3 Experimente und deren Analyse zur:
Lisa, Kim, Raphael, Yannic, Raphael
Entwicklungspsychologie
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Experimente und deren Analyse zur Entwicklungspsychologie.
Kim, Lisa, Raphael, Yannic, Raphael
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung | Seite 4 2. Stichprobe | Seite 5 3. Kognitive Entwicklung 3.1. Objektpermanenz und Verinnerlichtes Handeln | Seite 6 3.2. Mengeninvarianz und Zentrierung 3.2.1. Beschrieb des Versuches | Seite 7 3.2.2. Ergebnisse des Experiments | Seite 8 3.2.3. Analyse der Ergebnisse | Seite 9 3.3. PerspektivenĂźbernahme
3.3.1. Beschrieb des Versuches | Seite 10 3.3.2. Ergebnisse des Experiments | Seite 11 3.2.3. Analyse der Ergebnisse | Seite 12
4. Moralentwicklung | Seite 14 4.1. Beschrieb des Versuches | Seite 14 4.2. Ergebnisse des Experiments | Seite 15 4.3. Analyse der Ergebnisse | Seite 15
5. Fazit | Seite 18 3
Einleitung | 1 Wir haben mittels drei verschiedener Experimente die kognitive und moralische Entwicklung unserer vier Probandinnen untersucht. Mit zwei Experimenten wurde herausgefunden wo die Probandinnen im Modell der kognitiven Entwicklung nach Piaget stehen.
Dabei
wurde
die
Mengeninvarianz
und
die
Zentrierung
sowie
die
PerspektivenĂźbernahme untersucht und als Indikatoren fĂźr die jeweiligen Stufen benutzt. Mit einem dritten Experiment wurde dann die Moralentwicklung untersucht. Verglichen wurde hierbei mit den Theorien von Piaget und Kohlberg. Von letzterem haben wir den Versuchsaufbau Ăźbernommen.
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Stichprobe | 2 Unsere Stichprobe haben wir auf vier Mädchen festgelegt. Sie haben jeweils etwa einen Altersabstand von zwei Jahren. Sicherlich auch interessant zusehen ist, dass wir mit Ladina eine Probandin haben die unregelmässig die Spielgruppe besucht während ihre beiden Schwestern und Aimée bereits im Kindergarten sowie der Schule sind.
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Kognitive Entwicklung | 3
Da das Denken ein nicht beobachtbarer psychischer Vorgang, in dessen Verlauf der Mensch Informationen wahrnimmt, verarbeitet, bewertet und anwendet, ist, lassen sich Aussagen über die kognitive Entwicklung und das Denken einer Person nur anhand des Verhaltens sowie Handelns des Menschen machen.1 Der Schweizer Jean Piaget (1896 – 1980), Vertreter des Konstruktivismus, hat eine sehr umfassende Studie über die geistige Entwicklung erstellt, dessen Thesen, obwohl oft kritisiert, immer noch als Grundlage der Entwicklung des Denkens dienen.2 Anhand von zwei Experimenten, den fünf Stufen der kognitiven Entwicklung nach Piaget und einiger zentralen Begriffe derselben Theorie versuchen wir Rückschlüsse auf die geistige Entwicklung der bereits vorgestellten Probandengruppe zu machen.
