FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN Redakcja AGNIESZKA STAWIKOWSKA-MARCINKOWSKA Recenzja JACEK MAKOWSKI Projekt okładki SYLWIA MOSIŃSKA Uniwersytet Łódzki, Wydział Filologiczny Instytut Filologii Germańskiej Zakład Językoznawstwa Niemieckiego Adres: 90-236 Łódź, ul. Pomorska 171/173 speclang2016@uni.lodz.pl www.speclang.uni.lodz.pl www.facebook.com/speclang Publikacja dofinansowana przez Wydział Filologiczny Uniwersytetu Łódzkiego
ISBN 978-83-65237-28-6
© Copyright by Uniwersytet Łódzki, Wydział Filologiczny Łódź 2016
Inhaltsverzeichnis
VORWORT ...................................................................................................................................... 5 FACHSPRACHEN Brigita Bosnar-Valković Semantik der Anglizismen in der Deutschen Tourismusfachsprache ............................................. 9 Agnieszka Stawikowska-Marcinkowska Zu fach- und gemeinsprachlichen Kollokationen in der deutschen und polnischen Börsensprache .............................................................................................................................. 23 Joanna Szczęk, Marcelina Kałasznik Medizinische Fachsprache doch nicht so schwer? – Deutsche und deutsch-polnische Lehr- und Lernmaterialien aus dem Bereich der Fachsprache der Medizin. Versuch einer Auswertung ................................................................................................................................... 34 Monika Zaleska Die Rechtssprache der Europäischen Union – eine Herausforderung für die Übersetzer ............ 48 AUSBILDUNG Beata Grzeszczakowska-Pawlikowska Ein integrierter Ansatz für die Vermittlung der rhetorischen Kompetenz unter dem Aspekt von Fachlichkeit ............................................................................................................................. 61 Henryk Mazepa Projektorientiertes Fremdsprachenlernen mittels animierter Visualisierung Zum Einsatz von Erklärvideos in der Vermittlung, Aneignung und Anwendung der „Berufssprache“ Deutsch ........ 71 Krzysztof Sakowski Das Projekt des mehrsprachigen Glossars als Träger mehrdimensionaler Entwicklungsstrategien im Hochschulbereich ............................................................................... 83 Magdalena Wiażewicz, Anke Sennema Fachsprache ist des Berufes Schmied: Kompetenzorientierte Fachsprachendidaktik im Kontext der beruflichen Bildungsstandards in Polen und Deutschland .................................... 92
KARRIERECHANCEN Tomasz Maras Die sprachliche Kommunikation und ihre Implikationen für phasenorientierte Translationsmodelle ....................................................................................................................109 Joanna Kozłowska, Krzysztof Sakowski Grundlagen des Rechts für künftige Übersetzer – Postulat eines eigenständigen Seminars für Philologen am Beispiel der Germanistik .................................................................................119 Ellen Tichy Profile der Germanistik und Berufsperspektiven für AbsolventInnen – am Beispiel Rumänien ....................................................................................................................................130
VORWORT
Das Augenmerk der Monographie richtet sich auf die Sprachphänomene im Bereich der Fachsprachen und deren Folgen für das Berufsleben der HochschulabsolventInnen von philologischen Fachrichtungen. Diese Themen sind bislang zwar in einigen Publikationen untersucht worden, Monographien oder Sammelbände, die sich mit dem an Universitäten erteilten fachbezogenen Deutschunterricht beschäftigen, stellen jedoch ein Desiderat dar. Der vorliegende Band soll einen Beitrag dazu leisten, diese Lücke in der Forschung zu schließen. Damit ist die Hoffnung verknüpft, dass durch diesen Sammelband ein Anstoß gegeben wird für weitere Forschung, die letztendlich dazu führen wird, vertiefte Reflexionen über den fachbezogenen Fremdsprachenunterricht an der Hochschule zu leisten. Das Ziel der vorliegenden Beiträgen ist es, diesen hochschulischen Fremdsprachenunterricht weiter zu verbessern und für die Studierenden der philologischen Fachrichtungen noch funktionaler und effizienter zu gestalten, damit diese die an sie gestellten beruflichen Anforderungen in verbesserter Art und Weise meistern können. Zur Diskussion bezüglich der fachsprachlichen Ausbildung und der Karrierechancen wurden Sprachwissenschaftler aus ganz Europa eingeladen, ihre Forschung in Rahmen des vorliegenden Bandes darzustellen. Sie wurden dazu ermuntert, ihren Beitrag in dieser Form des Forschungsaustauschs zu leisten. Der vorliegende Band besteht aus drei Hauptbereichen, in denen fachsprachliche Phänomene in drei Anwendungsbereichen erforscht werden: Fachsprachen, Ausbildung und Karrierechancen. Im Fokus des ersten Bereiches stehen die Tourismus-, die Börsen-, die Medizin- und die Rechtssprache. Im zweiten Bereich werden die Aspekte des fachbezogenen Unterrichts unter die Lupe genommen, und zwar die rhetorische Kompetenz unter dem Aspekt von Fachlichkeit, projektorientiertes Fremdsprachenlernen mittels animierter Visualisierung, Ausarbeitung eines mehrsprachigen Glossars als Träger mehrdimensionaler Entwicklungsstrategien im Hochschulbereich sowie kompetenzorientierte Fachsprachendidaktik in Deutschland und Polen. Der dritte
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Bereich des Bandes stellt verschiedene künftige berufliche Chancen der Philologiestudierenden. Die Autoren kreieren das Porträt von HochschulabsolventInnen und damit wird auch ein Versuch gemacht, ihre Berufsperspektiven darzustellen. Ich bedanke mich hiermit bei allen Autorinnen und Autoren für ihre Teilnahme an der Entstehung dieses Sammelbandes. Ein besonderer Dank gilt Prof. Dr. habil. Joanna Jabłkowska, der Dekanin der Philologischen Fakultät Universität Łódź, für die finanzielle Unterstützung der vorliegenden Ausgabe. Die Herausgeberin Dezember 2016
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FACHSPRACHEN
KAPITEL 1 Brigita Bosnar-Valković
Semantik der Anglizismen in der Deutschen Tourismusfachsprache
Die Tourismus(fach)sprache In den letzten Jahren hat der Tourismus mit einer immensen Zahl der Beschäftigten weltweit, eine boomende Entwicklung durchgemacht, wobei die neuesten Technologien und Kommunikationsmittel eingesetzt werden. Die Frage, ob die Tourismussprache als Fachsprache betrachtet werden kann, ist immer noch eine der kontroversen Themen. Die Kontroversen hinsichtlich der fraglichen Fachsprachlichkeit der Tourismussprache wurden aufgelöst, als außer der Kommunikation zwischen Fachleuten auch die Kommunikation zwischen Laien und Fachleuten als fachsprachliche Kommunikation akzeptiert wurde. Neben dem Mangel an einem eigenen „eingeschränkten Code“ zeigt die Tourismusfachsprache auch keine klaren funktionalen Grenzen und keinen definierten Inhalt, denn Tourismus selbst umfasst verschiedene Bereiche wie Sport, Geographie, Kunstgeschichte, Informationstechnologie usw. Davon ausgehend definiert Calvi (2005: 33) die Tourismusfachsprache als „un linguaggio dalla fisionomia sfuggente“ – eine Sprache fluider Natur, so dass aus dieser erweiterten Perspektive der Begriff Fachdiskurs (specialized discourse) hervorgegangen ist (Gotti 2005: 19). Der Fachdiskurs ist demgemäß eine Kommunikationsform in der außer fachsprachlichen auch gemeinsprachliche Ausdrücke verwendet werden, und
Dr. habil. Brigita Bosnar-Valković, Sveučilište u Rijeci / Kroatien.
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zwar in den Textsorten und Kommunikationssituationen, die für einen Fachbereich charakteristisch sind. Es ist evident, dass die Tourismussprache einerseits über eine große Anzahl von Ähnlichkeiten mit der Gemeinsprache verfügt, so dass nach Gotti (2005: 19) kein hohes Niveau an Spezialisierung vorausgesetzt wird, um sie zu verstehen; andererseits wird aber in der Tourismussprache eine ganz besondere Art der Fachkommunikation verwendet. Der italienische Sprachwissenschaftler Gotti (2005: 21) hat hervorgehoben, dass die Gemeinsprache als ein wichtiger Teil der Tourismussprache auf eine kreative und originelle Art und Weise behandelt wird, d.h. dass die lexikalischen, phonetischen und morphosyntaktischen Ressourcen der Gemeinsprache als Bausteine in die Tourismusfachsprache eingebaut und in die Fachtexte eingesetzt werden. Bei der Bestimmung der Tourismussprache als Fachsprache wählen wir das Kriterium der Fachsprachlichkeit als Grundvoraussetzung. Auf dem Kriterium der Fachsprachlichkeit und nicht in der Opposition zwischen der Gemein- und Fachsprache beruht das Modell der gleitenden Skala von Kalverkämper (2006: 56). In der „gleitenden Skala“ wird die Fachsprache nur im Verhältnis zu ihrer Fachsprachlickeit analysiert. Die Position auf der Skala hängt von dem Kommunikationsgegenstand und Kommunikationspartnern. abnehmende Fachlichkeit
arm an fachsprachlichen Merkmalen
reich an fachsprachlichen Merk-Merkmalen
Abb. 1. Modell der „gleitenden Skala“ nach Kalverkämper (1989: 124) Quelle: Lee-Jahnke, Vertikale Komplexität und horizontale Spezialisierung (2006: 56)
Die Fachsprachlichkeit ist in Form eines Dreiecks dargestellt. Seine Basis präsentiert eine stark ausgeprägte Fachsprachlichkeit, während die Spitze der beiden Schenkel eine schwach ausgeprägte Fachsprachlichkeit darstellt. Wir können schließen, dass die Tourismusfachsprache trotz mancher Merkmale, die für Fachsprachen nicht typisch sind, den Status einer unabhängigen
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SEMANTIK DER ANGLIZISMEN IN DER DEUTSCHEN TOURISMUSFACHSPRACHE
Fachsprache hat, die durch Abwesenheit von einer hoch kodierten Terminologie und einen hohen Anteil an Laien in der touristischen Kommunikation charakterisert ist. In anderen Worten ist die Tourismusfach-sprache ein Kommunikationsmittel, das von Fachleuten und Laien gebraucht wird und der Verbalisierung der bestimmten Kommunikationsabsichten dient.
Das untersuchte Korpus und Methode In Anlehnung an die oben angeführten Merkmale der Tourismusfachsprache und hinsichtlich ihrer Interdisziplinarität wurde das untersuchte Korpus in drei Subkorpora unterteilt – Subkorpus der Reisekataloge, Fachzeitschriften und fachwissenschaftlichen Publikationen. In jedem Subkorpus wurden typische Textsorten analysiert. Als typische Textsorten im Subkorpus der Reisekataloge wurden Hotelprospekte, Reiseprogramme und Destinationsbeschreibungen selektiert, im Subkorpus der Fachzeitschriften Stellenanzeigen, Reportagen und Interviews und innerhalb der fachwissenschaftlichen Publikationen Geschäftsbriefe, Dissertationen, wissenschaftliche und Fachbeiträge. In jedem Subkorpus wurden die Anglizismen identifiziert und im Hinblick auf ihre Semantik analysiert.
Bestimmung des Begriffs Anglizismus Die Terminologie des Tourismus wird durch einen immer größeren Einfluss von Anglizismen bestimmt. Es gibt sehr viele Definitionen des Begriffs Anglizismus, weil er im Laufe der Zeit viele Veränderungen erfahren hat, und zwar im Sinne von Bedeutungserweiterungen und -einschränkungen. In dieser Arbeit wird der Begriff Anglizismus in Anlehnung an Busse (2001: 134), Schütte (1996: 38) und Carstensen (1979: 138) als jede Erscheinung einer einheimischen Sprache verstanden, die auf Transferenz der englischen Sprache zurückgeht. Es ist dabei gleichgültig, ob ein Anglizismus mit einer im englischen Sprachgebrauch üblichen Bedeutung verbunden ist oder nicht. Zu Anglizismen zählen auch die sogenannten Internationalismen, die über das Englische in die deutsche Sprache eingedrungen sind.
Integration der Anglizismen auf der semantischen Ebene In dieser Arbeit wird unter der Semantik der Anglizismen die semantische Integration der Anglizismen verstanden. Die Grundvoraussetzung der semantischen Integration ist, dass der Wortschatz fluid und mobil ist (Ullmann 1962: 95), wodurch die Akzeptanz neuer Wörter und Bedeutungen möglich ist.
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Die Analyse der Wörter aus semantischer Sicht ist eine wichtige Komponente der linguistischen Beschreibung des Entlehnungsprozesses, weil gerade die Semantik eine hauptsächliche Bedingung für den Gebrauch der Anglizismen ist, indem die semantische Komponente in Nehmersprachen ihren semantischen Eigenweg bildet. Unter dem semantischen Eigenweg versteht man den Bedeutungswandel. Der Bedeutungswandel wird durch ein neues kommunikatives Umfeld in der Nehmersprache beeinflusst, in dem ganz andere verschiedene Kommunikationsbedingungen herrschen, die neue Gebrauchsweisen ermöglichen (Vgl. Đorđević 2006: 347). Die Bedeutung bezeichnet die inhaltliche Seite eines sprachlichen Zeichens und im Zusammenhang damit schlägt Erdmann eine Dreiteilung der Wortbedeutung vor1: a. den begrifflichen Inhalt (Bedeutungskern); b. den Nebensinn (Begleit- und Nebenvorstellungen, welche ein Zeichen bewirkt); c. den Gefühlswert (Gefühle und Stimmungen, die ein Zeichen auslöst). Der begriffliche Inhalt eines Zeichens ist seine Denotation. Nebensinn und Gefühlswert werden unter Konnotation zusammengefasst (Vgl. Yang 1990: 45). Die Konnotation kann man als eine weitere Bedeutung bezeichnen. Aus semantischer Sicht unterscheidet man vier Gruppen von Anglizismen: Anglizismen mit Null-Extension, Anglizismen mit Bedeutungsverengung, Anglizismen mit Bedeutungserweiterung und Anglizismen mit Bedeutungsverschiebung (Vgl. Yang 1990: 94).
Anglizismen mit Null-Extension (mit unveränderter Bedeutung) Bei den Anglizismen mit Null-Extension ist der Bedeutungsumfang des Modells und der Replik gleich. Die meisten Anglizismen mit Null-Extension werden in Sachbereichen mit eindeutigem Wortschatz verzeichnet (z.B Sport, Mode, Musik, Telekommunikation). Dazu gehören auch Neologismen, die ihre neue oder zusätzliche Bedeutung noch nicht entwickelt haben. Für Anglizismen mit Null- oder unveränderter Extension ist die gleichbleibende Semantik charakteristisch, wie z.B: Airport = Flughafen, Airline = Fluglinie, Housekeeping = Hausdamenabteilung, Team = Arbeitsgruppe, Mannschaft usw., was auch die folgenden Beispiele im Satzkontext illustrieren:
1
Übernommen aus Yang (1990: 45).
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SEMANTIK DER ANGLIZISMEN IN DER DEUTSCHEN TOURISMUSFACHSPRACHE
– Es sei Sache der Airlines, die Ticket kosten korrekt in den GDs zu hinterlegen (FVW, 7/10/43); – Wir feiern beim Arbeiten im Gasthof – mit dem Team, den Familien und Gästen (AHGZ, 18.12.10/2); – Im Jahr 2009 übernahm er die Stelle als General Manager im Pullmann Hotel Newa in Dresden (AHGZ, 18.12.10/6).
Anglizismen mit Bedeutungsverengung Anglizismen mit Bedeutungsverengung weisen eine Art der Bedeutungsspezialisierung auf. Es handelt sich um Lexeme, die in der Gebersprache polysem sind und bei der Entlehnung in die Nehmersprache zahlenmäßig verringerte Bedeutungsvarianten erfahren haben. Viele Anglizismen in unserem Korpus haben mehrere Bedeutungen im Englischen als Geber- als im Deutschen als Nehmersprache. Sie werden nämlich ins Deutsche nur mit einem Teil der Gesamtbedeutung übernommen. Im Folgenden werden wir einige Beispiele der Anglizismen mit Bedeutunsverengung anführen und ihre Bedeutung(en) in der Geber- und Nehmersprache erläutern. Die Zahl der englischen Bedeutungen wurde dem Oxford Advanced Learner’s Dictionary, siebte Auflage aus dem Jahr 2005 entnommen und die Zahl der Bedeutungen im Deutschen wurde im Duden Deutschen Universal Wörterbuch A–Z, sechste neu bearbeitete Auflage, nachgeschlagen. Im Korpus wurden zwei Arten der Bedeutungsverengung registriert: 1. Ein Wort hat im Englischen mehrere Bedeutungen, von denen nur eine übertragen wird, wie z.B. Event. 2. Ein Wort hat im Englischen mehrere Bedeutungen. Davon werden einige, jedoch nicht sämtliche ins Deutsche übertragen, wie z.B. Ticket. Als Beispiel des Anglizismus, der nur mit einer der vertretenen Bedeutungen entlehnt wurde, wird zuerst der Anglizismus Event (engl. event) dargestellt, der aus dem Lateinischen eventus stammt und in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus dem Englischen als Gebersprache ins Deutsche übernommen wurde.
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der/das E v e n t Bedeutung 1. 2. 3.
Englisch a thing that happens, especially sth. important a planned public or social event
Deutsch
ugs. der od. das, (engl. event), Veranstaltung, Ereignis
one of the races or competitions in a sports programme
Die im Duden Universal Wörterbuch (2007) angebotene Bedeutung für der/ das Event lautet Veranstaltung, Ereignis, was der ersten und der zweiten Teilbedeutung im Englischen entspricht. Die dritte Bedeutung, one of the races or competitions in a sports programme ist im Deutschen nicht gebräuchlich. Ein weiteres Beispiel für Bedeutungsverengung ist auch der Anglizismus Swimmingpool. der S w i m m i n g p o o l Bedeutung 1.
2.
Englisch a large hole in the ground, tiled and filled with water for swimming in it the building that contains a public swimming pool
Deutsch auf einem Privatgrundstück befindliches Schwimmbecken inner- od. außerhalb eines Gebäudes
Aus den englischen Teilbedeutungen geht hervor, dass der Swimmingpool in der Regel für alle Arten von Swimmingpools verwendet, und zwar unabhängig davon ob es sich um Frei- oder Hallenbäder handelt, während im Deutschen der Swimmingpool nur für kleinere Pools inner- oder außerhalb einer Wohnanalage gebraucht wird (auf einem Privatgrund befindliches Schwimmbecken innerhalb oder außerhalb eines Gebäudes). Dieser Bedeutung entspricht die englische private swimming pool. Swimming-pool wurde zum ersten Mal im Duden Fremdwörterbuch aus dem Jahr 1960 mit der Definition engl. Bezeichnung für Schwimmbecken verzeichnet. Auch die Kurzform Pool(s) wurde im analysierten Korpus registriert. Der Anglizismus Drink stellt auch ein Beispiel der Bedeutungsverengung dar.
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SEMANTIK DER ANGLIZISMEN IN DER DEUTSCHEN TOURISMUSFACHSPRACHE
der D r i n k Bedeutung 1. 2. 3.
Englisch a liquid for drinking; an amount of liquid that you drink alcohol or an alcoholic drink; sth. that you drink on a social occasion drinks (pl.) a social occasion where you have alcoholic drinks
Deutsch
meist alkoholisches [Mix]getränk
Von den drei vorhandenen englischen Bedeutungen die sowohl die soziale Komponente (drinks (pl.) a social occasion where you have alcoholic drinks) als auch beides – alkoholfreie und alkoholische Getränke (a liquid for drinking; an amount of liquid that you drink) mit einbeziehen, wurde ins Deutsche nur die zweite meist alkoholisches [Mix]getränk; alkoholische Mischgetränke (Deutsche Rechtschreibung) übertragen. Als nächstes Beispiel wird der Anglizismus Party analysiert. Er wurde im 20. Jahrhundert aus engl.-amerik. party entlehnt, das ursprünglich aus frz. partie „Teil; Beteiligung; Abteilung“ stammt. die P a r t y Bedeutung 1. 2.
3. 4. 5.
Englisch a political organization that you can vote for a social occasion, often in a person’s home, at which people eat, drink, talk, dance and enjoy themselves a group of people who are doing sth. together such as travelling or visiting somewhere (formal) one of the people or groups of people involved in a legal agreement or argument (informal) to enjoy yourself, especially by eating, drinking alcohol and dancing (verb)
Deutsch zwangloses, privates Fest
Der Anglizismus Party hat in der Gebersprache Englisch fünf Bedeutungen. Ins Deutsche wurde nur eine Bedeutung übernommen, die der englischen Teilbedeutung „social occasion, often in a person’s home, at which people eat, drink, talk, dance and enjoy themselves“ entspricht. Der Tatsache, dass es sich bei Party im Englischen auch um ein Verb handeln könnte, sind sich im
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Deutschen nur wenige bewusst. Im Deutschen wird in der verbalen Bedeutung to party die Lehnübersetzung Party machen gebraucht. In unserem Korpus wird der Anglizismus Party ausschließlich in der Bedeutung „zwangloses, privates Fest“ gebraucht, was die folgenden Beispiele im Satzkontext illustrieren. – Hier erfahren Sie, dass das Leben eines Event-Managers nicht aus Party besteht, sondern aus harter Arbeit (AHGZ, 26.06.10/16); – Party für Mister Superjumbo (FVW, 10/10/10); – Nun kommt am Mittwoch sein großer Tag mit Riesenparty auf dem Frankfurter Flughafen (FVW, 10/10/10). Der Anglizismus Ticket ist auch ein Beispiel der Bedeutungsverengung, der nach dem Duden Fremdwörterbuch (DFW) zu unterschiedlichen Zeiten mit unterschiedlichen Bedeutungen ins Deutsche übernommen wurde. Das Wort wurde zuerst in Bezug auf die Eintrittskarte, den Gepäckschein, Lieferschein, Parkschein und die Flugkarte (DFW) verwendet, während sich heutzutage der Anglizismus Ticket vor allem auf den Bereich des Schiffs- und Luftverkehrs bezieht. Der Anglizismus Ticket kann auch im Rahmen des Busund Zugverkehrs verwendet werden; insbesondere in Zusammensetzungen. das T i c k e t Bedeutung 1.
2.
3. 4.
5.
Englisch a printed piece of paper that gives you right to travel on a particular bus, train etc. or to go into a theatre a printed piece of paper with numbers on it, that you buy in order to have the chance of winning a prize a label that is attached to sth in a shop/ store giving details of its price, size an official notice that orders you to pay a fine because you have done sth illegal while driving or parking your car a list of candidates that are supported by a particular political party in an election
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Deutsch Fahrschein (bes. für eine Schiffs- oder Flugreise) (seltener) Eintrittskarte
SEMANTIK DER ANGLIZISMEN IN DER DEUTSCHEN TOURISMUSFACHSPRACHE
Folgende Beispiele aus dem Korpus illustrieren den Gebrauch des Anglizismus Ticket in der deutschen Tourismusfachsprache (TFS): – Immerhin noch 14 Prozent der Germanwings-Tickets würden an die inzwischen schrumpfende Gruppe der Städtereisenden verkauft (FVW, 5/10/190); – Wir werden gezielt Return-Tickets für 59 Euro inklusive Snacks an Bord vermarkten (FVW, 7/10/79); – Allerdings öffnet sich das Pop-up-Fenster nicht bei den sehr günstigen Tickets (FVW, 5/10/190).
Anglizismen mit Bedeutungserweiterung Wenn die Anzahl der Sememe eines Lexems steigt, geht es um Bedeutungserweiterung. Die Bedeutungserweiterung schließt die zusätzlichen Bedeutungen ein, die in der Geber- sprache nicht vorhanden sind. Als Beispiel der Bedeutungserweiterung wird im Folgenden der Anglizismus Dancing analysiert.: das D a n c i n g Bedeutung 1. 2.
Englisch moving your body to music
Deutsch Tanz, Tanzveranstaltung Tanzbar, Tanzlokal
Dancing ist ein neuerer Anglizismus, der im Duden Fremdwörterbuch aus dem Jahr 1966 (Yang 1990: 95) noch nicht vertreten ist. Im Duden Fremdwörterbuch aus dem Jahr 1982 wird jedoch Dancing als Tanz(veranstaltung) definiert was der Teilbedeutung in der Gebersprache entspricht. Dancing mit der Teilbedeutung Tanzlokal oder Tanzbar stellt hingegen eine Bedeutungserweiterung dar, die im Englischen nicht vertreten ist. Es muss hervorgehoben ertden, dass schon im Wahrig Deutschen Wörterbuch aus 1975 Dancing nur als Tanzlokal definiert wurde, also nur in der erweiterten Bedeutung. Das entsprechende englische Äquivalent für Tanzlokal oder Tanzbar wäre dance hall oder dance bar (Carstensen 1980: 92). In unserem Korpus wurde nur das folgende Beispiel verzeichnet. – Dancing im Hotel Tropicano, Torremolinos, Costa del Sol (FVW, 10/10/34).
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Anglizismen mit Bedeutungsverschiebung Im Laufe der semantischen Integration kann es ebenfalls zur Bedeutungsverschiebung kommen. „Bei der Bedeutungsverschiebung handelt es sich um die Anglizismen, deren Bedeutungen im Deutschen mit denen im Englischen im Wesentlichen nicht übereinstimmen“2. Für die Bedeutungsverschiebung ist also charakteristisch, dass die ursprüngliche Bedeutung nicht in die Nehmersprache übernommen wurde. Im Korpus wurden nur einige Beispiele der Bedeutungsverschiebung verzeichnet. Als erstes Beispiel besprechen wir den Anglizismus face lifting, der in der medizinischen Praxis in der Bedeutung Gesichtsstraffung gebraucht wird. Zur Bedeutungsverschiebung ist es aus dem folgenden Grund gekommen: Im Unterschied zum Gebrauch in der medizinischen Fachsprache wird face lifting in anderen Varietäten, darunter auch in der deutschen Tourismusfachsprache in der Bedeutung einer kleinen Änderung, Renovierung oder Erfrischung verwendet, was in folgenden Beispielen aus dem Korpus vorkommt: – La Mamounia ist nach dreijährigem Facelift wieder ein prominenter Treffpunkt Marrakeschs (FVW, 7/10/61); – Drittens wird die Marke einem gründlichen Facelift unterzogen, das Erscheinungsbild vereinheitlicht (AHGZ /20. 11. 10/ 15); – Zum Jubiläum gibt es einen Facelift mit einem neuen Look der Maschinen und neuen Services (FVW, 10/10/94); – AER Ticket etwa vermeldet nach einem Facelifting und neuen Funktionene für seine Hoteldatenbank AER Hotels steigende Nutzer- und Buchungszahlen (FVW, 10/10/77). In angeführten Beispielen geht es nicht um die Gesichtsstraffung, sondern um gewisse Änderungen im Sinne der Innovation oder Erfrischung. In deutschen Wörterbüchern wird nur die ursprüngliche originelle Bedeutung des Anglizismus Facelift verzeichnet. Zur Bedeutungsverschiebung ist es auch beim Anglizismus Styling gekommen. Im Englischen ist Styling „the act of cutting and/or shaping hair in a particular style; the way in which sth. is designed“. Im Deutschen wird es in der Bedeutung des englischen Wortes outfit verwendet. Hier folgt das Beispiel im Satzkontext aus dem Korpus: – Professionelles Styling im Münchner Marriott Hotel (AHGZ, 20.02.10/23). 2
Zitiert nach Yang (1990: 108).
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SEMANTIK DER ANGLIZISMEN IN DER DEUTSCHEN TOURISMUSFACHSPRACHE
Besonders interessant ist der Anglizismus Handy, der im Englischen nicht als Substantiv, sondern als Adjektiv in der Bedeutung useful oder skillful verwendet wird. Darüber hinaus taucht es auch als Adverb vor und bedeutet easily. Im Deutschen kommt es in keiner dieser Bedeutungen vor, sondern wird es als Substantiv in der Bedeutung des englischen Wortes mobile (phone) verwendet. Man kann sagen, dass das englische Wort handy im Deutschen eine neue Bedeutung bekommen hat, was auch die folgenden Beispiele bestätigen. – Auf einer Skala von eins bis zum Höchstwert zehn bewerten die Befragten das Finden eines Produktes, einer Dienstleistung und den Kauf eines Geschenks übers Handy gerade mal mit einer Drei (AHGZ, 18.12.10/14); – Martin Klöckner aus Aachen nimmt sich unterdessen als Souvenir fürs Handy etwas Glockenläuten auf, das gibt’s gratis per Knopfdruck auf dem Computer (FVW, 10/10/67). Der Anglizismus Dancing wurde außer schon erwähnter Bedeutungserweiterung auch der Bedeutungsverschiebung unterzogen, da er eine neue Bedeutung im Sinne vom Tanzlokal bekommen hat, die im Englischen nicht verwendet wird.
Schlussfolgerung In Bezug auf die Semantik, bzw. die semantische Integration der Anglizismen wurde festgestellt, dass in dem untersuchten Korpus der Tourismusfachsprache die größte Frequenzhäufigkeit auf die Anglizismen mit Null-Extension oder gleichbleibender Semantik entfällt, was typisch für einen bestimmten Sachbereich mit eindeutigem Wortschatz ist. Die Anglizismen mit Bedeutungsverengung stellen in unserer Anlyse die häufigste semantische Änderung, was mit der Behauptung von von NikolićHoyt (2005: 197) übereinstimmt. Da das entlehnte Wort meistens zwecks der Benennung eines Gegenstandes oder Begriffs aus der Gebersprache übernommen wird, wird die Übernahme in die Nehmersprache durch eine geringere Zahl der Bedeutungen charakterisiert. Nur einige Beispiele der Bedeutungsverschiebung wurden verzeichnet (Styling, Facelift, Dancing), während mit Bedeutungserweiterung nur der Anglizismus Dancing registriert wurde.
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Der Anglizismus Dancing wurde also außer Bedeutungserweiterung auch der Bedeutungsverschiebung unterzogen, da er eine neue Bedeutung im Sinne vom Tanzlokal bekommen hat, die im Englischen nicht verwendet wird. Wir können schließen, dass die Semantik der übernommenen Anglizismen im Allgemeinen höchst problematisch erscheint, da viele Entlehnungen für jeden Sprecher eine andere Bedeutung haben. Diejenigen aber, die sich durchsetzen, bekommen im Laufe der Zeit eine konventionalisierte Bedeutung wie muttersprachliche Wörter.
Literaturverzeichnis Blažević, Nevenka; Bosnar-Valković, Brigita (2010), Anglizismen in der deutschen und kroatischen Jugendsprache. Eine kontrastive Untersuchung am Beispiel der Jugendzeitschrift BRAVO. Rijeka: Adamić d.o.o. Busse, Ulrich (2001), Typen von Anglizismen: von der heilago geist bis Extremsparing- aufgezeigt anhand ausgewählter lexikographischer Kategorisierungen. In: Stickel, Gerhard (Hrsg.), Neues und Fremdes im deutschen Wortschatz. Aktueller lexikalischer Wandel. Jahrbuch 2000 des Instituts für deutsche Sprache. Berlin: De Gruyter, S. 131–155. Carstensen, Broder (1979), Evidente und latente Einflüsse des Englischen auf das Deutsche, In: Braun, Peter (Hrsg.), Fremdwort-Diskussion. München: Wilhelm Fink Verlag, S. 90–94. Carstensen, Broder (1980), Semantische Scheinentlehnungen des Deutschen aus dem Englischen. In: Viereck, Wolfgang (Hrsg.), Studien zum Einfluß der englischen Sprache auf das Deutsche. Tübingen: Gunter Narr, S. 77–100. Calvi, Maria Vittoria (2005), Il linguaggio spagnolo del turismo. Seconda edizione. Viareggio: Baroni. Đorđević, Miloje (2006), Entlehnungen aus dem österreichischen Deutsch in der Stadtsprache von Sarajevo. (Rezension von Memić, Nenad). In: Schriften zur deutschen Sprache in Österreich, 37. Peter Lang, Frankfurt am Main. Gotti, Maurizio (2005), The Language of Tourism as Specialized Discourse. In: Palusci, O. / Francesconi, S. (eds.), Translating Tourism. Linguistic/Cultural Representations, Editrice Università degli Studi di Trento, Trento, pp. 15–34. Lee-Jahnke, Hannelore (2006), Vertikale Komplexität und horizontale Spezialisierung. In: Gotti, Maurizio / Šarčević, Susan (Hrsg.), Insights into Specialized Translation. Series Linguistic Insights, Volume 46. Bern/Berlin/Bruxelles/ Frankfurt am Main/New York/Oxford/Wien: Peter Lang Verlag.
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SEMANTIK DER ANGLIZISMEN IN DER DEUTSCHEN TOURISMUSFACHSPRACHE Nikolić-Hoyt, Anja (2003), Semantička adaptacija engleskih posuđenica u hrvatskom jeziku. In: „Filologija“, 41, S. 169–184. Schütte, Dagmar (1996), Das schöne Fremde: Angloamerikanische Einflüsse auf die Sprache der deutschen Zeitschriftenwerbung. Opladen: Westdeutscher Verlag. Ullmann, Stephen (1974), Words and Their Meanings. University Lectures. Canberra: Australian National University Press. Yang, Wenliang (1990), Anglizismen im Deutschen am Beispiel des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL. Tübingen: Max Niemeyer Verlag.
Fachzeitschriften Allgemeine Hotel- und Gastronomie- Zeitung (AHGZ) – Wochenzeitung für Hotel- und Restaurant-Management, Nr. 08, 20. Februar 2010. Allgemeine Hotel- und Gastronomie- Zeitung (AHGZ) – Wochenzeitung für Hotel- und Restaurant-Management, Nr. 20, 15. Mai 2010. Allgemeine Hotel- und Gastronomie- Zeitung (AHGZ) – Wochenzeitung für Hotel- und Restaurant-Management, Nr. 26, 26. Juni 2010. Fremdenverkehrswirtschaft (FVW) – Das Magazin für Touristik und Business Travel, Nr. 5/10, 4. März 2010. Fremdenverkehrswirtschaft (FVW) – Das Magazin für Touristik und Business Travel, Nr. 7/10, 1. April 2010.
Fremdenverkehrswirtschaft (FVW) – Das Magazin für Touristik und Business Travel, Nr. 10/10, 14. Mai 2010.
Wörterbücher Duden Deutsches Universalwörterbuch A–Z, (2007), Neu bearbeitete sechste Auflage,Dudenverlag, Mannheim u.a. Duden (2001), Das Fremdwörterbuch. Band 5. Dudenverlag, Mannheim u.a. Duden (2007), Das Herkunftswörterbuch. Band 7. Dudenverlag, Mannheim u.a. Duden (2001), Die deutsche Rechtschreibung. Dudenverlag, Mannheim u.a.
Oxford Advanced Learners Dictionary (2005), 7th edition, Oxford University Press.
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
Zusammenfassung Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Semantik der Anglizismen in der deutschen Tourismusfachsprache. Die kontroverse Frage der Fachsprachlichkeit der Tourismusfachsprache wird diskutiert und der Anglizismusbegriff bestimmt. Die Semantik der Anglizismen wurde im Rahmen der drei Subkorpora – Subkorpus der Reisekataloge, Fachzeitschriften und fachwissenschaftlichen Publikationen untersucht. Aus semantischer Sicht wurden im untersuchten Korpus Anglizismen mit NullExtension, Anglizismen mit Bedeutungsverengung, Anglizismen mit Bedeutungserweiterung und Anglizismen mit Bedeutungsverschiebung verzeichnet und im Hinblick auf ihre Teilbedeutungen im Englischen und Deutschen analysiert. Schlüsselwörter: Tourismusfachsprache, Anglizismus, Anglizismen mit Null-Extension, Anglizismen mit Bedeutungsverengung, Anglizismen mit Bedeutungserweiterung, Anglizismen mit Bedeutungsverschiebung
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KAPITEL 2 Agnieszka Stawikowska-Marcinkowska
Zu fach- und gemeinsprachlichen Kollokationen in der deutschen und polnischen Börsensprache
Einführung In der deutschen Fachsprachenforschung nahm man in den letzten Jahren vor allem den Terminus unter die Lupe. Die fachsprachlichen Untersuchungen sowie gemeinsprachliche Wortschatzanalysen, beschäftigten sich fast ausschließlich mit Einworttermini und behandelten die Existenz von Mehrworttermini lediglich peripher. Man spricht an dieser Stelle von einem „vernachlässigten Benennungstyp“, der aber in den letzten Jahren an Bedeutung gewann. Der vorliegende Aufsatz ist ein Versuch, diese Forschungslücke im Hinblick auf die Fachsprache der Börse auszufüllen. Er baut auf Ergebnissen einer im Rahmen einer breiteren Erforschung der Börsensprache durchgeführten Untersuchung auf. Schwerpunkt der Untersuchung ist nicht eine Aufzählung von Typen börsensprachlicher Wortverbindungen, die in die herkömmlichen Klassen der Phraseologieforschung passen, sondern ein Entwurf einer Analyse, die die Börsensprache in einem neuen Licht zeigen sollte.
Fachsprachliche Kollokationen „Fachsprache hat zwei Dimensionen, das Einzelwort, den Terminus, der meist im Zentrum der Terminologie steht, und die ebenfalls fachsprachliche Kontextualisierung des Terminus in seinen Kollokationen“ (Hausmann 2003: 83).
Dr. Agnieszka Stawikowska-Marcinkowska, Uniwersytet Łódzki / Polen.
