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Raphael Hirt, Jonas Welte, Yannic Meyer, Raphael Frei
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« ächster Halt: Zürich, Altstetten», ertönt es durch die Lautsprecher der S-Bahn. Ich steige aus und betrete den auf Hochglanz polierten, weissen Marmorboden des Perrons. Heute ist alles anders. Angefangen bei den Zügen, welche nun komplett automatisch durch die Gegend fahren. Lokführer werden keine mehr benötigt – der technische Fortschritt hat gnadenlos zugeschlagen. Der Bahnhof Altstetten wurde komplett überbaut und dient nun als zweiter Hauptbahnhof der Limmatstadt. Während ich mit einer gewissen Nostalgie über die top modernen Gleise schaue, höre ich aus der Ferne schon den erst kürzlich eröffneten Hyperloop heranbrausen. Von Zürich nach Bern in gerade mal 15 Minuten. Eine Meisterleistung der Technik. In horrendem Tempo saust die Blechbüchse an mir vorbei. Mit völlig zerzaustem Haar, welches ich der starken Zugluft zu verdanken habe, verlasse ich den Bahnhof. Auch auf den Strassen ist der Fussabdruck technischen Fortschritts klar ersichtlich. Während früher zu Feierabendzeiten das ganze Gebiet Rund um den Bahnhof verstopft war, und man kaum in unter einer halben Stunde aus dem Verkehr herausgelangte, zirkuliert der Verkehr heute flüssig. Bei genauerer Beobachtung fällt auf, dass Autos nur selten weniger als 4 Personen enthalten und Busse nun kaum mehr eingesetzt werden, um kurze Strecken zurückzulegen. Ich warte auf meinen Uber-Fahrer, welcher mich nach Hause chauffieren sollte.
Fünf Minuten später hält ein schwarzer
Volvo, natürlich elektrisch betrieben, direkt vor meiner Nase. Ich steige ein, begrüsse den Fahrer, und lausche den Radio-Nachrichten: «Guten Abend meine
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Damen und Herren, sie hören die 6-Uhr Nachrichten von Freitag, 10.09.2050, verantwortlich: Patrick Hermann…» Zurück in der Gegenwart interessiert uns nun natürlich, ob die oben geschilderte Situation realistisch erscheint, oder sich als Fantasievorstellung entpuppen wird. So genau kann das logischerweise noch niemand wissen. Dennoch wollten wir uns im Rahmen unseres Projekts mit dem Schweizer ÖV befassen, da wir denken, dass der öffentliche Verkehr eine wichtige Rolle in der Zukunft der Mobilität spielen wird und daher ein besonderes Augenmerk daraufgelegt werden sollte. Doch welche Möglichkeiten des Fortschritts stehen überhaupt zur Debatte? In den Medien schwirrten in den letzten Jahren immer wieder Begriffe wie Hyperloop, Swiss-Metro, Uber oder ähnliches durch den Raum. Doch was ist hier in der Schweiz überhaupt in Betracht zu ziehen? Wird vermehrt auf die Schiene gesetzt oder baut man das Strassenverkehrsnetz weiter aus? Oder ist unsere Kultur vereinbar mit futuristischen Transportmitteln, welche in Asien bereits konkret in Planung sind? Hält man, solange es die Kapazität zulässt, vielleicht auch einfach am alt bewährten System fest? Wir haben uns mit diesen Fragen auf die Reise begeben und wollten von zwei Experten wissen, wie Ihrer Meinung nach der Durchschnittsschweizer von 2050 zur Arbeit, ins Kino, oder zum nächstgelegenen Skigebiet reisen wird. Dazu durften wir zum einen NZZ-Redaktor Paul Schneeberger, wie auch einem ehemaligen Mitglied der VBZ Geschäftsleitung und aktuelles Mitglied der sogenannten #DenkfabrikMobilität, Heinz Vögeli zu einem Interview treffen. Beide konnten uns sehr spannende und
bereichernde Inputs zu unserem Thema geben und es entwickelten sich zwei sehr informative Gespräche.