Objektpermanenz und Verinnerlichtes Handeln | 3.1
In einer ersten Stufe ist das Kind noch nicht in der Lage, Denkleistungen im eigentlichen Sinne zu vollziehen. Innerhalb der sechs Stadien der sensumotorischen Entwicklung erlernt es jedoch die Koordinierung von Wahrnehmungseindrücken mit motorischen Leistungen. Mit dem erfolgreich abgeschlossenen sechsten Stadium ist der Mensch nun in der Lage, sich Verhaltensweisen geistig vorzustellen und hat das eigene Handeln verinnerlicht. Auch beginnt hier das sogenannte Werkzeugdenken des Kindes: Es kann einen Zusammenhang zwischen verschiedenen Elementen einer Situation herstellen.3
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Hobmair (Hg.): Pädagogik (2013), S. 268. Hobmair (Hg.): Pädagogik (2013), S. 269. 3 Hobmair (Hg.): Pädagogik (2013), S. 269, 270. 2
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Befindet sich das Kind in der Stufe des symbolischen und vorbegrifflichen Denkens, wird es der mentalen Repräsentation fähig, das heisst, das Kind kann nun Erfahrungen im Gedächtnis abbilden, die im Bewusstsein als Vorstellung existieren. Ein zentraler Begriff der zweiten Stufe und der Entwicklungstheorie an sich ist die Objektpermanenz. Unter diesem Begriff versteht man die Fähigkeit eines Lebewesens, zu wissen, dass eine Person oder ein Objekt weiterhin existiert, auch wenn es diese oder dieses nicht wahrnehmen kann.4 Die noch nicht vorhandene Objektpermanenz zeigt sich zum Beispiel, wenn das Kind zu weinen beginnt, sobald es die Mutter nicht mehr sehen kann. Experimentell hätte man die Objektpermanenz untersuchen können, indem man eine Puppe vor den Augen des Kindes versteckt. Scheint die Puppe für das Kind nicht mehr zu existieren, hat es die Fähigkeit der Objektpermanenz noch nicht erlernt. Befindet es sich jedoch auf der Stufe des symbolischen Denkens, so sucht es aufgrund der eigenen inneren Vorstellung nach der Puppe. Dieses Experiment haben wir mit unseren Probanden jedoch nicht durchgeführt, da die erste und zweite Stufe in der Regel in den ersten zwei Lebensjahren abgeschlossen werden und wir deshalb davon ausgehen können, dass dies bei unserer Stichprobe sicher der Fall ist.
Mengeninvarianz und Zentrierung | 3.2 Beschrieb des Versuches | 3.2.1
Um herauszufinden, ob das Kind bereits in der Lage ist, sich an mehreren Faktoren gleichzeitig zu orientieren, werden in diesem Experiment zwei gleiche breite Gefässe mit gleich viel Flüssigkeit gefüllt, was man vom Kind bestätigen lässt. Der Inhalt von einem der beiden breiten Gefässen wird nun vor den Augen des Kindes in ein schmales, dafür hohes Glas umgefüllt. Das Kind soll nun die Frage beantworten, in welchem Glas mehr Flüssigkeit ist. Ist es bereits in der Lage, Höhe und Breite der Gefässe gleichzeitig zu berücksichtigen?
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Hobmair (Hg.): Pädagogik (2013), S. 270.
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Ergebnisse des Experiments | 3.2.2
Die jüngste Probandin, die drei jährige Ladina Fischer, beantwortete die Frage, ob nun nach dem Umschütten immer noch gleich viel Wasser in beiden Gefässen ist, mit Ja, was uns sehr überrascht hat. Haben wir sie nach einer Begründung gefragt, erklärte sie: „Einfach!“ Wir vermuten, dass sie, wenn wir gefragt hätten, ob es nun im neu aufgefüllten Glas mehr Flüssigkeit hat als im breiten, mit der selben Begründung auch Ja geantwortet hätte. Ihre zwei Jahre ältere Schwester Alexa Fischer war, nachdem sie die Höhe des Wasserspiegels mit ihren Händen abgemessen hatte, der Ansicht, dass es im schmalen Gefäss sicher mehr Flüssigkeit hat wie im breiten. Für die sieben jährige Sofie Fischer und die neun Jahre alte Aimée Meyer war schnell klar, dass sich in beiden Gläser die gleiche Menge Wasser befinden muss. Diese Tatsache konnten beide auch auf Anhieb richtig begründen.