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Hausmann (1985: 118) geht von „wesenhaften Bedeutungsbeziehungen“ aus und unterscheidet zwischen wesentlichen und unwesentlichen Wortverbindungen. Nur die ersteren betrachtet er als Kollokationen, wobei das gleichzeitige Auftreten von zwei Elementen eine wichtige Voraussetzung ist. Er definiert die Kollokation als „typische, spezifische und charakteristische Zweierkombination von Wörtern“ (Hausmann 1985: 118) oder genauer: „die Kollokation ist die phraseologische Kombination von Basis und Kollokator“ (Hausmann 2003: 83). Die Basis ist ein Wort, das ohne Kontext definiert, übersetzt und gelernt werden kann und determiniert den anderen Teil der Kollokation – den Kollokator, der nicht ohne Kontext definiert, übersetzt und gelernt werden kann (vgl. Hausmann 2003: 83). Burger (2003: 51) versteht unter dem Begriff „Kollokation“ jene festen Wortverbindungen, „die nicht oder nur schwach idiomatisch sind“. Übrigens rechnet Burger (2003: 37f.) Kollokationen dem Bereich der referentiellen Phraseologismen zu, die syntaktisch gesehen einem oder mehreren Satzgliedern entsprechen (nominative bzw. satzgliedwertige Phraseologismen). Nominative Phraseologismen lassen sich nach dem semantischen Kriterium der Idiomatizität des Weiteren in drei Gruppen unterteilen: Idiome (idiomatische Wortverbindungen), Teil-Idiome (teil-idiomatische Wortverbindungen) und Kollokationen (nicht- bzw. schwach-idiomatische Phraseologismen). Dieser phraseologische Akpekt der Kollokationen wird auch bei Hausmann (2003: 84) angesprochen; idiomatische Redewendungen kann man als Phraseme und die Kollokationen als Halbphraseme bezeichnen. Sowohl die einen wie auch die anderen sind im Gedächtnis der Sprecher als phraseologische Einheiten gespeichert. Mit Benennungen jenseits der Wortstruktur [Wortgruppenlexeme nach Wissemann (1961), Mehrwortlexeme bei Eckert/Günther (1992)] befasst sich die Phraseologie, jedoch in Verständnis dieses Faches nur dann, wenn Wortgruppen über die Mehrwortstruktur hinaus noch weitere Merkmale, u.a. Stabilität, Idiomatizität, Bildhaftigkeit, Expressivität, aufweisen. Da fachsprachliche Mehrworttermini das Kriterium der Stabilität/Reproduzierbarkeit erfüllen, erhebt sich die Frage, ob Mehrworttermini Phraseologismen sind und als solche Gegenstand auch der fachsprachlichen Phraseologie sein sollten. Mit der Zeit wurde die Existenz einer fachsprachlichen Phraseologie bzw. Fachphraseologie (also mehr im Sinne einer Kollokationsforschung) immer mehr in den Vordergrund gerückt und das Postulat ihrer Beschreibung erhoben. Der Gegenstand dieser Disziplin wird als Fachwendungen bezeichnet, vgl. Arntz/Picht (1991: 34):
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ZU FACH- UND GEMEINSPRACHLICHEN KOLLOKATIONEN Eine Fachwendung ist das Ergebnis der syntaktischen Verbindung von mindestens zwei fachsprachlichen Elementen zu einer Äußerung fachlichen Inhalts, deren innere Kohärenz auf der begrifflichen Verknüpfbarkeit beruht. (...) Die Gesamtheit der Fachwendungen einer Fachsprache bezeichnet man als ihre Phraseologie.
Als Beispiele dienen meist Verbalverbindungen des Typs den Motor anlassen, einen Wechsel ziehen, Dividenden ausschütten, eine Aktie begeben/zeichnen u.a. Die Autoren definieren (1991: 212) die fachsprachliche Phraseologie als eine fachsprachliche Disziplin, die einerseits die syntaktischen Bindungen fachsprachlicher Ausdrucksmittel, ihre Synonymität und Äquivalenz und andererseits die begrifflichen Beziehungen (sowie deren Veränderungen) zwischen fachsprachlichen Elementen untersucht, die zu einer fachlich gültigen und sprachlich korrekten Aussage zusammengefügt werden können.
Diese Definition schränkt die fachsprachliche Phraseologie ein a) auf diejenigen Wortgruppen, die aus mindestens zwei fachsprachlichen Elementen bestehen und b) offensichtlich – wenn man sich am Beispielmaterial orientiert – auf Verbalverbindungen. Derselbe Autor definiert auch die fachsprachliche Wendung oder kurz Fachwendung als Ergebnis der syntaktischen Verbindung von mindestens zwei fachsprachlichen Elementen zu einer Äußerung fachlichen Inhaltes, deren innere Kohärenz auf der begrifflichen Verknüpfbarkeit beruht (Plicht 1989: 92). Hohnhold (1990: 33 und 1992: 255) nennt explizit das Vorhandensein einer Verbkomponente als Bedingung für die Fachwendung. Rossenbeck (1989: 199) fasst die fachsprachliche Phraseologie als die Gesamtheit der Wortverbindungen, deren Bestandteile sich zu einer charakteristischen Kombination verfestigt haben und die in Texten eines bestimmten Fachgebiets zu beobachten sind, z.B. einen Betrag in die Rücklagen einstellen, eine Anleihe begeben. Er betont zwar, dass Substantiv-Verb-Verbindungen den größten Teil der Fachwendungen ausmachen, rechnet jedoch auch grundsätzlich fachsprachliche Nominalverbindungen zur Phraseologie, die jedoch nicht wie die äußerlich ähnlichen Mehrworttermini streng definiert sind. Schließlich können Fachwendungen neben terminologischen auch gemeinsprachliche Komponenten enthalten. Diese Erweiterung ist wesentlich, denn die erwähnte Definition von Arntz/ Picht, alle Bestandteile einer Fachwendung müssten fachsprachlich sein, würde die fachsprachliche Phraseologie extrem einengen und einen großen Bereich
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von Wortgruppen wiederum im luftleeren Raum hängen lassen. Eine in dieser Weise verstandene fachsprachliche Phraseologie hat zweifellos enge Berührungspunkte zur Kollokationsforschung, und es ist zu fragen, ob es sich bei den sogenannten Fachwendungen nicht vielmehr um feste (fachsprachliche) Kollokationen handelt, die für die Fachlexikographie zweifellos von großer Bedeutung sind, deren phraseologischer Status jedoch fragwürdig ist. Die hier in aller Knappheit skizzierten bisherigen Äußerungen zum Gegenstand machen deutlich, dass es mindestens drei Typen fachsprachlicher stabiler Wortgruppen gibt, die in der Literatur als fachsprachliche Phraseologismen oder Fachwendungen betrachtet werden und deren Verhältnis zur Phraseologie zu klären wäre: 1. Mehrworttermini, vorwiegend nominale Wortgruppen mit Terminuscharakter bzw. auch sogenannte Halbtermini, die fachspezifisch, jedoch meist nicht streng definitorisch festgelegt sind, vgl. schwarzes Loch, schneller Brüter, öffentliche Hand; czarna dziura, pruski mur. 2. sogenannte Fachwendungen in dem oben zitierten Verständnis, die dann wiederum abzugrenzen sind gegenüber (festen) Kollokationen, z.B. ein Testament errichten, Dividenden ausschütten, an die Börse gehen; wstąpić do sądu, złożyć zlecenie, wejść na giełdę und sonstige stabile Wendungen, die kein Fachwort enthalten müssen, dennoch fest zum Bestandteil von Fachtexten gehören (Worbs 1998: 102).
Wortverbindungen der Börsensprache Der im Folgenden beschriebenen Untersuchung dienen überwiegend Wortgruppen der Wirtschaftssprache und hier insbesondere der Börsensprache. Diese der Wirtschaftssprache zuzuordnende Fachsprache, die einen hohen Anteil an englischen Entlehnungen enthält, ist unter phraseologischem Aspekt besonders interessant, weil sie sich (in ihrer mündlichen und schriftlichen Variante) etwa im Vergleich zur Sprache der Wirtschaftstheorie gern sprachlicher Bilder bedient und sich durch hohe Expressivität auszeichnet. Dabei unterscheiden sich die einzelnen Bereiche dieser Fachsprache, wie die engere Terminologie des Wertpapiergeschäfts, die Sprache der fachexternen Börsenberichterstattung, der Börsen- und technischen Aktientrendanalysen sowie die mündliche fachinterne Kommunikation auf dem Börsenparkett erheblich voneinander. Auch das Auftreten der Wortgruppen/Kollokationen im Rahmen der Bereichen der Börsensprache ist teilweise unterschiedlich. Die verbalen Wortgruppen wie
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ZU FACH- UND GEMEINSPRACHLICHEN KOLLOKATIONEN eine Aktie, Anleihe zeichnen im Sinne sich zu ihrer Übernahme durch Unterschrift verpflichten- subskrybować pożyczkę, akcję einen Wechsel honorieren d.h. einen Wechsel bezahlen, einlosen – honorować weksel eine Aktie, Anleihe usw. begeben d.h. Wertpapiere emittieren, ausgeben, in Umlauf setzen, in den Verkehr bringen – emitować, puścić w obieg akcję, pożyczkę itd. den Kurs feststellen d.h. fixieren, festsetzen – ustalić kurs eine Option ausüben – rozliczyć, wykonać opcję (Aktien) zum amtlichen Handel zulassen – dopuścić (akcje) do obrotu publicznego
sind entsprechend den oben zitierten Autoren (vgl. früheren Absatz) als Fachwendungen zu bezeichnen. Die gemeinsprachlichen Verben zeichnen, honorieren, feststellen, ausüben erhalten eine zusätzliche fachbezogene, börsensprachliche Bedeutung, begeben ist als transitives Verb in der Gemeinsprache generell unüblich und verfügt nur über die genannte fachsprachliche Bedeutung. In diesen Fachbedeutungen verbinden sich zeichnen, begeben, honorieren mit einer stark begrenzten Zahl von semantisch festgelegten, ebenfalls fachsprachlichen Kollokationspartnern, es handelt sich also eher um relativ feste, typische fachsprachliche Kollokationen aus zwei Fachtermini. Die hohe Prädiktabilität der gesamten, semantisch zweigliedrigen Kollokation geht vom Verb aus, im Unterschied zu den Funktionsverbgefügen, wo das semantische Zentrum auf dem Nomen liegt. Werden zeichnen, begeben, honorieren durch gemeinsprachliche Synonyme (etwa bezahlen, ausgeben, festsetzen) ersetzt, so ändert sich zwar in der Regel nicht die Bedeutung der Kollokation, doch führt der Austausch zu einem Verstoß gegen die Fachtextkonventionen. Ebenso verhält es sich beim Austausch von rozliczyć, wykonać in rozliczyć opcję. Im Falle der anderen polnischen Entsprechungen ist die Vorhersagbarkeit aufgrund wissenschaftlich fundierter Generalisierung nicht so eindeutig. Honorować, emitować / puścić w obieg, ustalić bilden zwar mit papiery wartościowe und seinen Hyponymen usuelle Kollokationen, ihr Kollokabilitätspotential ist dennoch breiter. So hat emitować in der Bedeutung ausgeben noch die Kollokatoren pieniądze, znaczki pocztowe, und das Verb ustalić bzw. das Funktionsverbgefüge puścić w obieg haben keine fachspezifisch wirtschaftssprachliche Bedeutung und ziehen daher eine sehr große
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Zahl von potentiellen Verbindbarkeitspartnern an sich, z.B. ustalić cenę, regulamin, termin, harmonogram pracy usw. Insofern sind die polnischen Kollokationen ustalić kurs, puścić w obieg papiery wartościowe wegen der geringeren Vorhersagbarkeit nicht so fest wie ihre deutschen Entsprechungen den Kurs feststellen, Wertpapiere begeben (vgl. Worbs 1998: 110f.) Das Verhältnis von Kollokationen zur Phraseologie wird bei einer weiten Phraseologiekonzeption davon bestimmt, wie hoch die gegenseitige Vorhersagbarkeit der Bestandteile einer Wortgruppe ist: Ein hoher Grad an Voraussagbarkeit des gemeinsamen Vorkommens zweier Wörter bedeutet hohe Stabilität. Je weniger Kollokatoren ein Basiswort hat, desto höher die Wahrscheinlichkeit von Phraseologizität – dies gilt auch für den fachsprachlichen Bereich. In der Phraseologie ist es üblich, von phraseologisch gebundenen Bedeutungen einzelner Komponenten einer Wortgruppe zu sprechen, wenn diese sich in dieser Bedeutung nur mit einem oder einigen wenigen bestimmten Partnern verbindet: freudiges Ereignis, blinder Passagier. Feste fachsprachliche Kollokationen könnten in diesem Sinne der (fachsprachlichen) Phraseologie zugerechnet werden (Anleihe begeben, zeichnen). Andererseits könnte man begeben, zeichnen, honorować als verbale Fachtermini mit einem eng begrenzten Kreis von Kollokationspartnern ansehen. Damit könnten die auf einer Ebene mit verbalen börsenspezifischen Einworttermini stehen, wie einreiben im Sinne verkaufen, leerverkaufen im Sinne Wertpapiere o. Waren an der Börse verkaufen, die der Verkäufer – noch – nicht im Eigentum hat oder sich drehen im Sinne einen Wechsel der Position im Börsengeschäft vornehmen usw. Dabei bestehen gewisse Unterschiede darin, dass es sich bei einigen dieser Verben um polyseme gemeinsprachliche Verben mit einem fachsprachlichen Semem handelt, während andere nur in der Fachsprache vorkommen (vgl. Worbs 1998: 111). Um fachspezifische, fest fixierte verbale Wendungen handelt es sich auch bei den Benennungen für Tendenzbezeichnungen an der Börse, wie sie in den Börsenberichten zu finden sind: (Die Börse, der Kurs) schließt fest, fester bei Kurssteigerungen, unsicher bei schwankendem Kursverlauf ohne klare Tendenz, aber überwiegend leicht nachgebenden Kursen, freundlich bei lebhaftem Handel und steigenden Kursen, lustlos als Tendenz bzw. freundliches, geringes Börsengeschäft bei nur geringen Kursveränderungen; nahezu umsatzlose Börsensitzung, leicht, etwas leichter bei rückläufigen Kursen,
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ZU FACH- UND GEMEINSPRACHLICHEN KOLLOKATIONEN gut behauptet für unveränderte oder kaum veränderte Kurse, Tendenz im Verlauf nachgebend, wenn während des Ablaufs der Börsenzeit eine meist rückläufige Kurstendenz an allen Markten feststellbar ist, Tendenz im Verlauf erholt bei Wiedereinholen des zunächst zurückgegangenen Kursniveaus usw.
Die Kollokationen mit dem Modell schließen im Sinne zeitweilig für Kunden, Klienten usw. geschlossen werden + Adverb zeigen eine ungewöhnliche, fachsprachenspezifische Verbindung, denn schließen verbindet sich in der hier realisierten Bedeutung in der Gemeinsprache nicht mit Adverbien. Diese Irregularität deutet auf eine Idiomatisierung durch Spezialisierung hin, auch die Adverbien sind fixiert und tragen zur Formelhaftigkeit der Tendenzbezeichnungen bei. Daher handelt es sich in diesen Fällen um phraseologische verbale Mehrworttermini. Das gilt auch für die börsenspezifischen Kollokationen von tendieren und notieren in: Die Aktien tendieren uneinheitlich, unregelmäßig im Sinne bei Kursanstiegen und Kursrückgängen der Wertpapiere, die sich in etwa die Waage halten, schwacher bei erheblichen Kursrückgängen, unverändert bei unveränderten Kursen, notieren fest bei Kurssteigerungen, die sich in der Gemeinsprache ebenfalls nicht obligatorisch mit Adverbien verbinden (vgl. Worbs 1998: 112f.) Im Polnischen lassen sich, zumindest in der gegenwärtigen Börsenberichterstattung, bei den Tendenzbezeichnungen noch keine gleichermaßen formelhaft festgelegten Wortgruppen erkennen, die sprachliche Varianzbreite zur Benennung der Börsensituation ist noch relativ groß, obwohl sich die Verben zwyżkować, zniżkować auf die Bezeichnung der Kurstendenzen spezialisieren. Beispiele: sesja była niespokojna, przebieg sesji był spokojny kursy zachowują się niekorzystnie; sesja zakończyła się optymistycznie/niezbyt korzystnie; indeks zniżkuje, odnotowuje się spadki/dominują spadki sesja zakończyła się na dość wysokim poziomie; papiery zwyżkują kurs utrzymuje się/znajduje się w trendzie wzrostowym/ wejdzie w trend wzrostowy, sesja rozpoczęła się wyraźnym wzrostem usw.
Es handelt sich in diesem Fall keineswegs um banale Kollokationen, obwohl der Kreis der Verknüpfungspartner relativ hoch. Manchmal scheint aber die Entscheidung, ob es sich um eine banale oder typische Kollokation handelt, schwer zu sein.
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Schließlich soll noch kurz die Frage nach dem Anteil von gemeinsprachlichen Phraseologismen in der Börsensprache angeschnitten werden. Bisherige Untersuchungen zum Vorkommen von Phraseologismen in verschiedenen, auch fachsprachlichen Textsorten belegen, dass Phraseologismen in fachsprachlich gebundenen Textsorten im allgemeinen nicht so häufig auftreten wie in gemeinsprachlichen und dass ihr Anteil textsortenspezifisch sehr unterschiedlich sein kann. Dabei ergeben sich noch Schwankungen in Bezug auf die einzelnen phraseologischen Typen: Fachtexte lassen eher eine höhere Frequenz von nicht expressiven, nicht konnotativen Phraseologismen erwarten als von expressiv-konnotativen, in einigen Fachtextsorten, so in Gesetzestexten, sind letztere überhaupt nicht vertreten (vgl. auch Kunkel 1991: 109). Die Börsensprache, vor allem die Sprache der Börsenberichte, zeichnet sich insgesamt durch einen emotional-bildhaften Wortschatz aus, denn die Texte sollen den Laien auf diese Art und Weise die komplizierte Welt der Finanzen vereinfachen Das belegen die zahlreichen metaphorischen Termini. Gemeint werden hier sowohl Einworttermini als auch Mehrworttermini. Der Anteil an gemeinsprachlichen expressiv-idiomatischen Phraseologismen, vor allem in der Textsorte Börsenberichte, dienen bespielweise zur Charakterisierung der Kursbewegungen und Aktivitäten am Aktienmarkt: Choć Bank Rosji od początku października, usiłując powstrzymać przecenę rubla, sprzedał na giełdzie walutowej w Moskwie ponad 30 mld dolarów, kurs rosyjskiej waluty narodowej nadal leci na łeb na szyję. (http://wyborcza.pl 03.05.2016) Sesja piątkowa nie przyniosła żadnych rozstrzygnięć co do obecnego kierunku zmian (…) wydaje się zakładać, że niedźwiedzie nie powiedziały jeszcze ostatniego słowa. (http://inwestycje.elfin.pl 30.11.2016)
W ostatnim czasie do grupy nabywających własne papiery znów dołączyło kilka firm: Quantum Software, I&B System, Procad czy Capital Partner. Jak widać, prym wiedzie branża IT. (http://www.parkiet.com/ 24.11.2016)
Po solidnych wzrostach z poprzedniego dnia WIG20 zbliżył się niemal na wyciągnięcie ręki do magicznego poziomu 1400 pkt. (info.wyborcza.biz 03.12.2016)
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Zusammenfassung Der Anstoß zur Erforschung der Kollokationen in der Börsensprache erfolgte aus den fachsprachendidaktischen Problemen, die im Rahmen des wirtschatsbezogenen Deutschunterricht aufgetreten ist. Plicht (1988) wies schon darauf hin, dass nicht nur fachliche, sondern auch gemeinsprachliche Verben von großer Bedeutung sind, weil sie in Texten sehr oft in terminologisierter Form vorkommen. Es gibt bis jetzt keine eigenständige fachsprachliche Kollokationstheorie. Meist wird die gemeinsprachliche phraseologiegeprägte Kollokationsauffassung auf die Fachsprachen übertragen worden ist. Diese Übertragung ist aber mit bestimmten Problemen verbunden, die sowohl mit der Nichtberücksichtigung der für die Fachsprachen typischen Kategorien der Mehrworttermini und der Fachwendungen, als auch mit der Abgrenzung der Mehrworttermini und der Fachwendungen, als auch mit der Abgrenzung der Mehrworttermini aus der Kollokationsforschung zu tun haben (Cedillo 2004: 7) Das Dargelegte soll ein Versuch werden, aus dem zu erlesen ist, dass den fachsprachlichen Wortverbindungen Denkeinheiten zugrunde liegen, die für die Börsensprache spezifische Objekte, Sachverhalte und Prozesse benennen. Die beschriebenen Beispiele zeigen, dass diese Wortverbindungen fest in der Börsensprache verankerte Kombinationen sind, die primär in der fachinternen Kommunikation reproduziert wurden und die wegen ihrem kommunikativen Gebrauch und der daraus resultierenden Rekursivität in der fachinternen und fachexternen Kommunikation verwendet werden. Diese Auffassung ermöglicht die fachsprachliche Wortverbindungen im idiolektalen und polylektalen Gebrauch und in fachinternen und fachexternen Kontexten zu analysieren sowie den jeweils aktivierten Grad der Fachlichkeit und Fachsprachlichkeit zu erfassen (vgl. Rolek 2016: 125).
Literaturverzeichnis Arntz, Reiner / Picht, Heribert (1991), Einführung in die Terminologiearbeit. Hildesheim & Zürich & New York: Georg Olms Verlag. Burger, Harald (2003), Phraseologie. Eine Einführung am Beispiel des Deutschen. 2. überarbeitete Aufl. Berlin: Erich Schmidt Verlag. Caro Cedillo, Anna (2004), Fachsprachliche Kollokotionen. Ein Übersetzungsorientiertes Datenbankmodell Deutsch-Spanisch. Tübingen: Narr. (Forum für Fachsprachen-Forschung, 63).
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN Eckert, Rainer / Günther, Kurt (1992), Die Phraseologie der russischen Sprache. Leipzig/Berlin/München, S. 23. Hausmann, Franz Josef (1985), Kollokationen im deutschen Wörterbuch. Ein Beitrag zur Theorie des lexikographischen Beispiels. In: Henning Bergenholtz / Joachim Mugdan (Hrsg.), Lexikographie und Grammatik. Akten des Essener Kolloquiums zur Grammatik im Wörterbuch 28.–30.6.1984. Tübingen: Niemeyer. Hausmann, Franz Josef (2003), Kollokationen in der Fachsprache: Schwerpunkt Französisch. In: Udo O. H. Jung / Angelina Kolesnikova (Hrsg.), Fachsprachen und Hochschule. Fankfurt/a. Main: Peter Lang, S. 83–92. Hausmann, Franz Josef (2003), Kollokationen in der Fachsprache: Schwerpunkt Französisch. In: Udo O. H. Jung / Angelina Kolesnikova (Hrsg.), Fachsprachen und Hochschule. Forschung – Didaktik – Methodik. Frankfurt am Main: Lang. (Bayreuther Beiträge zur Glottodidaktik, 9), S. 84–92. Hohnhold, Ingo (1990), Übersetzungsorientierte Terminologiearbeit. Eine Grundlegung für Praktiker. Stuttgart. Hohnhold, lngo (1992), Terminologisch relevante Phraseologie in Fachtexten. In: „Terminologie et Traduction“. Nr. 2–3, S. 251–270. Kunkel, Kathrin (1991), „Es springt ins Auge...“. Phraseologismen und ihre Funktionen in einigen Textsorten fachgebundener Kommunikation der deutschen Gegenwartssprache. In: BEDS 10, S. 72–111. Picht, Heribert (1988), Fachsprachliche Phraseologie. In: Reiner Arntz (Hg.), Textlinguistik und Fachsprache. AILA-Symposion Hildesheim, 13.–16. April 1987. Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms Verlag, S. 187–196. Rolek Bogusława (2016), Fachsprachliche Wortverbindungen und die kognitive Triade: Fachsprache, Fachdenken und Fachlichkeit. In: „Lingwistyka Stosowana“ 18: 3/2016, S. 113–125. Rossenbeck, Klaus (1989), Lexikologische und lexikographische Probleme fachsprachlicher Phraseologie aus kontrastiver Sicht. In: “Translation and Lexicography (= Paintbrush, 16)”. M. Snell-Hornby, E. Pöhl (Hg.), S. 197–210. Wissemann, Heinz (1961), Das Wortgruppenlexem und seine lexikographische Erfassung. In: „Indogennanische Forschungen“ 66, S. 225–258.
Worbs, Erika (1998), Was ist fachsprachliche Phraseologie? Überlegungen am Beispiel der deutschen und polnischen Börsensprache. In: H. Rothe / P. Thiergen (Hrsg.), Polen unter Nachbarn. Polonistische und komparatistische Beiträge zur Literatur und Sprache. Köln/Weimar/Wien: Böhlau, S. 99–127.
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Zusammenfassung Die Sprache der Börse gehört zu den Fachsprachen, die sich der gemeinsprachlichen Begriffen meist in neuer, terminologisierter Form bedienen. Die Wortverbindungen, die für diese Fachsprache charakteristisch sind, weisen meist bestimmte Merkmale auf, die für die Beschreibung der Finanzwelt charakteristisch sind. Sowohl in der deutschen als auch in der polnischen Sprache gibt es in der Wirtschaftssprache eine Reihe von Wortverbindungen/Kollokationen, die von den Sprachforschern unterschiedlich betrachtet werden. Eine einheitliche Definition dieses sprachlichen Phänomens, also eine Kollokationsdefinition ist jedoch ein ungelöstes Forschungsproblem. Wichtige Faktoren für die Definitionsschwierigkeit sind zum einen die Komplexität des Phänomens und zum anderen die unterschiedlichen Herangehensweisen. So hat der Kollokationsbegriff in der einschlägigen Literatur mehrere Deutungen. In dem Aufsatz wird unter Kollokation ein abstrakter Begriff verstanden, nämlich die Kompatibilität, die semantische Verträglichkeit der Wörter miteinander. Aufgrund dieser Auffassung wurden Untersuchungen durchgeführt, die zum Ziel hatten, den Leser auf die für die Börsensprache und Sprache der Börsenberichte charakteristische Wortverbindungen aufmerksam zu machen und hervorzuheben, dass es in dieser Fachsprache auch solche gibt, die sich von der Gemeinsprache abheben.
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KAPITEL 3 Joanna Szczęk, Marcelina Kałasznik
Medizinische Fachsprache doch nicht so schwer? – Deutsche und deutsch-polnische Lehr- und Lernmaterialien aus dem Bereich der Fachsprache der Medizin. Versuch einer Auswertung
Jeder Mensch gebraucht nolens volens Fachsprachen, und zwar unabhängig davon, ob es ihm bewusst ist, oder nicht. Es handelt sich dabei um bestimmte Fachbereiche, zu denen Laien durch unterschiedliche Medien oder ihre spezifischen Bedürfnisse Zugang brauchen und finden. So ist es auch in Bezug auf die medizinische Fachsprache, die auf den ersten Blick sehr schwierig, hermetisch und unzugänglich scheint, mit der jedoch jeder in seinem Alltag konfrontiert wird. Das Erlernen der jeweiligen Fachsprache stellt oft eine große Herausforderung für die Lernenden dar. Im Idealfall lernt man nämlich die Fachsprache zusammen mit dem Fach, was z.B. in Bezug auf die Medizinstudenten oft zutrifft. Von Studenten philologischer Studienrichtungen, die sich in ihrer künftigen Arbeit oft mit translatorischer Tätigkeit auseinandersetzen müssen, wird jedoch immer häufiger verlangt, dass sie mindestens über Grundkenntnisse im Bereich ganz unterschiedlicher Fachsprachen verfügen. Die Studierenden scheinen oft immer mehr pragmatisch und arbeitsmarktorientiert zu sein und somit wollen sie auch Wortschatz und Formulierungen, die typisch für eine konkrete Fachsprache sind, erlernen, um auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähig zu sein. Im Rahmen des Germanistikstudiums werden jedoch Dr. habil. Joanna Szczęk, Uniwersytet Wrocławski / Polen; Dr. Marcelina Kałasznik, Uniwersytet Wrocławski / Polen.
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MEDIZINISCHE FACHSPRACHE DOCH NICHT SO SCHWER?
eher wenige Veranstaltungen angeboten, die darauf abzielen, Studenten eine bestimmte Fachsprache beizubringen. Deswegen auch müssen sie oft, wenn sie ihre Interessen auf ein konkretes Gebiet konzentrieren wollen, zusätzliche Möglichkeiten in Anspruch nehmen und die gewünschte Kompetenz im Bereich der jeweiligen Fachsprache mithilfe von zugänglichen Lernmaterialien zum größten Teil selbständig beherrschen. Die beschriebene Situation betrifft im größten Grade die medizinische Fachsprache, die selten bis gar nicht in den akademischen Lernstoffen berücksichtigt wird. In unserem Beitrag versuchen wir, das aktuell verfügbare Angebot an unterschiedlichen deutschen und deutsch-polnischen Lern- und Lehrmaterialien zur medizinischen Fachsprache zu präsentieren. Auf dieser Grundlage ziehen wir Schlussfolgerungen darüber, worauf der Schwerpunkt der zugänglichen Veröffentlichungen gelegt wird und ob/welche Lücken in diesem Bereich (noch) bestehen.
Zur Fachsprache In unseren Ausführungen gehen wir von der Definition der Fachsprache von Hoffmann (1976: 53) aus, der einen breiten Rahmen annimmt und Folgendes schreibt: Fachsprache – das ist die Gesamtheit aller sprachlichen Mittel, die in einem fachlich begrenzbaren Kommunikationsbereich verwendet werden, um die Verständigung zwischen den in diesem Bereich tätigen Menschen zu gewährleisten.
In Bezug darauf kann angenommen werden, dass die von uns behandelte medizinische Fachsprache als eins der Subsysteme der Gemeinsprache zu verstehen ist. Dies kommt auch explizit anhand der folgenden Definition von Möhn/Pelka (1984: 26) zum Ausdruck: Wir verstehen unter Fachsprache heute eine Variante der Gesamtsprache, die der Erkenntnis und begrifflichen Bestimmung fachspezifischer Gegenstände sowie der Verständigung über sie dient und damit den spezifischen kommunikativen Bedürfnissen im Fach allgemein Rechnung trägt. Fachsprache ist primär an Fachleute gebunden, doch können an ihr auch fachlich Interessierte teilhaben.
Darüber hinaus werden auch unterschiedliche Termini gebraucht, um die Fachsprache zu benennen (vgl. Fluck 1996: 11), z.B.: Arbeitssprache, Berufssprache, Gruppensprache, Handwerkersprache, Sekundärsprache, Sondersprache, Standessprache oder Teilsprache.
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
In der Forschungsliteratur kann man unterschiedliche Typologien von Fachsprachen finden, denen verschiedene Kriterien zu Grunde liegen. Roelcke (1999) weist hier auf horizontale und vertikale Klassifikationen hin, wobei nach Grucza (2009: 15) wichtig anzumerken ist, dass (…) w płaszczyźnie horyzontalnej podział języków specjalistycznych pokrywa się z podziałem na poszczególne dziedziny specjalistyczne (…), a w płaszczyźnie wertykalnej z poziomami abstrakcji.
Dies zeigt Roelcke (1999: 34) am folgenden Schema:
Schema 1. Horizontale und vertikale Klassifikation der Fachsprachen nach Roelcke (1999: 34)
Bei Hoffmann (1976) gilt der Verwandtschaftsgrad zwischen den einzelnen Gebieten der Wissenschaft als das Hauptkriterium der Gliederung. Die Klassifikation nach Hoffmann kann folgendermaßen dargestellt werden: Künstlerische Prosa
Literaturwissenschaft
Pädagogik
Philosophie
...
Ökonomie der Land- und Nahrungswissenschaft
…
Landwirtschaftswissenschaft
Tierproduktion und Veterinärmedizin
…
Bauwesen
…
Maschinenbau
…
Medizin
…
Chemie
Mathematik
…
Elektrotechnik …
Schema 2. Klassifikation der Fachsprachen nach Hoffmann (1976), Hervorhebung – J.S., M.K.
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MEDIZINISCHE FACHSPRACHE DOCH NICHT SO SCHWER?
Im Falle der vertikalen Typologien handelt es sich um die Abstraktionsebenen, die die Kommunikation in jedem Fachbereich betreffen. Es lässt sich hier u.a. auf folgende vertikale Typologien hinweisen: Bezeichnung nach Ischreyt (1965)
Theoriesprache (Wissenschaftssprache)
Bezeichnung nach Hoffmann (1976)
semiotische und sprachliche Merkmale
kommunikative Merkmale
Sprache der theoretischen Grundlagenwissenschaften
Künstliche Symbole für Elemente und Relationen Künstliche Symbole für Elemente, natürliche Sprache für Relationen (Syntax)
Wissenschaftler ↔ Wissenschaftler
Sprache der experimentellen Wissenschaften
Sprache der angewandten Wissenschaften und der Technik Fachliche Umgangssprache Sprache der materiellen Produktion
Werkstattsprache (Verteilersprache)
Sprache der Konsumtion
Natürliche Sprache mit einem sehr hohen Anteil an Fachterminologie und einer streng determinierten Syntax Natürliche Sprache mit einem hohen Anteil an Fachterminologie und einer relativ ungebundenen Syntax Natürliche Sprache mit einigen Fachtermini und ungebundener Syntax
Wissenschaftler (Techniker) ↔ Wissenschaftler (Techniker) ↔ wissenschaftliche Hilfskräfte Wissenschaftler (Techniker) ↔ wissenschaftliche und technische Leiter der materiellen Produktion wissenschaftliche und technische Leiter der materiellen Produktion ↔ Meister ↔ Facharbeiter (Angestellte) Vertreter der materiellen Produktion ↔ Vertreter des Handels ↔ Konsumenten ↔ Konsumenten
Tabelle 3. Vertikale Typologien der Fachsprachen in Anlehnung an Roelcke (2005: 40)
Abschließend sei auch auf typische Merkmale der Fachsprachen hingewiesen, zu denen nach Kühtz (2007: 34–36) folgende gehören: Präzision in der Formulierung, Ausdrucksökonomie, Anonymität, Eindeutigkeit, Systematizität, hohes Abstraktionsniveau, Terminusdichte, Entlehnungen aus anderen Sprachen.
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
Hüging (2011: 8f.) nennt folgende linguistische Merkmale, die für Fachsprachen kennzeichnend sind: Verbindung mit der Gemeinsprache, konstituierende Wirkung der Fachwörter und des Fachwortschatzes, vermehrtes Auftreten von Substantiven, Gefühlsneutralität durch das Fehlen von Konnotationen, vermehrtes Auftreten von Wortbildungsverfahren, Entlehnungen, Lehnübersetzungen, Funktionsverbgefüge, Nominalisierungen, Redundanzarmut, Anonymisierungen. Es wird jedoch hervorgehoben, dass „Die Grenze zwischen den Fachsprachen und der Allgemeinsprache fließend ist. Fachsprachen schließen sich einerseits nach außen ab, andererseits wirken sie auf die Gemeinsprache zurück“ (Turska 2009: 17).
Zur medizinischen Fachsprache In Bezug auf die medizinische Fachsprache wird eingeräumt, dass sie „unter den Fachsprachen eine Sonderstellung einnimmt, weil sich ihr im Grunde niemand entziehen kann.“ (Lippert-Burmester, Lippert 2005: Vorwort). Die Sonderstellung der medizinischen Fachsprache sei auch dadurch gerechtfertigt, dass sie über eine riesige Zahl von Fachwörtern verfüge (vgl. ebd.) – bis hin zu 500 000 Eintragungen in mehrbändigen Lexika. Dabei gehe die Mehrzahl der Fachwörter auf die Antike (griechisch und lateinisch) zurück. Es lassen sich jedoch auch Entlehnungen aus anderen Sprachen feststellen, wie z.B. dem Englischen, Französischen sowie Einflüsse mehr oder weniger benachbarter Disziplinen wie z.B.: Physik, Biochemie, Psychologie, Soziologie. Die medizinische Fachsprache macht v.a. ihr Wortschatz aus. Dabei sind schätzungsweise folgende Zahlen zu nennen (vgl. Hüging 2011: 45): 80 000 Namen für Medikamente, 10 000 Termini zur Bezeichnung der Körperteile, Organe und Organteile, 20 000 Termini zur Bezeichnung von Organfunktionen, 60 000 Krankheitsbezeichnungen. Die Spezifik der medizinischen Fachsprache lässt sich schon in der horizontalen Gliederung dieses Fachbereichs erkennen, worauf Anschütz (1987: 54) hinweist und auf eine rasche Entwicklung der Medizin im 20. Jahrhundert und Entstehung der Spezialisierungsbereiche verweist. In der vertikalen Gliederung werden dagegen folgende drei Schichten unterschieden (vgl. Lippert 1978)1:
1
Vgl. auch die darauf basierte Gliederung von Wiese (1984: 12).
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MEDIZINISCHE FACHSPRACHE DOCH NICHT SO SCHWER?
– die reine Wissenschaftssprache in wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Vorträgen; – die fachliche Umgangssprache in der Alltagsarbeit des Arztes und des medizinischen Personals in der Klinik oder in der Praxis; medizinischer Slang im klinischen Bereich; – die laienbezogene Sprache in der Kommunikation des Arztes mit medizinisch nicht Vorgebildeten; Sprache in der ärztlichen Praxis. Demgemäß werden nach dem Kriterium des Fachlichkeitsgrades der Kommunikationspartner folgende Modelle unterschieden (Löning 1981: 83): – Fachmann – Fachmann; wobei es sich um die Vermittlung von aktuellem Fachwissen handelt, was v.a. durch wissenschaftliche Texte (Publikationen, Referate) erfolgt; – Fachmann – Halbfachmann; dabei geht es um die Vermittlung des Basiswissens mit Hilfe von Lehr-, Handbüchern und Monographien; – Fachmann – Laie; realisiert in der Kommunikation zwischen Arzt und Patient und dies mit dem Ziel der Aufklärung und eventueller praktischer Anleitung; – Laie – Laie; das Ziel dieses Modells ist Wecken des Interesses und Zeigen der Problemstellungen der breiten Öffentlichkeit, was am häufigsten durch populärwissenschaftliche Texte erfolgt. Im Lichte des Gesagten weist die medizinische Fachsprache folgende Eigenheiten auf, die mit den schon angeführten allgemeinen Merkmalen der Fachsprache übereinstimmen: – hoher Anteil an Wortbildungsprodukten, v.a. Prä- und Suffigierungen und Komposition; – Gebrauch von fachsprachlichen Verben, z.B.: indizieren, exzidieren, injizieren u.a.; – Bevorzugung des Nominalstils, Gebrauch von FVG; – präzise und ökonomische Ausdrucksweise; – hoher Anteil an Fremdwörtern.