Verkehrsplanung Als ersten Interviewpartner durften wir uns mit Herrn Paul Schneeberger im Café Délise direkt am Badener Bahnhof treffen. Da wir zuvor schon zu seiner Person recherchiert hatten, wussten wir, dass er kürzlich in der NZZ einen Artikel über eine aktuelle Studie der ETH Zürich verfasst hatte. Es ging dabei hauptsächlich um die Dezentralisierung des Umsteigens und die Beschleunigung der Bahnverbindungen zwischen den Agglomerationen. Auf der selbsterstellten „Grafik 1“ (unten abgebildet), ist schön ersichtlich, auf welches Ziel die Studie hinarbeitet, nämlich: Einen zweiten grossen Bahnhof nebst dem Zürcher Hauptbahnhof zu konzipieren, um diesen zu entlasten.
den Inhalt und das von der ETH präsentierte Resultat. Dabei ging er auf die momentane «Knotenbildung» rund um den Zürcher Hauptbahnhof, und dessen neuen Anbau mit der Durchmesserlinie ein. Ausserdem merkte er an, dass durch die neue Route des «Flugzuges», welche nun ebenfalls über den HB läuft, die Belastung zusätzlich erhöht und die Fahrzeit verzögert werde. «Mich dünkt es, das sei ein Fehler, weil das eigentlich etwas war, was den Strom entlastet hat», meint Schneeberger kritisch. «Ich habe das Gefühl, dass der in dieser Studie skizzierte Weg einer sein könnte», antwortete Herr Schneeberger auf die Frage, ob die in der Studie beschriebene Variante überhaupt umsetzbar und realistisch sei. Dabei bezog er sich auf das Beispiel Holland, wo man etwas Ähnliches bereits hat umsetzen können. «Die haben dort eigentlich einen Viertelstundentakt auf den Hauptachsen. Also
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Auf Grund dieses Artikels wollten wir im Verlauf des Gesprächs sicher auch noch auf diese Studie eingehen. Herr Schneeberger nahm uns dies jedoch schon zu Beginn des Gesprächs vorneweg und fragte, ob wir schon davon gehört hatten. Er schilderte uns kurz
halb so lang, doppelt so oft. Das ist viel dezentraler. In Amsterdam zum Beispiel hat man nicht den Hauptbahnhof verdoppelt, sondern gesagt, man macht im Süden der Stadt einen zweiten. Zwischen diesen beiden Bahnhöfen hat man nun eine städtische Entwicklungsachse», erklärte er uns ausführlich. ZusamSeite 3
mengefasst könne man diese Entwicklung als dezentralisierte Konzentration betrachten. Ausserdem solle man beim Ausbau des ÖV-Netzes immer auch ein Auge auf die Raumentwicklung werfen, so Schneeberger. Als Beispiel nennt er wieder die Stadt Zürich, oder auch Bern, wo in den Gebieten Altstetten und Oerlikon, beziehungsweise Wankdorf, ein stärkeres Bevölkerungswachstum erwartet wird als in der Region rund um den Hauptbahnhof. In der unten abgebildeten, selbsterstellten Grafik wollen wir aufzeigen, wie stark die Stadt Zürich über die Jahre gewachsen ist.
Meinungen der beiden Experten miteinander vergleichen wollten, begaben wir uns mit einem nur leicht angepassten Fragenkatalog ins Gespräch mit Herrn Vögeli. Auch ihn befragten wir zu eben jener ETH-Studie, welche er bereits zu kennen schien. Im Vergleich zu Herrn Schneeberger reagierte Vögeli kritischer. «Das ist ja alles schön und recht», meinte er anfangs, «doch ich kann mit einer Frage alle ETH-Ingenieure aus dem Konzept bringen, und zwar: Mit welcher Variante lässt sich am meisten Geld verdienen?» Ausserdem fügte Vögeli an, dass solche Studien, ohne den finanziellen Aspekt mit in Betracht zu ziehen, lediglich GeoAbb.2
Für unser zweites Interview reisten wir nach Zürich, um uns mit Heinz Vögeli in dessen Büro zu treffen. Auf ihn aufmerksam wurden wir durch einen Gastkommentar in der NZZ, bei welchem er sich ausführlich mit der Entwicklung des Schweizer ÖVs auseinandersetzte. Er bezog sich dabei hauptsächlich auf die Strasse, liess aber trotzdem die Schiene nicht ausser Acht. Wir recherchierten auch zu seiner Person und trafen auf viel Erfahrung beim VBZ, aber auch viele visionäre, zukunfts- und lösungsorientierte Gedankengänge. Da wir die Seite 4