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Analyse der Ergebnisse | 3.2.3
Das von uns durchgeführte Experiment ist geeignet, um herauszufinden, ob ein Kind die von Piaget formulierte dritte Stufe, nämlich die des anschaulichen Denkens, bereits erfolgreich abgeschlossen hat. Obwohl das Kind bereits komplexere Vorstellungen und echte Begriffe entwickelt hat und mithilfe der Sprache denken kann, ist das Denken noch immer an die Anschauung gebunden.5 Dies sieht man am Verhalten von Alexa sehr gut, ihr Denken orientiert sich einzig am anschaulichen Ablauf des Geschehnisses. Auch ist sie noch nicht imstande, mehrere Faktoren gleichzeitig zu erfassen und zu berücksichtigen, was auch Zentrierung genannt wird. Sie hat zwar das Bedürfnis, zu überprüfen und zu begründen, ob sich im schmalen Glas mehr Wasser befindet und misst deshalb mit ihrer Hand die Höhe des Wasserspiegels, doch weitere Aspekte, wie zum Beispiel der Umfang des Gefässes, lässt sie ausser Acht. Ladinas Verhalten interpretieren wir aufgrund der fehlenden Begründung so, dass sie entweder gut geraten hat, oder anhand der Formulierung der Frage zur richtigen Antwort gekommen ist, um die Erwartungen der Befragerin zu erfüllen. Im Gegensatz zu den anderen Probandinnen versuchte sie nicht, eine Erklärung für ihre Aussage zu finden, was daran liegen könnte, dass sie nicht das Bedürfnis hatte, ihre Antwort zu beweisen, oder weil sie nicht wusste, wie sie dies bewerkstelligen soll. Daraus folgern wir, dass sie sich, obwohl Alexa die Frage auch nicht richtig beantworten konnte, noch in einem früheren Entwicklungsstadium
wie
ihre
Schwester
befindet.
Dafür
würde
auch
der
Altersunterschied von zwei Jahren sprechen. Sofie und Aimée konnten samt korrekter Begründung die richtige Lösung zum ihnen präsentierten Problem finden, woraus zu schliessen ist, dass sich die Mädchen am Ende der dritten Entwicklungsstufe befinden oder diese womöglich bereits erfolgreich abgeschlossen haben. Beide sind in der Lage, mehrere Faktoren in ihre Überlegungen miteinzubeziehen und diese zu benennen. Im Vergleich zu Sofie schien sich Aimée ihrem eigenen Gedankengang und ihren Schlussfolgerungen stärker bewusst zu sein und konnte diese dementsprechend klarer offenlegen. Dies sind Anzeichen dafür, dass sie 5
Hobmair (Hg.): Pädagogik (2013), S. 271, 272.
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sich bereits in der Piagets vierten Stufe, der Stufe der konkreten Operationen, befindet. Auf dieser Stufe ist das Denken bereits unabhängig von der Wahrnehmung des Kindes, es ist aber trotzdem noch an konkrete Sachverhalte gebunden. Das egozentrische Denken verschwindet und das historische und schlussfolgernde Denken wird möglich, was wir bei Aimée ansatzweise beobachten konnten. Da die dritte Stufe meist mit dem sechsten oder siebten Lebensjahr abgeschlossen wird, würde die vierte Stufe auch ihrem Alter entsprechen.6 Während
der
Durchführung
des
Experiments
hat
sich
auch
die
kindliche
Wirklichkeitsauffassung gezeigt. Nach Jean Piaget treten die zwei grundlegenden Kriterien der geistigen Haltung des Kindes, nämlich kindlicher Egozentrismus und der Realismus, immer wieder auf. Hier zeigen sie sich vor allem im prälogischen Denken, welches wir bei Alexa und Ladina beobachten konnten: Das Kind orientiert sich nur an einem einzigen Faktor, nämlich an der sichtbaren Veränderung. Nach Piaget bleibt dem Kind die Möglichkeit, mehrere Faktoren oder Dimensionen einer Situation zu berücksichtigen, bis in das Schulalter verwehrt. Diese Aussage stimmt auch mit unseren Ergebnissen des Experiments überein.7
Perspektivenübernahme | 3.3 Beschrieb des Versuches | 3.3.1
Um herauszufinden, ob das Kind bereits in der Lage ist, die Perspektive einer anderen Person zu übernehmen, haben wir unserer Probandinnen eine kurze Szene mit einer kleinen Modellküche vorgespielt: Anna ging mit ihrer Mutter einkaufen, die eingekaufte Schokolade räumt Anna in den Kühlschrank. Während die Tochter Anna nun draussen am Spielen ist, backt ihre Mutter einen Kuchen, für welchen sie ein Stück der Schokolade verwendet, danach legt sie sie jedoch nicht zurück in den Kühlschrank, sondern in das Regal daneben. Später kommt Anna hungrig vom Spielen zurück, wo wird sie wohl zuerst nach der Schokolade suchen?