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
Lehr- und Lernmaterialien aus dem Bereich der Fachsprache der Medizin für das Sprachenpaar Deutsch und Polnisch – Versuch einer Auswertung Die auf dem Markt zugänglichen Veröffentlichungen lassen sich folgendermaßen aufteilen: I. Einsprachige (deutsche) Lehrbücher:
1. Einsprachige Lehrbücher für deutschsprachige Medizinstudenten, für muttersprachliches Niveau gedacht: a. Wunna Lippert-Burmester, Herbert Lippert: „Medizinische Fachsprache leicht gemacht“. Stuttgart 2005 (= LBL). Im Vorwort liest man: Dieses Buch vermittelt den medizinischen Basiswortschatz, den Studierende der Medizin schon während des Terminologiekurses erwerben sollten (…), Angehörige der Pflegeberufe im Gespräch mit den Ärzten kennen sollten, medizinische Schreibkräfte benötigen (…), Patienten für das Verständnis ärztlicher Befunde benötigen;
b. Günter Grosche: „Übungsheft zur Einführung in die medizinische Fachsprache“. Reinbek 2002 (= GG); c. Wolfgang Caspar: „Medizinische Terminologie. Lehr- und Arbeitsbuch“. Stuttgart, New York 2000 (= WC). Im Vorwort liest man: Das Lehrbuch ist vorrangig für den Unterricht bei Studenten der Humanmedizin und der Zahnheilkunde im 1. und 2. Semester bestimmt, es wendet sich aber auch an Studenten höherer Semester, an Studenten der Pharmazie, an Angehörige des Lehrkörpers, an Ärzte, Schwestern, Interessenten aus anderen Biowissenschaften, die ihre Kenntnisse medizinischer Fachbegriffe vertiefen wollen.
2. Einsprachige Lehrbücher für deutschsprachige DaF-Lernende: a. Dorothee Thommes, Alfred Schmidt: „Menschen im Beruf. Medizin. Deutsch als Fremdsprache“. München 2006 (MB). – Das Lehrwerk ist für die Stufen B2/C1 bestimmt. Im Vorwort liest man: „Menschen im Beruf – Medizin“ bereitet Sie gezielt auf den Berufsalltag in einer Klinik oder einer Praxis im deutschsprachigen Raum vor (S. 6)
– Niveau B2/C1; b. Ulrike Firnhaber-Senser, Margarete Rodi: „Deutsch im Krankenhaus. Berufssprache für Ärzte und Pflegekräfte. Lehr- und Arbeitsbuch“.
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MEDIZINISCHE FACHSPRACHE DOCH NICHT SO SCHWER?
Berlin, München 2009 (DK). Das Lehrwerk ist für die Stufen A2/B2 vorgesehen. Im Buch liest man: Das Lehrwerk wendet sich an Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte, die sich auf eine Tätigkeit in einem deutschsprachigen Krankenhaus vorbereiten.
II. Zweisprachige (deutsch-polnische/polnisch-deutsche) Lehrbücher 1. Allgemeine Lehrbücher für polnischsprachige Medizinstudenten: a. Irena Weiss-Wilk, Marga Drebenstedt: „Język niemiecki dla studentów medycyny”. Kraków 1997(= WWD). Im Vorwort liest man: Niniejszy podręcznik przeznaczony jest głównie dla studentów pierwszego i drugiego roku Wydziału Lekarskiego, którzy opanowali w dobrym stopniu kurs języka niemieckiego realizowany w szkole średniej. Korzystać mogą z niego również lekarze, pragnący doskonalić swe wiadomości językowe (zwłaszcza słownictwo).
Das Werk ist für Niveau ab B2 gedacht. b. Edeltrauta Janik: „Deutsch für Medizinstudenten. Podręcznik dla studentów wydziałów lekarskich“. Warszawa 1998 (= EJ); c. Maciej Ganczar, Barbara Rogowska: „Medycyna. Język niemiecki. Ćwiczenia i słownictwo specjalistyczne”. Warszawa 2007 (= MGBR). Im Vorwort liest man: (…) publikacja (…) przeznaczona jest dla studentów uczelni medycznych, lekarzy stażystów, lekarzy różnych specjalizacji i średniego personelu medycznego (S. 5).
– Niveau ab B1; d. Marceli Szafrański: „Deutsch für Mediziner“. Podręcznik. Warszawa 2008 (= MSM). Im Vorwort liest man: Podręcznik przeznaczony jest dla studentów medycyny, lekarzy i pracowników opieki zdrowotnej, którzy chcą zapoznać się z językiem niemieckim (sic!) i możliwościami jego zastosowania w zawodzie. (S. 9);
e. Anna Nazarska Brzeska: „Rund um den Körper. Ein Lehrbuch für medizinische Fachkräfte“. Łódź 2009 (= ANBK). Im Vorwort liest man:
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN Das Lehrbuch ‚Rund um den Körper‘ ist vor allem für Studenten der Medizin und für Ärzte, die die Grundkenntnisse der deutschen Sprache schon haben, aber diese vertiefen und um den Fachwortschatz erweitern wollen, vorgesehen (S. 3).
2. Lehrbücher aus einem ausgewählten medizinischen Fachbereich für polnischsprachige Medizinstudenten mit einer bestimmten Ausrichtung: a. Zahnheilkunde: – Anna Nazarska-Brzeska: „Rund um den Zahn. Deutsch für stomatologische Fachkräfte“. Łódź 2005 (= ANBZ). Im Vorwort liest man: Das Lehrbuch (…) ist vor allem für Studenten der Zahnmedizin aber auch für die Zahnärzte, die schon Grundkenntnisse der deutschen Sprache haben, aber diese vertiefen und um den Fachwortschatz erweitern wollen, vorgesehen (S. 5).
Die Grundkenntnisse der deutschen Sprache auf der Ebene A1/A2 sind die Voraussetzung für die Arbeit mit diesem Lehrwerk; – Marceli Szafrański: „Deutsch für Zahnmedizinier. Podręcznik”. Warszawa 2009 (= MSZ). Im Vorwort liest man: Podręcznik przeznaczony jest dla studentów stomatologii, stomatologów i pracowników opieki zdrowotnej, którzy chcą zapoznać się z językiem niemieckim (sic!) i możliwościami jego zastosowania w zawodzie (S. 9).
Für die Arbeit mit diesem Lehrbuch reichen die Grundkenntnisse der deutschen Sprache aus. b. Rettungsdienst: – Maciej Ganczar, Bardbara Rogowska: „Niemiecki w praktyce ratownika medycznego”. Warszawa 2011 (= MGBRR). Im Vorwort liest man: Samouczek (…) jest pierwszą tego typu publikacją w Polsce, skierowaną do studentów uniwersytetów medycznych na kierunku ratownictwo medyczne, uczniów policealnych szkół ratownictwa medycznego oraz praktyków, czyli personelu służb ratowniczych (S. 7).
c. Krankenpflege: – Maciej Ganczar, Bardbara Rogowska: „Deutsch für Krankenpflege und Hebammenkunde“. Warszawa 2010 (= MGBRKH). Im Vorwort liest man:
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MEDIZINISCHE FACHSPRACHE DOCH NICHT SO SCHWER? Podręcznik (…) kierowany jest do studentów pielęgniarstwa i położnictwa uniwersytetów medycznych, akademii medycznych oraz uczniów szkół policealnych, które kształcą średni personel medyczny (S. 7).
Die hier erwähnten Materialien, die sich an polnischsprachige Medizinstudenten richten, unterscheiden sich im Hinblick auf das Konzept ihrer Gestaltung, d.h. vor allem bezüglich des Aufbaus von einzelnen Kapiteln und der Arten von Übungen und Aufgaben, was einerseits mit dem vorausgesetzten Niveau der Lernenden verbunden ist. Andererseits kann es damit zusammenhängen, dass in unterschiedlichen Materialien das erforderliche sprachliche Wissen aus dem Bereich der Medizin auf andere Art und Weise betrachtet wird. Verwunderlich scheint die Tatsache zu sein, dass das Anfangsniveau der Lernenden nur in zwei aus acht angeführten Lehrwerken explizit genannt wird. Im Hinblick auf den Aufbau der Unterrichtseinheit weisen die Materialien relativ viele Gemeinsamkeiten auf, da in vielen Lehrwerken als Ausgangspunkt ein Text aus dem Bereich Medizin gilt, aufgrund dessen neue lexikalische Einheiten dargestellt und die dann in unterschiedlichen Arten von Übungen gefestigt werden. In den meisten Lehrwerken kommen diverse Formen von Übungen vor, z.B. Einsetzübungen, Transformationen, Übersetzungen usw. In einigen finden wir auch Hörtexte.
Wörterbücher zur medizinischen Fachsprache Eine separate Gruppe von Materialien, die beim Erwerb der medizinischen Fachsprache unterstützend eingesetzt werden können, bilden Nachschlagewerke, die wie folgt gegliedert werden: 1. Einsprachige Wörterbücher – Duden: „Wörterbuch medizinischer Fachbegriffe“ 2011. Der Beschreibung des Wörterbuchs ist Folgendes zu entnehmen: Das Wörterbuch medizinischer Fachbegriffe steht seit über 40 Jahren für sprachliche und fachliche Kompetenz. Insgesamt rund 35.000 überarbeitete und aktualisierte Stichwörter machen es zum Standardwerk für medizinische Nomenklatur und Rechtschreibung und damit unentbehrlich für alle, die mit medizinischen Fachbegriffen umgehen2.
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Vgl. http://www.duden.de/Shop/Duden-W%C3%B6rterbuch-medizinischerFachbegriffe, Zugriff am 27.02.2016.
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
2. Zweisprachige Wörterbücher In diesem Bereich scheint das Angebot sehr miserabel zu sein. In Bezug auf das Sprachenpaar Deutsch und Polnisch gibt es folgende Wörterbücher: – Bolesław Złotnicki: „Słownik lekarski niemiecko-polski“. Warszawa 1981; das Wörterbuch enthält 85 000 deutsche medizinische Stichwörter und 95 000 ihnen entsprechende polnische Ausdrücke; – Bolesław Złotnicki: „Słownik lekarski polsko-niemiecki“. Warszawa 1992; das Wörterbuch enthält 70 000 polnische medizinische Stichwörter und deren Entsprechungen im Deutschen; – Małgorzata Tafil-Klawe, Jacek Klawe: „Podręczny słownik medyczny polsko-niemiecki i niemiecko-polski“. Warszawa 2003; das Wörterbuch umfasst 250 000 polnische und deutsche Stichwörter; – Christian Czeczor: „Podręczny słownik polsko-niemiecki, niemiecko-polski dla pielęgniarek i opiekunek“. Rzeszów 2006; – Barbara Rogowska, Maciej Ganczar: „Medycyna. Słownik kieszonkowy polsko-niemiecki, niemiecko-polski“. Warszawa 2008; das Wörterbuch enthält 20 000 Stichwörter. Daneben gibt es auch spezielle medizinische Wörterbücher, wie z.B.: Iwona Wnętrzak: „Słownik stomatologiczny polsko-niemiecko-angielski“. Warszawa 2008.
Schlussfolgerungen Wir haben zwei grundsätzliche Arten von Lehr- und Lernmaterialien unterschieden: nämlich eigentliche Lehrbücher, die dazu dienen, vor allem den Wortschatz im Bereich der medizinischen Fachsprache zu erwerben, sich einzuprägen und im Gebrauch zu üben, und Wörterbücher, die ergänzend beim Erwerb des Wortschatzes eingesetzt werden können. Innerhalb der beiden Typen von Lehr- und Lernmaterialien werden zwei grobe Gruppen unterschieden, nämlich ein- und zweisprachige Materialien und Wörterbücher, wobei wir uns auf die Sprachen Deutsch und Polnisch konzentrieren. Im Rahmen der einsprachigen Lehrbücher wurde zum einen auf diese hingewiesen, die sich an deutschsprachige Medizinstudenten richten, und zum anderen auf jene, die für DaF-Lernende geeignet sind. Die ersteren dienen dazu, die fachsprachlichen Wörter und Formulierungen zu vermitteln, wobei sie nicht nur die perfekten Kenntnisse der Sprache Deutsch, sondern auch Grundkenntnisse im Fach Medizin voraussetzen. Schon die Ausgliederung der Gruppe von
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MEDIZINISCHE FACHSPRACHE DOCH NICHT SO SCHWER?
Materialien weist darauf hin, dass selbst bei Muttersprachlern und angehenden Ärzten Bedarf besteht, an dem Erwerb der Fachsprache zu arbeiten. Einsprachige Lehrbücher für DaF-Lernende definieren genau das Eingangsniveau der Lerner, wobei an dem zweiten Lehrbuch („Deutsch im Krankenhaus“) zu beobachten ist, dass die Autoren annahmen, dass man die Fachsprache der Medizin ohne gut fundierte Kenntnisse der Allgemeinsprache zu erwerben beginnen kann (A2 – Grundstufe). Die zweite Stufe in unserer Typologie bilden zweisprachige Lehrbücher, die entweder für Medizinstudenten gedacht sind, die sich auf ihre Tätigkeit in Deutschland vorbereiten, oder für DaF-Lernende, Philologen, die eher über keine medizinischen Fachkenntnisse verfügen. Es ist hier die Tendenz beobachtbar, dass trotz der Tatsache, dass sich die Lehrbücher an Nicht-Muttersprachler richten, das Anfangsniveau der potenziellen Lernenden sehr selten, wenn überhaupt, genannt wird. Aus der präsentierten Unterscheidung ergibt sich, dass die meisten Lehrwerke an Fachleute oder Halbfachleute adressiert sind. Das Angebot im Bereich der DaF-Materialien zur medizinischen Fachsprache ist aktuell nicht so reichlich. Grundsätzlich können alle hier genannten Materialien von DaF-Lernenden beim Erwerb der medizinischen Fachsprache in Anspruch genommen werden, wobei die meisten von ihnen das muttersprachliche Niveau und das Fachwissen voraussetzen.
Literaturverzeichnis Quellen – Caspar, Wolfgang (2000), Medizinische Terminologie. Lehr- und Arbeitsbuch. Stuttgart, New York. – Czeczor, Christian (2006), Podręczny słownik polsko-niemiecki, niemiecko-polski dla pielęgniarek i opiekunek. Rzeszów. – Duden (2011), Wörterbuch medizinischer Fachbegriffe. Mannheim u.a. – Grosche, Günter (2002), Übungsheft zur Einführung in die medizinische Fachsprache. Reinbek. – Firnhaber-Senser, Ulrike; Rodi, Margarete (2009), Deutsch im Krankenhaus. Berufssprache für Ärzte und Pflegekräfte. Lehr- und Arbeitsbuch. Berlin, München. – Ganczar, Maciej / Rogowska, Barbara (2007), Medycyna. Język niemiecki. Ćwiczenia i słownictwo specjalistyczne. Warszawa.
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– Złotnicki, Bolesław (1992), Słownik lekarski polsko-niemiecki. Warszawa.
Sekundärliteratur – Anschütz, Felix (1987), Ärztliches Handeln: Grundlagen, Möglichkeiten, Grenzen, Widersprüche. Darmstadt. – Fluck, Hans-Rüdiger (1996), Fachsprachen: Eine Einführung und Bibliographie. 5. Aufl. Tübingen/Basel. – Grucza, Sambor (2009), Kategoryzacja języków (specjalistycznych) w świetle antropocentrycznej teorii języków ludzkich. In: „Komunikacja Specjalistyczna”, B. 3.: Specyfika języków specjalistycznych. Warszawa. S. 15–30. – Hoffmann, Lothar (1976), Kommunikationsmittel Fachsprache – eine Einführung Taschenbuch. Tübingen.
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MEDIZINISCHE FACHSPRACHE DOCH NICHT SO SCHWER? – Hüging, Anna-Katharina (2011), Übersetzerisches Handeln im Kontext der medizinischen Fachkommunikation. Trier. – Ischreyt, Heinz (1965), Studien zum Verhältnis von Sprache und Technik. Düsseldorf. – Kühtz, Stefan (2007), Phraseologie und Formulierungsmuster in medizinischen Texten. Tübingen. – Löning, Petra (1981), Zur medizinischen Fachsprache. In: „Muttersprache“ 2, 1981, S. 79–92. – Möhn, Dieter; Pelka, Roland (1984), Fachsprachen. Eine Einführung. Tübingen. – Roelcke, Thorsten (1999), Fachsprachen. Berlin. – Roelcke, Thorsten (2005), Fachsprachen. Berlin. – Roelcke, Thorsten (2014), Zur Gliederung von Fachsprache und Fachkommunikation. In: „Fachsprache“ 3–4, 2014. – Turska, Marta (2009), Internationalismen in der Fachsprache der Gastronomie und Kochkunst im fünfsprachigen Vergleich. Frankfurt am Main.
– Wiese, Ingrid (1984), Fachsprache der Medizin. Eine linguistische Analyse. Leipzig.
Zusammenfassung Im Idealfall lernt man die Fachsprache zusammen mit dem Fach. Von Studenten philologischer Studienrichtungen, die in ihrer künftigen Arbeit oft mit translatorischer Tätigkeit konfrontiert werden, wird auf dem Arbeitsmarkt verlangt, dass sie mindestens über Grundkenntnisse im Bereich ganz unterschiedlicher Fachsprachen verfügen. Die Studenten scheinen in vielen Fällen immer mehr pragmatisch und arbeitsmarktorientiert zu sein und somit wollen sie auch Wortschatz und Formulierungen, die typisch für eine konkrete Fachsprache sind, erlernen, um in den Augen des potentiellen Arbeitgebers interessanter zu sein und seine Aufmerksamkeit zu wecken. Im Rahmen des Germanistikstudiums werden jedoch eher wenige Veranstaltungen angeboten, die darauf abzielen, Studenten eine bestimmte Fachsprache näher zu bringen. Deswegen auch müssen sie oft, wenn sie ihre Interessen auf ein konkretes Gebiet konzentrieren wollen, zusätzliche Möglichkeiten in Anspruch nehmen und die gewünschte Kompetenz im Bereich der jeweiligen Fachsprache mithilfe von zugänglichen Lernmaterialien zum größten Teil selbständig beherrschen. In unserem Beitrag versuchen wir, das aktuell verfügbare Angebot an unterschiedlichen deutsch-polnischen und deutschen Lernund Lehrmaterialien zur medizinischen Fachsprache zu präsentieren. Auf dieser Grundlage ziehen wir Schlussfolgerungen darüber, worauf der Schwerpunkt der zugänglichen Veröffentlichungen gelegt wird und ob/welche Lücken in diesem Bereich (noch) bestehen.
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KAPITEL 4 Monika Zaleska*
Die Rechtssprache der Europäischen Union – eine Herausforderung für die Übersetzer
Einleitung Die Europäische Union ist eine internationale Organisation, die heutzutage eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des Rechtes in ihrer Mitgliedstaaten spielt. Ihre Bestimmungen können unmittelbar wirken, das heißt einen direkten Einfluss auf das Leben der EU-Bürger haben. Die Leute in diesem Staatenverband sprechen aber über 20 Sprachen und gleichzeitig verlangen sie die Transparenz des Rechtes. In dieser Situation besteht großer Bedarf an die Übersetzung der Akten aus verschiedenen Rechtsgebieten. Im Laufe der Zeit hat die EU zwar eine ziemlich gute Methode der Arbeit entwickelt und die Lösung vieler damit verbundenen Probleme gefunden. Wie zeigen aber die Verfahren1, die von Zeit zu Zeit vor dem EU-Gerichtshof laufen, sind nicht selten die Unterschiede zwischen der Sprachversionen die Streitfragen. Der Artikel hat zum Ziel die sprachlichen und auch die außersprachlichen Faktoren dieser Divergenzen – die im Kontext der Rechtübersetzung nicht ohne Bedeutung sind – zu veranschaulichen und solche Arbeitsweise der EU-Übersetzer zu beschreiben, die ermöglicht, die Zahl der Übersetzungsfehler zu reduzieren.
Monika Zaleska M.A., Uniwersytet Warszawski / Polen. Zum Beispiel: Das Urteil des Gerichtshof der EU in Sachen 283/81 (CILFIT); Das Urteil des Gerichtshof der EU in Sachen C-161/06; Das Urteil des Gerichtshof der EU in Sachen C-147/13. * 1
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DIE RECHTSSPRACHE DER EUROPÄISCHEN UNION
Die Europäische Union als neues autonomes Rechtssystem Die Europäische Union ist ein Staatenverband der 28 Mitgliedstaaten. Die Idee eines solchen Verbandes ist nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Alles begann mit der Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Diese Idee hatte das Ziel, Handelsaustausch miteinander zu entwickeln, sich wirtschaftlich zu verflechten und daher kriegerische Auseinandersetzungen zu vermeiden. Seit diesem Moment wurde ein riesiger Binnenmarkt geschaffen. Im Laufe der Zeit hat sich das Gebiet der EU-Tätigkeit erweitert und neben der Rechtsystemen der Mitgliedstaaten ein autonomes Rechtsystem der EU entwickelt, das auf dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit beruht und auf der gemeinsamen Tradition, wie die Rechtsysteme der einzelnen europäischen Staaten, basiert. Die Verträge und die anderen Dokumente – Richtlinien, Verordnungen usw. – die aufgrund der Verträgen entstanden haben, regeln ihr gesamte Tätigkeit. In diesen verbindlichen Vereinbarungen sind die Ziele festgelegt, die die EU auf den zahlreichen Gebieten ihrer Tätigkeit verfolgt. Die Europäische Union verfügt darüber hinaus über die Fähigkeit, unmittelbar geltendes Recht zu erlassen, die ein zentraler Aspekt der Supranationalität dieser internationalen Organisation ist. Das EU-Recht kann unabhängig vom Verhalten der Mitgliedstaaten gelten. Jedes staatliche Organ der Mitgliedstaaten ist ohne weiteres verpflichtet, dieses Recht zu beachten. Das Unionsrecht kann die Rechtsverhältnisse der Bürger unmittelbar selbst regeln und dadurch kann auf das Leben der Bürger ebenso direkt wirken, wie das nationale Recht. In der EU gibt es aber 24 Amtssprachen. Im Vergleich zu den anderen internationalen Organisationen – zum Beispiel zu den Vereinten Nationen, die ein Zusammenschluss der 193 Staaten sind und nur 6 Amtssprachen haben – ist diese Zahl enorm. Warum soll man nicht den einfachsten Weg wählen und diese Zahl nicht begrenzen? Warum sind die früheren Versuche nicht gelungen? Warum haben manche Länder so heftig um die Anerkennung ihrer Sprache als die EU-Amtssprache gekämpft und manche kämpfen sogar immer noch (manchmal auch um die Anerkennung der Minderheitensprache)? Die Antwort scheint eindeutig zu sein. In der Zahl der Amtssprachen kommt das Motto der EU – „Einheit in Vielfalt“ – zum Ausdruck. Dies ist ein Art der Geltendmachung der kulturellen Identität. Sprachen als Identität stiftende Faktoren standen in der Geschichte fortwährend in einer Wechselbeziehung mit politischer Macht. In der internationalen Organisation, wo das auf dem
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
internationalen Ebene erlassene Recht einen direkten Einfluss auf das Leben der einzelnen Bürger ihrer Mitgliedstaaten haben kann, spielt das noch größere Rolle. Das Recht der Europäischen Union ist deshalb mehrsprachig. Dies bedeutet nicht nur, dass alle primären und sekundären Rechtsakte der EU – sowohl die Verträge als auch die aufgrund der Vertragsbestimmungen erlassenen Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen – in sämtlichen 24 Amtssprachen formuliert werden, sondern auch dass allen Textversionen in allen Mitgliedsländern gleiche Gültigkeit und Authentizität zukommen, unabhängig von der Zahl der Sprecher oder der Landesfläche. Dies folgt aus dem Prinzip der Gleichwertigkeit aller Sprachversionen. Diese Theorie stützt sich auf einigen Annahmen und Vermutungen, die sehr oft von den Kritikern hinterfragt werden. Zu diesen Annahmen gehören u.a. die Theorie der Originalfassungen und die Theorie der Einheit des mehrsprachigen Rechtstextes. Die erste besteht darin, dass alle authentischen Versionen des Textes als Originalfassungen gelten unabhängig davon, wann sie entstanden und auf welche Art und Weise sie verfasst werden – alle Versionen gleichzeitig oder als Übersetzungen aus einer Sprache in die anderen Sprachen (vgl. S. Šarčević 2000: 20, 64). Die zweite Theorie beruht auf der Annahme, dass alle Versionen des Rechtsakten die gleiche Bedeutung enthalten und gegenseitig voneinander unabhängig sind (vgl. Doczekalska 2006). Obwohl sich diese Theorien auf Fiktionen z.B. die Fiktion des äquivalenten Originals oder die Fiktion der gleichzeitigen Verfassung aller Versionen beziehen, ermöglichen die Theorien jedoch die Anwendung des EU-Rechtes und gewährleistet Gleichheit aller Mitgliedstaaten. Die Grundsätze der Mehrsprachigkeit in der EU und das Prinzip der Gleichwertigkeit aller Amtssprachen kann man nicht nur in der kulturellen Tradition der EU finden, sondern auch im internationalen und europäischen Recht. Schon in dem Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge aus dem Jahre 1968 in dem Artikel 33 wurde festgestellt, dass wenn „ein Vertrag in zwei oder mehr Sprachen als authentisch festgelegt worden ist, so ist der Text in jeder Sprache in gleicher Weise maßgebend, sofern nicht der Vertrag vorsieht oder die Vertragsparteien vereinbaren, dass bei Abweichungen ein bestimmter Text vorgehen soll“. Dies stützt sich auch auf einer Vermutung, die im 3. Punkt dieses Übereinkommens zum Ausdruck kommt, „dass die Ausdrücke des Vertrags in jedem authentischen Text dieselbe Bedeutung haben“.
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DIE RECHTSSPRACHE DER EUROPÄISCHEN UNION
Im UE-Recht gibt es auch einige Bestimmungen, die die Gleichwertigkeit aller Amtssprachen gewährleisten. Der Artikel 55 des Vertrags über die Europäische Union stellt den Bezug zu den Bestimmungen des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge aus dem Jahre 1968 her. In diesem Artikel werden alle Amtssprachen der EU genannt und es wird die Tatsache unterstrichen, dass jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist. Es wird auch nicht darauf hingewiesen, dass irgendwelche Sprachversion bei Abweichungen eine entscheidende Rolle spielt. Im Artikel 342 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union wird dagegen festgestellt, dass „die Regelung der Sprachenfrage für die Organe der Union unbeschadet der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom Rat einstimmig durch Verordnungen getroffen“ wird. Die hohe Zahl der Amtssprachen ist jedoch auch eine große finanzielle und logistische Herausforderung für die Europäische Union. Die hochqualifizierte Übersetzungsdienste vorbereiten jährlich im Rahmen dieser Organisation Tausende Seiten der Übersetzungen. Die Kosten von diesen Übersetzungen belaufen sich auf fast ein Prozent des EU-Haushaltes.
Die EU-Rechtsprache Um die in diesem Artikel angesprochenen Probleme besser zu verstehen, ist nicht nur die Darstellung der Eigentümlichkeiten der Europäischen Union sondern auch die Besprechung der Spezifik der Rechtssprache (darunter der EU-Rechtssprache) wichtig. In dem Sprachmodell von Schröder kann man innerhalb der Gesamtsprache drei Subsysteme unterscheiden: Gemeinsprache, Fachsprache und Sondersprache (Abbildung 1). Unter Gemeinsprache versteht man „jenes Instrumentarium an sprachlichen Mittel, über das alle Angehörigen einer Sprachgemeinschaft verfügen und das deshalb die sprachliche Verständigung zwischen ihnen möglich macht“ (Hoffman 1985: 48). Die Fachsprache ist dagegen die Gesamtheit aller sprachlichen Mittel, die in einem fachlich begrenzbaren Kommunikationsbereich verwendet werden, um die Verständigung zwischen den in diesem Bereich tätigen Menschen zu gewährleisten (vgl. Hoffmann 1985: 53). Möhn und Pelka betonen, dass „charakteristische Auswahl, Verwendung und Frequenz sprachlicher Mittel, besonders auf Systemebenen Morphologie, Lexik, Syntax und Text (…)“ (Möhn, Pelka 1984: 26f.) als distinktives Merkmal jeder Fachsprache gelten.
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
Wenn man die oben dargestellte Definition der Fachsprache auf das Gebiet der Rechtsprache überträgt, ergibt sich, dass die Rechtsprache die Gesamtheit aller sprachlichen Mittel darstellt, die im Bereich der juristischen Kommunikation verwendet werden, um die Verständigung zwischen den in diesem Bereich tätigen Menschen zu gewährleisten, sowohl zwischen Juristen untereinander als auch zwischen Juristen und Nichtjuristen. In Anbetracht der obigen Überlegungen lässt sich jedoch keine einheitliche Definition der Rechtssprache, die den Anspruch auf die Allgemeingültigkeit erheben könnte, bestimmen. Die Definitionen sind durch die Einstellung ihrer Autoren gegenüber dem Problem der Fachsprache geprägt. Es gibt jedoch auch Sprachwissenschaftler, die den fachsprachlichen Charakter der Rechtssprache in Frage stellen (vgl. Siewert 2010: 69). Sie betrachten die enge Wechselbeziehung der Rechtsprache und der Gemeinsprache. Einerseits übernimmt die Rechtssprache die Begriffe aus der Gemeinsprache und formuliert sie zu Rechtsbegriffen um, und andererseits sind die Redensarten und feste Wendungen aus der Rechtssprache die Bestandteil der gegenwärtigen Gemeinsprache. Ein Paradebeispiel dafür kann die Wendung „etwas ad acta legen“ aus der Verwaltungssprache oder „jemanden auf die Folter spannen“ aus der Strafjustiz sein (vgl. Daum 1981: 87 f.). Obwohl die Darstellung der einheitlichen Definition der Rechtsprache kommt fast nicht in Frage, lassen sich mehrere Eigentümlichkeiten dieser Fachsprache bestimmen, die scheinen ähnlich in unterschiedlichen Sprachen zu sein. Juristische Begriffe werden exakt definiert – ganz im Gegensatz zu denen aus Alltagssprache – und auf diese Art und Wiese ihrer Anwendungsbereiche eindeutig festgelegt (vgl. Hoffman; Ludger 1989). Manchmal haben wir zu tun mit den Termini, die nur zu einem Fachgebiet gehören und nur in einem Zusammenhang verständlich sind z.B. Rechtsverhältnis (pol. stosunek prawny). Die Bedeutung der gemeinsprachlichen Ausdrücke wird auch sehr oft modifiziert, z.B. Mensch (pol. człowiek). Darüber hinaus wird die idiomatische Bedeutung den nicht idiomatischen Begriffe der Gemeinsprache z.B. Klage erheben (pol. wytoczyć powództwo) zugeschrieben (vgl. Szubert 2008). Obwohl der Gesetzgeber in der Regel nach der juristischen Bestimmtheit der Begriffe strebt, sind viele abstrakte Begriffe in der Rechtstexten zu beobachten, die nicht selten zahlreiche Auslegungsprobleme bereiten. Es handelt sich hier um solche Ausdrücke wie gute Sitten (pol. dobre obyczaje) oder unzüchtig (pol. obsceniczny). Sie beziehen sich nicht auf konkrete Gegenstände, sondern auf abstrakte Kategorien, die einer Art moralischer Bewertung
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unterliegen. Die Unbestimmtheit dieser Klasse von Rechtbegriffen ist jedoch nicht durch das fachsprachliche Vergasen oder ein Fehler verursacht, sondern wird sie bewusst gewählt, weil sie z.B. die längere Anwendung des Gesetzes gewährleisten. Erwähnenswert sind auch die Wortverbindungen, die einem durchschnittlichen Sprachbenutzer ungewöhnlich und unverständlich erscheinen z.B. positive Vertragsverletzung (pol. pozytywne naruszenie) (vgl. Pieńkos 1999: 9). Nicht selten werden in den Rechtstexten auch Archaismen wie z.B. Treu und Glauben, Grund und Boden verwendet. Die Vermeidung von Fremdwörter z.B. Fernsprecher statt Telefon (pol. aparat telefoniczny) ist auch nichts Ungewöhnliches (vgl. Hoffman; Ludger 1989). Der Nominalstil ist es auch zu erwähnen, d.h. die Ausnutzung der Zusammensetzungen und Ableitungen komplexer Substantive und die Verwendung von Nominal Phrasen, die durch Partizipien, nominale und präpositionale Attribute und Relativsätze erweitert werden (vgl. Szubert 2008: 84). Ein Ergebnis der Nominalisierung ist ein kompakter Stil, der dem Schreiber einen besonderen Bau und eine besondere Anordnung von Wortgruppen und Sätzen erfordert, z.B. Planfeststellungsbeschluss, was bedeutet: jemand hat beschlossen, einen Plan festzusetzen. Für die Rechtssprache ist es auch der häufige Gebrauch von impersonalen Passivsätzen und anderen agenslosen Konstruktionen wie z.B. Indefinitpronomen charakteristisch, der einerseits der Angabe von ziemlich breiten Geltungsbereichen und andererseits der Gefühlsneutralität dient. Diese Eigentümlichkeiten der Rechtssprache sollen jedenfalls bei dem Übersetzungsverfahren berücksichtigt werden. Die Übersetzer sollen immer daran erinnern, dass im Falle der Fachübersetzung nicht die Sprache selbst, sondern das Fachgebiet die erste Geige spielt. Im Rahmen der Europäischen Union sieht die Situation noch komplizierter aus. Dieses Model (Abbildung 2) zeigt ein sehr vereinfachtes Bild des EU-Rechts. Die in den 24 Textversionen verwendeten Sprachzeichen (L1–L24) sind Träger von Bedeutungen, die in den 28 nationalen Rechtordnungen ihren Ursprung haben. Auf diese Art und Weise besteht neben der Relation zwischen Sprachen und dem EU-Recht auch eine Relation zwischen Sprachen und nationalen Rechtsordnungen (Vgl. Kjaer 1995). Mit diesem Modell soll veranschaulicht werden, dass die Begriffsbildung nicht in einem begriffsfreien Raum entsteht. Die Sprachzeichen der 24 Amtssprachen der EU, die zur Formulierung gemeinschaftsrechtlicher Texte eingesetzt werden, sind nicht leer. Hinter diesen Zeichen verstecken sich nationalrechtliche Begriffe und
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Rechtserfahrungen, die auch in dem EU-Ebene mitschwingen (vgl. Sandrini 1999). Die Begriffe sind Kondensate juristischer Erfahrungen (vgl. Luhmann 1993). Rechtsbegriffe entstehen im Laufe juristischer Argumentationsprozesse und im Zuge vielfältiger Wiederholungen in jeweils anderen Entscheidungslagen. So kann festgehalten werden, dass „in diesem Sinne Erfahrungen in Begriffen gespeichert und abrufbar bereitgehalten“ werden (Luhmann 1993). Die Hauptschwierigkeit des juristischen Übersetzens auf terminologischbegrifflicher Ebene besteht also darin, dass Rechtsbegriffe an Rechtsordnungen gebunden sind (vgl. De Groot 1991). Sie haben einen bestimmten Platz im komplexen Rechtssystem eines Landes und ihre Bedeutung ist eng mit ihrer Funktion verbunden (vgl. Lorenz 1983). Sie sind systemabhängig und wegen dieser Abhängigkeit besteht sehr selten eine vollständige Äquivalenz zwischen Begriffen aus zwei oder mehreren Rechtsordnungen. Häufiger besteht nur eine partielle Äquivalenz oder eine Nulläquivalenz. Wenn man nun die Rechtsbegriffe einer Sprache in eine andere Sprache übersetzen will, muss man, dieser fehlenden Äquivalenz durch verschieden im Laufe der Zeit entwickelten Übersetzungsverfahren ersetzen. Der Übersetzer kann entweder ein „funktionelles Äquivalent“ des zielsprachigen Rechtssystems oder ein „alternatives Äquivalent“ (ein systemunabhängiges Äquivalent) wählen. Bei allen Methoden geht man aber davon aus, dass der Begriff eine genaue definierbare Bedeutung hat und dass dem Übersetzer klar ist, zu welchem Rechtsystem der Begriff gehört. Bei der Übersetzung der europäischen Rechtstexte ist aber nicht immer der Fall. Sehr oft weiß man nicht, ob der Begriff als nationalrechtlich oder gemeinschaftrechtlich zu verstehen ist, also weiß man nicht, an welches Rechtsystem der Begriff gebunden ist. Außerdem müssen die EU-Übersetzer sehr oft so genannte „Eurotexte“ übersetzen, d.h. die Texte, die selbst Übersetzungen sind oder die nicht von den Muttersprachlern verfasst wurden. Diese Texte werden sehr oft in einer Sprache „gedacht“ und in einer anderen Sprache formuliert (Vgl. Born; Schütte 1995; Mills 1988). Nicht selten spielen die politischen Interesse der einzelnen Länder auch eine große Rolle. In diesen Texten gibt es auch viele Neologismen, die zwar die Probleme mit der Auslegung von zwei oder mehreren Sprachversionen ausgleichen und mehrere Authentizität gewährleisten können, weil sie sich nur auf das Rechtsystem der EU beziehen. Die Übersetzer und Dolmetscher müssen jedoch jedes Mal die Entscheidung treffen, welche Möglichkeit die beste ist.
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Die Rechts- und Spracheverständigte kennen sich auch nicht in allen Amtssprachen der EU so gut aus, um alle Besonderheiten der Fremdsprachen zu erkennen. Außerdem ist es aus sprachtheoretischer Perspektive klar, dass es nicht möglich ist, 24 Textversionen zu formulieren, deren Sinn in allen Einzelheiten genau übereinstimmt. Sogar bei verwandten Sprachen hat man sehr oft mit den Unterschieden bei der Betrachtung der Welt zu tun (vgl. These von Humbolt; Sapir Whorf über die linguistische Relativität). Bei der Rechtssprache muss man auch hinzufügen, dass ihr Wortschatz Träger einer nationalen Rechtsbegriffskultur ist, d.h. der Wortschatz je nach der Rechtsordnung (sogar bei derselben Sprachen, was das Beispiel von Deutschland und Österreich sehr gut veranschaulicht) verschieden sein kann.
