf Jahren ein Klassiker des Hauses) in neues Licht. Auf jede der filigranen Glaskugeln pinselte Studiogründer Jean Pelle Palmwedel in Delfter Blau. Ab 13 600 Dollar. LI

Foto: Courtesy of Pelle

p elle de signs.com

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Stil Porträt

Fotos: Jonas Bjerre-Poulsen; Monica Steffensen; Norm Architects and Masaki Ogawa

Neues aus Scandinasia Eine alte Designweisheit besagt: Japan liegt fast neben Dänemark. Mit Karimoku Case Study liefern Norm Architects und Keiji Ashizawa eindeutige Beweise.

Tex t Friederike Weißbach

Auf Maß! Die Kinuta Terrace Apartments (o. li.) bilden den Rahmen für die erste Karimoku Case Study. O. re.: Sessel „N-LC02“ mit Leinenbezug, 1809 Euro. Der Sofatisch enau genommen sind es 8692 Kilometer „A-CT01“ (u.) aus Eiche mit Glasplatte lässt Luftlinie von Kopenhagen nach Tokio. sich vom Boden aus nutzen, 1630 Euro.

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Und dennoch fanden Norm Architects, die dänischen Spezialisten für zeitlos not in den USA thematisierten, indem funktionales Design, eine gemeinsame Architektur- und Designgrößen wie das Stilsprache mit dem japanischen Archi- Ehepaar Eames oder Eero Saarinen beauftekten und Minimalisten Keiji Ashizawa. tragt wurden, Modellhäuser zu entwerJapans größter Hersteller für Holzmöbel, fen, sollten die Designer exemplarische Karimoku, hatte die Studios eingeladen, Ausstattungen für die Apartments in Tozusammen zwei Einheiten der Kinuta kio entwickeln. Ganz auf die in gemeinsaTerrace Apartments in Tokio neu zu ge- mer Anstrengung renovierten Wohnunstalten. Einen Wohnblock aus den 80ern. gen zugeschnitten, entstand so die erste Analog zu den Case Study Houses, die Karimoku Case Study: eine zwölfteilige zwischen 1945 und 1966 die Wohnungs- Möbelkollektion aus je zwei Sofas, Stühlen, Lounge Chairs, Ess- und Sofatischen, einem Regal und einem Beistelltisch. Natürliche Materialien wie Glas, Eiche und Marmor machen das Draußen zum Teil des Interieurs, die klaren Linien spiegeln die Struktur der Architektur. Und in Summe: die Fusion japanischer und dänischer Ästhetik.

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Stil Neuheiten Tropfendes Licht „Blob – Angriff aus dem Weltall“ hieß ein B-Movie mit dem jungen Steve McQueen. In der Form von Jonathan Entlers „9-Globe Chandelier“ aus alarmroter Keramik wären die Blobs ähnlich schick gewesen wie der Filmheld. Stargage: 12 000 Dollar. entler.co

„Rouge Hermès“ Lippenstifte in 24 Tönen Design: Pierre Hardy für Hermès je 62 Euro h e r m e s.co m

Teller „Variations“ nach „La musique“ (1939) von Henri Matisse Maison Matisse Steingut, 130 Euro m ai so n- mat i sse.co m

In „Mon Oncle“ macht sich Jacques Tati über absurd-modernistisches Design lustig; den halsbrecherischen Schaukelstuhl re. entwarf er selbst. Nun fertigen Domeau & Pérès das Objekt cinephiler Begierden in acht Exemplaren mit kanariengelbem Kalbsleder. RK ateliercourb e t .com

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Signalfarben, so rein wie bisweilen dramatisch, prägen die Popkultur seit ihren Anfängen. Großartig, wenn das Design von heute Anleihen nimmt bei den Superstars des Optimismus.

Ein Film wird wahr!

Clash Fotos: Entler Studio; Hermès; Courtesy of Les Ateliers Courbet; Alice Cuvelier

Color


STIL GANZ ZEITGEMÄSS Elegant und urban zugleich: Die Home-Kollektion GRAPHICS & ELEGANCE steht für Stil auf der Höhe der Zeit.

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Stil Porträt

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Der Designer schwärmt für lackiertes Holz: oben sein „Nº180 Petite Cupboard“. Ausgeklügelte Ingenieurskunst steckt hinter der „Nº153 Surface Lamp“ aus Porzellan und Messing (rechts). Unten sein erstes Design, die „Nº105 Couch“.

ür James Stumpf dreht sich alles ums Gewicht. Das fängt bereits beim Namen seines 2017 gegründeten New Yorker Designstudios an. „Avoirdupois“ bezeichnet ein altes angloamerikanisches Maßsystem, gleichzeitig entspringt es dem französischen avoir du poids, Gewicht haben. Genau die Philosophie des 32-Jährigen: Seine Entwürfe sollen etwas bedeuten, zeitlos sein und visuell wie materiell Generationen überdauern in einer Welt, „die überfüllt ist von nutzlosen Produkten. Ich möchte Objekte entwerfen, die vielleicht irgendwann zu Ikonen werden.“ Dafür tüftelt der Designer, der seine Karriere als Ingenieur begann, minutiös an den richtigen Proportionen, entwickelt eigene Herstellungstechniken, erforscht Materialien. Mit dekorativen Elementen hält sich der Autodidakt zurück. Doch weist seine erste Kollektion „Tripartite“ ein raffiniertes Detail auf: ein Dreifachmotiv, bestehend aus einem Mittelstreifen, eingefasst von einem umlaufenden Band, das sich in jedem Entwurf in unterschiedlicher Prominenz wiederfindet. „Ein Produkt sollte ein Geheimnis haben. Aber je verrückter es ist, desto kürzer seine Lebensdauer.“

Lebenslang ist nicht genug!

Tex t Nina Luisa Vesic

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Fotos: Courtesy of Avoirdupois

Mit seinem Studio Avoirdupois überwindet der New Yorker James Stumpf ein Phänomen unserer Zeit – und kreiert abseits der Trends Möbel von Bestand.


VIA PROJEKT N° 19

Die Bühne des Lebens – VIA Platten für gutes Bauen.

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Stil Projekt

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Tex t Friederike Weißbach

ie Reise geht weiter. Nach Jaime Hayon, Sebastian Herkner und Monica Förster ist nun ein Italiener dran: Luca Nichettos Kollektion für den österreichischen Polstermöbelhersteller Wittmann wird im April in Mailand präsentiert. Die Serie „Paradise Bird“ ist ein erster Vorgeschmack: „Sie ist fast ungeplant entstanden. Wir hatten den Prototyp des Hochlehners und merkten, dass er auch als Sofa, Hocker und Lounge Chair funktionieren würde“, erzählt Nichetto. Das Metallgestänge, das wie ein Nest die gepolsterten Sitzflächen (mit Taschenfederkern!) und Kissen umschließt, erinnert den Designer an die ikonischen Bilder von Vanessa Paradis, die der Künstler und Fotograf Jean-Paul Goude für Chanel inszenierte. „So kamen wir auf den Namen. Schließlich sitzt man wie in einem himmlischen Käfig, der die Welt ein Stück auf Abstand hält.“

Das Paradies ist gut gepolstert

Schon bei seinem Studium in Venedig kam Luca Nichetto (oben) durch seinen Professor Paolo Piva – den damaligen Chefdesigner von Wittmann – mit dem österreichischen Unternehmen in Kontakt. 2020 zeigt er in Mailand eine umfassende Kollektion für das Traditionshaus. Als Preview waren in Köln der Hochlehner und Lounge Chair (links), ein Hocker und das Sofa (o., 4516 Euro) zu sehen.

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Fotos: Wittmann; Patricia Parinejad / Wittmann; Porträt: © Neni Studio

Die Welt muss draußen bleiben: Luca Niche os Entwürfe für Wi mann.


Stil Neuheiten

Goldene Triebe Lotus, Feige, Jasmin, Seerose, Anemone – die Liste botanisch inspirierter, handgefertigter Lüster ist lang in Mydriaz’ Kollektion „Flore“. Die Stableuchte „Bambou“ komplettiert den Garten der Lichter mit zarten Sprossen aus vergoldetem Messing. Preis auf Anfrage. RK mydriaz-paris.com

Augen schließen selbsttätig! Frits Henningsens „Coupé Sofa“ (1936) bringt uns zurück in die Ära komfortabler Zugreisen. Auch in der neuen Variante mit Stoff statt Leder fühlt man sich angenehm abgeschirmt. Ab 6860 Euro.

Fotos: Jeremy Josselin; Carl Hansen & Søn; Bloomrealities and Studio Besau-Marguerre; The New Craftsmen

carlhansen.com

Old but New Gestern war nicht alles besser, doch eine frische Prise Nostalgie wirkt sich entlastend auf den Alltag von heute aus.

Endlich Fältchen „Jacquis Pink Georgiana Teapot V“ John Wheeldon Keramik 300 Pfund thenewcraftsmen.com

Mit 273 geht Fürstenberg die Wände hoch. „Plisago“, Konsolen aus origamifeinem Porzellan, gibt’s in zwei Größen, 299 bzw. 329 Euro, auch in Rosé. fuer s tenb erg-por zellan.com

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Stil Neuheiten Thema

Viva Vivarium!

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Hohe Luftfeuchtigkeit? Tropische Temperaturen? Keineswegs! Erst mit diesen Prachtexemplaren blühen Räume exotisch auf.

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Hinter Glas? Diese Reptilien schlängeln sich besser auf dem Dinnertisch! Teller „Snakes“ (70 Euro) paravicini.it 2 Nicht bloß nachtaktiv: Ohrringe „Scorpio“ (450 Euro), Givenchy, über matche s fashion.com 3 Kissen „Iguana“ (118 Pfund) timorousb eas tie s. com 4 Darjeeling im Dschungel! Teekanne „Passifolia“ (550 Euro) herme s.com 5 Schillernder Exot: Jean-Baptiste Fastrez’ Spiegel „Nil“ (16 000 Euro) galeriekre o.com 6 Dichtes Blattwerk umhüllt Schrank „Protoplasting Nature: 04“ marcinrusak.com 7 + 8 Paradiesisch! Zarte Bronzebeine und Farn zieren Leuchten und Tisch dimores tudio.eu

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Redak tion Nina Luisa Vesic

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Fotos: Claudel Rheault on Unsplash; Marco Dabbicco; Givenchy at Matchesfashion; Timorous Beasties; Studio des Fleurs; © Fabrice Gousset/Courtesy of Galerie Kreo; Marcin Rusak Studio; Simone Fiorini (2)

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Wenn Aussicht und Möglichkeiten grenzenlos sind. More than a view. Schiebesysteme von Schüco.

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Fenster und Türen.


Stil Interview

Aus dem Schatten ins Licht Ausgewählte Materialien und entschiedene Leere. Neutrale Töne und raffinierte Details. In diesem Spannungsfeld gestaltet das Interior-Duo Festen moderne Lebensräume. Und eine neue, sehr subtile Eleganz. Inter view Mona B erger s

W oher kommt die zur Signatur gewordene klare Entschiedenheit Ihrer Interieurs? Sauzay: In unserem Lieblingsbuch „Lob des Schattens“ erklärt Tanizaki Jun'ichirō, wa­ rum Miso­Suppe in einer Bambusschale ser­ viert wird. Damit das Gewicht spürbar ist.

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Oder warum der helle Löffel in die dunkle Flüssigkeit taucht? Damit das Licht wieder­ kehrt. In der japanischen Ästhetik hat jedes Detail einen Grund. Und so treten wir auch an unsere Entwürfe heran. Wir mögen klare Linien, natürliche Materialien und Nüch­ ternheit. Neben Japan inspiriert uns auch der Protestgedanke der Shaker. Wir folgen bei­ nahe religiös ihrem Grundsatz, das Orna­

ment zu verbannen; wir wollen umarmende Leere für ein freies Bewusstsein schaffen. Nur bei historischen Details machen wir hier eine Ausnahme. Denn unsere Kreatio­ nen gehen immer vom geschichtlichen Erbe des Ortes aus. Von dort schlagen wir erst die Brücke in die Zukunft, um möglichst zeitlose, hoffentlich zeitüberdauernde Räume zu ge­ stalten. Wir wollen niemals nur dekorieren!

Porträt: Raphaël Dautigny

Jung, schön, talentiert: Hugo Sauzay und Charlotte de Tonnac lernten sich an der École Camondo in Paris kennen. 2011 gründeten sie dort ihr InteriordesignStudio Festen. „Mittlerweile sind wir zu elft im Team.“



Stil Interview

AD Intérieurs 2019 Großer Auftritt! Festens „Salon de Bain“ bezaubert durch Linien- und Schattenspiele (o.). Die rote Marmorwanne ist in ein Podest aus Eiche eingebettet (o. re.), an der Wand der „Folk Chair“ von Studio Giancarlo Valle, vorne eine table basse von George Nakashima (rechts). Hinter der Nussbaumtür versteckt sich ein skulpturales Waschbecken.

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Hennessy

Fotos: Alexis Armanet (3); François Coquerel; Rory Wylie

Aus einem Guss sollte das Privatbüro des Maître-Assembleur von Hennessy in Cognac sein. Und maskulin. Mit „S2 Murena“Polsterstühlen von Marta Sala Éditions in Pierre Freys cremigem „Shanghai“-Leinen.

Wofür steht der Studioname „Festen“? Sauzay: Wir lieben Thomas Vinterbergs gleichnamigen Film, aber das war nicht der Grund. Er kommt aus dem Dänischen und bedeutet etwas für uns Essenzielles: Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen. Unsere Interieurs sollen Orte zum Leben, keine konzeptuellen Showrooms sein. Bei AD Intérieurs 2019 ist Ihr Bad zugleich Wohnzimmer. Wie kam es dazu? Sauzay: Historisch gesehen war die salle de Warum ist Ihnen Natürlichkeit wichtig? bains ein lebendiger Raum. Durch die römi­ De Tonnac: Das bringt erst die notwendige schen Thermen ist dieses Verständnis noch Beständigkeit! Wir arbeiten fast ausschließ­ immer in der europäischen DNA. Und in lich mit Materialien, die sich mit der Zeit Japan wird er heute zwar nicht als Wohn­ entwickeln, eine Patina bekommen. Holz zimmer, aber als Ort der Kommunikation etwa wird durch die Schönheitsmale über genutzt. Hier wollten wir anknüpfen, ei­ die Jahre nur wertiger, ja: schöner, reifer. nen Hybrid kreieren, in dem nicht nur Sauzay: Auch beim Licht kommt es darauf schnell ein heißes Bad eingelassen wird, an. Der größte Fehler sind grelle, einheitli­ sondern den ganzen Tag über gemeinsam che Spots – sie töten jegliche Atmosphäre. Zeit verbracht, relaxt und diskutiert wird. Es geht hierbei nämlich um den Schatten. Es lässt sich sowieso ein Wandel erkennen: Er bringt erst die Helligkeit, weswegen wir Vor ungefähr 30 Jahren ist die Küche zum dimmbare, variable Lichtquellen einsetzen. gestalterischen Zentrum des Hauses ge­ Gibt es einen wiederkehrenden Impuls, worden, zuvor war sie vor allem zweckmä­ der Ihre Kreativität in Gang setzt? ßig. Deshalb haben wir uns gefragt: Wa­ Sauzay: Es ist immer der Ort selbst, wie bei rum sollte nicht künftig auch das Bad der „Les Roches Rouges“ in Saint­Raphaël. Das Mittelpunkt einer neuen Intimität werden? Gebäude ist ein kraftvoller Entwurf aus Wie führen Sie Ihr Spiel mit den zwei den 50ern direkt am Meer. Wir wollten sei­ Welten hier ästhetisch weiter? ne Essenz reinterpretieren – French Riviera Sauzay: Mit den Materialien. Wenn wir in der damaligen Zeit, aber aus heutiger Sicht; Europa vorschlagen, mit Holz ein Bad zu kein Pastiche! Wir sahen uns Eileen Grays gestalten, kriegen wir immer die gleiche benachbarte E.1027­Villa an, die ähnlich Antwort: Das passt nicht zusammen, das weitläufig, einfach, auf den Blick zentriert ist nicht zeitlos! In Japan oder auf Yachten ist. Das Interieur sollte diese Codes zitieren. ist es längst gängig. Warum auch nicht? Zu­ De Tonnac: Es ist ein Barfuß­Luxushotel! dem änderten wir die Maße. Es spielt sich Drinnen lenken Schuhkartonräume und alles in Bodennähe ab, auf Höhe der tiefen eine erdige Farbpalette die Aufmerksam­ Sitzgelegenheiten. Dann haben wir die asia­ keit zur Fensterseite, zum Wasser. Draußen tischen Einflüsse mit lokalem Savoir­faire arbeiteten wir mit lokalen Ressourcen, wie aufgeladen: französisches Holz und Finish. Opus incertum, einem rosa Bruchsteinbo­ Zwei Welten sind hier ein Gefühl! den, der für Kühlung beim Gehen sorgt.

Wie fanden Sie zum Interiordesign? De Tonnac: Ich merkte schon als Kind, wie sehr bestimmte Orte meine Stimmung be­ einflussen. 2006 trafen Hugo und ich uns beim Interiordesign­Studium an der École Camondo in Paris. Seit wir Festen 2011 gründeten, sind wir nun schon zu elft. Sauzay: Unsere Rollenverteilung? Charlot­ te ist die Künstlerin, ich bin der Techniker. De Tonnac: Beide sind wir aber vor allem eines: verliebt in Atmosphären.

Les Roches Rouges Roher Beton und softe Vintages in der Lounge des Fünfsternehotels „Les Roches Rouges“ in Saint-Raphaël. Modulsofa „DS600“ von de Sede und Charlotte Perriands Tisch „529 Rio“ mit Geflecht für Cassina.

Hugo Sau z ay

„Bei uns hat jedes Detail einen Grund. Niemals wollen wir dekorieren oder konzeptuell sein.“ 69


Stil Inspiration

Frische Ernte Los, auf den Markt! Jetzt bringen Seventies-Muster Karibikflair, und exotische Leinenstoffe und florale Jacquards entfalten ihre ganze Pracht. Tex t und Produk tion Nina Luisa Vesic

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Fotos B enjamin Brinckmann

Fotos: Benjamin Brinckmann/Studio CondĂŠ Nast

Special


Linke S.: Lamé in voller Blüte! Vor „Iris Field Cloqué Black“ sprießt „Sancarlo Broderie“, beide von Dimore Milano. Darauf wie auch vorne Pierre Freys grüner „Tabriz“ und der palmenübersäte „Montebello“ von Manuel Canovas. Re. u. Larsens bestickter „Kara“, darüber „La Passagère“ von Casamance. Kordel „Palais Royal“ von Houlès. Waage und Einkaufstasche privat.

Banana in Havanna – vor Matelassé „Coriandoli“ in „Malachite“ strahlt Jacquard „Fandango“ mit Flammenmuster, dazu kistenweise „Be Bop A Lula“ mit Palmen und „Coriandoli“ in Gelb (gesäumt von Houlès’ Borte „Onyx“), alle von Dedar. Li. der grafische „H Infini“ und re. u. „Les Gouttes Outdoor“, beide von Hermès. Als Markise Rubellis gestreifter „Piccadilly“. Waagen von Frankie, Einkaufsbeutel privat.


Stil Inspiration

Foto: Benjamin Brinckmann/Studio Condé Nast

Ei, ei, ei! Auf dem Tisch leuchtet das Leinen „Sur le nil“ mit handgemalten ägyptischen Motiven, re. o. „Martinique“, links Leoprint „Felino“ und der palmenbestickte „Tampa“. Dahinter bauscht sich „Fontaine et animaux barbouillage“ in Grün, gehalten von Houlès’ Raffhalter „Antica“. Alle Stoffe von Pierre Frey. Flora und Fauna erwachen auf „Salvator Lin“ (re.) von Manuel Canovas und Larsens „Tigris“ (rechts u.). Fond: Leinenmix „Monterrey“ von Christian Fischbacher.

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Stil Stoff Frühling

Special

Von Rauch bis Rosa Beim Münchner Stoff Frühling 2020 beamen uns die neuen Stoffe und Tapeten in san e Sphären.

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1 Zeichen an der Wand Dedars Tapetenkollektion „Tableaux Vivants“ verwandelt Wände in Fresken und Stuccolustro. Die pudrige „Rosetta Wall“ (155 Euro / Rolle) aus Zellulose-Mischung zieren reliefartige Linien, die einem fiktiven Alphabet folgen. Die Hieroglyphen gibt’s auch auf Stoff. Praterinsel 3–4 dedar.com

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Tex t Friederike Weißbach, Uta Seeburg und Lilian Ingenkamp


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Fotos: Andrea Ferrari; Jab Anstoetz; Little Greene (2); Manuel Canovas at Colefax and Fowler; Pierre Frey

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3 Schafgarbe, jetzt! 2 Vorhang auf! Ganz pur, aber mit Glamour: Die Posamenten-Kollektion von Jab Anstoetz zeigt, wie’s geht. Quaste „San Marino“ aus Viskose, Baumwolle und Holz macht das Zuhause nonchalant zur Bühne! 145 Euro. Unterer Anger 3 jab.de

4 Rosig gebettet

Die Motive von Little Greenes … unter Palmen: Manuel „National Trust Papers“ legen Canovas’ „Salengro“ als Originale aus dem Bestand Tapete (238 Euro/Rolle) und des National Trust (frühes 18. als Sofabezug aus Baumbis 20. Jahrhundert) neu auf. wolle, 158 Euro/m. Kissen „Achillea“, hier in „Dew“ und aus Baumwoll-Mix „Rivoli“ „Nighttide“, war ursprünglich (128 Euro/m) und Leinen eine Bordüre, 229 Euro/Rolle. „Selma“, 168 Euro/m. Westenriederstraße 47 littlegreene.de

Ottostraße 13 manuelcanovas.com

5 Aus 1001 Nacht Mit „Rêveries Orientales“ bringt Pierre Frey den Orient als floralen Seidenjacquard „Bosphore“ (646 Euro/m) und Baumwolldruck „Le jardin du palais“ (166 Euro/m) zu uns. Ottostraße 11 pierrefrey.com

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Stil Stoff Frühling

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9 6 Sanft gefächelt 8 Seid umschlungen!