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Hobmair (Hg.): Pädagogik (2013), S. 271, 272. Hobmair (Hg.): Pädagogik (2013), S. 257.
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Herausfinden wollen wir, ob die Probandin bereits fähig ist, sich in die Lage von Anna zu versetzen und versteht, dass Anna nicht alles, was die Probandin selbst weiss, wissen kann.
Ergebnisse des Experiments | 3.3.2
Ladina Fischer, die drei jährige Probandin, war als einzige der vier Mädchen der Meinung, dass Anna die Schokolade im Regal suchen würde. Die fünf Jahre alte Schwester Alexa Fischer schaffte es nach einer längeren Überlegungszeit, auf die richtige Lösung zu kommen und sagte aus, dass Anna zuerst im Kühlschrank suchen würde. Sofie Fischer und Aimée Meyer war ohne lange nachzudenken sofort klar, dass die Tochter wohl zuerst den Kühlschrank öffnet. Aimée konnte jedoch im Gegensatz zu Sofie bereits eine etwas ausführlichere Erklärung geben und ihren Gedankengang genau und chronologisch schildern.
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Analyse der Ergebnisse | 3.3.3
Die Durchführung dieses Experiments zeigt uns ein weiteres Mal auf wie die kindliche Wirklichkeitsauffassung und das daraus resultierende Verhalten und Handeln funktioniert. Kinder haben laut Piaget eine egozentrische Haltung, die auch Egozentrismus genannt wird, wobei es seine eigene Person als Zentrum allen Geschehens betrachtet und alle Ereignisse von seinem eigenen Standpunkt und seiner eigenen Perspektive aus bewertet. Ein Kind mit einer solchen Haltung ist zum Beispiel der Auffassung, das es nur geschneit hat, damit es schlitteln gehen kann. Es ist ihm keineswegs bewusst, dass es neben seiner eigenen Meinung und der Erfahrung noch andere gibt, die korrekt sein können. So ist dieses Kind auch der Perspektivenübernahme nicht fähig und kann sich noch nicht in eine andere Person oder Situation hereinversetzen. Dieser Egozentrismus konnte man Ladinas Verhalten sehr gut erkennen. Sie ist noch nicht in der Lage, sich in die Situation von Anna hineinzuversetzen, weshalb ihr nicht klar ist, dass Anna nicht gleichviele Informationen wie sie selbst hat. Da das egozentrische Denken erst in der bereits erläuterten vierten Stufe von Jean Piagets Theorie verschwindet und somit auch erst dann die Perspektivenübernahme möglich wird, verstärkt die Annahme, dass Ladina die dritte Stufe sicher noch nicht abgeschlossen hat, sondern eher mit dem Abschluss der zweiten oder dem Beginn der dritten Stufe beschäftigt ist.8 Dass die fünf jährige Alexa nach längerem Nachdenken zur richtigen Lösung gekommen ist, hat uns überrascht, obwohl uns, wie bereits unter 3.2.3 erläutert, bewusst ist, dass sie in ihrer Entwicklung sicher schon weiter ist als die jüngere Schwester Ladina. Ihr Alter wie auch das Ergebnis des ersten Experiments würden nämlich dafürsprechen, dass sie sich in der Stufe des anschaulichen Denkens und nicht auf der der konkreten Operationen befindet. Hier muss man jedoch beobachten, dass der Übergang zwischen den Stufen fliessend ist und die Kinder vereinzelte Stärken und Schwächen haben, auch haben wir durch ein Experiment natürlich nicht die Garantie, dass sie sich in jede Situation hereinversetzen kann und ihr die Perspektivenübernahme in jedem Fall makellos gelingt. Anhand der Informationen, die wir durch die beiden Experimente gewinnen konnten, 8
Hobmair (Hg.): Pädagogik (2013), S. 258.
