Deportation von Köln nach Trostenez/Minsk am 20. Juli 1942
Sehr geehrte Damen und Herren, Liebe Freundinnen und Freunde,
Mit dem „Transportzug Da 219“ verließen am Montag, den 20. Juli 1942, gegen 15 Uhr 1.164 jüdische Männer, Frauen und Kinder den Bahnhof Deutz-Tief. Sie erreichten am Morgen des 24. Juli den Güterbahnhof in Minsk. Der Deportationszug wurde nicht ins Ghetto geleitet. Die Deportierten wurden stattdessen in dem Wald von Blagowschtschina vor ausgehobenen Gruben erschossen oder in Lastwagen mit Gas ermordet. Niemand überlebte.
Verständigung und Versöhnung zu ermöglichen, ist eine zentrale Aufgabe für die IBB-Arbeit in Deutschland, Polen und auch in Belarus. Vor 10 Jahren haben wir die Geschichtswerkstatt Minsk gegründet. Überlebende des Minsker Ghettos, ehemalige KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter treffen sich dort regelmäßig. Sie sehen in der Geschichtswerkstatt heute eine „warme Stube“ und ihr zweites Zuhause. Darüber freuen wir uns sehr. Wir stehen vor der Aufgabe, dass eine würdige Gedenkstätte für alle Opfer in Trostenez Realität wird. Eine solche Aufgabe würde uns alleine überfordern. Wir sind deshalb dankbar für die Hilfe und Unterstützung des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge und der Bethe-Stiftung sowie zahlreicher anderer Akteure aus der Politik und der Zivilgesellschaft in Deutschland und Belarus. Die Gedenkstätte Trostenez kann nur entstehen, wenn sie auch die Unterstützung und finanzielle Förderung der Städte bekommt, aus denen die Deportationen 1941-42 erfolgten. Pfingsten ist ein Fest der Hoffnung für Christen. Wir streben deshalb an, Pfingsten 2014, im 70. Jahr der Befreiung von der NS-Diktatur in Belarus, den Grundstein für die Gedenkstätte Trostenez legen zu können. Wir laden Sie herzlich zu der Gedenkreise „Für eine gemeinsame Zukunft“ ein und hoffen auf Ihre Unterstützung und finanzielle Förderung.
Henning Scherf
Liebe Freundinnen und Freunde, Verdrängung und Vergessen haben lange Zeit das Verhältnis der deutschen Gesellschaft zu den Gräueln des Zweiten Weltkriegs bestimmt. Es hat lange gedauert, bis wir uns unserer historischen Verantwortung gestellt haben. Die Vergangenheitsbewältigung war wichtig und notwendig, so schmerzlich und bitter sie zuweilen auch war. Heute, 70 Jahre nach den unmenschlichen Verbrechen, ist die Versuchung groß, die Auseinandersetzung mit dem Holocaust für abgeschlossen zu erklären. Genährt wird dieser Wunsch durch den trügerischen Schluss, wir wüssten schon alles über den Holocaust und hätten kein Opfer vergessen. Dass dem nicht so ist, beweist uns Trostenez - ein Ort, an dem die SS-Schergen mindestens 50.000 – 60.000 Menschen getötet haben und dessen Name heute kaum ein Deutscher kennt. Es ist ein Ort, der uns daran erinnert, dass der deutsche Vernichtungsfeldzug in Polen nicht Halt machte und wir die Dimension der Gräueltaten in Belarus noch begreifen müssen. Ich bin deshalb dem IBB sehr dankbar, dass es sich für die Errichtung einer Gedenkstätte an den Erschießungsgruben in Trostenez einsetzt und diesen Ort in unser Blickfeld rückt. Wir brauchen einen Ort, an dem wir der Opfer gedenken und an dem wir aus der Geschichte lernen können, damit sich das Unrecht nicht wiederholt, das dort geschehen ist. Ich hoffe auf Ihre Unterstützung.