Zusammenfassung Unter allen Umständen ist es klar, dass die Probleme, die mit der babylonischen Sprachverwirrung der Europäischen Union verbunden sind, nicht von der Übersetzungswissenschaftler allein gelöst werden können. Das Problem der juristischen Fachkommunikation, darunter die mit der Übersetzung der Rechtexte verbundenen Probleme, soll als ein funktionaler Zusammenhang ausgefasst werden, der soziale Sachverhalte, gesellschaftliche und kulturelle Deutungsmuster, institutionelle Rahmenbedingungen, fachsprachliche Spezialterminologie und fachspezifische Handlungstypen als Teil eines Komplexes begreift werden (vgl. Felder 2005). Die Lösung der Probleme setzt deshalb eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den vergleichenden Rechtswissenschaftlern, kontrastiven Linguisten, Sprachwissenschaftlern und Übersetzungswissenschaftlern voraus. Die Frage ist auch, ob sich dieses Problem überhaupt lösen lässt. Nach Weir kann man das Problem skeptisch betrachten. Er unterstreicht die Tatsache, dass niemand bisher zu versuchen gewagt hat, die verschiedenen Sprachen Europas zu harmonisieren, obwohl das Recht unablässig und aufs eifrigste harmonisiert wird. Er analysierte den Unterschied zwischen Recht und Sprache und ist zu folgenden Schlussfolgerungen gekommen. Seines Erachtens ist die Sprache nicht nur ein Mittel, der den Mitteilungsbedarf befriedigt, sondern auch ist „die Sprache immer der Ausdruck des Menschen selbst, noch mehr der Ausdruck des Menschen in der Gesellschaft, ja der Ausdruck der Gesellschaft selbst, mit dem eine Gruppe sich nach außen und innen identifiziert und konstituiert“ (Weir 1995).
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Zusammenfassung Die Europäische Union ist eine internationale Organisation mit einer enormen Zahl der Amtssprachen. Alle Rechtsakte der EU werden in sämtlichen 24 Amtssprachen formuliert. Allen Sprachversionen in allen Mitgliedsländern wird darüber hinaus gleiche Gültigkeit und Authentizität zugeschrieben. Dies bedeutet, dass jeder Rechtsakt, der in einer der Amtssprachen der EU verfasst wird, gleichermaßen verbindlich ist. Es wird auch nicht darauf hingewiesen, dass irgendwelche Sprachversion bei Abweichungen eine entscheidende Rolle spielt. Das mehrsprachige EU-Recht hat auch immer häufiger einen großen Einfluss auf das Recht in allen Mitgliedstaaten und kann nicht selten sogar direkt auf das Leben der einzelnen Bürger wirken, z.B. kann den Bürgern Pflichten überbinden. Die EU-Bürger sollen auch einen unbeschränkten Zugang zu allen Dokumenten und mit der Arbeitsweise dieser Organisation verbundenen Informationen haben. Aus diesem Grund steigt im Rahmen der Europäischen Union die Nachfrage nach der Übersetzungen. In der EU arbeiten Hunderte Übersetzer und Dolmetscher. Die Übersetzungsdienste der EU übersetzen jährlich Tausende Seiten von verschiedenen Dokumenten aus und in 24 Amtssprachen. Die Qualität der Übersetzungen lässt aber viel zu wünschen übrig. Das Hauptproblem besteht darin, dass die Übersetzung der Rechttexte im Gegensatz zu der Übersetzung der Gemeintexte anderen Regeln unterworfen sein soll. Die Übersetzer sind verpflichtet, die Eigentümlichkeiten der Rechtsprache zu berücksichtigen. Im Rahmen der Europäischen Union ist es darüber hinaus notwendig, zu beachten, dass diese internationale Organisation eine breite Palette der eigenen Regeln entwickelt hat und nicht selten eine eigene Bedeutung den allgemein bekannten Begriffen zuschreibt. Oben angeführte Informationen sollen das Spektrum des Problems in der Europäischen Union veranschaulichen. Da im Rahmen solcher internationalen Organisation, deren Recht mehrsprachig ist und unmittelbar wirken kann, die Qualität der Übersetzung besonders wichtig ist.
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AUSBILDUNG
KAPITEL 5 Beata Grzeszczakowska-Pawlikowska*
Ein integrierter Ansatz für die Vermittlung der rhetorischen Kompetenz unter dem Aspekt von Fachlichkeit
Einleitung Die Miteinbeziehung der kommunikativen Dimension in die ursprünglich systembezogene Fachsprachenforschung hatte „eine Neuorientierung von der Fachsprache bis hin zur fachsprachlichen und fachlichen Kommunikation“ (Brünner 1993: 732) zur Folge und manifestierte sich in der Erweiterung der bisherigen Forschungsinteressen in diesem Bereich. Im Fokus stehen mittlerweile nicht mehr einzig und allein die Lexik bzw. die Syntax einer bestimmten Fachsprache, sondern auch die Text(sorten)ebene, die Kontext- und die Kulturebene. Da die fachsprachliche/fachliche Kommunikation ebenso in gesprochener, wie in geschriebener Sprache angesiedelt ist, verdient nicht zuletzt die Mündlichkeit als Übertragungsmedium ebenfalls eine besondere Beachtung. Die institutionelle Fachkommunikation in Mündlichkeit ist durchaus rhetorisch geprägt, d.h. kommunikative Prozesse werden durch Intentionalität/Absichtlichkeit, Sinn-/Zweckorientiertheit und soziale Merkmale gekennzeichnet. Die Fachlichkeit in Mündlichkeit ist mithin u.a. durch den Erwerb der rhetorischen Kompetenz weitgehend determiniert. Mit anderen Worten: Die rhetorische Kompetenz gilt somit als grundlegende Voraussetzung für die Professionalität der Kommunikationsbeteiligten in den jeweiligen Fachgebieten. *
Dr. Beata Grzeszczakowska-Pawlikowska, Uniwersytet Łódzki / Polen.
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In Anbetracht dessen hat der vorliegende Beitrag zum Ziel, einen integrativen Ansatz für die Vermittlung rhetorischer Fähigkeiten und Fertigkeiten darzustellen, wodurch wesentliche Schnittstellen zwischen Sprache (darunter Fach- und Metasprache), Sprech- und Körperausdruck sowie inhaltlicher Kohärenz mündlicher Äußerungen aufgezeigt werden sollen. Der vorzuschlagende integrative Ansatz soll hier am Beispiel der Redekompetenz, die im beruflichen Umfeld in einem angemessenen Präsentieren (Vortragen) sowie in argumentativen Gesprächsbeiträgen zum Ausdruck kommt, näher veranschaulicht werden.
Rhetorische Kompetenz als fachübergreifende Schlüsselkompetenz Der Begriff des Rhetorischen weist zwei Spezifika auf. Zum einen ist damit nach Gutenberg (1994: 435) die jeweilige Intentionalität von Sprechhandlungen gemeint, die „alle auf ein Handlungsziel hin funktionalisierbaren Faktoren der Sprech-Hör-Situation umfaßt (Partnerintention, Situationsintention)“ (ebd.). Zum anderen bedeutet rhetorisch „denjenigen intentionalen Zugriff auf Ziele, Mittel und Situationsdeterminanten, der auf einer methodischen Reflexion beruht, die aufgrund einer didaktischen Anleitung zustandekommt“ (ebd., S. 436). In praktischer Hinsicht handelt es sich hiermit um „eine theoriegeleitete Methodik einer didaktisch orientierten Theorie“ (ebd.). Im Einzelnen beinhaltet der Begriff des Rhetorischen gegenseitiges Beziehen der Kommunikationspartner aufeinander, Streben nach Zielen, bewusstes Wählen aus sprachlichem und sprecherischem Inventar, bewusstes Reflektieren kommunikativer Abläufe sowie Antizipation der Wirkung vom Gesagten bzw. vom Gemeinten (Forster 1997: 45). Vor dem Hintergrund des kommunikativ-dialogischen Grundverständnisses sprechsprachlichen Handelns stellt nun diese Betrachtung des Rhetorischen einen nachvollziehbaren Ansatzpunkt für die Auffassung der rhetorischen Kompetenz dar. Darunter wird eine umfassende kommunikative Handlungsfähigkeit zur zweckorientierten Abwicklung intendierter sozialer Interaktionen verstanden, indem auf den Kommunikationspartner (Sprecher/Hörer) – mit ihm sprechend bzw. zu ihm redend – auf ihn eingewirkt sowie über die jeweiligen Kommunikationsprozesse bewusst reflektiert wird. Die bewusste Reflexion erfolgt dabei „in bezug auf aktuelle Situationen, Ziele, andere Personen, Gruppen, Kulturen sowie deren Verhalten und Handeln“ (Slembek 1999: 88). Kurzum: Bei rhetorischer Kompetenz handelt es sich einerseits um Gesprächs- und Redekompetenz, d.h. die Fähigkeit zur Gesprächsführung (Debattieren, Verhandeln) und zum Vortragen (Präsentieren), andererseits
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um die Reflexionsfähigkeit eigenen bzw. fremden Handelns und Verhaltens. Unter Bezugnahme auf die in dem vorliegenden Beitrag vertretene Annahme über die Multimodalität sprechsprachlicher Verständigung verdienen zudem performative Handlungsfähigkeiten und -fertigkeiten, d.h. Fähigkeiten zum angemessenen Sprech- und Körperausdruck, eine systematische Beachtung. Die zwei grundlegenden Kompetenzen, Gesprächs- und Redekompetenz, gewährleisten den reibungslosen Ablauf der etwaigen institutionellen Kommunikation und sind somit für diese von höchster Relevanz. Der Erwerb rhetorischer Kompetenz erleichtert bekanntlich den gegenseitigen intentionalen Austausch der Kommunikationspartner, die gemeinsame Aufgabenbewältigung wie auch den Umgang mit potenziellen Kommunikationskonflikten mittels argumentativ-kooperativer Verfahrensweisen. Die explizite Einbeziehung rhetorischer Fähigkeiten und Fertigkeiten in das Konzept der Schlüsselkompetenzen, bei denen es sich um domänenübergreifende Kompetenzen zur Anwendung fachlichen Wissens und Könnens in komplexen und schwierigen beruflichen Alltagssituationen, aber auch in neuen und ungewohnten Situationen handelt (Schaper 2012: 18), erscheint mithin vollkommend naheliegend (Schwarze 2007: 238; auch http://www.soft-skills. com/rhetorische-kompetenz/). Als Sozial(Schlüssel)Kompetenz kann die rhetorische Kompetenz sogar den Rang einer übergeordneten Begrifflichkeit für die weiteren sozial determinierten Kommunikations-, Kooperations- und Konfliktfähigkeiten (Knauf 2001: 47) übernehmen. Im Hinblick auf das Verständnis von Rede als „virtuell-dialogische, intendierte Verständigungshandlung eines Redners für meist mehrere Hörer mit dem Ziel, etwas zur gemeinsamen Sache zu machen, um gemeinsames Handeln [.…] zu ermöglichen“ (Meyer 2013b: 121) kann unter Redekompetenz die Fähigkeit, „handelnd das Ziel durch die Rede [zu] erreichen“ (Barthel 2007: 230) verstanden werden.
Wirkungsaspekt Einen zentralen Platz in der rhetorisch geprägten Kommunikation nimmt der bereits in der Antike etablierte Wirkungsaspekt ein. Dies soll nicht verwundern, da mit jedem öffentlichen Auftritt in einer Rede- bzw. Gesprächssituation konkrete (gewollte bzw. ungewollte) Kommunikationswirkungen auf verschiedenen Ebenen erzielt werden. Unter Wirkung wird hier der jeweilige Einfluss verstanden, „den ein Kommunikator mit seiner Äußerung (seinem Kommuniqué) auf das Verhalten und Erleben von Anderen ausübt“ (Hirschfeld et al. 2010: 54). Aus wissenschaftstheoretischer sowie empirischer Perspektive
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ist vor allem die Frage relevant, welche Wirrkungen mit Hilfe welcher Mittel durch das Zusammenwirken von Sprechenden und Hörenden angestrebt und konstituiert werden. Die jeweils entstehenden, intendierten und/oder tatsächlichen Wirkungen sind dabei sowohl am äußeren als auch inneren Handeln der jeweiligen Interaktionspartner erkennbar. Auf die Wirkung des Sprechens werden die Kommunizierenden dadurch aufmerksam, dass sie entweder selbst vor der Aufgabe stehen, „wirkungsvoll sprechen zu müssen“ (Stock 1991: 9), oder ein kommunikatives Ereignis als „besonders wirkungsvoll“ (ebd.) annehmen. Bereits auf Grund naiver Reflexion über das Zustandekommen von Wirkungen wird der jeweils neu konstituierende Zusammenhang zwischen Aufgabe, Mittel und Ergebnis zwangsläufig bewusst. Dies führt zu gewissen Erwartungshaltungen, d.h. zu mehr oder weniger entfalteten Vorstellungen über die Voraussetzungen für die Erzielung kommunikativer Wirkungen. Als grundlegende Bedingung für die Herausbildung von Kommunikationswirkungen gilt auf der Hörerseite die Rezeption übertragener Signale. Demnach kann unter (Sprech-)Wirkung grundsätzlich das alles zusammengefasst werden, „was in einer konkreten Kommunikationssituation bei der Aufnahme von Geäußertem in einem Rezipienten herausgelöst wird“ (Hirschfeld et al. 2009: 774). Der gesamte Rezeptionsprozess umfasst dabei zwei Subprozesse: die Perzeption und die darauffolgende Reaktion, die bereits während der Äußerungsübermittlung einwirkt und sich weit in die postkommunikative Phase erstreckt (vgl. Stock ebd., S. 24). Im Hinblick auf die Perzeption wird von drei unterschiedlichen Wahrnehmungsleistungen ausgegangen: a) der Wahrnehmung der Sprache (Sprachperzeption), b) der auditiven und visuellen Wahrnehmung (Wahrnehmung des Sprech- und Körperausdrucks) und c) der Wahrnehmung der Sprecherpersönlichkeit, der sog. interpersonellen bzw. sozialen Wahrnehmung. Wirkungen des Sprechens stellen mithin zusammenfassend Ergebnisse eines Rezeptionsprozesses, d.h. eine Gesamtheit möglicher Reaktionen des Rezipienten auf die Sprachinformation, auf den para- und nonverbalen Ausdruck und auf die Persönlichkeit des Kommunikators dar. An der Entstehung von (un-)gewollten Kommunikationswirkungen in einer Redesituation sind jeweils zahlreiche Faktoren beteiligt, die in verschiedenen Bereichen verortet sind. Im Hinblick auf die Vermittlung der Redekompetenz sind jeweils in Anlehnung an Stock (1991: 19f.) folgende Wirkungsfaktoren zu beachten:
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a) Im Bereich des Sprechers: dessen Stimme und Sprechweise, die äußere Erscheinung einschließlich der Komponenten nonverbalen Verhaltens, die beim Rezipienten angenommene fachliche Kompetenz des Sprechers und dessen Glaubwürdigkeit, das Rollenverständnis des Sprechers gegenüber der jeweiligen Kommunikationssituation und den Zuhörern, dessen soziale Situation und dessen Erwartungshaltungen (z.B. Normen) sowie schließlich das beim Rezipienten vorhandene Persönlichkeitsbild vom Sprecher (Image, Ausstrahlung etc.); b) im Bereich der Äußerung: die Phonemrealisation und die prosodische Gestaltung der Äußerung, die kommunikative Funktion der Aussage, die Gliederung und der Aufbau der Rede, die Anordnung der Argumente sowie das Text-Bild-Verhältnis (PP-Präsentation); c) im Bereich des Rezipienten: dessen Intelligenz und Weltanschauung, das Vorwissen und die soziale Rollenzugehörigkeit, der Aufmerksamkeitsverlauf und das Verstehen der Aussage (Behaltensleistung) sowie auch Erwartungshaltung (Normen) bzw. bestimmte Erfahrungsbasis hinsichtlich der gegebenen Kommunikationsform. Abschließend sei auf die dynamischen Interdependenzen der jeweiligen Wikungsdeterminanten hingewiesen, die ebenfalls für institutionell geprägte Vortragssituationen zutreffend sind: Ein sicherer Vortrag und/oder die Fachkompetenz des Redners üben ebenso wie dessen Beliebtheit bei den Hörern einen positiven Einfluss auf dessen Glaubwürdigkeit aus (vgl. O`Keefe 1990: 130ff.). Darüber hinaus kann ein fachlich guter überzeugender Text wegen mangelnder rhetorischer Fertigkeiten des Vortragenden an gewollter positiver Wirkung bei dem Publikum verlieren. Oder aber umgekehrt: Ein guter Redner ist oft imstande, Lücken im Fachwissen zu „übertönen“ (Techtmeier 1998: 507). Ferner sollen auch mögliche kulturspezifische Unterschiede bezüglich der Vortragsstile sowie auch die Rolle des fremden Akzents betont werden.
Fachlichkeit in Mündlichkeit. Ein integrativer Ansatz für die Vermittlung der rhetorischen Kompetenz In Anbetracht der bisherigen Ausführungen ist nun im Rahmen einer Vorbereitung der polnischen Germanistikstudenten auf die Berufstätigkeit am internationalen Arbeitsmarkt nicht nur die weit gefasste Fachlichkeit/Fachkompetenz als Handlungsfähigkeit auf der Sprach- bzw. Textebene vordergründig. Im
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Hinblick auf die einleitend erläuterte Verschränkung von fachlicher und rhetorischer Kommunikation soll ebenfalls die Rhetorik-Schulung stärker in den Mittelpunkt einer universitären (Fach-)Ausbildung, darunter auch in den germanistischen Studiengängen, rücken, was in dem vorliegenden Beitrag als integrativer Ansatz bezeichnet und, wie einleitend angedeutet, am Beispiel der Redekompetenz in der Fremdsprache näher beleuchtet wird. Hinter dem hier zu erläuternden Ansatz steht vor allem der Gedanke, dass berufsrelevante Aspekte von Fachlichkeit (Fachsprachenkenntnisse im konkreten Fachbereich, damit einhergehendes Fachwissen, ferner auch Fachtextsortenwissen etc.) in das Training der ebenso berufsrelevanten Mündlichkeit gezielt zu integrieren sind. Oder umgekehrt: Dass auch die Mündlichkeit, sprich: die rhetorisch und institutionell geprägte, mündliche Kommunikation, die sich jeweils u.a. in konkreten Redesituationen auf der Berufsebene abwickelt, in die Vermittlung der weit gefassten Fachkompetenz im Rahmen der fremdsprachlichen Philologien durchdacht einzubeziehen ist. Im Folgenden sollen grundlegende Prämissen dieser integrativen Vorgehensweise systematisch dargestellt werden. Mit berufsrelevanten Redesituationen sind dabei zum einen Reden im Sinne von Vorträgen/Präsentationen, wie etwa Firmenpräsentationen, Produktpräsentationen, Präsentationen von Firmenergebnissen etc., die einer bereits in der Antike bewährten Gliederung mit Einleitung, Haupttext und Schluss folgen, gemeint. Zum anderen handelt es sich hier aber auch um Kurzreden als argumentative Gesprächsbeiträge in Verhandlungsrunden, in Diskussionen bzw. Debatten. Bei der Vermittlung der Redekompetenz sollen den Studierenden zunächst die Wirkungspotenz der gesprochenen Sprache in Redesituationen sowie die in dem vorangegangenen Kapitel angeführten potenziellen Wirkungsdeterminanten bewusst gemacht werden. Bei den Wirkungsdeterminanten im Bereich des Sprechers und der Äußerung handelt es sich insgesamt um vier Wirkungsdimensionen: die sprachliche, die kognitiv-argumentative, die para- die und nonverbale Dimension. Diese vier Wirkungsdimensionen etablierten sich in der rhetorischen Redepraxis als Kategorien individuellen Wirkungsstils und wurden in einem Katalog erfasst. Im Einzelnen umfasst der Katalog laut Meyer (2013a: 110f.) folgende Ebenen bzw. Stildimensionen:
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EIN INTEGRIERTER ANSATZ FÜR DIE VERMITTLUNG DER RHETORISCHEN… Sprachstil verbale Ebene Wortwahl, darunter Fachwortschatz, Syntax (Satzbau der gesprochenen Sprache – keine komplexen Sätze der Schriftsprache)
Denkstil argumentativlogische Ebene Redegliederung Redeaufbau (der „rote Faden“ )
Sprechstil paraverbale Ebene
Schauform nonverbale Ebene
prosodische Gestaltung der Rede, Lautung
Blickkontakt/ Mimik Gestik Körperhaltung Raumverhalten
Nach Meyer (2013a, 110f.)
Der Katalog individuellen Wirkungsstils, dessen genaue Erläuterung sich aus Platzgründen an dieser Stelle erübrigen muss, kann sowohl an die Vorbereitung einer Rede als auch an deren Auswertung als Maßstab herangezogen werden. Mit der Vermittlung dieses Katalogs an die potenziellen Sprachverwender kann bereits der erste Schritt der Integration von Fachlichkeit und Mündlichkeit vollzogen werden, indem der Einsatz konkreter Fachtermini, die einen festen Bestandteil einer konkreten Fachsprache ausmachen, in den jeweiligen berufsbezogenen Redebeiträgen trainiert werden kann. Darüber hinaus soll auch der Übergang vom Nominalstil der Schriftsprache zum Verbalstil in der Mündlichkeit geübt werden. Ferner soll den Studierenden die Tatsache bewusst gemacht werden, dass das von ihnen erworbene Fachwissen, das sich jeweils in der Fachkompetenz manifestiert, ebenfalls als berufsrelevante Wirkungsdeterminante in konkreten Redesituationen zu betrachten ist. Dem hier angestrebten integrativen Ansatz folgend sind die Studierenden vor allem dafür zu sensibilisieren, dass das Fachwissen in Redesituationen unter Umständen nicht sehr nützlich ist, wenn es nicht mit rhetorischen Mitteln „abgesichert“ wird. Diesbezüglich sei betont, dass eine zielbewusste Kombination von Fach- und Redekompetenz wiederum für die Sicherung von Glaubwürdigkeit des Redners wie auch von dessen Überzeugungskraft grundlegend ist, was beim berufsbezogenen persuasiven Reden eine besondere Bedeutung hat. Als weitere relevante Kategorie gilt folglich eine angemessene Ansprechhaltung bzw. Hörerorientierung beim Reden, mit der zugleich alle Ebenen sprechsprachlichen Handelns abgedeckt werden: die verbale, die argumentativ-logische, die para- und die nonverbale Ebene. So manifestiert sich ein hörerorientiertes Reden im Bereich der fachlichen Kommunikation beispielsweise darin, dass der Redner die Fachtermini angemessen verwendet, sein
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
Fachwisssen argumentativ geschickt vermittelt, seine Rede prosodisch (melodisch-rhythmisch) situationsangemessen gestaltet, dabei in einer angemessenen Lautstärke und in einem angemessenen Sprechtempo redet, und zugleich die Zuhörer mimisch-gestisch sowie mit offener Körperhaltung anspricht. Schließlich sollen die Studierenden auf das Kriterium der Verständlichkeit aufmerksam gemacht werden. Damit ist zum einen die inhaltliche Verständlichkeit gemeint, zum anderen die phonetische Verständlichkeit, die gerade in der interkulturellen Kommunikation auf Grund möglicher Interferezen im Bereich der Aussprache besonders zu beachten ist. Die zielgerichtete Bewusstmachung all dieser Faktoren sowie deren Einbeziehung in die Vermittlung von Fachkompetenz stellen insgesamt einen wesentlichen Baustein in der Vorbereitung der angehenden Akademiker auf die berufliche Tätigkeit dar. Für diejenigen Studierenden, die fremdsprachliche Philologien, wie z.B. Germanistik studieren, trifft dies in doppeltem Ausmaß zu, da hier gleichzeitig auch viele sprach- und kulturgeprägte Faktoren ins Spiel kommen. Abschließend sollen an dieser Stelle vor allem zwei Hauptziele hervorgehoben werden, die sich dem hier vorgestellten integrativen Ansatz im Rahmen der berufsbezogenen Module bzw. der einzelnen berufsbezogenen Lehrveranstaltungen verfolgen lassen: eine zweckgerichtete Integration der rhetorischen Fähigkeiten/Fertigkeiten in die Vermittlung von Fachkompetenz (Fachsprachen, Fachwissen, Fachtextsortenwissen etc.) in Mündlichkeit einerseits und ein bewusster Umgang mit der Fachterminologie und Fachsyntax in den berufsbezogenen Rhetoriktrainings andererseits.
Ausblick Die Vorbereitung der Studierenden auf die Arbeit am internationalen Arbeitsmarkt soll, wie in dem vorliegenden Beitrag gezeigt werden konnte, nicht nur auf der Übermittlung von Fachkompetenz, sondern auch auf der Vermittlung von rhetorischer Kompetenz, wie etwa der Redekompetenz, als berufsrelevante Schlüsselkompetenz beruhen. Zwecks barrierefreier Verständigung auf der Berufsebene soll daher bereits in der Ausbildungsphase ständig eine durchdachte Kombination der beiden Kompetenzen angestrebt werden, indem ein hoher Stellenwert der potenziellen, oben erläuterten rhetorisch geprägten Wirkungsdeterminanten bewusst gemacht sowie der Gebrauch von Fachlexik und der fachspezifischen Syntax in Mündlichkeit zweckgerichtet trainiert werden. Dies trifft insbesondere auf die internationale Kommunikation zu, die zum einen auf Grund des Fremdsprachengebrauchs und zum anderen auf Grund der jeweiligen Kulturspezifik besondere Schwierigkeiten bereiten mag.
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN – Slembek, Edith (1999), Entwicklung rhetorischer Fähigkeiten im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. In: „DaF“, Nr. 2, 1999, S. 88–92. – Stock, Eberhard (1991), Grundfragen der Sprechwirkungsforschung. In: Krech, Eva-Maria / Richter, Günther / Stock, Eberhard / Suttner, Jutta (Hg.), Sprechwirkung: Grundfragen, Methoden und Ergebnisse ihrer Forschung. Berlin, S. 9–58. – Techtmeier, Bärbel (1998), Fachtextsorten der Wissenschaftssprache V: Der Kongreßvortrag als Fachtextsorte. In: Fix, Ulla / Gardt, Andreas / Knape, Joachim (Hg.), Ein internationales Handbuch zur Fachsprachenforschung und Terminologiewissenschaft. 14.1. Berlin, S. 504–509.
Zusammenfassung Rhetorische Kompetenz stellt eine durchaus relevante Schlüsselkompetenz dar, die in verschiedenen Lebensbereichen, darunter am internationalen Arbeitsmarkt eine besondere Beachtung verdient. Gemeint ist mit rhetorischer Kompetenz eine umfassende kommunikative Handlungsfähigkeit zur zweckorientierten Abwicklung intendierter sozialer Interaktionen durch wirksames Miteinandersprechen und wirksames Zueinanderreden sowie zur bewussten Reflexion über die jeweiligen Kommunikationsprozesse. Kurzum: Bei rhetorischer Kompetenz handelt sich einerseits um Gesprächs- und Redekompetenz, andererseits um Reflexionsfähigkeit eigenen bzw. fremden Handelns und Verhaltens. Mit der rhetorischen Kompetenz wird also insgesamt auf wesentliche Aspekte sprechsprachlichen kommunikativen Handelns, wie etwa den gegenseitigen intentionalen Austausch der Kommunikationspartner, die gemeinsame Aufgabenbewältigung, argumentativ-kooperative Verfahrensweisen und den Umgang mit potenziellen Kommunikationskonflikten, Bezug genommen. Aus rhetorischer Sicht nimmt auch der Wirkungsaspekt einen zentralen Platz ein, da mit jedem öffentlichen Auftritt in einer Gesprächs- bzw. Redesituation konkrete (gewollte bzw. ungewollte) Kommunikationswirkungen auf verschiedenen Ebenen erzielt werden. In Anbetracht dessen sind bei der Vermittlung der rhetorischen Kompetenz vier Wirkungsdimensionen, (die sprachliche, kognitiv-argumentative, para- und nonverbale), die sich zugleich in dem jeweiligen Wirkungsstil manifestieren, zu beachten. Im Bereich des fremdsprachlichen Lehrens und Lernens sollen diese Phänomene zusätzlich unter Berücksichtigung potenzieller sprachlich wie auch kulturell bedingter Interferenzen zielorientiert problematisiert werden. Im Hinblick auf die oben angedeutete Komplexität der rhetorischen Kompetenz hat der Vortrag zum Ziel, einen integrativen Ansatz für die systematische Vermittlung rhetorischer Fähigkeiten und Fertigkeiten darzustellen, wodurch wesentliche Schnittstellen zwischen Sprache (darunter Fach- und Metasprache), Sprech- und Körperausdruck sowie inhaltlicher Kohärenz mündlicher Äußerungen aufgezeigt werden sollen. An diesen Schnittstellen soll sowohl in sprach- als auch berufspraktischen Seminaren zweckgerichtet gearbeitet werden. In den Mittelpunkt des Interesses rückt dabei die Redekompetenz, die im beruflichen Umfeld in einem angemessenen Präsentieren (Vortragen) zum Ausdruck kommt.
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KAPITEL 6 Henryk Mazepa*
Projektorientiertes Fremdsprachenlernen mittels animierter Visualisierung Zum Einsatz von Erklärvideos in der Vermittlung, Aneignung und Anwendung der „Berufssprache“ Deutsch
Einleitung Gute Fremdsprachenkenntnisse versprechen den ArbeitnehmerInnen in Polen eine befristete oder unbefristete Festanstellung in Voll- oder Teilzeit. In erster Linie ist es der Bereich moderner Geschäftsdienstleistungen, der den AbsolventInnen philologischer Studiengänge viele attraktive Arbeitsangebote bietet. Die Vermittlung von Fremdsprachenkenntnissen für die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes ist daher eine der aktuell breit diskutierten Aufgaben des Hochschulwesens in Polen1. Einer Studie der Stiftung Pro Progressio zufolge (vgl. Pro Progressio 2015) ist eine fließende Verwendung von Fremdsprachen durch die Arbeitskräfte einer der Schlüsselfaktoren bei der Wahl des Standortes für international agierende Unternehmen. Wie nie zuvor bietet der Abschluss eines philologischen Studienfaches vielfältige Möglichkeiten, einen Karriereweg im Geschäftsdienstleistungssekt2 einzuschlagen, während der Arbeitsmarkt Dr. Henryk Mazepa, Uniwersytet Jagielloński / Polen. Belege hierfür lieferten exemplarisch die internationale Konferenz: „Przyszłość nauczania języków obcych na uczelniach wyższych”, veranstaltet am 27.06.2015 durch die Verlage Pearson Central Europe Sp. z o.o. und Macmillan Polska Sp. z o. o. in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsuniversität in Krakau sowie die internationale interdisziplinäre Fachtagung SPECLANG, organisiert von 4. bis 5. März 2016 durch die Philologische Fakultät der Universität Lodz. 2 Insbesondere in den Bereichen: Business Process Outsourcing (BPO) und Shared Services Center (SSC). * 1
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im Schul-, Verlags- oder Übersetzungswesen gesättigt ist und die Beschäftigungschancen als FremdsprachenlehrerIn oder ÜbersetzerIn immer geringer werden3. Die jüngste Studie der Stiftung Pro Progressio zeigt auf, dass allein 2015 der Outsourcing-Sektor in Polen um 18–20% gewachsen ist und in über 700 Unternehmen ca. 170 000 Mitarbeiter beschäftigte (vgl. Pro Progressio 2016). Eine Arbeitsstelle in derartigen Firmen finden die StudentInnen und AbsolventInnen der Universitäten und Berufs- bzw. Fachhochschulen, die im Rahmen verschiedener Fächer Studienprogame anbieten, deren Inhalte auf die Vermittlung von Fremdsprachen sowie den Erwerb von breit verstandenen landeskundlichen Kenntnissen des gegebenen Sprachraums ausgerichtet sind. Immer häufiger wird auf dem polnischen Arbeitsmarkt der Begriff eines/einer SprachspezialistenIn verwendet. Er bezeichnet einen neuen Beruf, für dessen Ausübung fließende Fremdsprachenkennnisse in Wort und Schrift vorausgesetzt werden. Ergänzt man das Berufsbild um landeskundliches Wissen, entsprechende soziale Kompetenzen und Kenntnis der beispielsweise im professionellen Kundendienst ablaufenden Prozesse, entsteht das Bild einer Arbeitskraft, die bezüglich des Arbeitsplatzes, der zu verrichtenden Arbeitstätigkeit und des sie gerade beschäftigenden Unternehmens flexibel ist. Der Arbeitnehmermarkt in der Branche zwingt die Arbeitgeber, Schritte zu unternehmen, um zukünftiges Personal schon während des Studiums für sich zu gewinnen. Angesichts stetig wachsender Konkurrenz ist es für die Personalabteilungen multinationaler Unternehmen eine große Herausforderung, allein den Zugang zu potentiellen MitarbeiterInnen zu bekommen und ihr Interesse für die eigenen vakanten Arbeitsstellen zu wecken. Die meisten Arbeitgeber haben sich bis vor kurzem auf die Organisation von Tagen der Offenen Tür, auf Expertenvorträge bzw. mit Fachsprachworkshops verbundene Informationstreffen mit Studierenden beschränkt. Aus logistischen Gründen werden seltener Firmenbesuche angeboten, bei denen die Studierenden ihre Vorstellungen über Arbeitsbedingungen und Anforderungen des Arbeitgebers vor Ort mit eigenen Augen verifizieren können. Im Endeffekt verfügen die Studierenden als potentielle künftige Mitarbeiter über lediglich vages Wissen beispielsweise über die Organisationsstruktur eines Unternehmens, die dort herrschende Arbeitsatmosphäre oder soziale Leistungen. Einen anderen Faktor stellt die Personalfluktuation dar, die zu Beginn der Anstellung auf Seiten der Arbeitgeber hohe Rekrutierungs- und Einarbeitungskosten generiert. 3
Gemeint sind Arbeitsverhältnisse mit festem Arbeitsvertrag, da die Selbständigkeit oder Freiberuflichkeit in diesen Bereichen keine soziale und finanzielle Stabilität bietet.
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PROJEKTORIENTIERTES FREMDSPRACHENLERNEN MITTELS
In einer noch anderen Situation befinden sich Hochschulen, für die Kontakte mit namhaften Unternehmen immer häufiger zum Aushängeschild eines Studienfaches oder Studienschwerpunktes werden. Eine stärkere Praxisorientierung von philologischen Studiengängen und Partnerverträge mit VertreterInnen des Dienstleistungssektors ziehen einerseits neue StudienbewerberInnen an, die Interesse an Kontaktknüpfung mit potentiellen Arbeitgebern und Arbeitsbeschäftigung bereits während des Studiums haben. Andererseits machen fakultative Lehrveranstaltungen von PraktikerInnen aus der Arbeitswelt das Studienangebot attraktiver und ermöglichen den Studierenden eine verhältnismäßig frühe Orientierung auf dem Arbeitsmarkt. In einer solchen Situation stellt sich die Frage, wie die Interessen von den drei Akteuren: der Studierenden, der Hochschulen und der Arbeitgeber – verbunden und ihre gegenseitigen Erwartungen erfüllt werden können, ohne dass zwischen ihnen Abhängigkeiten entstehen, welche oft durch institutionelle Einschränkungen und juristische Regulierungen verursacht werden.
Konzept einer Projektaufgabe Entsprechend ausgearbeitete Hochschulprojekte können einerseits dazu beitragen, Kenntnisse in einer beruflichen Fachsprache zu verbessern sowie arbeitsplatzbezogene soziale Kompetenzen zu erwerben. Andererseits kann ein zwischen Hochschule und Arbeitsmarkt angesiedeltes projekt- und handlungsorientiertes Lernen den Übergang vom Studium zur Erwerbstätigkeit in vielerlei Hinsicht erleichtern. Großer Wert wird bei derartigen Projekten auf die Interaktion zwischen den Lernenden in einer durch die Hochschule und die involvierte Arbeitswelt gestalteten Lernumgebung gelegt. Denn dadurch werden zum einen die bereits erwähnten und von den Arbeitgebern erwünschten sozialen Kompetenzen wie Team-, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit gefördert. Zum anderen kann auf diese Weise den Anforderungen einer vielerorts vermissten, derzeit breit propagierten Praxisorientiertheit der philologischen Hochschulbildung in Polen entsprochen werden. Seit einigen Jahren erfreuen sich die sogenannten Erklärvideos großer Popularität in der Arbeitswelt (Video Marketing). Es sind dynamische Visualisierungen, die ein bestimmtes Thema in Form eines kurzen (Zeichentrick-) Filmes und mit Hilfe moderner Computertechnik darstellen. Durch weitgehende Komplexitätsreduzierung schaffen es die Erklärvideos, auch schwierigere Sachverhalte verständlich zu übermitteln, indem sie sich der visuellen und auditiven Veranschaulichung bedienen. Nicht zu unterschätzen für die kognitive Verarbeitung eines solchen Inputs ist dabei die narrative Form
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(Storytelling) sowie der Grad der Unterhaltsamkeit des Dargestellten. Die dadurch erreichte Steigerung der Aufmerksamkeit und Konzentration sowie die Erweckung von Gefühlen verhelfen den Lernenden dazu, nicht nur die zu vermittelnden Zusammenhänge zu verstehen, sondern auch gleichzeitig den verwendeten Fachwortschatz aufzunehmen und diesen durch eine aktive und kreative Beteiligung am Herstellungsprozess eines Erklärvideos in ein produktives Vokabular umzuwandeln. Die zur Darstellung eines Themas zur Verfügung stehenden, meist großen Mengen von Informationen werden bei der Produktion eines Erklärvideos gefiltert und auf ein notwendiges Minimum reduziert. Dabei wird angenommen, dass das menschliche Gehirn zwar viele Informationen aufnehmen kann, aber meist nicht in der Lage ist, sie wegen übermäßiger kognitiver Belastung richtig zu verarbeiten. Indem Themen in ihrer Komplexität reduziert und verschiedene Kanäle bei der Informationsaufnahme aktiviert werden, werden die Inhalte für die Adressaten zugänglicher und entlasten den kognitiven Verarbeitungsprozess. Für die Fremdsprachendidaktik ist hierbei von großer Bedeutung, dass man auf diese Weise am besten die unterschiedlichen Lerntypen erreichen kann: Wenn z.B. ohne Schrift unterrichtet wird, dann werden die auditiv Lernenden bzw. diejenigen mit einem auditiven Gedächtnis bevorzugt. Gleichzeitig wird aber auch das auditive Gedächtnis der visuellen Lerner trainiert, ohne ihnen jedoch visuelle Hilfen für ihre Ausspracheschwierigkeiten an die Hand zu geben. (…) es geht vor allem darum, einen Unterricht zu geben, der es allen Lernern ermöglicht, ihren optimalen Weg selbst zu finden und das selbstständige Lernen entsprechend zu fördern (Schiffler 2012: 7)4.