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sehen wir Alexa Fischer etwa im letzten Drittel der dritten Stufe, was auch ihrem Alter entsprechen würde. Die korrekten Antworten von Sofie und Aimée zeigt, dass die beiden in der Lage sind, sich geistig vom momentanen Geschehen zu distanzieren, die Perspektive einer anderen Person, in diesem Fall diese von Anna, übernehmen und daraus auch Schlüsse ziehen können. Aus diesem Grund befinden sich die zwei Mädchen vermutlich auf der vierten Stufe. Wie auch beim ersten Experiment zeigt Aimée durch ihre klaren Erklärungen und Begründungen ein starkes Bewusstsein für die eigenen Gedanken, auch wissen wir aus zusätzlicher Quelle, dass sie neben addieren, subtrahieren und multiplizieren auch bereits dividieren kann. Dies ist eine Fähigkeit, die sich das Kind in der Übergangsphase zur fünften Stufe, also der Stufe der formalen Operationen erwirbt, was weiter nahelegt, dass sich Aimée auch in dieser befindet.9 Auf der erwähnten fünften Stufe, welche ab dem 11. bis 12. Lebensjahr beginnt, wird es dem Kind möglich, über vorgegebene Informationen hinauszugehen, Hypothesen zu bilden, zu abstrahieren, das induktive und deduktive Denken zu erlernen und sogar über das Denken selbst nachzudenken. Ob ein Kind diese Fähigkeiten bereits erlernt hat, könnte man testen, indem man ihm einige Regeln gibt, aus welchen es weitere Schlüsse ziehen muss. Im Rahmen unserer Arbeit haben wir dieses Experiment jedoch nicht gemacht, da die jüngeren drei Probandinnen diese Aufgabe sicher noch nicht lösen können.10
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Hobmair (Hg.): Pädagogik (2013), S. 272. Hobmair (Hg.): Pädagogik (2013), S. 272, 273.
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Moralentwicklung | 4
Unter Moral versteht man ein System von verbindlichen Sollregeln der in einer Gesellschaft zusammenlebenden Menschen.11 Dies mag im ersten Moment relativ komplex klingen, heisst aber lediglich, dass die Moral unser Verhalten innerhalb der Gesellschaft definiert. Somit ist die Moral unabhängig von Gesetzen und Werte und Normen unserer Gesellschaft stehen im Mittelpunkt.12 Die Moral ist jedoch nicht von Geburt an gegeben, sondern entwickelt sich stetig weiter und verändert sich besonders im Kindesalter relativ stark. Zu eben jener Moralentwicklung gibt es viele interessante Theorien, unter anderem von Jean Piaget und Lawrence Kohlberg. Wir werden zur Moralentwicklung einen Versuch durchführen, welchen bereits Kohlberg für seine Studien benutzt hat und welcher sich somit hervorragend eignet, um die moralischen Fähigkeiten von Kindern zu untersuchen.