grafie seien. Er wies uns auch drauf hin, dass das Problem eher beim Angebot im öffentlichen Verkehr liege. «Über den ganzen Tag gesehen bleiben 70 Prozent der gebotenen Kapazität ungenutzt», so Vögeli. «Die Frage ist: 1. Wie kann die Nutzung erhöht werden? Und 2. Muss man denn immer den ganzen Tag in so «grossen Gefässen» herumfahren, oder würde eine Kooperation mit Uber, beziehungsweise Car-Sharing, Sinn machen?» Vögeli ging weiter stark auf die ungenutzte Kapazität ein. Man solle anderen Systemen eine Chance geben
und effizienter werden. Es macht wenig Sinn, wenn am Dienstagabend um 23:00 Trams durch die Gegend fahren, welche nur drei Personen befördern. Stattdessen solle man auf Alternativen, wie zum
Beispiel Kleinbusse umsteigen, welche vielleicht sogar von Privatunternehmen wie Uber betrieben werden. «Durch eine bessere Auslastung der Kapazität, kann natürlich auch der Preis der angebotenen Leistung für den Nutzer günstiger gemacht werden», sagt Herr Vögeli abschliessend zu diesem Thema. Auch die bestehende Infrastruktur spielt eine wichtige Rolle in der zukünftigen Verkehrsplanung. Seien es nun Strassen oder Schienen: Man muss die bestehenden Möglichkeiten besser auszunutzen wissen. Laut Vögeli gibt es dabei einen klaren Schlüssel zum Erfolg, welcher wäre: Mehr Einheiten in kürzeren Zeitabständen über die gewohnte, bestehende Infrastruktur zu verteilen.
2050 ohne Chauffeur? Eine weitere Frage, die wir uns während unserer Recherche stellten, war: Wie weit fortgeschritten ist die Technik im Bereich ÖV überhaupt schon? Und was für eine Entwicklung ist zu erwarten? Wir stiessen schnell auf den Begriff der Automatisierung, welcher uns direkt packte. Wie weit ist die Schweiz von selbstfahrenden Zügen, Trams, oder Autos entfernt? Auch mit dieser Frage haben wir unsere beiden Experten konfrontiert. «Also auf der Schiene wäre es ja relativ einfach», meint Herr Schneeberger zur
Thematik. Es seien in den letzten Monaten klare Signale zu vernehmen gewesen, welche auf eine Entwicklung in diese Richtung hindeuten, so Schneeberger. Heinz Vögeli seinerseits meint zur Thematik: «Ein Tram, Zug oder Bus wäre sicher einfacher durch die Stadt zu führen als ein individuelles Auto. Tram und Zug haben ja sogar schon vorgegebene Schienen.» Herr Vögeli erzählte uns ausserdem, dass die Südostbahn schon konkrete Ansätze ausgearbeitet habe, und bei der SBB auch schon davon gesprochen werde, aber noch keine konkreten Pläne vorhanden seien. Beide gehen jedoch auch noch auf eine konkrete Problem bei diesem Thema ein: Herr Vögeli macht den direkten Link zur Politik, und erklärt uns, dass die
Politiker in den Aufsichtsgremien eine ziemlich starke Einschränkung der Automatisierung seien. «Da die Politik und die öffentliche Hand für Defizite aufkommen muss, ist die Risikobereitschaft viel geringer als bei privaten Unternehmen, welche sich auch trauen Risiken in Kauf zu nehmen.» Als Beispiel, nennt Vögeli ein Projekt der Mobiliar Versicherung, welche in etwas mehr als einem Jahr Velo-Vermietungen in der Stadt Zürich hochgezogen hat. Dies ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die Stadt Zürich bereits seit circa zehn Jahren an einem ähnlichen Projekt herumtüftelt. Obwohl dieses Projekt wenig mit der Automatisierung am Hut hat, wird uns dadurch klar, welche Problematik Herr Seite 5
Vögeli konkret herausheben will. Während Vögeli eher Mühe mit den zu wenig risikobereiten Verwaltungsräten der grossen, staatlichen Unternehmen bekundet, sieht Schneeberger das Problem eher auf der Strasse als auf der Schiene. Im Zentrum seiner Überlegung steht die Schuldfrage, im Falle eines Unfalls: «Ich habe den Eindruck, dass das ein recht grosses Hindernis ist», erläutert Schneeberger und macht ein Beispiel eines selbstfahrenden Autos, welches seine fünf Insassen zwar rettet, dafür aber auch mal einen toten Fussgänger in Kauf nimmt. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass geschlossene Systeme, sprich Tram oder Zug, sicher besser automatisierbar sind, alles offene Systeme, sprich der Individualverkehr. Für Herrn Schneeberger ist sicherlich klar: «Bei Systemen, die frei fahren, stellen sich auch ethische Fragen.»