Die anvisierten Ziele einer solchen Herangehensweise an das Fremdsprachenlernen und eines solchen Umgangs mit der Fachsprache als Lerninhalt sind die empirische Überprüfung der Anwendbarkeit von wissenschaftlichen Erkenntnissen der Kognitionspsychologie und Psycholinguistik sowie der interaktionistisch-konstruktivistischen Lernansätze im Bereich der Fachsprachenvermittlung. Der Begriff einer Fachsprache bzw. Berufssprache umfasst hierbei einen Teil des Fachwortschatzes einer fremden Sprache, der für die Verrichtung einer Arbeitstätigkeit an einem bestimmten Arbeitsplatz in einer bestimmten Branche notwendig ist. Die Projektaufgabe für die Studierendenteams ist die Erstellung von innovativen Lernmaterialien in Form dynamischer Visualisierungen mittels geeigneter Computertechnik in Kooperation mit am Projekt teilnehmenden 4
Hervorhebungen im Original.
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Unternehmen. Der inhaltliche Themenbereich ist praktisch unbegrenzt: von Animationen, die eine ganze Firma in Form eines Werbespots darstellen, über Clips zu Struktur und Arbeitsorganisation eines Unternehmens bis zu Filmen, die eine konkrete Aufgabe in einer bestimmten Abteilung visualisieren. Jede Aufgabe erfordert von den Projektbeteiligten: Festlegung von den zur Realisierung der Ziele notwendigen einzelnen Arbeitsschritten, Einplanung von Besuchen an den Standorten der Arbeitgeber, Bestimmung des Umfangs und Vorbereitung des benötigten Wortschatzes sowie Wahl von Computertechnik und Software, mit denen der Erklärfilm hergestellt wird. Die dazu einzusetzende Projektlernmethode wird seit langem im Fremdsprachenunterricht praktiziert. An dieser Stelle sei die Definition der Projektarbeit von Karl Frey angeführt: Entscheidend dabei ist, dass sich die Lernenden ein Betätigungsgebiet vornehmen, sich darin über die geplanten Betätigungen verständigen, das Betätigungsgebiet entwickeln und die dann folgenden verstärkten Aktivitäten im Betätigungsgebiet zu einem sinnvollen Ende führen. Oft entsteht ein vorzeigbares Produkt (Frey 2002: 14).
Die Projektmethode fokussiert somit die Aufmerksamkeit auf die Realisierung einer praktischen Aufgabe, die den Teammitgliedern eine autonome, zielgerichtete Planung und Organisation ihrer Arbeit in einer realen Lernumgebung abverlangt. Die Situationsbezogenheit mit Verbindung zum wirklichen (Berufs-)Leben, die Interessenbezogenheit und Selbstverantwortung der Studierenden sowie die Interdisziplinarität sind weitere pädagogisch wichtige Merkmale der Projektmethode. Die entsprechende Formulierung und Ausarbeitung einer Projektaufgabe kann sowohl die Sprachkompetenz der beteiligten Studierenden fördern, als auch die Entwicklung von derzeit auf dem Arbeitsmarkt hoch geschätzten weichen Werten rund um die Teamfähigkeit unterstützen. Die Methode schließt darüber hinaus andere aktivierende und handlungsorientierte Lern- und Lehrkonzepte wie Learning by Doing und Lernen durch Lehren mit ein. Es kann angenommen werden, dass das Engagement der Studierenden bei der Gestaltung und Herstellung von Lehrmaterialien in Form von dynamischer Visualisierung zur effektiveren Aneignung des beruflichen Fachwortschatzes wesentlich beiträgt. Erstens verstärkt das Bewusstsein einer Mitverantwortung für den Projekterfolg die Motivation zum Lernen und Handeln. Zweitens sollen die vorbereiteten Lehrmaterialien anderen Teams im Plenum vorgestellt werden, wodurch die Studierenden die Aufgaben von TutorInnen
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übernehmen, was ihnen professionelle Vorbereitung und umfassende Beherrschung von präsentierten Inhalten abverlangt. Darüber hinaus sollen die Visualisierungen anderen Studierenden als Beispiel für die Realisierung eigener Projekte dienen. Drittens lernen die Studierenden während der Arbeit an den Animationen ihre potentiellen künftigen ArbeitgeberInnen und die Arbeitsbedingungen an den jeweiligen Firmenstandorten kennen. Viertens werden den Projektteams vonseiten der beteiligten Unternehmen MuttersprachlerInnen als BetreuerInnen zugewiesen, die über das notwendige Wissen und die entsprechenden Fähigkeiten in den von den Projekten betroffenen Bereichen verfügen.
Theoretische Grundlagen Das theoretische Fundament für derartige Lernmaterialgestaltung bilden Theorien der Multimediaforschung und des multimedialen Lernens. Als empirisch abgesichert gelten hierbei die Cognitive Load Theory (CLT) von John Sweller (vgl. Paas; Sweller 2014) sowie die Cognitive Theory of Multimedia Learning (CTML) von Richard E. Mayer (vgl. Mayer 2014). In Anlehnung an die beiden Theorien sowie an das ihnen naheliegende Konzept des integrativen Models des Text- und Bildverständnisses von Wolfgang Schnotz (vgl. Schnotz 2014) soll hier exemplarisch dargestellt werden, wie computerunterstützte dynamische Visualisierungen von arbeitsweltbezogenen Zusammenhängen zur Aneignung und Anwendung des fremdsprachlichen Fachwortschatzes aus beliebigen Bereichen des Arbeitsmarktes beitragen kann. Das vorrangige Ziel ist es dabei, die Verständnis- und Behaltensleistung der Lernenden zu erhöhen. Unter Behaltensleistung soll die Leistung verstanden werden, Informationen zu speichern und zu einem späteren Zeitpunkt wieder abzurufen bzw. wieder zu erkennen. Erfasst werden kann diese Fähigkeit u.a. durch die Prüfung, ob die Lernenden Faktenwissen wiederholen, auflisten, benennen, wieder erkennen und reproduzieren können (Rey 2008: 12).
Die Verständnisleistung zielt dagegen darauf ab, „die Bedeutung der gespeicherten Informationen zu erfassen und diese in neuen Kontexten wieder einsetzen zu können“ (Rey 2018: 12). Die in der vorgestellten Projektarbeit herzustellenden dynamischen Visualisierungen zeichnen sich durch mehrere Merkmale aus. Dazu gehört u.a. die Multicodalität, weil hier unterschiedliche Codierungsformen wie Texte, Bilder und Animationen eingesetzt werden (vgl. Weidemann 2002: 45).
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Außerdem sind sie interaktiv, da die Lernenden das Lernmaterial selbst gestalten, sie können in dessen Inhalte eingreifen und sie verändern (vgl. Schnotz; Böckheler; Grzondziel; Gärtner, Wächter 1998). Als theoretische Basis sind dabei die drei Grundannahmen der Kognitiven Theorie multimedialen Lernens zu berücksichtigen, die Nieding, Ohler und Rey5 (vgl. Nieding; Ohler; Rey 2015: 66ff.) wie folgt zusammenfassen: Die erste Annahme besagt, dass Informationen mittels zweier unterschiedlicher Kanäle verarbeitet werden. Das Informationsmaterial wird in einem Kanal bildhaft/visuell, in dem anderen Kanal auditiv/verbal präsentiert6. Zu beachten ist dabei, dass die Informationen in den jeweils anderen Kanal transferiert und dort weiter verarbeitet werden können. Beispielsweise kann eine auditiv aufgenommene Information von Lernenden in ein visuelles Äquivalent konvertiert werden und umgekehrt. Durch eine (zeitgleiche) Aktivierung beider Kanäle bei der Gestaltung des Lernmaterials wird das Arbeitsgedächtnis der Lernenden entlastet. Denn die zweite Annahme der CTML sieht eine begrenzte Kapazität des Arbeitsgedächtnisses vor, in dem alle Informationen verarbeitet werden. Eine größere Zahl der Informationseinheiten7 in einem Lernmaterial kann folglich zur Überlastung des Arbeitsgedächtnisses führen und sich negativ auf den Lerneffekt auswirken. Schließlich wird in der CTML angenommen, dass sich Lernende mit dem Lernmaterial mittels diverser, zur Wissenskonstruktion notwendiger Strategien aktiv befassen, um „eine kohärente (hier: zusammenhängende und in sich schlüssige) mentale Repräsentation ihrer vorhandenen Erfahrungen konstruieren zu können“8 (Nieding; Ohler; Rey 2015: 68). Die CTML unterscheidet drei Gedächtnisspeicher: den sensorischen Speicher, das Arbeitsgedächtnis und das Langzeitgedächtnis. Die Lernenden nehmen Informationen mit Augen und/oder Ohren in Form von Wörtern (geschriebenen und gesprochenen) und Bildern (einschließlich bewegter Bilder wie Filme und Animationen) in den sensorischen Speicher auf. Wörter können sowohl auditiv mit dem Ohr als auch in gedruckter Form mit dem Auge aufgenommen werden. Die Informationen bleiben sehr kurz in exakter Form im sensorischen Speicher, bevor sie nach Auswahl in das Arbeitsgedächtnis 5
Die Autoren fassen hier die einschlägige Literatur über kognitive Informationsverarbeitung zusammen. 6 Ähnlichkeiten mit der Theorie der Dualen Kodierung von Allan Paivio liegen hier auf der Hand. Vgl. Paivio 1986, überblicksartig auch: Nieding; Ohler; Rey 2015. 7 Je nach Publikation wird in der CLT von drei bis fünf, in der CTML bis sieben Informationseinheiten ausgegangen, die zeitgleich verarbeitet werden können, vgl. zusammenfasend: Nieding; Ohler; Rey 2015, S. 55f. und 68. 8 Hervorhebungen im Original.
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gelangen, wo sie für einen gewissen Zeitraum zwischengespeichert werden und ihre bewusste Verarbeitung stattfindet. Die Selektion von für den Lernenden relevanten Wörtern und Bildern ist neben der Organisation dieser Elemente und der Integration mit dem Vorwissen einer der kognitiven Prozesse, die im Arbeitsgedächtnis auftreten können. Da die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses begrenzt ist, fokussieren die Lernenden ihre Aufmerksamkeit bewusst auf die für sie wichtigsten Wörter und Bilder innerhalb des Lernmaterials, um jeweils eine auditive oder eine visuelle Repräsentation der Informationselemente zu bilden. Die CTML geht zusätzlich davon aus, dass es zu mentalen Transformationsprozessen zwischen den mentalen Repräsentationen von Tönen und Bildern kommen kann. Die dann stattfindenden Organisationsprozesse der ausgewählten Wörter und Bilder bestehen im Aufbau von Verknüpfungen zwischen ihnen, wodurch mentale, verbale und/oder bildhafte Modelle entstehen, die wegen der Beschränkungen des Arbeitsgedächtnisses relativ einfache Formen annehmen. Schließlich wird das in den beiden mentalen Modellen gespeicherte Wissen mit dem sich im Langzeitgedächtnis befindlichen Vorwissen des Lernenden verknüpft (vgl. Mayer; Moreno 20039). Dieser Prozess kann sowohl im visuellen als auch im verbalen Arbeitsgedächtnis stattfinden, wobei eine Koordination zwischen den beiden notwendig ist. Zu dieser Koordination verhilft den Lernenden ihr Vorwissen, wodurch zugleich die kognitive Überlastung mit dem neuen Lernmaterial verhindert wird (vgl. Mayer 2014).
Gestaltungsempfehlungen für das Lernmaterial Aus den theoretischen Ausführungen zum multimedialen Lernen ergibt sich eine Reihe von Gestaltungsempfehlungen für dynamische Visualisierungen von arbeitsweltbezogenen Sachverhalten, um den Lernenden die Aneignung der beruflichen Fachsprache zu erleichtern. Es empfiehlt sich in erster Linie eine zeitgleiche Darstellung der bewegten Bilder und der dazugehörigen gesprochenen Erklärung, auch als zeitliches Kontiguitätsprinzip bezeichnet. Im Gegensatz zur sukzessiven Darbietung von übereistimmenden Informationen wird durch Simultaneität der Animation und der gesprochenen Erklärung ein lernförderlicher Effekt erreicht. Auf diese Weise wird das Arbeitsgedächtnis wesentlich entlastet, da der Lernende nicht mehr gezwungen ist, verbale oder piktoriale Repräsentationen länger im Arbeitsgedächtnis für weitere Verarbeitungsprozesse zu behalten (vgl. Nieding/Ohler/Rey 2015: 141). Eine weitere 9
Nach Nieding; Ohler; Rey 2015: 68ff.
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Empfehlung ist die Unterteilung der Animation in lerngerechte Abschnitte, auch als Segmentierungs- oder Interaktivitätsprinzip bezeichnet. Die Lernenden sollen die Möglichkeit haben, auf die Geschwindigkeit der Darbietung einer Animation Einfluss zu nehmen und einzelne Teilsegmente der Präsentation in einem ihnen gerechten Tempo abspielen oder wiederholen zu können. Wiederum wird es mit der kognitiven Überlastung begründet, denn durch eine komplexe multimediale Botschaft können die beiden Subsysteme des Arbeitsgedächtnisses überbeansprucht werden. Bei einer Animation mit zeitgleich gesprochenem Kommentar können die Lernenden Schwierigkeiten mit der Organisation der verbalen und visuellen Modelle untereinander bekommen. Dank der Segmentierung des Lernmaterials bestimmen die Lernenden selbst die Präsentationsgeschwindigkeit und schaffen sich dadurch mehr Zeit für die kognitive Verarbeitung der multimedialen Informationen (vgl. Mayer/Pilegard 201410).
Fazit Ein unumstrittener Vorteil der multimedialen Lernmaterialien in Form von dynamischen Visualisierungen, wie sie im vorliegenden Artikel konzipiert wurden, ist eine fortlaufende Möglichkeit, sie zu korrigieren, zu ergänzen oder grundlegend zu verändern, um sie beispielsweise an die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe auf unterschiedlichem Sprachniveau anzugleichen. Die Inhalte können zu diversen Explorationszwecken bearbeitet werden. Dies ist speziell im Fall der beruflichen Fachsprache von Bedeutung, denn die heutige Arbeitswelt ist durch ständige Veränderungen gekennzeichnet, was ein großes Maß an Flexibilität und Anpassung erfordert. Die Integration verschiedener didaktischer Ansätze schafft darüber hinaus eine Lernumgebung, in der sich unterschiedliche Lerntypen zurechtfinden können. Die Projektmethode berücksichtigt die Interdisziplinarität der Aufgabe sowie ihre Interaktivität aus der sozial-psychologischen Perspektive. Es werden sowohl intentionales als auch inzidentelles Lernen gefördert. Die Fokussierung des Projektes auf die Lernenden, auf ihre Handlungen und ihre Autonomie ist ein Garant für eine kommunikative Basis des Lernprozesses. Derartige Lernumgebungen eignen sich außerdem für ein kooperatives Lernen, bei dem die am Projekt beteiligten Lernenden einen Sachverhalt aus unterschiedlichen Perspektiven analysieren. Es ist anzunehmen, dass der Wortschatzerwerb anhand 10
Zusammenfassend auch Nieding/Ohler/Rey 2015: 142.
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dynamischer Visualisierungen begünstigt wird. Dagegen soll das Lernen anhand der bereits hergestellten Lernmaterialien genauer empirisch untersucht werden, weil die nicht am Produktionsprozess beteiligten Lernenden zu passiven EmpfängerInnen der multimedialen Botschaft werden. Das dargestellte Projektkonzept stellt schließlich einen Versuch der natürlichen Integration der Hochschulbildung in den Arbeitsmarkt dar. Dies zielt darauf ab, den Bedürfnissen der Studierenden entgegenzukommen und die HochschulabsolventInnen bei dem Einstieg ins Berufsleben zu unterstützen.
Literaturverzeichnis Bücher – Frey, Karl (2002), Die Projektmethode: Der Weg zum bildenden Tun. Weinheim und Basel: Beltz Verlag. – Nieding, Gerhild / Ohler, Peter / Rey, Günter Daniel (2015), Lernen mit Medien. Paderborn: Ferdinand Schöningh. – Paivio, Alllan (1986), Mental representations: A dual coding approach. New York: Oxford University Press. – Rey, Günter Daniel (2008), Gestaltungsempfehlungen für multimediale Lernumgebungen. Gestaltung dynamischer, interaktiver Visualisierungen. Saarbrücken, VDM Verlag Dr. Müller.
– Schiffler, Ludger (2012), Effektiver Fremdsprachenunterricht. Bewegung – Visualisierung – Entspannung. Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag.
Artikel in Sammelbänden – Mayer, Richard. E. (2014), Cognitive Theory of Multimedia Learning. In: Mayer, Richard. E. (Hg.), The Cambridge Handbook of Multimedia Learning. Cambridge MA: Cambridge University Press, pp. 43–71. – Mayer, Richard. E. / Pilegard, Celeste (2014), Principles for Managing Essential Processing in Multimedia Learning: Segmenting, Pre-training, and Modality Principles. In: Mayer, Richard. E. (Hg.), The Cambridge Handbook of Multimedia Learning. Cambridge MA: Cambridge University Press, pp. 316–344. – Paas, Fred; Sweller, John (2014), Implications of Cognitive Load Theory for Multimedia Learning. In: Mayer, Richard. E. (Hg.), The Cambridge Handbook of Multimedia Learning. Cambridge MA: Cambridge University Press, pp. 27–42.
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PROJEKTORIENTIERTES FREMDSPRACHENLERNEN MITTELS
– Schnotz, Wolfgang (2014), Integrated Model of Text and Picture Comprehension. In: Mayer, Richard. E. (Hg.), The Cambridge Handbook of Multimedia Learning. Cambridge MA: Cambridge University Press, pp. 72–103.
Zeitschriftenartikel – Mayer, Richard E. / Moreno, Roxana (2003), Nine Ways to Reduce Cognitive Load in Multimedia Learning. In: “Educational Psychologist”, 38, pp. 43–52, http://www.uky.edu/~gmswan3/544/9_ways_to_reduce_CL.pdf (Zugang: 29.08.2016). – Schnotz, Wolfgang / Böckheler, Justus / Grzondziel, Harriet / Gärtner, Ilse / Wächter, Michael (1998), Individuelles und kooperatives Lernen mit interaktiven animierten Bildern. In: „Zeitschrift für pädagogische Psychologie”, 12, 2–3, S. 135–145.
Sonstiges – Pro Progressio (2015), Języki obce (filologie) w polskich szkołach wyższych, http://www.outsourcingportal.eu/pl/jezyki-obce-filologie-w-polskichszkolach-wyzszych.html (Zugang: 23.08.2016). – Pro Progressio (2016), Pro Progrssio prezentuje raport o rynku outsourcingu w Polsce, http://www.outsourcingportal.eu/pl/pro-progressio-prezentujeraport-o-rynku-outsourcingu-w-polsce (Zugang: 23.08.2016).
Zusammenfassung In Anlehnung an die kognitive Theorie des multimedialen Lernens sowie die ihr naheliegenden Konzepte des integrativen Models des Text- und Bildverständnisses und das kognitiv-affektive Lernen mit Medien soll exemplarisch dargestellt werden, wie eine computerunterstützte animierte Visualisierung von arbeitsweltbezogenen Zusammenhängen zur Aneignung und Anwendung des fremdsprachlichen Fachwortschatzes aus beliebigem Bereich des Arbeitsmarktes beitragen kann. Durch weitgehende Komplexitätsreduzierung schaffen es die Erklärvideos, komplexe Sachverhalte verständlich zu übermitteln, indem sie sich der visuellen und auditiven Veranschaulichung bedienen. Nicht zu unterschätzen für die Verarbeitung des kognitiven Inputs ist dabei die narrative Form (Storytelling) sowie der Grad der Unterhaltsamkeit des Dargestellten. Die dadurch erreichte Steigerung der Aufmerksamkeit und Konzentration verhelfen dem Lernenden dazu, nicht nur die zu vermittelnden Zusammenhänge zu verstehen, sondern auch zugleich den verwendeten Fachwortschatz aufzunehmen und durch eine aktive und kreative Beteiligung am Herstellungsprozess eines Erklärvideos in ein produktives Vokabular umzuwandeln. Die anvisierten Ziele einer solchen Herangehensweise an das Fremdsprachenlernen und eines solchen Umgangs mit der Fachsprache als
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN Lerninhalt sind einerseits die empirische Überprüfung der Anwendbarkeit von wissenschaftlichen Erkenntnissen der Kognitionspsychologie und Psycholinguistik sowie der interaktionistisch-konstruktivistischen Lernansätze im Bereich Fachsprachenvermittlung. Andererseits soll aufgezeigt werden, wie ein zwischen Hochschule und Arbeitsmarkt angesiedeltes projekt- und handlungsorientiertes Lernen den Übergang vom Studium zur Erwerbstätigkeit in vielerlei Hinsicht erleichtern kann. Großer Wert wird dabei auf die Interaktion zwischen den Lernenden in einer durch die (Hoch)Schule und gegebenenfalls durch die involvierte Arbeitswelt gestalteten Lernumgebung gelegt. Denn dadurch werden zum einen die von den Arbeitgebern erwünschten sozialen Kompetenzen wie Team-, Kommunikationsund Konfliktfähigkeit gefördert. Zum anderen kann auf diese Weise den Anforderungen einer vielerorts vermissten, derzeit breit propagierten Praxisorientiertheit der philologischen Hochschulbildung gerecht werden.
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KAPITEL 7 Krzysztof Sakowski*
Das Projekt des mehrsprachigen Glossars als Träger mehrdimensionaler Entwicklungsstrategien im Hochschulbereich
Einführung Das Projekt des mehrsprachigen Glossars im Bereich des Bilanzwortschatzes wurde in den Jahren 2014/2015 in Zusammenarbeit mit dem globalen Outsourcing-Potentaten, der Firma „Infosys“ unternommen. Dieses Pilotprojekt diente als ein Sprungbrett für weitere Aktivitäten der philologischen Fakultät der Universität Łódź in der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und verlief auf mehreren Ebenen. Es schaffte in erster Linie den Studierenden eine ausgezeichnete Gelegenheit, sowohl die Translationserfahrung zu sammeln als auch auf die Bedürfnisse der Infosys-Mitarbeiter direkt einzugehen und somit gelungene Kommunikation mit einem Großkunden zu lernen. Für die Dozenten, die an diesem Projekt beteiligt waren, bedeutete es vor allem einen Einstieg in Management- und HR-Prozesse. Für universitäre Gremien insgesamt war das ein bedeutsamer Schritt zur Erstellung der Zusammenarbeit an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Hochschule. Im Endeffekt entstand ein Computer-Glossar – ein effizientes Werkzeug, das besonders für die neu angestellten Mitarbeiter von „Infosys“ beim Verstehen schwieriger Begriffe aus dem Bereich: Bilanz eine Aushilfe bietet. Der folgende Aufsatz schildert alle vorgenommenen Schritte vom anfänglich gezeichneten Projektrahmen bis zum fertigen Produkt und weist dabei explizit auf die Problemstellen hin. *
Dr. Krzysztof Sakowski, Uniwersytet Łódzki / Polen.
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
Diamond Project Die Idee der Teilnahme an diesem Projekt hatte ihre Geburtsstunde im November 2013, kurz nach der Bekanntmachung von Infosys des Wettbewerbs „Diamond-Project“1 und wurde von den Mitgliedern des wissenschaftlichen Studentenkreises „Mehr Licht“ mit viel Interesse entgegengenommen. Das Wettbewerb wurde von Infosys als eigenes Promotionsmittel ausgeschrieben und war speziell für wissenschaftliche Studentenkreise aus allen Fakultäten in ganz Polen bedacht. Das Ziel des Wettbewerbs war, eine Werbeaktion für Infosys zu entwickeln, die die facettenreiche BPO-Aktivität darstellen ließe. Als Hauptpreis konnten für den ersten Platz 5000 Zloty zur Realisierung des vorgeschlagenen Projekts gewonnen werden. Nach der Diskussion in der Versammlung von „Mehr Licht“ hat man sich dazu entschieden das Projekt philologisch als Glossar in 5 Sprachen (Englisch, Deutsch, Italienisch, Spanisch und Französisch) zu situieren, und um den Wettbewerbsrahmen einzuhalten, wurde das Projektprogramm anschließend um ein damit korrelierendes Event unter dem Titel „Wozu brauchst du die Fachsprachen“ bereichert. Das Projekt belegte den 2 Rang, die Glossaridee hat man aber in der Präsentationsphase mit so viel Interesse empfangen, dass es trotzdem zur Realisierung angenommen wurde und eine entsprechende finanzielle Unterstützung bekam. Zu diesem Zeitpunkt musste man sich deswegen einige Fragen Stellen, wie das Projekt weiter gestaltet werden soll, damit es einerseits termingerecht erfolgreich realisiert werden kann, andererseits auch für verschiedene universitäre Gremien gewinnbringend werden sollte, wobei mit dem Wort „gewinn-“ nicht das finanzielle Aspekt gemeint war.
Entwicklungsstrategie In erster Linie musste deswegen daran gedacht werden, wie die in das Projekt involvierten Gremien daraus profitieren können. Daraus entstand eine folgende Liste mit der Aufgabenzuschreibung: 1) Studierende – Translationserfahrung sammeln/Kontakt mit Großkunden lernen. 2) Dozenten – gegenseitiger Ideenaustausch/ Managementfähigkeit/ Korrektorrolle. 1
https://wseh.pl/index.php?mact=News,cntnt01,print,0&cntnt01articleid=1067&cntnt01 showtemplate=false&cntnt01returnid=86 (Stand für den 21.08.2016).
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DAS PROJEKT DES MEHRSPRACHIGEN GLOSSARS ALS TRÄGER
3) Studentenkreis – Erfahrung bei der Projektanwerbung. 4) Philologisches Fakultät – Zusammenarbeit mit der Wirtschaft/ Formalisierung und Absicherung der Zusammenarbeit durch Vertragsabschluss. Diese Liste resultierte mit einer folgenden Kommunikationskonstellation:
Abb. 1. Kommunikationskonstellation im Rahmen der Projektarbeit
Um die Kommunikationstransparenz zu steigern, wurden innerhalb der genannten Gremien Personen bestimmt, die für die Kontakte und den Informationsfluss untereinander zuständig waren. Das ließ die unnötigen Wiederholungen in der Fragestellung und daraus resultierende Zeitverluste ersparen. Jedem Studierenden wurde auch ein zuständiger Dozent zugewiesen, so dass insgesamt 4 Tandems entstanden sind. Die Fachkräfte sollten im Zweifelsfall den Studierenden mit Rat und Tat zur Seite stehen. Des Weiteren war zu entscheiden, welche Datenbankplattform als günstigste sowohl für den Auftraggeber als auch für uns, die Auftragnehmer ausgewählt werden kann. Nach anfänglichem Gedanke fortgeschrittenere Anwendungen wie Djavu oder SQL-basierte Plattformen einzusetzen, die auch kompliziertere Suchvorgänge im Glossar durchführen ließen, haben wir im Dozentenkreis die Entscheidung getroffen, angesichts des relativ kleinen Glossar-Skopus die meistverbreitete und am einfachsten zugängliche Lösung zu wählen, nämlich Excel von Microsoft. Zugunsten dieser Plattform sprach auch, dass die Benutzeroberfläche von dieser Anwendung für groß und klein bekannt ist, was automatisch alle anfänglichen Schulungsprozesse sowie Eingewöhnungszeit vermeiden lässt. Und last but not least ist diese Anwendung ohne weitere Lizenzschritte auf fast jedem Rechner verfügbar (oder ihre frei erhältliche Open-Office-Entsprechung).
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
Sowohl für Infosys als auch an unserer Seite lag es letztendlich zu ermitteln, für wen genau das Glossar als Hilfsmittel bestimmt werden soll. Die Profilierung der Zielgruppe war von Bedeutung, damit die Handhabung und Einführung des Glossars durch begleitende Materialien besser an die gruppenspezifische Erfordernisse angepasst werden könnte. Zu diesem Yweck wurde eine Reihe von Besprechungen unmittelbar mit den Mitarbeitern von Bilanzabteilung durchgeführt. Aus den Gesprächen ging eindeutig hervor, dass Glossar eine enorme Entlastung besonders in den anfänglichen Monaten nach der Anstellung leisten könnte und das unabhängig von der jeweiligen Ausbildung der Angestellten. Die geschilderte Problemlage konnte in zwei Hauptgruppen untergliedert werden. Erstens haben unseren Vorschlag zur Einführung des Glossars diejenigen Mitarbeiter gerne willkommen geheißen, die Wirtschaftswissenschaften studiert und zwar das notwendige Grundwissen im Rahmen dieses Fachs beherrscht haben, aber sprachlich sich noch nicht sicher genug fühlten und in diesem Nachschlagwerk eine Steigerung der eigenen Arbeitseffizienz sehen würden. Auf dem anderen Pol befanden sich die Absolventen der philologischen Fakultät, die sich sprachlich zwar weitaus sicherer gefühlt haben, aber wiederum über das mangelnde Fachwissen in der Anfangsphase ihrer Anstellung geklagt haben. Das Glossar sollte dann für sie mit ihrer formgerechten Gestaltung nach Bilanzführungsregeln und dem zusätzlich zu entwerfenden Begleitmaterial eine Abhilfe leisten. Somit hat man das Translationsziel festgelegt. Die Translationsphase konnte anfangen.
Translationsphase Die tatsächliche Translationsphase wurde von zwei Vorbereitungsschritten eingeleitet. Erstens haben wie, Dozenten, in einer Besprechung mit den Studierenden wiederholt und zusammengefasst, welche Übersetzungsstrategien bei Fachtexten zu wählen sind, um den Inhalt zu verstehen und adäquat bearbeiten zu können. Da es sich in der Arbeitsgruppe ausschließlich um Studierende gehandelt hat, die eine bestimmte Seminarerfahrung in der Fachübersetzung vorweisen konnten, hat die Besprechung vor allem darauf beruht, das bereits vorhandene Wissen zu aktivieren und die zur Sprache gebrachten Übersetzungsstrategien auf ihren Tauglichkeitsgrad im Falle der zu bewältigenden Translationssituation einzuschätzen. Die Dozenten, die für die jeweilige Sprache als Betreuer verantwortlich waren, haben also in diesem Treffen vor allem zugehört und die Studierenden zu bestimmten Schlussfolgerungen angespornt, nie aber die führende Rolle übernommen. Zweitens
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DAS PROJEKT DES MEHRSPRACHIGEN GLOSSARS ALS TRÄGER
haben wir festgelegt, welche formellen Gegebenheiten in dieser Phase eingehalten werden müssen, um den Ausgangstext richtig zu verfassen. Wir haben ebenfalls auf die Termingerechtigkeit, Textformat, das gelieferte Dateiformat u.a. hingewiesen, sowie Freiraum für eventuelle Fragestellungen gelassen. Die Kernübersetzungsphase dauerte insgesamt 3 Wochen. Währenddessen war ein ständiger Mail- oder Anruf-Kontakt mit den Betreuern gesichert, obwohl es on vorneherein angedeutet wurde, dass nicht jede Kleinigkeit dieses Kontakts bedarf. Im Anschluss daran fand eine einwöchige Kontrollphase statt, nach deren Abschluss die jeweiligen Studierenden die kommentierten Korrekturen erhalten haben. Demnächst hat man die angelaufenen Dateien vereinheitlicht und verbunden, sowie das entstandene Glossar auf Funktionstüchtigkeit überprüft (Begriffssuche, Begriffsadäquatheit usw.). Die fertige Datei hat alle Kontrollschritte mit Erfolg absolviert.
Das Begleitmaterial Im Sinne der oben genannten Annahme, dass die Zielgruppe für den übersetzten Text tatsächlich aus zwei unterschiedlich ausgebildeten Kreisen besteht, haben wir von Anfang an es für notwendig gehalten, einige Hauptbegriffe der Bilanzführung definitorisch darzulegen, mit Beispielen zu untermauern, sowie mit entsprechenden Kontrollübungen zu ihrer Kenntnis zu ergänzen. Das besondere Anliegen bei der Darlegung der Bilanzbegriffe habe ich dabei darin gesehen, diese nicht in der Sprachkontraste Polnisch-Deutsch bzw. Polnisch-Englisch darzustellen, wie es üblich bei Übungen dieser Art ist, sondern den Rezipienten durch Erklärung der Entstehungswege auf die Bedeutung aufmerksam zu machen. Ich habe mich auch entschieden, hierzu graphische Schemata mit einzubeziehen, die das Verstehen der zusammengesetzten Bilanzführungsprozesse kognitiv erleichtern würden. Zur Veranschaulichung dieses Verfahrens setze ich ein Beispiel aus dem Begleitmaterial ein, das insgesamt 15 Hauptbegriffe umfasste. Das zitierte Beispiel betrifft den Begriff Umlaufvermögen:
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN Zum Umlaufvermögen (engl.: Current Assets) eines Unternehmens gehören Vermögensgegenstände, die im Rahmen des Betriebsprozesses umgesetzt werden sollen, deren Bestand sich also durch Zu- und Abgänge häufig ändert. Sie befinden sich nur kurze Zeit im Unternehmen und dienen nicht, wie das Anlagevermögen, dauerhaft dem Geschäftsbetrieb. Z.B.:
Die Konzeption des Übungsteils im besprochenen Begleitmaterial hatte eine doppelte Form. In der ersten Phase sollten die Lernenden zur Überprüfung bzw. Wiederholung des bereits im definitorischen Teil präsentierten Materials angeregt werden, indem auf die im Glossar vorhandenen Entsprechungen zwischen den Sprachen eingegangen wird. Auf diese Weise übt auch der Lernende die Hauptfunktionen der Excel-Suchmaschine entsprechend zu nutzen. Im zweiten Übungsteil geht es wiederum um eine kontextgebundene Verankerung derselben Begriffe. Die Lernenden sollen daher die vorgegebenen Bilanzdefinitionen in die Lücken sinngemäß einsetzen. Beide Übungsteile wurden um einen Antwortschlüssel ergänzt, um die Selbstevaluation zu ermöglichen. Das Begleitmaterial wurde dem Kunden im PDF-Format überreicht, da es ebenso universell wie Excel und kostenfrei erreichbar ist.
Abschlussphase und Schlussfolgerungen Das Glossar sowie das Begleitmaterial wurden termingerecht an den Kunden übergeben. Somit hat die letzte Phase des ganzen Projekt angefangen, die Evalutations- und Testphase. Die Mitarbeiter von Infosys hatten laut Vertrag von jetzt an eine zweiwöchige Karenzzeit, um eventuelle Fehler zu beanstanden und Rückmeldung über das Funktionieren des Glossars zu geben. Das
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DAS PROJEKT DES MEHRSPRACHIGEN GLOSSARS ALS TRÄGER
Glossar mit dem Begleitmaterial sind auf positive Resonanz gestoßen und bedurften erfreulicherweise keinerlei Nachbesserungen. Das abgeschlossene Projekt erwies sich somit als erfolgreich. Alle involvierten Gremien haben im Rahmen ihrer Aktivität wichtige Erfahrungen gesammelt, aus denen für darauffolgende Projekte geschöpft werden kann. Zusammenfassend können allerdings im Zusammenhang mit den sämtlichen Aktivitäten aller Gremien einige interessante Bemerkungen gemacht werden. Erstens war der Arbeitsaufwand im Zeitverlauf des ganzen Projekts für verschiedene Gruppen unterschiedlich intensiv und sah folgendermaßen aus:
Abb. 2. Arbeitsaufwand verschiedener universitärer Gremien im Vergleich
Zu einer der größten Herausforderungen, die im Rahmen des beschriebenen Projekts zu bewältigen waren, zählt ohnehin die Vertragsvorbereitung und der daraufkommende Vertragsabschluss. Die Besetztheit der universitären Juristenabteilung hatte langes Warten und geringe Flexibilität bei Verhandlungen um das Fertigprodukt zur Folge. Letzten Endes waren wir dazu gezwungen, den Vertragstext selbständig zu verfassen und ihn dann mit Infosys-Juristen zu konsultieren. Angesichts der eilenden Projekttermine schätze ich deswegen den Verwaltungsaufwand beim Vertragsabschluss für das Projektmanagementteam (der leitende Dozent und der Vorsitzende des Studentenkreises) als unproportional groß. Angesichts dieser Überforderung wird in
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
den kommenden Projekten bei der Verfassung des Vertragstextes ein unabhängiger Jurist zur Rate gezogen, evtl. es wird bei den Anfangsgesprächen mit dem Kunden auf den Hilfsbedarf seitens seinen eigenen Juristen hingewiesen. Nichtsdestotrotz hat dieses Projekt unmittelbar dazu beigetragen, dass die universitären Gremien, die bei seiner Entstehung mitgewirkt haben, viel davontragen konnten. Wir sind vor allem den Bedürfnissen eines Großkunden entgegengekommen und haben ein wirksames Werkzeug zur Bewältigung der terminologischen Anfangsprobleme geschaffen, das über einen längeren Zeitraum effektiv genutzt werden kann. Somit konnte den Studierenden veranschaulicht werden, die für die Translationsprozesse verantwortlich waren, wie die interne und externe Kommunikation in einem Translationsteam zustande kommt. Darüber hinaus konnten sie lernen, wie eine gerechte Aufgabenbewältigung mit Hilfe entsprechender Übersetzungsstrategien stattfindet. Für das Dozententeam hat das Projekt eine Management-Perspektive eröffnet, in der die Gewichtung bestimmter Entscheidungen situationsadäquat eingeschätzt werden musste, um zielorientiert zu wirken. Das setzte eine aufgabengerichtete Teamstrukturierung voraus. Für den Studentenkreis bedeutete es vor allem einen Schritt zu wagen, der im ersten Augenblick nicht den Anschein eines wissenschaftlichen Unternehmens bildete, aber im Endeffekt jenes Wissen dennoch verlangte.
Literaturverzeichnis – Arntz, Rainer / Picht, Heribert; Mayer, Felix (2009), Einführung in die Terminologiearbeit (Studien zu Sprache und Technik) Hildesheim: Georg Olms Verlag. – Fleury, Frank (2012), Erfolgreiches Projektmanagement: Definition und Planung von Übersetzungsprojekten für Übersetzer. In: Baur/Eichner/Kalina/ Meyer, Tagungsband der 2. Internationalen Fachkonferenz des BDÜ – Übersetzen in die Zukunft, BDÜ Fachverlag.