Beschrieb des Versuchs | 4.1
Als Experiment zum Thema Moralentwicklung haben wir uns für das Heinz-Dilemma entschieden. Hierbei geht es darum, dass die Frau von Heinz mit einer schweren Krankheit im Sterben liegt und die Ärzte keine Möglichkeit haben, sie zu heilen. Heinz will seine Frau aber nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. So begibt er sich auf die Suche nach einem Heilmittel und findet tatsächlich einen Apotheker, welcher ein Medikament erfunden hat, welches Heinz Frau potentiell weiterleben lassen könnte. Das Problem ist jedoch, dass Heinz nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um sich das Medikament zu leisten. Der Apotheker seinerseits ist nicht bereit, seine Erfindung unter 11 12
Hobmair (Hg.): Pädagogik (2013), S. 291. Moralische Entwicklung, in: arbeitsblaetter.stangl-taller.at, 16.01.2018.
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ihrem Wert zu verkaufen. Er verlangt 20'000 Franken. Heinz ist verzweifelt und überlegt sich, in die Apotheke einzubrechen und das Medikament zu stehlen. Die Frage hierbei ist also: Soll Heinz das Medikament stehlen? Wir haben die Geschichte von Heinz also etwas vereinfacht den Kindern präsentiert. Diese sollten nun entscheiden, wie sich Heinz in seinem Dilemma verhalten sollte.
Ergebnisse des Versuchs | 4.2
Ladina legte sich nach dem Ende der Geschichte sofort darauf fest, dass Heinz das Medikament stehlen und seine Frau retten soll. Auf die Frage nach dem warum war sie jedoch nicht in der Lage ihre Antwort auch zu begründen. Mit etwas Hilfe sagte sie dann aber, dass Heinz das Medikament klauen sollte damit seine Frau wieder gesund wird. Auch Alexa war sich ihrer Entscheidung sehr schnell sicher. Im Gegensatz zu Ladina war für sie klar, dass Heinz das Medikament unter keinen Umständen klauen sollte, weil dies schliesslich verboten ist und er dann vermutlich ins Gefängnis kommen würde. Wie bereits zuvor bei Alexa entschied sich auch Sofie dafür, dass Heinz nicht in die Apotheke einbrechen und seine Frau nicht retten sollte. Auch die Begründung ihrer Antwort war ähnlich, jedoch erwähnte Sofie noch, dass Heinz nichts davon hätte wenn seine Frau gerettet wird, da er sowieso ins Gefängnis kommt. Aimée fragte zuerst noch nach, ob sie die Geschichte richtig verstanden hatte. Anschliessend antwortete sie, dass Heinz einbrechen soll, wenn es wirklich um das Leben seiner Frau geht. Als Rechtfertigungsgrund fügte Aimée hinzu, dass ein Diebstahl in Ordnung ist, weil Heinz Frau gerade im Sterben liegt und so gerettet werden könnte.
Analyse der Ergebnisse | 4.3
Betrachtet man Kohlbergs «Stufenmodell des moralischen Urteils», so lässt sich dieses relativ nahtlos auf das Heinz-Dilemma anwenden. In unserem Fall ist klar, dass sich alle 15
Kinder noch auf dem Niveau des Präkonventionellen Urteilens befinden, da sie noch nicht in der Lage sind, zum Wohle anderer Menschen oder der Gesellschaft zu urteilen. Bei Ladina und Alexa ist der Fall klar: Sie befinden sich noch auf der Stufe der Heteronomen Moralität. Obwohl unterschiedliche Antworten gegeben wurden, ist dies klar ersichtlich, da Ladina noch nicht in der Lage war, ihre Antwort zu begründen und Alexa mit der drohenden Haftstrafe argumentiert hat. Alexa hat somit nach dem Prinzip «Regeln einhalten, um Strafe zu vermeiden» gehandelt. Auch bei Aimée tendieren wir eher noch zur ersten Stufe innerhalb des Präkonventionellen Urteilens. Sie versucht zwar bereits eine sinnvolle Begründung ihrer Antwort zu finden, geht aber eher nach dem Prinzip das seine Frau Heinz sehr wichtig ist und er sie deswegen