Mobilität in den Dörfern Die grossen Städte sind wichtig, dort wo die Musik spielt, dort wo neue Arbeitsplätze entstehen, dort wo die grösste Entwicklung von statten geht. Das mag ja stimmen und die Idee mit der Dezentralisierung, um die Verkehrsströme optimal zu lenken, ist sicher eine plausible Lösung für die Zukunft. Doch auch die Stadt Zürich wird wohl nicht bis ins Fricktal weiterwachsen. Es wird in der Schweiz nach wie vor Dörfer ohne Bahnhof geben, Dörfer welche ohne Postauto in die nächst grössere Gemeinde verloren wären. Paul Schneeberger meinte dazu: „... ich habe den Eindruck, dass gibt so ein neues Verhältnis zwischen Schiene und Strasse. Die Schienen werden dort weiter stark sein, wo man sehr Seite 6
gut bündeln kann oder bündeln muss. Das wird keine Frage sein. Aber die Frage ist aus meiner Sicht einfach was in der Feinverteilung passiert. Wir haben in der Schweiz ein sehr verästeltes ÖVNetz, Bahn mit mässiger Nachfrage und man hat die Busse. Mich dünkt es, dass das irgendwie die Frage ist, wie die Arbeitsteilung in Zukunft sein wird.“
Die Bündelung ist also wichtig, doch was heisst das jetzt konkret für die Zukunft? Wird es 2050 immer noch jeden Abend Stau geben vor Gubrist, Baregg und Co.? Die Schiene hat doch noch Potenzial, den Strassenverkehr zu entlasten. Paul Schneeberger sagt dazu: „Ja, dort wo viele Leute auf der gleichen Strecke unterwegs sind. Also bei uns im Mittelland ist es ja klar. Man hat die starken Achsen, aber wie das mit der Feinverteilung nachher aussieht ist wieder eine andere Frage.“ Wieder diese „Feinverteilung“, was hat es eigentlich mit der auf sich? „Ich habe den Eindruck, dass man das breit aufmachen wird, das fängt beim E-Bike an, welches das Velo auch für ein Gebiet attraktiv macht wo es steil ist. Das man halt von dort mit dem Velo an den Bahnhof kommt statt ins Auto zu sitzen und relativ viel wird davon abhängen, wie sich das auf der Strasse entwickelt, wenn der Stau zunimmt schafft das halt den Zwang oder die Motivation, dass man umsteigt, auch wenn es nicht wahnsinnig praktisch ist“, kann Paul Schneeberger dazu sagen. Das in der Schweiz bereits gut etablierte E-Bike könnte also eine
Möglichkeit sein, den Zug gegenüber dem Auto attraktiver zu machen. Aber diese E-Bikes gibt es ja jetzt doch auch schon seit einigen Jahren, eine „revolutionäre“ Technik, nach der wir auf der Suche sind, ist das auch nicht. Aber wir nehmen mit, dass es auch im Jahr 2050 nicht einfach sein wird, die Routen „Dorf-Stadt“ (Wohnort-Arbeitsplatz) zu reinen ÖV-Strecken zu machen.