– Die Grenzen der Excelliste in der Terminologiearbeit unter http://www.oneword.de/terminologiemanagement/terminologiedatenbanken.html
(Stand für den 17.09.2016).
Zusammenfassung Das Projekt des mehrsprachigen Glossars im Bereich: Bilanz, wurde in den Jahren 2014/2015 in Zusammenarbeit mit dem globalen Outsourcing-Potentaten, der Firma "Infosys" unternommen. Es schaffte nicht nur den Mitarbeitern sondern
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DAS PROJEKT DES MEHRSPRACHIGEN GLOSSARS ALS TRÄGER vor allem auch den Studierenden der philologischen Fakultät eine ausgezeichnete Gelegenheit, sowohl die Translationserfahrung zu sammeln als auch die Bedürfnisse der Infosys-Mitarbeiter direkt zu berücksichtigen und somit gelungene Kommunikation mit einem Großkunden zu lernen. Im Endeffekt entstand ein effizientes Werkzeug, das besonders für die neu angestellten Mitarbeiter von "Infosys" beim Verstehen schwieriger Begriffe aus dem Bereich: Bilanz eine Aushilfe bietet. Das Referat schildert alle vorgenommenen Schritte vom anfänglich gezeichneten Projektrahmen zum fertigen Produkt und weist dabei explizit auf die Problemstellen hin.
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KAPITEL 8 Magdalena Wiażewicz, Anke Sennema*
Fachsprache ist des Berufes Schmied: Kompetenzorientierte Fachsprachendidaktik im Kontext der beruflichen Bildungsstandards in Polen und Deutschland
Einleitung In den Nachbarländern Polen und Deutschland gewinnt Fachsprache als berufliche Handlungskompetenz in Bezug auf die Beschäftigungsperspektive auf dem mobilitätsorientierten Arbeitsmarkt immer mehr an Bedeutung. Die verstärkte Binnenmigration innerhalb der Europäischen Union (EU) zeigt sich auch in der Anzahl der Anträge auf Anerkennung von Berufsabschlüssen in Deutschland. So bezogen sich im Jahr 2014 insgesamt etwa 52% der insg. 19 806 Anerkennungsverfahren auf Abschlüsse, die innerhalb der EU erworben wurden. Am häufigsten wurden dabei Anerkennungsanträge von Personen positiv begutachtet, die ihre Ausbildung in Polen (1 857) abgeschlossen hatten, gefolgt von Rumänien (1 740) und Bosnien-Herzegowina (1 098)1. Zu den häufigsten drei Berufsqualifikationen der Anerkennungsverfahren zählten Berufe im Gesundheitswesen (Arzt/Ärztin, Gesundheits/-und KrankenpflegerIn, PhysiotherapeutIn), an vierter Stelle stand der Ausbildungsberuf Bürokaufmann/Bürokauffrau2. Der letztgenannte Ausbildungsberuf ist nicht nur wegen seines hohen Anteils in Bezug auf berufliche Mobilität interessant, * Magdalena Wiażewicz M.A., Leopold-Ullstein-Schule, Bundesvereinigung für Polnische Lehrkräfte Berlin / Deutschland; Dr. Anke Sennema, Universität Wien / Österreich. 1 Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 365 vom 30.09.2015. 2 Statistisches Bundesamt: Rangliste der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen 2014. Online: https://www.destatis.de/ (Zugriff: 14.07.2016).
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sondern auch wegen seiner relativ sprachintensiven Ausrichtung. Von daher soll er an späterer Stelle als Beispiel der Untersuchung herangezogen werden. Die Perspektive von Arbeitsmöglichkeiten in bilateralen Betriebskonstellationen trägt dazu bei, dass an Schulen der beruflichen Bildung in Deutschland auch die osteuropäischen Sprachen, u.a. Polnisch als Sprache des Nachbarlandes, an Attraktivität gewonnen haben. Die zunehmend internationale Ausrichtung und die Zusammensetzung der Lernendengruppen in Bezug auf deren Mehrsprachigkeit erfordern eine hohe Qualifizierung der Lehrkräfte und eine strukturierte fachdidaktische Unterstützung von Lehrkräften und Fachausbildenden. In Polen werden Weiterbildungsmöglichkeiten für die berufliche Bildung zentral angeboten. Für die schulische berufliche Bildung werden Programmrahmen, Kompetenzprofile für Berufe, gesetzliche Rahmen für Berufsprofile (Verordnungen) sowie berufsbezogene Unterrichtsentwürfe von dem Nationalen Zentrum zur Unterstützung der Beruflichen Bildung erarbeitet3. Das Zentrum bietet zentrale Konferenzen und Seminare für Multiplikatoren und Lehrkräfte an, auch werden durch die Bildungszentren für berufliche Bildung und Weiterbildung in den einzelnen Wojewodschaften sowie Gemeinden (Centra Kształcenia – Zakłady Doskonalenia Zawodowego, Centra Kształcenia Ustawicznego) Seminare und Fortbildungen durchgeführt (Mazik-Gorzelańczyk 2016: 6ff.). Aufgrund der Akademisierung der Bildung – damit ist die überproportionale Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger im Vergleich zu den Schülerinnen und Schülern in der beruflichen Bildung gemeint – wird das Schulsystem seit dem Jahr 2011 reformiert. Das Nationale Bildungsministerium führte Neuordnungen der Berufslehrgänge und Schulformen durch mit dem Ergebnis, dass beispielsweise einige duale Lehrgänge in Schulen eingerichtet werden, was eine enge Kooperation mit den Arbeitgebern, Kammern und anderen Akteuren voraussetzt (Mazik-Gorzelańczyk 2016: 22). Diese Änderungen werden durch die o.g. Institutionen begleitet, wofür Konzepte für eine kompetenzorientierende Lehrkräfteweiterbildung benötigt werden. In Deutschland gehören Weiterbildungsprogramme wegen der Kulturhoheit der Länder zum Aufgabenspektrum der jeweiligen Landesministerien. So wird z.B. in Berlin der didaktische Ansatz zur integrierten „Sprachförderung in Berufsvorbereitung und Ausbildung in beruflichen Schulen (SPAS)“ 3
Krajowy Ośrodek Wspierania Edukacji Zawodowej i Ustawicznej (Nationales Zentrum zur Unterstützung der Beruflichen Bildung und der Weiterbildung – National Centre for Supporting Vocational and Continuing Education) verfügbar unter: http://www.koweziu.edu.pl (Zugriff: 27.07.2016).
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praktiziert, der mit Berliner Lehrkräften interdisziplinär entwickelt, umgesetzt und in andere Bundesländer (Hamburg, Bremen) transferiert. Im vorliegenden Beitrag richten wir uns auf den zentralen Aspekt von Fachsprache als berufliche Handlungskompetenz und gehen dabei von Kompetenzentwicklung als integrativem Bestandteil von Weiterbildung aus. Der Kompetenzbegriff bildet die Grundlage für die Einordnung in die Stufen des europäischen Qualifikationsrahmens (EQR), an dem sich die nationalen Qualifikationsrahmen in Deutschland und in Polen orientieren. Die Lernziele und die Bestimmung der Kompetenzniveaus für den beruflichen Bereich werden im EQR verortet. Am Beispiel der kaufmännischen Berufsausbildung zeigen wir exemplarisch, wie der GER in seiner Adaption für die berufliche Bildung mittels Kann-Beschreibungen den beruflichen Handlungsfeldern dieser Ausbildungsrichtung sprachliche Kompetenzen zuweist. Wie kommt dies in den Ausbildungs-und Lehrrahmenplänen der beiden Ländern Polen und Deutschland zum Tragen? Die (fremd-)sprachlichen Komponenten in der polnischen Berufsausbildung werden dafür den Komponenten der deutschen Berufsausbildung gegenübergestellt.
Bildungssysteme und Qualitätskriterien in der beruflichen Bildung Für die Bildungsabschlüsse der beruflichen Bildung bietet der Europäische Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen / Europejska Rama Kwalifikacji (EQF) ein Orientierungssystem, um Bildungsinhalte und Anforderungen vergleichbar zu machen und eine bessere Planbarkeit individueller Bildungswege zu ermöglichen (vgl. Europäische Kommission 2008). Der EQF ist die Grundlage für die nationalen Qualifikationsrahmen in Deutschland (deutscher Qualifikationsrahmen, DQR) und in Polen (Krajowa Rama Kwalifikacji). Der Kompetenzbegriff ist darin der wesentliche Bezugspunkt für die Einordnung von Qualifikationen in acht Stufen, bei denen nach Kenntnissen, Fertigkeiten und Kompetenzen unterschieden wird. Dabei bezieht sich die Stufe DQR 3 auf den Bereich der dualen Berufsausbildung mit zweijähriger Dauer und auf die mittlere Berufsfachschule. Die Stufe DQR 4 umfasst den Bereich der dualen Berufsausbildung mit drei und dreieinhalbjähriger Dauer, die Berufsfachschule für Assistentenqualifikationen und die Berufsfachschule für Vollqualifizierung. Wie ist der für die berufliche Qualifizierung wichtige Aspekt des Erwerbs sprachlicher Kompetenzen im DQR aufgenommen? Dazu werden die Niveaustufen aus dem GER in seiner Adaption der Kultusministerkonferenz (KMK) herangezogen: In den Kann-Beschreibungen zur Sprachproduktion
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werden berufsspezifische sprachliche Handlungen auf den Kompetenzniveaus GER B1/B2 ausformuliert. Zur Illustrierung ein Beispiel für die kaufmännische Ausbildung zur/m Bürokauffrau/-mann: Die Sprachhandlung „Präsentieren“ wird anhand der Anforderungen in Lernfeldern als curriculare Kann-Beschreibung für die Berufsprofile festgelegt. Als fachliche Basis gilt das Lernfeld 1: Den Betrieb erkunden und darstellen, in dem die Sprachhandlungen zur mündlichen und schriftlichen Darstellung eines Unternehmens angesiedelt sind. Die in den Unterrichtseinheiten zu übenden Sprachkompetenzen orientieren sich am Sprachniveau B2 des GER und wurden mit Fokus aus den kaufmännischen Bereich und die o.g. Sprachhandlung im SPAS-Ansatz adaptiert (vgl. dazu auch Wiażewicz; Kahleyss; Schallenberg; Jäckel & Becken 2014). Die Schülerinnen und Schüler können komplexe Sachverhalte klar und detailliert darstellen. Sie können komplexere berufstypische Texte ggf. unter Einsatz von strukturierenden Hilfsmitteln (z.B. Fettmarkierungen) über ihren Informationsgehalt hinaus auswerten und auf ihren Berufsalltag beziehen. Diese Transferfähigkeit soll bei denjenigen besonders ausgeprägt sein, die in der betrieblichen Ausbildung oder in betrieblichen Praxisphasen ihre Fachkompetenzen erweitern. Zur Präsentation: Unter Verwendung von strukturierenden Redemitteln und Fachtermini sowie fachgerechten Formulierungen sind die Lernenden in der Lage das Unternehmen, seine Geschichte, Funktion und nachhaltige Wirkung darzustellen. Sie können klar und deutlich eine Präsentation vortragen und hierfür unternehmensrelevante Punkte mit Hilfe der Visualisierung hervorheben. Dabei können sie spontan vom vorbereiteten Text abweichen und vom Publikum aufgeworfene Fragen aufgreifen, nach Möglichkeit in gewandter und flüssiger Weise. Ebenfalls können die Lernenden ihren Standpunkt in einem Feedbackgespräch formulieren und das Feedback bei einer folgenden Präsentationsfortführung einbeziehen (Wiażewicz et al. 2014: 21).
Die Kann-Beschreibung der Sprachhandlung „Präsentieren“ basiert auf der Kompetenzbeschreibung des Handlungsfeldes im kaufmännischen Bereich „Handel“. Das Anforderungsprofil für diesen Beruf bestätigt den hohen Stellenwert dieser Sprachhandlung:
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Die erfolgreiche Arbeit im Berufsbereich Handel misst sich u.a. an hohen Verkaufszahlen. Um diese zu erzielen, müssen die Produkte den Kunden beispielsweise in Verkaufs- und Beratungsgesprächen ansprechend präsentiert werden. Der Auftritt vor Kunden bzw. Publikum fordert nicht nur die kommunikativen Fähigkeiten, auch der Gesamteindruck spielt eine große Rolle. Sach- und themenbezogenes konstruktives Feedback hilft im Vorfeld, solche verkaufsfördernden Situationen erfolgreich zu meistern (Wiażewicz et al. 2014: 55). Die Auffassungen darüber, wie Kompetenzen zu verstehen und in der Aus- und Weiterbildung zu vermitteln sind, können länderspezifisch unterschiedliche Ausprägungen aufweisen. Daher gehen wir im Folgenden auf die (fremd-)sprachlichen Komponenten in der polnischen und in der deutschen Berufsausbildung ein.
Kompetenzanforderungen in polnischen und deutschen Rahmenlehrplänen: Podstawa Programowa und Ausbildungsrahmenplan und Rahmenlehrplan Orientiert an den nationalen Qualifikationsrahmen in Deutschland und in Polen wird der Kompetenzbegriff auf die Anforderungen in jeweiligen Berufsprofilen bei der Konzeption von Kann-Beschreibungen für die Lehrpläne bezogen. Die Kann-Beschreibungen bieten jeweils einen Rahmen zur Strukturierung der fachbezogenen Handlungen: In Deutschland in den Ausbildungs- und Lehrrahmenplänen, in Polen in der Kann-Beschreibung der Fachkompetenzen im polnischen Rahmenplan der Berufsausbildung (Podstawa Programowa 2012). Der konzeptionelle Unterschied zwischen der deutschen und der polnischen Berufsausbildung besteht vor allem im sog. dualen System in Deutschland, das in der Berufsausbildung eine schulische und betriebliche Phase beinhaltet, in der polnischen Ausbildung werden mehr allgemeinbildende und fachtheoretische Fächer angeboten. In der polnischen Berufsbildung gilt seit 2012 der Rahmenlehrbasisplan (Podstawa Programowa). Er beinhaltet die Anforderungs- und Kompetenzprofile der eingetragenen Berufe, die durch das Ministerium für Bildung (Ministerstwo Edukacji) und die Arbeitgeber verifiziert werden. Das Konzept der dualen Ausbildung wird dabei gegenwärtig partiell nach den gesetzlichen Änderungen eingeführt (Mazik-Gorzelańczyk 2016: 20ff.). Seit 2012/2013 kann in Polen ein Beruf in einer Berufsschule (die der deutschen Berufsfachschule ähnelt), in einem Technikum (Berufsschule mit Fachabitur), in einer postgymnasialen 2,5-jährigen Oberschule sowie in Weiterbildungsmaßnahmen
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erlernt werden (KOWEZiU, 2013). Aufgrund der Akademisierung und der verstärkten Migration von Fachkräften seit etwa 2005 streben die polnischen Ministerien eine stärkere Kooperation mit Betrieben, Kammern, Verwaltung und Stiftungen an (Mazik-Gorzelańczyk 2016: 42). Dies wirkt sich auf die Definition der Kompetenzanforderungen in den Berufsprofilen und somit auch auf die Kann-Beschreibungen aus, die die betriebliche Handlungsfähigkeit in den Fokus rücken. Als Beispiel führen wir den Ausschnitt eines Kompetenzprofils im polnischen Ausbildungsberuf zum Kaufmann (technnik-handlowiec) an, der auf Absatz und Beschaffung als wirtschaftliche Ausbildungsinhalte fokussiert. Die fett markierten Handlungsschwerpunkte bezeichnen die Aufnahme und die Vorbereitung der Ware zum Verkauf sowie in deren Darstellung in Werbemaßnahmen. Dies setzt die bereits beschriebenen Kompetenzen zum Präsentieren (s.o.) voraus, die in der Ausbildung zu erwerben sind. Technik handlowiec powinien być przygotowany do wykonywania następujących zadań zawodowych:
1. Organizowania prac w zakresie przyjmowania dostaw oraz przygotowywania towarów do sprzedaży.
2. Wykonywania prac związanych z obsługą klientów oraz realizacją transakcji kupna i sprzedaży.
3. Prowadzenia działań reklamowych i marketingowych. 4. Organizowania i prowadzenia działalności handlowej (KoWeZiu 2015). In der deutschen beruflichen Bildung wird zwischen dem Rahmenlehrplan und dem Ausbildungsrahmenplan unterschieden. Der Ausbildungsrahmenplan behandelt Kenntnisse und Fähigkeiten, die im Lauf der praktischen Ausbildungsphase in einem Betrieb erlernt werden sollen und stellt eine Vereinbarung dar, die die Ziele und Inhalte der Ausbildung im Betrieb organisiert. Der Rahmenlehrplan beschreibt Ziele und Inhalte des Unterrichts an der Berufsschule. Sowohl der Rahmenlehrplan als auch der Ausbildungsrahmenplan sind Teil der von Fachverbänden, Arbeitgeber-Organisationen, Gewerkschaften und dem Bundesinstitut für Berufsbildung erstellten Ausbildungsordnung. Ein Rahmenlehrplan definiert die Lernziele und Lerninhalte der fachtheoretischen und praktischen schulischen Berufsausbildung. Sie basieren auf dem Lernfeldkonzept, wobei ein Lernfeld eine didaktisch-curriculare Organisationseinheit im Berufsschulunterricht beschreibt. Nach Beschluss der KMK
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werden seit 1996 alle neu geordneten Ausbildungsberufe in Lernfeldern konzipiert. Die Berufe beinhalten in der Regel 12 bis 15 Lernfelder, die sich an realen betrieblichen Handlungssituationen orientieren. Mit der Einführung von Lernfeldern soll die tradierte Fächertrennung in der Berufsschule aufgehoben und Theorie und Praxis verknüpft werden. Didaktisches Grundprinzip der Lernfelder ist der handlungsorientierte Unterricht mit dem Modell der vollständigen Handlung von informieren, planen, entscheiden, ausführen, kontrollieren und bewerten (vgl. Andreas et al 2008: 14f.). In der folgenden Übersicht werden die Lernfelder für die Ausbildungsberufe Kaufmann/ Kauffrau im Einzelhandel sowie Verkäufer/Verkäuferin nach dem Plan der Kultusministerkonferenz zusammengestellt (KMK 2004). Fett sind diejenigen Felder markiert, in denen insbesondere die Präsentationskompetenz relevant ist. Lernfelder: 1. Das Einzelhandelsunternehmen repräsentieren. 2. Verkaufsgespräche kundenorientiert führen. 3. Kunden im Servicebereich Kasse betreuen. 4. Waren präsentieren. 5. Werben und den Verkauf fördern. 6. Waren beschaffen. 7. Waren annehmen, lagern und pflegen. 8. Geschäftsprozesse erfassen und kontrollieren. 9. Preispolitische Maßnahmen vorbereiten und durchführen. 10. Besondere Verkaufssituationen bewältigen. 11. Geschäftsprozesse erfolgsorientiert steuern. 12. Mit Marketingkonzepten Kunden gewinnen und binden. 13. Personaleinsatz planen und Mitarbeiter führen. 14. Ein Einzelhandelsunternehmen leiten und entwickeln (Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Kaufmann/-frau 2004: 8).
Die Sprachhandlung ‚Präsentieren‘ wurde in dem Berliner SPAS-Ansatz nach dem Lernfeld-Konzept der vollständigen Handlung ausgearbeitet. Es entstanden Unterrichtsmaterialien mit sprachfördernden Arbeitsblättern und Handreichungen für Lehrkräfte, die von einer Präsentation eines Unternehmens ausgehen und die die Präsentationskompetenz üben. Die Arbeitseinheit Präsentation eines Unternehmens zeigt ein Beispiel für die Verortung der integrierten Sprachbildung im Fachunterricht nach dem Lernfeldkonzept mit folgender Gliederung:
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1. 2. 3. 4.
Einführung, Anforderung an einen Vortrag. Präsentationstechniken, Visualisierung. Präsentation am Beispiel und Auswertung. Unternehmenspräsentation – Lernkarten (Andreas et al. 2008: 15).
Welche dazugehörenden Aufgaben das fachliche und sprachliche Lernen didaktisch aufgreifen, wird nach einer kurzen Darstellung der Evaluationsergebnisse des SPAS-Ansatzes ausgeführt.
Lehr-und Lernformen einer verzahnten Sprach- und Fachdidaktik im Transfer Der Berliner Ansatz SPAS zur Weiterbildung von Lehrkräften in der beruflichen Bildung entwickelt und implementiert berufsfeldspezifisch differenzierte Konzepte und Methoden der Sprachbildung und des sprachsensiblen Fachunterrichts (vgl. Andreas et al. 2008). Das Konzept umfasst drei Handlungsschwerpunkte zur Professionalisierung von Lehrkräften im Bereich von Sprachbildung: 1) die Adaption des Qualitätsleitfadens (Gogolin et al. 2011) für Unterrichtsgestaltung und Materialentwicklung in der beruflichen Bildung; 2) der Handlungsschwerpunkt „integriertes kompetenzorientiertes sprachliches und fachliches Lernen“ (Ohm 2007, Andreas et al. 2008) und 3) die Kompetenzentwicklung und Qualifizierung von sog. Sprachbildungsbeauftragten (zur ausführlichen Beschreibung des SPAS-Ansatzes s. Sennema/Wiażewicz 2016). Eine formative Evaluierung (vgl. Diedrich; Zschiesche 2014) ergab Empfehlungen: So soll Sprachbildung vor allem in die Fachpraxis neuer Berufsprofile (z.B. Büromanagement) noch stärker einbezogen werden, weiterhin sollen die für das jeweilige Berufsfeld/-bild erforderlichen Sprachanforderungen in Kompetenzrastern und mit Sprachkompetenzstandards beschrieben werden. Neben der Funktion als didaktische Orientierung bietet dieses Vorgehen auch eine Alternative zu Formaten der Sprachstandsdiagnostik, die an berufsbildenden Schulen nur sehr peripher vorhanden sind.
Impulse der SPAS-Evaluation für den fachsprachlichen Diskurs in Polen Wie können die Empfehlungen aus dem SPAS-Projekt zu einer Bereicherung des polnischen Diskurses beitragen, welche Erkenntnisse könnten auf die Didaktik fach- und sprachlichen Lernens übertragbar sein? Der polnische Diskurs zur Rolle der Fachsprache und Kommunikation kann an dieser Stelle nur partiell dargestellt werden. In der polnischen angewandten Linguistik, der sog.
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Glottodidaktik (vgl. Pfeiffer 2003: 267), setzt der Erwerb von Fachsprache bestimmte allgemeinsprachliche Kenntnisse voraus. Das bedeutet, wenn Sprachwissen zu einem gewissen Umfang in der Allgemeinsprache im Sinne der angewendeten Standardsprache (Grundidiolekt, nach Grucza 2012) erworben wird, es eine Basis zum Erwerb von Fachsprache (Fachidiolekt) bietet. Im Unterschied zum Erwerb von Allgemeinsprache erfüllt der Erwerb von Fachsprache nach Grucza (2008: 150) eine kognitive Funktion. Lässt sich der Ansatz der integrierten Sprachbildung mit dieser Theorie des Fachsprachenerwerbs verbinden? Die Übertragung der Kommunikationsstrukturen aus der Allgemeinsprache in die Fachsprache und deren Aufarbeitung als Bestandteil der kaufmännischen Lehre könnte hier als Beispiel dienen: Fachliche Ausbildungscurricula (z.B. der kaufmännischen Ausbildung) bieten einen Leitfaden (s.o.), wie berufsbezogene Kommunikation und Fachsprache mit ihren spezifischen Merkmalen strukturiert vermittelt werden können. Im polnischen Kontext handelt es sich überwiegend um den Erwerb von Fachsprache als Fremdsprache. Die Sprachbildung im Fachunterricht bietet eine Erweiterung bisheriger Konzepte in Polen um den integrierten fachsprachlichen Ansatz. Sie könnte als Weiterbildungsbestandteil zur Professionalisierung der Lehrkräfte beitragen (vgl. Sennema/Wiażewicz 2016) und als ein didaktisches Angebot für die polnische Berufsbildung transferiert werden (Wiażewicz 2015). Ein mögliches Szenario skizziert der folgende Entwurf: Lernsituationen könnten im didaktischen Konzept zum integrierten sprachlichen und fachlichen Lernen (vgl. Begriffsdefinition auf Polnisch: zintegrowane nauczanie językowo-przedmiotowe nach Janus-Sitarz 2013: 36) aus den sprachlich-kommunikativen Anforderungen der Fachcurricula abgeleitet werden (vgl. Sprachbezogene Curricula 2016). Die Lernsituationen basieren dabei auf dem Konzept der vollständigen Handlung, je nach Anforderung der jeweiligen Berufsprofile fördern sie die berufsbezogene Kommunikation (vgl. Kiefer; Szerszeń 2015). Dabei wäre eine detaillierte Ausarbeitung des kommunikativen Ansatzes in den Lernaufgaben von Bedeutung (vgl. Szerszeń 2015: 56f.). Die konkreten Lernaufgaben für den Fremdsprachenunterricht könnten ebenfalls auf Basis der sprachlich-kommunikativen Anforderungen der jeweiligen Berufsprofile konzipiert werden. Nach einem ähnlichen Konzept wurden die Aufgabenstellungen in den Materialien im Rahmen des SPAS-Konzepts entwickelt. Auf der Grundlage der fachlichen und sprachlichen Anforderungen eines kaufmännischen Berufsprofils wurden Elemente von Fachsprache, hier zur Präsentation eines Unternehmens, mittels unterschiedlicher Methoden (vgl. Jäger 2012) und Aufgaben im
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FACHSPRACHE IST DES BERUFES SCHMIED…
Sprach- und im Fachunterricht aufgegriffen. Einige der methodischen Schritte für Lehrkräfte und eine Aufgabenstellung für Lernende werden im Folgenden fragmentarisch aus dem o.g. SPAS-Projekt Präsentation eines Unternehmens dargestellt (Wiażewicz et al. 2014). Methodisch-didaktische Schritte zur Umsetzung der Sprachbildung Die Schülerinnen und Schüler sind aufgefordert, ein Unternehmen zu präsentieren. Sie greifen dazu auf eine schriftliche Selbstdarstellung einer Firma aus dem Internet zu. Nachdem sie den Text global und detailliert gelesen haben, erstellen sie ein Textdiagramm zur Verständnissicherung, zur Vorbereitung der Präsentationsstruktur sowie zur Erarbeitung des Fachwortschatzes. Nachfolgend setzen sie sich mit der Anwendung von möglichen Redemitteln für eine Präsentation auseinander. Wichtig ist, dass die Satzanfänge den Redeabsichten zugeordnet werden und dass jede Schülerin und jeder Schüler die für sich passenden Redemittel wählt.
Ein Auszug aus dem dazugehörigen Arbeitsblatt mit strukturierten Arbeitsanweisungen: Sprachhandlung 05: Präsentieren Arbeitsblatt
Berufsbereich: Handel
Thema: Präsentation eines Unternehmens – Redemittel Präsentation
Arbeitsanweisung: 1. Die Redemittel entsprechen nicht den Redeabsichten! Ordnen Sie den folgenden Redeabsichten passende Redemittel sinnvoll zu. 2. Kreuzen Sie anschließend jeweils ein Redemittel pro Redeabsicht (X), das Ihnen zusagt, an. Redeabsicht Begrüßung und Dank an den Veranstalter
Redemittel Nicht eingehen werde ich auf X. Ich bitte Sie dabei auch um Verständnis, dass ich heute auf X nicht eingehen kann.
Nennung des Themas
Hierzu ein Beispiel: Dies möchte ich Ihnen (jetzt) kurz anhand eines Schaubildes erläutern.
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN Abgrenzung des Themas
In meiner heutigen Präsentation werde ich Ihnen… vorstellen. Ich möchte Ihnen einen kurzen Überblick über unsere Tätigkeit geben. Lassen Sie mich drei wichtige Aufgaben hervorheben: Lassen Sie mich einige besonders wichtige Aktionsfelder und Schwerpunktaufgaben nennen:
Gliederung des Vortrags
Abschließend lässt sich sagen, dass… Bevor ich zum Schluss meiner Präsentation komme, möchte ich kurz die wichtigsten Punkte noch einmal zusammenfassen:
Ausblick: Tragfähige Ansätze zur Bewältigung neuer bildungspolitischer Aufgaben Inhalte und Formen der beruflichen Bildung kommen zum einen aus einer tradierten Institutionalisierung und sind in curriculare Strukturen eingebettet, aber schon die räumlich und zeitlich immer unabhängiger werdenden Dimensionen von Lernen zeigen deutlich, dass die berufliche Bildung in ihren Lernformen flexibler gestaltet werden muss. Zudem beschleunigen neue gesellschaftspolitische Aufgaben im Kontext von Flucht und Asyl Innovationsdynamiken: Für Neuzugewanderte können verkürzte Ausbildungswege, die über bedarfsspezifische Kompetenzfeststellungen erreicht werden, die notwendige bildungspolitische Perspektive darstellen (vgl. Anerkennung-inDeutschland, Bundesministerium für Bildung und Forschung). Das stellt die Weiterentwicklung der beruflichen Bildung vor neue Aufgaben. Als Antwort darauf kann die Initiative für einen neuen curricularen Rahmen für berufsbildende Schulen aus der Berliner Berufsbildung genannt werden. So entstand für den Übergang Schule-Beruf ein Willkommenscurriculum als didaktischer Leitfaden zur Entwicklung der Sprach-, Fach- und weiteren Kompetenzen im Unterricht für Neuzugewanderte (Wiazewicz; Kahleyss 2016). In dem Leitfaden werden Sprachkompetenzerwerb (GER Sprachniveau A1-A2) und die Beschreibung der Handlungskompetenzen für die Berufsvorbereitung (DQR Stufe 2–3) miteinander verzahnt, thematische Bausteine behandeln Lernsituationen zum Alltag, das (duale) Bildungssystem und den Berufseinstieg in
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FACHSPRACHE IST DES BERUFES SCHMIED…
Deutschland und sollen zur Entwicklung interkultureller Kompetenz beitragen. Es ist zu erwarten, dass die gesellschaftspolitischen Entwicklungen die Sichtweise von Beruflichkeit, gerade im Hinblick auf das etablierte duale System, neu definieren und damit weitere Chancen für grenzüberschreitende Mobilität eröffnen.
Literaturverzeichnis Bücher – Andreas, Torsten / Dellbrück, Joachim / Kühling, Günther / Laufer, Gudrun / Niebuhr-Siebert, Sandra / Wiażewicz, Magdalena (2008), Sprache. Integrierte Sprachförderung in Berufsvorbereitung und Berufsausbildung an berufsbildenden Schulen (SPAS). Berlin: Gesellschaft für berufsbildende Maßnahmen e.V. – Grucza, Sambor (2008), Lingwistyka języków specjalistycznych. Warszawa: Wydawnictwo Naukowe IKL@ UW. – Grucza, Sambor (2012), Fachsprachenlinguistik. Frankfurt/Main: Peter Lang.
– Wiazewicz, Magdalena / Kahleyss, Margot (2016), Das Willkommenscurriculum für die beruflichen und zentral verwalteten Schulen Berlins. Curriculum zur sprach- und berufsübergreifenden Didaktik in den Willkommensklassen für Neuzugewanderte über 16 Jahre. Im Auftrag der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft. Berlin: Gesellschaft für berufsbildende Maßnahmen e.V.
Zeitschriftenartikel – Janus-Sitarz, Anna (2015), Inspiracje pedagogiki CLIL w doświadczeniach polonistów. In: Polnisch in Deutschland. Zeitschrift der Bundesvereinigung der Polnischlehrkräfte 3, 36–41. Berlin: Bundesvereinigung für polnische Lehrkräfte. Online unter: http://polnischunterricht.de/wp-content/uploads/2013/01/gazeta2015_www.indd_.pdf
(14.07.2016). – Jäger, Kirsten (2012), Methoden der integrierten Sprachförderung für DaZSchülerinnen und Schüler am Beispiel der schulischen Berufsausbildung in Berlin. In: Nagy, Ágota / Boschák Gizella (Hg.), Interkulturelle Erkundungen. Leben, Schreiben und Lernen in zwei Kulturen. Großwardeiner Beiträge zur Germanistik, Band 2, Frankfurt am Main: Peter Lang, S. 133–145. – Mazik-Gorzelańczyk, Magdalena (2016), Kształcenie zawodowe w Polsce w perspektywie zmian i potrzeb. Friedrich-Ebert-Stiftung [Online] Verfügbar unter: http://library.fes.de/pdf-files/bueros/warschau/12489.pdf (27.07.2016).
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN – Pfeiffer, Waldemar (2003), Von der linguistisch bezogenen Fremdsprachendidaktik zur interkulturellen Fremdsprachenpädagogik. Ein Essay. In: Hentschel, Elke (Hg.), Particulae collectae, Festschrift für Harald Weydt zum 65. Geburtstag. Frankfurt/Oder. Online unter: http://www.linguistik-online.org/13_01/pfeiffer.pdf 14.07.2016]. – Sennema, Anke / Wiażewicz, Magdalena (2015), „Deutsch + Polnisch = mehr Chancen im Beruf!“. Perspektiven der bilingualen Schüler/innen in der beruflichen Bildung. In: „Polnisch in Deutschland. Zeitschrift der Bundesvereinigung der Polnischlehrkräfte”, 3. Berlin/Warszawa, S. 101–110.
Artikel in Sammelbänden – Kiefer, Karl-Hubert / Szerszeń, Paweł (2015), Badania potrzeb językowo komunikacyjnych na przykładzie wybranych obszarów zawodowych w polsko-niemieckim kontekście gospodarczym. In: Sowa, Magdalena / Mocarz-Kleindienst, Maria / Czyżewska, Urszula (Hg.), Nauczanie języków obcych na potrzeby rynku pracy. Lublin: Wydawnictwo KUL, s. 129–142. – Sennema, Anke / Wiażewicz, Magdalena (2016), Ineinandergreifen von Sprache und Fach: Sprachbildung in der Weiterbildung von Lehrkräften an Berufsschulen. In: Becker-Mrotzek, Michael / Rosenberg, Peter / Schroeder, Christoph / Witte, Annika (Hg.), DaZ in der Lehrerbildung – Modelle und Handlungsfelder. Reihe „Sprachliche Bildung Mercator-Instituts“. Bd. 2, Waxmann.
– Szerszeń, Paweł (2015), Das Erlernen einer Fremdsprache: einer Gemeinoder einer Fachsprache? Einige Bemerkungen zum Beginn des Fachsprachenunterrichts und zu Möglichkeiten von dessen Umsetzung. In: Efing, Christian (Hg.), Sprache und Kommunikation in der beruflichen Bildung. Modellierung – Anforderungen – Förderung. Frankfurt am Main: Peter Lang, S. 47–64.
Online-Quellen – Anerkennung-in-Deutschland als Informationsportal der Bundesregierung zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen: Verfügbar unter: https://www.anerkennung-in-deutschland.de/html/de/1843.php (15.07.2016). – Efing, Christian (2014), Wenn man sich nicht sprachlich ausdrücken kann, kann man auch keine präziseren, qualifizierteren Arbeiten ausführen. – Stellenwert von und Anforderungen an kommunikative(n) Fähigkeiten von Auszubildenden. Verfügbar unter: http://www.leseforum.ch/myUploadData/files/2014_1_Efing.pdf (15.07.2016). – Europäische Kommission (2008), Der europäische Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen. Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften. Verfügbar unter: https://ec.europa.eu/ploteus/sites/eac-eqf/files/brochexp_de.pdf (14.07.2016).
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FACHSPRACHE IST DES BERUFES SCHMIED… – Der Nationale Qualifikationsrahmen (NQR): http://www.bildungssystem.at/nationaler-qualifikationsrahmen/ (14.07.2016). – IQ-Netzwerk zur Unterstützung von Zugewanderten, http://www.netzwerkiq.de/foerderprogramm-iq/programmbeschreibung.html (27.07.2016). – Kultusministerkonferenz – Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK), http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/Bildung/BeruflicheBildung/rlp (27.07.2016). – KOWEZiU – Krajowy Ośrodek Wspierania Edukacji Zawodowej i Ustawicznej (Nationales Zentrum zur Unterstützung der Beruflichen Bildung und der Weiterbildung – National Centre for Supporting Vocational and Continuing Education). Online unter: http://www.koweziu.edu.pl (27.07.2016). – Österreichische Austauschdienst-GmbH Nationalagentur Lebenslanges Lernen (2011), Nationaler Qualifikationsrahmen Österreich. Verfügbar unter: www.lebenslanges-lernen.at/nqr (14.07.2016). – Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Kaufmann im Einzelhandel/ Kauffrau im Einzelhandel, Verkäufer/Verkäuferin. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 17.06.2004. Online unter: http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/Bildung/BeruflicheBildung/rlp/ KfmEinzelhandel.pdf (27.07.2016).
Unveröffentlichte Manuskripte und Vorträge – Diedrich, Ingo; Zschiesche, Tilman (2014), Untersuchung zur Entwicklung der Sprachbildung an Berliner berufsbildenden Schulen. Unveröffentlichtes Manuskript. ibbw-consult Institut für berufsbezogene Institut für berufsbezogene Beratung und Weiterbildung GmbH, Göttingen. – Sprachbezogene Curricula und Aufgaben in der beruflichen Bildung. Interdisziplinäre Tagung an der Bergischen Universität Wuppertal (2016). Beitragstitel in Online unter: http://www.germanistik.uni-wuppertal.de/teilfaecher/didaktik-derdeutschen-sprache-und-literatur/forschung/tagungen-vortraege.html. Beiträge in Veröffentlichung. – Wiażewicz, Magdalena / Kahleyss, Margot / Schallenberg, Julia / Jäckel, Mathias / Becken, Jörg (2014), Das Sprachhandwerk für den Beruf. Sprachhandlungen in der beruflichen Bildung. Eine Handreichung für die Fachdidaktik. Berlin. – Wiażewicz, Magdalena / Ralf Wiechert-Beyerhaus (2015), Integrierte Sprachbildung und Migrationsaspekten in der Berliner Berufsausbildung. Vortrag. Fachforum zur Entwicklung der beruflichen Bildung der Stadtverwaltung Warszawa, mit Vertretern der Berufsschulen und Kammern. Warszawa.