Etwa die Hälfte der Opfer dieser Deportation hatte zuvor in Köln, zumeist in Ghettohäusern oder anderen Sammelunterkünften, gewohnt. Auch das jüdische Kinderheim und die Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer des Jüdischen Reformrealgymnasiums Jawne waren betroffen. Die Übrigen kamen aus der Region (vgl. Karte). Viele lebten bereits zwangsweise in den Sammellagern in Much, Niederbardenberg und Bonn, viele wurden aus Gefängnissen, Zuchthäusern in Rheinbach und Siegburg, aus Untersuchungs- und „Schutzhaft“, aus Krankenhäusern und Heilanstalten (Marsberg) zum Bahnhof Deutz-Tief verbracht. Ein Augenzeuge, der in der Messe zu helfen versuchte, berichtete: „Mit dem Transport im Juli 1942 nach Minsk ging die jüdische Jugend Kölns, bis auf wenige, restliche, mit. Es war dies ein Transport, den ich nicht vergessen werde. Alles junge, kräftige Menschen, die sich zu helfen wussten. Es war dies der einzige Transport, wo keine Trauer herrschte, wo das hundertprozentige Gefühl herrschte: Wir werden wiederkommen! Gefasst und reibungslos ging dieser Transport von statten. Ein flottes Liedchen wurde allem zum trotz noch gesungen – Der Bahnsteig 5 sah diesmal keine verzweifelten, sondern mutige Menschen, die bewusst ihr Schicksal auf sich nahmen. Und gerade von diesem Transport ist nicht einer am Leben geblieben.“
Matthias C. Tümpel Dr. Astrid Sahm
SPENDENKONTO: Die Bethe-Stiftung unterstützt die Gedenkstätte Trostenez mit einer Spenden-Verdoppelungs-Aktion: Bis zum 16. Dezember 2013 wird jede Spende bis zu einer Höhe von 3.000 € von der Bethe-Stiftung verdoppelt. Insgesamt werden 150.000 € verdoppelt. IBB gGmbH KD Bank; Bank für Kirche und Diakonie Spendenkonto: 2100 2110 44 BLZ: 350 601 90 Stichwort: „Trostenez-Köln“ Spendenbescheinigungen werden auf Anfrage ausgestellt.
Kurt Bader,
Professor Manfred Zabel Peter Junge-Wentrup
geboren 1935 in Köln, ermordet in Trostenez (Copyright: NS-DOK)
Impressum:
Karte Wohnorte der Deportierten vom 20. Juli 1942 (Copyright: NS-DOK)
Internationales Bildungs- und Begegnungswerk gGmbH Bornstr. 66 | D-44145 Dortmund Tel.: +49 231 95 20 96 0 | Fax: +49 231 52 12 33 http://www.ibb-d.de Gestaltung: www.grittobis.com
Für eine gemeinsame Gedenkstätte „Trostenez“, Minsk
Der Vernichtungsort Trostenez und die Gedenkstättenplanung der Stadt Minsk
Der Bundespräsident
Berlin, im September 2013
Grußwort von Bundespräsident Joachim Gauck zu dem Vorhaben der Errichtung einer Gedenkstätte für die ermordeten Juden aus Deutschland, Österreich und Weißrussland in Trostenez (Belarus) In den Zeiten der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg wurden in den Ländern Osteuropas Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, deren Ausmaß und Grausamkeit unvorstellbar ist und tiefe Bestürzung in uns hervorrufen. Orte wie das Konzentrationslager Auschwitz sind heute feste Begriffe im europäischen und deutschen Diskurs und Gedenken. Darüber hinaus gibt es aber noch eine Vielzahl anderer Orte, in denen Abertausende Menschen brutal ermordet wurden. Vor über zwei Jahrzehnten ermöglichte der Fall des Eisernen Vorhangs den Austausch zwischen Deutschland und den befreiten Völkern Europas über die Geschehnisse in dieser dunklen Zeit der europäischen Geschichte. Es ist von großer Bedeutung, dass sich die Europäer gemeinsam mit den Verbrechen der Vergangenheit auseinandersetzen, um einen Weg der Versöhnung und Gemeinsamkeit in der Zukunft zu bahnen. Deswegen begrüße ich den Ansatz eines europäischen Gedenkens an die Ermordeten von Blagowschtschina und Trostenez, die ihrerseits aus verschiedenen Staaten Europas stammten. Tausende Juden unter anderem aus Deutschland, Österreich und Weißrussland - sowie Zwangsarbeiter aus der ehemaligen Sowjetunion fanden an diesen Ort ihren Tod. Dieser Menschen wollen wir gedenken und in einem europäischen Dialog Lehren aus der Geschichte ziehen. Dazu trägt das Vorhaben zur Errichtung einer Gedenkstätte in Trostenez bei.