Vernetzung Heutzutage haben wir egal ob bei den Eiern im Supermarkt, bei den Schuhen im Sportgeschäft oder bei den Smartphones im Elektronikladen immer eine riesige Auswahl. Der Konsument wird nahezu überschwemmt mit Angeboten und immer-neueren Produkten. So ist es auch mit der Mobilität, mit dem Verkehr. Nehmen wir an, wir wollen von Zürich nach Genf. Da gäbe es mal den Luftweg: „Ist ja blöd das Flugzeug zu nehmen für 45 Minuten Flug“, werden die einen sagen, doch selbst auf dieser Strecke gibt es 2 Airlines, welche Flüge anbieten. Nächste Möglichkeit: der Zug. Bequem und umweltschonend von Zentrum zu Zentrum. Weitere Optionen sind Fernbusanbieter wie zum Beispiel Flixbus. Oder warum nicht eine Fahrgemeinschaft bilden über BlaBlaCar? In Genf angekommen könnte man Bus fahren, das Velo nehmen oder sich mit dem via App funktionierenden Vermittlungsdienst Uber herumchauffieren lassen. Man sieht: Das Angebot ist riesig. Doch welches ist jetzt, gerade auch für die Zukunft die beste Möglichkeit? „In der #DenkfabrikMobilität, spricht man nicht mehr von öffentlichem Verkehr, sondern von öffentlich zugänglichem Verkehr“, erklärt uns der ehemalige
VBZ-Kommunikationschef und Mitglied der #DenkfabrikMobilität, Heinz Vögeli. „Dann gehört natürlich Carsharing, Uber etc. auch dazu. Man muss sich auch fragen, wie sich die klassischen
Verkehrsbetriebe entwickeln werden, welche Chancen sie haben werden. Es gibt auch Leute, die sich fragen, ob es jene überhaupt noch braucht.“ Das ist also schon einmal ein wichtiger Punkt, dass der „ÖV“ „öffentlich zugänglich“ gemacht wird. Aber was heisst das konkret? Heinz Vögeli spricht von einem Wettkampf, die Frage sei: „Wer baut die erste marktbeherrschende Plattform, auf der sich die modernen Menschen weltweit mobil bewegen können.“ Sprich, wer vernetzt die verschiedenen Verkehrsmittel beziehungsweise Verkehrsbetriebe miteinander. „Google hat offen gesagt sie wollen das Eintrittsportal für die Mobilität für die Menschen weltweit werden. Ich habe aber fast den Eindruck, nach heutigem Stand ist es eher Amazon, welche diesen Markt möglicherweise besetzen werden, weil Amazon ist ja nicht nur eine Plattform, sondern es ist ein Logistikunternehmen und Verkehr ist Logistik“, erklärt Herr Vögeli. Die Idee der Vernetzung leuchtet ein und in der heutigen Welt sollte das ja kein Problem sein, sollte man meinen. Heinz Vögeli sieht auch nur ein kleines Hindernis: „Die andere Dimension bei diesen Prozessen ist die Frage des Datenschutzes, aber wir werfen ja mit unseren Daten freudig um uns mit Facebook etc., was mich wirklich beschäftigt ist, dass die traditionellen Verkehrsbetriebe immer noch in derartig Seite 7
kleinräumigen Dimensionen denken.“ Konservativ, kleinräumig, mit Grenzen denkende Unternehmen, gerade in der Schweiz ein Thema? „Man müsste nur schon einmal für den ganzen Kanton alle einzelnen Verkehrsbetriebe zusammenfassen“, moniert Heinz Vögeli. Mancher wird sagen: „In der Schweiz gibt es doch einfach die SBB.“ Wenn wir das aber in der Realität anschauen, müssen wir tatsächlich feststellen, dass es für fast jeden Kanton einen einzelnen Verkehrsbetrieb gibt. Im Kanton Aargau steht „A-Welle“ auf dem Billett, wenn wir in Basel pendeln „BVB“, in Luzern „vbl“ und in Zürich gibt es für den ganzen Kanton die „ZVV“, für die Stadt Zürich die „VBZ“. Das tönt für heutige Verhältnisse überhaupt nicht vernetzt, schliesslich ist ja jeder ständig mit jedem und allem vernetzt. Der ÖV-Spezialist der NZZ, Paul Schneeberger sagt zwar: „Die Vernetzung funktioniert einfach super in der Schweiz. Es dünkt mich, wir sind sicher Weltspitze“, ergänzt jedoch: „Aber das soll einem nicht davon befreien mal zu schauen wie es andere machen.“
Das grösste Hauptproblem des ÖV in der Schweiz ist also nebst der weiter oben im Text erwähnten Effizienz auch die schlechte Vernetzung. Um nochmals Heinz Vögeli zu zitieren: „Die Frage ist: Muss man denn den ganzen Tag mit so grossen Gefässen herumfahren oder würde gerade die Kooperation mit Uber und Car-Sharing neue Angebote hervorbringen, welche dann Nutzen Seite 8
stiften für Nutzerinnen und Nutzer?“ Der Lösungsansatz wäre also doch wieder „zurück zur Vernetzung“. Im Gespräch mit Herrn Vögeli kristallisiert sich immer wieder heraus, dass er Betriebswirtschaft studiert hat. Er versucht Lösungen zu finden, welche die Effizienz, den Nutzen des ÖV steigern. Um nochmals aufs Jahr 2050 zurückzukommen sagt Heinz Vögeli vorausschauend: „Was man heute sieht ist, dass alles mit allem vernetzt sein wird. Es gibt quasi 3 Netze: das Kommunikationsnetz (Internet), das Energienetz und das „Netz der Sachen“ (das Internet der Dinge).“ Wenn diese 3 Netze eng miteinander verbunden werden können, sieht es gut aus für einen effizienten ÖV im Jahre 2050. „Das Ziel muss sein, dass man als Mensch schnell Zugriff hat auf Mobilität“, sagt Heinz Vögeli abschliessend und zusammenfassend.