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
Zusammenfassung In Polen und Deutschland werden für den Fremdspracherwerb und die Sprachbildung mehrsprachig aufwachsender sowie zugewanderter Jugendlicher die Bereiche Lernerfolg, Berufsabschluss und Beschäftigungsperspektive als wesentliche Thematiken der Bildungssysteme benannt und in Systeme von Qualitätskriterien und Kompetenzrastern für die berufliche Bildung umgesetzt. Ausgehend von dem in beiden Ländern geltenden Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) werden die fachsprachlichen Anforderungen im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen – Lehren, lernen, beurteilen (GER) skizziert. Anschließend gehen wir exemplarisch für beide Länder auf die fremdund fachsprachlichen Kompetenzanforderungen in der Fachausbildung im kaufmännischen Bereich ein und stellen ein Konzept vor, wie Lehren und Lernen in sprachlich heterogenen Lerngruppen gewinnbringend gestaltet werden. Dies soll Aspekte für den Ausbau einer bilateralen deutsch-polnischen Ausbildungsmobilität beisteuern und zu Überlegungen anregen, wie die Berufsperspektiven von mehrsprachigen Lernenden erhöht werden können.
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KARRIERECHANCEN
KAPITEL 9 Tomasz Maras*
Die sprachliche Kommunikation und ihre Implikationen für phasenorientierte Translationsmodelle
Die sprachliche Kommunikation ist ein Schlüsselbegriff nicht nur für soziale Interaktion und zwischenmenschliche Beziehungen, sondern auch für Translation. Denn die Translation ist ein Prozess, wo die Kommunikation zwischen dem Sender und dem Empfänger einer Aussage hergestellt oder auch gestört werden kann. Die sprachliche Kommunikation verläuft bei der Übersetzung nicht direkt; wegen Sprachunterschiede muss zwischen den Sender und den Rezipienten eine Vermittlungsinstanz treten und zwar der Übersetzer. Im vorliegenden Beitrag sollen unterschiedliche Kommunikations- bzw. Translationsmodelle gezeigt werden, wo die Kommunikation in Phasen und mit Berücksichtigung verschiedener Zusatzelemente realisiert wird. Als erste soll die Konzeption der sprachlichen Kommunikation von K. Bühler präsentiert werden, die sich auf die Sprachtheorie von Platon stützte. Platon verstand die Sprache als Werkzeug („organon“), mit Hilfe dessen man andere Menschen über „Dinge“ informieren kann. Bühler war von der Idee inspiriert und entwickelte sie weiter in ein Kommunikationsmodell. Das folgende Schema illustriert das von K. Bühler entwickelte einfache Grundmodell der Kommunikation (das sog. „Organonmodell“):
*
Dr. Tomasz Maras, Uniwersytet Łódzki / Polen.
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
Abb.: Das Kommunikationsmodell von K. Bühler1
Im zentralen Punkt des Schemas steht das Organum – das sinnlich Wahrnehmbare, die Sprache. Es steht in Relationen mit drei anderen Elementen: dem Sender („Einem“), dem Empfänger („Dem Anderen“) und mit „den Dingen“ (gemeint als Sachverhalte, Gegenstände). In der Regel geht es hier um die Wahrnehmung von akustischen Signalen. Ein akustisches Signal wird vom Sender produziert und vom Empfänger rezipiert. Die „Dinge“ werden hier als Ereignisse verstanden, um die es sich bei der Kommunikation zwischen dem Sender und dem Empfänger handelt2. Zwischen den Ereignissen und den Sprachen kann man einen kausalen Zusammenhang feststellen.
1
http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOMMUNIKATION/buehlermodell.shtml (Stand am 3.11.2016). 2 Vgl. http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOMMUNIKATION/buehlermodell.shtml (Stand am 3.11.2016).
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DIE SPRACHLICHE KOMMUNIKATION UND IHRE IMPLIKATIONEN
Später entwickelte Bühler das Modell weiter:
Abb.: Das Organon-Modell von K. Bühler3
Im Zentrum des Modells steht Z – das sprachliche Zeichen, verstanden auch als Schallphänomen. Mit Hilfe der Seiten des Dreiecks werden die Funktionen des sprachlichen Zeichens dargestellt – Ausdruck, Darstellung und Appell. Der Kreis geht an manchen Stellen über die Grenzen des Dreiecks hinaus, was bedeutet, dass nicht alles, was mitgeteilt wird, mit dem Schallphänomen der Zeichenfunktion zu tun hat4. Bühler hat angenommen, dass der Empfänger nur das automatisch aufnimmt, was semiotisch von Bedeutung ist, und nannte dies „abstraktive Relevanz“. Wenn das Dreieck über den Kreis hinausgeht, so bedeutet es, dass es Defizite beim materiellen Zeichenträger gibt. Dies kann man mit folgender Situation erklären: Der Empfänger hört bei einer Äußerung nicht alle Laute, was ihn allerdings nicht daran stört, die Aussage zu verstehen. Er denkt sich dabei den Rest der Aussage hinzu, was man „apperzeptive Ergänzung“ nennt5. Die zentrale Rolle spielt hier das sprachliche 3 http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Organon-Modell-corr.png &filetimestamp=20080614160049 (Stand am 3.11.2016). 4 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Organon-Modell (Stand am 3.11.2016). 5 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Organon-Modell, Stand am 3. 11. 2016.
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
Zeichen, das Gegenstände und Sachverhalte symbolisiert, über den Sender informiert und auf den Empfänger einwirken kann. Das obige Organonmodell ist für die Beschreibung der sprachlichen Kommunikationsprozesse besonders geeignet, auch wenn sie nichtsprachliche Elemente beinhalten. Nach der Präsentation der grundlegenden Kommunikationsmodelle konzentrieren wir uns auf den Begriff „Kommunikation“ – einen der zentralen Begriffe für die vorliegenden Ausführungen. Denn die Kommunikation ist von entscheidender Bedeutung für die Übersetzung, die ihrerseits als eine spezifische Art sprachlichen Handelns im Rahmen verschiedener Kommunikationsmodelle aufzufassen ist. Bevor die Relation zwischen der sprachlichen Kommunikation und der Übersetzung erörtert wird, sollen im Folgenden einige Auffassungen des Terminus dargestellt werden. Skudrzykowa/Urban sehen die sprachliche Kommunikation als einen zwischenmenschlichen Verständigungsprozess, der mit Hilfe sprachlicher Zeichen erfolgt: KOMUNIKACJA JĘZYKOWA (inaczej: WERBALNA) – proces porozumiewania się ludzi za pomocą znaków językowych (Skudrzykowa; Urban 2000: 87). Sie weisen auch auf einen relevanten Aspekt hin: Die sprachliche Kommunikation kann entweder direkten (mündliche Kommunikation) oder indirekten (schriftliche Kommunikation) Charakter haben: Ze względu na rodzaj użytych znaków może mieć charakter bezpośredni (komunikacja ustna) lub pośredni (komunikacja pisana) (…)“ (Skudrzykowa; Urban 2000: 87). Für die vorliegenden Erwägungen ist der zweite Kommunikationstyp wichtig, denn es geht hier um schriftliche Kommunikation. Außerdem werden bei der indirekten Kommunikation die Existenz einer Vermittlungsinstanz (eines Translators) vorausgesetzt. Für Conrad liegt das Wesen der sprachlichen Kommunikation in der Herstellung einer Verbindung, die in verschiedenen Formen erfolgen kann: „Kommunikation: Verbindung, Verständigung durch Sprache in mündlicher oder schriftlicher Form oder mittels anderer Kommunikationssysteme“ (Conrad 1988: 119f.). Für ihn verläuft der Kommunikationsprozess in drei Phasen: „Senden (Kodieren), Vermitteln (Übertragung durch einen Kanal), Empfangen (Dekodieren)“ (Conrad 1988: 119f.). Die Phasen setzen die Existenz von Sender, Vermittler und Empfänger voraus. Die zweite Phase (die Vermittlungsphase) scheint für den vorliegenden Artikel insofern wichtig zu sein, als hier die Prozesse verlaufen, die die Kommunikation entweder ermöglichen oder stören können.
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DIE SPRACHLICHE KOMMUNIKATION UND IHRE IMPLIKATIONEN
Für Glück fängt der Kommunikationsprozess mit der Entstehung einer Absicht bei einem Sender an, der den Hörern/Lesern (Adressaten) eine Mitteilung schickt, die von ihnen verarbeitet und verstanden werden soll: „Ein Kommunikationsprozeß beginnt mit der Entstehung der Absicht bei einem >Sender <, jemandem etwas mitzuteilen bzw. etwas zu bewirken“ (Glück 1993: 315). Die Voraussetzungen für das Verständnis seien eine gemeinsame Sprache, gemeinsame Erfahrungen und gemeinsames Wissen, das gegebenenfalls ergänzt werden kann: „Kommunikation liegt vor, wenn eine beabsichtigte und durch Zeichen mit konventionalisierter und u. U. kontextuell modifizierter Bedeutung übermittelte Anweisung oder Handlungsorientierung von einem Adressaten verstanden wird. Die Voraussetzungen dazu sind durch eine gemeinsame Sprache, gemeinsame Erfahrungen und gemeinsames (oder zumindest ergänzungsfähiges) Wissen gegeben (Buddermeier 1973)“ (Glück 1993: 315). Wichtig ist hier auch, dass man es bei der Kommunikation mit einer Intention zu tun hat, die mit der Übertragung von Informationen einhergeht: „(…) Lyons (dt. 1980: 45 ff.) bestimmt »Kommunikation« als >intentionale Informationsübertragung mit Hilfe eines eingeführten bzw. etablierten Signalsystems<“ (Glück 1993: 315). Die Übertragung komme mit Hilfe eines Signals zustande (im Rahmen unserer Ausführungen verstehen wir sie als eine schriftliche Übersetzung): „Dabei sind Signale/Zeichen bedeutungsvoll für den Sender und informativ bzw. sinnvoll für den Empfänger“ (Glück 1993: 315). Bei Glücks Kommunikationsauffassung wurde auch darauf hingewiesen, dass für den Kommunikationserfolg das Verständnis der kommunikativen Absicht durch den Empfänger wichtig ist: „Für den Kommunikationserfolg ist wesentlich, daß der Empfänger die kommunikative Absicht des Senders erkennt“ (Glück 1993: 315). Aus den obigen Definitionen geht hervor, dass die sprachliche Kommunikation ein Prozess ist, in dem ein Sender mit Hilfe eines Signals (einer Mitteilung) mit einem Empfänger kommunizieren will. Für die Zwecke dieses Beitrags werden der Sender, die Mitteilung und der Empfänger als Elemente eines translatorischen (Kommunikations)Modells verstanden. Die Kommunikation kommt in unserem Sinne mittels einer schriftlichen Übersetzung zustande, die die einwandfreie Kommunikation sichern soll (vorausgesetzt, dass sie keine Interferenzfehler hat). Das Kommunikationsmodell hat noch ein Element, das äußerst relevant zu sein scheint. Es geht um den Übersetzer, der zwischen dem Sender und dem Empfänger steht und ein schriftliches Translat produziert, das gegenseitige Verständigung ermöglichen soll. Wir gehen
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
davon aus, dass die Präsenz des Übersetzers notwendig ist, denn der Sender und der Empfänger benutzen eine andere Sprache (Deutsch oder Polnisch – je nach der Übersetzungsrichtung). Der Übersetzer soll hierbei die Kommunikation zwischen Kommunikationspartnern sichern, die sich nicht an gleichem Ort in gleicher Zeit befinden. An der Stelle werde Holz-Mänttäri zitiert, die auf die Unterscheidung der Kommunikation von der Translation aufmerksam macht: „Zwischen Kommunikation und Translation besteht nach der Theorie über translatorisches Handeln demnach ein Wesensunterschied: Kommunikanten reden und hören oder schreiben und lesen in eigener Rolle, Translatoren texten, produzieren Texte, (oft im Verbund mit anderen Botschaftsträgern), mit denen andere kommunizieren“ (Holz-Mänttäri 1989: 130). Als Schema für die sprachliche Kommunikation im Translationsmodell soll das von F. Grucza entwickelte Modell genommen werden:
Abb. nach Kielar 1988: 20
Im obigen Schema kann man bestimmte Elemente auffinden, die im Folgenden aufgelistet und ins Deutsche mit Fettgedrucktem übersetzt wurden: Np – nadawca prymarny (Ausgangstext-Emittent) Tekst A – Ausgangstext (AT) Os – odbiorca pośredni (AT-Rezipient) Translacja (Translation) Translator (Translator, verstanden als eine Person oder eine Maschine) Ns – nadawca pośredni (Zieltext-Produzent) Tekst B – Zieltext (ZT) Ot – odbiorca terminalny (ZT-Rezipient)
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DIE SPRACHLICHE KOMMUNIKATION UND IHRE IMPLIKATIONEN
Bei der Besprechung des obigen Modells merkt Kielar an, dass der Terminus „Translation“ in der deutschsprachigen Literatur als Oberbegriff für Dolmetschen (mündliche Übersetzung) und Übersetzen (schriftliche Übersetzung) funktioniert. Da wir in den vorliegenden Ausführungen den Schwerpunkt auf schriftliche Übersetzungen legen wollen, gebrauchen wir die Termini „Übersetzung“ und „Translation“ als Synonyme für die schriftliche Übersetzung. Zum obigen Modell schreibt Kielar, dass die „Zweisprachigkeit“ der Kommunikation mit Hilfe einer Vermittlungsinstanz in zwei Phasen verläuft. In der ersten Phase kommuniziert der Ausgangstext-Emittent mit dem Translator (als Ausgangstext-Rezipienten), indem er die Ausgangssprache (anders: Quellensprache) benutzt. In der zweiten Phase tauscht der Translator die Ausgangssprache gegen die Zielsprache und wird somit zum ZielspracheProduzenten, dessen Translat als Zieltext funktionieren soll (vgl. Kielar 1988: 21). Am Anfang des Translationsprozesses haben wir es also mit der Ausgangssprache, und am Ende – mit der Zielsprache zu tun. Als zentrales Element des oben dargestellten Modells ist der Translator zu sehen, der für die Translation verantwortlich ist. Seine Aufgabe ist sowohl zu rezipieren (als AT-Rezipient) als auch zu produzieren (als ZT-Produzent). Daraus resultiert eine besondere Relevanz seiner Tätigkeit, die von ihm unterschiedliche Kompetenzen verlangt, wie z.B.: AT-Rezeption, ZT-Produktion und vor allem auch translatorische Kompetenz, die in vielen Fällen Umformung fremdsprachlicher Strukturen, Fachwissen sowie Berücksichtigung des Kontextes, der Konsituation und funktionaler Unterschiede zwischen den einzelnen AT- und ZT-Elementen voraussetzt. Im Folgenden werden alle Elemente des obigen Schemas kurz charakterisiert:
1. Np – nadawca prymarny (Ausgangstext-Emittent, kurz: ATEmittent) befindet sich am Anfang des Translationsmodells, denn er produziert den Ausgangstext, der später übersetzt werden soll. Kielar (1988: 21) bezeichnet den AT als ein Makrozeichen, das das Wissen des Subjekts aufgrund geltender Konvention ersetzt. Der AT sei ein Informationsangebot, den der Übersetzer entziffern und ihm eine entsprechende Bedeutung geben soll.
2. Tekst A – Ausgangstext (AT) ist ein mündlich oder schriftlich konzipierter Text, der demnächst übersetzt werden soll. Er wird vom ATProduzenten produziert und vom AT-Rezipienten rezipiert.
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
3. Os – odbiorca pośredni (AT-Rezipient) ist die erste Instanz im eigentlichen Translationsprozess. Er rezipiert den AT-Text, übersetzt ihn und produziert den Zieltext.
4. Ns – nadawca pośredni (Zieltext-Produzent) – dies ist in der Regel dieselbe Person (bzw. Maschine) wie im Punkt 3, also der Translator. Seine Handlung bildet den Kern der Translation. Er produziert den ZT-Text.
5. Tekst B – Zieltext (ZT) ist – genauso wie der AT-Text – ein mündlicher oder schriftlicher Text, der als Resultat (Produkt) der Translation für den ZT-Rezipienten bestimmt ist. 6. Ot – odbiorca terminalny (ZT-Rezipient) ist das letzte Element im Modell. Er rezipiert das Produkt des Translationsprozesses – den ZT-Text. Sein sprachliches und außersprachliches Wissen sowie andere Faktoren (z.B. Intelligenz, psychische sowie physische Verfassung) sollen durch den Translator bei der Translation und Produktion des ZT-Textes unbedingt mit berücksichtigt werden. Einen anderen nützlichen Ansatz zur Kommunikation im Translationvorgang findet man bei Nord. Sie merkt an, dass sowohl der AT als auch der ZT als kulturelle (und darin sprachliche) Zeichen durch die Kommunikationssituation determiniert sind, in der sie als Botschaftsträger funktionieren (vgl. Nord 1995: 7ff.). Sowohl beim AT als auch beim ZT muss man zwischen einer Produktions- und Rezeptionssituation unterscheiden. Nord schlägt folgendes Translationsschema vor:
Abb. nach Nord 1995: 8
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DIE SPRACHLICHE KOMMUNIKATION UND IHRE IMPLIKATIONEN
Man unterscheidet hier zwei Kommunikationssituationen (des Ausgangsund des Zieltextes), die ihrerseits in die Produktion und Rezeption eingeteilt werden. Das Schema kann als eine Weiterentwicklung des oben dargestellten Modells von Grucza gesehen werden. Denn wir haben es hier – von der Einteilung in AT- oder ZT-gebundene Kommunikationssituation, Produktion und Rezeption abgesehen – mit neuen Elementen zu tun wie „S“ (Sender) und „I“ (Initiator). Nord sieht die Unterscheidung zwischen dem uns schon bekannten AT-Produzenten und dem AT-Sender als methodologisch notwendig (vgl. Nord 1995: 5). Sie begründet es damit, dass ein Sender nicht unbedingt ein Textfachmann sein muss – er kann den Text von einem Texter produzieren lassen. Dabei entsteht die Gefahr, dass der Textproduzent einen Text produziert, der nicht mit der Intention des Senders übereinstimmt. Die Personen des AT-Produzenten und des Senders können zusammenfallen. Die Symbole „X“ im obigen Schema bedeuten andere Faktoren im Translationsvorgang. In dem Vorgang spielt die Person des Initiators („I“) eine wichtige Rolle, denn er initiiert und steuert die Translation. Nord sieht seine Aufgabe folgendermaßen: »Der Initiator gibt den Anstoß zu dem Translationsvorgang, weil er einen bestimmten Zieltext, das „Translat“, benötigt« (Nord 1995: 9). Der Initiator braucht das Translat zu einem bestimmten Zweck. Deswegen soll der Translator das Translat so ausrichten, dass es den Bedürfnissen des Initiators entspricht. Im Idealfall arbeiten der Initiator und der Translator zusammen, um dieses Ziel zu erreichen. Nord ist anderer Meinung als Koller, wenn es um die Steuerung des Translationsverfahrens geht. Koller orientiert sich am Äquivalenzbegriff und sieht den Ausgangstext an sich oder im Lichte seiner Wirkung auf den AT-Rezipienten sowie die vom AT-Produzenten intendierte Funktion des AT als Steuerungsinstanzen des Translationsverfahrens. Für Nord ist die durch den Initiator intendierte Translatfunktion ausschlaggebend (Nord 1995: 9). Somit ist sie Anhängerin der „Skopostheorie“ von Reiss/Vermeer (vgl. Reiß, Vermeer 1984: 95ff.). Die von Grucza und Nord vorgeschlagenen Translationsmodelle zeigen die wichtigsten Elemente und Phasen des Translationsprozesses. Im Idealfall verläuft der Prozess reibungslos und bringt als Ergebnis ein Translat hervor, das die einwandfreie Kommunikation zwischen dem Ausgangstext-Produzenten und dem Zieltext-Rezipienten ermöglicht.
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
Literaturverzeichnis – Conrad, Rudi (1988) (Hrsg.), Lexikon sprachwissenschaftlicher Termini. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut. – Glück, Helmut (Hrsg.) (1993), Metzler Lexikon Sprache. Stuttgart/Weimar: Metzler. – Holz-Mänttäri, Justa (1989), Interferenz als naturbedingtes Rezeptionsdefizit – ein Beitrag aus translatologischer Sicht. In: Schmidt, H. (Hrsg.) (1989), Interferenz in der Translation. Übersetzungswissenschaftliche Beiträge 12, Verlag Enzyklopädie. Leipzig, S. 129–134. – Kielar Barbara (1988), Tłumaczenie i koncepcje translatoryczne. Wrocław: Zakład Narodowy im. Ossolińskich/Wydawnictwo PAN,. – Nord, Christiane (1995), Textanalyse und Übersetzen. Heidelberg: Julius Groos Verlag.
– Skudrzykowa, Aldona / Urban, Krystyna (2000), Mały słownik terminów z zakresu socjolingwistyki i pragmatyki językowej. Kraków/Warszawa.
Verzeichnis der verwendeten Internetadressen – http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOMMUNIKATION/buehlermodell.shtml (Stand am 3.11.2016). – http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Organon-Modellcorr.png&filetimestamp=20080614160049 (Stand am 3.11.2016). – http://de.wikipedia.org/wiki/Organon-Modell (Stand am 3.11.2016).
Zusammenfassung Die sprachliche Kommunikation und ihre Implikationen für phasenorientierte Translationsmodelle Im Artikel werden einige Modelle der sprachlichen Kommunikation als Grundlage für kompliziertere Translationsmodelle dargestellt. Die Präsentation beginnt mit dem Kommunikationsmodell von K. Bühler (das Organon-Modell) in seiner einfachen und dann in der weiterentwickelten Form. Das Modell von Bühler bildet eine Basis für sprachliche Kommunikation, deren Definitionen im weiteren Teil des Beitrags aufgeführt werden. Der Artikel konzentriert sich dann auf kompliziertere phasenorientierte Translationsmodelle von F. Grucza und C. Nord sowie auf deren Bedeutung für den Translationsprozess und die Relation zwischen dem Sender und dem Rezipienten.
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KAPITEL 10 Joanna Kozłowska, Krzysztof Sakowski*
Ignorantia iuris nocet Digesta Iustiniani 22.6.9.
Grundlagen des Rechts für künftige Übersetzer – Postulat eines eigenständigen Seminars für Philologen am Beispiel der Germanistik
Einleitung Dieser Beitrag befasst sich mit der Thematik des Fachwissensmangels bei den Germanistikstudenten/-innen des Translatoriksmoduls, die mit den Rechtstexten zu tun haben. Die Kernfrage dieses Artikels lautet: Brauchen die Studenten/-innen der Germanistik im Rahmen des Translatoriksmoduls ein eigenständiges Seminar „Recht“? Um diese Frage zu beantworten, wurde eine statistische Forschung durchgeführt. Das Ziel dieses Unternehmens war festzustellen, wie der Rechtskenntnisstand der Studierenden im Translatoriksmoduls der Germanistik und in der Linguistik für Business1 ist. Die Ergebnisse der Forschung wurden im zweiten Kapitel dargestellt und besprochen.
* Joanna Kozłowska M.A., Uniwersytet Łódzki / Polen; Dr. Krzysztof Sakowski, Uniwersytet Łódzki / Polen. 1 Linguistik für Businnes (L4B) ist eine neue Fachrichtung an der Universität Łódź, die eine Zusammenarbeit der Universität mit den Unternehmern des öffentlichen und Privatsektors vorsieht. Die hauptsächliche Neuerung besteht in der Verbindung der wirtschaftswissenschaftlichen Fächern mit den linguistischen.
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
Der Gegenstand des vorgeschlagenen Seminar sollte nicht nur die Rechtsgrundkenntnis werden, sondern auch die Rechtskultur und die Rechtskomparatistik. Das dritte Kapital setzt sich deswegen zum Ziel, die Bedeutsamkeit von Kenntnis der Rechtskultur im Übersetzungsprozesses zu beweisen.
Recht nicht nur für Juristen Als Vorwort könnte der alte Rechtsgrundsatz aus dem römischen Recht – Unkenntnis des Rechts schadet angeführt werden. Es sollte angedeutet werden, dass jede Person die Grundlagen des Rechts kennen sollte, um im Alltag aller rechtlichen Tätigkeiten gewachsen zu sein. Umso mehr, als das Recht unsere Berufstätigkeit betrifft, werden bestimmte juristische Kompetenzen vorausgesetzt. Der zukünftige Übersetzer sollte das Recht kennen, weil es den Übersetzungsprozess erleichtert, z.B. wenn man zwei Rechtsordnungen vergleicht. Es steht außer allem Zweifel, dass die Qualität der juristischen Übersetzung von der juristischen Kenntnis abhängt. Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass der Übersetzer Verantwortung für die falsch erfüllte Leistung tragen kann. Das eigenständige Seminar sollte bewusst machen, wie bedeutend die richtige Übersetzung in Anbetracht der beliebigen genannten Haftung ist. Abschließend sollte es hervorgehoben werden, dass so ein Seminar beispielsweise für Studierende solcher Fakultäten wie Betriebswissenschaft, Logistik und Marketing vorgesehen ist. Der Unterricht wird an bestimmte Bedürfnisse der Fachrichtung angepasst, deswegen lernen die Studenten/-innen Zivilund Wirtschaftsrecht während 30 Stunden im Semester. Es wurde im Studienprogramm angenommen, dass die Rechtsgrundkenntnis für die Absolventen dieser Fachrichtungen in ihrer zukünftigen Berufstätigkeit nützlich sein wird. In dieser Hinsicht sollte es auf den Punkt gebracht werden, dass die Studierenden, die in der Zukunft mit der Übersetzung der Rechtstexte zu tun haben würden, auch Möglichkeit bekommen sollten, im Laufe des Germanistikstudiums die rudimentäre Rechtskenntnis angepasst an die typischen Übersetzungsbedürfnisse zu erwerben. Man kann nicht ausschließen, dass manche Studenten/-innen vereidigte Übersetzer werden wollen, deshalb sollte ihnen ein solcher Unterricht zur Verfügung stehen, damit sie sich unter Aufsicht von Fachkräften mit dem rechtlichen Text eigenständig messen können. Dabei kann man in der Fachliteratur viele Stimmen finden, dass das mangelnde Fachwissen das grundsätzliche Problem bei der Übersetzungslehre der Fachtexte ist (Weigt 2001: 184). Es wurde hervorgehoben, dass die Studenten/-innen nur mit Fachtexten gearbeitet haben, aber kein Grundwissen vorher oder im Nachhinein erworben haben. Der Autor hat postuliert, dass
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GRUNDLAGEN DES RECHTS FÜR KÜNFTIGE ÜBERSETZER
die Germanisten vielleicht an Seminaren der anderen Fakultäten teilnehmen sollten, um das Fachwissen zu erwerben. Im Zusammenhang damit könnte das eigenständige Seminar den Studenten/-innen einen Nutzen bringen. Nennenswert wäre auch die Tatsache, dass es: (…) w obowiązujących obecnie rozporządzeniach Ministra Nauki i Szkolnictwa Wyższego i Ministra Edukacji Narodowej nie ma żadnej wzmianki o kształceniu adeptów tłumaczenia przysięgłego 2 (Kubacki 2012: 266).
Kubacki (2012: 267) bringt die Programme wie Grotius 98/GR/131 und Grotius 2001/GPR/015 vor, aus denen folgt, dass die vereidigten Übersetzer nicht nur die linguistischen Kompetenzen sondern auch die Kenntnis der Rechtsordnung besitzen sollten. In der Fachliteratur wird betont, dass die Rechtsprache sehr oft mit den Legaldefinitionen operiert. Es ist deswegen erforderlich, um die Studierenden darauf zu sensibilisieren. Jedoch in den Studienprogrammen wird unter den Übersetzungsfächern kein zeitlicher Raum dafür vorgesehen. Der zukünftige Übersetzer sollte dennoch bewusst werden, dass der Inhalt der Rechtsbegriffe sich aber nicht nach den (allgemeinverbindlichen) Gesetzen, sondern danach [richtet], wie sie in den Gesetzen des jeweiligen Landes definiert werden. Selbst so einfach scheinende Begriffe wie „Eigentum“ und „Raub“ haben in vielen Sprachen keine genauen Entsprechungen, weil die jeweiligen Legaldefinitionen voneinander abweichen (Daum 2009: 21).
Man kann darauf verweisen, dass die Philologen/-innen des Translatoriksmoduls ein eigenständiges Seminar brauchen, damit sie genauer die Funktion und die Struktur der Legaldefinitionen kennenlernen. Auf diese Art und Weise werden sie bewusst, dass sie bei der Suche nach dem richtigen Äquivalent vorsichtig werden sollten, um den Rechtsbegriff im Bezug auf seine inhaltliche Ausweitung richtig zu wählen. Es sollte den Studierenden bekannt werden, dass die Legaldefinitionen am meisten zum Ziel haben, den ungenaueren Inhaltsbereich des Begriffs zu schließen und die Bedeutung zu präzisieren (Grochala, Łabieniec 2010: 32). Es ist in Betracht zu ziehen, dass die Studierenden das Wissen erwerben sollten, welchen Ziel die normativen Rechtstexten haben und dass
2 In der Eigenübersetzung: „in den geltenden Vorschriften des Ministers für Wissenschaft und Hochschulbildung und des Ministeriums für Bildung, wird der Bildungsweg der künftigen beglaubigten Übersetzer sogar nicht ansatzweise erwähnt“.
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN Gesetze nicht einfach „gelesen“ [werden], sondern durch vielfaltige „Auslegungsverfahren in den systematischen Zusammenhang des Rechts eingeordnet und für die sich jeweils wandelnden praktischen Rechtsfalle anwendbar gemacht. So ist die alte Forderung nach „Allgemeinverständlichkeit“ der Gesetze niemals voll einlösbar (Stolze 1999: 48).
In Bezug darauf hat sich auch Sarcevic auf die bedeutende Bemerkung von Legault berufen, deren jeder zukünftige Übersetzer der Rechttexte bewusst sein sollte (Sarcevic 1999: 104): On ne peut pas se permettre de traduire une loi comme on traduit un autre texte, car la traduction est aussi loi (1977: 19)3.
Die statische Forschung. Ergebnisse und Bemerkungen Um das Problem des Fachwissensmangels im rechtlichen Bereich besser zu erkennen, wurde eine statistische Forschung unter den Studenten/-innen der Germanistik (MA) und Linguistik für Business (BA) durchgeführt. Die Befragten hatten 15 multiple-choice Fragen, 13 betrafen das polnische Recht und 2 das deutsche Recht. Das Ziel dieser Befragung bestand darin, die Rechtsgrundkenntnis und das Bewusstsein von Unterschieden zwischen dem polnischen und dem deutschen Recht zu untersuchen. Dabei ist es anzudeuten, dass es nach Grundproblematik des Zivils- und Wirtschaftsrecht gefragt wurde. Anschließend mussten die Befragten 2 Fragen beantworten, die ihre subjektiven Schätzungen betrafen. Nach der Bearbeitung der Ergebnisse, wurde festgestellt, dass die Rechtsgrundkenntnis fehlt. Die vorliegenden Diagramme sollen im Weiteren besprochen werden. Wann bekommt man Rechtsfähigkeit?
50 40 30 20 10 0
Was regelt das Zivilgesetzbuch nicht?
47,06
70 60 50 40 30 20 10 0
38,24 11,76 2,94 mit 18 Jahren
mit der Geburt
mit der Beantragung (Juristische Person)
58,82 32,35 5,88
0
mit 13 Jahren
Abb.1. Frage nach dem polnischem Recht
Abb. 2. Frage nach dem polnischen Recht
3
In der Eigenübersetzung: „Wir können es uns nicht leisten, einen Rechtstext wie einen anderen Text zu übersetzen, weil die Übersetzung auch Recht ist“.
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GRUNDLAGEN DES RECHTS FÜR KÜNFTIGE ÜBERSETZER Wann bekommt man die beschränkte Geschäftsfähigkeit nach dem deutschem Recht?
80
Was ist besonders schwierig bei der Übersetzung der Rechtstexten
61,76
60
40
den formellen Stil annehmen
32,35
20 0
5,88
0 mit 16 mit 13 mit 7 mit 9 Jahren Jahren Jahren Jahren
Abb. 3 Frage nach dem deutschen Recht
20,45
den Inhalt des Textes verstehen
38,64
das richtigen Äquivalent finden
38,64 0
20
40
60
Abb. 4 Frage nach der subjektiven Bemerkung
Aus der ersten Statistik ist es zu ersehen, dass die Mehrheit der Befragten (47%) der Meinung sind, dass man Rechtsfähigkeit mit 18 Jahren bekommt. 38% haben korrekt beantwortet. Die Zahlen könnten zwar befriedigend aussehen, jedoch bei diesem Unterschied, dem eine tragende Bedeutung im Zivilrecht zugeschrieben ist, kann man nur mutmaßen, dass dieser rechtliche Begriff (Rechtsfähigkeit) mit der Geschäftsfähigkeit verwechselt wurde. Als es danach gefragt wurde, was das polnische Zivilgesetzbuch nicht regelt, beantworteten 59% der Befragten, dass man für den Leasing-Vertrag keine Regelung in Kodeks Cywilny findet. Ganz im Gegenteil wurde Leasing im Art. 7091 bis 7099 in Kodeks Cywilny von dem polnischen Gesetzgeber vorgesehen. Man kann schlussfolgern, dass die Teilnehmer der Umfrage kein Wissen hatten, wie dieses Gesetzbuch aufgebaut ist. Solche Kompetenz mit den Rechtsquellen zu arbeiten kann den Übersetzungsprozess hinsichtlich der Suche nach einem richtigen Äquivalent erleichtern. Die Studenten/-innen sollten in der Lage sein, schnell den bestimmten Begriff mit dem entsprechenden Rechtszweig zu assoziieren, damit sie wissen, in welchem Gesetz sie das Äquivalent finden können. Es sollte hervorgehoben werden, dass die Studierenden das Recht in solchem Umfang kennen sollten, dass sie die Grundlagen dieses Wissens eingeordnet haben. Wenn die Studenten/-innen das Urteil oder den Vertag übersetzen, sollten sie zuerst die entsprechende Regelung zum Fall finden und besprechen um die allgemeine Kenntnis über den zu übersetzenden Text (und Thematik) zu haben. In Zusammenhang damit könnten sie die Übersetzungsfehler vermeiden, die aus Fachwissensmangel
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
resultieren. Hier gelten natürlich auch die Bemerkungen, die hinsichtlich der Legaldefinitionen gemacht wurden. Es sollte besonders betont werden, dass niemand von Befragten wusste, mit welchem Alter man nach dem deutschem Recht die beschränkte Geschäftsfähigkeit bekommt. 32% der Befragten sind zum Schluss gekommen, dass man mit 13 beschränkt geschäftsfähig wird. In dieser Hinsicht kann man vermuten, dass es so beantwortet wurde, weil es einen solchen Rechtsstand in Polen gibt. Das würde davon zeugen, dass der/die Student/-in über diesen Unterschied zwischen den beiden Rechtsordnungen nicht wusste. Das beweist die Notwendigkeit, den Studierenden deutlich zu zeigen, dass das gefundene Begriffsäquivalent nicht immer in der zweiten Rechtsordnung denselben Inhaltsumfang hat. Sie sollten dafür sensibilisiert werden, dass die entscheidende Bedeutung solchem Unterschied bei manchen Übersetzungen zugeschrieben werden kann. Was die Frage nach subjektiven Schätzungen anbelangt, wurde die Frage gestellt: Was ist besonders schwierig bei der Übersetzung der Rechtstexte? Aus der Graphik kann man entnehmen, dass 39% der Befragten Problem haben, das richtige Äquivalent zu finden. Es macht sich auch bemerkbar, dass auch 39% das Verstehen des Inhalts des zu übersetzenden Texten für besonders schwierig finden. Darüber hinaus haben nur 21% der Teilnehmer an der Umfrage markiert, dass sie sich mit dem Annehmen des formellen Still bemühen. Das könnte bestätigen, dass der weit verstandene Stil (Grammatik, Passiv, 3. Sing. Form, Nominalstill etc.) im Laufe des bisherigen Unterrichts eingeprägt wurde. Die zukünftigen Übersetzer der Rechtstexte brauchen allerdings eine andere Kompetenz zu erwerben, nämlich die einzelnen rechtlichen Begriffe in der Makrostruktur des Textes „juristisch“ zu verstehen.
Rechtskultur und Rechtskomparatistik Wenn in diesem Artikel von Recht gesprochen wird, wird dieser Begriff nicht nur als Vorschriften (Normen) in den Gesetzen gemeint, sondern auch die Kultur und spezifische juristische Denkweise, die mit dem historischen Hintergrund verbunden ist. Nennenswert wäre die Tatsache, dass die Studenten/-innen der Germanistik die deutsche Kultur im Sinne von der deutschen Literatur und Geschichte im Studium kennenlernen. Das Ziel dieses Beitrags ist nicht das Programm des Studiums zu kritisieren, jedoch sollte der Rechtskultur im Germanistikstudiums, insbesondere für das Translatoriksmodul (in dem Übersetzung von den Rechtstexten vorgesehen wird) eine größere Bedeutung zugeschrieben werden. Die Rechtskultur sollte den Gegenstand des
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GRUNDLAGEN DES RECHTS FÜR KÜNFTIGE ÜBERSETZER
Seminars sein, weil „keine Zweifel besteht, dass Recht ein wesentliches Element von Kultur darstellt (…)“ (Sandrini 1999: 10). In der Fachliteratur erschienen ziemlich oft die Auffassungen, dass die Übersetzung der Rechtstexte in Bezug auf die Rechtskultur der Zielsprache betrachtet werden sollte. Zuerst sollte jedoch der Begriff „Rechtskultur“ erklärt werden. Nach Tokarczyk bedeutet „Rechtskultur (im weiteren Sinne) das Verhältnis der Mitglieder der bestimmten Gesellschaftsgruppe zum Recht“. Im engeren Sinne, „bedeutet es das Verhältnis der Personen, die das Recht schaffen und anwenden – also vor allem der Juristen“ (Tokarczyk 2008: 125). In dieserHinsicht könnte man folgern, dass die Übersetzer die Mitglieder der Rechtskultur in den beiden Sinnen sind. Sie gehören nicht nur zur bestimmten Gesellschaft mit einer festen, bestimmten Einstellung zum Recht, sondern wenden auch das Recht an, weil Translation im Bereich Recht, oder besser Translation von Recht i.S. der Übersetzung rechtsgebundener Texte bedeutet die Übertragung und Vermittlung von Rechtsvorschriften bzw. Rechtsinhalten und im weitesten Sinn von rechtlicher Information (de Groot 1994: „Het vertalen van juridische informatie“). Translation von Recht stellt damit im eigentlichen Sinn eine „Sondersorte kulturellen Transfers“ (Reiss/Vermeer 1984: 13) dar, insofern als rechtliche Inhalte einer Rechtsordnung und damit einer Kulturgemeinschaft zur Verwendung in einer anderen Rechtsordnung übertragen werden (Sandrini 1999: 21).