In Trostenez befinden sich drei Mordstätten aus der NS-Zeit: _ Im Krematorium in Schaschkowka wurden 1944 bis zu 50.000 Menschen getötet und verbrannt. _ In der Scheune auf dem Gut Trostenez wurden im Juni 1944 bis zu 6.500 Menschen erschossen und anschließend verbrannt. _ In dem Wald von Blagowschtschina wurden vor allem auch Juden aus Deutschland und Österreich getötet und verscharrt. Ab Oktober 1943 wurden die Massengräber geöffnet, die Leichen exhumiert und verbrannt. Auf diese Weise wollten die SS-Schergen ihre Verbrechen vertuschen. Für die ersten beiden Mordstätten hat die Stadt Minsk über 60 ha als Gedenkstättengelände ausgewiesen und eine Denkmalsplanung beschlossen. Die Entwürfe sind unten abgebildet. Die Stadt Minsk hat auch den Wald von Blagowschtschina als Gedenkstättengelände ausgewiesen, dazu jedoch keine Planung in Auftrag gegeben. Hierfür hat Leonid Lewin, belarussischer Architekt und Vorsitzender des Verbandes der jüdischen Gemeinden, nun einen Entwurf gestaltet. Dieser Entwurf wird in Belarus von zahlreichen gesellschaftlichen Organisationen unterstützt. So setzen sich z. B. Herr Erzbischof Kondrusewitsch für die Katholische Kirche und Herr Metropolit Filaret für die Orthodoxe Kirche für den Entwurf ein. Die Stadt Minsk ist bereit, diesen Entwurf in ihre Planung zu integrieren, sofern es hierfür eine finanzielle Unterstützung von der westlichen Seite gibt.
Weg des Todes Leonid Lewin bezeichnet seinen Entwurf als „Weg des Todes“. Er schreibt zu seinem Entwurf: „...Die Besucher der Gedenkstätte sollen stilisierte Eisenbahnwaggons passieren, an deren Wänden Gedenktafeln mit den Namen der Opfer angebracht werden. Die gesamte Komposition bestimmen in erster Linie zwei freie, runde Plätze. Den ersten weißen Platz haben die Häftlinge bei ihrer Ankunft ins Lager betreten, als sie noch Hoffnung auf Überleben hatten. Auf dem zweiten, schwarz gestalteten Platz wurde ihr Leben tragisch beendet. Im Wegeverlauf ist eine Reihe von Skulpturen geplant, die das Paradoxe des Krieges verdeutlichen: _ Ein zerstörtes, auf den Kopf gestelltes Haus, _ ein mit den Wuzeln nach oben weisender Baum, _ eine umgekippte und zerbrochene Menora, u.a. ... Hinter dem schwarzen Platz liegen die Massengräber, über die inzwischen ein Wald gewachsen ist. Es ist vorgesehen, die einzelnen Gräber zu markieren.“
Leonid Lewin Leonid Lewin ist Künstler und Architekt und hat zahlreiche Gedenkstätten in Belarus und anderen GUS-Ländern geschaffen. Zu seinen bedeutenden Werken gehören u. a. die Gedenkstätte Chatyn – 1969, die Jama in Minsk – 2000, die Gedenkstätte Gorodaj - 2004 und die Gedenkstätte Krasnyj Bereg, die 2008 eingeweiht wurde. Leonid Lewin ist Vorsitzender der jüdischen Gemeinden und Organisationen in Belarus. Er ist Mitglied der internationalen Akademie der Architekten und Träger des Bundesverdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland.