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Mit ruhiger Hand und klarem Geist
Gesichtslähmungen, Wunden, abgehackte Körperteile – George Steiners Kunst hates nach Hollywood geschafft. Für das Basler Kindertheater erstellt er zudem diezauberhaftesten Kulissen, die man sich vorstellen kann. Sein Beruf: Die Illusion.
Zum ersten Mal begegnet bin ich George Steiner im Basler Kindertheater. Seit 50 Jahren erzählen dort junge Schauspielerinnen und Schauspieler Geschichten. Die Kulisse, in welcher sie sich bewegen, sind Wunderwelten. Nie zuvor habe ich auf einer Laienbühne solch liebevolle, aufwändige Bühnenbilder und Masken gesehen. Verantwortlich für diese Magie ist George Steiner.
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«Wer ist dieser Mensch, der so professionell und leidenschaftlich für das Kindertheater arbeitet, als würde er Requisiten für Hollywood produzieren?», frage ich mich und besuche ihn in seinem Atelier. Die Antwort weiss ich bis heute nicht. Dafür macht mir George bewusst, dass die Kraft in der Stille liegt und dass Talent mehr ist als ein Geschenk. Aber beginnen wir am Anfang.
Es ist ruhig, als ich Georges Atelier betrete. Ruhig, ordentlich und sauber. Kein Radiogedudel, kein Staub, kein Geruch nach Lack oder Farbe. Der grosse, helle Raum ist Museum, Fundgrube und Werkstatt in einem. Überall Köpfe, eigenwillige Kreaturen, Fotos von üblen Wunden. Hoch oben ein riesiges Mondgesicht. Und ein Bein. George bietet mir einen Kaffee an und bittet mich höflich, an dem antiken Schreibtisch Platz zu nehmen.
Da er von sich aus nichts erzählt, frage ich. Wie hat das mit deiner Kunst angefangen? «Natürlich als Zweijähriger mit Zeichnen», antwortet er und grinst spitzbübisch: «Wir alle haben als Zeichner begonnen, nicht wahr? Nur haben die meisten von uns damit wieder aufgehört.» Es braucht viel, um Informationen aus George heraus zu kitzeln. Er ist mehr stilles Wasser als quirlige Künstler-Diva. Schliesslich erfahre ich, dass er beim Basler Münster aufgewachsen ist, sich schon früh seine eigene Welt erschaffen hat. Auf Zeichnungen und mit Papiermaché-Figuren. Dass er schon immer wusste, dass er Bühnenbildner werden wollte.
Bereits mit 16 Jahren bewarb er sich an der damaligen Kunstgewerbeschule; mit Erfolg. Es folgten Jahre in der Kreativ-Mühle, bis er sich als Graffiti-Künstler etablierte. Sprayen tut er bis heute gerne, aber mit unterdessen 48 Jahren mag er sich nicht mehr so oft den giftigen Dämpfen aussetzen. Die Bühnenbildnerkunst hat sich George am Ende selber beigebracht. Heute erhält er Aufträge aus der ganzen Welt.
Für den Fantasystreifen «Witch Hunters» designte er eine Maske, für «Der Medicus» eine offene Rippenpartie, für «Bruno Manser» ein verletztes Bein. «Vor allem das Einstechen jedes einzelnen Beinhaares war eine Riesenarbeit. Am Ende wurde die Szene herausgeschnitten», lacht George. Besser als dem Bein ist es den offenen Gehirnen und den zahlreichen Fleischwunden ergangen, die er für diverse Zombie-Filme nachgebildet hat. Immer wieder wird er für solche Arbeiten angefragt. «Ich mache das gerne, aber angucken tu ich mir diese Filme nicht», schmunzelt er und zaubert zur Anschauung eine kleine Gesichtslähmung aus dem Kühlschrank.
George modelliert leidenschaftlich gerne. Und er zeichnet jeden Tag. Auch weil er seiner Meinung nach in der Jugend zu wenig geübt hatte. «Ich vergass, dass man sein Talent entfesseln muss», sinniert er. «Zeichnen kann man nicht einfach so. Es ist Arbeit.» Heute noch erinnert er sich, wie er als Bub seine Kindergärtnerin porträtieren wollte. Erfolglos, obwohl er sie ganz genau vor sich sah. «Ich war schockiert, erschüttert», erzählt er, «und eigentlich ist es bis heute so. Ich weiss, wie ein Elefant aussieht. Aber ich kann ihn nicht perfekt zeichnen. Das macht mich fertig.»
Ich verlasse George Steiners Zauberwelt an diesem Tag beeindruckt und etwas demütig. Eigentlich hätte er allen Grund, eine Künstler-Diva zu sein. Stattdessen arbeitet er mit ruhiger Hand und klarem Geist unermüdlich weiter. Um noch besser zu werden. Und um wenigstens einen Teil aller Ideen umzusetzen, die laufend seiner Fantasie entspringen.