Daraus resultiert, dass das Recht nicht von der Rechtsordnung, aus der es stammt, losgelöst untersucht werden kann. Mit solcher Einsicht kann man die rechtliche Institution mit ähnlicher Regelung in der zweiten Rechtsordnung (der Zielsprache) vergleichen. Diese Betrachtung bezieht sich auch auf die Problematik des Terminologievergleichs im Bereich des Rechts, über die Arntz (1986: 286) schrieb: Dieser Fachwortschatz [juristischer] ist jeweils an eine bestimmte Rechtsordnung gebunden, die sich im Laufe eines historischen Prozesses entwickelt hat und sich von den übrigen Rechtsordnungen unterscheidet.
Der Autor hebt hohe Wichtigkeit davon hervor, dass nicht nur die Unterschiede zwischen der angloamerikanischen und romanisch-germanischen Rechtsordnung von Bedeutung sind, sondern auch diese Unterschiede zwischen z.B. polnischem und deutschem Recht sind erheblich. Arnzt (1986: 286) verweist darauf, dass:
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN Wer vergleichende Terminologiearbeit im Bereich des Rechts betreibt, muss daher nicht nur Unterschiede in der sprachlichen Struktur, sondern auch solche Unterschiede berücksichtigen, die sich aus der Rechtsordnung selbst ergeben, d.h., er muss überall dort, wo ein identischer Begriff in der Zielsprache fehlt, nicht nur ein Fachwort der Rechtsprache aus einer in eine andere Sprache übersetzen, sondern zugleich – was wichtiger ist – einen Begriff der einen Rechtsordnung seinen mit der jeweils anderen Rechtsordnung vertrauten Adressaten zugänglich machen.
Auch Sandrini vertritt einen interessanten Standpunkt. Er ist der Auffassung, dass man nicht von der Rechtsterminologie sprechen kann, sondern von der Terminologie der deutschen (oder polnischen, englischen usw.) Rechtsordnung. Man kann schlussfolgern, dass man die Übersetzung der Rechtsbegriffe nicht von der Rechtsordnung isolieren kann, weil: Rechtsbegriffe sind nicht nur an nationale Rechtsordnungen gebunden: Sie stellen die Hauptinformationsträger im Text und konstituieren anhand ihrer Beziehungen zueinander den fachlich-kognitiven Hintergrund des Textes; Rechtsbegriffe repräsentieren die Inhalte der Rechtsordnung (Sandrini 1999: 30).
In Zusammenhang damit kann festgestellt werden, dass vom Übersetzer eine Kompetenz erwartet wird, dass er die Grundlagen des Rechts seiner Heimat und dem Land der Zielsprache kennt, um die entsprechende Bedeutung zu transferieren. Jedoch wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass die Zeit in Übersetzungsseminaren für solche Tätigkeit fehlt. Deshalb wurde das eigenständige Seminar den richtigen Raum für die Darlegung des Rechts mit der Betonung auf die bestimmten Begriffe, die den anderen Inhaltsbereich in der anderen (hier deutschen) Rechtsordnung haben. Diese Problematik ist an der durchgeführten Forschung zu beobachten, die in dem zweiten Unterkapitel dargestellt wurde. Die Bemerkungen von Arznt und Sandrini sollten im Hinblick auf die Rechtskomparatistik betrachtet werden. In der Fachliteratur kann man die Stimmen finden, dass diese Disziplin von Bedeutung für Übersetzer sein sollte. Engberg beruft sich auf de Groot (2013: 15), dass das Übersetzen immer ein Beispiel der Durchführung der Rechtskomparatistik ist. Jedoch sollte zuerst festgelegt werden, was diese Disziplin eigentlich ist. Nach Tokarczyk (2008: 31): „besteht Komparatistik darin, dass man zwei relativ einheitliche Elemente miteinander vergleicht, um die Identität, Ähnlichkeit und den Unterschied festzustellen“. Dieses Ziel sollte meiner Meinung nach im Programm des Seminares enthalten werden mit dieser Einschränkung, dass die Rechtskomparatistik verwendet werden sollte, um die wichtigsten Unterschiede zwischen
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GRUNDLAGEN DES RECHTS FÜR KÜNFTIGE ÜBERSETZER
den beiden Rechtsordnungen festzustellen. Engberg (2013: 10) ist der Auffassung, dass insights and information from comaprative law may be useful for translators, as long as the goals of their studies and the needs of translators coincide. Natürlich deutet der Autor auch an, dass die Ziele der Rechtskomparatistik und der Übersetzung trotz der Zusammenhänge differenziert werden sollten. Während Rechtskomparatistik sich mit der Vergleichung der Normen beschäftigt, befasst sich die juristische Übersetzung mit dem Vergleich der Begriffe (Engberg nach Pommer 2013: 15). Engberg (2013: 14) beruft sich auch auf 3 Arbeitsstufen bei der juristischen Terminologiewahl von Pommer: verstehen, vergleichen und transferieren. Bei näherer Betrachtung sollte man das so ansehen, dass man zuerst verstehen muss, wovon der Rechtstext mit Bezugspunkt auf den Rechtszweig, mit dem der Text verbunden ist, handelt, dann führt man die Rechtskomparatistik durch – also man führt einen Vergleich durch und am Ende transferiert man die Bedeutung der Begriffe in der Zielsprache und somit macht man bestimmte Information für die Adressaten der anderen Rechtskultur zugänglich.
Schlussbemerkungen In Zusammenhang damit sollte dieser Beitrag als ein Postulat betrachtet werden, mit dem erwartet wird, dass den Philologen im Studium das eigenständige Rechtsseminar zur Verfügung stehen soll. In der Fachliteratur wurde hervorgehoben, dass: die Behauptung, ein kompetenter Fachübersetzer brauche nur die Fachterminologie des jeweiligen Faches in zwei oder mehreren Sprachen zu beherrschen, sich als eine Fiktion erwiesen [hat]. Dies gilt insbesondere für den Fachbereich Jura (Sarcevic:104).
Dieser Unterricht, in dem die Grundlagen des Rechts dargestellt würden, sollte im sprachlichen Kontext durchgeführt werden, d.h. die Theorie z.B. des Zivilrechts oder Wirtschaftsrechts sollte so übermittelt werden, dass man die Aufmerksamkeit auf die Unterschiede zwischen die beiden Rechtsordnungen, Übersetzungsschwierigkeiten und auf die bestimmten Begriffe (wie z.B. Eigentum – Besitz, Rechtsfähigkeit – Geschäftsfähigkeit), den die bestimmte und entscheidende bei der Übersetzung Bedeutung zugeschrieben sein kann, richten würde. In Zusammenhang mit dem oben Dargelegten, sollte man verdeutlichen, dass sowohl die Elemente der Rechtskultur, als auch Rechtskomparatistik ein Gegenstand des eigenständigen Seminars Recht für Philologen sein sollte.
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
Um zu übersetzen braucht man die Grundkenntnis des Rechts, damit man weiß, wo die entsprechenden Äquivalenten in der zweiten Rechtsordnung zu finden sind und wie man diese Regelungen verstehen soll. Im Seminar sollten die Studierenden die Ergebnisse der Rechtskomparatistik benutzen, um das bessere Verständnis vom Inhalt des Rechtsbegriffes zu haben, weil: Der Translator die Aufgabe [hat], mit seinen sprachlichen Formulierungen eine Verständnishilfe zu bieten und die Verstehensbarriere der unterschiedlichen Rechtsgrundlagen und Kulturen zu überbrücken. Gefordert ist daher eine übergreifende Perspektive, aus der es möglich ist, sich auf fortgesetzt neue Zusammenhange einzustellen. Das Expertenwissen druckt sich in der Verknüpfung von Fachwissen und Sprachwissen aus (Stolze 1999: 45).
Daraus folgt, dass die in diesem Beitrag dargestellte Auffassung nicht vereinzelt ist. Kierzkowska ist der Ansicht, dass „(…) einige Chance Ausbildung der Philologen sowohl in der tiefen Sprachkenntnisse als auch im notwendigen Expertenwissen ist“ (Kierzkowska 1995: 5) . Die Vertreter der Übersetzungswissenschaft von Rechtstexten sind sich darüber einig, dass zugleich verständlich wird, dass in der Beruftspraxis an den juristischen Fachübersetzer höchste Anforderungen gestellt werden, aus diesem Grunde stellt beispielsweise der Europäische Gerichtshof in Luxemburg nur solche Übersetzer ein, die zusätzlich zu ihrer sprachlichen Vorbildung über eine abgeschlossene juristische Ausbildung verfügen (Arntz 1986: 292).
Abschließend gibt es zum Denken, dass als es in der Umfrage danach gefragt wurde, ob die Studenten/-innen an solchem Seminar teilnehmen würden, beantworteten 97% der Befragten, dass sie diesen Unterricht besuchen würden.
Literaturverzeichnis – Arntz, Reiner (1986), Terminologievergleich und internationale Terminologievergleichung. In: Snell-Hornby, Mary (Hrsg.), Übersetzungswissenschafts – eine Neuorientierung. Tübingen: Francke. – Daum, Urlich (2009), Gerichts- du Behördenterminologie (9. überarbeitete Auflage), BDÜ. – Engberg, Jan (2013), Comparative Law for Translation: The Key to Successful Mediation between Legal Systems. In: Borja Albi, Aanabel / Prieto Ramos, Fernando (Hrsg.). Legal Translation in Context. Professional Issues and Prospects. Bern: Peter Lang.
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GRUNDLAGEN DES RECHTS FÜR KÜNFTIGE ÜBERSETZER – Grochala, Beata / Łabieniec, Paweł (2010), Charakterystyka języka prawnego na tle polszczyzny ogólnej. In: Michalewski, Kazimierz (Hrsg.), Język w prawie, administracji i gospodarce. Łódź: Wyd. UŁ. – Kierzkowska, Danuta (1995), Samorodny talent czy specjalistyczna wiedza? In: „Lingua Legis” 1995, Nr 2. – Krzywda, Joanna (2014), Terminologia języka prawnego i strategie translatorskie w przekładach kodeksu spółek handlowych. Kraków: Wyd. UJ. – Kubacki, Artur Dariusz (2012), Tłumaczenie poświadczone. Status, kształcenie, warsztat i odpowiedzialność tłumacza przysięgłego. Warszawa: Wolters Kluwer. – Sandrini, Peter (1999), Translation zwischen Kultur und Kommunikation: Der Sonderfall Recht. In: Sandrini, Peter (Hrsg.), Übersetzen von Rechtstexten Fachkommunikation im Spannungsfeld zwischen Rechtsordnung und Sprache. Tübingen: Gunter Narr. – Sarcevic, Susan (1999), Das Übersetzen normativer Rechtstexte, In: Sandrini, Peter (Hrsg.), Übersetzen von Rechtstexten Fachkommunikation im Spannungsfeld zwischen Rechtsordnung und Sprache. Tübingen: Gunter Narr. – Stolze, Radegundis (1999), Expertenwissen des juristischen Fachübersetzen, In: Sandrini, Peter (Hrsg.), Übersetzen von Rechtstexten Fachkommunikation im Spannungsfeld zwischen Rechtsordnung und Sprache. Tübingen: Gunter Narr. – Tokarczyk, Roman (2008), Komparatystyka prawnicza. Warszawa: Wolters Kluwer. – Weigt, Zenon (2001), Język polityki i prawa w dydaktyce tłumaczeniowej. In: Kopczyński, Andrzej / Zaliwska-Okrutna, Urszula (Hrsg.), Język rodzimy a język obcy. Komunikacja, przekład, dydaktyka. Warszawa: Wyd. UW.
Zusammenfassung Die Autoren bemühen sich eine Antwort auf die Frage zu geben, warum ein eigenständiger Rechtsunterricht für Linguisten von Bedeutung wäre. Als Grundlage zu weiteren Erörterungen ziehen sie eine selbständig durchgeführte statistische Forschung, die die Kenntnis der rudimentären Rechtsbegriffe unter den Translationsund L4B-Studierenden untersuchte. Die Ergebnisse werden mit den Erwartungen zusammengestellt, die an Übersetzungsadepten in der einschlägigen Fachliteratur gestellt werden. Schlüsselwörter: Fachsprache, Rechtssprache, Translation, Fachübersetzung, Rechtsübersetzung
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KAPITEL 11 Ellen Tichy*
Profile der Germanistik und Berufsperspektiven für AbsolventInnen – am Beispiel Rumänien
Die Wende brachte nicht nur für Mittelosteuropa (MOE) einschneidende Veränderungen in politischer wie bildungspolitischer Hinsicht. In vielen dieser Länder war Deutsch nach der Wende eine der wichtigsten Fremdsprachen an Schulen, in der Lehrerausbildung und an den Universitäten. Bildungspolitische Entscheidungen und eine fortschreitende Globalisierung haben zu einem Rückgang der klassischen Philologie Germanistik geführt; an deren Stelle entstehen Studiengänge, die den pragmatischen Anforderungen des Arbeitsmarktes entgegenkommen (Tichy u.a. 2014: 5). So entstanden zunehmend interdisziplinäre Studiengänge wie „Angewandte Fremdsprachen“ mit Schwerpunktlegung auf Wirtschaft, Verwaltung, Kulturmanagement, die „Interkulturelle Germanistik“ sowie DaF- orientierte Studiengänge. Nicht zuletzt sichert diese Kehrtwende das Bestehen vieler Lehrstühle der Germanistik, die sonst geringe Überlebenschancen hätten. Der Beitrag zeigt am Beispiel „Profile der Germanistik“ in Rumänien, wie veränderte Anforderungen des Arbeitsmarktes in der Zeitperiode nach der Wende 1989 Einfluss auf Curricula germanistischer Studiengänge genommen haben und erörtert welche Berufsperspektiven sich Absolventen germanistischer Studiengänge bieten.
*
Dr. Ellen Tichy, Universitatea „Lucian Blaga“ din Sibiu / Rumänien.
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PROFILE DER GERMANISTIK UND BERUFSPERSPEKTIVEN
Deutschsprachige Studiengänge in Rumänien Im Studienjahr 2013/14 wurden 64 deutschsprachige Bachelor- und Masterstudiengängen an 18 Universitäten in 11 Städten Rumäniens angeboten. Das Fächerspektrum ist sehr weit gespannt; deutschsprachig bedeutet nicht zwangsläufig, dass es sich ausschließlich um geistes- bzw. kulturwissenschaftliche Studiengänge handelt. Das Studienangebot reicht von Germanistik über Ökologie, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften bis hin zu Europastudien oder kulturwissenschaftlichen Studiengängen. (DAAD Informationszentrum Bukarest 2013: 3)1. Mehr als ein Drittel aller deutschsprachigen Studiengänge in Rumänien fallen auf die Fachgebiete Wirtschaft, Maschinenbau, Informatik, Ingenieurwesen usw. Nur bei einem Viertel aller Studiengänge kann man von der klassischen Germanistik (Deutsche Sprache und Literatur) sprechen. Dennoch weisen mehr als der Hälfte aller deutschsprachigen Studiengänge eine geisteswissenschaftliche Ausprägung auf.
Abb. 1: Deutschsprachige Studiengänge in Rumänien nach Selbstauskunft der Hochschulen und Universitäten 1 Die vorliegenden Angaben über deutschsprachige Studiengänge in Rumänien beruhen auf der Selbstauskunft der Hochschulen in Rumänien. Diese sind vom DAAD Informationszentrum Bukarest erfasst und in einer Broschüre veröffentlicht worden.
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
Acht von 64 deutschsprachigen Studiengängen werden als Hybridformen der Germanistik bezeichnet; damit sind Studiengänge gemeint, die aus mindestens zwei verschiedenen Fachgebieten entwickelt worden sind, wobei eine von diesen einen direkten Bezug zur Germanistik bzw. deutschen Sprache und/ oder Literatur aufweist. Zu diesen Studiengängen werden beispielsweise die folgenden gezählt: Interkulturelle Studien zur deutschen Sprache und Literatur, Germanistik als Europäische Kulturwissenschaft oder Mehrsprachigkeit und Multikulturalität. Das Studium der Angewandte[n] Fremdsprachen ist eine Neuentwicklung aus der Nachwendezeit. Das Studium dient einerseits der Festigung bestehender Fremdsprachenkenntnisse sowie andererseits vermittelt es die notwendigen Kompetenzen, um diese Fremdsprachen in einem beruflichen Umfeld zu nutzen. Der Lehrplan des Studiums der angewandten Fremdsprachen enthält sowohl philologische Fächer (wie Vorlesungen und Übungsseminare in zwei Fremdsprachen zur Übersetzungswissenschaften, zum Dolmetschen, zu Fachsprachen, zur Landeskunde, u.a.) als auch nichtphilologische Fächer wie Informatik, Wirtschaftswissenschaften, juristische Grundkenntnisse u.a. Im Bereich der Fachsprachen wird vor allem auf den wirtschaftlichen und juristischen Bereich eingegangen, wobei die theoretische Ausbildung durch Fachpraktika in einschlägigen Firmen ergänzt wird. (http://litere.ulbsibiu.ro/cat.germanistica [11.8.2015])
Neue Curricula wie diese versuchen den pragmatischen Anforderungen des Arbeitsmarktes entgegenzukommen. Es entstehen zunehmend interdisziplinäre Studiengänge mit Schwerpunktlegung auf Wirtschaft, Verwaltung, Kulturmanagement, Interkultureller Germanistik sowie DaF- orientierte Studiengänge, die die teils unzureichenden Deutschkenntnisse von Studienanfängern in Germanistikstudiengängen zu kompensieren versuchen. Dennoch ist der Anteil dieser Studiengangsangebote noch relativ gering, wenn man in Betracht zieht, dass der Anteil der Absolventen, die außerhalb geisteswissenschaftlicher Berufsprofile einen Arbeitsplatz anstreben, stetig steigt. Die Zahl der eingeschriebenen Studierenden in deutschsprachigen Studiengängen in 2013/14 betrug nach Selbstauskunft der Universitäten und Hochschulen 4350 Studierende. Die geschätzte Zahl der studienbegleitenden DaF- Lerner aus anderen Fakultäten hat diese Zahl vermutlich längst überschritten. Dieses Potential der DaF- Lerner ist zahlenmäßig betrachtet vermutlich größer als die Zahl aller eingeschriebenen Studierenden in deutschsprachigen Studiengängen. Wir haben es einerseits mit dem Rückgang der Nachfrage nach einer klassischen Germanistik zu tun und andererseits mit
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PROFILE DER GERMANISTIK UND BERUFSPERSPEKTIVEN
einer steigenden Beliebtheit und Zunahme an studienbegleitenden Kursen für Deutsch als Fremdsprache an anderen Fakultäten.
Studiengänge an germanistischen Instituten – Verbleib der Absolventinnen und Absolventen Wirft man einen Blick auf den Verbleib der Absolventen germanistischer Studiengänge in Rumänien, so eröffnen sich die i.d.R. die folgenden Möglichkeiten2: Das Lehramt an öffentlichen [und privaten] Schulen für den Deutschunterricht war einstmals die bevorzugte Berufsperspektive für die Mehrheit der Absolventen. Heute ist die Tätigkeit im Schuldienst so schlecht bezahlt, dass sich kaum noch Absolventen für diese Alternative entscheiden. So besteht seit einigen Jahren ein eklatanter Deutschlehrermangel an Schulen mit deutschsprachigen Klassen- oder Fachzweigen, denn die deutsche Sprache ist in Rumänien vor allem als Bildungssprache begehrt. Eine Bildungsbiographie vom deutschsprachigen Kindergarten über die deutschsprachige Grundschule, das Gymnasium, das Lyzeum bis zur Matura mit einem DSD II. Abschluss gilt als vorbildlich und erfolgversprechend für den beruflichen Werdegang. Das ehemals deutschsprachige Bildungssystem der deutschen Minderheit ist lebendiger denn je, obwohl nach dem letzten großen Exodus Anfang der 90er Jahre maximal 10 Prozent aller Schüler in „deutschen Schulen“ Angehörige der Minderheit sind. Mittlerweile bietet die Bundesregierung in Deutschland eine finanzielle Unterstützung für alle Lehrkräfte an, die ihren Unterricht entsprechend ihrer Norm bzw. ihres Lehrdeputats in deutscher Sprache abhalten3. Die Tätigkeit in deutschsprachigen Kulturinstitutionen wie z.B. in Kulturzentren, Theaterabteilungen, Museen usw. ist nach wie vor eine favorisierte, jedoch von der Anzahl der zur Verfügung stehenden Stellen begrenzte Möglichkeit für Absolventen. Gleiches gilt auch für eine wissenschaftliche Laufbahn an einer Universität. Die Zahl der Stellen ist äußerst begrenzt und die Bezahlung, wie bei allen Stellen im öffentlichen Dienst, sehr schlecht. Eine zunehmende Zahl an Absolventen entscheidet sich für die Emigration in ein deutschsprachiges Land – Deutschland und Österreich stehen an erster Stelle. Die Mehrheit der Absolventen versucht jedoch eine Anstellung bei einem deutschsprachigen Unternehmen in Rumänien zu bekommen. Die 2
Empirisch ermittelte Zahlen liegen derzeit noch nicht vor. Die folgenden Bewertungen basieren auf aus der Praxis resultierenden Schätzwerten. 3 Förderung von Lehrkräften im deutschsprachigen Schulwesen: http://fundatia.saxonia.ro/nachrichten/article/ausschreibung-der-zweiten-tranche-derfoerdermittel-die-fuer-das-projekt-der-saxonia-stiftung-f/ (12.1.2016).
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN
Zahl der deutschsprachigen Unternehmen in Rumänien ist seit der Wende stetig gewachsen; mehr als 800 sind in den acht in Rumänien ansässigen Deutschen Wirtschaftsclubs organisiert4. Das Gehalt in deutschsprachigen Unternehmen übersteigt die im öffentlichen Dienst gezahlten Gehälter erheblich und ermöglicht einen verhältnismäßig hohen Lebensstandard.
Verbleib der Absolventen germanistischer Studiengänge
Abbildung 2: Verbleib der Absolventen germanistischer Studiengänge
4
Vgl. DWS – Beitrag zur Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen. http://www.dws.ro/derclub.html [12.1.2016]
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PROFILE DER GERMANISTIK UND BERUFSPERSPEKTIVEN
Probleme germanistischer Institute – curriculare Zielsetzungen vor und nach 1989 Die Zahl der Immatrikulationen ist in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Dieser Tatbestand ist u.a. den folgenden Entwicklungen innerhalb der letzten 25 Jahre geschuldet: Die Globalisierung des Studien- und Arbeitsmarktes beschränkt Schulabgänger nicht mehr auf die Grenzen des eigenen Landes bzw. Länder des ehemaligen Ostblocks, sondern ermöglicht ein Studium auch im westlichen Ausland, insbesondere in Österreich und Deutschland. Durch die Ansiedlung deutschsprachiger Unternehmen erweitert sich das Arbeitsfeldspektrum erheblich – nicht nur in Hinblick auf die Art der Tätigkeit, sondern auch bezüglich der besseren Einkommensmöglichkeiten. Die vergleichsweise schlechte Bezahlung im öffentlichen Dienst hat in Rumänien zu einem eklatanten Lehrermangel an Schulen mit deutschsprachigen Zügen und im DaF- Bereich geführt. In anderen Ländern MOEs hingegen ist teils eine Sättigung des Arbeitsmarktes für das Lehramt an Schulen zu verzeichnen. Hinzu kommt zumindest für Rumänien, dass das Bildungsministerium philologische Studiengänge nach einer sogenannten Pro Kopf – Finanzierung kreditiert. Wird die Mindestzahl von Immatrikulationen nicht erreicht, ist das Zustandekommen des Studienganges gefährdet, langfristig kann es zu einer Rückstufung des Faches Deutsch als Neben- bzw. B- Fach kommen oder sogar zur Schließung germanistischer Institute. Sicherlich spielen auch die nun heranwachsenden geburtenschwachen Jahrgänge eine Rolle. Die größte Herausforderung für germanistische Institute ist allerdings der wachsende Anteil an Studienanfängern mit geringen Deutschkenntnissen bzw. auch gänzlich ohne Vorkenntnisse der deutschen Sprache. In der Praxis verlangt diese Entwicklung nicht nur einen verstärkten Sprachunterricht Deutsch, sondern bedeutet ebenfalls, dass zunehmend Lehrveranstaltungen nicht mehr in deutscher Sprache abgehalten werden können. Bis zur politischen Wende 1989 waren die Studierenden an germanistischen Instituten sowohl Rumäniendeutsche als auch ausschließlich rumänische Muttersprachler, aber [HdV] fast alle hatten das Abitur an einem deutschen Gymnasium gemacht. Für die rumänische Germanistik galt daher bis zur Wende folgendes: (Speranta Stanescu 2005: 142): Sie sah ihre Aufgabe vor allem in der Pflege, Bekanntmachung und Verbreitung der deutschen Sprache und Literatur. Die Methode / das Unterrichtskonzept war philologisch, allgemeinbildend, berufsvorbereitend. […] Die Palette der Zielberufe […]: Lehrer für Deutsch als Muttersprache und als Fremdsprache,
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FACHSPRACHEN – AUSBILDUNG – KARRIERECHANCEN Übersetzer / Dolmetscher, Reiseleiter, Berufe im Medienwesen (Fernsehen, Rundfunk, Presse).
Nicht einmal zehn Jahre nach der Wende spricht Doina Sandu (1997: 20) von Neuentwicklungen, bzw. von einer Umgestaltung der Veranstaltungen im Sinne einer Auslandsgermanistik, die der Realität Rechnung trägt, dass für die Studierenden Deutsch nicht Mutter-, sondern Fremdsprache ist. Das Hauptziel des Germanistikstudiums bleibt weiterhin die Ausbildung von Deutschlehrern, Übersetzern und Dolmetschern, Verlagsmitarbeitern usw., doch wird die gesamte Tätigkeit in Formen gekleidet, die auf eine Ergänzung und Festigung der Deutschkenntnisse der Studierenden hinzielen, auf eine Steigerung ihrer Kommunikationskompetenz in deutscher Sprache.
Damit ist die Entwicklung von einer ehemals Muttersprachengermanistik zur Auslandsgermanistik Realität geworden. Die für Germanisten klassischen Berufsziele bleiben jedoch in den Curricula erhalten. In den Jahren nach der Wende wird immer wieder über gemeinsame curriculare Richtlinien beraten, Arbeitsgruppen werden gegründet, die für eine Anpassung des Unterrichts an die Realitäten und Notwendigkeiten der heutigen rumänischen Gesellschaft „im Sinne einer Bevorzugung des Sprachunterrichts zum Nachteil des traditionell philologischen Selbstverständnisses der Hochschulgermanistik“ plädieren (Corbea-Hoisie 1997: 63f.). 2011 findet das Rundtischgespräch „Perspektiven der Germanistik in Rumänien“ 5statt, an dem fast alle germanistischen Lehrstühle des Landes teilnehmen und den Versuch unternehmen, über die Bestandsaufnahme der Situation der Germanistik hinaus, Perspektiven zu entwickeln. Die Bestandsaufnahme erfasst für einige der Studienorte Deutsch lediglich als Nebenfach (B- Fach) wie in Kronstadt und Suceava, für weitere Studienorte besteht die Gefahr der Rückstufung bei weiterhin zurückgehenden Immatrikulationszahlen. Gab es am Studienstandort Hermannstadt 2011 noch vier M.A. Studiengänge, sind es 2016 nur noch zwei, die alljährlich teils mit größtem persönlichen Einsatz um die erforderliche Zahl an Studienanfängern kämpfen, um diese nicht auch noch zu verlieren. Als besonderes Problem werden die heterogenen Sprachkompetenzen der Studierenden in den Bachelorstudiengängen wahrgenommen, es werden bereits Sprachkurse angeboten und Seminare und Vorlesungen nicht mehr ausschließlich in deutscher Sprache gehalten. 5 Gesellschaft der Germanisten Rumäniens (GGR)/ Protokoll zum Rundtischgespräch „Perspektiven der Germanistik in Rumänien“: http://www.ggr.ro/Rosenau_GermanistenTreffen%202011 Protokoll.htm (Abruf am 11.8.2015).
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Die Zahl der Deutschlerner anderer Fakultäten ist insgesamt sehr hoch: an den Universitäten in Bukarest, Jassy und Temeswar übersteigt sie die Zahl der eingeschriebenen Germanistikstudiernden bei weitem; das Interesse an der deutschen Sprache bleibt bestehen bzw. steigt an, während das Interesse am Studienfach Germanistik abnimmt: „Gute Schüler gehen ins Ausland oder studieren eine nicht – philologische Wissenschaft“, so das Protokoll zur Germanistik in Kronstadt (Vgl. auch Tichy: 2014). Als besondere Herausforderung wird das Profil der Germanistik in zweierlei Hinsicht herausgestellt: die Profilwahrung und die Profilentwicklung, nach den Diskussionsergebnissen der Arbeitsgruppe „Curricula“ sollen philologische Inhalte nicht reduziert werden. In der Arbeitsgruppe „Profilbildung“ werden u.a. die folgenden Punkte herauskristallisiert: „Neuprofilierung ohne Qualitätsverlust, Kooperation mit anderen Fakultäten, Kompetenzorientierung, professionelles Marketing, attraktives Angebot: Interdisziplinarität, Kontakt zu Berufsfeldern und eine Übersicht (Verbleib) über die Berufe der Absolventen“. Als Best Practice werden wahrgenommen: die guten lokalen, regionalen und internationalen Kooperationen der Lehrstühle, der anwachsende studienbegleitende Deutschunterricht und die Interdisziplinarität vor allem der M.A. Studiengänge.
Berufsperspektiven für Absolventen - Ausblick Inzwischen finden wir zunehmend Studienangebote, die grundständig sowohl geisteswissenschaftlich als auch an der Berufspraxis Wirtschaft orientiert sind. Dazu gehört der hier bereits erwähnte Studiengang Angewandte Fremdsprachen, bei dem betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse und interkulturelle Wirtschaftskommunikation sowie die Vermittlung des Deutschen als Berufssprache neben der geisteswissenschaftlichen Ausrichtung zentrale Bestandteile sind. Schon einige Jahre zurück liegt das Projekt Germanisten in die Wirtschaft, das in Moskau initiiert und durchgeführt wurde. Auf der Grundlage einer Befragung deutscher Unternehmen in Moskau nach möglichen Bereichen, in denen Germanisten eingesetzt werden könnten und der Frage, welche Qualifikationen sie mitbringen sollten, wurde ein Curriculum entworfen (Vollstedt, Marina; Walter, Stephan 2007: 43f.). Ergänzend zum Germanistikstudium unterschiedlicher Fachausrichtungen konnten Studierende dieses Modul absolvieren. Die Programmkonzeption war wie folgt ausgerichtet: Inhaltlich besteht das Programm aus vier Bereichen: Im Zentrum stehen vier Blockseminare zur Einführung in die Betriebswirtschaftslehre:
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Grundlagen unternehmerischer Entscheidungen, Ziele und Strategien. Unternehmensführung, Organisation und Personal. Beschaffungs-, Produktions- und Absatzwirtschaft sowie. Exportwirtschaft.
Diese Blockseminare werden durch weiterführende Vorträge, etwa zu Innovationsmanagement oder Marketingkonzepten, ergänzt. Planspiele, Unternehmensbesichtigen, ein Unterrichtsblock zur Berufspraxis und ein fachspezifischer Wirtschaftsblock zur interkulturellen Wirtschaftskommunikation sowie Fachübersetzen vervollständigen das Programm, so die Initiatoren Vollstedt und Walter. Sowohl BWL- Fachkenntnisse als auch Wege zur Berufsorientierung standen im Mittelpunkt des Lehrplans. Dieses erfolgreiche Modell wurde den Studierenden komplementär zu ihren grundständigen geisteswissenschaftlich bzw. germanistisch ausgerichteten Studiengängen angeboten. Heute wird Deutsch als Fremdsprache immer häufiger nicht (allein) wegen seines kulturellen Wertes an sich, sondern seines beruflichen Nutzens gewählt. Die uneingeschränkte Mobilität im europäischen Raum und die wachsende Ansiedlung deutschsprachiger Unternehmen in Mittelosteuropa machen Deutsch- und Fachkenntnisse zu einer lohnenden Investition in die berufliche Zukunft. Lehrstühle der Germanistik haben sich den Anforderungen einer sich wandelnden Arbeitswelt weitgehend angepasst, mit dem Ziel, die Employabilität ihrer Absolventen und zuweilen auch die eigene Existenz zu sichern. Ausbildungs – und Qualifikationsbedarfe auf dem Arbeitsmarkt haben sich gewandelt; der Arbeitsplatz in Wirtschaftsunternehmen gewinnt dabei zunehmend an Bedeutung – eben auch für Germanisten. Die Entwicklungen zeigen, dass Bedarfe über derzeit vorhandene Studiengangsangebote hinaus existieren, die zu erfassen es in Kooperationen mit Institutionen des Arbeitsmarktes gilt. Welche Profilentwicklungen bzw. – erweiterungen germanistische Institute zu leisten imstande und bereit sind, sollte so eruiert und in entsprechende Curricula umgesetzt werden.
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Literaturverzeichnis Bücher – Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD); Informationszentrum Bukarest (2013), Deutschsprachige Studiengänge an Hochschulen in Rumänien. Bukarest/ Rumänien. Auch im Internet unter: https://issuu.com/daadromania/docs/dtstudiengaenge?e=2486499/2613978 (Abruf am 11.8.2016).
– Tichy, Ellen / Ilse, Viktoria (Hrsg.) (2014), Deutsch in Mittelosteuropa nach 1989. 25 Jahre Germanistikstudiengänge, Deutschlehrerausbildung, DaF- Lehrwerke und DaF- Unterricht. Frankfurt a.M.
Zeitschriftenartikel – Vollstedt, Marina / Walter, Stephan: Germanisten in die Wirtschaft. Grundkenntnisse BWL, Fachsprache, interkulturelle Kompetenz und Berufsorientierung für Moskauer Philologiestudenten. In: „Info DaF“, Nr. 1,34. Jg. Februar 2007, S. 37–53.
Artikel in Sammelbänden – Corbea-Hoisie, Andrei (1997), Hochschulgermanistik in Iasi. Die Bilanz eines dreifachen Anfangs. In: Gutu, George / Stanescu, Speranta (Hrsg.), GGR-Beiträge zur Germanistik 1. Beiträge zur Geschichte der Germanistik in Rumänien (I) Bukarest, S. 47–66. – Sandu, Doina (1997), Germanistik in Bukarest – Geschichtliche Aspekte und aktuelle Standortbestimmung. In: Gutu, George / Stanescu, Speranta (Hrsg.), GGR-Beiträge zur Germanistik 1. Beiträge zur Geschichte der Germanistik in Rumänien (I) Bukarest, S. 13–24. – Stănescu, Speranţa (2005), Entwicklungen der Germanistik und Deutschlehrerausbildung in Rumänien. In: Neuland, Eva / Ehlich, Konrad / Roggausch, Werner (Hrsg.), Perspektiven der Germanistik in Europa. Tagungsbeiträge. München, S. 142–147. – Tichy, Ellen (2014), Abitur und weg! Deutsche Schulen in Rumänien- Vortrag: Internationale Germanistische Konferenz des Institutes für Germanistik der Universität Oppeln/Opole. Die deutsche Sprache in multikulturellen Räumen. Groß Stein/Kamień Ślaski, 16–18.11.2014 [erscheint demnächst].
– Tichy, Ellen (2016), Deutsch als Fremdsprache – Deutsch als Berufssprache: Neue Anforderungen auf einem sich wandelnden Arbeitsmarkt. In: Gipser, Dietlinde / Kassem, Nabil / Suleiman, Midhat / Zillmer, Heiner (Hrsg.), Festschrift für Iman Shallabi Kairo. Hamburg [erscheint demnächst].
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Internetquellen – Angewandte Fremdsprachen: http://litere.ulbsibiu.ro/cat.germanistica; (Abruf am 11.08.2015). – Deutscher Wirtschaftsclub Siebenbürgen (DWS) – Beitrag zur Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen: http://www.dws.ro/derclub.html (Abruf am 12.1.2016). – Förderung von Lehrkräften im deutschsprachigen Schulwesen: http://fundatia.saxonia.ro/nachrichten/article/ausschreibung-der-zweitentranche-der-foerdermittel-die-fuer-das-projekt-der-saxonia-stiftung-f/ (Abruf am 12.1.2016). – Gesellschaft der Germanisten Rumäniens (GGR)/ Protokoll zum Rundtischgespräch „Perspektiven der Germanistik in Rumänien“: http://www.ggr.ro/Rosenau_Germanisten-Treffen%202011_Protokoll.htm (Abruf am 11.8.2015)
Zusammenfassung Profile der Germanistik und Berufsperspektiven für Absolventen - am Beispiel Rumänien Die Wende brachte nicht nur für Mittelosteuropa (MOE) einschneidende Veränderungen in politischer wie bildungspolitischer Hinsicht. In vielen dieser Länder war Deutsch nach der Wende eine der wichtigsten Fremdsprachen an Schulen, in der Lehrerausbildung und an den Universitäten. Bildungspolitische Entscheidungen und eine fortschreitende Globalisierung haben zu einem Rückgang der klassischen Philologie Germanistik geführt; an deren Stelle entstehen Studiengänge, die den pragmatischen Anforderungen des Arbeitsmarktes entgegenkommen. So entstehen zunehmend interdisziplinäre Studiengänge wie „Angewandte Fremdsprachen“ mit Schwerpunktlegung auf Wirtschaft, Verwaltung, Kulturmanagement, die „Interkulturelle Germanistik“ und DaF- orientierte Studiengänge. Nicht zuletzt sichert diese Kehrtwende das Bestehen vieler Germanistikstudiengänge, die sonst geringe Überlebenschancen hätten. Der Beitrag zeigt am Beispiel „Profile der Germanistik“ in Rumänien, wie neue Anforderungen des Arbeitsmarktes und Curricula germanistischer Studiengänge zusammenwirken.
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