Warum unter Palmen sitzen, wenn man sich auch auf Palmen betten kann? Christian Fischbachers Bezugstoff „Palmera“ (99 Euro / m) aus Chenille wird mit zweifarbigen Kett- und Schussfäden gewebt und sorgt so für extraweichen Komfort. In sechs Farben.

Sahcos Kollektion „Echoes“ vereint Patina mit Zeitgeist: (v. o.): Karo-Viskose „Shade“, Bouclé „Zero“, schräg gerippter Chenille „Step“ und „Knitter“-Baumwolle „Glaze“ mit mattem Fond. Ab 107 Euro / m.

Nicht nur in der Mode setzen Accessoires den entscheidenden Akzent: Das von der Couture inspirierte Baumwoll-Posament „Ornamenta Frog Closure“ von Jim Thompson verschließt Vorhänge wie Knöpfe das Jackett (13 Farben, je 98 Euro).

Gabelsbergerstraße 9 fischbacher.com

Grasserstraße 1 sahco.com

Ottostraße 11 jimthompsonfabrics.com

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7 Strukturwandel

9 Wolle reloaded In Bodo Sperleins Kollektion „Lagom“ für Nya Nordiska geht es um Balance: „Boom“ (110 Euro / m) verbraucht dank recycelter Wolle minimal Ressourcen, ist mit Blitz-Motiv aber maximal auf Zack. Praterinsel 3–4 nya.com


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Fotos: Christian Fischbacher; Sahco; Jim Thompson; Nya Nordiska (2); © Kvadrat/Kinnasand (2); Holland & Sherry; © Kvadrat (4); Création Baumann

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12 10 Atmosphärisch Mit der Kollektion „Spheres“ greift Kinnasand das Thema Bewegung auf: In der Textur von Vorhangstoff „Zone“ (li., 118 Euro/m) explodieren die Farben wie bei einer Fahrt mit rasender Geschwin­ digkeit. Muster „Bayou“ (re., 156 Euro/m) dagegen fließt in den Wellen eines windstillen Tags am Ozean. Danziger Straße 6 kinnasand.com

11 Brit-Chic

13 Muster-Remix

Holland & Sherry besinnt sich seiner Wurzeln und benennt seine neue Kollektion nach dem Stammhaus in Londons traditionsreichster Schnei­ dermeile: „9–10 Savile Row“ (ab 279 Euro/m). Die Muster: eine Ode ans urbritische Karo. Und der Griff: so soft!

12 Einzigartig zu zweit Für Kvadrat entwarf Alfredo Häberli Wollstoff „Nitto“ (113 Euro/m, in 15 Farben) als subtile Melange aus zwei Lagen einfarbigem Garn. So umschmeichelt er wölkchen­ sanft jede kleinste Biegung organisch geformter Möbel.

Vorhangstoff „Stories“ (183 Euro/m, Kollektion „Gra­ phics & Elegance“ von Créa­ tion Baumann) interpretiert Toile de Jouy neu: Mit leiser Ironie werden die klassischen Motive durcheinandergewir­ belt, in einem gekonnten Mix aus Web­ und Drucktechnik.

Ottostraße 5 interiors.hollandandsherry.com

Grasserstraße 1 kvadrat.de

Müllerstraße 46a creationbaumann.com

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Stil Studio

„Die Badende“ faszinierte Frank und Alexandra Dietrich auf einem Gemälde aus den Zwanzigerjahren. Also brachten die Parkettspezialisten sie als großzügiges MarketerieMedallion auf den Boden – zu bewundern im Wuppertaler Showroom von Parkett Dietrich.

Special

Für immer und jetzt! Parkett ist robust, edel und nachhaltig. Und als wäre das nicht genug, lässt es sich auch immer wieder auf Neues ein. Ein Überblick über Trends mit und ohne Rückfahrschein. Tex t Karin Jaeger

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W as haben eine finnische Sauna und der Spiegelsaal von Versailles gemeinsam? Die Kulturen, für die sie emblematisch stehen, könnten unterschiedlicher kaum sein, doch in beiden spielt Parkett eine wichtige Rolle – wenn man darunter sehr allgemein einen nach bestimmten Mustern zusammengesetzten Bodenbelag aus Holz versteht. Egal ob darauf geschwitzt oder getanzt wird: Holz hat sich über Jahrhunderte bewährt als robuste und je nach Sortierung, Muster und Finish auch oft repräsentative Basis für Interieurs aller Art. Okay, im 20. Jahrhundert kriselte die lang harmonisch gewachsene Beziehung zeitweise (das Aufkommen der Zentral- und später der Fußbodenheizung; die Begeisterung der Sechziger und Siebziger für Kunststoff und Knallfarben), doch zumindest im Bereich des privaten Wohnens konnten weder Fliesen noch Vinyl oder Laminat dem Holzboden dauerhaft den Rang ablaufen.

Fotos: Thomas Skroch; Anders Hviid-Haglund; Francis Amiand; Listone Giordano

Zickzack

Perfekt im Unperfekten Im Gegenteil: „Für private Interiors ist Parkett weiterhin die Nummer eins“, sagt Frank Dietrich vom in Wuppertal ansässigen Familienunternehmen Parkett Dietrich. „Das hat viel mit Authentizität zu tun“, ergänzt seine Ehefrau Alexandra. Als Naturprodukt ist schließlich jeder einzelne Parkettstab ein Unikat, und auf breiten Dielen lässt sich lesen, wie der ganze Stamm gewachsen ist. Auch das wieder erwachte Interesse an Handwerk spiele eine Rolle, glaubt Dietrich, und natürlich die sinnliche, warme Haptik von Holz. Nicht zufällig kämen die meisten Kunden vor dem Kauf mehrmals in einen ihrer Showrooms, um sich dort im

Französisches Fisch­ grat dreimal anders: Dinesen zeigt es li. im Kopenhagener Show­ room in Oversize aus Douglasienholz. Das Regal ist aus den glei­ chen Brettern. In der Küche des Modedesi­ gners Alexis Mabille in Paris (unten) färbte das Interior­Duo Hum­ bert & Poyet Teile des Eichenparketts dunkel. U. li. Patricia Urquiolas verspieltes Update des Klassikers: „Biscuit“ von Listone Giordano.


Stil Studio

Frank Die trich

„Nussbaum ist immer Nussbaum, aber Eiche hat 100 Gesichter.“

Wortsinne an die Entscheidung heranzutasten. Das allgemein steigende Bewusstsein für Nachhaltigkeit tut wohl ein Übriges: „Wer sein Leben nachhaltig gestalten will, nicht nur im Sinne von Ökologie, den wird Parkett immer ansprechen“, sagt Frank Dietrich, „und wir nehmen wahr, dass diese Gruppe größer wird.“ Doch Parkett ist nicht gleich Parkett: Die im Kern so ursprünglichen Böden erweisen sich gerade als erstaunlich wandlungsfähig. Das zeigt sich am deutlichsten im Finish: Während die Flächen früher meist lackiert wurden, bleiben bei Parkett Dietrich heute 90 Prozent unversiegelt; sie werden lediglich geölt. Denn die neu entflammte Liebe zum Holz geht mit einer veränderten Materialästhetik einher: Unebenheiten, Gebrauchs- und Altersspuren werden inzwischen weniger als Makel betrachtet, sondern als etwas, das einem Boden Gesicht und Geschichte gibt und damit letztlich seine Individualität verstärkt. „Wir suchen heute das Perfekte im Unperfekten“, so drückt es Alexandra Dietrich aus – gestiegenem ökologischem Bewusstsein und Axel Vervoordt sei Dank.

Entspannt in Farbe Doch nicht nur eine zunehmende Gelassenheit scheint sich abzuzeichnen, auch die Experimentierfreude wächst. „Schnörkellose Dielen sind nicht mehr so gefragt wie noch vor vier, fünf Jahren“, hat Alexandra Dietrich beobachtet. „Man traut sich an Muster und Farben. Das Dekorative nimmt definitiv zu.“ Dazu zählen kleinteilig gemusterte oder asymmetrisch gegliederte genauso wie mehrfarbig gestaltete Böden. Komplett neu ist davon wenig, das dreidimensional wirkende Rhombenmuster etwa war schon im Italien der Renaissance beliebt, allerdings damals meist aus Stein gefügt. „Parkett unterliegt einer Evolution, keiner Revolution“, sagt Frank Dietrich. „Vieles baut auf Gewesenem auf und verfeinert sich nur oder wird neu interpretiert.“ Ein Boden, der im Idealfall 80

Die vielseitige Serie „Forêt“ entwickelte Raphael Navot für Oscar Ono aus Hirnholz – es wird quer zur Maserung geschnitten. Unten: „Perigal“ von Paola Lenti für Listone Giordano kombiniert drei Grundelemente.


Vertigo

Vincent Leroux; Line Thit Klein, Styling: Marie Monrad Graunbøl; Alexander van Berge, Styling: Bregje Nix; Thomas Loof / Trunk Archive; Listone Giordano

Rechts: Das antike Schach­ brettmuster aus Mahagoni und Eiche in der Carlsberg Academy diente Broste Copenhagen als elegante Basis für ein Fotoshooting. Unten: Was im Entree des New Yorker Apartments von Designer David Kaihoi auf den ersten Blick wie Marketerie wirkt, wurde auf lackiertes Schiffsboden­ parkett aufgemalt. Die Wän­ de wandert ein Würfeldes­ sin mit 3D­Wirkung hoch – als handbemalte Tapete. Unten re.: Bernd Gruber grundierte in einem Münch­ ner Apartment ein lineares Interieur mit Flechtwerk aus Stäben und Hexagonen in gebürsteter Räuchereiche.

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Fotos: Note Design Studio; Mark Seelen; Matthew Donaldson; Matteo Imbriani; Stéphane Deroussent; Simone Vogel, Zürich

Generationen überdauert, hat es nun mal nicht nötig, jeden Trend zu reflektieren. Aus diesem Grund rät Alexandra Dietrich auch von unruhi­ gen oder gewollt extravaganten Mustern eher ab: „Je kleinteiliger ein Muster ist, desto lebhaf­ ter wirkt es und desto dominanter ist es auf der Fläche.“ Und desto schneller wird es einem auf die Nerven gehen, könnte man ergänzen. Diet­ richs Empfehlung, um auf nachhaltigere Weise Abwechslung auf den Boden zu bringen: ein klassischer „Verband“, am besten Fischgrat, aber mehrfarbig interpretiert – und unbedingt in Eiche! Denn da Eichenholz sehr grobporig ist und Gerbsäure enthält, nimmt es Pigmente gut auf; es lässt sich also mannigfaltig laugen, räuchern oder beizen: vom Farbton „Pure“, der das Holz wirken lässt wie frisch geschlagen, über lichtes Hellgrau, das sich freundlich zu­ rückhält und lieber die Möbel strahlen lässt, bis zur distinguierten Eleganz polierter, tiefdunkler Räuchereiche. Und sollte man nach einiger Zeit die gewählte Farbe nicht mehr sehen können, „lässt sich der Boden abschleifen und umfärben oder er bleibt einfach naturbelassen. Diese Op­ tion hat man mit anderen Hölzern nicht.“

Updates

Die Gitterstruktur des klassischen Tafelparketts li. übertrugen die Designer von Note auf die Wand. Das Rhombenmuster o. wurde von Stein auf Holz übertragen (hier Parkett Dietrichs „Delano“ in Flämisch-Grey“ aus leicht gealterter Eiche). Unten: „Formpark“ von Bauwerk lässt sich zu immer neuen Mustern kombinieren, wie in diesem Projekt von Bänziger Lutze Architektur im St. Galler Rheintal.


Stil Studio

Alexandra Die trich

Holz plus x

„Parkett ist das Gegenteil von Plastik.“

Im Pariser Pent­ house oben fasste Interiordesigner Guillaume Alan Eschenparkett in Carrara­Gitter. Damit es nicht zu streng wirkt, wurde es leicht schräg verlegt. Links lässt Innenarchitektin Miriam Gassmann Holz charmant in Fliesen übergehen; Bisazza (rechts die Linie „Van Eijk“) bringt beides in eins.

Charmant in Oversize Ein weiterer schicker Kompromiss zwischen Innovation und Nachhaltigkeit sind OversizeMuster: Wenn Klassiker hochskaliert werden, lassen die überzeichneten Dimensionen Vertrautes wieder frisch wirken, ohne zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Parkett Dietrich hat etwa das intern so getaufte „WalFischgrät“ ins Programm aufgenommen. Wobei die Länge der „Gräte“ wenig mit den Maßen des Grundrisses zu tun hat: „Man wählt ja heute den Boden nicht mehr unbedingt nach der Repräsentativität des Raums“, erklärt Alexandra Dietrich, „und genauso kann man große Formate in kleine Räume legen und umgekehrt.“ Überhaupt sei heute so ziemlich alles möglich – Parkett könne auch gut in der Küche oder neuerdings immer mehr im Bad zum Einsatz kommen. Das schmeichelt dem Auge und dem nackten Fuß, denn Holz fühlt sich auch ohne Fußbodenheizung angenehm weich und warm an. Und das Thema Reinigung? „Schiffe haben Holzdecks – weshalb sollte dann das Wasser im Bad ein Problem sein?“, fragt Dietrich. „Wenn man eine entsprechend entspannte Einstellung zum Thema Fußboden hat, dann funktioniert Parkett im Bad sehr gut.“ Man muss sich nur noch entscheiden, welches!


Stil Teppich & Boden

1 2 1 „Carve“ Hanne Willmann Jab Anstoetz Wolle mit Relief 900 Euro/m² j ab.d e 2 „Corner“ Werner Aisslinger Jab Anstoetz Wolle mit Relief 900 Euro/m² j a b.d e

Tex t Lilian Ingenkamp

Special

Grund zur Freude … gibt es reichlich, denn Teppiche und Fliesen sind vielseitig wie nie – mit Relief und Trompe-l'Œil-Effekt, aus PET oder weich wie ein Pudel.


1 1 „Poodle“ Object Carpet Polyamid 81 Euro / m² object-carpet.com

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2 „Estival“ Christian Fischbacher Polyester, bedruckt ab 499 Euro fischbacher.com

4 „Roy“ Emtivi Studio Illulian Himalaya-Wolle, Seide Preis auf Anfrage illulian.com

3 „Plissé“ 5 „Madison Square“ Cristina Celestino Sarah Henry CC-Tapis Manufacture Cogolin Baumwolle, Seide, Wolle Wolle, Baumwolle, Jute 8375 Euro 17 000 Euro cc-t apis.com manufacturecogolin.com 3

Fotos: Jab Anstoetz (2); Object Carpet; Christian Fischbacher; CC-Tapis; Illulian; Francis Amiand

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Stil Teppich & Boden

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1 „Aquatinte“ Galerie Diurne Wolle, Seide 7880 Euro d i u r n e.co m

3 „Reeds“ Sebastian Herkner The Rug Company Tibet-Wolle, Seide 1700 Euro / m2 therugcompany.com

2 „Duotone“ Hella Jongerius Kvadrat Schurwolle 333 Euro / m2 kva dra t .dk

4 „Dragon Tohuwabohu“ Jan Kath Wolle, Seide, Brennnessel ab 1850 Euro / m2 jan-kath.com 2

5 „Silhouette“ Jaime Hayon Nanimarquina Wolle o. recyceltes PET Preis auf Anfrage nanimarquina.com 3 4

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Fotos: Galerie Diurne; © Kvadrat; The Rug Company; Jan Kath Design; Nanimarquina; Neolith; Bisazza; Richard Soltau / Golem; Via; Marazzi

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1 „Zaha Stone“ Neolith Sinterstein Preis auf Anfrage neolith.com

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2 „Lanterns Blue“ Steve Leung Bisazza Glasmosaik 1175 Euro / m2 b i sa z z a .co m 3 „F 34.653“ historisches Motiv Golem glasiertes Steingut 10 Euro / Stück gol em - b au kera m i k.de

4 Zementmosaikplatte historisches Muster Via Marmormehl, Pigmente 117 Euro / m2 viaplatten.de 5 „Scenario“ Marazzi Feinsteinzeug Preis auf Anfrage m a r a z z i .d e

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Die Strahlkraft der Superlative Lebensstandard, architektonische Highlights und Weltrekorde. Norwegen ist ein Land der Superlative. Die innovative Kraft und der konsequente Wille, das Neue zu zelebrieren, spiegelt sich auch in den eigenen vier Wänden wider.


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s muss an der norwegische Geschichte mit ihren abenteuerlichen Entdeckern und Seefahrern liegen: der ungebrochene Wille nach dem Neuen. Oslos ambitionierte Architektur ist ein Segen für jeden Liebhaber der Avantgarde. Die Hauptstadt entwickelt sich ständig weiter: Neue Stadtteile wachsen, alte verändern sich. Preisgekrönte, atemberaubende Architektur, Gebäude, die einem Strich- oder Barcode ähneln, haben die Skyline von Oslo radikal verändert. Wasser bedeutet den Norwegern nun mal sehr viel. Das Blau der vielen Wasserstraßen, die das Quartier netzartig durchweben, erzählt von der Weite des Meeres und von fernen Ländern. Die Großzügigkeit, Klarheit und Offenheit der Räume entspricht auch der inneren Haltung der Norweger. Bodengleiche Fenster lassen den Blick in die Ferne schweifen und ermöglichen es dennoch, den Rhythmus der Stadt hinter sich zu lassen. Zeit für innere Einkehr und Ruhe. Trotz allem hat man das Gefühl, mittendrin zu sein, im innerstädtischen maritimen Kosmos. Natürliche, helle Materialien sowie erd- und sandfarbenen Nuancen bekräftigen die tiefe Verbundenheit mit der Natur. Sie holen das Freiluft-Feeling ins Haus – und das Draußen ins Innen. Denn das bewusste Wahrnehmen und Erleben der Natur ist das Lebenselixier der Norweger.

Eine ausgewählte, minimalistische Einrichtung lässt den nötigen Freiraum zum Atmen. Sie schafft Platz für Kontemplation und Kreativität. Die betont offene und helle Gestaltung unterstützt zudem die Konzentration auf das Wesentliche. Dank der besonderen Architektur sind alle Bereiche der Wohnung von der Strahlkraft des nordischen Lichts durchflutet.

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Bereit zum Feinschliff: Alle Produktionsschritte werden in der Werkstatt von Hand aus­ geführt. Bis zu neunmal täglich wird das zu fertigende De­ sign dabei gewechselt. Rechte S.: Spiel mit dem Feuer! Die Erfindung der Pfeifen (oben) geht auf die Römer zurück. Glaskreislauf: Reste werden neu eingeschmolzen (darunter).

Vorsicht, Glas! Tief im Bayerischen Wald erfindet sich die Glasmanufaktur Freiherr von Poschinger neu. Und trägt ihre jahrhundertealte Tradition in die Welt.

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Stil Adresse Tex t Mona B erger s Produk tion Isa Lim Fotos Cons tantin Mirb ach

ckenlampen des Bayreuther Opernhauses. „Da mussten wir sogar absichtlich Blasen und Schlieren einbauen, wie früher.“ Aber viel lieber als zurück blickt Benedikt von Poschinger nach vorn. Auch mit der limitierten Jubiläumsedition, die Sebastian Herkner vorletztes Jahr entwarf. Fest stand: keine Neuauflage eines Designs aus dem 450-jährigen Archiv, stattdessen sollte auf der Grundlage jahrhundertealter Expertise etwas noch nie Dagewesenes entstehen. „Der Inbegriff von Glas ist eigentlich immer ein Trinkgefäß. Mithilfe unserer alten Zeichnungen machte sich Sebastian auf die Suche nach dem Neuen darin. Er fand die Idee – für uns die Herausforderung – schnell: Die Verschmelzung von zwei komplett unterschiedlichen Techniken, nämlich dem Mundgeblasenen und dem Gegossenen, in einem Glas. Und das ohne Stiel.“ Bei der entstandenen Trilogie, Wasser-, Whisky- und Champagnerglas, scheint die Cuppa, das feine Hohlglas, auf der massiven Scheibe zu balancieren. Hinter dieser Leichtigkeit steckt Präzisionsarbeit: Über eine Stunde benötigt allein der Schleifer, um die gegossene Platte auf die endgültige Größe zu bringen. Auf der Ober-

E s klackert, rattert, surrt und plätschert, aber trotzdem ist es nicht laut. Hitze schlägt einem angesichts des flüssigen Feuers wie eine Wand entgegen. „Das ist meine erste Erinnerung an Glas“, sagt Benedikt von Poschinger, Inhaber der Manufaktur, vor der 365 Tage im Jahr brennenden Schmelze, die bis tief in die Erde reicht. „Nur der verbrannte Geruch von Holz fehlt, weil der Ofen heute mit Erdgas beheizt wird. Der Werkstoff ist einer der ältesten künstlichen der Menschheit. Glas übte schon in meiner Kindheit seine Faszination auf mich aus. In Minuten wird aus glühenden, zähflüssigen Kugeln ein feines, zerbrechliches Objekt, das erst beim Erkalten die Farbe preisgibt. Schon mystisch!“ Fürs Handwerk brennen hier alle. In der in Familienhand verbliebenen, nun bereits in 15. Generation geführten Glashütte hat sich seit der Gründung 1568 in der Produktionsweise wenig verändert. Von Poschingers Mannschaft, 35 Mitstreiter („das Herzstück des Unternehmens“), wirbelt meist im Team, selten auch solo mit orangeroten Feuerbällen vor dem 1200 Grad heißen Ofen umher. Und das in präzisen Schrittfolgen. „Denn das Glas bestimmt das Tempo, eine Bewegung bereitet die nächste vor“, erklärt der Chef. Die Macher sind dabei weit weniger fragil als ihre Werkstücke. Männer mit tätowierten Armen, Tunnels im Ohr und Zigarette im Mundwinkel, die nur kurz abgelegt wird, um einen kräftigen Lungenstoß zum Ende des Rohres zu schicken. Wie jetzt, beim Sockel von ClassiCons massivem „Bell Table“, der schon an der Pfeife 13 Kilo wiegt. Die Männer gehören zu den Besten auf ihrem Gebiet, denn Anfang der 90er, als das Glasmanufaktursterben im Bayerischen Wald begann, fand von Poschinger seine Nische in Sonder- und Spezialanfertigungen. Seither wurde am „Brotzeittisch“, dem geheimen Zentrum der Werkstatt in Frauenau, schon so manche kuriose Lagebesprechung abgehalten. Etwa über die Umsetzung überdimensionaler Glasaugen für ein Freizeitpark-Ungeheuer, aber auch die originalgetreue Replizierung der Glo-

B ene dik t von Poschinger

„Einst Alchemie, heute Chemie! Das Rezept ist aber über Jahrhunderte fast unverändert.“

„Fliegende Hütten“? Seine Vorfahren wurden 1568 in Frauenau sesshaft. Es folgten Kriege, aber auch die Technisierung und der Eisenbahnanschluss. Heute führt Benedikt von Poschinger (re.) die Familiendynastie in 15. Generation. Wie schon im Jugendstil konzentriert er sich auf die Zusammenarbeit mit Gestaltern.


Stil Adresse und Unterseite wird sie im Anschluss po­ Hängeleuchten entwickelt. Und mit Werner liert, aber seitlich bleibt die grobe Struktur, Aisslinger den Wasserspender der „Collec­ die entsteht, wenn heißes Glas auf metal­ tion Co“, kuratiert von Thomas Biswanger. lische Form trifft, zu erkennen. „Für den Der Designberater sah sich dabei als eine Entwurf haben wir eigens Werkzeuge für Art „Partnervermittler“ für „nachhaltiges, die Nachbearbeitung entwickelt: Händisch das heißt: wertvolles Design, in dem sich und parallel musste der Rohling abgetragen Menschlichkeit und Ästhetik spiegeln“. werden. Fast unmöglich!“ Der Wasserspender sei „ein Schrein für Genau in diese experimentelle Richtung dieses knappe Gut“. Eines dieser unkon­ soll es auch zukünftig gehen: „Außerge­ ventionellen Aisslinger­Designs, die von wöhnliche Farben und Dimensionen, alles Poschinger und seine Handwerker einmal in einem Stück – das ist unser Alleinstel­ mehr reizten, bis an den Rand ihrer Mög­ lungsmerkmal. Mit internationalen Design­ lichkeiten zu gehen. Die jüngste Neuerung kollaborationen wollen wir dies weiter in aber ist auf dem Schreibtisch des Prinzi­ die Welt tragen!“ Gerade hat das Traditi­ pals zu sehen: Dort löste Herkners Jubilä­ onshaus mit Ocrùm Studios in New York umskelch Goethes Wasserglas ab. B ene dik t von Poschinger

„Der Werkstoff ist hier schon in der DNA mit drin. Nun müssen wir ihn ins Jetzt bringen.“

In zehn Stunden verwandelt die Schmelze (ganz o.) Pottasche, Quarzsand und Kalk in Glas. Scherben (o.) werden recycelt. Ein Grund, aus den Kelchen von Peter Behrens (rot) und Sebastian Herkner (gelb) oder Goethes Wasserglas (li.) zu trinken? „Das Lebensgefühl.“ Unten: die Werkstatt mit Schlot und das Löschgerätehaus.

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SHOP.VOGUE.DE


Küche des Monats Redak tion Karin Jaeger und Friederike Weißbach

Architek t: Massimo

Castagna, im Auftrag von Paolo Tormena, CEO des Möbelherstellers Henge O r t: Treviso (Veneto) Aus s tat tung:

Das macht sie b e sonder s:

Beim Ausbau dieser Scheune aus dem 17. Jahrhundert ließ der Architekt die Kräfte der Natur und der Zeit, Handwerkskunst und Hightech zusammenwirken. Ergebnis: eine sinnliche Balance von alt und neu, schlicht und edel, organisch und klar.

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Fotos: Federico Marin; Masaki Ogawa; Berndes; Atelier Swarovski x Lobmeyr; Nesmuk; Revol; de Buyer; Serax; Le Creuset; Alessi; House of Nordic Living

· Küchenmonolith „Ozone-L“ in Cappuccino-Quarzit von Henge · Armatur „CAR08“ aus satiniertem Edelstahl von Cea · Induktionsfeld von Bora (nicht im Bild) · Einbauschrank mit Fronten aus versilbertem, patiniertem Messing von Henge · Sonderversion des Heizkörpers „CV 25“ von Tubes · Lasergeschnittenes Nussbaumparkett


Stil Praxis

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#picobello

D ie Küche von heute gibt sich elegant. Geräte werden versteckt; Flächen in Marmor oder Leder suggerieren Wohnlichkeit statt Werkstatt und verdecken alles, was nach Schmutz oder Arbeit aussieht. Damit ist der Raum oft modisch avancierter als sein Nutzer: Der trägt gern die Nostalgie-Kopie von Omis Rüschenschürze – oder das Modell „Spritzschutz für den Koch“: schlicht, schwarz, lang und irgendwie steif. Das mag professionell aussehen – die Uniform von Köchen, Metzgern und Chefellnern stand Pate –, suggeriert aber, abgesehen von optischer Monotonie, auch Drill und Disziplin. Doch wer zerlegt schon am heimischen Herd Schweinehälften oder tranchiert Ente à la mode? Und selbst wenn: Das ließe sich auch stilgerecht und mit mehr Bewegungsfreiheit in Karo-Leinen (oben, fo glin e nworke ur op e.c om ), wild geblümter Baumwolle (etwa von La Double J) oder lässig gewickelt (unten extragroßes Küchentuch, zur Schürze geschlungen, the organiccompany.dk ) erledigen. Halten wir es also mit Alberto Alessi: „Küchenhelfer müssen nicht nur ihre Pflicht, sondern dürfen auch Träume erfüllen.“ Wie hoffentlich auch das Kochen. KJ

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7 Messe-News

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Best of Ambiente

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Nomen est omen: Induktionspfanne „B.Green“ aus recycelten Alu-Dosen, 90 Euro b ernde s.c om 2 Teamwork in Zartrosa: Kristallgläser „Nest“ von Atelier Swarovski und Lobmeyr, Zweier-Set 279 Euro atelier swarovski.com 3 Schön scharf! Kochmesser aus Damaszener Stahl mit Griff aus Mooreiche, 1290 Euro ne smuk.c om 4 Service „No.W“ aus nachhaltig gefertigtem Ton, Teller ab 16 Euro revol1 76 8 .com 5 Perforierte Edelstahlbackform mit Antihaftfolie, 60 Euro debuyer.c om 6 Auf gutem Fuß: erhöhte Teller „Inku“ des niederländischen Kochs Sergio Herman, ab 36 Euro sera x.com 7 Doppelt dicht: Gusseisen-Cocotte „Every“ mit innen liegendem Steinzeugdeckel zum Reiskochen, 199 Euro le creuse t .com 8 Die gläserne French Press „Barkoffee“ umhüllt eine Rinde aus geschwärztem Stahl, 85 Euro ale s si.com 1

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New Natives Foto: Franz Becker

Miss Platnum & Chehad Abdallah

ARCHITECTURAL DIGEST. Stil, Design, Kunst & Architektur


Architektur Projekt, Radar und Kulthaus

Foto: Cristóbal Palma

Pazifische Ikone Ryue Nishizawa kann man gut und gern als Stararchitekten bezeichnen, er ist das „n“ in Sanaa – und im chilenischen Coquimbo gerade solo unterwegs: Nebenan hat Pritzker-Preisträger Alejandro Aravena gebaut, Nishizawas Betonwelle o. ist der nicht minder spektakuläre zweite Bau (von 64 geplanten) im Ochoalcubo-Projekt, das gut zwei Stunden von Santiago zeitgenössische Meisterarchitekten aus Chile und der ganzen Welt versammeln soll. Meerblick versteht sich von selbst, Gebote nimmt Sotheby's entgegen. r yuenishizawa.com, o choalcub o.cl, sothebysrealt y.com

Redak tion Andreas Kühnlein

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Architektur Projekt

sitzt im Glashaus Die Architekturkritik auf großer Leinwand: Wie Hollywood die Moderne zum Schauplatz des Verbrechens machte. Tex t Florian Heilmeyer

Illus trationen Carlos Fueyo

Illustrationen: Fotos: xxxxxxxxxx Carlos Fueyo für Tra Publishing; Porträt: Hulton-Deutsch Collection/CORBIS/Getty Images

Das Böse


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Verkehrsgünstige Lage: In „Superman“ lässt Richard Donner seinen Lex Luthor (Gene Hackman, oben) in New Yorks Grand Central Terminal ein spektakulä­ res Quartier beziehen. Hitchcock gab sich knapp zwei Jahrzehnte zuvor noch deutlich bescheide­ ner: In „North by North­ west“ bemühte sich Cary Grant hier bloß um eine Fahrkarte – vergeblich.

er folgende Text enthält etliche Spoiler. Autor und Redaktion raten dringend, die darin erwähnten Filme vor dem Lesen zu sehen. Die Moderne ist kalt und herzlos. Nirgends wird dieses Klischee so lustvoll zelebriert wie im amerikanischen Kino. In den schönsten modernen Häusern wohnen die übelsten Schurken und grandiosesten Gauner. Unglückliche Frauen und brutale Männer leben in Räumen aus Glas, Stahl und Beton. In übergroßen Glasscheiben überlagern sich Reflexionen von Innen und Außen wie Schichten der Charaktere, die nur vordergründig nichts zu verbergen haben. So hat sich das Kino einige der herausragendsten Häuser der amerikanischen Moderne gegriffen und mit allerlei zwielichtigen Gestalten besetzt. Das Elrod House, das John Lautner 1968 mit großer Geste in die Felsen oberhalb Palm Springs einpasste, ist im James Bond-Streifen „Diamonds Are Forever“ 1971 das Zuhause des Multimilliardärs Willard Whyte. Dieser wurde vom Superschurken Ernst Stavro Blofeld gekidnappt und wird nun im eigenen Haus gefangen gehalten. Der Kampf

zwischen Bond und den beiden gelenkigen Bewacherinnen, Bambi und Thumper, mag in seiner Mischung aus Aerobic und Zirkusakrobatik heute eher lustig wirken. Aber wie das große, kreisrunde Wohnzimmer unter der spektakulären Betondecke – 18 Meter im Durchmesser! – im Film zur Gladiatorenarena wird, das ist immer noch beeindruckend. Die Charakterrollen, die das Kino der modernen Architektur zuweist, sind eindeutig: Im besten Fall exzentrische Superreiche mit Wohlstand aus zweifelhaften Quellen. In „L. A. Confidential“ (1997) und in „The Big Lebowski“ (1998) sind es Männer aus dem Sexgeschäft, die sich die Ikonen der Moderne als Heimstatt leisten können: Richard Neutras Lovell Health House von 1929 und John Lautners Sheats-Goldstein Residence von 1963 mit ihrem spektakulären Schrägdach aus dreieckigen Betonfeldern. Hier begrüßt Jackie Treehorn (Ben Gazzara) Jeffrey „The Dude“ Lebowski (Jeff Bridges) mit einem White Russian. Auf Lebowskis unverblümte Frage: „How’s the smut business?“ antwortet Treehorn charmant ausweichend, wieso, er mache doch in Publishing und Entertainment. Wie sich Lebowski anschließend vergeblich bemüht, auf Treehorns Designersofa unterm sensationellen Betondach eine bequeme Position zu finden, ist eine der wunderbarsten

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Illustrationen: Carlos Fueyo für Tra Publishing; Porträts: Peter Bischoff/Getty Images; Ron Galella Collection/Getty Images

Jo seph Ro s a, Direk tor de s Fr ye Ar t Museum in S eat tle

„Böse Jungs tragen nicht mehr Schwarz – sie leben in weißen Häusern.“ Verfilmungen jener Pauschalkritik an der zum düsteren Film ist dies im echten Le­ Moderne, sie sei einfach zu unbequem. ben einer der gelungensten und freund­ Aber es geht auch tödlich zu: Bei „Ame­ lichsten Vertreter des kalifornischen De­ rican Psycho“ (2000) spiegelt sich die Kälte konstruktivismus, die lichtdurchflutete des brutalen Serienmörders und Invest­ Mataja Residence, entworfen 1999 vom mentbankers Patrick Bateman (Christian Gehry­Schüler Hagy Belzberg für den Au­ Bale) in der Architektur seines Büros. Es ist tohändler Bata Mataja. das Toronto­Dominion Centre von Ludwig Dabei teilen sie sich ein und dieselbe Mies van der Rohe. Und es ist wieder ein Kinderstube: Das amerikanische Kino ent­ John Lautner­Haus, die Chemosphere von steht wie die amerikanische Moderne zu 1960, in dem bei Brian De Palmas Psycho­ Beginn des 20. Jahrhunderts. Umso auffäl­ thriller „Body Double“ (1984) jener Mann liger ist es, wie eindeutig den modernen wohnt, der die Ermordung seiner eigenen Häusern die schlechten Charaktere zuge­ Ehefrau in Auftrag gibt. Wir Kinogänger teilt werden. Zu einem der meistverfilmten wissen also schon, wohin die Reise geht, Häuser wird Frank Lloyd Wrights Ennis wenn in „The Glass House“ (2001) die Ge­ House von 1923. Sein Filmdebüt gab es schwister Ruby und Rhett nach dem Un­ 1959 als Horroranwesen im B­Movie falltod ihrer Eltern von ihren Adoptivel­ „House on Haunted Hill“ mit Vincent Price. tern in ihr neues Zuhause geführt werden: Später wird es auch in „Black Rain“, „Pre­ ein spektakulär zersplittertes Glashaus mit dator 2“ und „Blade Runner“ und von der weiter Aussicht über Malibu. Im Gegensatz Serie „Buffy the Vampire Slayer“ genutzt.

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Zwielichtiges Unter­ wasserversteck: In „The Spy Who Loved Me“ von 1977 stellt 007 dem fiesen Mee­ resbiologen Karl Stromberg (Curd Jür­ gens, oben) in der Kommandostation „Atlantis“ nach. Samt ulkigem Gebalge mit dem legendären „Beißer“ am Hai­ fischbecken und ab­ schließender Lö­ sung per Explosion.


Architektur Projekt Und schon 1934 schickte „The Black Cat“ zwei frisch vermählte Amerikaner auf Horrorhochzeitsreise in ein düsteres, verregnetes Ungarn, wo sie auf den Architekten Hjalmar Poelzig (!) treffen. Dieser hat sich sein eigenes blitzmodernes Haus mitten auf einem gewaltigen Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs errichtet. Symbolisch geht es nicht eindeutiger: Die Moderne steht auf den blutigen Schützengräben eines düsteren europäischen Kontinents. Rasch entpuppt sich Poelzig (Boris Karloff) dann auch als ein satanistischer Ritualmörder, der weibliche Leichname im Keller einbalsamiert. Der Exorzismus am Ende des Films gibt sich mit Poelzigs Tod nicht zufrieden; erst als das Haus gesprengt wird, ist Satan besiegt. Die Poelzig-Figur ist damit der Urgroßvater einiger späterer Filmcharaktere: In Stieg Larssons „The Girl with the Dragon Tattoo“ etwa, wo im Buch und in beiden Verfilmungen (2009 und 2011) die gesamte Familie Vanger in idyllischen schwedischen Holzhäusern rings um das neoklassizistische Anwesen wohnt – bis auf einen. Hätte der Enthüllungsjournalist Mikael Blomkvist also mehr auf die Architektur geachtet, er hätte den Fall schneller lösen und sich obendrein den dramatischen Kampf

Den Mord an der eigenen Ehefrau inszeniert der schwerreiche Sam Bouchard (Gregg Henry, oben) bei Brian De Palmas „Body Double“ im Nachbarhaus – inklusive futuristischem Logenplatz im Lautner-Ufo nebenan. Erbaut wurde die Chemosphere 1960 praktischerweise in den Hollywood Hills.


im Folterkeller des Serienmörders Martin Vanger sparen können. So wie auch der junge Programmierer Caleb in „Ex Machina“ (2014) hätte gewarnt sein müssen, als er in die hypermoderne Villa mit riesigen Glaswänden kommt, in die sich der legendäre Firmengründer Nathan Bateman (!) zurückgezogen hat. Im Keller trifft er auf den weiblichen Roboter Ava, ein Experiment mit künstlicher Intelligenz. Erst später findet Caleb Avas Vorgängermodelle, von Bateman gnadenlos abgeschaltet wegen Fehlern oder aus Langeweile; sie hängen wie Trophäen im Schrank neben Batemans Bett. Die Referenzen dieses klug konstruierten Films reichen von König Blaubart über Dr. Frankenstein bis zum neusten iPhone. Als Setting dient unter anderem

das wunderschöne (und übrigens nicht unterkellerte) „Juvet Landscape Hotel“, dessen Zimmer als jeweils separate Minihäuser in einer unberührten norwegischen Flusslandschaft verteilt wurden. Die Architekten, die Norweger Jensen & Skodvin, sind Vertreter einer kompromisslos nüchternen Moderne, die zwar mit deutlich weniger Spektakel auskommt als die Dachkonstruktionen eines John Lautner, die aber gleichwohl noch immer die Schurken und Bösewichte beherbergt. Jedenfalls im Kino. Zum Thema ist jüngst ein drei Kilo schwerer Koloss von einem Buch erschienen: „Lair. Radical Homes and Hideouts of Movie Villains“ (Tra Publishing, 296 Sei­ ten, Silberdruck auf schwarzem Papier, 75 Dollar) führt 15 Filmschurken nebst Verstecken vor. Letztere analysiert Autor Chad Oppenheim, eigentlich Ar­ chitekt, in Interviews und detailreichen Zeichnungen.

Ken Adam, S e t- D e signer für „ Diamonds Are Forever “ und se chs weitere B onds

„Dieses futuristische Betonhaus für die Kampfszene – das hätte ich selbst nicht besser designen können.“

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„Ex Machina“ drehte Alex Garland im grandiosen „Juvet Landscape Hotel“ der norwegischen Architekten Jensen& Skodvin. Einen Keller hat die gläserne Villa von Nathan Bateman (Oscar Isaac, oben) in Wahrheit übrigens keinen – im Film landen dort die ausgemusterten KI-Gespielinnen ihres Schöpfers.

Illustrationen: Carlos Fueyo für Tra Publishing; Porträt: Jason Merritt/Getty Images

Architektur Projekt


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Architektur Radar

Im Schwebezustand Das Vorbild für Over the Edge sind die Getreidespeicher in Kent, dabei dient der kleine Erweiterungsbau von Jonathan Burlow als ausgelagerte Küche. Wie die Originale schwebt das Ziegelhaus auf saddle stones; eine Ecke trägt es stolz erhoben. jonathanburlow.co.uk

Erdverbundene Rekonstruktion Die Casa Martha (o. li.), nicht weit von Malinalco, plante das mexikanische Büro Naso als barrierefreies Familienhaus aus gepressten Lehmziegeln. Zwei voneinander unabhängige Etagen bieten mehreren Parteien Privatsphäre unter einem gemeinsamen Tonnengewölbe: Unten liegen Küche (oben rechts), Esszimmer, Bad und zwei Schlafzimmer für die Besitzer und ihre beiden erwachsenen Kinder, darüber ist Platz für Gäste – oder Mieter. Der kleine Bau gehört zum Wiederaufbauprogramm Reconstruir MX für eine Region, die vom verheerenden Erdbeben 2017 besonders schwer betroffen war. naso.m x, re cons truir.org.mx

Neuerscheinungen

Kaum bekannte Bilder von Fotografenlegende Ezra Stoller versammelt eine neue Monografie in prachtvollen Tafeln, darunter das „Terrace Plaza Hotel“ von Skidmore, Owings & Merrill o. – der ganze Kosmos der modernen amerikanischen Architektur.

Das Standardwerk in der 21. Auflage: „Sir Banister Fletcher's Global History of Architecture“ gibt es seit 1896, jetzt komple überarbeitet und in zwei üppig bebilderten Bänden, die von den Sumerern bis zur Gegenwart keine Fragen offenlassen.

Die auf 112 Exemplare limitierte Sammleredition von „ e Definitive Jacques Tati“ umfasst fünf Bände voller Interviews, Drehbücher und Setfotos im Schuber – dazu eine komple e Szene aus „Mon Oncle“ mit Soundeffekten zum Nachbauen.

41 6 S eiten, 1 2 5 Euro, phaidon.com

26 4 0 S eiten, 3 9 5 P fund, blo omsbur y.com

11 3 6 S eiten, 7 8 5 Euro, taschen.com

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Redak tion Andreas Kühnlein

Fotos: Maureen M. Evans (2); Simone Bossi; Rasmus Hjortshøj (2); Ed Reeve; Taschen; Bloomsbury; Courtesy and Copyright © Esto

Faszinierende Architekturgeschichten


Der Maulwurf von Hackney 20 Zimmer, Küche, Bad – plus Tunnelsystem: Seinen Namen hat das Mole House u. von Vorbesitzer William Lyttle, genannt „Mole Man“, der 40 Jahre daran weiterbaute; heimlich und nach unten. Seine Stollen wurden zugeschüttet, das Haus baute David Adjaye für die Künstlerin Sue Webster um. Ohne Tunnel, dafür mit freigelegtem Kellergeschoss. adjaye.com

Ultraboost für Franken Ein Ufo ist gelandet – im ländlichen Herzogenaurach. Dort bauten Cobe für Adidas die neue Konzern­ zentrale Halftime oben unter der 8650 Quadratmeter großen, frei schwebenden Raute darüber. cob e.dk, adidas.de

EXCEPTIONAL HOMES SINCE 1864

LINIE 72 BERLIN MITTE URBANER LUXUS VON ZEITGENÖSSISCHER FINESSE Im Herzen der Hauptstadt vereinen sich klassische Formen und feinste Materialien zu sieben luxuriösen Wohnungen. RALFSCHMITZ.COM


Tex t Wendy G oodman Fotos Stephen Kent Johnson

A Room of Her Own Na ja, es war mehr als ein Zimmer. Gertrude Vanderbilt Whitney richtete sich ein Atelierhaus in den Wäldern von Long Island ein. Für sich. Und ihre Kunst. Ein Besuch bei ihrem Urenkel. 106

Text: © 2019 from New York Magazine/Vox Media. All rights reserved. Distributed by Tribune Content Agency. Porträt: Herbert Gehr/The LIFE Images Collection/Getty Images; Fotos: Stephen Kent Johnson/OTTO

Madam hat die Hosen an … Gertrude Vanderbilt Whitney unterhält sich 1939 inmitten ihrer Skulpturen mit Juliana R. Force (li.), der ersten Direk­ torin des Whitney Museums.


Architektur Kulthaus

Sie besaß ein Appartement und ein Atelier in Paris, Atelierräume in der Macdougal Alley Nr. 19 im New Yorker Greenwich Village – Welten entfernt vom palastartigen Sitz ihrer Familie in der Fifth Avenue 871, einer Kreuzung aus Grand Central Station und Ver­ sailles. Wenn sie nicht durch die Welt reiste, verbrachte sie ihre Wochenenden und Teile des Sommers in Old Westbury. „Ich lebe hier schon so lang, dass ich das Gefühl habe, es ist ein Teil von mir, und ich bin ein Teil davon“, sagt John LeBoutillier. Wir stehen mitten im großen Saal der Villa seiner Urgroßmutter. Nach ihrem Tod 1942 blieb das Anwesen für fast 40 Jahre unbe­ wohnt, verfiel, dann beschloss ihre Enkelin, LeBoutilliers Mutter Pamela, sich mit ihren Kindern dort einzurichten. Sie beauftragte den Architekten Charles Meyer, das Haus um zwei Flügel zu er­

S ie zeigte mir ein Stück Wald, das sie aus­ gewählt hatte, erklärte mir ein wenig, was sie sich vorstellte, überließ alles mir – und nahm den Ozeandampfer nach Europa!“ So schildert der Architekt, William Adams De­ lano von Delano & Aldrich, den Baubeginn für Gertrude Vanderbilt Whitneys Villa auf Long Island. Ein Haus, das noch heute viel von der Persönlichkeit, der schnoddrigen Exzentrik seiner Besitzerin erzählt. Eine neoklassizistische Villa, gut, das war 1912 nichts Neues. Zumal in den Kreisen der Vanderbilts, aber ein Atelierhaus mitten in den Wäldern von Old Westbury, das schien denn doch mindestens so gewagt wie die nackten Halbgötter und umschlungenen Liebespaare, die sie hier nach Aktmodellen modellierte. Das Haus stand zwar auf dem weitläufigen Landsitz ihrer Familie, aber es war ganz ihr Reich. Socialite, eine der reichsten Erbinnen Amerikas und im Jahr 1931 Gründerin des New Yorker Whitney Museum of American Art, war sie hier vor allem eins: Bildhauerin. Eine Passion, die die Familie stets mit einem Schulterzu­ cken abgetan hatte, ein netter Zeitvertreib, nichts, das wirklich zählte … Kunst kaufte man, man machte sie nicht selbst. Gertrude Vanderbilt wurde 1875 in die wohlhabendste Familie Amerikas hinein­ geboren. 1896 heiratete sie Harry Payne Whitney (1872–1930) – Polospieler, Milli­ onenerbe, Bonvivant. Sie führte eine Art Doppelleben: einerseits Künstlerin, Schü­ lerin von Andrew O'Connor, „boyish“ und freiheitsliebend, andererseits Society­Lady und vor allem: Mrs. Harry Payne Whitney.

Art déco-Juwel: Delano & Aldrichs Bau von 1912 wirkt mit dem Mosaik-Portikus (o., Seitenflügel von 1981) wie eine römische Villa auf Long Island. Orientalische Mädchen und Lotosblumen (unten), Malereien von Howard Cushing, geleiten einen die Treppe hinauf.

John Le B outillier

„Gertrude hatte schon vor 100 Jahren sehr heutige Ideen von der Rolle der Frau.“


G er trude Vanderbilt Whitney

„Die Farbe meines Betts war wie himmlisches Blau, das zur Erde heruntergeschwebt ist.“ weitern. Delanos Fassade blieb unangetastet. Hinter einem Portikus mit einer gewölbten Nische, die mit Mosaiken geziert ist, führt ein kleines Foyer in die riesige Künstlerwerkstatt – 18 Meter lang, zwölf Meter breit und sechs Meter hoch, mit nach Norden ausgerichtetem Oberlicht. Hier modellierte Gertrude ihre Statuen, meist nackte Heroengestalten, an O'Connor und Rodin geschult, die ihre Assistenten dann durch eine Bodenklappe in den Keller hinabließen. Von dort aus transportierte sie ein Ponywagen durch einen langen Tunnel ins Freie zu den Brennöfen. Drinnen schmückten Vanderbilt Whitneys Künstlerfreunde die Wände. Vor einigen Jahren erwarb Howard Cushings Familie die Wandbilder, die er für das Treppenhaus angefertigt hatte – aber nur nachdem die Originale zuvor aufwändig reproduziert worden waren. Robert Winthrop Chanlers Fresken in ihrem Schlafzimmer im Obergeschoss zeigen mittelalterliche Schlösser und Ritter, die sich zum Kampf rüsten; über die Wände des Bads aus schwarzem Marmor schwimmen goldene Meerestiere in grünem Schlingpflanzendschungel – hier tauchte sie ab. Heute lebt LeBoutillier allein mit den Kunstwerken und Möbeln der Familie. Von 1981 bis 1983 saß er eine Wahlperiode lang für die Republikaner im Repräsentantenhaus; jetzt produziert er zusammen mit Arlene Bynon „Revolution_The Podcast“ mit Kommenta-

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Fotos: Stephen Kent Johnson/OTTO

Halbgötter im Keller – Vanderbilt Whitneys Gipsmodelle oben wurden im Wald hinter ihrem Brennofen entdeckt und sind nun bei den Gartenmöbeln untergekommen. Mit goldenen Schildkröten planschen: Das Bad unten aus schwarzem Marmor malte Robert Winthrop Chanler aus.


Architektur Kulthaus

ren zur aktuellen Politik. Über einem Kamin hängt Howard Cush­ ings Porträt seiner Großmutter Flora Payne Whitney, Gertrudes Skulpturen stehen auf Wandregalen Spalier. Vor Kurzem empörte sich LeBoutillier öffentlich, dass das nach ihr benannte Museum eine Ausstellung mit 46 von Gertrudes Bronzen ablehnte, die zu­ vor im Norton Museum in West Palm Beach gezeigt worden wa­ ren. „Alle gingen davon aus, dass die Schau auch ins Whitney kommen würde“, sagt er. „Alle – außer dem Whitney selbst.“ In dieser Absage hallt womöglich eine alte Vorgeschichte nach. Das Whitney wurde gegründet, nachdem das Metropolitan Museum eine Schenkung seiner Urgroßmutter von über 500 Werken aus ihrer Sammlung ablehnte – trotz einer begleitenden, großzügigen Spende. Diese Entscheidung und Vanderbilt Whitneys Selbstver­ pflichtung, zeitgenössische amerikanische Künstler zu unterstüt­ zen – darunter Chanler, Cushing, Robert Henri, Ralph Blakelock und John Marin –, haben die US­Kunstgeschichte verändert. Doch womöglich lacht LeBoutillier zuletzt und am besten: Der­ zeit arbeitet er mit der Autorin Mary H. Quillen am Treatment für eine Historien­Serie, die „871 Fifth“ heißen soll. „Es wird eine amerikanische Version von ‚The Crown‘“, verspricht er. „Im Mit­ telpunkt: eine Erbin des Goldenen Zeitalters mit ziemlich heuti­ gen Vorstellungen von der Rolle der Frauen, zu Hause und in der Welt.“ Klingt nach einer Hommage an Gertrude V. Kamine, Samtsofa, Familienfotos und Oberlicht! In Gertrudes 18 Meter langem Atelier hat sich nichts verändert, nur dass ihre Bronzen (o.) nun an den pinken Wänden (im Fassadenton des ersten Whitney Museums an der 8th Street) schweben. Das Himmelbett (re.) im Gästezimmer stammt aus Vanderbilts Pariser Atelier.


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DESIGN Auktion 6. April www.dorotheum.com

„Solus“-Möbelobjekt, Entwurf Mimmo Paladino, 1989, für Meta-Memphis, Milano, € 22.000 – 28.000


Panorama Kunst, Bücher, Reise und Mobil

Foto: © 2020 ProLitteris, Zurich

Glamour, neusachlich Seine Signatur platzierte Christian Schad so auf der Armbeuge von „Maika“, dass man sie für ein Schrift-Tattoo halten könnte. Das Publikum des Jahres 1929 hätte solch ein body statement auch nicht sonderlich geschockt, zu tief hatte die katastrophische Erfahrung des Ersten Weltkriegs die Weltwahrnehmung umgekrempelt. Mondän wie bei Schad, sezierend wie bei Hannah Höch, abstrakt wie bei László Moholy-Nagy präsentieren sich die 1920er im Kunsthaus Zürich – ein Jahrzehnt aus „Schall und Rauch“. 24.4. bis 19.7. RK kuns thaus.ch

Redak tion Barbara G är tner, Andreas Kühnlein und Uta Seeburg

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Wenn das Unterbewusstsein solche Kerle hervorbringt wie die von Léopold Chauveau, dann ist es wohl nicht so finster. In Paris lässt sich nun sein fabelha es Kobold-Œuvre zum allerersten Mal bestaunen. Tex t G esine B orcherdt

Fotos: Patrice Schmidt / © Musée d’Orsay, dist. RMN-Grand Palais; Don de Marc Chauveau par I’intermédiaire de la SAMO, Musée d’Orsay, © droits réservés; Porträt: © droits réservés

Die MonsterAG


Panorama Kunst

E igentlich war er ja Arzt, aber gemocht hat Léopold Chauveau seinen Beruf nie. Dass er trotzdem Medizin studierte, lag an seinem autoritären Vater – einem Herzspezialisten im Paris des 19. Jahrhunderts – und wohl auch daran, dass Chauveau nicht so recht wusste, was er sonst mit seinem Leben anfangen sollte. Es muss diese Unsicherheit gewesen sein und das Gefühl, nirgendwo hinzugehören, was Chauveau bewog, Monster zu schaffen: handliche, rundliche, tragikomische Kreaturen, erst aus Holz und dann aus Bronze, die er oft mit Leinöl einstrich, was ihnen einen organisch-gelblichen Farbton verlieh. Man darf sie als Alter Egos des Künstlers verstehen, die sich wie ihr Schöpfer von ihrer Umgebung abgenabelt fühlen. Insgesamt 85 Stück sind es geworden, dem Unbewussten entstiegen und nun Gefährten eines imaginären Universums, das Chauveau den öden Berufsalltag vergessen lässt. 1905 legt er los, im Alter von 35 Jahren. Fünf Jahre spä-

ter folgen Zeichnungen und Illustrationen selbst verfasster Kinderbücher: Ulkige Ungeheuer leuchten hier in intensiven, warmen Farben und verströmen dieselbe Sanftmut wie ihre dreidimensionalen Kollegen. Bald bevölkern sie sogar das Alte und das Neue Testament oder die berühmten Fabeln von Jean de La Fontaine aus dem 17. Jahrhundert. Starrende Kopffüßler, stoische Affenwesen, staunende Vogelmenschen: Chauveaus Fantasie ist völlig eigen. Sie ist humorvoll, melancholisch und metaphorisch. Seine Märchen, anders als die Fabeln des damaligen Zeitgeists,

sind oft grausam und ohne jede Moral. Die Zeichnungen rücken in den Fokus, als er 1922 den Arztberuf an den Nagel hängt. Er heiratet seine zweite Frau, die finanziell unabhängig ist (seine erste Frau stirbt während des Ersten Weltkriegs) – doch Geldprobleme gibt es nun trotzdem: Die teure Herstellung von Bronzen muss dran glauben. Oder liegt es daran, dass Chauveau sie nicht mehr braucht? Schließlich war das Formen der Wachs- und Tonmodelle ja auch eine Therapie gegen den verhassten Beruf, der nun hinter ihm liegt. Chauveau stürzt sich ins Schreiben und Zeichnen. Sein Atelier ist sein Zuhause, er lebt und arbeitet umgeben von Ungeheuern, denen er sich mit derselben Hingabe widmet wie seinen Freunden und der Familie. Doch die Künstlerkarriere bleibt ihm verwehrt. Chauveau ist eben Autodidakt, ein stiller Typ und nicht gerade selbstbewusst. Dabei bewegt er sich durchaus in oberen Künstlerkreisen. Der Nabis-Bildhauer Georges Lacombe ist ein enger Freund, der Maler Pierre Bonnard illustriert sein erstes Buch „Les Histoires du

„Ich zeichne Monster – nette, süße, harmlose Monster –, lächerliche Monster neben den echten, lebenden Monstern, die jetzt die Welt auf den Kopf stellen“, hat Léopold Chauveau (o. im Kreise seiner Kerle) einmal geschrieben. Lange hat er sich danach gesehnt, als Künstler ernst genommen zu werden, erst jetzt, 80 Jahre nach seinem Tod, werden seine possierlichen Tierchen im Musée d’Orsay gezeigt. Das knitze „Monstre“ von 1908 (linke S.) ist gerade mal 14 Zentimeter hoch. In Klammern trägt es den Titel „Autoportrait“. „Paysage monstrueux“ nannte er seine Zeichnung links.

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Panorama Kunst

„Er fühlte sich Monstern nah, weil er sich Menschen fremd fühlte. Er brauchte die Nähe seiner Ungeheuer und betrachtete sie wie seine eigenen Kinder.“

Petit Renaud“, und der Schriftsteller und im Freundeskreis des Museums, auf einem Kulturpolitiker André Malraux plant eine Cocktailempfang mit einem Kurator des Ausstellung mit ihm, die aber nie zustan­ Hauses beisammen und erzählt ihm von de kommt. Sie alle sind von Chauveaus den Monstern seines Großvaters. Der Ku­ Eigenständigkeit fasziniert: Afrikanische rator wird hellhörig und scrollt durch das Skulpturen und japanische Holzschnitte, Fotoalbum seines Handys: Zwei Jahre zu­ ohne die Frankreichs Moderne nicht denk­ vor hat er in einer Galerie zwei seltsame bar ist, adaptiert Chauveau auf so neu­ Skulpturen entdeckt, Künstler unbekannt. artige, versonnene Weise, dass er sogar zweimal am Pariser Herbstsalon teilneh­ men darf. Und wer denkt bei seinem Personal nicht an die Wasserspeier, wie sie auf den Dächern von Notre­Dame sitzen, oder Monster, die in Japan und China Glücksbringer sind? Seit Kindertagen ist Chau­ veau von ihnen fasziniert. Es steckt also weit mehr in ihm als ein Hobbykünstler. Immerhin: Seine Bücher finden ihren Weg in den Verkauf. Und dank einiger Galerieausstellungen in Pa­ ris und London landen auch ein paar Skulpturen in privaten Wohnzim­ Der Enkel wirft einen Blick auf das Foto mern. Doch für mehr reicht es nicht. und nickt: Genau von der Sorte habe er vie­ Chauveau stirbt 1940, seine Monster gehen le bei sich zu Hause. Und so kam es, dass 526 Zeichnungen, unter in den Wirren des Krieges und der Nachkriegsabstraktion. 48 Skulpturen und Archivmaterialien als Da grenzt es schon fast an ein Wunder, Schenkung ins Museum wanderten und dass sie nun den Weg ins Musée d’Orsay nun die Ausstellung „Au pays des monstres. gefunden haben. Zumal die Geschichte da­ Léopold Chauveau“ – „Im Land der Unge­ hinter selbst wie ein Märchen klingt. Eines heuer“ – eröffnet. Kuratiert hat die Schau Abends steht Chauveaus Enkel, Mitglied Ophélie Ferlier­Bouat. „Es ist immer ein

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Risiko, eine Ausstellung mit einem völ­ lig unbekannten Künstler zu machen. Aber es ist auch das erste Mal, dass eine Schau explizit auch für Kinder gedacht ist.“ Sie dürfen Repliken der Skulpturen berühren und raten, welche Funktion ihnen inne­ wohnt: Sie waren nämlich nicht immer nur als Kunstwerke gedacht. Eine dient als Türklingel, andere sind zu Stofftieren genäht. Audio­ Podcasts mit Chauveaus Kindergeschichten und ein Raum, in dem man in seine Märchenbücher eintauchen kann, geben Einblick in die­ ses erstaunliche Werk, das alles andere ist als infantil. Flankiert wird es von Kari­ katuristen und Künstlern seiner Zeit wie Pierre Bon­ nard und Odilon Redon. Der Außenseiter Chauveau ist also endlich dort ange­ kommen, wo er hingehört. „Kunst zu machen war für ihn eine Flucht aus dem Alltag“, sagt Ferlier­ Bouat. „Er fühlte sich Monstern nah, weil er sich Menschen gegenüber fremd fühlte. Er brauchte ihre Nähe und betrachtete sie wie seine eigenen Kinder.“ Mag sein, dass nicht jeder Künstler einen Job hat, aus dem er fliehen muss. Doch die besten sind ge­ nau das: Außenseiter. „Au pays des monstres. Léopold Chauveau“ ist bis 29. Juni im Pariser Musée d’Orsay zu sehen. m . mu see - or say.fr

Fotos: Patrice Schmidt/© Musée d’Orsay (4); Patrice Schmidt/© Musée d’Orsay, dist. RMN-Grand Palais

O phélie Ferlier- B ouat

Verwundert schauen sie in die Welt, putzig, aber auch ein wenig grantig. Selbst das „Kuschelmonster“ (u.) biedert sich nicht niedlich an. Für Chauveau waren sie wie Alter Egos. Nur die vogelartige Bronze auf der rechten Seite u. rechts heißt „Tante Louise“ (1911). „Man landet schnell im Reich der Monstrosität, wenn man die Fantasie schweifen lässt“, fand er. Re. Seite: „Tapahuac“ (oben links, 1910) ist aus Gips, genauso wie die grüne Echse („Monstre“) daneben und der kleine Kerl unten li. („Monstre, esquisse“).


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Panorama Kunst

Mein Freund, der Baum … ist groß. Im Kino, am Kiosk – und nun auch im Museum: „Among the Trees“ heißt eine famose Gruppenausstellung (u. Abel Rodríguez’ „Terraza Alta II“, 2018) mit viel Blätterraunen. B is 1 7. 5 ., Hay ward G aller y, London,

Stillleben

Freche Früchtchen

Obst steht seit der Antike mal für FruchtZhanna Kadyrovas „Market“ (o., 2017), gebarkeit, Liebe, Versuchung, mal für Verfertigt aus Zement und Keramikfliesen, gänglichkeit. Peter Antons Plastik „Slice of war der vitaminreichste Beitrag der letzten Biennale Venedig. Der Stand ist bis zum Watermelon“ (o., 2019), von 18.4.–4.10. in der Schau „Iss mich!“ der Kunsthalle Karls- 17.5. im Sara Hildén Art Museum in Tampere ruhe dabei, kann alle emen gut rocken. bei der Gruppenschau „Still Still Life“. kuns thalle -karlsruhe.de

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Redak tion Barbara G är tner

tamp ere.f i /sarahilden, galleriacontinua.com

Die drei berühmtesten Bananen der Kunstwelt klebte Maurizio Ca elan an die Wand der Art Basel Miami Beach – und verkau e zwei für je 120 000 Dollar. Nun gibt es „Comedian“ auch unverderblich auf T-Shirts. Für 22,50 Euro. Ein Schnäppchen. s tore.p errotin.com

Fotos: Courtesy the artist and Instituto de Visión; © Rebecca Fanuele; Karley Sullivan, Courtesy the artist und Roberts Projects, Los Angeles, CA; Courtesy of The Estate of Geta Brătescu, Hauser & Wirth and Ivan Gallery Bucharest; Ela Bialkowska, Okno Studio; Courtesy Gallery Perrotin; © Peter Anton, Courtesy Davis Klemm Gallery, Wiesbaden

southbankcentre.co.uk /venues/hay ward- galler y


Bitte mal durchlüften! Als das MoMA nach der Renovierung im Herbst wieder öffnete, war die Welt eine andere und das MoMA auch. Denn das New Yorker Museum, gegründet als Hort weißer toter Moderne-Männer, gab sich plötzlich very now: diverser, jünger, weiblicher – und das Fenster in diese Welt war ausgerechnet die große Be e Saar, deren wichtigste Assemblagen seit den Siebzigern von Fensterrahmen (rechts „Mystic Window for the Universe“, 1972) gehalten werden. Nun ehrt die Kölner Gesellscha für Moderne Kunst des Museum Ludwig Saar (die als „Gewissen der Kunstwelt“ gilt) mit dem Wolfgang-Hahn-Preis – wir gratulieren! 2 2 .4 .–2 6 .7., ge sellschaf t-museum -ludwig.de

Ladykracher Humor in der Gegenwartskunst verpufft oft in Ironie oder Klamauk. Die Pariserin Hélène Delprat ist gut – und komisch, wie bis 24.5. ihre Ausstellung (links „The Don’t Show Show“, 2019) in der Kunsthalle Gießen zeigt. kuns thalle - giessen.de

Modern auf ganzer Linie Ihren Durchbruch feierte Geta Brătescu 2017 – mit 91 Jahren. Ein Jahr später starb die Großmeisterin der rumänischen Kunst, ihr Vermächtnis (rechts Still aus „Linia“, 2014) verwaltet nun die Großgalerie Hauser & Wirth und wandert retrospektiv durch Museen. Jetzt macht es Station in Sankt Gallen. 2 5 .4 .–2 0. 9., kuns tmuseumsg.ch


Panorama Bücher

Redak tion Oliver Jahn und Uta Seeburg

1 Tiefe Einblicke Die Reihe „Meisterwerke im Detail“ zeigt die Arbeiten alter Meister so nah, als würde man mit der Nasenspitze dranstoßen, im Fall oben etwa an den Genter Altar Jan van Eycks. Man schaut wie durch die Lupe und kann nur staunen – über einen Faltenwurf, eine schimmernde Perle, eine akribisch ausgearbeitete Fliese.

2 Being Raffael Raffaels 500. Todestag im April ist Grund genug für so einige neue Titel, die sich dem „Gott der Malerei“ widmen. Der Band von Ulrich Pfisterer ist da ein besonders tiefgehender, hinterfragt er doch etwa den vermeintlichen Biografen Vasari und bemüht dafür andere Quellen: ein komplexer Blick auf den Meister der Madonnen.

3 Licht ins Dunkel Er ist nicht der Erste, der einem unter dem Schlagwort Renaissance einfällt, dafür mäandert Hans Baldung Griens Werk reizvoll in den Grauzonen zwischen strahlender Verkündigung und rätselhaftem Dunkel. Der Katalog zur großen Schau in der Karlsruher Kunsthalle dokumentiert diesen visuellen Reichtum.

4 Vor dem Quadrat Josef Albers, das ist der Bauhäusler mit dem Quadrat – rund 2000 Mal soll er seine „Homage to the Square“ durchdekliniert haben. Das Frühwerk vor seinem Eintritt ins Bauhaus Weimar 1920 ist dagegen weitgehend unbekannt. So blättert man sich hier durch überraschende Studien, Porträts und Stillleben.

Van Eyck: Meisterwerke im Detail. Bernd Detsch, 256 S., 29,95 Euro.

Raffael: Glaube, Liebe, Ruhm. C. H. Beck, 384 S., 58 Euro.

Hans Baldung Grien: heilig | unheilig. Deutscher Kunstverlag, 504 S., 40 Euro.

Der junge Josef Albers: Aufbruch in die Moderne. Hirmer, 192 S., 45 Euro.

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Cover- und Innenabbildung: Hugo Maertens, Der Genter Altar, Die singenden Engel, St.-Bavo-Kathedrale, Gent; © Verlag Bernd Detsch; © C. H. Beck; © Deutscher Kunstverlag; © Hirmer Verlag

Leseprobe


BUSINESS

84 SEITEN BUSINESS-SPECIAL! + Bayern-Boss Herbert Hainer und vier weitere Top-Player verraten, wie es mit der zweiten Karriere klappt

+ Die besten Uhren für den Business-Lunch

+ Was wir vom Silicon Valley lernen können

+ Wie Räume unser Denken beeinflussen

+ Interview mit

Illustration: Señor Salme. Foto: Lachlan Bailey

den Machern von „Bad Banks“

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Panorama Reise

Und David Bowie weinte still Gute Dinge brauchen Zeit zum Wachsen. Selten wird das so deutlich wie im „Aman Kyoto“, das 20 Jahre vom Papier bis zur Wirklichkeit brauchte. Tex t Florian Siebeck

D er Garten des Herrn Asano lag in einem kleinen Tal im Nordosten Kyotos. Im Gegensatz zu anderen, penibel getrimmten Anlagen schienen die Bäume hier auffallend urwüchsig zu sein – ein acht Hektar großes Tableau aus einheimischen Pflanzen und alten Felsen, die den Fundamenten zerfallener Tempel ähneln. Herr Asano pflegte den Garten, der vor 400 Jahren in der alten Kaiserstadt angelegt wurde, mit großer Sorgfalt und Hingabe. Der Textilmagnat war einer der angesehensten Sammler von Obis: Kimono-Zierschärpen aus Baumwolle und gefärbtem Seidenbrokat. Eines Tages wollte er hier, zwischen Zedern, Zypressen und Yuzubäumen, sein eigenes Museum eröffnen. Doch eine Baugenehmigung bekam er nie. Und so wartete und wartete Asano-san und starb, ehe er sein Lebenswerk vollenden konnte. Der Garten ruht auf einer Reihe von Plateaus, die ursprünglich als Standorte für die Gebäude des Museums gedacht waren. Sie bilden heute die Grundlage für die sensibel gestalteten sechs Pavillons des „Aman Kyoto“, auf die sich 26 Zimmer verteilen. Erdacht wurden sie vom australischen Architekten Kerry Hill, der mit seinem Sinn für erhabenes Understatement schon das „Aman“ in Tokio und das „Amanemu“ entwarf. Er entdeckte das Grundstück vor 20 Jahren. „In Kyoto sollte eigentlich das erste Aman Japans entstehen“, sagt Mitarbeiterin Akane Murakami, die durch den Garten führt. Es wäre ein Akt von Symbolkraft gewesen, gerade weil das Aman-

Fotos: © Aman Resorts

Japan mit allen Sinnen erleben: Das Tokonoma, die traditionelle Schmucknische (hier mit einem modernen Rollbild von Sakai Yuji), dient weniger dekorativen Zwecken, sondern soll dem Schatten Tiefe verleihen, indem es einfallendes Licht ansprechend reflektiert. Das Restaurant „Taka-an“ (rechts oben) serviert klassische Washoku-Küche.


Im Schatten des Waldes: Die Gäste finden im „Living Pavilion“ zusammen, der das Herzstück des Hotels bildet. Seine Fassade ist den Holzzäunen nachempfunden, die sich an der Außenseite alter Machiya-Häuser befinden. Hier gibt es Nachmittagstee oder Obanzai – die traditionelle Küche Kyotos, bei der mindestens die Hälfte der Zutaten aus der Region kommen muss.

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Das Spa des „Aman Kyo­ to“ ist mit einem Roten­ buro ausgestattet, einer heißen Quelle im Freien. Ein Waldbad ist aber auch im Garten möglich, etwa an moosbewach­ senen Wegen (u. rechts), die von Zierahornen und japanischen Zedern in Alleen eingefasst werden. Das Stück Land bewäs­ sert sich über zahlreiche versteckte Höhlen und Wassertunnel selbst.

Design stark von Japan inspiriert ist: eine zeitgemäße Interpretation des traditionell japanischen Ryokans in der Stadt der Gärten und Paläste, Wiege der Teezeremonie und Geisha-Kunst. Doch die Behörden lehnten wieder ab: Dies sei ein Wohngebiet, hier könne höchstens ein Privathaus stehen. Aman Resorts kaufte diese Oase der Achtsamkeit trotzdem, denn einen Garten gleicher Güte zu finden wäre vollkommen illusorisch gewesen. Die über Generationen hergeschafften Felsblöcke, die über Jahrzehnte gewachsenen Nuancen des Grüns; zwischen denen farbige Ahornblätter wie Wolken schweben; die Blütenpracht der Pflaumen, Kirschen, Päonien und Hortensien, die den Garten durch die Zeiten

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trägt. Und tatsächlich: Der politische Wind drehte sich, Aman durfte bauen, ganz leise Häuser, die mit ihrer geschwärzten Fassade fast im Schatten der hohen Sugi-Bäume untergehen. Die raumhohen Fenster der minimalistisch gehaltenen Zimmer, die einem Washitsu, dem traditionellen japanischen Raum, nachempfunden sind, geben ihrem Grün einen ehrwürdigen Rahmen. In jedem Pavillon steht ein Ikebana-Arrangement hinter einem kleinen Tisch in einer Schmucknische, die mit einem Rollbild ausgestaltet ist. „Früher hatte jedes Wohnhaus diese Alkoven, um Artefakte und Pflanzen im Wandel der Zeiten auszustellen“, erzählt Murakami. „Für die Götter, aber auch für die Gäste des Hauses.“ Die Tatamimatten auf dem Boden schmeicheln den Füßen wie weiches Gras; die Wände sind mit hell duftendem Holz verkleidet, Schränke öffnen und schließen geräuschlos zur Seite. Selbst das Badezimmer, das fast die Hälfte der Suite einnimmt, versteckt sich hinter Türen aus feingliedrigen Lamellen. Dort steht eine stattliche Ofuro-Badewanne aus Hinoki-Zypressenholz – ganze 30 Minuten dauert es, bis sie gefüllt ist. Das natürliche Quellwasser, aus dem sich hier alles speist, fließt auch durch den Onsen im Herzen des Gartens, der „Shinrin-yoku“, der dem japanischen „Bad im Wald“, eine neue Dimension gibt. Obwohl das „Aman“ fernab des Stadtkerns liegt, sind mehr als ein Dutzend Unesco-Welterbestätten in direkter Nachbarschaft. Eine Erkundungstour auf dem Fahrrad mit Sakura-san, einer Stadtführerin, ermöglicht Einblicke in Kyoto, die Touristen gewöhnlich verborgen bleiben. Wir fahren zum Tempel Kinkaku-ji, dessen Kleid aus Blattgold in der winterlichen Morgensonne glänzt. Eigentlich, sagt sie,


Panorama Reise

A k a ne Mu r a k a m i

„Früher hatte jedes Haus solch eine Schmucknische, in der traditionell Artefakte und Pflanzen im Wandel der Zeiten ausgestellt werden.“

Fotos: © Aman Resorts

Mit Tatamimatten, Schiebewänden, -türen und einem tiefen Tisch samt Sitzkissen vor einer Nische nehmen die Zimmer (o.) Anleihe bei einem Washitsu, dem traditionellen japanischen Raum. Bodentiefe Fenster geben dem Garten (u.) einen ehrwürdigen Rahmen.

sei es hier viel zu touristisch, „aber er ist dann doch einfach zu schön“. An­ schließend radeln wir zu versteckteren Orten – zu Sakuras Lieblingsbäckerei, ei­ nem alten Sushi­Meister, ins Geisha­Vier­ tel Gion, zum Zen­Garten des Shoden­ ji­Tempels. „Kaum ein Mensch verirrt sich hierher“, sagt Sakura­san. „Aber David Bowie war einmal da, das muss Ende der Siebziger gewesen sein. Man erzählt sich, dass die Tränen ihn übermannten, als er den Garten erblickte.“ Wir schweigen und sind fast selbst den Tränen nahe, als sich plötzlich, ganz unvermittelt, der erste Schnee des schon vorüber geglaubten Win­ ters auf den Kies legt. Auf dem Rückweg kommen wir an der Higuchi­Farm vorbei, von der das „Aman“ sein Gemüse bezieht. Sakura­san kauft ei­ nen Daikon, japanischen Rettich. „Den frit­ tiere ich und serviere ihn mit Zucker, Soja­ sauce, Sesam und Reis.“ Mir packt sie eine

japanische Steckrübe in den Fahrradkorb. „Die lassen wir später kochen!“ Offenbar ein Novum im hauseigenen Restaurant „Taka­an“ von Chefkoch Koji Mita, wo diese Art des Farm­to­table belustigt zur Kennt­ nis genommen wird. Im Zehn­Gänge­Me­ nü zwischen Kabeljautofu mit Seeigel und kleinen Ayus, die so frisch sind, dass sie „nur im Februar und nur in Kyoto gegessen werden können“, findet aber auch die Rübe ihren Platz: im Ganzen gegart, gefüllt mit einer Paste aus Miso und Ei. Der Spaziergang zurück in die Suite führt durch den dunklen Wald, das „Aman“ ist nachts kaum beleuchtet. Auf den Boden legt sich ein Teppich aus Moos; der Garten ist Kerry Hill gewidmet. Er starb vor an­ derthalb Jahren, ehe das „Aman Kyoto“ vollendet wurde. Sein Geist aber wird wei­ terleben, hier und jetzt und für alle Zeit. Suite ab 1175 Euro. aman.com

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Geschichte im Gepäck Als hätte diese Kollektion schon immer in den Archiven von Berluti geschlummert, so stellte sich Designchef Kris Van Assche die Reiselinie „Signature“ vor, die in Kooperation mit Globe-Trotter entstand (unten ein Köfferchen für den sachgemäßen Uhren-Transport, 3140 Euro). Ab April erhältlich. b erluti.com

Gangs of Sydney In den 1880er-Jahren eröffnete die „Trinity Bar“, ein Irish Pub in Sydneys Stadtteil Surry Hills. Möglich, dass hier auch die Frau verkehrte, die den Namen der neuen Bar über der alten Kneipe inspirierte: Tilly Devine war in den Twenties und Thirties eine gefürchtete Unterweltgröße, die mit einigen anderen Frauen Sydneys Straßen beherrschte. Designteam Alexander & Co. legte für das „Tilly May’s“ den rauen Charakter der Dachbalken frei; dezenter Vintage-Look raunt von bewegten Zeiten.

Rein in die Kaninchenhöhle Es ist ein bisschen, als würde man dem weißen Kaninchen folgen: Durch die Eingangstüren des neuen „Gekko House“ im Frankfurter Gallusviertel fällt man in eine hallenartige Bar, in der Steaks auf dem Grill zischen; von dort führt ein schmaler Durchgang in eine schön schummrige Lobby, in der sich hinter bühnenhaften Samtvorhängen ein Automaten-Späti aus der Dunkelheit herausschält. In den 128 Zimmern und Suiten (links einer der „Select Balcony Rooms“) hat das Wunderland schroffe Betonwände, dunkle Grüntöne und gediegenes Fischgratparkett. DZ ab 110 Euro. gekko -house.com

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Redak tion Uta Seeburg

Fotos: Anson Smart; Berluti; Alan Keohane; Tom Ferguson (2); Steve Herud/Gekko Group

trinit ybar.com.au


Reise Neuheiten

Palastpracht Für das „The Oberoi Marrakech“ schufen Architekt Patrick Collier und Interiordesignerin Hayat Kabbaj nichts weniger als einen imposanten Palast: eine Alhambra-Fantasie vor der unwirklich schönen Kulisse des Atlas-Gebirges, DZ ab 517 Euro. ob eroihotels.com

Art déco revisited Das „Tattersalls Hotel“ im australischen Armidale, ein viktorianischer Bau von 1854, erlebte seine goldenen Zeiten in den 1930ern. Das Interior-Duo Luchetti Krelle lässt das Art déco in den 25 Zimmern und Suiten auferstehen, ohne je in bloßes Zitieren abzugleiten, DZ ab 199 Dollar. tat ter sallsarmidale.com.au

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Die Zukunft,

im Kreis gedacht Daniela Bohlinger ist bei BMW für „Sustainability in Design“ verantwortlich. Wir haben sie gefragt, worum es sich bei der Gestaltung nachhaltigerer Mobilität wirklich dreht.

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Panorama Mobil

Inter view Andreas Kühnlein Por trät Fritz B eck

F rau Bohlinger, wie designt man das Auto der Zukunft? Daniela Bohlinger: Für mich lautet die Fragestellung: Wie muss ein zukunftsweisendes Design beschaffen sein? Eines, das verantwortungsvoll mit den Ressourcen umgeht und sicherstellt, dass wir auch in 20 Jahren noch relevant sind. Und überhaupt noch Ressourcen haben, um weiter Produkte bauen zu können. Und wie sieht dieses zukunftsfähige Auto aus? Die Frage ist, ob es überhaupt noch ein Auto ist. Nennen wir es lieber „zukunftsfähige Lösung“, quasi als Mobilitätskonzept. Wir müssen Fahrzeuge als Teil eines Systems denken. Ob zum Beispiel ein weiteres Wachstum in der Architektur zweckführend ist, wage ich angesichts der Verknappung von Rohstoffen zu bezweifeln. Trotzdem werden Autos derzeit immer größer, oder? Wir lassen den Kunden die Wahl zwischen verschiedenen Klassen – und tatsächlich entscheiden sich viele für größere Fahrzeuge. Spricht ja auch einiges dafür: bessere Sicht, man kann bequem aus dem Stand den Kofferraum beladen und einsteigen, ohne sich zu bücken. Dazu das Sicherheitsempfinden. Wenn man aber nach Asien oder Amerika blickt, sind unsere Autos immer noch eher klein, was auch mit der Struktur unserer Städte zusammenhängt. Aber es gibt auch die Gegenrichtung, Japans Kei-Cars etwa … Absolut, und wir können mit unserem Markenportfolio beide Richtungen bedienen. Worauf es ankommt, ist, beide gleichermaßen nachhaltig zu denken – das gilt für Mini wie Rolls-Royce. Letzterer ist ein massiver Materialträger, dafür ist die Haltbarkeit unübertroffen. „End of Life“, das gibt es da nicht. Gehört zu Ihrer Aufgabe auch so etwas wie Erziehung? Durchaus. Ich kenne keine Industrie, die so weit in die Zukunft vorausgeht; das bringt schon eine meinungsbildende Qualität mit sich. Wir können die Menschen nur nicht jedes Mal fassungslos machen mit einem neuen digitalen Erlebnis oder total überraschendem Interieur. Sondern müssen sie schrittweise hinführen. Wohin denn eigentlich genau? Ich wünsche mir natürlich, dass Kunden sich neben der Ästhetik auch stärker mit verantwortungsvollen Produkten auseinandersetzen. Das sollte Stück für Stück selbstverständlich werden, wichtiger als der Blick auf das Preisschild. Am Ende wird es die Wahl der Kunden sein, und wir alle werden mehr Verantwortung übernehmen müssen, nicht nur im Automobilbereich. Dabei haben wir ja Verantwortung für das ganze System „BMW“, für unsere Mitarbeiter, unsere Werke. Außerdem werden unsere Kunden nicht einfach weltweit die gleichen Entscheidungen treffen. Märkte unterscheiden sich, wie gesagt, und am Ende wollen wir alle mitnehmen. Wie verändert sich dadurch die Rolle des Designers? Es geht ganz grundsätzlich um einen holistischen Blick auf das Gesamtprodukt. Ich selbst komme aus dem Produktdesign, dazu

gehört ein Konzept, ich muss die Materialwahl ebenso bedenken wie die Herstellung, Lieferketten, die Nutzungsphase und deren Abschluss: Was passiert mit dem Produkt, wenn es am Ende seines Lebenszyklus anlangt? Das geht dann weg von rein ästhetischen Fragen hin zu einem purpose driven design. Das von Anfang an die Materialien mitdenkt: Was steckt drin – und in wie vielen Bauteilen? Und wie bekomme ich die am Ende wieder raus? Ein Stuhl besteht aus zwei, drei, vielleicht zehn Einzelteilen, ein Auto aus 10 000. Wie viel davon ist überhaupt recycelbar? Gerade untersuchen wir, was je nach Bauteil den kleineren CO2Abdruck hat: Recycling oder Entsorgung? Das ist gar nicht so eindeutig. Dann gibt es zwei Wege: Man kann Materialvielfalt und Komplexität reduzieren, ohne an ästhetischem Anspruch einzubüßen. Oder man ersetzt Verbundstoffe durch Basismaterialien, die sich leichter recyceln lassen. Gerade haben clevere Kollegen eine Fußmatte entwickelt, die statt aus sechs Materialien nur aus einem besteht. Trotzdem hält sie stand und sieht schön aus. Darum geht es. Das Wichtigste ist der ästhetische Anspruch – Nachhaltigkeit darf da kein Rückschritt sein, im Gegenteil: Eine Überhöhung von Ästhetik kann uns helfen, Nachhaltigkeit auch zu verkaufen. D a n iel a B oh l i nger

„Design ist viel mehr als bloß Ästhetik – wir müssen in Systemen denken.“ Was mit der Geschichte zusammenhängt, die man erzählt … Definitiv, und die Geschichte von Nachhaltigkeit ist fantastisch – sie heißt eben nicht einfach nur Verzicht. Sondern sich bewusst zu sein, dass man ein Teil des Ganzen ist, aktive Entscheidungen treffen und dabei Verantwortung übernehmen kann. Was BMW i auch in aufregende Formen übersetzt hat … Als Innovationsmaschine ist „i“ viel mehr als nur ein Auto, eher eine grundsätzliche Haltung, die wir dann zu Anfang in zwei sehr strahlkräftigen Autos manifestiert haben. Das war ein Signal nach innen – und natürlich ein Angebot an Leute, die sich als early adopters verstehen und ein bisschen weiter sein wollen als der Rest. Braucht auch das Thema Kreislaufwirtschaft eine derart radikale Formensprache, damit man es versteht? Der Nutzer muss nicht jeden Schritt nachvollziehen. Aber er merkt vielleicht, dass sich die Reparaturfähigkeit seines Autos plötzlich extrem erhöht. Wenn man komplexe Bauteile vereinfacht, sind sie auch leichter zu reparieren. Außerdem könnten Upgrades die Lebensdauer weiter erhöhen und das Auto immer wieder auf den neusten Stand bringen. Wenn dann der alte Sitzbezug nicht weggeworfen, sondern recycelt wird, sind wir schon ziemlich weit.