retten sollte. Aimée macht jedoch im Gegensatz zu Ladina und Alexa den Eindruck, als hätte sie verstanden worum es beim Heinz-Dilemma geht und dies deutet darauf hin, dass sie bereits in der Lage ist, die Bedürfnisse anderer Menschen zu verstehen (Stufe 2). Bei Sofies Argumentation ist in unseren Augen klar, dass sie sich bereits auf der zweiten Stufe von Kohlbergs Modell befindet. Sie entschied sich gegen den Diebstahl, da Heinz dafür sowieso ins Gefängnis kommen würde und ihm die Heilung seiner Frau schlussendlich nichts bringt. Sofie ist also in der Lage zu erkennen, welche Bedürfnisse andere Menschen haben und kann sich diese auch selber herleiten. Sie sieht also, dass Heinz das Bedürfnis des Zusammenlebens mit seiner Frau nicht erreichen kann und sieht ein, dass sich der Diebstahl des Medikaments in diesem Falle nicht lohnt.13 Jean Piagets Stufen der moralischen Entwicklung lassen etwas schwieriger auf das Heinz-Dilemma anwenden, da Piaget seine Erkenntnisse aus der Analyse von Kindern beim Murmelspiel gezogen hat. Piaget unterscheidet in seinem Modell drei Stufen der Moralentwicklung: Einfacher moralischer Realismus, heteronome- und autonome Moral. Ausserdem sei die moralische Entwicklung einerseits von deren „Reifungsprozessen“ und andererseits von den „Einflüssen aus deren Umgebung“ abhängig. Im Gegensatz zu Kohlberg ging Piaget davon aus, dass der moralische Reifungsprozess im Alter von 11 Jahren abgeschlossen sei.14 13 14
Arbeitsblatt: Stufenmodell des moralischen Urteils. Moralentwicklung, in: arbeitsblaetter.stangl-taller.at, 17.01.2018.
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Ladina wäre demnach noch auf der Stufe des einfachen moralischen Realismus, wobei dies nicht ganz leicht zu beurteilen, da ihre Antwort relativ willkürlich wirkte. Da sie durch ihre Antwort jedoch versuchte, die Erwartungen der Befragenden zu erfüllen, würde dies nach Piaget klar für die erste Stufe sprechen. Die Antworten von Alexa und Sofie entsprechen in Piagets Theorie der zweiten Stufen, also der heteronomen Moral. Sie alle haben eine plausible Erklärung für ihre Antwort gefunden, wobei keine von beiden völlig losgelöst von Gesetzen und Rechten die Situation beurteilen konnte. Aimées Antwort wäre laut Piaget schon auf dritter Stufe einzuordnen, da sie einem Menschenleben den höheren Stellenwert einräumt als einem einfachen Diebstahl. Sie kann also bereits unabhängig von möglichen Konsequenzen eine Situation nach ihrer Wichtigkeit beurteilen.15
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Allgemeiner Überblick über die moralische Entwicklung, in: arbeitsblaetter.stangl-taller.at, 17.01.2018. 17
Fazit | 5
Die Tatsache, dass wir drei Experimente mit 4 verschiedenen Kindern durchführen konnten, erwies sich als sehr erfreulich. Wir waren dadurch in der Lage die Kinder miteinander zu vergleichen und anhand der Theorien von Piaget und Kohlberg unterschiedliche Schlüsse ziehen. Wir waren überrascht von der grossen Differenz der Antworten, besonders beim HeinzDilemma unterschieden sich die Lösungsansätze grundlegend. Beim Experiment mit dem Wasser entsprachen die Ergebnisse dann aber schon wieder etwas eher unseren Erwartungen. Grundsätzlich kann man sagen, dass uns die Experimente sehr geholfen haben, um die Theorien von Piaget und Kohlberg auf praktischer Ebene besser nachzuvollziehen und analysieren zu können. Wir sind sehr zufrieden mit unseren Testergebnissen und wollen an dieser Stelle nochmal bei Ladina, Alexa, Sofie und Aimée für ihre Hilfe bedanken.
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