Fazit Auch wenn die Meinungen, Gedanken und Lösungsansätze unserer beiden Experten für die Mobilität teilweise sehr unterschiedlich waren, lässt sich trotzdem ein gemeinsamer Nenner finden. Beispielsweise in Sachen Automatisierung, wo beide selbstfahrende Züge als sehr gut umsetzbar empfanden. Auch sehen beide ein grosses Verbesserungspotenzial bei der Effizienz. Was uns überraschte war, wie langsam die ganze Verkehrsplanung von statten geht. Das war uns gar nicht so bewusst, wir hätten erwartet, dass diese Ideen und Ideologien schneller umgesetzt werden können. Durch das Wissen unserer Experten erhielten wir einen guten Einblick in ein realistisches Fortschrittsszenario und haben gelernt, dass der
Verkehr in 50 Jahren doch nicht so futuristisch sein wird wie wir es vielleicht erwartet hätten.
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Ich steige aus, begebe mich in meine Wohnung und setze mich auf die Couch. Während ich mir meine heutigen Erlebnisse noch einmal durch den Kopf gehen lasse, fällt mir auf, dass ich heute ziemlich verwirrt gewesen sein muss. Der vorbeibrausende Hyperloop scheint nur ein Hirngespinst meiner selbst gewesen zu sein, meine zerzausten Haare habe ich wohl der höheren Anzahl an vorbeifahrenden Zügen zu verdanken. Es lebe der Viertelstundentakt! So viel scheint sich gar nicht verändert zu haben. Vom Bahnhof nach Hause dauert es immer noch 40 Minuten, trotz Unternehmen wie Uber oder Blablacar. Das einzige, was wirklich anders zu sein scheint ist, dass die Züge heute ohne Lokführer unterwegs sind. Doch mich beeindruckt das eher wenig. Trotzdem steht für mich eins sicher fest: Die Mobilität ist unterwegs. Unterwegs in eine Zukunft, welche geprägt sein wird von Veränderung, Innovation und immer weiter fortschreitenden Möglichkeiten zur Beförderung unserer Nachkommen.
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Quellenverzeichnis
Bildverzeichnis
-Grotrian, Jobst: Kompaktwissen. Verkehr in der Schweiz, Zürich/Chur: Rüegger Verlag, 2007.
Tielbild: ©Keystone (Zugriff Kanti via Baden)
-Maggi, Rico/Geninazzi, Angelo: Verkehrt. Plädoyer für eine nachhaltige Verkehrspolitik, Zürich: Avenir Suisse und Verlag Neue Zürcher Zeitung, 2010. -NZZ Podium: Die Zukunft der Mobilität, http://podium.nzz.ch/event/die-zukunft-der-mobilitat/, heruntergeladen am: 04.12.2016. -Petersen, Rudolf/Schallaböck, Karl Otto: Mobilität für morgen. Chancen einer Zukunftsfähigen Verkehrspolitik, Berlin: Birkhäuser Verlag, 1995. -Schneeberger, Paul: Vorstadtbahnhöfe als neue Drehscheiben. Konzeptvorschläge von ETH-Verkehrsplanern, http://www.nzz.ch/schweiz/ konzeptvorschlaege-von-eth-verkehrsplanern-vorstadtbahnhoefe-als-neue-drehscheiben-ld.105913, heruntergeladen am: 16.11.2016. -Vögeli, Heinz: Die Mobilität der Zukunft. Öffentlicher Verkehr, http://www. nzz.ch/meinung/kommentare/oeffentlicher-verkehr-die-mobilitaet-der-zukunft-ld.117757, heruntergeladen am: 16.11.2016.
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Abb.1: ©Raphael Frei Abb. 2: ©Raphael Frei Abb. 3: ©Keystone (Zugriff via Kanti Baden)
Reportage Raphael Hirt Jonas Welte Yannic Meyer Raphael Frei
„Mind The Future“ Projekt Unterricht 2016 Seite 11