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SHOP.VOGUE.DE


Leben

in Paris, West Sussex, München, Margate und in den Cotswolds

Aus edlen Motiven

Foto: Luis Ridao

Die Wohnung, die Schmuckdesigner Sei Takeichi in Paris bezog, war sehr speziell: an fast allen Wänden Toile de Jouy! Im Masterbedroom durfte das urfranzösische Muster bleiben – schließlich verträgt es sich allerliebst mit Ionna Vautrins „Binic“-Lämpchen!

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Paris

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Diplomat der Dinge Der Künstler Pepe López Reus reist durch die Welt und sammelt Inspirationen, Kulturtechniken, ja sogar Mülltüten ein – und verwandelt sie unter dem eleganten Stuck seines Pariser Zuhauses in zauberhafte Werke. Willkommen beim Fest der Farben!

Bonjour in Bunt: Rund um das Vintage-Schränkchen im Flur stehen die venezolanischen Trommeln „Todasana“ von Pepe López Reus (linke Seite). Sie sind von Hand bemalt, wie auch die Fußmatten „Arte en el tapete“, die Logos der französischen Nationalmuseen abbilden.

Tex t & Produk tion Ana Cardinale Fotos Mat thieu Salvaing



Pe p e L óp ez Re us

„Mit meiner Kunst suche ich nach Herausforderungen. Jedes Problem liefert neue Ideen.“ Der Ausblick aus einem New Yorker Hochhaus in­ spirierte López Reus zu „Fantastic Plastic“, einer Assemblage aus Pflas­ tern und Klebebändern, die im Salon alle Blicke auf sich zieht. Der Ess­ tisch ist von Studio Car­ me Pinós. Auf López Reus’ Teppich „Bromelia“ steht Sacha Lakics Sofa.

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Die Wolldecke von López Reus mit dem Titel „Heart of Petare“ hat der Kunsthand­ werker Wayuu Martín Segundo Machado handgewebt. Auf dem Boden liegt ein Woll­ teppich aus der Kol­ lektion „Invisible Cities“. Geweih­Appli­ ken „Superordinate Antler“ von Jason Miller für Roll & Hill.

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Ganz in Grün leuchtet das Entree (links) mit Foto­ grafien von Nicola Rocco. Eine alte Holzkiste dient als Basis für Castiglionis Leuchte „Snoopy“ (Flos). Für „Black Friday“ (u.) knotete López Reus alte Plastiktü­ ten an einen Einkaufswagen – als Anspielung auf die Verschwendung in unserer Konsumgesellschaft.

Vor der Küchentür und einem Rund­ fenster (li.) baumelt „El jardín por­venir“ aus Draht und bun­ tem Plastik. Die Körbe re. aus der Kollektion „Guapí­ simas“ bemalte López Reus mit den Logos der Luxus­ industrie. Leuchte: Lindsey Adelman Studio. Tulip Table von Eero Saarinen.


P epe López Reus ist ein Weltreisender. Seit Jahren pendelt der venezolanische Künstler zwischen Caracas und Paris, sein Lebensmittelpunkt allerdings liegt in Paris. „Das ist nicht nur eine Stadt, sondern ein ganzes Universum. Hier hat man das Gefühl, einen Schritt voraus zu sein, Paris ist magisch anziehend.“ Sein Appartement (und das Atelier darunter) liegt in einer der elegantesten Ecken der Hauptstadt. „Ich wohne in einem kunstund geschichtsträchtigen Viertel, nicht weit entfernt vom Musée d'Orsay.“ Die Architektur des Gebäudes bietet den Rahmen für ein elegantes und modernes Interieur: eine für die Bourgeoisie des 19. Jahrhunderts typische Wohnung mit Stuck, Marmorkaminen und Versailler Tafelparkett. Doch diesen Räumen hat er eine neue, kosmopolitische Ebene hinzugefügt, sie vibrieren geradezu vom Esprit und den Leidenschaften des Hausherrn, der sich in seiner Kunst mit Ökologie, Medienkonsum und digitaler Reizüberflutung beschäftigt. Diese Themen des Alltags transportiert er vielfältig: Mal sind es Performances oder Videos, dann wieder Objekte, Installationen, Collagen, Gemälde, Skulpturen und sogar Wandteppiche. Wenn es eine Eigenschaft gibt, die Pepe López Reus definiert, dann ist es wohl seine unermüdliche Neugierde. Von seiner Wohnung spricht er wie von einem Experimentierfeld: einem Ort, der sich ständig wandelt. Alle Objekte hier sind der Veränderung unterworfen und zugleich eine Quelle der Erinnerung; spaziert man von einem Raum in den nächsten, meint man, verschiedene Kontinente zu durchqueren. In einer Ecke etwa versammeln sich Trommeln aus der venezolanischen Gemeinde Todasana, ein Symbol des Protests gegen die Sklaverei. Auch Debatten um Konsum und seine Folgen für die Gesellschaft sind in

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seiner Arbeit sehr präsent. Davon zeugen die traditionellen Körbe, auf die er Mode-Logos gemalt und gewebt hat – und so die kapitalistische Aneignung und Ausbeutung von kulturellen Codes indigener Gesellschaften adressiert. Gelegentlich flaniert der Künstler auch mit einem Einkaufswagen durch Städte und filmt seine Tour, während er Plastikmüll aufsammelt. Später verwandelt er die Fundstücke in Objekte – das Ergebnis: eine poetisch-luftige Installation, die nun im Salon auf die nächste Ausstellung wartet. „Wir sind für die Umweltkatastrophe verantwortlich, die Plastik ausgelöst hat. Kunststoff muss jetzt Teil der Lösung sein. Er hat unglaubliche Eigenschaften und kann nicht komplett ersetzt werden. Das Problem ist nicht das Material an sich, sondern der Missbrauch: Plastik muss nicht mehr produziert werden, es sind bereits Unmengen im Umlauf, die wir recyceln können. Auch in der Kunst, im Design oder in der Mode.“ Die Auseinandersetzung mit der Verschmutzung des Planeten ist für ihn von großer Bedeutung. „Mein Werk ist geprägt von der Suche nach einer Herausforderung: Jedes Problem öffnet die Tür für eine neue Idee. Je schwieriger die Situation, desto ausgefeilter das Ergebnis.“ Überall in dieser Wohnung leuchten die Farben. Am Eingang und in der Küche strahlen die Wände in zartem Salbeigrün, und selbst dort, wo sich Wandfarbe in Weiß zurückhält, hüpfen satte Töne auf Teppichen und Objekten hervor. „Ich nehme immer verschiedene Blickwinkel ein, wenn ich mit alltäglichen Gegenständen arbeite: Geometrie, Materialien, Licht und Farbe sind wichtige Aspekte. Ebenso wie Struktur, Montage, Ausführung und sogar Logistik – Gesichtspunkte, die auch in meiner Ausbildung zum Bauingenieur elementar waren.“ Die Wohnung erstreckt sich auf zwei Ebenen, die Küche mündet in einem langen Flur, der zu zwei Schlafzimmern und ihren Bädern führt. Den Weg ins Untergeschoss säumen Wollgarne – und wirken wie eine Arbeit von Sheila Hicks. Auch wenn seine Werke in Paris entstehen, die Inspirationen sammelt Pepe López Reus auf seinen Reisen durch die ganze Welt. Und dorthin schickt er die Kunst dann zurück – zu Ausstellungen in New York, London, Miami oder Caracas. „Ich mag die Idee, ein kultureller Schmelztiegel zu sein, unabhängig zu sein, Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Reisen ist so anregend, dass ich darauf nicht verzichten möchte.“

Immer wieder greift López Reus Themen aus seiner Heimat Venezuela auf: Die Körbe „Guapísimas“ (li. oben) erzählen von der Verschmelzung indigener mit westlicher Kultur.Die Trommeln „Todasana“ (rechts) zeugen vom Stolz einer Gemeinde afrikanischer Abstammung.


Vom Wohnzimmer aus führt eine Wendeltreppe hinunter ins Atelier von Pepe López Reus. Die Wollgarne am Geländer dienen dem Künstler als Anregung zum Nachdenken und halten wie andere Alltagsmaterialien auch immer wieder Einzug in sein vielfältiges und buntes Werk.

Pep e L óp ez Re us

„Manchmal fühle ich mich wie eine Art melting pot. Ich liebe es, Dinge vielseitig zu betrachten.“


West Sussex

Ist es eine Kirche? Ein Aquädukt? Eine Indus­ trieruine? Aus der Fer­ ne entzieht sich die Nit­ hurst Farm von Adam Richards zunächst jeg­ licher Kategorisierung, weil sie mehrere Archi­ tektursprachen ver­ webt. Unter der dicken Ziegelfassade steckt ein Monolith aus Beton.


Tarkowskis Traum Ein Haus, in dem nichts ist, wie es scheint. Der Architekt Adam Richards schuf aus Beton, Ziegel und seiner Filmleidenschaft eine tollkĂźhne Farm, in der Schein und Sein nah beieinanderliegen.

Fotos: Brotherton-Lock/Photofoyer

Tex t Florian Sieb e ck

Fotos Brother ton - Lock


Spirituelle Reise: Eine janusköpfige Barock­ skulptur weist dem Be­ sucher den Weg ins Wohnzimmer (re. S.), das Adam Richards’ Interpretation von Tar­ kowskis „Raum der Wünsche“ ist – und als einziges einen Zugang zum Garten hat. Sisal­ teppiche und Möbel in freundlichen Farben brechen mit der bru­ talistischen Ästhetik.


Adam Richards

„Die Rückseite der Fassade ist von innen sichtbar – als hätte man eine alte Ruine über ein modernes Haus gestülpt.“

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Dass die Kücheninsel früher ein Billardtisch war, verrät nur noch die Auflage aus Schiefer. Das Fenster dahinter lässt die Landschaft nur erahnen; das Zusammenspiel aus altrosafarbenem Vorhang und grauem Beton, wie die Schalung ihn schuf, ist eine Referenz an das Gemälde „Saint Jerome in his study“ von Hendrick van Steenwyck dem Jüngeren.

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Adam Richards

„Wir können vielleicht nicht die Regeln der Physik aushebeln, aber wir können durchaus mit der menschlichen Wahrnehmung spielen.“

Beistand von oben: Hausherr Adam Richards (re.) komponierte das Haus aus allerlei Referenzen. Im Wohnzimmer (oben) mit antiken Wandteppichen, auf denen Grafiken von Robert Mangold hängen; in der ersten Etage (u.) mit einer Himmelstreppe zu den Schlafzimmern, die Richards’ verstorbenem Vater gewidmet ist.


Außen Backstein, innen Beton: Die Architektur (re.) von Adam Richards erscheint gleichzeitig historisch und modern. In der Küche (oben) stehen Thonet-Stühle und ein Tisch aus dem frühen 19. Jahrhundert, an einer Wand (unten) wirkt eine Textilarbeit der Bouroullec-Brüder für Kvadrat wie ein zeitgenössisches Altarbild.


A

usgerechnet der düstere sowjetische Science Fiction-Film „Stalker“ war es, der die Inspiration für ein Landhaus im beschaulichen West Sussex war. „Ich weiß, es ist seltsam“, sagt Adam Richards. Der Architekt aber ist wie besessen von Andrei Tarkowskis Meisterwerk, das von drei Männern handelt, die durch ein postapokalyptisches Sperrgebiet ziehen. Der Sehnsuchtsort dieser Ödnis ist ein Raum, der die innigsten Wünsche in Erfüllung gehen lassen soll – falls man nicht auf dem Weg dorthin stirbt. „Es gibt gewisse Parallelen zum Hausbau“, sagt Richards. „Und zwar: sich auf eine Reise zu seinem inneren Selbst zu begeben, um für sich einen Ort in der Welt zu finden, um anzukommen.“ Den Schafen vor dem Haus ist das offensichtlich egal. Mit fast toskanischem Wohlwollen scheint die Sonne auf sie herab. Das Haus liegt in einer Kuhle und doch seltsam erhaben, umgeben von den dichten Wäldern des South-Downs-Nationalparks. Dass Adam Richards überhaupt hier bauen durfte, hat er der Verwaltung des Nationalparks zu verdanken, die „mit mehr Weitsicht“ an Dinge herangehe als die örtlichen Planungsbehörden, wie er höflich formuliert. Es wird geholfen haben, dass Richards 2013 im Park eine viel beachtete Museumserweiterung verantwortete. Nithurst Farm hat er das Haus genannt, in dem er nun mit seiner Frau Jessica und den gemeinsamen Kindern Esme (9), Eddie (6) und Ivan (4) wohnt. Wie eine Treppe steigt die Architektur in einer stufenförmigen Bewegung von einem Stockwerk im Norden auf drei Stockwerke im Süden an, das Mauerwerk wird hie und da von scheinbar willkürlich übereinandergestapelten Rundbögen mit tiefen Laibungen unterbrochen. Die kunstfertige Fassade, die benachbarte Torbauten aus dem 18. Jahrhundert zitiert, wurde nicht von Maurern, sondern von Steinmetzen verlegt, der Mörtel ist ungewöhnlich dick, sodass man nie weiß, ob die Ziegelsteine besonders klein oder die Fugen besonders groß sind. „Ich liebe diese winzigen Ungereimtheiten“, sagt Richards. Eine schmale Eingangstür an der Seite führt in ein enges, dunkles Vestibül, erfüllt vom Geruch von frisch geschlagenem Feuerholz. „Ein Weckruf für die Sinne“, sagt Richards, denn die müssen jetzt ganz auf Empfang sein: Es folgt ein lichter Raum mit hoher Decke, der fast das gesamte Erdgeschoss einnimmt. „Mir gefällt die Idee dieser Verdichtung, die dann in den offenen Raum entlassen wird.“ Erst hier offenbart sich, dass die Fassade im wahrsten Sinne nur Fassade ist. Das eigentliche Haus aus Strukturbeton wird von der dicken Ziegelhaut nur umhüllt. „Wie eine romanische Ruine, die sich um ein modernistisches Betonhaus schmiegt“, sagt Richards. Ein steingewordener Anachronismus. Im Erdgeschoss sind Küche, Ess- und Spielzimmer untergebracht. „Mir war wichtig, dass die Küche das Herzstück des Hauses wird und dass auch die Kinder hier spielen sollten“, sagt Jessica Richards, die den Raumplan des Hauses mit ihrem Mann zusammen ersann. Der exponierte Sichtbeton verleiht dem viereinhalb Meter hohen Raum, der mit seinen Apsiden an ein Kirchenschiff erinnert, eine beinahe brutalistische Monumentalität. Sechs kapell-

artige Betontürme schneiden in den sargförmigen Grundriss, sie beherbergen Wasch- und Garderobenräume, Studio und Speisekammer. Der Raum ist einem mittelalterlichen Saal nachempfunden. „Wir fanden sehr spannend, wie man das in die Moderne übersetzen kann“, sagt Richards. Und orientierte den Saal kurzerhand an einem Drehort aus „Stalker“: jener Halle, die zum sagenumwobenen „Raum der Wünsche“ führt. Immerhin tropft hier kein Regenwasser von der Decke. Die Abfolge aus hellen, großen Räumen und kleinen, dunkleren Durchgangsflächen strukturiert – frei nach Tarkowski – das ganze Haus. Eine Treppe öffnet sich zum Wohnzimmer hin, das durch raumhohe Fenster Ausblicke auf die Natur bietet: Richards’ Interpretation des „Raums der Wünsche“, seine Vorstellung eines perfekten Ortes. Er selbst spricht von „Solar“, einem Wärmeraum im mittelalterlichen Sinne. Zur Straße hin verzichtete er auf Fenster und behandelte die Wand wie das „Ende einer Höhle“, das er mit 300 Jahre alten französischen Wandteppichen auskleidete, vor die er abstrakte Drucke von Robert Mangold hängte. „Wir können die Regeln der Physik nicht aushebeln wie im Film, aber wir können mit der Zeit, mit der Wahrnehmung von Räumen spielen.“ Immer wieder schafft die Architektur bühnengleiche Inszenierungen. Auch beim Aufgang zum ersten Obergeschoss, der über eine theatralische Galerie führt, die den großen Saal überblickt. Hier finden sich Kinder- und Gästezimmer. Wände und Decken sind so, wie die Schalung sie schuf, und doch wirken die Innenräume von Wärme durchdrungen: Richards ergänzt die unvermeidliche Unvollkommenheit des harten Rohbetons mit geölten Kieferndielen, Sisalteppichen und Messingbeschlägen, dazu: farbenfrohe Möbel, Wandteppiche und Keramiken. Der Zugang zum Schlafzimmer im obersten Stockwerk führt durch eine Flügeltür zwischen den Kinderzimmern, die in axialer Symmetrie links und rechts angeordnet sind. Als Richards sie öffnet, ist das Auge erst geblendet, ehe sich davor eine sonnengetränkte Himmelstreppe aufbaut. Der Architekt hat sie als Referenz an den Film „A Matter of Life and Death“ errichtet, in dem es um einen Piloten geht, dem nach einem Absturz eine zweite Chance im Leben gewährt wird. „Mein Vater war Pilot und starb bei einem Absturz, als ich noch klein war“, sagt Richards. „Ich wollte, dass in diesem Haus, das im Gedenken an ihn gebaut wurde, auch ein Denkmal für ihn steht.“ Am Ende der Treppe liegen links und rechts zwei identisch aufgebaute Schlafzimmer, für die es einen überraschend pragmatischen Grund gibt: „Ich schnarche“, sagt Adam Richards und lacht. Das Paar teilt sich ein gemeinsames Badezimmer, dessen Dusche einer gekachelten Loggia gleicht: Sie ist der höchste Punkt des Hauses. „Wie bei Tarkowski haben wir Vorstellungen und Weltbilder hinterfragt, gehofft und gezweifelt, um mit der Welt und uns selbst ins Reine zu kommen“, sagt Richards. Mit seiner Vielzahl literarischer, architektonischer, filmischer Referenzen wirkt das Haus wie ein Palimpsest – so sehr, dass ein Planer den Architekten fragte, ob der Bau denn „eine Art Therapie“ für ihn sei. Alt und neu, dunkel und hell, schüchtern und laut – Richards’ familientaugliche Version von Tarkowskis Vision ist eine faszinierende Dichotomie, mit der der Architekt die gemeine Wahrnehmung infrage stellt. Ein Ort der Heimkehr für ihn, vielleicht, aber vor allem ein Ort, an dem Richards’ kühnste Fantasien lebendig wurden.

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Jan Hoyer und Tom Hoyer-Kast, Inhaber der Stoff- und Interiorboutique Hoyer & Kast, strichen ihr Wohnzimmer in „Hicks’ Blue“ (alle Wandfarben von Little Greene). Auf dem Sofa, bezogen mit Viskosesamt von Osborne & Little, liegen blaue Kissen aus Edmond Petits „Mysore“. Der blattvergoldete Coffeetable stammt wie der Lüster aus den 30er-Jahren. Zwei viktorianische Lehnstühle in grünem Leinensamt rahmen eine bayrische Kommode aus dem 19. Jahrhundert. Re. Seite: Laternen von Tom Dixon lassen das „Invisible Green“ des Flurs geheimnisvoll schimmern. Den antiken Kamelhaar-Läufer erjagte Hoyer auf Ebay, der Marmorboden ist ein Relikt der 70er.

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München

Hand und Herz Treffen zwei Interiorprofis auf eine Wohnung voller historistischer Architekturflausen – nein, so beginnt kein Witz, sondern eine entspannt eklektische Liebesgeschichte unter Kreuzrippen. Tex t Karin Jaeger St yling Erika G ómez & Thomas Skroch Fotos Daniel S chäfer



Im Seitenflur (li. S.) hängt ein emaillierter Früchtekorb-Lüster über Vintage-Stühlen mit Palmenkissen von House of Hackney (über Hoyer & Kast Interiors). Die XL-Wachsblume vorn begleitet Jan Hoyer seit Kindertagen, die Tür dahinter führt in die Küche (oben). Deren einst fade Achtziger-Fronten strich Tom Hoyer-Kast in Eiscreme-Tönen, ein Resopaltisch mit passenden Hockern komplettiert den Fifties-Look. Teppich von Missoni Home. Das Bleiglasfenster im Hintergrund ist original.

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Für das Tagesbett im Essund Lesezimmer fertigten Jan Hoyer und Tom HoyerKast (re. S., von links) einen Überwurf aus ChenilleDamast. Kissen hinten von House of Hackney, vorn William Morris. Über dem bayrischen Antiktisch im selben Raum (re. S. o.) hängt ein Pariser Art nouveauLüster, die Stühle sind Wiener Biedermeier. Wand in Little Greenes „Scree“.


E

in Altbau links der Isar, zweiter Stock. Die Wohnungstür wird geöffnet, und unversehens fühlen wir uns wie in eine Märchenwelt hineingesogen. Ein Flur mit Bleiglasfenster und Kreuzrippengewölbe, gestrichen in schummrigem Schlammgrün, bildet das verheißungsvolle Entree zum Apartment von Jan Hoyer und Tom Hoyer-Kast, Münchner Stoff- und Interiorspezialisten. Buddha-Statuen, Antiquitäten, Farben, Muster – hier kann es einem ja ganz schwindlig werden! Wie reagieren Menschen, die das erste Mal herkommen, normalerweise? Jan Hoyer: Die Architektur ist tatsächlich sehr ungewöhnlich, so etwas erwartet man in München nicht. Dieses Kreuzgewölbe und dann auch noch dunkel gestrichen, das ist schon oft ein WowEffekt. Aber weil es nicht museal wirkt, finde ich, sondern gelebt, schüchtert es nicht ein. Die meisten gehen jedenfalls gleich auf Entdeckungsreise, bleiben hier stehen oder gucken da. Die Architektur ist wirklich außergewöhnlich. Wissen Sie etwas über den Hintergrund? Das Haus wurde 1913 gebaut. Der Architekt hat hier selbst gelebt, auf knapp 400 Quadratmetern, über zwei Etagen. Irgendwann wurde die Wohnung in vier Einheiten unterteilt. Die Räume sind Historismus pur, alles ein bisschen durcheinander: maurisch, gotisch, romanisch … Keine zwei Türen sind gleich, manche sind ganz schmal und nur 1,75 Meter hoch – da laufe ich Gefahr, mir den Kopf zu stoßen –, und dahinter befindet sich dann ein komplettes Kreuzgewölbe in einem relativ großen Raum. Ziemlich schräg! Sind denn Teile der Ausstattung noch original? Fast alle, nur die Böden leider nicht mehr. Das Parkett ist erneuert, Jan H oyer

„Samt und Hund: eigentlich keine gute Kombination. Aber so bekommt unser Sofa halt Patina – und das finde ich klasse!“

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und im Flur gibt es etwas gewöhWenn dann irgendwo noch ein nungsbedürftigen Marmor, der wurde bisschen Räucherwerk vor sich wohl in den Siebzigerjahren eingebaut. hinschmort, entsteht manchmal Haben Sie mal daran gedacht, ihn eine fast mystische Stimmung. zu ersetzen? Gibt es unter Ihren Möbeln KeyWären es Fliesen gewesen, hätten wir Pieces oder Lieblingsstücke? sie ausgetauscht, aber der Marmor Diese Kommode ist uns wichtig, fängt an aufzureißen, er wird matter weil sie von Toms Eltern kommt. und kriegt langsam eine schöne PaDann der selbst restaurierte Blutina. Ich glaube, unsere Vorgänger mentisch, den ich in Edinburgh auf haben ihn wahnsinnig poliert; das einer Müllkippe gefunden habe. machen wir nicht mehr. Gerade im Und diese antike chinesische Bank, Sommer hat das mittlerweile direkt das ist eine wirkliche Kostbarkeit. etwas Italienisches. Aber manche anderen MöbelstüStichwort Patina – gibt es bei Ihcke … Wir würden sie nicht entsornen gar keine neuen Möbel? gen, aber wir verschenken oder Doch, das Sofa. Auch ein paar Leuchtauschen oft Dinge. Es kommt ja ten sind neu. Und natürlich die Stofauch immer wieder mal etwas dafe: Wir haben unsere Möbel alle neu zu. Da gilt dann Toms Regel: Wenn beziehen lassen, mit Stoffen aus Naeins kommt, muss eins gehen. turmaterialien von sehr schönen Firmen wie Le Manach oder Was ist zuletzt dazugekommen? Edmond Petit – da haben wir ordentlich zugelangt. Bei den Anti- Lassen Sie mich überlegen … Die beiden Cloisonné-Tischlampen quitäten sind wir ursprünglich gelandet, weil wir beide nie viel da in der Ecke. Und der chinesische Paravent. Den habe ich in eiBudget hatten. Mit der Zeit wurden wir dann zu Möbelrettern. Es nem Antiquitätengeschäft in Luxemburg online entdeckt, nachts tut mir immer leid, wenn wahnsinnig schöne Sesselchen wie die- um drei, und auf Risiko gekauft. se hier im Wohnzimmer irgendwo rumstehen und auf den Sperr- Wie kommen eigentlich all die Antiquitäten und Stoffe mit müll sollen. Überhaupt werden Dinge in unserer Zeit viel zu Ihren beiden Hunden klar? schnell entsorgt. Dabei fehlt es meist nur an Vorstellungskraft! Na ja, Samt und Hund ist keine gute Kombination – aber was soll’s! Wie meinen Sie das? Wenn man mit einem Samtsofa wirklich lebt, kriegt es eben Patina. Für ein neues Interieur muss man das, was man hat, oft nur ein Überhaupt haben all unsere Möbel irgendeine Macke, weil sie mir wenig inszenieren. Mit einer neuen Tapete, Stoffen oder einer fri- umgefallen sind oder was auch immer. Ich finde es schlimm, wenn schen Farbe lässt sich ein komplett anderes Interieur schaffen. Ein man Angst hat, etwas anzufassen, weil es kaputtgehen könnte. gutes Beispiel ist unsere Küche, die stammte noch aus den Achtzi- Ich habe in der Wohnung mindestens 15 Kissen gezählt. gern und war grauenhaft, aber von der Funktion her super in Ist das ein Spleen von Ihnen? Schuss. Es hätte mich geschmerzt, sie wegzuschmeißen, einfach Mein Traum ist es, eines Tages ein komplettes Zimmer mit Fortunur, um etwas Stylisheres reinzusetzen. Also haben wir uns ge- ny-Stoffen zu haben, aber im Moment reicht es halt nur für Kissen. sagt: „Dann machen wir sie halt lustig!“ Die Fliesen sind leicht (lacht) Manchmal nähen wir auch welche aus Stoffen, die aus dem vanillefarben, das brachte uns auf die Idee, einen amerikanischen Sortiment gehen. Überhaupt liebe ich Kissen – damit kann man Ice Cream Parlour daraus zu machen. Die Fronten haben wir in schnell umdekorieren, ohne großen Aufwand. Eiscremetönen lackiert und dazu einen passenden Resopaltisch Das heißt, die Kissen haben keine Stammplätze … gefunden mit Hockern, wie man sie aus den Fifties kennt. Nein – die wandern, und wie! Und das haben Sie alles auch selbst umgesetzt? Sie haben in Schottland studiert und lange in GroßbritanniGenau genommen Tom. (lacht) Ich bin handwerklich total unge- en gelebt. Wie sehr hat das Ihren Stil beeinflusst? schickt! Ich weiß, wie es aussehen soll, ich weiß eigentlich auch in Für mich ist Großbritannien und speziell Schottland der Einfluss der Theorie, wie es gemacht wird; aber wenn etwas nicht sofort überhaupt! Dort gilt die schöne Devise: make do. Ich weiß gar funktioniert, kriege ich die Krise. nicht, wie man das am besten übersetzt. Das heißt, Sie spielen eine Art Kreativ-Pingpong. „Das Beste draus machen“? Ja. So funktioniert das auch im Geschäft bei uns, und deshalb Ja, das Beste machen aus seinen Sachen, und das mit Charme, sokommen wir uns nicht in die Quere. Tom versteht intuitiv, was ich dass es Geschichte vermittelt, Charakter, Individualität. Antiquimöchte, und kann das umsetzen. Er ist der Perfektionist. Sobald täten mit mutigen Farben und ein bisschen faded glory, das kann ich einen Pinsel in die Hand nehme, wird er nervös. man dort einfach, und das hat meinen Stil geprägt. Deswegen finde Weshalb haben Sie den Flur samt Kreuzrippen und die ich auch diesen Brexit so fürchterlich, das ist wie eine Scheidung. Haupträume in diesen auffällig dunklen Tönen gestrichen? Würden Sie sagen, Ihre Wohnung ist fertig? Das hat sich so ergeben über die Architektur und die Atmosphäre Nein, sie ändert sich ständig. Im Laden haben wir eine Tapete von der Wohnung. Wir haben gemerkt, dass das in Räumen, die wenig Pierre Frey, die aussieht wie byzantinisches Mosaik; wir überlegen Licht kriegen, gut funktioniert und dass Kunst, aber auch Holz- gerade, ob man nicht den Flur mal so tapeziert. Früher bin ich einmöbel vor dunklen Wänden viel besser wirken als vor hellen. mal im Jahr umgezogen – jetzt tobe ich mich halt hier aus!

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Maurisch, gotisch, expres­ sionistisch? Die Wohnung ist gespickt mit märchenhaften Stilzitaten wie dieser Nische, die heute ein Spiegel füllt; daneben eine Bodhisattwa­ Statue aus Burma. Papageien­ Leuchte von G & C Interiors mit Schirm aus Rosshaargewe­ be von Créations Métaphores. Das Schlafzimmer (linke Seite) überspannt ein Kreuzrippen­ gewölbe in „Bone China Blue“.


Des Pudels Kern Die rundum positive Welt von Whinnie Williams beweist: Low Budget muss kein Widerspruch sein zu einem stark erhรถhten Glamour-Faktor.

Tex t Hannah New ton & Reinhard Krause Fotos Claire Wor thy


Margate Ein Himmel aus PseudoMarmor: Das grüne Gästezimmer bekrönt eine Tapete von Poodle&Blonde. Dessen Co-Gründerin Whinnie Williams sitzt auf der li. S. im Kreis ihrer vierbeinigen Freunde. Auf dem Schoß: die Pudel Brian und Peachy samt Meerschweinchen Toupee. poodleandblonde.com

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W Mein lieber Schwan! Im Masterbedroom o. treffen Depeche Mode auf Barbara Cartland – und Muscheln auf Meerespflanzen, die Whinnie Williams auf die Wände malte. Den Glastisch im Esszimmer (re. Seite) gab’s für 30 Pfund im Charity-Shop, den gestreiften Vinylboden produziert Forbo eigentlich für Schulen.

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hinnie Williams lässt Verlegenheit erst gar nicht aufkommen. „Ja, das Sofa ist scheußlich“, platzt es mit entwaffnender Heiterkeit (und ohne dass wir auch nur einen Ton gesagt hätten) aus ihr he­ raus. „Aber ich rette gern Dinge, und Hand aufs Herz: Mit einem Statement­Piece wie diesem muss man sich doppelt und dreifach ins Zeug legen, damit ein Interior noch funktioniert.“ Das tut es ganz ohne Frage, nicht zuletzt für die vielen vierbei­ nigen Hausgenossen, die sich neben ihr tummeln wie auf einer gepolsterten Arche. „Tiere geben jedem Zuhause eine jugendliche Note“, bringt die Designerin und vormalige Sängerin ihre Erfah­ rungen mit derzeit neun Kaninchen, zwei Meerschweinchen, drei Hühnern, zwei Pudeln und einer Katze auf den Punkt. „Ich liebe Chaos! Wenn Sie den Tag mit einer Tasse Tee beginnen und dabei


Whinnie W illiams

„Am liebsten sind mir die ungeliebten Dinge, die keiner mehr haben will.“


Ton-in-Ton-Studio: In der Lounge o. bilden Terrazzofliesen ein Echo auf Poodle & Blondes Sesselstoff „Tottenham Dalmatian“, hier in Cocoa. Unten die Ikea-Küche mit hochkant verlegten Metrokacheln; der Masterbathroom (re. Seite) trägt rosa-schwarzen Marmor.


zusehen, wie das Kaninchen, das sich für einen Hund hält, die Katze durch die Küche scheucht, während drei Hühner hektisch versuchen, sich an dem tollen Treiben zu beteiligen, dann hat das etwas geradezu Therapeutisches.“ Willkommen in der herzerfrischend positiven Welt von Poodle & Blonde. Auf diesen Namen hat Whinnie Williams ihr InteriorLabel getauft, über das sie und ihre Geschäftspartnerin Kierra Campbell poppige Wohnaccessoires vertreiben, von selbst designten Tapeten und Textilien bis hin zu Lampenschirmen und Trinkgläsern. Unerschöpfliche Inspirationsquellen sind dabei Williams' Tierliebe und ihr Faible für Vintages aus den Sixties und Seventies, die sie im Internet, gern aber auch in Charity-Shops aufspürt und anschließend mit eigenen Stoffentwürfen in den Design-Adel erhebt. „Für ein glamouröses Interior“, weiß die passionierte TrödelQueen, „muss man kein Vermögen ausgeben. Ich verbringe jeden Tag Stunden auf Ebay, und ich meine: viele Stunden. Am liebsten kaufe ich ungeliebte Dinge, die keiner haben will – wie etwa mein unglaubliches Samtbett in Muschelform. Das gab’s für 60 Pfund.“ Ihr Insider-Tipp: „Achten Sie auf Angebote mit richtig schlechten Fotos. Und benutzen Sie ,alt‘ als Suchbegriff.“ Andere würden bei solch einem Vorgehen in einer Sturmflut von Ramsch untergehen, Williams aber erkennt mit unfehlbarem Spürsinn das Starpotenzial, das in so manchem No-Name-Entwurf schlummert. Nach einem Abschluss in Set-Design am Wimbledon College of Arts war sie einige Zeit als Sängerin aktiv. Wie auf Youtube zu sehen, pflegte sie damals einen Look wie Jane Fonda als Barbarella, heute hat sie die Swinging Sixties hinter sich gelassen und er-

innert mit Big-Hair-Wellen an die Seventies-Ikone Lynsey de Paul und die goldene Disco-Ära. „Wenn ich mal Jeans trage, fragen mich alle besorgt, ob ich okay bin“, amüsiert sie sich. „Ich bin wirklich gern over the top, jeden Tag.“ Glamour scheint die Grundkonstante in Whinnie Williams’ Leben zu sein, aber es ist ein Glamour gegen den Zeitgeist: mit Leichtigkeit und einem Augenzwinkern. Damit ist sie in Margate weit besser aufgehoben als im ewig coolen London. Vor vier Jahren zog ihr bester Freund an die Küste, und so pendelte Williams einen Sommer lang zwischen der britischen Hauptstadt und dem in die Jahre gekommenen Strandbad am östlichsten Zipfel der Grafschaft Kent. Seine prosperierenden Zeiten hatte Margate längst hinter sich, aber zum Glück auch die dunklen Jahre, da es als regelrechte Junkie-Hochburg verschrien war. Inzwischen sind viele Straßenzüge renoviert und zu einer neuen Heimat für ganze Trupps von Künstlern geworden, die so den Mondpreisen in London Lebewohl gesagt haben. Auch Whinnie Williams verliebte sich in die Nordseeperle und zog vor drei Jahren ans Meer. Bereut hat sie die Entscheidung noch keinen Tag: „Es gibt nicht viele Kleinstädte, in denen Sie abends vor der Wahl stehen, ob Sie in eine Sauna direkt am Strand gehen wollen oder zu einem veganen Pasteten-Festival, und wo Sie auf dem Weg zu einem Cocktail im kleinsten Theater der Welt an der Turner Contemporary vorbeilaufen oder unverhofft in einer Drag-Nacht landen. Und das alles an einem Dienstag.“ Bingo, sagt man da wohl. Von außen sieht das Haus, das Williams und ihr Freund entdeckten, wie ein typisches viktorianisches Backstein-Reihenhaus aus. Vorbesitzer hatten es in mehrere Wohneinheiten unterteilt; von der Originalstruktur war fast nichts erhalten. Als Set-Designerin ließ sich Williams nicht aus der Ruhe bringen, ihr Ziel stand fest: Jedes der fünf Schlafzimmer wollte sie ganz individuell gestalten. „Nehmen Sie sich ein Jahr Zeit“, lautet ihre Empfehlung für solch ein Unterfangen. „Überstürzen Sie nichts, seien Sie offen. Trauen Sie sich an Farben heran und vergessen Sie die Zimmerdecken nicht.“ Die nämlich streicht sie mal mit überraschend dunklen Farben wie in der Küche, mal beklebt sie sie mit einer selbst entworfenen Marmortapete wie im grünen Gästezimmer. Einen flachen Anbau auf der Rückseite des Hauses hellte Williams durch Skylights und eine breite Spiegelfront auf – hier dreht ihr Freund, der Regisseur Tom Dream, Popvideos oder reizende Poodle & Blonde-Werbeclips mit Brian und Peachy und der ganzen Bande. Die Ursprungsidee: Kreative können das Haus für Shootings und Drehs mieten. Dass daraus ein eigenes Design-Imperium mit bald der dritten Kollektion werden würde, war da noch gar nicht abzusehen. Ein weiteres WW-Credo lautet nämlich: „Lassen Sie sich nicht ablenken. Bleiben Sie Ihrer ursprünglichen Vision treu. Verlassen Sie sich auf Ihren Instinkt!“

Whinnie W illiams

„Ohne Tom gäbe es hier wahrscheinlich nicht mal eine Heizung. Ich finde Heizkörper so hässlich!“ 159


Wie Kalligrafen schrieben ein Paar und seine Architektin schwungvolle Linien, Fifties-Chic und frische Pastellfarben in ein historisches Appartement. Tex t Ulrich Clewing Fotos Luis Ridao

Linienliebelei

Classy, contemporary, chic: Im Wohnzimmer dämpft Pistaziengrün die Wucht des originalen neobarocken Stucks. Sofas von Patricia Urquiola (Moroso) stehen um einen Coffeetable von Piero Lissoni (Cassina). Den Sessel designte der große Franco Albini. Als wären es kleine Bühnen, erhellt die vielköpfige Flos-Leuchte jede Sitzgelegenheit – und malt eine eigene Zeichnung an die Decke.


Paris

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S ei Takeichi

„Wir wollten die architektonischen Details erhalten, aber durch die Pastelltöne sind sie zum Glück nicht so in the face.“

Auf zarten Ballerinabeinen: In seinem Studiolo arbeitet Sei Take­ ichi an einem Tisch von Jaime Hayon für &Tradition, der Stuhl ist vom Designerduo Gamfratesi (Gubi). Vorhänge: Pierre Frey. Re. ein Detail aus dem Living, Akio Takamoris gemarterte „Venus“. Kunstsinnig: Sei Takeichi (rechte Seite) vor dem Gemälde „Inter­ national Lover“ des US­amerikani­ schen Malers Marcus Kenney, die Skulptur schuf Eric Fertman.

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Im Masterbedroom bewahrten die Hausherren eine einzelne Wand mit dem typisch französischen Ornament der Toile de Jouy – als Gruß aus der Vergangenheit (li.). Darüber ein Detail von Takeichis Schreibtisch samt Federmappe und Notebook, das Bad (oben) schmücken Fliesen, die Patricia Urquiola für Mutina entwarf. Armatur: Fantini.

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Rechte Seite: Die cremig und erdig abgetönten Farben, die man hier in der Wohnung überall findet, stehen auch der Küche gut. Für heitere Farbtupfer und Pariser Flair sorgen die reizenden Stühle mit bunt geflochtenen Lehnen und Sitzen von Philippe Hurel (Maison Gatti). Der Tisch stammt von Fritz Hansen, Leuchte: Parachilna.


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Vom Eingang direkt zu Tisch: Die ehemalige Empfangshalle ist jetzt das Esszimmer des Paares. Den Tisch brachten die beiden aus New York mit, er wurde dort von einem Handwerker maßgefertigt. Die Stühle designte Brogliato Traverso für Cappellini, die Leuchten kommen von &Tradition. Das Gemälde „Platon“ schuf Jérôme Borel.


B

ei Wohnungsbesichtigungen in Paris kann man Überraschungen erleben, das merkte Sei Takeichi an diesem sonnigen Herbsttag schnell. Am Eingang wäre er beinahe über zwei Sphinx-Statuen gestolpert, weil er so abgelenkt war von den Wänden mit dem Marmorimitat. In den übrigen Zimmern herrschte ein Exzess an Toile de Jouy. Und überall hingen Kronleuchter – Kristallglas, mit echten Kerzen. „Im Grunde befand sich das Appartement in einem guten Zustand“, erinnert sich der Schmuckdesigner, „aber das Interior war schwer over the top.“ Sei Takeichi und sein Ehemann lebten damals noch in New York, an der Seine hatten sie bisher nur ein Pied-à-terre. Nun wollten sich die zwei auf Dauer hier niederlassen. Doch wenn sie mit der Wohnung, die er gerade gesehen hatte, warm werden sollten, dann musste sich etwas grundlegend verändern, das war Sei Takeichi klar. Als Erstes sicherte sich das Paar die Unterstützung der Pariser Architektin Gaëlle Féat Lissillour. „Das war eindeutig ein Glücksgriff“, sagt der Hausherr, „Gaëlle besitzt enorm viel Erfahrung im Umgang mit alten Gebäuden und hatte schnell sehr klare Vorstellungen davon, wie wir diesem Kitsch-Palast Pariser Flair zurückgeben konnten.“ Denn das Appartement hatte mehr zu bieten als falschen Marmor und pseudo-ägyptische Figuren am Eingang. Gelegen in einem Haus in einer Seitenstraße der wohl berühmtesten der Pariser Avenuen, des Boulevard Saint-Germain. Erbaut um 1905 von den heute praktisch unbekannten Architekten Félix Le Nevé und Albert d'Hont, war es ursprünglich als Domizil für eine Industriellenfamilie aus dem Norden Frankreichs gedacht. Linkes Seineufer, 7. Arrondissement: Der Eiffelturm, der Invalidendom, das Musée d'Orsay und die École des Beaux-Arts sind alle nur wenige Minuten zu Fuß entfernt. In der Gegend gibt es zahllose Cafés und Restaurants, die nicht nur gut für Touristen sind. Und auch im Appartement selbst fanden die Besitzer etliche Details, die sich zu bewahren lohnten. „Wir wollten mit dem Umbau zwei Dinge erreichen“, sagt Takeichi. „Zum einen sollte die Wohnung stilistisch in der Gegenwart ankommen. Zum anderen war meinem Mann und mir daran gelegen, ihren Spirit zu betonen, das Verspielte, Festliche, quasi natürlich gewachsene Elegante, das Paris speziell auch im 7. Arrondissement ausstrahlt.“ Um dies zu erreichen, ließ die Architektin die originalen Stuckverzierungen – reizende, herumtollende Putti und eine eindrucksvoll große Auswahl an Musikinstrumenten – meisterhaft restaurieren. Die alten Böden mit französischem Parkett wurden

geschliffen und wo nötig ausgebessert, in den Zimmern legte Gaëlle Féat Lissillour die vorhandenen Kamine frei. Damit einher gingen einige einfache, aber für die Grundstimmung im Appartement wichtige Umdeutungen der Räume – allen voran die vom Vorbesitzer mit faux marbre und Sphingen ausgestattete Eingangshalle. Sie wurde zum imposanten Esszimmer, was für den Besucher den Vorteil hat, dass er nun vom gastfreundlichsten Raum der Wohnung empfangen wird. Eine große Rolle spielte bei dem Projekt auch die neue Farbpalette, für die sich Architektin und Besitzer nach einer Weile des Probierens und Wiederverwerfens entschieden. „Das Appartement liegt im ersten Stock“, sagt Sei Takeichi, „das heißt, es ist hier tagsüber eher dunkel. Wir wollten also hellere Töne an den Wänden. Nur herauszubekommen, welche, hat ein bisschen gedauert.“ Erst versuchten sie es mit einem zurückhaltenden Pink, dann mit leichtem Burgunderrot. Schließlich landeten sie bei Grau und einem sanften pastelligen Grün. „Wir hätten auch Weiß nehmen können“, sagt Takeichi, „aber das wäre uns zu langweilig gewesen.“ Immerhin schaffte es auch der Pink-Ton in die engere Wahl – er ziert nun das kleine Atelier des Designers. Seine Werkstatt hat er im Marais auf der anderen Seite der Seine, doch in seinem Studiolo hält sich der in der Hafenmetropole Nagoya geborene Japaner eigentlich fast noch lieber auf: „Der Blick aus dem Fenster ist der schönste der ganzen Wohnung.“ Seinen Schreibtisch entwarf Jaime Hayon, Sei Takeichi ergänzte dazu einen Stuhl des dänisch-italienischen Duos Gamfratesi. Überhaupt sorgen Designer wie Patricia Urquiola oder Piero Lissoni für den Gegenwartstwist. Auch die Kunstwerke, die Gemälde, Skulpturen und Fotografien von Kengo Nakamura, Eric Fertman, Marcus Kenney und Akio Takamori verorten das Interieur unzweideutig im Heute. Und manchmal stößt man hier auf grafische Elemente, wo man sie nicht unbedingt erwartet hätte. Zum Beispiel hängen im Wohnzimmer Leuchten von Flos an der Decke – und ihre Kabel formen eine beschwingte Komposition aus Linien und Kurven, die einen entfernt an fernöstliche Kalligrafien erinnern. Oder an die filigranen Perlenketten, die Sei Takeichi designt. So gehen die Inspirationen, Anregungen und Ideen in diesem Haushalt eigene Wege – wie das Paar, das darin lebt. Wie war es denn nun wirklich, nach so langer Zeit in New York nach Paris zu ziehen? Bei dieser Frage zögert der Designer einen Augenblick. „Erstens“, sagt er dann, „sind wir noch oft in den Staaten. Und zweitens kann man in Paris nachts um elf Uhr spazieren gehen, ohne irgendjemandem zu begegnen. In Downtown Manhattan wäre das nicht möglich, dazu ist die Stadt viel zu busy, zu voll und zu laut.“ Paris, findet Sei Takeichi, ist so wunderbar ruhig und entspannt. Er lacht: „Die Pariser sind da natürlich völlig anderer Meinung.“

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Cotswolds

Waidmannsheil

Zusammen mit Interiordesignerin Caroline Holdaway gestalteten Robin Muir und Paul Lyon Maris ein Jagdhaus ganz ohne Geweih und Gerรถhr. Die Geschichte einer gewachsenen kreativen Gemeinschaft. Tex t Dinah Hall

Fotos Paul Massey


Intuitiv wusste Caroline Holdaway, wie der Bau aus dem 16. Jahrhundert am Ende von innen aussehen würde. Eine ihrer ersten Maßnahmen: die Vergrößerung des schmalen Wohnzimmers, dafür wurde eine Wand entfernt. Der nun lichte Raum trägt die Farbe „Truffle“ von Paint & Paper Library. Leinenstoff „Flower Cut Out“ von Vanderhurd ziert die Ottomane in der Mitte.

169


Die Böden, findet Caroline Holdaway, sind der Kern von allem. Hier liegt gewachste baltische Kiefer – die in „Kasbah“ (Paint & Paper Library) getauchte Treppe absolviert auf diesen Brettern einen gelungenen Auftritt. Die Porträts unbekannter französischer Meister wurden ob ihrer dekorativen Rahmen gewählt. Viktorianische Hängelampe: The School For Scandal.

Pau l Lyon Ma r is

„Bei diesem Haus haben wir einander vollkommen vertraut und uns die Ideen zugeworfen.“ 170


D

arf ich Ihnen den Keller zeigen?“ Für jeden, der sich auch nur ein wenig in der Filmgeschichte auskennt, kann es darauf nur eine Antwort geben: „Nein danke.“ Doch im Landhaus von Paul Lyon Maris und Robin Muir am Rande der Cotswolds ist der Keller ein Schlüsselraum. Das Anwesen dient einem einzigen Zweck: Es ist ein Jagdhaus, das die beiden eigens gekauft haben, um von hier aus ihrer Passion nachzugehen, der Parforcejagd, bei der die berittenen Jäger von Jagdhunden begleitet werden. All die Dinge, die man dafür braucht, die vielen Stiefel und Jacken, versammeln sich in besagtem Keller, der so zu einer Art Maschinenraum wird und dafür sorgt, dass der Rest des Hauses einfach schön sein kann. Und in der Tat, das Anwesen ist reizend. Mit seiner flach abschließenden Front und den Sprossenfenstern – im 16. Jahrhundert war es Teil einer Poststation – passte das steinerne Dorfgebäude genau zu ihren Vorstellungen: Es hat nur eine Tür, die man hinter sich verriegeln muss, und keine Außenfläche. Im Grunde genommen war es bereits „perfekt bewohnbar“, sagt Lyon Maris. Doch jeder, der die Wohnsitze des Paars in Sussex und London kennt, weiß: „Bewohnbar“ ist diesen beiden nie und nimmer genug. Lyon Maris ist Theateragent, Muir freier Redakteur der britischen „Vogue“ und Fotokurator. Die beiden baten die Interiordesignerin Caroline Holdaway, das Innere des Jagdhauses zu „optimieren“ – was bei einer guten Inneneinrichterin ein großer Interpretationsspielraum sein kann. Die drei haben sich gesucht und gefunden: Jeder weiß genau, welche Vorlieben die jeweils anderen haben, und alle genießen den gemeinsamen Gestaltungsprozess. Lyon Maris erzählt, wie sie in ihre jeweiligen Rollen hineingewachsen sind: „Es ist seltsam – man engagiert eine Interiordesignerin, weil man denkt, dass sie schon weiß, was sie tut. Aber zugleich hat man das Gefühl, man selbst sollte klare Vorstellungen haben, sonst wird man überrollt. Bei diesem dritten gemeinsamen Projekt habe ich Caroline vollkommen vertraut, ihr nur Ideen zugeworfen und retourniert. Andererseits weiß ich genau: Wenn sie sofort zustimmt und sagt: ‚Das ist eine tolle Idee‘, dann hält sie diese Idee in Wahrheit gar nicht für so besonders toll. Also denke ich eine Weile darüber nach und merke: Es ist tatsächlich kein guter Einfall.“ Die einzige Außentür Als sie zum ersten Mal durch die der ehemaligen PostEingangstür trat, so erzählt Caroline station (oben rechts) Holdaway, hatte sie sofort eine Ah- öffnet sich direkt ins Wohnzimmer, wo ein nung davon, wie das Haus aussehen Paar skandinavischer sollte. „Die Vision, das Grundgefühl, Wandlampen den Weg war mir sofort klar.“ Dieses Grund- in die Küche leuchtet gefühl machte es erforderlich, die (rechts). Die beiden Wand zwischen dem breiten Entree Sofas wurden von Lorfords maßgefertigt und dem schmalen Wohnzimmer zu und mit Stoffen von entfernen. Der Türrahmen zur Küche Lewis&Wood bezogen. wurde so versetzt, dass er nicht mehr Teppich: Sinclair Till.


die Spüle rahmt, sondern den Esstisch – nun wirkt es wie ein großes Stillleben. Weil der Blick beim Betreten des Hauses auf die himbeerfarbene Treppe gelenkt wird, hat der Raum immer noch den Charakter eines Durchgangs. Die Weite des Entrees bleibt erhalten und verhindert das unangenehme Gefühl, direkt ins Wohnzimmer zu stolpern. Als Nächstes nahm sich Hold­ away die Böden vor: „Wenn sie stimmen, findet sich alles an­ dere.“ Hier geben aufgearbeitete, blank gescheuerte und ge­ wachste Bohlen aus baltischer Kiefer den Ton an. In der Küche wurden markante handgefertigte Raku­Fliesen aus der Vorarl­ berger Manufaktur Karak verlegt. Als Holdaway ihrem Auf­ traggeber Muster zeigte, sträubte der sich zunächst: Die Flie­ sen erinnerten ihn an die braunen Hornsea­Keramikdosen aus den 1970ern. „Doch dann schaute ich sie mir eine Weile an und merkte, dass ich falschlag – sie sind wundervoll“, findet Lyon Maris. Mit eigens geschreinerten Regalen aus Altholz und eini­ gen antiken Stücken gelang es Holdaway, die Küche „so länd­ lich, wie wir es wagten“, zu gestalten. Holdaway war früher Schauspielerin, und das merkt man ihrem Vortrag an: Allein schon die Art, wie sie die verwen­ deten Farben aufzählt, gleicht einem vergnüglichen Monolog. Und Farbe ist eine Sprache, die sie besonders gut beherrscht. Sie setzt eine dunkle und zugleich satte Palette mit Farbtönen ein, die historisch sind, aber nicht nach bloßer Denkmalpflege aussehen. Dieses Kolorit mischt sie mit Texturen und Stoffen wie der Matelassé­Baumwolle von Lewis & Wood, mit der die Sofas bezogen sind, und folgt dabei einer Zauberformel, die Co­ zyness mit dezentem Luxus verbindet. Während das Erdgeschoss großzügig wirkt, verengt sich die Treppe nach oben in einen intimeren Bereich: einen kleinen Vor­ raum, ein Bad und zwei Schlafzimmer. Tapeten und Vorhänge erwartet man gewöhnlich nicht in einem Badezimmer, hier aber gehen sie mit einer brüstungshohen Nut­Feder­Täfelung und ei­ ner steinernen Fensterbank eine weltgewandte Allianz ein. Eine Tür weiter überrascht die schiere Größe des Masterbedrooms. Die Tapete trägt ein Muster von Robert Kime und sieht aus, als habe sie schon immer hier gehangen – ein feiner Hintergrund für die Gemäldesammlung von Lyon Maris und Muir aus den 1940er­ und 1950er­Jahren. Holdaway schätzt diese Vorlieben, hatte aber das Gefühl, in den Bildern sei so viel Farbe und Leben, dass sie die ganze Aufmerksamkeit einfordern. Die Kissen mit prächtigen Gobelinstickereien von Fine Cell Work schaffen nun den Ausgleich. Und die farbenfrohen Nachttischlampen wählte das Trio so aus, erklärt Holdaway, dass sie „eklektizistisch und fröhlich wirken. Und nicht etwa so, als hätten sich drei Personen auf eine Das Sonnenlicht fällt durch originale SprosSache geeinigt.“ senfenster und setzt So bleibt am Ende nur ein Zim­ so die Küchenregale mer, über das sich keine Einigkeit (o. li.), die aus Altholz erzielen ließ – und es ist ausgerech­ geschreinert wurden, net Lyon Maris’ Lieblingsraum. „Ca­ in Szene. Das Badezimmer (links) im oberoline ist kein einziges Mal dort hi­ ren Stockwerk wirkt nuntergegangen – sie denkt, es sei dank der ornamentreiein abscheulicher Ort“, erzählt er. chen Tapete (Robert „Nicht einmal die Farbe dafür wollte Kime) und Vorhängen sie auswählen.“ Es handelt sich, na­ von Raoul Textiles überraschend opulent. türlich, um den Keller.


„So ländlich, wie wir es wagten“, geriet die Einrichtung der Küche – vor allem sollte es kein schnöder Abklatsch einer Landhausküche werden. Der Mix birgt die Lösung: Zur Anrichte aus den 1720ern gesellen sich Stühle aus dem 19. Jahrhundert. An den Raku-Fliesen, gefertigt in der Manufaktur Karak, zweifelte Lyon Maris zunächst, aber: „Sie sind wundervoll.“

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AD Summaries

Paris (p. 130)

Munich (p. 146)

Paris (p. 160)

Finery and found objects prove perfect

Two interior experts give an architectural

Sei Takeichi fills a Left Bank apartment

partners at an artist’s enchanting abode.

curiosity a gloriously vibrant reboot.

with fresh pastels and fifties chic.

With its plaster moldings, marble fireplaces, “It’s pure historicism,” says Jan Hoyer. Styland parquet flooring, this apartment close istically, it’s “a bit of a mishmash – Moorto Musée d’Orsay has all the ingredients of ish, Gothic, Romanesque …” No two doors bourgeois Parisian living. And yet, thanks are the same, and the hall has a leaded to Pepe López Reus, its 19th-century spaces window and a rib-vaulted ceiling, now have been transformed into something painted an earthy green. Taking their cue from the apartment's altogether more modern and cosmopolitan. The Venezuelan often tackles pressing unusual architecture, Hoyer and his partenvironmental and social issues in his ner Tom Hoyer-Kast chose dark shades for endlessly varied work, for which his ele- the walls too, and these strong hues make gant home is an ever-changing showcase. ideal backdrops for their artworks and A shopping cart bedecked with used plas- furnishings, which, in the inky blue living tic bags thus stands opposite the Sacha room, include a 19th-century Bavarian Lakic sofa, taking aim at our consumer chest of drawers, a gilded coffee table society's wastefulness. Clutches of tradi- from the 1930s, and two Victorian armtional baskets bearing luxury fashion lo- chairs clad in green linen velvet. gos highlight the corporate appropriation Drawn initially to antiques for budgetof indigenous cultural codes. And even ary reasons, the couple, who run their own the spiral staircase that links the living interiors business, have become committed space and the studio below resembles a furniture rescuers, often reupholstering old kind of installation, its dangling skeins of and unloved items. Here, they've even rejuwool calling to mind the work of fellow venated the kitchen's existing eighties units, artist Sheila Hicks. repainting them in ice cream colors inspired by the vanilla floor tiles.

West Sussex (p. 138)

At Adam Richards’ audacious home, the façade is literally just a façade.

Margate (p. 154) A Kent coast makeover proves thrift and glamour can go hand in hand.

With its profusion of crystal chandeliers, toile de jouy, and fake marble, the interior was “really over the top”, recalls Sei Takeichi of his apartment’s previous look. On the plus side, the property was in good condition, offered a first-class location off Boulevard Saint-Germain, and boasted period details such as plaster putti and old parquet floors (the building is from 1905). Working with Parisian architect Gaëlle Féat Lissillour, the jewelry designer and his husband set about emphasizing the spaces’ natural elegance while bringing them into the present day. Color played a key part, be it the pastel green that now softens the living room’s neo-baroque plasterwork or the subtle pink enveloping Takeichi’s study, where a Jaime Hayon desk is joined by a Gubi chair. Pieces by Patricia Urquiola and Piero Lissoni provide further contemporary touches, as do the striking pendant cluster lights that seem to nod to Takeichi’s delicate pearl designs.

Cotswolds (p. 168) An English country cottage is reborn as a cliché-free hunting lodge.

From a distance, it resembles a set of outAsked if they want to see the cellar, anysize steps, rising from single-story at one Previously better known for its junkies, one with even rudimentary movie knowend to three-story at the other. Nestling in the seaside town of Margate has of late ledge would surely decline. But at Paul a hollow in the South Downs National attracted swathes of creatives, an influx Lyon Maris and Robin Muir's stone cotPark, Nithurst Farm is also notable for its that has helped breathe new life into this tage, which the couple bought as a huntpale brick façade, punctuated by scattered formerly down-at-heel resort. Three years ing base, the cellar plays a key role, servarched windows. Step inside, however, ago, Whinnie Williams and her boyfriend ing as a boot and utility room that allows and you soon realize this is merely a shell, Tom Dream joined their number, buying a the rest of the house to be beautiful. a thick brick skin laid over the actual con- Victorian townhouse that had been dividAnd very beautiful it is. Part of a forcrete structure. It is, says architect Adam ed up into apartments and bore few origi- mer coaching inn, the 16th-century propRichards, who built the house for himself nal features. erty was already perfectly livable, but the As a trained set designer, Williams was pair invited decorator Caroline Holdaway and his family, “like a Romanesque ruin undeterred and has since revitalized the to tweak the interior all the same. That wrapped around a modernist home.” Within, the exposed concrete, still bear- place via bold color, secondhand gems, “tweaking” included taking out a wall being the imprint of its formwork, lends the and designs by her own interiors label, tween the wide hall and narrow sitting interiors an almost brutalist feel (nowhere Poodle & Blonde. A guest bedroom thus room, installing waxed Baltic pine floormore so than in the 4.5-meter-high dining gained green walls and carpeting plus a boards, and fitting reclaimed timber joinkitchen and family room), though this is matching ceiling of marbled wallpaper, ery that, combined with handmade raku offset by warmer elements such as oiled downstairs there’s red-and-white striped floor tiles, lends the kitchen a rustic but pine floorboards, sisal carpets, and colorful vinyl flooring, and the rear extension sets never clichéd feel. Throughout, Holdaway furnishings. Dramatic reveals are another Dalmatian-print chairs against a mirror- blended cozy comfort with subdued luxrecurring theme: stairs thus lead up to the tiled wall. You don’t have to pay a fortune ury, mixing rich accent colors, restrained living room, where full-height windows to get a glamorous look, Williams insists. historic hues, and pleasing patterns. Said afford garden views, while a double door “I spend hours on eBay,” she admits. “I buy cellar, though, was given a wide berth: between the children’s bedrooms opens on- the stuff no one else wants, like my velvet “Caroline never went down there once,” reto a light-flooded staircase, beyond which shell bed – it's weird but I adore it. Cost calls Paul Lyon Maris. “She wouldn’t even me sixty quid.” lies the master suite. choose the color.”

176

B y Iain Reynolds


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Jonas Förster, Marcus Parade, Thomas Dammann

Nicola Stattmann

Detlef Braun

Melanie von Groll, Simone Lindner

Fotos: Torsten Zimmermann

Ambiente Bem-vindo! AD lud zum traditionellen Get-together auf der Ambiente. Dieses Jahr rückte die Konsumgütermesse mit der Sonderschau „Focus on Design“ Brasilien in den Mittelpunkt. Talk des Abends: Über bewussten und nachhaltigen Konsum sprachen das deutsche Supermodel Toni Garrn und Detlef Braun, Geschäftsführer der Messe Frankfurt. Bei temperamentvollen Rhythmen, hessischen Spezialitäten und dem AD-Cocktail „Bombay Mule“ tauschten die 100 geladenen Gäste im Anschluss noch weitere Impressionen aus. Wir sagen: Obrigado! MB Heidi Christ, Detlef Braun, Toni Garrn, Nicola Stattmann, Nicolette Naumann

Stephan Siegler, Oliver Schwebel, Barbara und Wolfram Wrabetz

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Anja und Lisa-Marie Englisch

Maarg Semere, Ubah Hussein

Jörg Bombach, Toni Garrn

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Adressen

22309 Hamburg

AD erscheint in der Condé Nast Germany GmbH, Oskar-von-Miller-Ring 20, D-80333 München; Tel.: 089/38104-994, Fax: 089/38104-270; Amtsgericht München HRB 56733, USt-IdNr.: DE 129 318 186; CEO: Jessica Peppel-Schulz

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